Sozialgericht Duisburg Urteil, 02. Nov. 2015 - S 16 AL 624/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Gründungszuschuss ab 01.07.2012.
3Die Klägerin ist Fachärztin für Chirurgie, Schwerpunkt Unfallchirurgie mit Zusatzbezeichnungen "spezielle Unfallchirurgie" und Handchirurgie, außerdem nach eigenen Angaben zertifiziertes Mitglied für Fußchirurgie. Zuletzt war sie vom 01.12.2011 bis zum 31.05.2012 als Oberärztin im E.-Krankenhaus Recklinghausen tätig. Während der Probezeit kündigte die Klägerin mit Schreiben vom 26.04.2012 ohne Angabe von Gründen zum 31.05.2012. Am 30.04.2012 meldete sie sich arbeitslos. Bereits zuvor hatte sie sich am 21.03.2012 auf eine Assistenzarztstelle beim Helios Klinikum Duisburg und mit Schreiben vom 09.04.2012 für die später übernommene Chirurgische Praxis in Gelsenkirchen bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe beworben. Außerdem bewarb sie sich beim Evangelischen Krankenhaus Hamm (Bewerbungsdatum unbekannt). Am 04.05.2012 erkundigte die Klägerin sich erstmals telefonisch für die beabsichtigte Selbständigkeit nach Gründungszuschuss.
4Am 07.05.2012 beantragte sie Gründungszuschuss für die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit ab 01.07.2012. Am 09.05.2012 und 14.05.2012 erhielt die Klägerin die Absagen auf die Stellenbewerbungen bei den Krankenhäusern. Am 21.05.2012 schlossen die Beklagte und die Klägerin eine Eingliederungsvereinbarung mit der Zielsetzung Aufnahme einer beitragspflichtigen Tätigkeit als Stationsärztin / Oberärztin, Assistenzärztin im Umkreis von Dinslaken 50 bis 80 km. Im Vermerk der Arbeitsvermittlerin, der Mitarbeiterin Karnowka über das Erstgespräch und den Gründungszuschussantrag heißt es dazu: "Antrag auf Wunsch ausgehändigt, muss mit Ablehnung rechnen, da günstiger Arbeitsmarkt für Ärzte. Besondere Stärken: Handchirurgie, Pkw vorhanden, Unfallchirurgie , Chirurgie. Fazit zur Standortbestimung: Frau Sch. ist eine berufserfahrene Chirurgin, hat sich auf Handchirurgie spezialisiert." Ein Stellenangebot (Klinikum Dortmund) wurde übersandt; am Folgetag wurden zwei weitere Stellenangebote, bei einem handelte es sich um eine Personalberatung mit Schwerpunkt Vermittlung von Ärzten, unterbreitet.
5Im Fragebogen bei eigener Kündigung und mit Stellungnahmen vom 21.05.2012 zur möglichen Sperrzeit und zum Antrag auf Gründungszuschuss gab die Klägerin an, sie habe das Arbeitsverhältnis beendet, um eine Arbeitgeberkündigung zu vermeiden. Im Mitarbeitergespräch im März 2012 sei ihr Kritik entgegengebracht worden, die ein Nichtbestehen der Probezeit begründe. In dieser Abteilung seien in den letzten zwei Jahren sieben Oberärzte während und nach der Probezeit nicht mehr beschäftigt gewesen. Sie habe sich ab März sofort um weitere Anstellungsmöglichkeiten als Assistenzärztin in Duisburg und Oberärztin in Hamm bemüht. Weitere Stellen seien im Umkreis von 100 km nicht im Angebot gewesen. Nach den Bewerbungen seien ihr bei kurzen Gesprächen Bedenken bezüglich ihrer Person entgegengebracht worden, weil sie zum Ende der Probezeit nicht weiter beschäftig sei. Sie habe erkennen müssen, dass hier in unberechtigter Weise eine Schlussfolgerung in Richtung Erfolglosigkeit gezogen worden sei und eine Anstellung auch nur als Assistenzärztin wegen Überqualifikation unmöglich erschienen sei. Als einzige Möglichkeit der weiteren Erwerbstätigkeit habe sich ihr die Flucht in die Selbständigkeit geboten. Die Agentur für Arbeit und der Stellenmarkt in Ärztezeitungen hätten keine offenen Stellen anzubieten gehabt. Arbeitslose Ärzte seien eher selten, da normalerweise, wie auch in ihrer Vergangenheit, von Anstellung zu Anstellung gewechselt werde. Von einer solchen, durch einen Arbeitgeber provozierten Katastrophe wie in ihrem Fall habe sie noch nicht gehört. Um einer angekündigten Kündigung durch den Arbeitgeber zu entgehen, habe sie selbst gekündigt. Ihr entgehe durch diese Kündigung ein sehr hohes Gehalt und ein augenscheinlich recht lukrativer Arbeitsplatz. Sie habe aber keine Wahl gehabt, da ihr durch die Kündigung des Arbeitgebers ein noch höherer Schaden entstanden wäre. Der Arbeitgeber bestätigte eine aus seiner Sicht bestehende nicht ausreichende Qualifikation, er habe sie aber weiter im Lernprozess unterstützen wollen und nicht beabsichtigt, sie zu kündigen. Er wisse, dass sie sich in absehbarer Zeit in einer eigenen Praxis niederlassen wolle.
6Zum Antrag auf Gründungszuschuss legte die Klägerin eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle, der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, Dortmund mit positiver Prognose vor. Sie legte einen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung für das Finanzamt vor, aus der sich auch das voraussichtliche Einkommen des Ehegatten ergab. Schließlich legte sie eine Gewinnermittlung des die Praxis bisher führenden Chirurgen M. zum 31.12.2010 vor, aus der sich für das Jahr 2010 EUR und für das Vorjahr Betriebseinnahmen in Höhe von 336.899,50 bzw. 322.959,76 EUR, Betriebsausgaben in Höhe von 283.823,08 EUR und 275.081,79 EUR sowie ein steuerlicher Gewinn für das Jahr 2010 in Höhe von 53.076,42 EUR und für das Vorjahr in Höhe von 47.877,97 EUR ergibt. Sodann legte sie eine Modellrechnung der Deutschen Apotheker- und Ärztebank hinsichtlich der Investitionen, die Finanzierung, Personalkosten, Raumkosten, sonstige Kosten, persönliche Ausgaben, für die jeweils pro Jahr 48.000 EUR plus 20.000 EUR Vorsorgeaufwendungen angesetzt worden waren. Errechnet wurden hierfür erforderliche Mindesteinnahmen in Höhe von 332.001 EUR pro Jahr. Außerdem legte sie ihre Zeugnisse, die Approbationsurkunde sowie die Urkunden für die Facharztanerkennung (Fachärztin für Chirurgie, Schwerpunkt Unfallchirurgie) und die Anerkennung zum Führen der Zusatzbezeichnungen "spezielle Unfallchirurgie" und Handchirurgie vor.
7Zum Antrag auf Gründungszuschuss trug sie ergänzend mit Schreiben vom 21.05.2012 vor, als Voraussetzung für die Bewilligung sei ein Nachweis von acht Absagen zu Bewerbungen im Bereich der allgemeinen Chirurgie im Umkreis von 50 km genannt worden. Offene Stellen habe die Agentur für Arbeit in dem vorgenannten Bereich nicht anbieten können. Sie selbst habe sich seit März 2012 um eine Anschlussarbeitsstelle in Hamm und Duisburg als Assistenzärztin bemüht und die beigefügten Absagen erhalten. Andere offene Stellen seien momentan nicht angeboten. Sie werde auch ohne freie Stellenangebote willkürlich weiteren Krankenhäusern Bewerbungsschreiben zusenden. Leider habe sich ihre Situation am Arbeitsmarkt nun insofern extrem verschlechtert, dass sie aus einer Oberarztanstellung innerhalb der Probezeit auch in eine Assistenzarzt- oder Stationsarztanstellung zurückwechseln müsse. Der potentielle Arbeitgeber könne daher auf ihr Versagen schließen. Es bleibe ihr letztlich nur die Flucht in die Selbständigkeit, um nicht in eine voraussichtliche Dauerarbeitslosigkeit abzugleiten. Da die gesetzlichen Krankenkassen die Abrechnung des Honorars erst nach etwa sieben Monaten erledigt hätten, sei sie in diesen ersten sieben Monaten ohne irgendwelche geldlichen Mittel und auf die öffentliche Hand angewiesen. Ebenso werde ein arztbezogener Patientenschwund in den ersten Monaten ebenfalls ein geringeres Einkommen bescheren. Internetauftritt, ambulantes Operationsangebot und Behandlungsscheinwertsteigerungen würden letztlich nach einiger Zeit einen Ausgleich des Verlustes auffangen können. Ihr Leistungsangebot sei in Verbindung mit der Arztzulassung konkurrenzlos. Im Umkreis von 100 km sei ihr kein niedergelassener spezieller Unfallchirurg mit abgeschlossener handchirurgischer Weiterbildung bekannt. Wegen der hohen Qualifikation sei die Steigerung des Punktwertumsatzes der Krankenversicherung um etwa 20 bis 30 % allein durch ihr zusätzliches zu beantragendes Angebot der Dopplersonographie gewährleistet. Ebenso erwarte sie Umsatzsteigerungen durch die von ihr angebotenen und seit 01.01.2012 außerbudgetären ambulanten Operationen. Um konsiliarische endoskopisch - handchirurgische Tätigkeit im benachbarten Krankenhaus werde sie sich bemühen. Ihr Leistungsangebot sei konkurrenzlos, sofort geldlich und umfänglich zu steigern. Ihre persönliche Position auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei hingegen nahezu aussichtslos. Der Gründerzuschuss werde zu ihrer Lebensunterhaltssicherung für die ersten sechs Monate bis zur ersten Krankenversicherungs-Abrechnung benötigt. Die Tatsache, dass in Dinslaken keine Ärzte arbeitslos gemeldet seien, sei für die Beurteilung ihrer vorbeschriebenen misslichen Lage nicht relevant.
8In der Folgezeit bewarb sie sich im Mai bei 5 weiteren Krankenhäusern in Essen, Dinslaken, Mönchengladbach, Dortmund, Wesel und Duisburg (Bewerbungen i.W. vom 24.05.2012 und vom 31.05.2012), davon 2 Stellenangebote der Beklagten. Auf die beworbenen Stellen, im überwiegend als Assistenzärztin, erhielt sie im Wesentlichen Ende Mai und im Juni Absagen mangels Stellenvakanzen (3), bereits erfolgter Besetzung der ausgeschriebenen Stelle (3), aufgrund der Vielzahl von Bewerbungen (1), nicht mit dem gesuchten Profil übereinstimmender Facharztausbildung (1) und ohne Begründung (1). Seitens der ebenfalls von der Beklagten als Arbeitgeber angebotenen CTM Personalberatung Christian Töpfer (Bewerbungsdatum unbekannt) erhielt die Klägerin mit Schreiben vom 18.06.2012 die Mitteilung, momentan könne keine passgenaue Stelle vermittelt werden, man sei weiterhin für sie tätig.
9Am 01.06.2012, dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit, teilte die Klägerin auf eine Aufforderung zur persönlichen Meldung am 01.06.2012 mit, sie werde dieser nicht nachkommen, weil sie ab 01.06.2012 arbeitsunfähig erkrankt sei und ab 01.07.2012 eine selbständige Tätigkeit aufnehmen werde. Sie übersandte sodann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 15.06.2012. In der Verwaltungsakte befindet sich sodann einen Ausdruck einer Statistik des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Agentur für Arbeit hinsichtlich der Berufsordnung 841 Ärzte/innen (Humanmedizin) mit der Entwicklung der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten von 1999 (129.356) bis 2010 (178.864), sowie der entsprechenden Arbeitslosenzahlen mit diesem Zielberuf (7.686 im Jahre 1999 und 2.099 im Jahre 2010).
10Mit Bescheid vom 22.05.2012 wurde der Klägerin vorläufig ab 01.06.2012 für die Dauer von 360 Kalendertagen Arbeitslosengeld in Höhe von 59,33 EUR täglich (1.779,90 EUR monatlich) bewilligt, wegen einer eventuellen Sperrzeit jedoch erst ab 24.08.2012.
11Mit Bescheid vom 19.07.2012 stellte die Beklagte den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit bis zum 23.08.2012 fest.
12Mit Bescheid vom 31.07.2012 lehnte die Beklagte die Bewilligung des beantragten Gründungszuschusses im Rahmen ihres Ermessens mit der Begründung ab, sie habe mit ihrer Arbeitsaufgabe ihr Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis ohne wichtigen Grund selbst gelöst. Es bestehe daher aus ihrer Sicht im Rahmen des Ermessens keine Notwendigkeit, sie nach ihrer eigenen Arbeitsaufgabe mit finanziellen Fördermitteln zur Existenzgründung zu fördern. Bevor eine Förderung erfolgen könne, sei außerdem zunächst zu prüfen, ob sie auch ohne Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung in den Arbeitsmarkt dauerhaft eingegliedert werden könne. Als Orthopädie / Unfallchirurgin habe sie besondere Qualifikationen und Ausbildungen, mit denen zu erwarten sei, dass sie in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Durch Übernahme einer 30 Jahre alten Praxis könne sie auf einen festen Patientenstamm zurückgreifen. Durch geplante, bisher auch vom Vorgänger erwirtschaftete Gesamteinnahmen von ca. 330.000 EUR jährlich sei von einer ausreichenden Tragfähigkeit auszugehen. Der Gründungszuschuss könne deshalb nicht gewährt werden.
13Die Klägerin erhob Widerspruch. Seit Bekanntwerden der Kündigungsandrohung und Aufforderung zur Selbstkündigung habe sie sich umgehend beworben, die geforderten acht Bewerbungen und acht Absagen stünden bereits zur Verfügung bzw. würden nachgereicht. Eine dauerhafte Eingliederung auf dem Arbeitsmarkt sei somit nach den Angaben der Beklagten gescheitert. Die Berufsbezeichnung zur Orthopädie / Unfallchirurgin biete keine besondere Qualifikation, sondern fachärztliche Mindestanforderungen. Der Patientenstamm mit dreißigjähriger Bindung an den abgebenden Chirurgen sei flüchtig und werde mit Minderung um ca. 20 % durch die KBV prognostiziert. Erst nach ca. zwei Jahren werde der Schwund durch neue Patientenzuwanderung und ihre konkurrenzlose Qualifikation ausgeglichen werden können. Der zu erwartende Umsatz betrage für die erste Zeit ca. 20 % weniger als bei dem abgebenden Arzt. Momentan würden allein die Gehälter der übernommenen Angestellten durch die Vorabzahlungen der Kassenärztlichen Vereinigung gedeckt. Die erwiesene Nichtvermittelbarkeit ihrer Person auf dem Arbeitsmarkt sei nicht berücksichtigt worden, obwohl dies als ausschlaggebendes Kriterium erklärt worden sei. Die Beklagte habe nicht die entsprechende Sachkenntnis über ihren fachlichen Status sowie die entsprechenden betriebswirtschaftlichen Verhältnisse.
14Auf den Widerspruch gegen die Sperrzeit minderte die Beklagte diese mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2012 auf drei Wochen vom 01.06.2012 bis zum 21.06.2012 mit einer Anspruchsminderung von lediglich 21 Tagen, da aufgrund fest vorgesehener Selbständigkeit das Beschäftigungsverhältnis zum 01.07.2012 auch ohne Sperrzeit geendet hätte. Leistungen wurden nachbewilligt.
15Den Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrages auf Gründungszuschuss wies die Beklagte sodann mit Widerspruchsbescheid vom 02.11.2012 mit der Begründung zurück, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 Abs. 1, Abs. 2 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III ab dem 01.04.2012) lägen zwar vor. Darüber hinaus habe sie bei der Entscheidung jedoch ein Ermessen auszuüben, da § 93 SGB III in der Fassung ab dem 01.04.2012 als "Kannvorschrift" erlassen worden sei. Die Argumente der Klägerin könnten nicht als Begründung herhalten, dass auf dem Arbeitsmarkt keine Vermittlungsmöglichkeiten bestanden hätten, wenn auch nicht im gesamten Leistungsspektrum. Wenn die Klägerin derartige Qualifikationen erworben habe, die eine Beschäftigung als angestellte Chirurgin für sie als aussichtlos ansehen lasse, sei aber in Teilbereichen durchaus eine Vermittlung zur Beendigung der selbst herbeigeführten Arbeitslosigkeit möglich. Im Rahmen des Ermessens sei auch zu werten, ob zur Tragfähigkeit der Existenz der Gründungszuschuss erforderlich sei. In der Modellrechnung für die Klägerin werde für 2012 ein Umsatz von 332.000 EUR zur Realisierung der Existenzgründung als erforderlich angesehen. Die Betriebseinnahmen des Vorgängers aus 2010 hätten 321.156,06 EUR betragen. Die Klägerin habe hier für ihre Praxis eine Minderung um ca. 65.000 EUR auf 256.000 EUR gesehen. Da sie sonst keine Zahlen zur eigenen Existenzgründung vorgelegt habe, werde anhand dieser Angaben entschieden. Der als erforderlich gesehene Umsatz von 332.000 EUR werde im prozentuellen Verhältnis bei dem erwarteten Umsatz von 256.000 EUR zu einem Betrag für die Lebenshaltung und die Vorsorge von ca. 52.000 EUR führen (anstatt von 48.000 EUR und 20.000 EUR). Dies werde monatlich 4.300 EUR entsprechen. Die Klägerin selbst sehe den Ertrag bei 10 % des Umsatzes, also bei 25.600 EUR. Dies wäre monatlich 2.130 EUR. Selbst dieser Betrag liege über dem, den eine Vielzahl von Arbeitnehmern mit Kindern zur Verfügung habe. Zudem sei bei der zuletzt maßgebenden Steuerklasse IV auch davon auszugehen, dass auch der Ehemann ein entsprechendes Einkommen erziele. Dabei dürfe die Klägerin nicht davon ausgehen, dass durch den Gründungszuschuss ein monatliches Entgelt erzielt werde, damit das bisherige Bruttoentgelt von 5.600 EUR erreicht werde. Wenn die Klägerin vortrage, der Gründungszuschuss werde für die ersten sechs Monate bis zur ersten Krankenversicherungsabrechnung benötigt, gebe sie dadurch auch an, dass der Gründungszuschuss eigentlich nur der Vorfinanzierung eigentlich erwirtschafteter Leistungen dienen solle. Das sei jedoch keineswegs der Sinn des Gründungszuschusses.
16Gegen den am 03.11.2012 abgesandten und laut Eingangsvermerk der Klägerin dort am 10.11.2012 eingegangenen Widerspruchsbescheid richtet sich die am 10.12.2012 erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin ergänzend vor, die Sperrzeit sei aufgehoben worden, damit entfalle der Grund für die Verweigerung des Gründungszuschusses. Die Berechnung der Beklagten zur finanziellen Situation hält sie für fehlerhaft. Im Jahre 2012 erwarte sie einen Gewinn von Null, da die Betriebsausgaben ebenso hoch seien wie die Einnahmen. Der Gründungszuschuss sei zur Zwischenfinanzierung Ihres Lebensunterhaltes erforderlich. Sie habe ihre Eltern um einen Kredit bitten müssen. Ihr Ehegatte sei nicht in der Lage, sie zu unterhalten. Nach Bekanntwerden der bevorstehenden Kündigung habe sie sich zunächst auf Assistenzarztstellen beworben und erst danach den Weg in die Selbständigkeit gesucht. Sie sei zweigleisig gefahren. Erst nach den Absagen habe sie eine Bewerbung in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als aussichtslos angesehen. Es habe außerdem mehrere Bewerber für die Praxis gegeben, so dass es nicht sicher gewesen sei, dass sie den Zuschlag erhalten werde. Erst vier Tage vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit habe sie durch den Zulassungsausschuss die vorläufige Genehmigung erhalten. Die Beklagte habe selbst bewiesen, dass freie Stellen nicht vorhanden gewesen seien, weil sie ihr während ihrer Arbeitslosigkeit nicht habe helfen können, eine Stelle zu finden.
17Die Klägerin beantragt,
18den Bescheid der Beklagten vom 31.07.2012 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 02.11.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verur-teilen, ihr unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes einen neuen Bescheid zu erteilen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie verweist darauf, dass die Sperrzeit gerade nicht aufgehoben worden sei. Ein wichtiger Grund sei zwar für die Lösung, nicht aber für die vorzeitige Lösung des Arbeitsverhältnisses angenommen worden. Bei Ermessensentscheidungen im Gründungszuschuss sei die Arbeitsaufgabe zugunsten der Selbständigkeit aber negativ zu bewerten. Sie bezweifle dass die Klägerin jemals ernsthafte Absichten gehabt habe, eine Arbeitnehmertätigkeit aufzunehmen. Bei einer solchen Sachlage liege sogar eventuell eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Da die Klägerin von vornherein beabsichtigt habe, sich selbständig zu machen, habe keine Notwendigkeit mehr bestanden, die Integrationsbemühungen im Sinne der Vermittlung in ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Die Erfolglosigkeit der Bewerbung sei dem kurzen Zeitraum geschuldet und kein Nachweis fehlender Vermittelbarkeit auf Dauer. Der Vermittlungsvorrang als Ablehnung sei im Übrigen ausreichend. Absagen auf Bewerbungen bezüglich einzelner Stellenangebote ließen keinerlei Rückschluss auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf dem betreffenden Teilarbeitsmarkt zu. Hierfür stützt sie sich auf beigefügte Fachkräfteanalysen auf dem Stand von Juni 2012 und Juni 2014, wonach es bundesweit fast ausnahmslos einen Fachkräftemangel bei Humanmedizinern gegeben habe. Von Fachkräftemangel sei dann die Rede, wenn es weniger Arbeitslose als offene Stellen gebe. Rechnerisch seien dies zum fraglichen Zeitpunkt (2012) 87 Arbeitslose für 100 Stellenangebote gewesen. Einzelne Bewerbungen könnten natürlich gar nicht auf Anhieb zum Erfolg führen, weil die Unterschiede, gerade bei Ärzten, im Qualifikations- und Anforderungsprofil zu groß seien. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Nürnberg habe ermittelt, dass die vorhandenen Fachkräfteengpässe in der Gesundheitswirtschaft in den nächsten Jahren zunehmen würden. Außerdem legte sie eine dienstliche Stellungnahme der zuständigen Vermittlungskraft, der Mitarbeiterin Karnowka vor. Diese führte darin aus, durch die demographischen Veränderungen sei die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen in den letzten Jahren deutlich angestiegen und dadurch auch die Nachfrage nach qualifiziertem Personal. Dies spiegele sich auch im Tagesgeschäft der Vermittlung in der Arbeitsagentur in Dinslaken wider. Seit über 20 Jahren betreue sie den sozialen und medizinischen Vermittlungsbereich in der Geschäftsstelle in Dinslaken. In dieser Zeit seien Arbeitslosmeldungen von Medizinern absolute Ausnahmen gewesen. Entweder seien Ärzte nur eine kurze Übergangszeit bis zur nächsten Tätigkeit arbeitslos gewesen und hätten meist schon eine neue Anstellung in Aussicht gehabt, Vertragsverhandlungen seien gelaufen / Vertretungsstellen, oder sie hätten sich arbeitslos gemeldet, um einen Anspruch auf Gründungszuschuss zu erwirken, als dieser noch eine Pflichtleistung gewesen sei. Unabhängig davon erfolge die Besetzung von vakanten Stellen nur teilweise über die Jobbörse der Arbeitsagentur. Dieser branchenspezifische Arbeitnehmerkreis finde meist über Ausschreibungen von Stellen in diversen Fachzeitschriften eine neue Tätigkeit. Zum Zeitpunkt ihrer Arbeitslosmeldung sei die Klägerin eine qualifi-zierte und versierte Bewerberin gewesen. Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass sie unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes für Mediziner lange arbeitslos bleiben würde. Außen vorgelassen worden sei die Tatsache, dass bei der Stellenbesetzung verschiedene Faktoren zusammenkommen müssten. Oftmals scheitere eine Arbeitsaufnahme, weil die Vorstellungen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht zusammenpassten. Sie scheitere oft wegen unattraktiver Arbeitsbedingungen, gerade wenn ein Bewerber entsprechende Qualifikationen und Berufserfahrungen nachweisen könne. Grundsätzlich sei jedoch zu sagen, dass Bewerber aus dem Bereich Humanmedizin, gerade auch mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie, gute Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Mediziner hätten.
22Die Klägerin hält dem entgegen, im Bericht für das Jahr 2014 heiße es, dass die Zahl der Arbeitslosen die der gemeldeten Stellen nur leicht übersteige (143 Arbeitslose auf 100 Stellen), die Argumentation der Beklagten sei daher widersprüchlich. Es bestehe vielmehr ein Fachkräfteüberschuss von 43 %. Gerade im Bereich der Chirurgie gebe es sieben grundlegend unterschiedliche Facharztbezeichnungen. Es könne unmöglich eine allgemeine Aussage bezüglich aller Humanmediziner für die Vermittlungsfähigkeit ihrer Facharztgruppe auf dem Arbeitsmarkt getroffen werden. Dabei gehörten die Unfallchirurgen und die Orthopäden zu den lukrativen Fachbereichen.
23Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Auskünften vom Deutschen Ärzteblatt, Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, Hartmannbund-Verband der Ärzte, Marburger Bund - Verband der angestellten und beamteten Ärzten Deutschland e. V., der Ärztekammer Nordrhein, der Ärztekammer Westfalen-Lippe, der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein sowie der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe zu den Vermittlungsaussichten der Klägerin 2012. Auf den Inhalt der Antwortschreiben derjenigen Stellen, die sich in der Lage sahen, Angaben zu machen, des Schreibens des Marburger Bundes vom 20.01.2015, des Schreibens der Ärztekammer Westfalen-Lippe vom 02.02.2015, des Schreiben der Kassenärztlichen Vereinigung vom 02.03.2015 sowie der Ärztekammer Nordrhein vom 20.03.2015 wird Bezug genommen.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
25Entscheidungsgründe:
26Die Klage ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben. Die Beklagte hat keinen Nachweis einer früheren Zustellung erbracht, so dass die Klagefrist eingehalten ist.
27Die auch im Übrigen zulässige Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin wird durch den Bescheid der Beklagten vom 31.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2012 nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten verletzt. Die Beklagte hat vielmehr im Ergebnis ermessensfehlerfrei die Gewährung des Gründungszuschusses abgelehnt.
28Gemäß § 93 Abs. 1 und 2 SGB III in der Fassung des Gesetzes vom 20.12.2011, gültig ab 01.04.2012, können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständige, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Ein Gründungszuschuss kann nach Abs. 2 geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer 1. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt , 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
29Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses liegen vor. Die Klägerin hat vor Aufnahme der selbständigen Tätigkeit am 22.06.2012 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt, der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr geruht hat, da die Sperrzeit nachträglich auf drei Wochen reduziert wurde und die Arbeitsunfähigkeit bereits zuvor, am 15.06.2012, geendet hatte. Hiervon ist aufgrund der bestandkräftigen Sperrzeitfestsetzung auszugehen. Die Klägerin hat also zu Recht Arbeitslosengeld bezogen vom 22.06.2012 bis zum 30.06.2012 und hatte zu dieser Zeit noch einen Restanspruch von mindestens 150 Tagen (zum fehlenden Anspruch auf Gründungszuschuss bei wegen Sperrzeit ruhenden Anspruchs vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 25.09.2014 – L 9 AL 219/13, Rn. 47, juris).
30Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Gewährung des Gründungszuschusses sind nicht zweifelhaft und werden von der Beklagten auch nicht bestritten. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten die Tragfähigkeit der Existenzgründung durch geeignete Unterlagen nachgewiesen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten überzeugend dargelegt.
31Seit dem 28.12.2011 steht die Entscheidung der Beklagten über die Gewährung eines Gründungszuschusses jedoch im Ermessen, d.h. trotz des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen kann die Beklagte die Gewährung des Gründungszuschusses ablehnen. Das Gericht kann diese Entscheidung nur im Sinne einer Rechtskontrolle daraufhin überprüfen, ob die Beklagte ihr Ermessen entsprechend den Vorgaben von § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) rechtmäßig ausgeübt hat oder ob ein Ermessensfehler im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG vorliegt und der Kläger hierdurch beschwert ist. Es hat jedoch keine eigenen Ermessens- und Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen. Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen z.T. nicht einheitlich vorgenommen wird (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 18.03.2008 - B 2 U 1/07 R -, juris Rn. 16; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zu § 54 SGG,10. Auflage 2012, Rn. 27). a) Ein Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall liegt vor, wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt hat oder dies im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat; er liegt dann nicht vor, wenn die Beklagte ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt hat. Entscheidend ist, dass die Behörde neben eventuellen, zur Wahrung des Gleichheitsgebotes zulässigen internen Weisungen die Besonderheiten des Einzelfalles beachtet. b) Eine Ermessensunter oder -überschreitung liegt vor, wenn die sich nicht bewusst ist, dass sie den Gründungszuschuss hätte bewilligen können, ihr Ermessen zu eng ausgelegt hat oder eine Rechtsfolge gesetzt hat, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. c) Ein Ermessensfehlgebrauch liegt zum einen vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt (Ermessensmissbrauch). Zum anderen liegt der Fehlgebrauch vor, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Ein Ermessensfehlgebrauch liegt als Abwägungsdefizit vor, wenn sie nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat. Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungsdisproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat. Ist die Behörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder hat sie andere vom Gericht festgestellte Tatsachen nicht berücksichtigt, ist die Entscheidung der Behörde aufzuheben, wenn dadurch die Ermessensentscheidung beeinflusst wurde oder hätte beeinflusst werden können (vgl. LSG NRW, Urteil vom 17. Oktober 2013 – L 9 AL 150/12 –, juris Rn. 35ff, m.w.N.; Keller, a.a.O., Rn. 27ff.).
32Die Beklagte hat erkannt, dass Ermessen auszuüben ist. Sie hat die Grenzen ihres Ermessens auch nicht verkannt. Im Ergebnis ist auch ein Ermessensfehlgebrauch unter Beachtung des Gesetzeszwecks nicht anzunehmen.
33Die Beklagte hat ihre Ermessensentscheidung auf mehrere, unabhängig voneinander zu prüfende Gründe gestützt, nämlich der Verursachung der Arbeitslosigkeit durch eigene Kündigung, der fehlenden Erforderlichkeit angesichts des zu erwartenden Einkommens und des Einkommens des Ehegatten, des ihrer Auffassung nach nicht gewahrten Zwecks der Vorfinanzierung sowie des Vermittlungsvorranges. Jedenfalls für die öletzte Begründung sieht das Gericht einen Ermessensfehler nicht.
34Die Heranziehung der eventuellen Verschuldung der Arbeitslosigkeit im Rahmen des Ermessens dürfte allerdings zweifelhaft sein; insoweit hat der Gesetzgeber sich nicht veranlasst gesehen, eine entsprechende Einschränkung vorzunehmen. Auch steht der Beklagten mit der Sperrzeit ein wirksames Mittel zur Verfügung, so dass dieser Aspekt als eventuell fehlendem Anspruch mangels Alg-Leistungsbezuges oder vorzeitiger Minderung des Anspruchs unter 150 Restanspruchstage ausreichend Berücksichtigung finden dürfte (vgl. auch SG Duisburg, Urteil vom 04.09.2013 – S 33 AL 379/12 – juris Rn. 30; anhängig: L 16 AL 279/13; Winkler in Gagel, Kommentar zu § 93 SGB III, Stand April 2012, Rn. 64). Der Verweis auf das Einkommen des Ehegatten, sei es auch nur ergänzend, dürfte ebenfalls kein zulässiges Ermessenskriterium sein, denn die Förderung durch den Gründungszuschuss ist wie das Arbeitslosengeld bereits nicht einkommensabhängig (vgl. hierzu Winkler a. a. O., Rn. 63; Kuhnke in jurisPK – SGB III, § 93 Rn. 36 unter Verweis auf erstinstanzliche Rechtsprechung); eine Anrechnung des Ehegatteneinkommens schließlich ist dem SGB III insgesamt fremd. Zwar kann sich eine fehlende Erforderlichkeit aufgrund des sich aus der selbständigen Tätigkeit ergebenden zu erwartenden Einkommens ergeben, jedenfalls dann, wenn ausnahmsweise konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die geplante Selbständigkeit bereits in der Anlaufphase der ersten sechs Monate so erfolgreich sein wird, dass der Existenzgründer seinen Lebensunterhalt selbst erwirtschaften und damit auch seinen soziale Absicherung vornehmen kann (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.02.2014 – L 8 AL 1515/13 -, Rn. 36, juris; Sächsisches LSG, Urteil vom 10.04.2014 – L 3 AL 141/12 -, Rn. 36, juris; kritisch Winkler in Gagel, § 93 Randnr. 63). Das kann der Fall sein, wenn eine laufende Kanzlei oder auch Praxis übernommen wird, in der der Übernehmer selber bereits tätig war, so dass in der Tat der mit dem Wechsel des Inhabers anzunehmende Kundenschwund geringer sein dürfte. Die Ablehnung aus solchen Erwägungen dürfte aber nur in besonderen Ausnahmefällen möglich sein. Einen solchen Ausnahmefall gibt weder die Sachlage noch die Umsatzprognose her. Die Schlussfolgerungen der Beklagten aus den grundsätzlich von ihr nicht bestrittenen Zahlen dürften nicht schlüssig sein. Nach der Aufstellung der Klägerin ist letztlich eine Umsatzprognose von 256.000 EUR den zu erwartenden Kosten - ohne die von ihr berechneten Kosten für den Lebensunterhalt - bereits in Höhe von 255.200 EUR im Jahr gegenüber zu stellen. Eine der zu erwartenden Minderung des Umsatzes entsprechende anteilige Reduzierung der Kosten ist nicht möglich. Raummiete mit Nebenkosten und Personalkosten verringern sich bekanntermaßen nicht, nur weil der Umsatz sich verringert. Als Übernehmerin der Praxis musste die Klägerin die laufenden Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter übernehmen. Unwidersprochen und nachvollziehbar hat die Klägerin dazu auf die Notwendigkeit hingewiesen, zunächst mit den Vorabzahlungen die Gehälter der Angestellten zahlen zu müssen. Damit war der Lebensunterhalt der Klägerin aber gerade nicht gesichert. Schließlich wurde auch eine monatsweise Aufstellung der ersten sechs Monate, um die es beim Gründungszuschuss gerade geht und in der bereits nach den dem Gesetz zugrundeliegenden Erwägungen von der größten Einbuße beim Start einer Selbständigkeit auszugehen ist, nicht vorgenommen; dies wäre aber zur Ablehnung aus diesem Grund erforderlich gewesen. Denn entgegen der Auffassung der Beklagten stellt gerade die Vorfinanzierung der fehlenden Einkünfte der ersten sechs Monate Sinn und Zweck und die typische Situation des sich in der Selbständigkeit befindlichen, bereits Arbeitsleistung erbringenden, jedoch Einkünfte erst nur teilweise und verzögert erzielenden Selbständigen dar. Auch von einer Verfehlung des Gesetzeszwecks insoweit konnte daher keineswegs ausgegangen werden.
35Die Ablehnung war im Rahmen des Ermessens jedoch unter dem Gesichtspunkt des Vermittlungsvorranges im Hinblick auf den Gesetzeszweck zulässig und auch im Übrigen ermessensfehlerfrei. Im Rahmen der Ermessensausübung darf die Beklagte sich unter Berufung auf § 4 Abs. 2 SGB III darauf berufen, dass die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung hat, es sei denn die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Diese Vorschrift soll verdeutlichen, dass es die wichtigste Aufgabe der Arbeitsagentur ist, Ausbildungs- und Arbeitsplätze zu vermitteln (Brand, Kommentar zu § 4 SGB III, 6. Auflage 2012, Rn. 2 unter Berufung auf die Gesetzesbegründung). Der Gründungszuschuss dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt. Im Rahmen des Ermessens ist es daher legitim und entspricht dem Zweck des Gesetzes, wenn der Gründungszuschuss als Ermessensleistung nur dann gewährt wird, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist, d. h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (Kuhnke, in jurisPK – SGB III, a. a. O., Rn. 21.2; Winkler in Gagel, a. a. O., Rn. 66; LSG NRW, Beschluss vom 28.11.2013 – L 9 AL 81/13, Rn. 42; zustimmend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13 –, Rn. 22, juris¸LSG Baden-Würt¬temberg, Urteil vom 24.02.2015, Rn. 26 f. juris unter Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung des SG Stuttgart vom 27.02.2014, S 3 AL 1388/12; jeweils m.w.N.).
36Es kann hier im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass die Beklagte bei dieser Frage von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen ist. Zwar hat sie im Ablehnungsbescheid vom 31.07.2012 lediglich pauschal auf das Beratungsgespräch am 21.05.2012 verwiesen und ausgeführt, sie habe besondere Qualifikationen und Ausbildungen, mit denen zu erwarten sei, dass sie in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert werden könne. Auch im Widerspruchsbescheid hat die Beklagte sich im Wesentlichen mit den aus ihrer Sicht nicht tragenden Argumenten der Klägerin auseinandergesetzt, eine Arbeitsmarktanalyse jedoch nicht vorgenommen und sich darauf beschränkt auszuführen, auch mit der Argumentation der Klägerin sei in Teilbereichen durchaus eine Vermittlung zur Beendigung der selbst herbeigeführten Arbeitslosigkeit möglich. Als Teil der Ermessensentscheidung ist die Prognose der Beklagten, dass die Klägerin bei Inanspruchnahme der Vermittlungsbemühungen der Beklagten in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, ohne dass hierfür die Förderung der Selbstständigkeit notwendig gewesen wäre, nur eingeschränkt überprüfbar (LSG NRW, Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13 –, Rn. 43, juris; zustimmend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Mai 2014 – L 18 AL 236/13 –, Rn. 22, juris). Es ist allerdings als ermessensfehlerhaft anzusehen, wenn es an einer nachvollziehbaren, überprüfbaren Grundlage für die Ausübung des Ermessens hinsichtlich des Vermittlungsvorranges fehlt und der Arbeitsmarkt im Entscheidungszeitpunkt (im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung) nicht hinreichend dargetan ist. Die Beklagte hat dementsprechend Dokumentationspflichten in ihren Geschäftsanweisungen niedergelegt, diese dürfen nicht gänzlich fehlen (vgl. SG Duisburg, Urteil vom 22.01.2014 – S 33 AL 239/13 – juris Rn. 25; anhängig LSG NRW – L 9 AL 65/14). Ermessensentscheidungen müssen die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe anführen; darüber hinaus aber müssen sie auch die Gründe für die darauf beruhende und sich erst daran anschließende Ausübung des Ermessens erkennen lassen. Formelhafte Wendungen reichen für die vorgeschriebene Begründung von Ermessensentscheidungen nicht aus, weil bei derartigen "Leerformeln" nicht nachgeprüft werden kann, ob die Verwaltung von ihrem Ermessen überhaupt und gegebenenfalls in einer dem Zweck der ihr erteilten Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Erforderlich ist vielmehr eine auf den Einzelfall eingehende Darlegung, dass und welche Abwägung der einander gegenüberstehenden Interessen stattgefunden hat und welchen Erwägungen dabei die tragende Bedeutung zugekommen ist, damit dem Betroffenen bzw. dem Gericht die Prüfung ermöglicht wird, ob die Ermessensausübung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Diese Darlegungen über die Ausübung des Ermessens müssen sich in den im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren ergangenen Bescheiden wiederfinden lassen, denn die in den angefochtenen Bescheiden gegebene Begründung für die ablehnende Entscheidung muss sowohl dem Kläger als auch dem Gericht die Prüfung ermöglichen, ob die Beklagte bei der Ablehnung der Bewilligung der Abfindung ermessensfehlerfrei verfahren ist. Die Bescheide genügen andernfalls nicht dem gesetzlichen Begründungszwang. Da die nicht ordnungsgemäße Begründung einer Ermessensentscheidung deren Rechtswidrigkeit bewirkt, sind die Bescheide aufzuheben, auch wenn es sich um die Ablehnung einer Ermessensleistung und nicht um einen Eingriff in bereits bestehende Rechte handelte (BSG, Urteil vom 18. April 2000 – B 2 U 19/99 R –, juris Rn. 19 ff m.w.N., Urteil der Kammer vom 24.04.2014 – S 16 AL 372/12; vgl. auch Luthe in: jurisPK-SGB X, § 35 SGB X, Rn. 18 m.w.N. und Keller, a.a.O., Rn. 28a). Der Umfang der hinreichend überzeugenden Dokumentation der Arbeitsmarktlage hängt allerdings vom jeweiligen Einzelfall ab, da die spezifische berufliche Tätigkeit der örtliche Einzugsbereich und die persönlichen Voraussetzungen der Stellensuchenden die Einschätzung der Vermittlungschancen maßgeblich bestimmt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.07.2015 – L 8 AL 2364/14 – Rn. 33, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine belastbare negative Vermittlungsprognose in der Regel erst getroffen werden kann, wenn bereits eine gewisse Zeitlang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben, wenn also nach Eintritt der Arbeitslosigkeit während eines längeren Zeitraumes keine erfolgreiche Vermittlung stattgefunden hat (LSG NRW, Urteil vom 28.11.2013 – L 9 AL 81/13). Eine Ausnahme von dieser Regel dürfte zwar dann anzunehmen sein, wenn sich die Vermittlungsaussichten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt allgemein oder aufgrund besonderer Vermittlungshemmnisse von vornherein zweifelsfrei als ungünstig darstellen. Die Dokumentationspflichten der Bundesagentur dürfen aber - wenn ein solcher Ausnahmefall nicht vorliegt - dann nicht überspannt werden, wenn der Arbeitslose bereits bei der Arbeitslosmeldung und anschließend wiederholt erklärt, er wolle sich mit der Gewährung eines Gründungszuschusses in naher Zukunft selbständig machen. (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., dort nach gut zwei Monaten Arbeitslosigkeit).
37Ein solcher Fall verminderter Dokumentationspflichten der Beklagten ist angesichts der kurzen Arbeitslosigkeit und der schnellen Festlegung auf die Selbständigkeit auch hier anzunehmen. Der Vortrag der Klägerin, sie habe sich nach Bekanntwerden der bevorstehenden Kündigung habe zunächst auf Assistenzarztstellen beworben und erst danach den Weg in die Selbständigkeit gesucht, erst nach den Absagen habe sie eine Bewerbung in ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis als aussichtslos angesehen, wird nicht durch den tatsächlichen Geschehensablauf bestätigt. In der Tat ist die Klägerin zwar zu Recht zweckmäßigerweise zweigleisig gefahren, jedoch entgegen Ihrer Darstellung von Anfang an und mit klarer Präferenz. Denn die Klägerin hat bereits ihre zweite Bewerbung überhaupt auf die Übernahme der Praxis gerichtet und sich vor Stellung des Antrags auf Gründungszuschuss nur auf zwei versicherungspflichtige Tätigkeiten beworben. Diese Absagen erhielt sie am 09.05.2012 und 14.05.2012, also erst nach Antragsstellung. Ende Mai erfolgten die weiteren Bewerbungen, die Absagen hierfür gingen teilweise erst ein, als sie mit dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit bereits die Abmeldung in die selbständige Tätigkeit vorgenommen hatte. Unabhängig von der nach eigenen Angaben erst 4 Tage vor Beginn erteilten Zulassung war die Klägerin sich der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit demgemäß bereits am ersten Tag der Arbeitslosigkeit gewiss. Infolge des Ruhens des Anspruchs wegen der Sperrzeit bezog sie schließlich nur eine gute Woche Leistungen. Der Ausnahmefall einer bereits bei Antragsstellung deutlichen ungünstigen Vermittlungsaussicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt liegt bei der Klägerin demgegenüber nicht vor. Insbesondere ist ihre Nichtvermittelbarkeit nicht als erwiesen anzusehen. Irrigerweise scheint die Klägerin davon auszugehen, dass eine solche Nichtvermittelbarkeit – oder ein schlechter Arbeitsmarkt – bereits mit der Vorlage von acht Absagen nachgewiesen ist. Das ist jedoch keineswegs der Fall. Zu beurteilen ist die Eingliederungsprognose für die Dauer der Arbeitslosigkeit, also bis Mitte 2013. Acht Bewerbungen innerhalb von drei Monaten und entsprechende Absagen haben daher auch angesichts der großen Anzahl von Krankenhäusern innerhalb des für die Klägerin in Betracht gezogenen Einzugsbereiches allein noch keinen Aussagewert, zumal drei Absagen mangels Stellenvakanzen Initiativbewerbungen ohne Ausschreibung waren, ein Erfolg also nur eingeschränkt zu erwarten war, und drei erfolgte Absagen letztlich darauf beruhten, dass die Stelle bereits – teilweise längst - besetzt worden war, die Bewerbung (möglicherweise auch bereits die Unterbreitung des Stellenangebotes) also jedenfalls in einigen dieser Fäll schlicht zu spät erfolgt ist. Dies legt nahe, dass die Klägerin bei neu hereinkommenden Stellenangeboten eine bessere Vermittlungsaussicht gehabt hätte. Schließlich ist eine Absage, weil man eigentlich einen Internisten gesucht hatte, völlig ohne Aussagewert. Lediglich eine Absage erfolgte aufgrund der Vielzahl von Bewerbungen. Es mag zwar sein, dass die Klägerin aufgrund des Abbruchs der Oberarzttätigkeit in der Probezeit etwas schlechtere Vermittlungsaussichten hat als andere Ärzte mit Ihrer Qualifikation. Auch mag eine längere Arbeitslosigkeit gerade im Hinblick darauf, dass Ärzte in der Regel nicht arbeitslos gemeldet sind, die Vermittlungsaussichten beeinträchtigen. Es entspricht aber nicht dem Gesetzeszweck, in Berufen, in denen eine Sucharbeitslosigkeit eher selten ist, grundsätzlich schlechte Vermittlungsaussichten anzunehmen. Vielmehr könnte dies auch ein Indiz dafür sein, dass in diesem Berufszweig das Förderinstrument des Gründungszuschusses zur Eingliederung eher weniger notwendig ist. Auch stellt die Situation einer abgebrochenen Probezeit auch im Vergleich zu anderen Berufsgruppen noch kein deutliches Vermittlungshemmnis dar. Hier muss sich die Klägerin genauso wie Arbeitslose in anderen Berufen mit abgebrochener Probezeit oder sogar arbeitgeberseitiger Kündigung darauf verweisen lassen, dass der Beklagten zunächst die Gelegenheit gegeben werden muss, eine Vermittlung in Arbeit zu versuchen. Diese dürfte zudem bei besonders qualifizierten Berufen in der Tat zum Auffinden einer passgenauen Stelle etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.
38Der demgemäß abgeschwächt erforderliche Umfang der Dokumentation hinsichtlich der Vermittlungsaussichten ist hier noch als ausreichend anzusehen. Im vorliegenden Fall fehlt eine Dokumentation der Arbeitsmarktlage nicht, wie in anderen, der Kammer bekannten Fällen, gänzlich. Aus dem seinerzeitigen Akteninhalt ergeben sich zwar nur zwei passende Stellenangebote der Beklagten, die zu dieser Zeit – Ende Mai – bereits besetzt waren. Jedoch hat die Beklagte immerhin eine statistische Auswertung der Entwicklung des Ärzteberufes zu den Akten genommen, aus denen sich eine stetige Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und eine stetige Abnahme der Arbeitslosen bundesweit ergibt. Schließlich hat die Beklagte durch die Vorlage der dienstlichen Stellungnahme der Arbeitsvermittlerin, die auch über aussagekräftige Zahlen anhand der Arbeitsmarktberichterstattung der Arbeitsagentur hinsichtlich des Fachkräfteengpasses im Juni 2012 verweisen konnte, nachgewiesen, dass ein guter Arbeitsmarkt nicht lediglich behauptet wurde, sondern dass sich die Arbeitsvermittlerin zum Entscheidungszeitpunkt mit der Arbeitsmarktlage der Klägerin auseinandergesetzt hat. Aus der von ihr in Bezug genommenen, relevanten Analyse für Juni 2012 – auf die Zahlen in 2014 und deren Interpretation kommt es nicht an - ergibt sich, dass im Bundesdurchschnitt gemeldete Stellen für Humanmediziner 173 Tage vakant waren, also nicht besetzt werden konnten. Außerdem gab es zu dieser Zeit weniger Arbeitslose als gemeldete Stellen, rechnerisch 87 Arbeitslose auf 100 Stellen. Dieser Mangel habe sich im Verlauf der letzten zwölf Monate noch verstärkt. Außer in Hamburg und Berlin gebe es bei gemeldeten Stellen für Ärzte in allen Ländern Vakanzzeiten von mindestens 40 % über dem Bundesdurchschnitt und gleichzeitig weniger als 150 Arbeitslose auf 100 gemeldete Stellen, in den meisten Ländern sogar weniger Arbeitslose als gemeldete Stellen. Diese Zahlen stützen die Angaben der Arbeitsvermittlerin, die aufgrund ihrer langjährigen Tätigkeit in diesem Gebiet über eine ausreichende Erfahrung verfügt und entgegen der Auffassung der Klägerin Ihre Entscheidung nicht nur auf die in Dinslaken gemeldeten Arbeitslosen gestützt hat. Die Tatsache, dass Arbeitslosmeldungen von Medizinern die absolute Ausnahme waren, hat sie nachvollziehbar mit der Übergangsarbeitslosigkeit bzw. der Arbeitslosmeldung zur Erwirkung eines Anspruchs auf Gründungszuschuss vor Einführung der Ermessensleistung begründet. Auch der Hinweis, dass die Besetzung von vakanten Stellen dieses branchenspezifischen Arbeitnehmerkreises meist über Ausschreibungen von Stellen in diversen Fachzeitschriften erfolgt, ist nachvollziehbar und dürfte generell bei hochqualifizierten Bewerbern als allgemein bekannt anzusehen sein. Hierfür spricht schließlich auch die Argumentation der Klägerin selber, wenn sie ausführt, dass arbeitslose Ärzte eher selten seien, da normalerweise, wie auch in ihrer Vergangenheit, von Anstellung zu Anstellung gewechselt werde. Die Einschätzung, dass es sich bei der Klägerin um eine qualifizierte und versierte Bewerberin gehandelt hat, wird ebenfalls durch die vorgelegten Qualifikationsnachweise mit Zusatzqualifikationen, die über die einfachen Facharztbezeichnungen hinausgehen, belegt. Die Klägerin verfügt neben der Allgemeinchirurgie und der speziellen Unfallchirurgie insbesondere über Kenntnisse im Bereich der Handchirurgie und weiter im Bereich der Fußchirurgie, so dass sie sich bereits hierdurch aus der Zahl der Bewerber, die lediglich die Facharztbezeichnung Unfallchirurgie führen können, abhebt. Dass die Einschätzung der Arbeitsvermittlerin keineswegs willkürlich und ohne Grundlage erfolgt ist, wird schließlich durch die eingeholten Auskünfte des Gerichtes gestützt. Zwar haben nur einige der befragten Verbände eine Einschätzung abgegeben. Keiner dieser Verbände hatte genaues Datenmaterial, solches war aber von vornherein nicht zu erwarten gewesen. Bei dieser Nachfrage ging es mangels solcher Datensammlungen vielmehr um eine allgemeine Einschätzung von den Stellen, die außerhalb der Beklagten mit dieser Problematik befasst sind. Der Marburger Bund hat, wie auch die Arbeitsvermittlerin, darauf hingewiesen, dass die erfolgreiche Begründung eines ärztlichen Arbeitsverhältnisses von einer Vielzahl weiterer Faktoren abhängig sein dürfte, und hat dabei auf einen derzeit eher entspannt empfundenen Arbeitsmarkt verwiesen. Hier ist allerdings nicht ganz klar, von welchem Zeitraum ("derzeit") angesichts der Fragestellung zu 2012 ausgegangen wurde. Die Ärztekammer Westfalen-Lippe verwies auch lediglich auf die aktuelle Situation: Zahlreiche Kliniken suchten Fachärzte, auch im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie. Die klinischen Beschäftigungsmöglichkeiten müssten als mindestens zufriedenstellend gewertet werden. Die Kassenärztliche Vereinigung verwies darauf, dass an ihrem Praxisbörsentag und ihrer Börse im Frühjahr 2012 lediglich ein Angebot für einen Orthopäden in einer Gemeinschaftspraxis in Bielefeld vorgelegen habe. Allerdings wies sie darauf hin, ob es darüber hinaus weitere Möglichkeiten gegeben habe, könne von dort nicht festgestellt werden. Die Ärztekammer Nordrhein äußerte sich am konkretesten in ihrer Einschätzung: Im Tagespendelbereich von 30 km sei eine Beschäftigung in einem Anstellungsverhältnis als ausgebildete Fachärztin mit Oberarzterfahrung zum fraglichen Zeitpunkt und danach aussichtsreich gewesen. Alle weiteren Befragten konnten keine Angaben zur Arbeitsmarktsituation seinerzeit machen. Angesichts aller Umstände – der kurzen Dauer der Arbeitssuche mit bereits bei Arbeitslosigkeit vorgenommener Abmeldung, der vorgelegten Zahlen, der ausführlichen und nachvollziehbaren Beurteilung der langjährigen Arbeitsvermittlerin und der Auskunft der Ärztekammer Nordrhein – hält die Kammer in diesem Fall eine hinreichende Vermittlungsaussicht der Klägerin für ausreichend dokumentiert. Angesichts des Inhaltes ist auch ein Abwägungsfehler bei der Gewichtung der abzuwägenden Gesichtspunkte nicht erkennbar. Aus welchen Gründen das Leistungsangebot der Klägerin mit ambulanten Operationen und eventueller konsiliarischer, endoskopisch - handchirurgischer Tätigkeit im benachbarten Krankenhaus, also einem eben auch in Krankenhäusern angebotenen Leistungsspektrum, nur als niedergelassene Ärztin konkurrenzlos sein soll, aber nicht zumindest zu einer herausgehobenen fachlichen Qualifikation auch bei der Suche nach einer Stelle als Assistenzärztin oder angestellten Ärztin einer entsprechenden Praxis führt, erschließt sich nicht. Der negativen Aspekt einer letztlich von ihr selber abgebrochenen Probezeit, die sie zudem auch potentiellen Arbeitgebern zumindest teilweise mit der von ihr angeführten ungewöhnlich häufigen Fluktuation an der alten Stelle hätte erklären können, hätte sich hiermit zumindest teilweise ausgleichen lassen.
39Die der Entscheidung auch zugrunde gelegte Begründung, die Vermittlung hätte voraussichtlich zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt geführt, so dass der Gründungszuschuss für eine dauerhafte Eingliederung nicht erforderlich war, war demgemäß nicht ermessensfehlerhaft.
40Nach alledem durfte die Beklagte jedenfalls unter Hinweis auf den Vermittlungsvorrang im Rahmen des Ermessens die Gewährung des Gründungszuschusses versagen.
41Die Klage war daher mit der auf § 193 SGG beruhenden Kostenfolge abzuweisen.
ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Duisburg Urteil, 02. Nov. 2015 - S 16 AL 624/12
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Urteil einreichenSozialgericht Duisburg Urteil, 02. Nov. 2015 - S 16 AL 624/12 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.07.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Gründungszuschuss.
3Die 1983 geborene Klägerin war nach dem Zweiten Juristischen Staatsexamen (mündliche Prüfung am 21.04.2010) und einer Zeit der Arbeitslosigkeit ab 18.10.2010 als Sachbearbeiterin bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden pro Woche und einem monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 2.626,66 Euro beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 17.10.2012 befristet.
4Am 16.01.2012 wandte sich die Klägerin per E-Mail an ihren früheren Arbeitsvermittler, Herrn T. Darin trug sie vor, sie habe ursprünglich vorgehabt, zum November 2010 sich als selbstständige Rechtsanwältin zuzulassen und von ihm seinerzeit einen Existenzgründerkurs (vom 20.09.2010 bis zum 01.10.2010) erhalten; sie habe dann kurzfristig ein Angebot wahrgenommen, als Sachbearbeiterin bei der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben tätig zu werden; hierbei handele es sich um ein befristetes Arbeitsverhältnis und um eine Bezahlung nach 9 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst; sie habe bei Beginn dieser Tätigkeit angestrebt, nebenbei als Rechtsanwältin zu arbeiten; die Rechtsanwaltskammer sei diesem Verlangen nicht nachgekommen und habe ihren Antrag jetzt endgültig abgelehnt; sie habe sich nunmehr entschlossen, der bereits seit einiger Zeit geplanten Selbstständigkeit nachzukommen, einmal aus dem Grund des befristeten Arbeitsverhältnisses, zum anderen wegen der fehlenden beruflichen Entwicklung, wegen der Bezahlung und nicht zuletzt wegen der Nachversicherung im Versorgungswerk, welche ihr bis April des Jahres möglich sei. Sie bat um einen kurzen Überblick über die Neuerungen beim Gründungszuschuss. Des Weiteren sei es für sie wichtig zu erfahren, inwiefern es sich auswirken würde, wenn sie beim jetzigen Arbeitgeber kündigen würde und unmittelbar den Gründungszuschuss beantragen würde, wegen der Sperrzeit.
5Die Klägerin beendete das Beschäftigungsverhältnis am 10.02.2012 durch Eigenkündigung zum 31.03.2012. An gleichen Tag meldete sie sich arbeitslos zum 01.04.2012, einem Sonntag, und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg).
6Am 16.03.2012 beantragte die Klägerin bei der Beklagten für eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwältin die Gewährung eines Gründungszuschusses. Die Tätigkeit sollte nach den eigenen Angaben der Klägerin am 02.04.2012 beginnen.
7Am 26.03.2012 wurde die Klägerin durch Bescheid der Rechtsanwaltskammer L zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und als Rechtsanwältin in die Rechtsanwaltskammer L aufgenommen.
8Seit dem 02.04.2012 war die Klägerin als selbstständige Rechtsanwältin in einer Bürogemeinschaft mit drei weiteren Rechtsanwälten tätig. Den entsprechenden Vertrag über die Anmietung eines Büros, der eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorsieht, hatte die Klägerin bereits im März 2012 geschlossen. Die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit zeigte die Klägerin der Beklagten durch eine Veränderungsmitteilung vom 12.04.2012 an. In ihrem Businessplan, den sie im Rahmen der Beantragung des Gründungszuschuss bei der Beklagten einreichte, gab sie außerdem an, 55 Stunden wöchentlich für ihre Tätigkeit als Rechtsanwältin aufzuwenden.
9Mit Bescheid vom 20.04.2012 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit für die Zeit vom 01.04.2012 bis 23.06.2012 wegen der am 10.02.2012 erfolgten Eigenkündigung der Klägerin fest. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage beim Sozialgericht (SG) Köln.
10Mit Bescheid vom 02.08.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Gründungszuschuss ab. Sie verwies darauf, dass sie unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit keine Existenzgründungen fördere, die innerhalb einer Sperrzeit begonnen würden; es bestehe nach selbst verursachter Arbeitslosigkeit keine Notwendigkeit, sie mit Fördermitteln zur Existenzgründung zu unterstützen. Darüber hinaus könne eine Existenzgründung nur dann gefördert werden, wenn nach Ablauf der Förderung eine Tragfähigkeit zu erwarten sei und die Bestreitung des Lebensunterhaltes nach sechs Monaten sichergestellt sei; dies sei aber nach der Rentabilitätsvorschau erst im Oktober 2014 der Fall, da sie erst dann mit einem Überschuss über 950 Euro monatlich rechne.
11Gegen diese Entscheidung wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch und machte geltend, sie sei nicht dauerhaft in den Arbeitsmarkt integriert gewesen. Eine Eigenkündigung sei kein Ausschlussgrund für die Bewilligung eines Gründungszuschusses; sie könne bereits nach Ablauf der Förderung einen Betrag in Höhe von mehr als 950 Euro vorweisen.
12Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, sie habe durch ermessenslenkende Weisungen sichergestellt, dass über das ganze Jahr hinweg nach einheitlichen und sachgerechten Kriterien über die Anträge auf Gründungszuschuss entschieden werde. Das Interesse der Klägerin liege darin, den Gründungszuschuss zu erhalten. Sie habe ihre Beschäftigungslosigkeit selbst verursacht, um die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung eines Gründungszuschusses zu schaffen. Bereits aus § 2 Abs. 5 SGB III ergebe sich, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen hätten. Eine selbst verursachte Beschäftigungslosigkeit mit dem Ziel, sich selbstständig zu machen, rechtfertige keine Gewährung von Gründungszuschuss aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung. Dies stehe nicht im Interesse der Versichertengemeinschaft. Das persönliche Interesse der Klägerin an einer Förderung müsse daher hinter den Interessen der Versichertengemeinschaft an einer zweckentsprechenden, bedarfsorientierten und sparsamen Verwendung der Beitragsmittel zurückstehen.
13Die Klägerin hat am 26.10.2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben.
14Sie hat die Auffassung vertreten, die Sperrzeit sei zu Unrecht festgestellt worden. Die Beklagte stelle sachfremde Erwägungen an. Sie habe gegenüber dem Bundestagsausschuss für Arbeit und Soziales eingeräumt, dass es wenig realistisch sei, einen Gründungszuschuss zu versagen, da es sich auch nach einer Neuregelung um eine "Quasipflichtleistung" handele; Ausnahmen seien lediglich dann denkbar, wenn die selbstständige hauptberufliche Tätigkeit einen derart hohen Gewinn abzuwerfen erwarten lasse, dass ein Gründungszuschuss nicht erforderlich sei. Der Gesetzgeber sehe weder nach altem noch nach neuem Recht vor, dass eine Eigenkündigung den Anspruch ausschließe.
15Die Klägerin hat beantragt,
16den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Gründungszuschuss ab dem 02.04.2012 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen,
17hilfsweise,
18den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 aufzuheben und der Beklagten aufzugeben, über ihren Antrag auf Gewährung des Gründungszuschusses vom 16.03.2012/28.06.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
19Die Beklagte hat beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie hat auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
22Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
23Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 11.07.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Bewilligung eines Gründungszuschusses oder erneute Bescheidung ihres Antrages auf dessen Bewilligung. Zwar seien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 SGB III für die Gewährung eines Gründungszuschusses, was zwischen den Beteiligten unstreitig sei, erfüllt. Auch die Sperrzeit sei für die Voraussetzungen gemäß § 93 Abs. 3 SGB III unerheblich. Allerdings stehe die Gewährung von Gründungszuschuss im Ermessen der Beklagten. Das Ermessen sei hier weder im Sinne einer Gewährung auf Null reduziert, noch litten die Bescheide der Beklagten an Ermessensfehlern.
24Gegen dieses ihr am 17.07.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 19.08.2013, Berufung eingelegt. Sie wiederholt im Wesentlichen ihre Auffassung, wonach die Beklagte die Gewährung von Gründungszuschuss ermessensfehlerhaft abgelehnt habe. Die Entscheidungen des BSG, wonach für die Gewährung eines Gründungszuschusses ein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld gegeben sein müsse, beträfen andere Fälle. Sie habe unabhängig von der Sperrzeit Anspruch auf Arbeitslosengeld. Sie habe sich nach ihrem Zweiten Staatsexamen weiter beworben und auch nach ihrer Kündigung den Arbeitsmarkt weiter aktiv beobachtet. Am 01.04.2012 habe sie sich natürlich nicht beworben. Ihr Vertrag mit den anderen Rechtsanwälten über die Begründung der Bürogemeinschaft enthalte eine Ausstiegsklausel für den Fall, dass sie ein adäquates Beschäftigungsverhältnis finde.
25Die Klägerin beantragt,
26das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.07.2013 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr Gründungszuschuss ab dem 02.04.2012nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen,
27hilfsweise,
28den Bescheid der Beklagten vom 02.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2012 aufzuheben und der Beklagten aufzugeben, über ihren Antrag auf Gewährung des Gründungszuschusses vom 16.03.2012/28.06.2012 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
29Die Beklagte beantragt,
30die Berufung zurückzuweisen.
31Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
32Mit Urteil vom 11.07.2012 hat das SG Köln auch die Klage gegen den Sperrzeitbescheid vom 20.04.2012 abgewiesen. Die dagegen unter dem Az.: L 9 AL 218/13 eingelegte Berufung hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.09.2014 zurückgenommen.
33Der Senat hat die Klägerin auf die Entscheidungen des BSG vom 11.03.2014 - B 11 AL 10/13 R - und des Senats vom 16.04.2014 - L 9 AL 297/13 - hingewiesen und die maßgeblichen Gründe der Entscheidungen erläutert.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
35Entscheidungsgründe:
36Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 3 SGG fristgerecht erhobene Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, denn die Bescheide sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses oder auf erneute ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber.
37Nach § 93 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der hier nach Maßgabe von § 422 Abs. 1 SGB III anwendbaren, ab dem 01.04.2012 geltenden Fassung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten. Der Gründungszuschuss kann nach § 93 Abs. 2 Satz 1 SGB III geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
381. bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, 2. der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und 3. ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
39Entgegen der Auffassung des SG und der Beteiligten fehlt es bereits an diesen tatbestandlichen Voraussetzungen, so dass die Beklagte gar keine Ermessensentscheidung zu treffen hatte und es auch nicht auf etwaige Ermessensfehler der Beklagten ankommt.
401. Die Klägerin hat durch die Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit zum 02.04.2012 nicht im Sinne von § 93 Abs. 1 SGB III ihre Arbeitslosigkeit beendet, denn sie war zu keinem Zeitpunkt vor der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit im Sinne von §§ 137 Abs. 1 Nr. 1, 138 Abs. 1 SGB III arbeitslos. Ihr fehlte deshalb auch der nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III erforderliche Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß §§ 136 Abs. 1 Nr. 1, 137 Abs. 1 SGB III schon dem Grunde nach.
41Bis zum 31.03.2012 stand die Klägerin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, das mehr als 15 Wochenstunden umfasste, und war dort auch trotz ihrer Kündigung nicht freigestellt, so dass sie nicht im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III beschäftigungslos war. Am Sonntag, dem 01.04.2012, dem Tag vor Beginn ihrer selbstständigen Tätigkeit, war die Klägerin zwar beschäftigungslos. Sie war dennoch nicht arbeitslos, weil sie sich nicht bemüht hat, die eigene Beschäftigungslosigkeit zu beenden (§ 138 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 SGB III), und auch nicht im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 3 SGB III subjektiv verfügbar war.
42Die Klägerin hatte ausweislich ihrer E-Mail an ihren früheren Arbeitsvermittler vom 16.01.2012 von Anfang an vor, sich spätestens im April als Rechtsanwältin selbstständig zu machen, u.a. weil sie glaubte, bei einer Zulassung als selbstständige Rechtsanwältin bis zu diesem Zeitpunkt noch die Voraussetzungen für die Nachversicherung im Versorgungswerk der Rechtsanwälte zu erfüllen. Sie hat zudem noch vor dem Wirksamwerden ihrer Arbeitslosmeldung und vor dem Eintritt ihrer Beschäftigungslosigkeit am 01.04.2012 am 16.03.2012 die Gewährung eines Gründungszuschusses beantragt und dabei bereits angegeben, dass die selbstständige Tätigkeit am 02.04.2014 beginnen sollte. Vor allem hat sie bereits am 26.03.2012 die Zulassung als Rechtsanwältin erhalten. Da die Erteilung der Zulassung nach den Angaben der Rechtsanwaltskammer L auf deren Homepage "einige Zeit" in Anspruch nimmt, ist davon auszugehen, dass die Klägerin einige Zeit vor dem 26.03.2012 bereits die Zulassung beantragt hat. Weiterhin hat die Klägerin die notwendigen Verträge zur Begründung der Bürogemeinschaft mit den anderen Rechtsanwälten bereits im März 2012 geschlossen.
43Berücksichtigt man nun noch, dass der einzige Tag, an dem die Klägerin beschäftigungslos im Sinne von § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III war, nämlich am 01.04.2012, ein Sonntag war, ist es offensichtlich, dass sich die Klägerin tatsächlich zu keinem Zeitpunkt während ihrer Beschäftigungslosigkeit u.a. durch Inanspruchnahme der Selbstinformationseinrichtungen der Agentur für Arbeit (§ 138 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III) um die Beendigung ihrer Beschäftigungslosigkeit bemüht hat. Hierfür hatte sie in Anbetracht der vor der Beschäftigungslosigkeit bereits erfolgten Zulassung als Rechtsanwältin und des bereits zum 02.04.2012 anvisierten Beginn der selbstständigen Tätigkeit keinen Anlass. Sie auch selbst eingeräumt, dass sie sich am 01.04.2012 nicht beworben hat.
44In jedem Fall war die Klägerin am 01.04.2012 nicht bereit, eine zumutbare, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung aufzunehmen (§ 138 Abs. 5 Nr. 3 SGB III). Sie war bereits vor dem 01.04.2012 auf die Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit fixiert und hat alles Notwendige (Anwaltszulassung, Abschluss des Mietvertrags etc.) für den Beginn der selbstständigen Tätigkeit am Montag, dem 02.04.2012, vorbereitet, so dass für sie am 01.04.2012 die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung von vornherein nicht in Betracht gekommen wäre. Aus der in den Vertrag über den Beitritt zur Bürogemeinschaft aufgenommenen Ausstiegsklausel folgt nichts anderes. Diese Klausel dient offensichtlich in erster Linie dazu, der Klägerin den Ausstieg für den Fall zu ermöglichen, dass ihre selbstständige Tätigkeit keinen ausreichenden wirtschaftlichen Erfolg hat. Daran, dass die Klägerin am 01.04.2012 auf die mehr als 15 Stunden wöchentlich umfassende selbstständige Tätigkeit fixiert war, ändert die Klausel jedoch nichts. Da zudem der 01.04.2012 ein Sonntag war, musste die Klägerin auch nicht mit Stellenangeboten und Vermittlungsmaßnahmen der Beklagten rechnen. Soweit die Klägerin in ihrem Antrag auf Gewährung von Alg andere Angaben zur ihrer angeblichen subjektiven Verfügbarkeit gemacht hat, sind diese unglaubhaft und nur vorgeschoben. Die Klägerin wollte, indem sie den Beginn der selbstständigen Tätigkeit auf den 02.04.2012 veranschlagt und bewusst eine kleine Lücke zwischen der Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses und dem Beginn der selbstständigen Tätigkeit gelassen hat, lediglich für einen Tag einen Anspruch auf Alg konstruieren, um in den Genuss von Gründungszuschuss zu kommen. Subjektive Verfügbarkeit lag deshalb tatsächlich nicht vor (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 11.03.2014 - B 11 AL 10/13 R -, juris Rn. 18, sowie, in einem ähnlichen Fall, den vor Veröffentlichung der Entscheidung des BSG ergangenen, mittlerweile rechtskräftigen Beschluss des Senats vom 16.04.2014 - L 9 AL 297/13 -, juris Rn. 37 ff.).
452. Die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III liegen im Übrigen auch unabhängig von den Ausführungen zu 1. wegen des Sperrzeitbescheids vom 20.04.2012, der nach Rücknahme der Berufung im Verfahren L 9 AL 218/13 im Sinne von § 77 SGG bindend, d.h. bestandskräftig geworden ist, nicht vor.
46Es ist höchstrichterlich geklärt, dass mit "Anspruch" nicht lediglich ein nach § 137 Abs. 1 SGB III entstandenes und fortbestehendes Stammrecht gemeint ist. Vielmehr liegt ein "Anspruch" im Sinne von § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III nur vor, wenn die materiellen Voraussetzungen eines konkreten Anspruchs auf Zahlung von Alg gegeben sind (BSG, Urt. v. 05.05.2010 - B 11 AL 11/09 R -, juris Rn. 16 m.w.N.). Daran fehlt es, wenn der Anspruch auf die jeweilige Entgeltersatzleistung ruht (vgl. BSG, Urt. v. 24.06.1993 - 11 RAr 1/92 -, juris Rn. 17).
47Nach diesen Grundsätzen hatte die Klägerin unabhängig von ihrer nach den Ausführungen zu 1. fehlenden Arbeitslosigkeit bis zur Aufnahme ihrer selbstständigen Tätigkeit am 02.04.2012 keinen "Anspruch" auf Alg, weil ihr allein für den 01.04.2012 in Betracht kommender Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen der mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 20.04.2012 festgestellten Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB III a.F. bzw. § 159 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 SGB III am 01.04.2012 geruht hat. Dementsprechend hat die Klägerin auch für keinen Tag vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit Anspruch auf Zahlung von Alg.
48Ein anderes Ergebnis folgt entgegen der Auffassung des SG nicht aus § 93 Abs. 3 SGB III, wonach der Gründungszuschuss nicht geleistet wird, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 SGB III vorliegen oder vorgelegen hätten. Diese Vorschrift modifiziert erkennbar nicht die Voraussetzungen des § 93 Abs. 2 Nr. 1 SGB III. Sie soll vielmehr sicherstellen, dass die Sanktionsabsicht der Ruhensvorschriften nicht umgangen werden kann (so die Begründung zur Einführung der Regelung beim Überbrückungsgeld ab 01.01.2002 durch das Job-AQTIV-Gesetz v.10.12.2001 (BGBl I 2001, 3443), vgl. BT-Drs. 14/6944, S. 33 zu § 57; zum Ganzen Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 28), also auf keinen Fall die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III erleichtern. § 93 Abs. 3 SGB III kommt mithin nur dann zur Anwendung, wenn die Voraussetzungen für einen Gründungszuschuss nach § 93 Abs. 1 und 2 SGB III erfüllt sind, z.B. wenn während des Bezugs von Gründungszuschuss eine Ruhenstatbestand im Sinne der §§ 156 bis 159 SGB III eintritt oder nach Beginn der Zahlung von Alg der entsprechende Anspruch zum Ruhen kommt, wie z.B. bei Verwirklichung einer Sperrzeit bei Arbeitsablehnung gemäß § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, Abs. 2 SGB III. In diesen Fällen bewirkt § 93 Abs. 3 SGB III, dass der an sich mit Beginn der selbstständigen Tätigkeit entstandene Anspruch auf Gründungszuschuss zum Ruhen kommt und Gründungszuschuss nicht gezahlt wird (vgl. insoweit auch Winkler, in: Gagel, SGB III, § 93 Rn. 27, Stand: April 2012). Wenn jedoch, wie hier, zu keinem Zeitpunkt vor Beginn der selbstständigen Tätigkeit wegen eines Ruhenstatbestandes ein Anspruch auf Zahlung einer Entgeltersatzleistung besteht, kann ein Anspruch auf Gründungszuschuss gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III a.F. schon gar nicht entstehen (zum Ganzen bereits der rechtskräftige Beschluss des Senats vom 16.04.2014 - L 9 AL 297/13 -, juris Rn. 41 ff.).
493. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
504. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht ein Anspruch.
(2) Für Ermessensleistungen gelten die Vorschriften über Sozialleistungen, auf die ein Anspruch besteht, entsprechend, soweit sich aus den Vorschriften dieses Gesetzbuchs nichts Abweichendes ergibt.
(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.
(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.
(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.
(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.04.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung eines Gründungszuschusses nach Ablauf der neunmonatigen ersten Phase der Förderung.
3Der am 00.00.1979 geborene Kläger ist seit dem 11.06.2010 zur Rechtsanwaltschaft von der Rechtsanwaltskammer E zugelassen. Am 03.08.2010 gründete er mit der Diplom-Kauffrau und Steuerberaterin, Frau E, eine Partnerschaftsgesellschaft, die in das Partnerschaftsregister beim Amtsgericht Essen eingetragen wurde. Der Partnerschaftsvertrag sah eine Beteiligung der beiden Partner am Gewinn und Verlust in Höhe von jeweils 50% vor. Für jeden Partner war eine Tätigkeitsvergütung als Vorabentnahme auf den Gewinnanteil in Höhe von 3.000,- Euro monatlich vereinbart. In § 10 Abs. 2 bis 4 des Vertrages war weiterhin vereinbart, dass die Gesellschaft für jeden Partner die Kosten einer privaten Krankenvollversicherung, begrenzt auf die Höhe der Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung, sowie die Beiträge zum jeweiligen Versorgungswerk bezahlt und trägt. Gegenüber dem zuständigen Finanzamt gab der Kläger einen voraussichtlichen Gewinnanteil für das Kalenderjahr 2010 in Höhe von 10.000,- Euro und für das Kalenderjahr 2011 in Höhe von 30.000,- Euro an.
4Nach Arbeitslosengeldbezug ab 29.04.2010 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 11.08.2010 für die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit des Klägers als Rechtsanwalt einen Gründungszuschuss nach Maßgabe von § 57 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) - hier in der bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung (SGB III a.F.) - für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis 31.03.2011 in Höhe von 748,80 EUR monatlich (448,80 EUR entsprechend dem Arbeitslosengeldbezug zzgl. 300 EUR für die soziale Absicherung). Der für die Bewilligung des Gründungszuschusses bei der Beklagten eingereichte Businessplan des Klägers prognostizierte für das Kalenderjahr 2010 einen Gewinn für die Partnerschaftsgesellschaft in Höhe von 112.222,- Euro. Der Kläger veranschlagte seine Lebenshaltungskosten mit monatlich 2.200,- Euro und ging von einem Gewinnüberschuss zwischen 1.449,- und 2.934,- Euro aus.
5Der Kläger beantragte die Weitergewährung des Gründungszuschusses. Nach dem in den Akten befindlichen Antragsformular wurde dem Kläger am 01.04.2011 das Formular für den Antrag auf Weitergewährung eines Gründungszuschusses ausgehändigt. Das vom Kläger ausgefüllte Formular ist in der Verwaltungsakte der Beklagten mit dem Eingangsstempel "04.Mai 2001" versehen. Auf ihm befindet sich außerdem der Stempel "Eingegangen 06. April 2011". Zusätzlich führte der Kläger aus, dass die laufenden Umsätze kontinuierlich wenigstens 15.000 Euro monatlich betrügen und er bei der Auftragsentwicklung von konstanten Umsätzen zwischen etwa 15.000 und 25.000 Euro ausgehe. Er legte seinem Antrag eine betriebswirtschaftliche Auswertung vor, aus der sich ein vorläufiges Betriebsergebnis nach Abzug der Kosten für die Zeit von Juli 2010 bis Dezember 2010 in Höhe von 62.251,23 Euro und für das erste Quartal 2011 in Höhe von 45.718,01 Euro ergab.
6Mit Bescheid vom 16.05.2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass die Weitergewährung des Gründungszuschusses gemäß § 58 Abs. 2 SGB III a.F. in ihrem Ermessen stehe. Im Hinblick auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit müsse sie den Förderaufwand und den damit zu erreichenden Erfolg sorgfältig abwägen. Sie fördere daher für weitere sechs Monate solche Existenzgründer, deren Selbstständigkeit einerseits aufgrund des erzielten Gewinns tragfähig sei und die andererseits eine weitere Förderung zur Sicherung ihres Lebensunterhalts benötigten. Nach den von dem Kläger eingereichten Unterlagen habe sich seine Geschäftstätigkeit derart gefestigt und am Markt bewährt, dass dadurch sein Lebensunterhalt und die Aufwendungen zur sozialen Sicherung aus eigenen Mitteln bestritten werden könnten. Die Weitergewährung des Gründungszuschusses sei daher nicht möglich.
7Hiergegen legte der Kläger am 19.05.2011 Widerspruch ein, in dem er u.a. ausführte, es komme nicht darauf an, ob er der wirtschaftlichen Förderung bedürfe. Vielmehr sei der Gesetzgeber grundsätzlich von einem 15monatigen Förderzeitraum ausgegangen. Im Übrigen habe die Beklagte seine hohen Fahrtkosten und die Liquiditätsabflüsse der Gesellschaft wegen der Anschaffung von Mobiliar und EDV-Anlage sowie auch die konkreten Kosten seiner sozialen Sicherung, die sich derzeit auf 1.200,- Euro im Monat beliefen, nicht hinreichend berücksichtigt. Er fügte seinem Widerspruch eine weitere betriebswirtschaftliche Auswertung bei, die für das Jahr 2010 betreffend die Geschäftstätigkeit von Juli bis Dezember 2010 eine Gewinn nach Abzug der Umsatzsteuer von 36.398,30 Euro und für die Zeit vom 01.01.2011 bis zum 30.04.2011 einen Gewinn von 45.928,27 Euro auswies. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Bl. 149 bis 159 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
8Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2011 als unbegründet zurück. Darin führte die Beklagte u.a. aus, bei der Beurteilung der "Bestreitung des Lebensunterhalts" aus der selbständigen Tätigkeit orientiere sie sich im Rahmen der Ausübung ihres Ermessens an dem Selbstbehalt der E Tabelle für Erwerbstätige (Stand 01.01.2010). Dieser Betrag belaufe sich auf monatlich 900 Euro (incl. der 300 Euro für die soziale Absicherung). Eine Anschlussförderung sei nach den durch die Agentur für Arbeit festgelegten ermessenslenkenden Weisungen nur dann möglich, wenn die Gewinnerwartung mindestens 600 Euro bzw. maximal 1.800 Euro monatlich betrage. Aufgrund der eingereichten Unterlagen habe die Tragfähigkeit im maßgeblichen Zeitraum von Januar bis März 2011 aufgrund eines durchschnittlichen Gewinns von weit über den festgelegten 1.800 Euro monatlich festgestellt werden können, so dass die Förderung zur Bestreitung der sozialen Absicherung nicht notwendig sei.
9Hiergegen hat der Kläger am 27.06.2010 Klage beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben, mit der er zum einen seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt hat. Er hat weiterhin die Auffassung vertreten, bereits die Berufung auf ermessenslenkende Weisungen gehe am Sinn einer jeden Ermessen einräumenden Vorschrift vorbei. Darüber hinaus komme es nach dem Willen des Gesetzgebers nur darauf an, ob eine intensive und tragfähige Geschäftstätigkeit vorliege. Wenn dies, wie bei ihm, der Fall sei, reduziere sich das Ermessen auf Null. Der Verweis auf die E Tabelle sei ebenfalls sachfremd, zumal dort nur Nettobeträge genannt seien. Die Beklagte habe auch keine Ermittlungen zu seinen sonstigen Verbindlichkeiten aus diversen Krediten, die monatlich insgesamt 530,- Euro betrügen, vorgenommen und auch seine Kosten für die soziale Sicherung, die monatlich über 1.200,- Euro betrügen, nicht gewürdigt. Auch die von ihm zu zahlenden Steuern habe sie nicht berücksichtigt. Den (vorläufigen) Gewinn für 2010 hat er mit monatlich 3.033,19 Euro veranschlagt, den für Januar bis März 2011 auf monatlich 5.847,17 Euro (vor Steuern). Die Ausgaben für die soziale Sicherung hat er mit Auszügen zweier Rechnungskonten der Partnerschaftgesellschaft belegt.
10Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,
111. den Bescheid der Beklagten vom 16.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufzuheben und
122. die Beklagte zu verpflichten, einen dem Antrag des Klägers vom 01.04.2011 entsprechenden stattgebenden Bescheid zu erlassen.
13Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie ist bei ihrer Auffassung verblieben und hat ergänzend die Ermessensrichtlinien zu §§ 57, 58 SGB III vom 31.05.2010 in der Fassung vom 15.10.2010 vorgelegt.
16Das SG hat die Beteiligten mit Schreiben vom 09.03.2012 zu dem beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides angehört. Hierzu haben die Beteiligten sich nicht geäußert.
17Mit Gerichtsbescheid vom 25.04.2012 hat das SG die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Weitergewährung des Gründungszuschusses nach der Maßgabe des § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F.
18Dabei könne dahingestellt bleiben, ob ein solcher Anspruch bereits daran scheitere, dass der entsprechende Antrag erst am 04.05.2011 gestellt worden sei, obwohl der maßgebliche Leistungszeitraum bereits am 01.04.2011 begonnen habe.
19Denn bei der angefochtenen Entscheidung handele es sich um eine Ermessensentscheidung ("kann ... geleistet werden"), die von dem Gericht nur eingeschränkt überprüft werden könne, nämlich dahingehend, ob zunächst die Tatbestandsvoraussetzungen der fraglichen Norm (Ermessensvoraussetzungen) geprüft worden seien und alsdann, ob die Behörde überhaupt von dem eingeräumten Ermessen im Rahmen der Grenzen der Vorschrift Gebrauch gemacht habe (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch). Ob die Entscheidung der Beklagten dann zweckmäßig sei, sei dagegen von den Gerichten nicht zu überprüfen.
20Danach sei die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Sowohl in dem streitigen Ausgangsbescheid als auch in dem Widerspruchsbescheid habe die Beklagte ausdrücklich auf den Charakter der Anspruchsnorm als Ermessensvorschrift hingewiesen sowie darauf, dass sie eine Ermessensentscheidung zu treffen habe. Im Rahmen dieser Ermessensentscheidung sei es nicht sachwidrig gewesen, sich inhaltlich auf sog. ermessenslenkende Weisungen/Richtlinien zu beziehen und dabei die Weiterzahlung des Gründungszuschusses auch von Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten abhängig zu machen. Da § 58 Abs. 2 SGB III keine eigenständigen Kriterien für die Ermessensausübung benenne, sei u.a. auf allgemeine Kriterien wie den in § 7 SGB III verankerten Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zurückzugreifen. Dies bedeute für den vorliegenden Sachverhalt: Da der Gründungszuschuss zur Sicherung des Lebensunterhalts und der sozialen Absicherung diene (Verweis auf BT-Drucksache 16/1696 Seite 30), bedürfe es einer solchen Absicherung nicht (mehr), wenn diese schon über die eigenen Einnahmen aus der geförderten Geschäftstätigkeit gewährleistet werden könne (Verweis auf SG Berlin, Urteil vom 08.02.2010 - S 70 AL 3675/07 - Orientierungssatz und Rdnr. 19). Hiervon sei vorliegend auszugehen. Der Kläger selbst gehe von erheblichen (vorläufigen) Gewinnen aus seiner selbständigen Tätigkeit aus, nämlich von durchschnittlich monatlich 3.000 Euro im Jahr 2010 und von etwa 5.800 Euro monatlich in den ersten 3 Monaten des Jahres 2011. Dass sich hieran in der Folgezeit etwas zu Ungunsten des Klägers ändern würde, habe er nicht vorgetragen. Selbst unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für die soziale Absicherung (ca. 1.200 Euro) verblieben ihm deutlich mehr als die notwendigen Mittel zum Lebensunterhalt. Damit komme aber - wie von der Beklagten zutreffend entschieden - eine weitere Gewährung des Gründungszuschusses nach Maßgabe des § 58 Abs. 2 SGB III nicht in Betracht; dies wäre wegen eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeits- und Sparsamkeitsgebot ermessensfehlerhaft.
21Soweit demgegenüber in der Literatur vereinzelt der Eindruck vermittelt werde, für eine weitere Förderung komme es alleine darauf an, dass der Existenzgründer seine erfolgreiche Geschäftstätigkeit dargelegt habe, so entspriche dies nicht der gesetzlichen Regelung. Die (erfolgreiche) Geschäftstätigkeit sei vielmehr bereits Tatbestandsvoraussetzung. Sie eröffne erst die Ermessensbetätigung durch die Beklagte. Diese sei grundsätzlich nicht eingeschränkt. Denn der Gesetzgeber habe die Vorschrift gerade nicht als sog. "Soll-Vorschrift" konzipiert.
22Gegen diesen ihm am 28.04.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 24.05.2012 Berufung eingelegt. Er nimmt auf sein erstinstanzliches Vorbringen Bezug und trägt ergänzend vor, der Beklagten sei es unmöglich gewesen, ihr Ermessen auszuüben, da keinerlei Ermittlungen zu dem ihm zur Verfügung stehenden Einkommen erfolgt seien. Sein Nettoeinkommen im Jahre 2010 sei unbekannt gewesen, da der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 erst im Mai 2012 erlassen worden sei. Die Beklagte habe auch keine Auskünfte zu den tatsächlichen Kosten der sozialen Sicherung und den tatsächlichen Lebenshaltungskosten eingeholt. Ohne entsprechende Ermittlungen sei es gar nicht möglich, eine einzelfallbezogene Beurteilung vorzunehmen. Die Beklagte dürfe sich auch nicht allein auf ihre ermessenslenkenden Weisungen berufen, ohne sich mit den Besonderheiten des Sachverhalts auseinanderzusetzen. Im Übrigen dürfe die Förderung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht mit der Begründung abgelehnt werden, eine Förderung scheide aus, wenn der Förderungsempfänger die Kosten seiner sozialen Sicherung selbst tragen könne. Vielmehr sei nur eine erfolgreiche selbstständige Tätigkeit förderungsfähig. Auf fehlende finanzielle Ausstattung dürfe sich die Beklagte nicht berufen. Im Übrigen sei die exakte Höhe seines Einkommens irrelevant. Er begehre die kostenpflichtige Rückverweisung und Neubescheidung. An einer Abänderung der Entscheidung durch die Beklagte habe er kein Interesse. In der mündlichen Verhandlung hat er dann klargestellt, dass es ihm ausschließlich um die Leistung gehe.
23Der Kläger beantragt,
24den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.04.2012 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 zu verurteilen, seinen Antrag auf Weiterbewilligung des Gründungsschusses für weitere sechs Monate ab dem 01.04.2011 unter der Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
25Die Beklagte beantragt,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für rechtmäßig.
28Der Kläger hat auf Verlangen des Senats eine Einnahmen-Überschussrechnung seiner Partnerschaftsgesellschaft für das Kalenderjahr 2011 eingereicht. Hieraus ergibt sich ein vorläufiger Gewinn nach Abzug von Umsatzsteuer in Höhe von 117.693,14 Euro.
29Der Senat hat den Kläger ferner in der mündlichen Verhandlung vom 17.10.2013 angehört. Der Kläger hat dabei u.a. angegeben, im Jahre 2011 habe er durchschnittlich 3000,- Euro monatlich zur Verfügung gehabt. Dabei sei die soziale Sicherung bereits geleistet worden. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
30Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
31Entscheidungsgründe:
32Die nach Klarstellung des Begehrens in der mündlichen Verhandlung zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Verpflichtungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGG zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Dem Kläger steht der nach seinem eindeutigen Begehren im Sinne von § 123 SGG allein geltend gemachte Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags auf Weitergewährung des Gründungszuschusses für die Dauer von sechs Monaten ab dem 01.04.2011 nicht zu.
33Es kann dahinstehen, ob dem Anspruch des Klägers bereits die Vorschrift des § 324 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) entgegen steht, wonach Leistungen der Arbeitsförderung nur erbracht werden, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind. Es braucht insoweit nicht geklärt werden, ob § 324 Abs. 1 Satz 1 SGB III auf die Weitergewährung eines Gründungszuschusses anwendbar ist (vgl. hierzu Link, in Eicher/Schlegel, SGB III, § 58 Rn. 32, Stand: März 2011, einerseits und Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 94 SGB III Rn. 9, Stand: April 2012, andererseits) und wann genau der Kläger die Weitergewährung beantragt hat. Ebenso wenig muss entschieden werden, ob eine etwaige verspätete Antragstellung gemäß § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III zur Vermeidung unbilliger Härten zuzulassen wäre, z.B. weil der Kläger auf das etwaige Erfordernis der Stellung eines Weitergewährungsantrags vor Ablauf der ersten Förderungsphase am 31.03.2011 nicht ausreichend hingewiesen worden ist.
34Auch unabhängig von der Vorschrift des § 324 Abs. 1 SGB III ist der Kläger durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Die Beklagte hat den Antrag des Klägers in jedem Fall ermessensfehlerfrei und damit rechtmäßig abgelehnt, so dass der Kläger auch nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG beschwert ist.
351. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 58 Abs. 2 SGB III in der hier anwendbaren, bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung (SGB III a.F.). Danach kann der Gründungszuschuss für weitere sechs Monate in Höhe von monatlich 300 Euro geleistet werden, wenn die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darlegt. Bestehen begründete Zweifel, kann die Agentur für Arbeit die erneute Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle verlangen.
362. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB III a.F. liegen vor. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten seine (erfolgreiche) Geschäftstätigkeit durch geeignete Unterlagen dargelegt.
373. Auf der Rechtsfolgenseite sieht § 58 Abs. 2 SGB III jedoch Ermessen vor, d.h. trotz des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen kann die Beklagte die Weitergewährung des Gründungszuschusses ablehnen. Das Gericht kann die Entscheidung der Beklagten nur im Sinne einer Rechtskontrolle daraufhin überprüfen, ob die Beklagte ihr Ermessen entsprechend den Vorgaben von § 39 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) rechtmäßig ausgeübt hat oder ob ein Ermessensfehler im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG vorliegt und der Kläger hierdurch beschwert ist. Es hat jedoch keine eigenen Ermessens- und Zweckmäßigkeitserwägungen anzustellen (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54 Rn. 28). Die Beklagte hat hier ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt.
38Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen z.T. nicht einheitlich vorgenommen wird (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 18.03.2008 - B 2 U 1/07 R -, juris Rn. 16; Keller, a.a.O., Rn. 27). Keiner dieser Ermessensfehler liegt hier vor.
39a) Von einem Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall kann entgegen der Auffassung des Klägers keine Rede sein. Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt. Sie hat sich zwar auf ermessenslenkende Weisungen berufen. Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung des BSG zulässig, wenn nicht sogar zur Gewährleistung einer dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) entsprechenden Ermessensausübung geboten. Entscheidend ist, dass die Behörde neben ihren internen Weisungen die Besonderheiten des Einzelfalles beachtet (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 16.06.1999 - B 9 V 4/99 R -, juris Rn. 27 m.w.N.). Dies hat die Beklagte getan, indem sie entscheidend darauf abgestellt hat, dass das konkret vom Kläger erzielte Einkommen aus der geförderten selbstständigen Tätigkeit zur sozialen Absicherung ausreicht.
40b) Ebenso wenig liegt eine Ermessensunter- oder überschreitung vor. Die Beklagte hat keine Rechtsfolge gesetzt, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Sie war sich auch dessen bewusst, dass sie den Gründungszuschuss hätte weiterbewilligen können und hat ihr Ermessen folglich auch nicht zu eng ausgelegt.
41c) Der Beklagten kann schließlich auch kein Ermessensfehlgebrauch vorgeworfen werden.
42Ein Ermessensfehlgebrauch liegt zum einen vor, wenn die Behörde ein unsachliches Motiv oder einen sachfremden Zweck verfolgt (Ermessensmissbrauch). Zum anderen liegt der Fehlgebrauch als Abwägungsdefizit vor, wenn sie nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen sind, in die Entscheidungsfindung einbezogen hat. Der Fehlgebrauch kann zudem als Abwägungsdisproportionalität vorliegen, wenn die Behörde die abzuwägenden Gesichtspunkte rechtlich fehlerhaft gewichtet hat. Des Weiteren kann ein Fehlgebrauch erfolgt sein, wenn die Behörde ihrer Ermessensbetätigung einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt hat. Deshalb haben die Tatsacheninstanzen in tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen, ob die Behörde die Tatsachen, die sie ihrer Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat, zutreffend und vollständig ermittelt hat (vgl. zum Ganzen BSG, Urt. v. 09.11.2010 - B 2 U 10/10 R -, juris Rn. 15). Das Gericht darf dabei die maßgebenden Tatsachen anders feststellen und Beweismittel anders würdigen. Ist die Behörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen oder hat sie andere vom Gericht festgestellten Tatsachen nicht berücksichtigt, ist die Entscheidung der Behörde aufzuheben, wenn dadurch die Ermessensentscheidung beeinflusst wurde oder hätte beeinflusst werden können (vgl. Keller, a.a.O., Rn. 28b).
43Ein Ermessenfehlgebrauch in diesem Sinne kann der Beklagten nicht zu Last gelegt werden.
44aa) Indem die Beklagte darauf abgestellt hat, ob der Kläger mit den Einnahmen aus seiner selbstständigen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt und die für ihn notwendige soziale Sicherung sicherstellen konnte, hat sie einen legitimen, der Teleologie des § 58 Abs. 2 SGB III a.F. entsprechenden Zweck verfolgt und damit ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt (in diesem Sinne auch SG Berlin, Urt. v. 08.02.2010 - S 70 AL 3675/07 -, juris Rn. 19 f.; Winkler, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 94 SGB III, Rn. 11, Stand: April 2012).
45Ziele der zweiten Förderphase des Gründungszuschusses sind die Stärkung der Nachhaltigkeit der Gründung und die soziale Absicherung der Gründerinnen und Gründer (BT-Drucks 17/6277, S. 86). Mit der Pauschale von 300,- Euro soll die Absicherung der Existenzgründer in der Sozialversicherung ermöglicht werden, wobei der Gesetzgeber davon ausgeht, dass nach Abschluss der ersten Förderungsphase das Unternehmen derart gefestigt ist, dass der Lebensunterhalt aus den Einnahmen aus der selbstständigen Tätigkeit bestritten werden kann und (allenfalls) noch ein Bedürfnis für die Gewährung von Leistungen zur sozialen Absicherung besteht (vgl. BT-Drucks 16/1696, S. 31). Wenn der Gesetzgeber in Anbetracht dieser Erwägungen die Weitergewährung des auf die pauschale soziale Absicherung reduzierten Gründungszuschusses in das Ermessen der Beklagten stellt, so entspricht es dem Sinn und Zweck dieser Ermächtigung, dass die Weitergewährung abgelehnt werden kann, wenn die Absicherung schon über die eigenen Einnahmen aus der geförderten Geschäftstätigkeit gewährleistet werden kann (vgl. SG Berlin, a.a.O., Rn. 19 a.E.).
46Entgegen der Auffassung des Klägers gebietet der Zweck des § 58 Abs. 2 SGB III a.F. gerade nicht, bei der Ermessensentscheidung allein auf die Tragfähigkeit sowie den bisherigen und den zukünftig zu erwartenden Erfolg der geförderten Tätigkeit abzustellen. Die Gesetzgebungsmaterialien enthalten insoweit keine Anhaltspunkte. Soweit es in der Begründung des Entwurfs zu § 58 SGB III a.F. heißt, Gründungen sollten nur weiter gefördert werden, wenn eine intensive Geschäftstätigkeit und hauptberufliche unternehmerische Aktivitäten vorlägen, beziehen sich diese Ausführungen eindeutig auf die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 58 Abs. 2 SGB III, wonach die geförderte Person ihre Geschäftstätigkeit anhand geeigneter Unterlagen darzulegen hat. Die fehlende Tragfähigkeit des Unternehmens ist nach dem Willen des Gesetzgebers vielmehr ein negatives Ausschlusskriterium, das jedenfalls im Rahmen der Ermessensentscheidung zur Ablehnung der Weitergewährung des Gründungszuschusses führen kann oder sogar im Sinne einer Ermessensreduzierung auf Null führen muss. Ist das Unternehmen tragfähig, bedeutet dies jedoch nicht zwangsläufig, dass der reduzierte Gründungszuschuss weiterzuzahlen ist.
47Es kann noch nicht einmal davon ausgegangen werden, dass das Ermessen in diesem Fall im Sinne einer Weitergewährung intendiert ist. Dagegen spricht bereits der Wortlaut des § 58 Abs. 2 SGB III a.F., wonach der Gründungszuschuss weitergewährt werden "kann" und nicht "soll". Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich nichts anderes. Mit der Normierung einer maximalen Gesamtförderungsdauer von 15 Monaten ist der Gesetzgeber zwar davon ausgegangen, dass dieser Förderungszeitraum sowohl ausreichend als auch im Regelfall erforderlich ist, um den Erfolg einer Existenzgründung zu sichern. Er hat darüber hinaus angenommen, dass ein Existenzgründer nach Ablauf der ersten Förderungsphase regelmäßig noch Förderungsbedarf im Hinblick auf die soziale Absicherung haben wird. Wenn dies jedoch nicht der Fall ist, weil der Existenzgründer ein hohes Einkommen aus der geförderten selbstständigen Tätigkeit erzielt, sind die Regelannahmen des Gesetzgebers widerlegt. Gerade um diesen Fällen Rechnung zu tragen, hat der Gesetzgeber der Beklagten Ermessen eingeräumt. Der Gründungszuschuss ist gerade nicht als Belohnung für eine erfolgreiche Tätigkeit gedacht, sondern impliziert einen Förderungsbedarf, der dann nicht besteht, wenn das erzielte Einkommen zur sozialen Sicherung ausreicht.
48Dass die Beklagte darauf abgestellt hat, dass dem Kläger eine ausreichende soziale Absicherung aus seinem Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit möglich ist, verstößt schließlich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gegen höherrangiges Recht. Der aus Sicht der Beklagten maßgebliche ermessensleitende Gesichtspunkt findet seine rechtliche Grundlage im gesetzlichen Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (vgl. § 7 Satz 1 SGB III) und ergibt sich unmittelbar aus den Gesetzgebungsmaterialien. Von Willkür kann deshalb ebenso wenig die Rede sein wie von einem Verstoß gegen rechtsstaatliche Prinzipien. Vertrauensschutzgesichtspunkten zugunsten der Geförderten wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass vor der Entscheidung über den Weiterbewilligungsantrag in Gestalt einer Prognose geprüft wird, ob das Einkommen aus der selbstständigen Tätigkeit voraussichtlich zur sozialen Absicherung ausreicht.
49bb) Die Beklagte hat auch keinen Abwägungsfehler gemacht. Ein für die Weiterbewilligung sprechender Gesichtspunkt, der mindestens ebenso gewichtig wäre wie der für die Ablehnung maßgebliche Gesichtspunkt der ausreichenden Möglichkeiten des Klägers, aus dem Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit die Aufwendungen für die soziale Absicherung zu tragen, ist nicht ersichtlich. Dass sich die Tätigkeit des Klägers in der ersten Förderungsphase als tragfähig und erfolgreich erwiesen hat, stand der Ablehnung der Weiterbewilligung nicht entgegen, da die zweite Förderungsphase nach den vorstehenden Ausführungen dazu dient, eine ausreichende soziale Absicherung zu gewährleisten, jedoch keine Belohnung für erfolgreiches Wirtschaften darstellt.
50cc) Die Beklagte ist schließlich auch nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen.
51(1) Ein unvollständiger Sachverhalt liegt nicht bereits deshalb vor, weil die Beklagte das genaue Nettojahreseinkommen des Klägers unter Berücksichtigung der maßgeblichen Jahressteuerlast im Jahre 2011 bei Erlass des Bescheides vom 16.05.2011 nicht kannte, da sogar der Steuerbescheid für das Jahr 2010 erst im Jahre 2012 erlassen wurde. Die Beklagte hatte vielmehr von vornherein eine Prognose darüber zu treffen, welche Einnahmen der Kläger voraussichtlich in der möglichen zweiten Förderungsphase vom 01.04.2011 bis zum 30.09.2011 zur Verfügung haben würde und ob diese voraussichtlich verfügbaren Einnahmen für eine angemessene soziale Absicherung ausreichen würden. Für die Richtigkeit dieser Prognose kam es nicht auf das tatsächlich zu versteuernde Gesamtjahreseinkommen oder sogar den Steuerbescheid für das Jahr 2011 an. Vielmehr konnten allein die bei Erlass des Bescheids vom 16.05.2011 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 23.05.2011 (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt für eine Prognoseentscheidung BSG, Urt. v. 03.07.2003 - B 7 AL 66/02 R -, juris Rn. 24 f. m.w.N.) bekannten Umstände Grundlage für die Prognoseentscheidung der Beklagten sein.
52(2) Die Prognose der Beklagten, dass das Einkommen des Klägers aus seiner selbstständigen Tätigkeit zur sozialen Absicherung im möglichen sechsmonatigen Förderungszeitraum vom 01.04.2011 bis zum 30.09.2011 ausreichen würde, beruhte auf einer hinreichend sicheren Tatsachengrundlage und war im Ergebnis auch zutreffend.
53Dies folgt schon daraus, dass der Kläger nach dem Partnerschaftsgesellschaftvertrag eine Vorabentnahme auf seinen Gewinnanteil in Höhe von 3.000,- Euro brutto monatlich zu erhalten hatte und die Gesellschaft nach § 10 Abs. 2 bis 4 des Vertrages darüber hinaus die Kosten für eine private Vollversicherung bis zur Höhe der Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung und die Beiträge zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte zu tragen und zu zahlen hatte. Der Kläger hatte dementsprechend aus seinem zu erwartenden privaten Monatseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Gestalt der Vorabentnahme in Höhe von 3.000,- Euro gar keine Aufwendungen für seine soziale Sicherung mehr zu bestreiten.
54Diese vertraglichen Regelungen konnten nach der wirtschaftlichen Lage der Partnerschaftsgesellschaft, wie sie sich im Zeitpunkt der Entscheidungen der Beklagten darstellte, im Jahre 2011 auch voraussichtlich umgesetzt werden. Aus den bei der Beklagten zuletzt eingereichten Unterlagen des Klägers, die mit den im Berufungsverfahren eingereichten Unterlagen übereinstimmen, ergab sich im Zeitraum vom 01.01.2011 bis zum 31.03.2011 ein vorläufiger Gesellschaftsgewinn im ersten Quartal von 35.083,- Euro, bei dessen Ermittlung allerdings die Kosten für die Krankenversicherung und die Altersversorgung des Klägers offensichtlich nicht berücksichtigt wurden. Für den Kläger ergab sich damit ein rechnerischer Bruttogewinn von monatlich 5847,17 Euro. Nach Abzug der Beiträge zur Krankenversicherung und zum Versorgungswerk (rund 1.200,- Euro) betrug der verbleibende Bruttogewinn 4.647,17 Euro. Hiervon waren dann noch die quartalsweise abzuführenden Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer abzuziehen. Diese wurden im Jahre 2011, da noch kein Einkommensteuerbescheid vorlag, offensichtlich auf der Grundlage des vom Kläger gegenüber dem zuständigen Finanzamt angegebenen voraussichtlichen Jahresgewinns in Höhe von 30.000 Euro festgesetzt. Ausgehend von dem im Internet veröffentlichten Einkommensteuerrechner des Bundesfinanzministeriums (https://www.bmf-steuerrechner.de/ekst/ekst.jsp) ergab sich bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 30.000,- Euro im Jahre 2011 eine Jahressteuerlast inklusive Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer von 6.468,43 Euro im Jahr und 539,04 Euro im Monat. Selbst unter Berücksichtigung der Einkommensteuervorauszahlungen verblieb dem Kläger deshalb ausgehend von den bei Entscheidung der Beklagten vorliegenden Daten ein voraussichtlicher Nettogewinn, der die vertraglich vereinbarten monatlichen Vorabentnahmen deutlich überstieg.
55Der Einwand des Klägers, die vorläufige Gewinnberechnung sei allein nach steuerrechtlichen Vorschriften erfolgt, die die realen Betriebsausgaben nicht hinreichend spiegelten, führt zu keiner anderen Bewertung.
56Zum einen hat der Kläger insoweit bereits nicht schlüssig vorgetragen. Es trifft zwar zu, dass größere Anschaffungen, z.B. Einrichtungsgegenstände für das Büro der Partnerschaftsgesellschaft, nicht mit ihrem Kaufpreis als Betriebsausgaben anzusetzen sind, sondern über Jahre hinweg mit Teilbeträgen abzuschreiben sind. Der Kläger hat jedoch auch auf Befragen des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht ansatzweise darzulegen vermocht, welche tatsächlichen Ausgaben ihm und seiner Partnerin in Bezug auf abzuschreibende Gegenstände im Jahre 2011 tatsächlich entstanden sind. Die wesentlichen Einrichtungsgegenstände, wie z.B. die EDV-Anlage, dürfte der Kläger bereits im Jahre 2010 angeschafft haben. Dies hat der Kläger auf Befragen des Senats auch zunächst so bestätigt. Hieraus wären im Jahre 2011 aber nur dann Belastungen erwachsen, wenn der Kläger für die Anschaffung ein Darlehen hätte aufnahmen müssen. Nach seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger jedoch insoweit kein Darlehen aufgenommen. Der Kläger hat sodann seinen Vortrag ergänzt und behauptet, er habe aus den laufenden Einnahmen auch im Jahre 2011 weitere Gegenstände für die Gesellschaft angeschafft. Er hat seinen Vortrag insoweit jedoch nicht konkretisiert. Nicht zuletzt deshalb drängt sich dem Senat der Eindruck auf, dass der Kläger seinen Vortrag dem jeweiligen Verfahrensstand entsprechend anpasst, um eine für ihn günstige Entscheidung zu erhalten.
57Zum anderen und vor allem hat der Kläger auf Befragen des Senats ausdrücklich angegeben, er habe im Jahre 2011 nach Abzug der Ausgaben für die soziale Sicherung durchschnittlich 3000,- Euro monatlich zur Verfügung gehabt. Damit hat der Kläger in der Sache bestätigt, dass die Vereinbarungen aus dem Gesellschaftvertrag im Jahre 2011 auch tatsächlich umgesetzt wurden. Seine Einwände gegen die Heranziehung der vorläufigen Gewinnermittlung als Grundlage der Ermessensentscheidung sind deshalb unerheblich.
58Ob der dem Kläger vertraglich zustehende und auch offensichtlich tatsächlich ausgezahlte Gewinnanteil von 3000,- Euro monatlich ausreichte, um den Lebensunterhalt des Klägers - ohne die soziale Absicherung - sicherzustellen, ist nach den maßgeblichen Ermessenerwägungen der Beklagten und auch nach dem unter aa) dargelegten Zweck der Ermessenregelung nicht relevant, da der Gründungszuschuss in der zweiten Förderungsphase nicht mehr der Sicherstellung des Lebensunterhaltes dient.
59Im Übrigen konnte der Kläger seinen Lebensunterhalt offensichtlich aus den monatlichen Gewinnentnahmen decken. Selbst unter Berücksichtigung der oben errechneten Einkommensteuervorauszahlungen ergibt sich ein monatliches Nettoeinkommen von mindestens 2.400,- Euro. Dies übersteigt die vom Kläger in dem bei der Beklagten eingereichten Businessplan in Höhe von 2.200,- Euro monatlich veranschlagten Lebenshaltungskosten einschließlich 500,- Euro monatlich Fahrtkosten und 400,- Euro monatlich Kreditkosten deutlich.
60(3) Die Entscheidung der Beklagten ist entsprechend den vorstehenden Ausführungen auch nicht wegen etwaiger unzureichender Ermittlungen in tatsächlicher Hinsicht ermessensfehlerhaft. Die Beklagte hat zwar die Regelungen im Partnerschaftsgesellschaftsvertrag übersehen und bei ihrer Entscheidung augenscheinlich nur auf den rechnerischen monatlichen Bruttogewinnanteil des Klägers abgestellt. Dem Kläger ist auch zuzugeben, dass die Beklagte bei dieser Vorgehensweise konsequenterweise Überlegungen und Ermittlungen zu dem verfügbaren Nettoeinkommen des Klägers und seinen tatsächlichen Ausgaben für die soziale Sicherung hätte anstellen müssen. Der Kläger ist hierdurch aber nicht beschwert, denn nach den vorstehenden Ausführungen zu (2) war die Prognose der Beklagten im Ergebnis zutreffend. Der Senat ist an die Methode der Beklagten zur Ermittlung, ob der Kläger aus seinem Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit eine angemessene soziale Absicherung bewerkstelligen kann, nicht gebunden, sondern ist nicht nur berechtigt, sondern gemäß § 103 SGG auch verpflichtet, eigene Ermittlungen anzustellen. Erweist sich, wie hier, der von der Beklagten im Rahmen ihrer Ermessenentscheidung angenommene Sachverhalt nach den gerichtlichen Ermittlungen als zutreffend, scheidet eine Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung aus, weil die Beklagte aufgrund des durch die gerichtlichen Ermittlungen im Ergebnis bestätigten Sachverhalts die Weiterbewilligung wiederum deshalb ablehnen könnte und würde, weil der Kläger wegen ausreichender Möglichkeiten der sozialen Absicherung aus seiner selbstständigen Tätigkeit keiner weiteren Förderung bedurfte. Im Übrigen war das Ermessen der Beklagten deshalb auch im Sinne einer Ablehnung der Weiterbewilligung auf Null reduziert.
61(4) Aus den gleichen Erwägungen kann auch dahinstehen, ob die von der Beklagten angenommenen Grenzbeträge rechtmäßig sind, denn auf sie kommt es im vorliegenden Fall nicht an.
624. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
635. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, können zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung einen Gründungszuschuss erhalten.
(2) Ein Gründungszuschuss kann geleistet werden, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer
- 1.
bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 beruht, - 2.
der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und - 3.
ihre oder seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt.
(3) Der Gründungszuschuss wird nicht geleistet, solange Ruhenstatbestände nach den §§ 156 bis 159 vorliegen oder vorgelegen hätten.
(4) Die Förderung ist ausgeschlossen, wenn nach Beendigung einer Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach diesem Buch noch nicht 24 Monate vergangen sind; von dieser Frist kann wegen besonderer in der Person der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers liegender Gründe abgesehen werden.
(5) Geförderte Personen, die das für die Regelaltersrente im Sinne des Sechsten Buches erforderliche Lebensjahr vollendet haben, können vom Beginn des folgenden Monats an keinen Gründungszuschuss erhalten.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 25. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
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Entscheidungsgründe
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Gründe
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(1) Die Vermittlung in Ausbildung und Arbeit hat Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit.
(2) Der Vermittlungsvorrang gilt auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung ist für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich. Von der Erforderlichkeit für die dauerhafte Eingliederung ist insbesondere auszugehen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit fehlendem Berufsabschluss an einer nach § 81 geförderten beruflichen Weiterbildung teilnehmen oder voraussichtlich teilnehmen werden. Der Vermittlungsvorrang gilt nicht im Verhältnis zur Förderung von Existenzgründungen mit einem Gründungszuschuss nach § 93.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.01.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Bewilligung eines Gründungszuschusses für die Zeit ab dem 02.01.2012.
3Der im August 1960 geborene Kläger ist gelernter Industriekaufmann und Diplomsozialpädagoge (FH). Er war von September 2007 bis 31.12.2011 als Pädagogischer Leiter bei N versicherungspflichtig beschäftigt. Am 07.10.2011 erfolgte die Kündigung durch den Arbeitgeber zum 31.12.2011.
4Am 10.11.2011 meldete sich der Kläger arbeitsuchend. Es fand bereits ein erstes Gespräch mit seiner Arbeitsvermittlerin statt. In ihrem Vermerk über dieses Gespräch hielt die Arbeitsvermittlerin fest, der Kläger würde ungern in Schichtarbeit und in der Heimerziehung tätig werden und wolle sich noch nicht arbeitslos melden. Auf die Erkundigung zum Thema Gründungszuschuss sei der Kläger auf die Gesetzesänderung zum 01.01.2011 hingewiesen worden. Anlässlich eines weiteren Gesprächs hielt die Arbeitsvermittlerin in einem Vermerk fest, der Kläger sei noch einmal ausführlich über den Gründungszuschuss und anstehende Neuerungen informiert worden.
5Am 15.12.2011 meldete sich der Kläger arbeitslos mit Wirkung zum 01.01.2012. Er gab an, er werde sich zum 02.01.2012 selbständig machen. Er sei seit 1998 im geringfügigen Umfang selbständig als Erziehungsbeistandsschaft im Umfang von bis 8 Stunden wöchentlich tätig. Ein Termin bei der Arbeitsvermittlung wurde für den 19.12.2011 vereinbart.
6Am 19.12.2011 rief der Kläger bei der Beklagten an und bat um Übersendung eines Antrags auf Gründungszuschuss wegen der für den 02.01.2012 geplanten selbstständigen Tätigkeit. Nach einem in den Akten befindlichen Vermerk der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau C, wurde der Kläger bei diesem Telefonat darauf hingewiesen, dass für den Gründungszuschuss neues Recht gelte.
7Mit Bescheid vom 23.12.2011 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld für den 01.01.2012. Ab dem 02.01.2012 erfolge wegen der angekündigten selbstständigen Tätigkeit keine Bewilligung.
8Am 03.01.2012 meldete der Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2012 ein Gewerbe an, und zwar Beratung und Therapie (Kinder-, Jugendliche- und Familienberatung).
9In seinem am 17.01.2012 bei der Beklagten eingegangenen, schriftlichen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses gab der Kläger an, er werde ab dem 02.01.2012 eine selbständige Tätigkeit als Diplom-Sozialpädagoge, Projektentwickler, Coach in X aufnehmen. Unter dem 26.01.2012 gab der Kläger an, Ziel seiner selbständigen Tätigkeit sei es, den Lebensunterhalt und die soziale Sicherheit für sich und seine Familie zu erwirtschaften. In seinem Alter (52) sei die Chance auf eine Festeinstellung gering; dies habe er durch einige Absagen feststellen müssen. Seine familiäre Situation als Vater dreier unterhaltspflichtiger Kinder (8, 10, 23) bringe eine hohe Verantwortung und finanzielle Belastung mit sich, zumal er alleinverdienend sei. Es würden finanzielle Verbindlichkeiten durch die Finanzierung des Eigenheims bestehen. In der Rentabilitätsvorschau stelle sich eine optimistische Entwicklung dar. Mit der Auftragsannahme ergebe sich jedoch noch keine finanzielle Stabilität, da Zahlungen häufig erst nach Auftragserledigung erfolgen würden und auch nach Rechnungsstellung mit zeitlichen Verzögerungen bis zum Zahlungseingang zu rechnen sei. Der Kläger reichte eine fachkundige Stellungnahme der H H GmbH ein, zudem ein wirtschaftliches Konzept. Danach plante er ab März 2012 einen Überschuss in Höhe von 1.272,00 Euro und im gesamten Jahr 2012 insgesamt 26.759,00 Euro bei einem Umsatz von 41.160,00 Euro.
10Die Beklagte stellte daraufhin bei einer Recherche in den ihr gemeldeten offenen Arbeitsstellen insgesamt 13 Angebote für Sozialpädagogen in der näheren Umgebung des Wohnortes des Klägers fest. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 41 bis 58 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
11Mit Bescheid vom 06.02.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Gründungszuschuss ab. Sie führte aus, Gründungszuschuss sei eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsmarktförderung nach § 3 Abs. 5 SGB III. Diese Leistungen dürften nur gewährt werden, wenn sie notwendig seien, um den Kläger dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Die Agentur für Arbeit C fördere Existenzgründer, deren Selbständigkeit einerseits aufgrund des nachgewiesenen Gewinns tragfähig sei und die andererseits eine Förderung zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigten. Die vom Kläger dargelegten Nachweise über die Tragfähigkeit und die eingereichte Rentabilitätsvorschau lasse die Beklagte zu dem Entschluss kommen, dass sein Einkommen zur Sicherung seines Lebensunterhalts ausreiche. Zudem sei die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Eingliederung in den erreichbaren Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit für ihn möglich wäre, da aktuell eine ausreichende Anzahl an offenen Stellenangeboten gegeben sei, die eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen würden.
12Mit Schreiben vom 20.02.2012 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 06.02.2012. Er gab an, inzwischen sei abzusehen, dass die Prognose für Januar und Februar 2012 hinsichtlich der Rentabilität zu optimistisch gewesen sei und die Kosten des Lebensunterhalts nicht decken würden. Ohne die Absicherung durch den Gründungszuschuss könne er die Selbständigkeit nicht aufbauen. In letzter Konsequenz hieße dies, das Vorhaben einzustellen und sich kurzfristig arbeitslos zu melden. Mit Schreiben vom 27.02.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es verbleibe bei ihrer Entscheidung.
13Am 12.03.2012 erhob der Kläger Widerspruch. Er reichte in der Folge ein Schreiben des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. vom 30.03.2012 ein, auf das Bezug genommen wird.
14Mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2012 wies die Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe überhaupt kein ernsthaftes Interesse an der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt gehabt, sondern allein beabsichtigt, sich selbständig zu machen. Dies zeige sich insbesondere darin, dass er anlässlich seines ersten Gespräches mit seiner Arbeitsvermittlerin sich noch nicht arbeitslos habe melden wollen und dazu auch noch erklärt habe, an welchen Tätigkeiten er nicht interessiert sei. Erst als festgestanden habe, dass er sich zum 02.01.2012 selbständig machen werde, habe er sich arbeitslos gemeldet und damit der Arbeitsvermittlung überhaupt keine Chance gegeben, auch nur in ernsthafte vermittlerische Bemühungen einzutreten. Es dürfe klar sein, dass eine Vermittlung für den 01.01.2012, einem Feiertag keine ernsthafte Vermittlung habe sein können. Von Seiten der Bundesagentur seien deshalb keine Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung notwendig. Die Gewährung eines Gründungszuschusses komme vor dem Hintergrund der Marktgängigkeit als nachrangiges Förderinstrument bezüglich der Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht in Betracht. Zudem rechne der Kläger selber im Jahr 2012 mit einem Betriebsergebnis von 26.759,00 Euro vor Steuer. In der Stellungnahme im Widerspruchsverfahren sei ein durchschnittliches Einkommen im 1. Jahr von monatlich etwa 1.500,00 Euro aufgeführt. Beide Einkommen würden jedoch oberhalb des Regelsatzes nach dem SGB II liegen.
15Am 04.05.2012 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Er verweist auf das Schreiben des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. und trägt vor, ihm seien durch die Arbeitsvermittlerin lediglich 2 Stellenangebote vorgelegt worden. Auf beide Stellen habe er sich beworben, jedoch ein Absage erhalten. Insgesamt habe er der Beklagten 5 Absagen auf seine Bewerbungen vorgelegt. Weitere Absagen könne er noch nachreichen. Die Arbeitssuchendmeldung sei am 11.10.2011 erfolgt. Eine Tätigkeit im Heimbereich habe er, anders als von der Beklagten dargestellt, nie abgelehnt. Er habe lediglich geäußert, dass er aus familiären Gründen möglichst keine Nachtschichten ausüben wolle. Er hat mehrere Absagen von Arbeitgebern eingereicht.
16Der Kläger hat beantragt,
17die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2012 zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.
18Die Beklagte hat beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Sie hat auf ihre Ausführungen in den angefochten Bescheiden Bezug genommen und eine Stellungnahme der Arbeitsvermittlerin eingereicht.
21Mit Urteil vom 22.01.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der hier anwendbaren, vom 28.12.2011 bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung des § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), der § 93 SGB III in der seit dem 01.04.2012 geltenden Fassung entspreche, handele es sich bei dem Gründungszuschuss um eine Ermessensleistung. Es sei nicht ermessenfehlerhaft, soweit die Beklagte darauf hinweise, dass der Gründungszuschuss als eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsmarktförderung nach § 3 Abs. 5 SGB III nur insoweit gewährt werden dürfe, als er notwendig sei, um den Antragsteller dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Insoweit berufe sich die Beklagte zu Recht darauf, dass die Bundesagentur u.a. den Vorrang der Vermittlung in Arbeit gemäß § 4 SGB III zu beachten habe. Die Beklagte habe ausreichend geprüft, ob eine Vermittlung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge möglich gewesen sei. In der Akte der Beklagten seien insgesamt 13 Stellenangebote enthalten, die für den Kläger in Betracht gekommen seien. Dabei sei dem Kläger auch Schichtdienst zumutbar gewesen. Nach seinen eigenen Angaben sei er Alleinverdiener, seine Frau betreue die noch minderjährigen Kinder. Es sei insoweit kein Grund ersichtlich, der dem Kläger den Schichtdienst in einem Heim nicht zumutbar erscheinen ließe. Zwar habe der Kläger mehrere Absagen durch Arbeitgeber eingereicht. Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, dass eine Vermittlung innerhalb einer zumutbaren Zeit von 6 Monaten nicht möglich gewesen wäre. Gerade die Zahl offener Stellen, die für den Kläger in Betracht gekommen seien, spreche dafür, dass nach einiger Zeit eine Vermittlung möglich gewesen wäre. Die Beklagte weise auch zu Recht darauf hin, dass angesichts der nur kurzfristigen Arbeitslosigkeit des Klägers von 1 Tag und auch der erst am 15.12.2012 erfolgten Arbeitslosmeldung eine Vermittlung nicht ernsthaft habe erfolgen können. Die Stellungnahme des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. spreche auch nicht dagegen, dass eine Vermittlung in absehbarer Zeit möglich gewesen sei. Das umfassende Qualifikationsprofil dürfte wegen einer Überqualifizierung nicht unbedingt gegen Vermittlungschancen des Klägers sprechen, angesichts der nur sehr kurzen Arbeitslosigkeit des Klägers handele es sich insoweit nur um eine Vermutung des Vereins. Ähnliches gelte hinsichtlich des Vermittlungshemmnisses des Alters des Klägers.
22Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 28.02.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.03.2013 Berufung eingelegt. Er meint, die Klage sei aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet. Wäre er zutreffend beraten worden, hätte er seinen Sachvortrag an die neue Rechtslage anpassen oder seine Tätigkeit früher aufnehmen und dadurch noch die alte Rechtslage in Anspruch nehmen können. Er müsse so behandelt werden, als hätte er noch unter der alten Rechtslage einen Antrag auf Gründungszuschuss gestellt, dem die Beklagte dann ohne Ermessensausübung hätte entsprechen müssen.
23Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich,
24das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.01.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2012 zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
25Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
26die Berufung zurückzuweisen.
27Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs für nicht gegeben.
28Mit Richterbrief vom 26.06.2013, dem Kläger zugestellt am 27.06.2013, sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 SGG beabsichtigt ist. Den Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zu nehmen.
29Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratungen des Senats waren, Bezug genommen.
30Entscheidungsgründe:
31Die Berufung ist zulässig, aber nach einstimmiger Auffassung der Berufsrichter des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
32Das SG hat die zulässige Verpflichtungsklage in Gestalt der Bescheidungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGG zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
33Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung.
341. Maßgebliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses ist, weil der Kläger seine selbstständige Tätigkeit am 02.01.2012 und nicht früher aufgenommen hat und mithin auch der geltend gemachte Anspruch frühestens am 02.01.2012 entstanden sein kann, nach Maßgabe von § 422 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) § 57 SGB III in der ab dem 28.12.2011 bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (SGB III a.F.) des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I, S. 2854). Danach steht die Gewährung eines Gründungszuschusses im Ermessen der Beklagten ("können erhalten").
35Der Kläger kann aus mehreren Gründen nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen, dass zu seinen Gunsten noch die bis zum 27.12.2011 geltende Fassung des § 57 SGB III, die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses ohne Ermessen der Beklagten vorsah, zur Anwendung kommt.
36Ausweislich der aktenkundigen Vermerke der zuständigen Arbeitsvermittlerin des Klägers ist schon nichts für eine Verletzung von Beratungs- und Informationspflichten durch die Beklagte ersichtlich. Vielmehr geht aus den aktenkundigen Vermerken hervor, dass die Arbeitsvermittlerin den Kläger mehrfach auf die rechtlichen Änderungen beim Gründungszuschuss zum Jahreswechsel 2011/2012 hingewiesen hat.
37Darüber hinaus verbleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum, wenn ein eingetretener Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann (BSG, Urt. v. 29.10.2008 - B 11 AL 52/07 R - juris Rn. 18). Dies ist vorliegend jedoch der Fall, weil eine Amtshandlung nicht die tatsächlich unterbliebene Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt zu ersetzen vermag (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 03.12.2009 - B 11 AL 28/08 R -, juris Rn. 18). Tatsächliche Gegebenheiten, wie die unterbliebene Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oder die fehlende Verfügbarkeit können nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus der Welt geschafft werden (vgl. BSG, Urt. v. 31.01.2006 - B 11a AL 15/05 R -, juris Rn. 19 m.w.N.).
38Schließlich hätten bei einer unterstellten Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bis zum 27.12.2011 auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 SGB III in der bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung nicht vorgelegen. Aus § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 SGB III a.F. geht eindeutig hervor, dass nur derjenige Anspruch auf Gründungszuschuss hat, der Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Dies war bei dem Kläger bis zum 27.12.2011 aus mehreren Gründen nicht der Fall. Zum einen hatte er sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F.). Zum anderen war er wegen seines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht arbeitslos im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F., da er weder beschäftigungslos (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F.) noch verfügbar (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) war.
392. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Neubescheidung zu. Die Beklagte hat vielmehr ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt.
40Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen z.T. nicht einheitlich sind (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 18.03.2008 - B 2 U 1/07 R -, juris Rn. 16; Keller, a.a.O., Rn. 27). Keiner dieser Ermessensfehler liegt hier vor.
41a) Von einem Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall kann keine Rede sein. Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt.
42b) Ebenso wenig liegt eine Ermessensunter- oder überschreitung vor. Die Beklagte hat keine Rechtsfolge gesetzt, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Sie war sich auch dessen bewusst, dass sie den Gründungszuschuss hätte bewilligen können und hat ihr Ermessen folglich auch nicht zu eng ausgelegt.
43c) Der Beklagten kann schließlich auch kein Ermessensfehlgebrauch vorgeworfen werden (siehe zum Ermessensfehlgebrauch zusammenfassend BSG, Urt. v. 09.11.2010 - B 2 U 10/10 R -, juris Rn. 15).
44aa) Indem die Beklagte darauf abgestellt hat, ob der Kläger voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre, hat sie einen legitimen, der Teleologie des § 57 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung entsprechenden Zweck verfolgt und damit ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt. Der Gründungszuschuss dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt (vgl. zur einschlägigen Fassung des § 57 SGB III insoweit auch BT-Drucks 17/6177, S. 86). Insoweit ist aber der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten, so dass der Gründungzuschuss als Ermessensleistung nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (§ 4 Abs. 2 SGB III), d.h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (vgl. Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 21; so auch SG München, Urt. v. 11.06.2013 - S 35 AL 883/12 -, juris Rn. 26; SG Trier, Urt. v. 01.02.2013 - S 1 AL 80/12 -, juris Rn. 24; zum Überbrückungsgeld nach der früheren Rechtslage als "Kann-Leistung" ebenso BSG, Urt. v. 25.10.1990 - 7 RAr 14/90 -, juris Rn. 33). Diesen normativen Vorgaben entspricht es, wenn die Beklagte, wie im Falle des Klägers geschehen, im Rahmen ihres Ermessens entscheidend darauf abstellt, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Arbeitslosengeld-Bezugszeitraums realistisch ist, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können oder ob Hemmnisse bestehen, die den Integrationserfolg behindern können (vgl. insoweit auch die Geschäftsanweisungen der Beklagten zu § 93 SGB III, Ziffer 93.02, abrufbar unter http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A06-Schaffung/A065-Existenzgruender/ Publikation/pdf/GA-Gruendungszuschuss.pdf).
45bb) Die Beklagte ist auch nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Vielmehr ist ihre - als Teil einer Ermessensentscheidung nur eingeschränkt überprüfbare - Prognose, dass der Kläger bei Inanspruchnahme der Vermittlungsbemühungen der Beklagten in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, ohne dass hierfür die Förderung der Selbstständigkeit notwendig gewesen wäre, nicht zu beanstanden. In Anbetracht der durchaus beträchtlichen Anzahl offener Stellen für Diplom-Sozialarbeiter in der Nähe des Wohnortes des Klägers im Tagespendelbereich (nach Aktenlage 13 Stück) und der sehr kurzen Zeitspanne (frühestens am 11.10.2011 bis zum 01.01.2012), in der der Kläger die Vermittlungsbemühungen der Beklagten in Anspruch genommen hat, durfte und musste die Beklagte davon ausgehen, dass für den Kläger gute Vermittlungschancen bestanden. Für die offenen Stellen war der Kläger nach seinem bisherigen beruflichen Werdegang hinreichend qualifiziert und auch nicht "branchenfremd" (vgl. insoweit aber den Sachverhalt in SG Trier, Urt. v. 01.02.2013 - S 1 AL 80/12 -, juris Rn. 25). Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, waren die von der Beklagten ermittelten offenen Stellen dem Kläger auch zumutbar.
46Die vom Kläger vorgelegten Absagen auf eigenen Bewerbungen führen zu keiner anderen Bewertung, da sich der Kläger keineswegs auf alle aktenkundigen Stellen beworben und zudem nicht besonders viele Bewerbungen geschrieben hat. Dass der Kläger, wie er meint, wegen seines Alters schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, ist reine Spekulation und bislang nicht durch mangelnden Bewerbungserfolg dokumentiert. Gerade bei Sozialpädagogen liegt es nahe, dass sich Alter und eine damit verbundene Berufserfahrung durchaus positiv auf die Eingliederungschancen auswirken.
47In jedem Fall kann eine belastbare negative Vermittlungsprognose erst getroffen werden, wenn bereits eine gewisse Zeit lang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben. Dies kann bei dem hier insoweit maximal zu berücksichtigenden Zeitraum von etwa zweieinhalb Monaten vom 11.10.2011 bis zum 01.01.2012, der zudem ganz überwiegend vor Beginn der Arbeitslosigkeit des Klägers lag, nicht angenommen werden. Gerade auch § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F., wonach bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von mindestens 150 Tagen bestehen muss, spricht in Anbetracht der bereits nach zweijährigen Beschäftigung geltenden Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen (vgl. § 127 Abs. 2, 339 Satz 2 SGB III) dafür, dass von einer Erforderlichkeit des Gründungszuschusses erst ausgegangen werden kann, wenn nach Eintritt der Arbeitslosigkeit während eines längeren Zeitraumes keine erfolgreiche Vermittlung stattgefunden hat (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 09.11.1989 - 11 RAr 83/88 -; juris Rn. 23; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.08.2006 - L 6 AL 1161/05 -, juris Rn. 25; Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 81 Rn. 45 a.E., jeweils zur Notwendigkeit einer Weiterbildung).
48cc) Schließlich liegt auch kein Abwägungsfehler vor. Ein für die Bewilligung sprechender Gesichtspunkt, der mindestens ebenso gewichtig wäre wie der für die Ablehnung maßgebliche Gesichtspunkt der ausreichenden Vermittlungschancen des Klägers, ist nicht ersichtlich. In Anbetracht der kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit des Klägers (1 Tag) und der ausreichenden Anzahl verfügbarer offener Arbeitsstellen dürfte das Ermessen der Beklagten sogar im Sinne einer Ablehnung auf Null reduziert gewesen sein.
493. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
504. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2013 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gründungszuschuss vom 31.01.2013 erneut ermessensfehlerfrei unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Bewilligung eines Gründungszuschusses (im folgenden GZ) im Hinblick auf die vom Kläger zum 28.02.2013 aufgenommene hauptberufliche Tätigkeit als selbständiger Kfz-Meister in eigenem Betrieb.
3Der am 02.06.1980 geborene Kläger absolvierte von 1991-2001 seine Ausbildung als Kraftfahrzeugelektriker. Nach seiner Ausbildung wurde er vom Ausbildungsbetrieb übernommen und arbeitete dort bis 2006. Zwischen 2006 und 2012 war er, teilweise unterbrochen durch Zeiten der Arbeitslosigkeit (17.11.2011 arbeitssuchend, 01.01.2012-31.01.2012 arbeitslos mit Arbeitslosengeldbezug), bei insgesamt 7 verschiedenen Firmen als Kfz-Elektriker, technischer Redakteur bzw. Werkstattleiter beschäftigt.
4Am 29.11.2012 meldete sich der Kläger erneut arbeitslos und erhielt Arbeitslosengeld (im folgenden Alg) von der Beklagten. Die Beklagte schloss mit dem Kläger am 13.12.2012 und am 05.02.2013 eine Eingliederungsvereinbarung (im folgenden EGV) mit der Zielsetzung: Arbeitsaufnahme als Werksattleiter / Kfz-Meister / Serviceberater. Der EGV lag die Prognose der Beklagten zugrunde, dass der Kläger als guter, qualifizierter Bewerber bei gutem Arbeitsmarkt zeitnah innerhalb der nächsten 6 Monate integriert werden könne (vgl. Verbis-Vermerk vom 13.12.2012).
5Am 31.01.2013 beantragte der Kläger bei der Beklagten zunächst formlos die Gewährung eines Gründungszuschusses für sein Vorhaben, eine Kfz-Werkstatt zu übernehmen und sich selbständig zu machen. Seinem späteren schriftlichen Antrag fügte er einen Businessplan nebst Lebenslauf, seinen Meisterbrief, die Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 SGB III und eine Kopie der Gewerbeanmeldung bei. Der Kläger setzte parallel zu seinem Gründungsvorhaben seine Bewerbungsbemühungen fort und reichte am 11.02.2013 eine Liste über 16 erfolglose Bewerbungen bei der Beklagten ein.
6Mit Bescheid vom 27.02.2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf GZ ab. Dem Antrag könne nicht entsprochen werden, weil die Förderung der Selbständigkeit nicht notwendig sei, um den Kläger dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Auf dem für den Kläger fachlich und persönlich in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestünden ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Dem Kläger hätten seit Beginn seiner Arbeitslosigkeit bereits 8 Stellenangeboten zugesandt werden können. Am 27.02.2013 seien der Agentur für Arbeit Wesel über 20 Stellen als Werkstattleiter gemeldet gewesen. Stellenangebote in diesem Umfang bestünden bereits seit geraumer Zeit. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass sich dieses Volumen in absehbarer Zeit ändere. In Kombination mit verstärkten Eigenbemühungen des Klägers seien die Erfolgsaussichten zur Erlangung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung als günstig zu bewerten.
7Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2013 als unbegründet zurück. Zwar lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 93 SGB III vor. Es bestünde jedoch kein Rechtsanspruch auf den GZ. Der Gesetzgeber habe die Gewährung des GZ vielmehr in das Ermessen der Bundesagentur für Arbeit gestellt. Im Rahmen der Ermessenausübung müssten nicht nur die Umstände des jeweiligen Einzelfalles sondern auch generelle Rahmenbedingungen wie etwa der Umfang der im Rahmen des Haushaltsplanes der Bundesagentur für Arbeit verfügbaren Haushaltsmittel und die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gemäß § 69 Abs. 2 SGB IV ebenso beachtet werden, wie das Prinzip des Vermittlungsvorrangs (§ 4 Abs. 2 SGB III). Im Bereich Kfz-Mechanikermeister seien der Agentur für Arbeit mehr als 20 freie Stellen gemeldet; 8 Vermittlungsvorschläge hätten dem Kläger schon unterbreitet werden können. Die Arbeitslosigkeit hätte daher auch ohne die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit beendet werden können. Nach dem Willen des Gesetzgebers stelle der GZ die letzte Möglichkeit dar, den jeweiligen Antragsteller in den Arbeitsmarkt zu integrieren, wenn alle anderen Möglichkeiten nicht durchdringen. Das persönliche Interesse des Klägers an einer Förderung müsse nach alledem hinter den Interessen der Versichertengemeinschaft an einer zweckentsprechenden, bedarfsorientierten und sparsamen Mittelverwendung zurückstehen.
8Am 10.05.2013 hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten Klage erhoben. Der ablehnende Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten, weil die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Soweit sie sich auf den Vermittlungsvorrang berufe, gehe die Beklagte von einem fehlerhaft ermittelten Sachverhalt aus. Die dem Kläger unterbreiteten Vermittlungs-Angebote stammten nämlich überwiegend von Zeitarbeitsfirmen und seien zum Teil auch nur auf wenige Monate befristet gewesen. Zeitlich befristete Angebote seien jedoch– anders als der GZ zur Festigung einer selbständigen Tätigkeit – nicht geeignet, den Betroffenen dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Im Übrigen könne die Beklagte den Versagungsgrund "Vermittlungsvorrang" auch gar nicht hinreichend dokumentieren, so wie es die interne Durchführungsanweisung der Bundesagentur für Arbeit aber selbst verlange. In der Verwaltungsakte fänden sich weder Hinweise zu den angeblich 20 freien Stellen noch Hinweise auf die 8 bereits übersandten Vermittlungsvorschläge. Eine Verifizierung der angeblich guten Arbeitsmarktlage sei daher nicht möglich. Es könne auch nicht überprüft werden, ob die angeblich vorhandenen Stellenangebote mit dem Eingliederungsziel der EGV in Einklang stünden bzw. dem Kläger zumutbar waren. Insoweit werde auf das Urteil des SG Mannheim vom 23.08.2012, Az.: S 14 AL 2139/12 verwiesen.
9Der Kläger beantragt zuletzt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 27.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2013 zu verpflichten, über seinen Gründungszuschuss-Antrag vom 31.01.2013 erneut ermessensfehlerfrei unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und ergänzt noch, der Kläger sei 33 Jahre alt, gut ausgebildet und qualifiziert. Es sei daher nicht ersichtlich, aus welchem Grund er nicht in kurzer Zeit eine zumutbare versicherungspflichtige Beschäftigung finden können solle. Soweit in der Person des Klägers oder auf dem in Betracht kommenden Arbeitsmarkt keinerlei Besonderheiten zu finden seien, sei schlicht nicht ersichtlich, welcher Grund einer zeitnahen ungeförderten Arbeitsaufnahme entgegenstehen könnte.
14Insoweit müsse die Beklagte auch nicht mehr nachweisen, als hinreichend vorhandenen Gelegenheiten für den Kläger Arbeitsverträge abschließen zu können. Bezüglich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und die Einzelheiten zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verfahrensakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die zulässige Klage ist begründet.
17Die Entscheidung der Beklagten vom 27.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2013 ist ermessensfehlerhaft und verletzt den Kläger in seinen Rechten auf ermessensfehlerfreie Ermessenausübung.
18Der Kläger hat gemäß § 93, 94 SGB III i.V.m. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I einen Anspruch auf pflichtgemäße Ermessenausübung im Rahmen der Entscheidung über die Gewährung eines GZ zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit.
19Rechtsgrundlage der angegriffenen Entscheidung sind §§ 93, 94 SGB III. Danach können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzsicherung einen GZ erhalten (§ 93 Abs. 1 SGB III).
20Weitere Voraussetzung ist, dass der Antragsteller bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, dessen Dauer bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch mindestens 150 Tage beträgt und nicht allein auf § 147 Absatz 3 SGB III beruht, der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweist und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegt (§ 93 Abs. 2 SGB III). Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Gewährung eines GZ sind bei dem Kläger, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, erfüllt. Der Kläger hat durch die hauptberufliche Aufnahme seiner selbständigen Tätigkeit seine zuvor bestehende Arbeitslosigkeit beendet. Er hatte zu diesem Zeitpunkt noch mehr als 150 Tage Anspruch auf Arbeitslosengeld, der nicht auf § 147 Abs. 3 SGB III. beruhte. Die Tragfähigkeit der Existenzgründung ist nachgewiesen und die entsprechende Sachkenntnis des Klägers dargelegt. Nachdem die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93. Abs. 2 SGB III vorliegen, ergibt sich auf der Rechtsfolgenseite die Ermessensentscheidung der Beklagten. Beim GZ bezieht sich das Ermessen der Verwaltung darauf, ob sie einen GZ bewilligen will (Entschließungsermessen). Der Beklagten wird durch die gesetzliche Regelung des § 93 SGB III allerdings kein freies Ermessen eingeräumt, sondern ein pflichtgemäßes, d. h. rechtlich gebundenes Ermessen (vgl. § 39 SGB I). Missachtet ein Leistungsträger bei seiner Entscheidung die rechtlichen Bindungen, liegt ein Ermessensfehler vor, der der Kontrolle der Sozialgerichte unterliegt.
21Die Ermessensentscheidung der Beklagten unterliegt allerdings nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die Entscheidung der Beklagten ist lediglich in den Grenzen der §§ 39 Abs. 1 SGB I, 54 Abs. 2 Satz 2 SGG überprüfbar. Das Gericht war mithin darauf beschränkt zu kontrollieren, ob
221. die Beklagte ihrer Verpflichtung zur Ermessensbetätigung nachgekommen ist (Ermessensnichtgebrauch) 2. mit ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, d.h. eine nach dem Gesetz nicht zugelassene Rechtsfolge gesetzt hat (Ermessensüberschreitung) oder 3. von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Abwägungsdefizit / Ermessensmissbrauch).
23Nach der gerichtlichen Prüfung hat die Beklagte vorliegend aus mehrfachen Gründen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht.
24Zu Recht haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers angeführt, die Beklagte habe sich ermessenfehlerhaft auf den Vermittlungsvorrang gemäß § 4 Abs. 2 SGB III berufen. Aus dem Vermittlungsvorrang des § 4 Abs. 2 SGB III ist abzuleiten, dass die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor Leistungen der aktiven Arbeitsförderung hat. Insoweit hat die Beklagte stets individuell zu prüfen, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Bezugszeitraums realistisch ist, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können und ob individuelle Hemmnisse bestehen, die den Integrationserfolg behindern. Es hat eine entsprechende Dokumentation der Prüfung des Vermittlungsvorrangs im Beratungsvermerk zu erfolgen (vgl. die Geschäftsanweisungen der Beklagten zum GZ, Pkt. 93.02). Eine Berufung auf den Vermittlungsvorrang verbietet sich, wenn die Beklagte, wie vorliegend, nicht hinreichend dokumentiert, dass tatsächlich eine positive und gute Arbeitsmarktlage auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestand und von welchen Zeiträumen die Beklagte bei ihrer Prognose hinsichtlich der Integration ausgegangen ist. Die von der Beklagten im Rahmen des schriftlichen Klageverfahrens vorgelegte Dokumentation der dem Kläger unterbreiteten Vermittlungsvorschläge enthält lediglich 9 Stellen, die unbefristet ausgeschrieben worden sind. Diese neuen Stellen sind nach Ansicht der Kammer nicht signifikant, um eine gute Arbeitsmarktlage zu dokumentieren.
25Außerdem hat die Beklagte bislang bei ihrer Ermessenerwägung offensichtlich die Berufsbiographie des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt. Insoweit ist auffällig, dass der Kläger im Zeitraum zwischen 2006 und 2012 insgesamt 6 mal seinen Arbeitgeber wechselte und die einzelnen Arbeitsverhältnisse jeweils nur bis maximal zu einem Jahr dauerten. Eine solche Berufsbiographie stellt unter Umständen ein Vermittlungshemmnis dar und kann daher bei einer Prognose über die Vermittlungschancen nicht außer Betracht bleiben.
26Ermessensfehlerhaft ist nach Ansicht der Kammer zudem, dass die Beklagte annimmt, der GZ stelle nach dem Willen des Gesetzgebers die letzte Möglichkeit dar, den jeweiligen Antragsteller in den Arbeitsmarkt zu integrieren, quasi eine ultima ratio, wenn alle anderen Möglichkeiten nicht durchgedrungen sind. Ein solcher Wille des Gesetzgebers ist aber weder aus dem Wortlaut des § 93 SGB III noch aus dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift im Gefüge des 3. Kapitels des SGB III (Aktive Arbeitsförderung) erkennbar. Auch aus den Gesetzesmotiven, wie sie in der Gesetzesbegründung gemäß BT-Drucks 17/6277 S. 86 dokumentiert sind, lässt sich ein solcher Gedanke nicht entnehmen. Es hat lediglich unter dem Aspekt des § 4 Abs. 2 SGB III die individuell auf den jeweiligen Antragsteller bezogene, konkret datenbasierte Prüfung zu erfolgen, ob die Vermittlung in ein dauerhaftes sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bis zum Ablauf eines Restanspruchs auf Arbeitslosengeld von 150 Tagen hinreichend erfolgsversprechend ist. Die Annahme, der GZ sei bezogen auf alle anderen Leistungen und Fördermaßnahmen nach dem SGB III die ultima ratio erscheint aber insbesondere auch vor dem Hintergrund der Zwecksetzung des § 93 SGB III, durch die Förderung von Existenzgründungen aus Arbeitslosigkeit ein wirksames Instrument aktiver Arbeitsmarktpolitik bereitzustellen und die positiven Erfahrungen mit den hohen Integrationserfolgen des Überbrückungsgeldes fortzusetzen (vgl. BT-Drucks 16/1696 S. 30) problematisch, weil sie dazu führen würde, dass lediglich schlecht oder gar nicht qualifizierte Arbeitslose nach erfolgloser Ausschöpfung bzw. negativer Prognose bezüglich aller ansonsten in Betracht kommenden Fördermöglichkeiten wie etwa Weiterbildung, Eingliederungszuschuss für den Arbeitgeber, etc, GZ erhalten könnten. Insoweit müsste dann aber sorgfältig geprüft werden, ob nicht aufgrund der schlechten Qualifikation Zweifel an der Tragfähigkeit der geplanten Selbständigkeit bestehen, sodass selbst in diesen ultima-ratio-Fällen die Gewährung des Gründungszuschusses fraglich wäre. Es entsteht damit die Frage, welche Anwendungsfälle die Bundesagentur für Arbeit für den Gründungszuschuss überhaupt sieht.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
(1) Ein schriftlicher oder elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen. In der Begründung sind die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründung von Ermessensentscheidungen muss auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist.
(2) Einer Begründung bedarf es nicht,
- 1.
soweit die Behörde einem Antrag entspricht oder einer Erklärung folgt und der Verwaltungsakt nicht in Rechte eines anderen eingreift, - 2.
soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist, - 3.
wenn die Behörde gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlässt und die Begründung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, - 4.
wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt, - 5.
wenn eine Allgemeinverfügung öffentlich bekannt gegeben wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 bis 3 ist der Verwaltungsakt schriftlich oder elektronisch zu begründen, wenn der Beteiligte, dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben ist, es innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe verlangt.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.