Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 26. März 2015 - L 6 U 5279/14

bei uns veröffentlicht am26.03.2015

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. November 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die Klägerin ist die Witwe des am 01.03.1944 geborenen und am 29.04.2009 (Mittwoch) verstorbenen W. R. (W. R.), der als Miteigentümer eines S. Werkes in D. bei der Beklagten als Unternehmer freiwillig versichert war (Versicherter).
In einer Gesprächsnotiz der Beklagten vom 30.04.2009 wird die telefonische Mitteilung der Schwester des Versicherten wiedergegeben, wonach W. R. am 27.04.2009 (richtig: 28.04.2009) einen Unfall bei der Arbeit gehabt und am 28.04.2009 (richtig: 29.04.2009) im S. Klinikum V., Klinik für Innere Medizin (im Folgenden: Klinikum V.), verstorben sei.
Der Allgemeinmediziner H., der keinen Kontakt mit dem Versicherten anlässlich des Unfallereignisses gehabt hatte, gab in seinem Schreiben an die Beklagte vom 30.04.2009 an, W. R. sei an den Folgen eines Schädelhirntraumas gestorben, das er sich am Spätnachmittag des 28.04.2009 zugezogen habe, als er aus dem Gabelstapler gestürzt sei. Dagegen wird in der Todesbescheinigung des Klinikums V. vom 29.04.2009 als unmittelbare Todesursache ein Zustand nach Reanimation bei Hinterwandinfarkt mit protrahiertem kardiogenem Schock genannt. Es habe sich um einen natürlichen Tod in Form eines Hinterwandinfarktes gehandelt. Als Krankheit, die zum Tod beigetragen habe, ohne mit der unmittelbaren Todesursache oder dem Grundleiden im Zusammenhang zu stehen, wird der Verdacht auf ein Schädelhirntrauma genannt.
Im Notarztprotokoll vom 30.04.2009 führte die Oberärztin Dr. S., Städtisches Krankenhaus O., aus, W. R. habe bei Eintreffen des Rettungswagens (RTW) um 16.27 Uhr reglos neben dem Gabelstapler gelegen. Die obere Körperhälfte sei livide verfärbt gewesen, es habe sich eine Blutung aus dem Bereich des Hinterkopfes gezeigt, weiterhin sei eine Blutung aus dem linken Nasenloch nachweisbar gewesen, die Pupillen seien weit und lichtstarr gewesen, im EKG habe sich eine Asystolie gezeigt. Nach 10-minütiger cardiopulmonaler Reanimation, zweimaliger Gabe von Adrenalin sowie sechsmaliger Defibrillierung sei ein Eigenrhythmus mit einer Herzfrequenz von 100/Min. und einem Blutdruck von 200 mmHg systolisch nachweisbar gewesen. Nach Intubierung und Beatmung sowie Erzeugen eines ausreichenden Kreislaufes sei bei Verdacht auf Vorliegen eines Schädelhirntraumas ein Rettungshubschrauber organisiert worden. Bei Eintreffen des Hubschraubers sei W. R. wach geworden und bis zur Abklärung des Zielkrankenhauses im RTW gelagert worden. Hier sei er erneut bradycard und reanimationspflichtig mit erneuter Herzdruckmassage geworden. Es habe sich nun erstmals eine ausgeprägte ST-Hebung gezeigt, sodass nun davon ausgegangen worden sei, dass nicht ein Sturz zum Schädelhirntrauma mit anschließendem Kreislaufstillstand geführt habe, sondern dass ein Myokardinfarkt zum Herzstillstand geführt habe und W. R. im Rahmen eines Herzstillstandes vom Gabelstapler gefallen sei und sich im Bereich des Kopfes verletzt habe.
In der Ärztlichen Unfallmeldung vom 30.04.2009 berichtete der ortsansässige Internist Dr. Z., der von K. R., dem Cousin des Versicherten und Miteigentümer des S. Werkes, alarmiert worden war, W. R. am 28.04.2009 mit stark blutender Kopfplatzwunde bewusstlos auf dem Boden liegend ohne Puls aufgefunden zu haben. Die Pupillen seien weit, lichtstarr und diskret getrübt gewesen. Dr. Z. diagnostizierte eine stark blutende Kopfplatzwunde, einen Zustand nach Sturz sowie Bewusstlosigkeit.
Am 03.05.2009 (Samstag) wurde W. R. bestattet (Aktenvermerk vom 04.05.2009). Die Beklagte erkundigte sich bei der Schwester des Versicherten am 07.05.2009 telefonisch, ob die Unfallanzeige bereits erstattet worden sei, da die genaue Todesursache noch geklärt werden müsse. Auf den Hinweis, dass hierfür evtl. auch eine Exhumierung durchgeführt werden müsse, erklärte die Schwester des Versicherten, hiermit nicht einverstanden zu sein, wobei diese Entscheidung allerdings auch von der Klägerin getroffen werden müsse, die aber sowieso nicht ansprechbar und mit der Situation völlig überfordert sei, sodass sie, die Schwester des Versicherten, die Angelegenheiten der Hinterbliebenen regele (Aktenvermerk vom 07.05.2009).
Dres. B./B., Klinikum V-S., teilten auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 08.05.2009 mit, bereits der Notarzt habe aufgrund eines schweren kardiogenen Schocks kaum eine Kreislaufstabilisierung erreichen können. Im EKG hätten sich bei Wiedererreichen einer elektrischen Aktivität ausgeprägte ST-Hebungen inferior als Zeichen eines akuten Hinterwandinfarktes gezeigt. Dieser Befund habe sich echocardiographisch bestätigt, wobei auch eine rechtsventrikuläre Beteiligung habe dokumentiert werden können, welche im Schock per se eine sehr schlechte Prognose bezüglich des Überlebens darstelle. W. R. sei nach Aufnahme auf der Intensivstation erneut reanimationspflichtig geworden. Erst nach Gabe eines ReoPro-Bolus habe nach nochmaliger mindestens einstündiger Reanimation eine Kreislaufstabilisierung auf niedrigstem Niveau erreicht werden können. Trotz sofortiger Notfall-Koronarangiographie habe der kardiogene Schock nicht durchbrochen werden können. Insgesamt sei die Schwere der internistischen Erkrankung durch Infarkt, kardiogenen Schock, verzögerter und protrahierter Reanimation als so schwer einzustufen, dass ein möglicherweise durch den Sturz aus dem Gabelstapler bedingtes Schädelhirntrauma auf das Überleben des Versicherten keinen Einfluss gehabt habe.
Die Beklagte holte beim Polizeirevier O. weitere Auskünfte zum Unfallhergang ein. Danach habe W. R. mit einem Seitenstapler einen firmeneigenen LKW mit palettierter Holzware beladen. Als der LKW fertig beladen gewesen sei, sei W. R. mit dem Seitenstapler über das Betriebsgelände gefahren und mitten auf einer Zufahrt zur Lagerhalle mit laufendem Motor und abgestelltem Stapler bei herausgenommenem Gang stehen geblieben. Keiner wisse, wie lange er dort so gestanden habe. Als der Cousin von W. R., K. R., zu Fuß die Zufahrt zur Lagerhalle gekreuzt habe, habe er W. R. mit blutender Nase neben dem Stapler auf dem Boden liegend gefunden. Ob und wie lange W. R. im Stapler gesessen habe, bevor er herausgefallen sei, und wie lange er auf dem Betriebshof gelegen habe, sei nachträglich nicht mehr ermittelbar (Unfalluntersuchungsbericht vom 14.05.2009).
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Mit Bescheid vom 04.06.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Da der Tod nicht auf die Folgen eines Versicherungsfalles zurückzuführen sei, bestehe kein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen.
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Zur Begründung ihres hiergegen eingelegten Widerspruchs machte die Klägerin geltend, es sei zwar unstreitig, dass W. R. einen Herzinfarkt im Staplerführerhaus erlitten habe, wo er nach dem Herzinfarkt zunächst noch geraume Zeit gesessen habe, bis er aus dem Führerhaus gefallen sei und sich dabei ein Schädelhirntrauma zugezogen habe. W. R. sei aufgrund eines Lungenversagens gestorben, das nicht auf den Herzinfarkt, sondern vielmehr auf die Hirnblutung und den damit einhergehenden Druck im Schädelinneren zurückzuführen sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass ein Schädelhirntrauma nicht bewiesen sei. Entsprechendes gelte hinsichtlich des angegebenen Lungenversagens. Tatsächlich sei W. R. einem Herzinfarkt mit schwerem kardiogenem Schock mit nachfolgender Sauerstoffunterversorgung erlegen.
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Hiergegen hat die Klägerin am 26.10.2009 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben und nochmals auf die Auskünfte des Allgemeinarztes H. Bezug genommen. Danach sei W. R. keineswegs herzinfarktgefährdet, sondern in guter körperlicher Verfassung gewesen. Er habe kurz vor seinem Tod einen Gesundheitscheck durchführen lassen, der keine gesundheitlichen Probleme offenbart habe. Selbst ein Belastungs-EKG vom 27.04.2009 habe keinerlei Hinweise auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko erbracht. Dr. Z. sei bei seiner Diagnose nicht von einem Herzinfarkt, sondern von einem Schädelbasisbruch bzw. einem Schädelhirntrauma ausgegangen. Trotz der im Krankenhaus noch eingeleiteten Notfallmaßnahmen und des Einsetzens eines Stents, sei W. R. aufgrund Lungenversagens gestorben.
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Das SG hat Dr. B. als sachverständigen Zeugen schriftlich vernommen. Dieser hat ausgeführt, es sei ein ausgedehnter Herzinfarkt an der Herzhinterwand sowie der rechten Herzkammer im EKG und im Herzultraschall nach Wiederherstellung eines Minimalkreislaufes diagnostiziert worden. Diese Diagnose sei dann auch im Herzkatheterlabor durch den Nachweis einer subtotalen Verlegung des rechten Kranzgefäßes gesichert worden. Aufgrund des Zustandes des Versicherten sei eine weitere Diagnostik, die eine zusätzliche traumatische Hirnschädigung durch den Sturz vom Stapler hätte bestätigen können, nicht möglich gewesen. Die Konstellation eines großen Hinterwandinfarktes mit rechtsventrikulärer Beteiligung sei häufig von einem schweren kardiogenen Schock begleitet. Ein solcher sei in der heutigen Zeit neben dem Alter des Patienten der wesentliche Vorhersageparameter für die Sterblichkeit an einem Herzinfarkt, der primär überlebt worden sei. Ein zusätzliches Schädelhirntrauma mit oder ohne Einblutung könne die akute Prognose eines reanimierten Patienten im kardiogenen Schock sicher weiter verschlechtern, z. B. wenn es dadurch zu einer Einklemmung des Hirnstammes gekommen sei. Eine diesbezügliche Bildgebung des Gehirns sei nicht mehr möglich gewesen. Während des stationären Aufenthaltes von weniger als 11 Stunden hätten sie mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln erfolglos gegen den kardiogenen Schock des Versicherten angekämpft, der immer wieder zu elektromechanischen Entkopplungen bzw. Herzrhythmusstörungen geführt habe. Es sei möglich, dass W. R. durch den Sturz eine bedeutsame Schädelverletzung erlitten habe. Er nehme jedoch nicht an, dass dieses potentielle Schädelhirntrauma irgendeinen zusätzlichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf gehabt habe, weil ja schon der kardiogene Schock nicht beherrschbar gewesen sei. Zwar könne die retrospektive Bewertung des initialen Geschehens nur deduktiv sein und bestehe damit eine Irrtumswahrscheinlichkeit. Er werte das initiale Krankheitsereignis aber am wahrscheinlichsten als plötzlichen Herztod in der Folge eines großen Hinterwandinfarktes. Beim Sterben des Versicherten im Krankenhaus habe die internistische Erkrankung im Vordergrund gestanden.
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Außerdem hat das SG Dr. S., Dr. Z. und den Allgemeinmediziner H. als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen.
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Dr. S. hat unter Bezugnahme auf ihr Notarztprotokoll vom 30.04.2009 ausgeführt, dass von ihr nicht mit Sicherheit zu entscheiden sei, ob der sicher vorhandene Myokardinfarkt die Ursache für den Kreislaufstillstand und den nachfolgenden Sturz aus dem Gabelstapler mit dann entstandenem Schädelhirntrauma gewesen sei oder ob W. R. zunächst aus dem Gabelstapler gestürzt sei und es im weiteren Verlauf bei Zustand nach Schädelhirntrauma zur Ausbildung eines Myokardinfarktes gekommen sei. Die in ihrem Notarztprotokoll im Fettdruck formulierte Arbeitsdiagnose, die nicht bewiesen werden könne, beruhe auf der Erfahrung, dass eine Reanimation im Rahmen eines schweren Schädelhirntraumas selten primär erfolgreich sei. Die Myokardinfarktzeichen im EKG seien erstmals im RTW diagnostiziert worden.
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Dr. Z. hat im Wesentlichen die Angaben in seiner Ärztlichen Unfallmeldung bestätigt.
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Der Allgemeinmediziner H. hat den Karteikartenauszug mit den Behandlungsdaten des Versicherten vorgelegt und angegeben, es habe bei W. R. keine besondere Herzinfarktgefährdung bestanden. Während des zwei Tage vor dem Tod durchgeführten Belastungs-EKG hätten sich zwar einzelne monotope ventrikuläre Extrasystolen, aber keine signifikanten ST-Senkungen gezeigt, wie sie beim Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit zu erwarten gewesen wären. Er habe am 30.04.2009 kurz nach 16.00 Uhr vergeblich versucht, die Beklagte von dem Tod des Versicherten in Kenntnis zu setzen, damit sie ggf. noch rechtzeitig vor der Beerdigung eine Obduktion hätte veranlassen können.
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Sodann hat das SG von Amts wegen Prof. Dr. G./Dr. H. mit der Erstattung des internistisch-kardiologischen Fachgutachtens vom 27.02.2012 beauftragt, die zu dem Ergebnis gelangt sind, dass eine Plausibilitätsabwägung des Unfallherganges deutlich für den Herzinfarkt mit akuter Plaqueruptur und Kreislaufinsuffizienz als Ursache für den Sturz des W. R. vom Stapler spreche. Theoretisch sei eine durch den physiologischen Stress des Sturzes induzierte Plaqueruptur denkbar, aber unwahrscheinlich. Ebenso unwahrscheinlich sei ein durch den Sturz ausgelöster Hinterwandinfarkt. Das Ausmaß des durch den Sturz entstandenen Schädelhirntraumas sei bei fehlender Diagnostik nicht sicher einzuschätzen. Bei kardiogenem Schock auf dem Boden eines Hinterwandinfarktes mit mehrstündiger Reanimation sei die zusätzliche Beeinträchtigung durch ein Schädelhirntrauma nicht im Vordergrund zu sehen. Die anzunehmende Pathogenese des akuten Myokardinfarktes mit Plaqueruptur sei mit einer wenige Tage im Vorfeld durchgeführten Fahrradergometrie nicht vorherzusehen, der Patient könne sich durchaus gut belastbar und beschwerdefrei präsentiert haben. Mit der Einschätzung von Dr. B. bestehe durchgehende Übereinstimmung. Das initiale Ereignis sei am wahrscheinlichsten als Folge eines Hinterwandinfarktes mit plötzlichem Herztod zu werten. Die internistische Problematik sei im Vordergrund zu sehen, die bereits für sich allein genommen eine sehr hohe Sterblichkeit habe und auch unter adäquaten intensivtherapeutischen Maßnahmen nicht habe durchbrochen werden können.
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Aufgrund der Einwendungen der Klägerin gegen das Gutachten hat das SG Prof. Dr. G./Dr. H. um ergänzende Stellungnahme gebeten, die diese jedoch trotz vielfacher Mahnungen und Erinnerungen im erstinstanzlichen Verfahren nicht abgegeben haben.
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Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das SG schließlich nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Dr. S., Chefarzt der Abteilung für Neurochirurgie, O. Klinik R., das neurochirurgische Gutachten vom 18.12.2013 eingeholt. Dieser hat als Todesursache einen protrahierten kardiogenen Schock bei akutem Hinterwandinfarkt festgestellt. Der Hinterwandinfarkt sei die einzige sichere Diagnose. Die Annahme eines Schädelhirntraumas beruhe allein auf den Begleitumständen des Vorfindens des Patienten am Unfallort mit blutender Kopfplatzwunde und Nasenbluten mit gleichzeitiger Bewusstlosigkeit und lichtstarren Pupillen. Es sei jedoch weder ein Sturz beobachtet noch eine entsprechende Diagnostik durchgeführt worden. Selbst wenn unterstellt würde, dass ein schwerstes Schädelhirntrauma vorgelegen hätte, so sei dennoch die kardiale Situation derart desolat gewesen, dass jegliche Therapie des Schädelhirntraumas unmöglich gewesen sei. Die Annahme eines Schädelhirntraumas sei jedoch spekulativ und durch keinerlei Diagnostik untermauert. Die Tatsache von Blutaustritt aus Schädelöffnungen lasse nicht zwanglos die Diagnose eines schweren Schädelhirntraumas zu, sondern sei ein Aspekt, der die Abklärung eines solchen erforderlich mache, wenn nicht - wie hier - unmittelbar lebensbedrohliche Umstände vorgelegen hätten, die einer vorrangigen Behandlung bedurft hätten. Das Ausmaß eines Schädelhirntraumas korreliere auch nicht zwangsläufig mit der Höhe des Sturzes. Abhängig von Aufprallmuster, Untergrund und Lokalisation der Gewalteinwirkung am Kopf könne durchaus auch ein Sturz aus dem Sessel zu einem schweren Schädelhirntrauma führen. Angesichts des Verlaufes vom Auffinden des Versicherten bis zum Eintreffen im Krankenhaus, wo wiederum weite, entrundete Pupillen festgestellt worden seien, die im Weiteren zwar mittelweit geworden, aber lichtstarr geblieben seien, sei es bei weiterhin kreislaufinstabilen Verhältnissen sehr viel wahrscheinlicher, dass eine hypoxische Schädigung des Gehirns eingetreten sei, die letztendlich auch zum Lungenversagen geführt habe. Letztendlich sei somit die einzig sichere Diagnose der Herzinfarkt, begleitet von einem protrahierten kardiogenen Schock, eine Konstellation, die nach plausibler Aussage der Kardiologen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führe. Selbst im Falle eines - nicht zu beweisenden - schweren Schädelhirntraumas wäre diesem keine therapeutische Konsequenz zugekommen.
22 
Zu den von Seiten der Klägerin und des SG aufgeworfenen Fragen hat sich der Sachverständige Dr. S. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 17.05.2014 geäußert. Die Annahme eines schweren Schädelhirntraumas, wie es von der Klägerin spekulativ postuliert werde, sei durch nichts zu belegen. Dass keinerlei Abklärung in dieser Richtung erfolgt sei, sei nicht den behandelnden Ärzten anzulasten, für die sich in der aktuellen Situation und aufgrund der erhobenen Befunde mit gesichertem Herzinfarkt auch nicht die Frage nach weiteren lebensbedrohlichen Erkrankungen gestellt habe. Nur ex post werde eine andere Todesursache als der Herzinfarkt mit protrahiertem Schock diskutiert. Unzweifelhaft hätten äußerliche Zeichen eines Schädelhirntraumas vorgelegen, die Umstände am „Unfallort“ hätten zunächst und korrekterweise zur Feststellung eines Schädelhirntraumas ohne Bewertung des Schweregrades geführt. Die im Weiteren gewonnenen Ergebnisse hätten rasch zur Diagnose eines Herzinfarktes geführt, durch den der lebensbedrohliche Zustand des Versicherten hinreichend zu erklären gewesen sei. Die Frage, ob zunächst ein Sturz aus dem Stapler erfolgt sei und W. R. anschließend einen Herzinfarkt erlitten habe oder er sich infolge eines Herzinfarktes die Kopfverletzungen zugezogen habe, könne letztendlich nicht geklärt werden. Entgegen der Ansicht der Klägerin sei ex post nicht zu beweisen, dass bei W. R. ein schweres Schädelhirntrauma vorgelegen habe. Umgekehrt sei ein solches aber auch nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, wenngleich mit hoher Wahrscheinlichkeit der Herzinfarkt als erstes Ereignis vorgelegen habe. Die beschriebenen Symptome seien nicht zwangsläufig einem schweren oder sehr schweren Schädelhirntrauma zuzuordnen, sondern hätten vielmehr mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bereits bei einem leichten Schädelhirntrauma vorgelegen, zumal sie keinen Aufschluss über eine entsprechende Hirnschädigung erlaubten.
23 
Die Klägerin hat nochmals darauf hingewiesen, dass die ungeklärte zeitliche Abfolge des Unfallereignisses ebenso wenig wie die fehlende Abklärung zum Schweregrad des Schädelhirntraumas zu ihren Lasten gehen könne. Tatsache sei, dass W. R. sowohl einen Herzinfarkt als auch ein Schädelhirntrauma erlitten habe und Letzteres als Arbeitsunfall zu qualifizieren sei. An einer der beiden Ursachen sei W. R. verstorben. Welches Leiden letztlich zum Tode geführt habe, hätte sich nur durch eine Obduktion klären lassen, deren Veranlassung die Beklagte vermutlich aufgrund des Feiertages und interner Verfahrensdefizite versäumt habe.
24 
Mit Urteil vom 05.11.2014 hat das SG die Klage abgewiesen, da der Tod von W. R. nicht durch betriebliche Gründe wesentlich verursacht worden sei. Zum Sturz sei es mit Wahrscheinlichkeit aus körpereigener innerer Ursache gekommen, betriebliche Umstände seien als nachrangig zu beurteilen. Hierbei hat sich das SG auf die Gutachten von Prof. Dr. G. und von Dr. S. sowie auf die schriftliche Zeugenaussage von Dr. B. gestützt. Auch von einer Gefahrerhöhung durch betriebliche Umstände sei nicht auszugehen, da nicht eine Verletzung durch ein Fallen oder einen Sturz, sondern der aus innerer Ursache eingetretene Herzinfarkt im Vordergrund stehe. Umstände, die zu einer Beweiserleichterung führen könnten, lägen nicht vor. Auch in den Fällen eines Beweisnotstandes trete keine Umkehr der Beweislast ein und es bestehe keine Handhabe dafür, den Beweismaßstab zu verringern, insbesondere bereits die Wahrscheinlichkeit oder sogar die bloße Möglichkeit genügen zu lassen, damit die Tatsache als festgestellt angesehen werden könne. Die überwiegenden Umstände sprächen für das Eintreten des Todes nach dem schweren Herzinfarkt, die Verursachung des Todes infolge des Sturzes aus dem Gabelstapler stelle hingegen eine bloße Möglichkeit dar.
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Gegen das dem Klägervertreter am 24.11.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.12.2014 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie nochmals dargelegt, weshalb die eingeholten Gutachten nicht schlüssig seien. Das SG habe „mögliche“ Komplikationen durch die Lysetherapie und Gerinnungshemmungen kurz abgehandelt, ohne ihnen inhaltlich mit der erforderlichen Tiefe nachzugehen. Letztlich stütze sich das Gericht nur auf das, was an Diagnosen vorhanden sei, und begnüge sich damit, den nicht wissenschaftlich fundierten, geschweige denn belegten Erfahrungssätzen der Sachverständigen zu folgen. Die Fehler der Beklagten und die Versäumnisse des Klinikums V.-S. seien offensichtlich bei der Prüfung einer Beweislastumkehr oder wenigstens -erleichterung unberücksichtigt geblieben. Schließlich werde ein Verstoß gegen den gesetzlichen Richter gerügt, da anstelle des zur Verhandlung geladenen ehrenamtlichen Richters S. der ehrenamtliche Richter R. an der Verhandlung und Urteilsfindung teilgenommen habe.
26 
Die Klägerin beantragt,
27 
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. November 2014 sowie den Bescheid vom 4. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.
28 
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
30 
Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.
31 
Auf Nachfrage des Senats hat das SG mitgeteilt, der Wechsel des ehrenamtlichen Richters habe sich infolge von Absagen der geladenen ehrenamtlichen Richter und der hiernach erforderlichen Nachladung ergeben.
32 
Der Senat hat bei Prof. Dr. G. aufgrund der bis dahin nicht beantworteten Schreiben des SG die ergänzende Stellungnahme vom 27.02.2015 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass das vorgelegte internistisch-kardiologische Gutachten die Ursache, die zur Reanimation geführt habe, den Verlauf der Reanimation sowie die weitere kardiologische Versorgung beurteilt habe. Ohne jeden Zweifel falle eine Begutachtung dieses Ereignisses in den Zuständigkeitsbereich eines internistisch-kardiologischen Fachgutachters. Die Frage, ob die Angabe in der Todesbescheinigung, es habe sich um einen natürlichen Tod gehandelt, falsch gewesen sei, könne auch ohne Vorliegen eines Obduktionsberichtes in der Zusammenschau des internistisch-kardiologischen und des neurochirurgischen Gutachtens dahingehend beantwortet werden, dass es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um einen natürlichen Tod gehandelt habe. Eine Obduktion hätte den Befund des Myokardinfarkts als Ursache des Kreislaufversagens und des nachfolgenden Todeseintritts im Organversagen bestätigt. Ein zerebraler Schaden hätte zwar durch eine Obduktion noch eingehender beurteilt werden können, die Kausalkette hätte die Obduktion jedoch nicht klären können. Selbst wenn eine Hirnblutung festgestellt worden wäre, hätte diese nicht durch eine Obduktion in ihrem zeitlichen Hergang geklärt werden können. Das Schädelhirntrauma am Ereignisort könne den schicksalhaften Verlauf begünstigt haben, Dr. S. habe es als Todesursache jedoch für gering wahrscheinlich gehalten. Nach Aktenlage sei bei W. R. von einer niedrig bis moderat einzustufenden 10-Jahres-Myokardinfarktwahrscheinlichkeit auszugehen. Es entspreche aber der klinischen Realität, dass Betroffene selbst bei einer unauffälligen kardiovaskulären Durchuntersuchung in der Folge kurz danach einen Herzinfarkt erleiden könnten. Ein großer Teil an Myokardinfarkten und des plötzlichen Herztodes trete gerade in der Gruppe der Personen mit niedrigem bis moderatem Infarktrisiko auf. Das Risiko steige mit den zunehmenden Lebensjahren und könne vage durch Scores ermittelt werden. Im Rahmen eines plötzlichen Herzinfarktes könne ein Herzstillstand mit Minderung der Hirndurchblutung auftreten. Der plötzliche Herztod im Rahmen eines Herzinfarktes zähle zu den häufigsten Todesursachen in Deutschland. Schon innerhalb weniger Minuten eines Herz-Kreislaufstillstandes komme es im Rahmen eines globalen Perfusionsausfalls zur maßgeblichen Hirnschädigung, nach nur 5 bis 10 Minuten sei in der Regel von einem irreversiblen Hirnschaden auszugehen, auch wenn Reanimationsmaßnahmen danach erfolgreich seien. Die Versorgung eines Herzinfarktes mit Ballondilatation und Stenting könne bei einer erheblichen Zahl von Patienten, die im kardiogenen Schock eingeliefert würden, aufgrund der erheblichen Zeitverzögerung den schicksalhaften Verlauf oft nicht mehr aufhalten. Der kardiogene Schock sei mit einer höchsten (bis zu 50 - 80 %) Todesfolge assoziiert. Das im kardiogenen Schock in der Regel immer vorhandene Lungenversagen sei eine Begleiterscheinung, die mit und ohne Schädeltrauma auftreten könne. Das Lungenversagen beeinflusse das Krankheitsgeschehen, sei jedoch nicht als ursächlich für eine mangelnde Hirnversorgung mit Anstieg des Hirndrucks anzusehen. Die Todeswahrscheinlichkeit im Rahmen eines Herzinfarktes und nachfolgenden Herz-Kreislaufversagens sei abhängig vom zeitlichen Abstand zwischen Herzversagen und Beginn einer wirksamen Wiederbelebung. Dieses Zeitfenster sei extrem kurz (Minuten) und unabhängig von der Umgebung. Es sei auszuschließen, dass W. R. in anderer Umgebung mit ähnlichem zeitlichen Ablauf der Rettungskette überlebt hätte. Hätte der Herzstillstand zu Hause „im Sessel“ stattgefunden mit ähnlichem Zeitverlauf, wäre mit höchster Wahrscheinlichkeit der weitere schicksalhafte Verlauf identisch eingetreten.
33 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte und das SG haben zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen abgelehnt.
35 
Dabei ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig (BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46), obwohl die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid keine Regelung hinsichtlich des Bestehens eines Arbeitsunfalles getroffen, sondern unmittelbar die Gewährung von Leistungen abgelehnt hat. Anders als ein Versicherter, der im Falle eines Arbeitsunfalls zunächst dessen Feststellung bzw. darauf aufbauend die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Folge dieses Arbeitsunfalls und erst im Anschluss Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder Verletztenrente beantragen kann (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert nach juris), ist es einem Hinterbliebenen nicht möglich, die Grundlagen der in Frage kommenden Hinterbliebenenleistungen vorab im Wege einer Feststellungsklage klären zu lassen. Denn die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Unfallversicherungsträgers, ein Versicherungsfall habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Hieraus folgt, dass der Unfallversicherungsträger nicht befugt ist, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hat und es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und dem folgend Urteile des Senats vom 24.11.2011 - L 6 U 5773/09 - und 29.09.2011 - L 6 U 5889/06; jeweils zitiert nach juris). Nicht streitbefangen sind Ansprüche der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten, hierüber hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid auch nicht entschieden.
36 
Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen in Form von Witwenbeihilfe nach §§ 63 Abs. 1 Nr. 4, 71 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) besteht nicht, da W. R. nicht, wie nach § 71 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII vorausgesetzt, zum Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert oder mehr oder auf mehrere Renten hatte, deren Vomhundertsätze zusammen mindestens die Zahl 50 erreichen.
37 
Nach § 63 Abs. 1 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf die in Satz 1 Nr. 1 bis 3 der Vorschrift aufgezählten Leistungen (Sterbegeld, Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung, Hinterbliebenenrente), wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder [Wie-]Berufskrankheit, § 7 Abs. 1 SGB VII) eingetreten ist.
38 
W. R. ist indes nicht durch einen hier allein in Betracht kommenden Arbeitsunfall i. S. des § 8 Abs. 1 SGB VII zu Tode gekommen.
39 
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteile vom 13.11.2012, a. a. O., vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 21 und vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44).
40 
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Tod des W. R. ist entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht "infolge" der Verrichtung der versicherten Tätigkeit eingetreten und ihr damit nicht zuzurechnen.
41 
Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod sowohl objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R -, a. a. O.).
42 
Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen.
43 
Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Nach der im Strafrecht maßgeblichen rechtlichen Zurechnungslehre der "Äquivalenztheorie" gelten alle solchen notwendigen Bedingungen stets als gleichwertig (äquivalent) und deshalb schon rechtlich als Ursachen. Die auf dieser Grundlage sehr weit gehende Zurechnung der Rechtsgutsverletzung zum Täter wird nachgehend etwa durch die Institute der objektiven Zurechnung, des Schutzzwecks der Norm etc. eingeschränkt. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die i. S. der "conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges (stets neben anderen Bedingungen) war, darüber hinaus in einer besonderen tatsächlichen (und rechtlichen) Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine (bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare) zufällige Randbedingung gewesen sein.
44 
Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung (und dadurch für den Gesundheitserstschaden oder - hier - den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen (gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten) beantwortet werden (dazu näher BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, a. a. O.).
45 
Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Wirkung (hier: die Einwirkung) rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass die versicherte Verrichtung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Einwirkung auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl. BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R -, a. a. O.). Die gesetzliche Unfallversicherung begründet eine (versicherungsrechtliche) Einstandspflicht eines Unfallversicherungsträgers für einen tatbestandlichen Schaden, den ein anderes Rechtssubjekt, der Verletzte, unter eigener Mitwirkung erlitten hat. Diese Einstandspflicht setzt voraus, dass die Rechtsgutsverletzung in persönlicher und sachlicher Hinsicht in den jeweiligen Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Der persönliche Schutzbereich ist eröffnet, wenn, solange und soweit der Verletzte vor dem Unfall durch eine eigene Verrichtung den Tatbestand einer aufgrund der §§ 2, 3, 6 oder 8 Abs. 2 SGB VII versicherten Tätigkeit erfüllt und dadurch seinen Versicherungsschutz bei dem für diesen Tatbestand zuständigen Unfallversicherungsträger "begründet" i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Der sachliche Schutzbereich greift ein, wenn sich mit dem durch die versicherte Verrichtung mitverursachten tatbestandlichen Schaden eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Für Schäden, die außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegen, muss der jeweils zuständige Unfallversicherungsträger nicht einstehen. In der Sache läuft diese Voraussetzung der Einstandspflicht darauf hinaus, dass entschieden werden muss, ob der begründete Versicherungsschutz den Sinn und Zweck hat, gegen Schäden der konkret eingetretenen Art zu schützen. Deshalb wirkt der Schutzzweck der Norm in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht haftungslimitierend (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2012 - VI ZR 127/11 - zitiert nach juris zu § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), sondern pflichtbegründend.
46 
Die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers wird nur begründet, wenn der durch die versicherte Verrichtung objektiv mitverursachte Unfall (hier: die Einwirkung auf den Versicherten) eine Gefahr mitverwirklicht hat, gegen die die begründete Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung. Denn nur wenn der Schutzzweck der Norm den durch die versicherte Handlung mitbewirkten Schaden überhaupt umgreift, kommt es rechtlich darauf an, ob neben der versicherten Wirkursache auch andere unversicherte Mitursachen bestehen. Diese können die Einstandspflicht nie begründen, aber gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte Wirkursache verdrängen, so dass der Schaden "im Wesentlichen" rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt. Bei dieser Subsumtion sind die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, a. a. O.). Unter Berücksichtigung der Auffassung des praktischen Lebens ist abzuwägen, ob der Schaden den versicherten oder den unversicherten Wirkursachen zuzurechnen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 m. w. N.).
47 
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" im Vollbeweis festgestellt sein müssen. Erst dann, wenn die "Verrichtung", die "Einwirkung" und der "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf. mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war (BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R , a. a. O.)
48 
Nach diesen Maßstäben scheitert der Anspruch der Klägerin bereits auf der ersten Stufe. Denn es ist nicht mindestens wahrscheinlich, dass die zum Tode führende Einwirkung auf den Körper des Versicherten durch dessen zuvor verrichtete versicherte Tätigkeit verursacht worden ist. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass der Tod nicht durch eine von außen kommende Einwirkung verursacht worden und die versicherte Tätigkeit daher keine Wirkursache für den eingetretenen Erfolg gewesen ist.
49 
Fest steht zur Überzeugung des Senats, dass W. R. am 28.04.2009 eine versicherte Tätigkeit ausübte, als sich die für den am 29.04.2009 eingetretenen Tod maßgeblichen Umstände ereigneten. Dies ergibt sich aus den Einlassungen der Klägerin sowie den Ermittlungen der Beklagten. Danach hatte W. R. mit dem Gabelstapler einen firmeneigenen LKW mit Holzware bereits fertig beladen und war mit dem Stapler auf dem Weg zur Lagerhalle. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Weg betriebsfremden Zwecken gedient haben könnte, bestehen nicht. Das weitere Geschehen ist nicht rekonstruierbar, weder sind Zeugen hierfür vorhanden noch lässt sich anhand technischer Ermittlungen aufklären, weshalb W. R. neben dem Stapler mit einer Kopfplatzwunde und blutender Nase bewusstlos und ohne Puls gelegen hat. Dies wirkt sich allerdings nicht zu Lasten der Klägerin aus, da bei der gegebenen Sachlage die Beklagte die objektive Beweislast dafür tragen würde, dass der Versicherte die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 9). Da sich hierfür vorliegend keinerlei Anhaltspunkte ergeben, hat die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung auch nicht auf diesen Einwand gestützt.
50 
Mit Wahrscheinlichkeit ist der Tod durch einen kardiogenen Schock nach vorangegangenem Hinterwandinfarkt verursacht worden. Nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann hingegen, dass dieser Hinterwandinfarkt mit protrahiertem kardiogenem Schock durch die Kopfverletzung des Versicherten verursacht worden ist, sodass die versicherte Verrichtung keine Wirkursache für den Tod von W. R. gewesen.
51 
Dass der Herzinfarkt erst infolge der Kopfverletzung des Versicherten eingetreten ist, ist bereits unabhängig von medizinischen Erwägungen unwahrscheinlich. Denn es sind keinerlei Gründe dafür ersichtlich, weshalb W. R. ohne vorangegangenen Herzinfarkt aus dem Stapler hätte fallen sollen. Auch die Klägerin, die nur auf der Grundlage eines solchen hypothetischen Unfallgeschehens die versicherte Verrichtung als rechtlich wesentliche Wirkursache annehmen kann, hat zu keinem Zeitpunkt näher erläutert oder auch nur behauptet, dass und weshalb W. R. ohne jede vorherige gesundheitliche Beeinträchtigung vom Stapler gestürzt sein soll. Weder aus der Unfallanzeige der Klägerin noch aus dem Unfalluntersuchungsbericht der Beklagten ergibt sich, dass der Stapler einen Defekt aufwies oder sonstige Unregelmäßigkeiten einen Sturz hätten provozieren können, wobei unterstellt werden kann, dass der zum Todeszeitpunkt 65 Jahre alte W. R., der ausweislich der Angaben in der Unfallanzeige bereits seit Januar 2007 als Unternehmer des S.- und H. Werks tätig war, über einige Erfahrung im Umgang mit und Fahrverhalten von Staplern hatte. Vielmehr hatte W. R. mit dem Stapler bereits einen LKW mit Paletten beladen, hatte also die eigentliche Arbeit, die u. U. auch mit der Gefahr von Stürzen aus dem Stapler verbunden sein könnte, bereits abgeschlossen. Dass W. R. ohne ersichtlichen Grund aus dem Stapler hätte fallen können, hält der Senat für unwahrscheinlich. Da der Stapler mitten auf einer Zufahrt zur Lagerhalle mit laufendem Motor stehen geblieben ist, kann auch nicht unterstellt werden, W. R. hätte den Stapler bereits an den dafür vorgesehenen Abstellort zurückgebracht und sei beim Absteigen vom Stapler gestolpert.
52 
Im Wesentlichen sprechen jedoch medizinische Gesichtspunkte gegen die Wahrscheinlichkeit, dass die Kopfverletzung einen Herzinfarkt des Versicherten ausgelöst hat. Der Senat stützt sich dabei auf das bei Prof. Dr. G./Dr. H. eingeholte internistisch-kardiologische Gutachten, das bei Dr. S. eingeholte neurochirurgische Gutachten, die schriftlichen Zeugenaussagen von Dr. S. und Dr. B. sowie die Todesbescheinigung des Klinikums V.-S.. Dabei wird nicht übersehen, dass die hier als Zeugen und Sachverständige gehörten Ärzte eine solche Möglichkeit nicht ausschließen konnten, was in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck gebracht worden ist (Dr. B.: „Irrtumswahrscheinlichkeit“, Dr. S.: „nicht mit Sicherheit zu entscheiden“, Prof. Dr. G./Dr. H.: „theoretisch…denkbar“). Wie oben bereits ausgeführt, gilt hinsichtlich des Beweismaßstabes für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung jedoch, dass für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zumindest der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss und die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit ausreichend ist (st. Rspr. vgl. z. B. BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 43). Keiner der hier als Zeuge oder Sachverständiger gehörten Mediziner hat vorliegend die Kopfverletzung des Klägers als Todesursache für wahrscheinlich gehalten. Soweit der Allgemeinmediziner H. in seinem Faxschreiben an die Beklagte vom 30.04.2009 trotz anderslautender Todesursache in der Todesbescheinigung vom 29.04.2009 noch behauptet hat, W. R. sei an den Folgen eines Schädelhirntraumas verstorben, hat er dies in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 14.12.2010 nicht wiederholt. Eine Diagnose aufgrund eigener Untersuchung konnte der Allgemeinmediziner H. ohnehin nicht stellen, da er den Versicherten weder am 28. noch am 29.04.2009 gesehen hat.
53 
Dr. S. hat in seinem Gutachten mit ergänzender Stellungnahme für den Senat schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass nur ein schweres Schädelhirntrauma unmittelbar zum Tod führen kann, ein solches jedoch zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden und unter Würdigung des Verlaufes auch unwahrscheinlich ist. Hiermit korrespondiert, dass der erstbehandelnde Arzt Dr. Z. zwar eine stark blutende Kopfplatzwunde, aber kein Schädelhirntrauma diagnostiziert und die Notärztin Dr. S. ebenso wie das Klinikum V.-S. im Arztbrief an die Gemeinschaftspraxis H./M. vom 29.04.2009 lediglich den Verdacht auf ein Schädelhirntrauma geäußert haben. Zu Recht hat Dr. S. deshalb darauf hingewiesen, dass die Annahme einer Schädelbasisfraktur und eines schweren Schädelhirntraumas spekulativ und durch keinerlei Diagnostik untermauert ist. Auch die weiteren Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. zur fehlenden Relevanz der Kopfverletzung für den Eintritt des Todes hält der Senat für schlüssig und gut nachvollziehbar. Danach führt zwar eine - hier unzweifelhaft festgestellte Kopfplatzwunde - aufgrund der starken Gefäßversorgung der Kopfhaut zu einem raschen Austritt von Blut; Auswirkungen auf den Kreislauf ergeben sich in der Regel hieraus aber nur bei Säuglingen und Kleinkindern. Die ebenfalls nachgewiesene Blutung aus einem Nasenloch kann zwar grundsätzlich für eine Verletzung der Schädelbasis sprechen, weit überwiegend ist sie jedoch Folge eines lokalen Traumas im Bereich der Nase. Das festgestellte Monokelhämatom rechts („blaues Auge“), kommt zwar grundsätzlich als Symptom einer Schädelbasisfraktur in Betracht. Hiergegen spricht vorliegend jedoch, dass dieses Hämatom am Auge mit großer Wahrscheinlichkeit als durch die Lysetherapie (therapeutische Auflösung von im Körper befindlichen Abflusshindernissen, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 262. Auflage, 2011) bedingte Einblutung in lokal traumatisiertes Gewebe zu deuten ist. Denn es ist erst bei Aufnahme im Klinikum V.-S. beschrieben und weder von Dr. Z. noch von Dr. S. erwähnt worden und somit vermutlich erst nach Durchführung der Lysetherapie entstanden. Zudem entstehen Monokelhämatome bereits durch minimale Bagatelltraumen und sind daher kein sicheres Zeichen eines schweren Schädelhirntraumas. Selbst wenn aber von einer Schädelbasisfraktur auszugehen wäre, wäre dies nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einer morphologisch fassbaren Verletzung des Gehirns. Hiergegen spricht, dass nach der Schilderung der Notärztin Dr. Sch. W. R. nach erster erfolgreicher Reanimation „wach“ geworden ist und eine Pupillenreaktion gezeigt hat. Diese Beobachtung erklärt die Bewusstlosigkeit und die weiten, lichtstarren Pupillen als Folge einer zerebralen Minderperfusion durch das Herz-Kreislaufversagen. Dagegen ist bei primärer schwerster traumatischer Schädigung des Gehirns ein Erwachen des Patienten unwahrscheinlich. Diese Einschätzung ist von Dr. S. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft bestätigt worden.
54 
Während somit einerseits die Kopfverletzung nicht als wahrscheinliche Ursache für den Tod des Versicherten festgestellt werden kann, hat andererseits aus medizinischer Sicht der Herzinfarkt mit Wahrscheinlichkeit den Tod verursacht.
55 
Dass W. R. am 28.04.2009 einen Herzinfarkt erlitten hat, hält der Senat aufgrund der aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen für erwiesen und wird von der Klägerin auch nicht bestritten. Den Bekundungen des Allgemeinmediziners H., wonach das Herzinfarktrisiko bei W. R. gering gewesen sei, kommt daher aufgrund des tatsächlich erlittenen Myokardinfarktes keine Relevanz zu. Dr. S. ist aufgrund der ausgeprägten ST-Hebung, die sich im bradycarden Herzrhythmus gezeigt hat, noch im RTW von einem Myokardinfarkt ausgegangen. In gemeinsamer Entscheidung mit dem Arzt des Rettungshubschraubers wurde die Indikation für eine Lysetherapie gestellt, da ansonsten bezüglich des vorliegenden Myokardinfarktes keine Chance auf Stabilisierung gesehen wurde. Dr. B. hat in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 19.05.2010 ausgeführt, dass ein ausgedehnter Herzinfarkt an der Herzhinterwand sowie der rechten Herzkammer im EKG und im Herzultraschall nach Wiederherstellung eines Minimalkreislaufes diagnostiziert und diese Diagnose dann auch im Herzkatheterlabor durch den Nachweis einer subtotalen Verlegung des rechten Kranzgefäßes gesichert worden ist.
56 
Wahrscheinliche Ursache für den am 29.04.2009 eingetretenen Tod des Versicherten ist ein protrahierter Kreislaufschock als kardiogener Schock bei erwiesenem ausgedehntem Herzinfarkt. Auch wenn ein Kreislaufschock in der Folge eines Schädelhirntraumas mit Hirnödem und Einklemmung des Hirnstammes auftreten kann, ist eine solche Verletzungsfolge weder erwiesen noch wahrscheinliche Todesursache (s. o.). Dr. B. hat darauf hingewiesen, dass die Konstellation eines großen Hinterwandinfarktes mit rechtsventrikulärer Beteiligung häufig von einem schweren kardiogenen Schock begleitet ist. Ein solcher ist danach in der heutigen Zeit neben dem Alter des Patienten der wesentliche Vorhersageparameter für die Sterblichkeit an einem Herzinfarkt, der primär überlebt wurde. Unter den gegebenen Umständen, die gekennzeichnet waren durch ein letztlich erfolgloses Ankämpfen gegen den kardiogenen Schock, der immer wieder zu elektromechanischen Entkopplungen bzw. Herzrhythmusstörungen geführt hat, hat Dr. B. einem potentiellen Schädelhirntrauma keinen zusätzlichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf beigemessen, da schon der kardiogene Schock nicht beherrschbar gewesen ist. Der Senat hält diese Einschätzung für überzeugend. Sie wurde von den Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. H. vollinhaltlich bestätigt. In seiner ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. G. nochmals darauf hingewiesen, dass ein Herzkreislaufversagen im Rahmen eines Herzinfarktes und kardiogenem Schock mit prolongierten Reanimationsmaßnahmen, das außerhalb eines Krankenhauses stattfindet, mit einer äußerst hohen Todeswahrscheinlichkeit von bis zu 80 % vergesellschaftet ist.
57 
Schließlich haben die Sachverständigen auch auf kardiologischem Fachgebiet einen zuerst eingetretenen Herzinfarkt mit anschließender Kopfverletzung für weitaus wahrscheinlicher gehalten als einen durch die Kopfverletzung ausgelösten Herzinfarkt. Dr. B. hat es nur prinzipiell für denkbar, nicht aber für wahrscheinlich gehalten, dass W. R. primär vom Stapler gefallen ist und der Stress der Verletzung das akute Infarktgeschehen auf dem Boden einer vorbestehenden koronaren Herzerkrankung getriggert hat, was dann in den kardiogenen Schock gemündet ist. Dass es sich hierbei lediglich um eine theoretische Möglichkeit handelt, die jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, haben die Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. He. bestätigt und steht im Einklang mit der schriftlichen Zeugenaussage des Allgemeinmediziners H.. Danach fehlt es nämlich an sicheren Nachweisen für eine vorbestehende Veränderung der rechten Herzkranzarterie, die durch eine Kopfverletzung hätte getriggert werden können. Die klassischen Risikofaktoren, die sogenannte instabile Plaques der Herzkranzgefäße begünstigen, waren bei W. R. mit geringer Adipositas sowie geringer Hypercholesterinämie nur gering ausgeprägt. Auch der Allgemeinmediziner H. hat dargelegt, dass in dem zwei Tage vor dem Tod durchgeführten Belastungs-EKG keine signifikanten ST-Senkungen aufgetreten sind, wie sie beim Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit zu erwarten gewesen wären. Er hat das Risiko für W. R., einen Herzinfarkt zu erleiden, mit 1,40 % berechnet, bei einem Median der Vergleichsgruppe von 1,33 % pro Jahr. Dies schließt allerdings ebensowenig wie das Ergebnis des Belastungstests, bei dem W. R. bis 2 Minuten 175 Watt ausbelastet worden war und dabei die für sein Alter berechnete maximale Herzfrequenz von 125 Schlägen pro Minute erreicht hat, einen initialen Myokardinfarkt aus. Im Rahmen einer Plausibilitätsabwägung haben die Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. H. vielmehr einen solchen Hinterwandinfarkt vor dem Eintritt der Kopfverletzung als viel wahrscheinlicher erachtet als einen Herzinfarkt durch die Kopfverletzung bei vorbestehender Veränderung der rechten Herzkranzarterie. Denn der akute Myokardinfarkt ist in etwa 50 % die Erstmanifestation einer koronaren Herzerkrankung und lässt sich daher mit einer wenige Tage zuvor durchgeführten Fahrradergometrie nicht sicher vorhersehen. Die Sensitivität der Fahrradergometrie bzgl. des Nachweises einer belastungsinduzierten Koronarischämie beträgt bei einer Koronaren 1-Gefäßerkrankung nur ungefähr 60 %.
58 
Die versicherte Verrichtung wirkte sich vorliegend auch nicht gefahrerhöhend im Hinblick auf das tödliche Ereignis aus. Ausgehend von einem Myokardinfarkt mit Rechtsherzbeteiligung und kardiogenem Schock war die Gefahr, hieran zu versterben, nicht deshalb höher, weil der Versicherte betriebsbedingt im Gabelstapler gesessen hat. Vielmehr hat Prof. Dr. G. auch insoweit für den Senat schlüssig dargelegt, dass die Todeswahrscheinlichkeit im Rahmen eines Herzinfarktes und nachfolgenden Herz-Kreislaufversagens im Wesentlichen vom zeitlichen Abstand zwischen Herzversagen und Beginn einer wirksamen Wiederbelebung, nicht aber von der Lokalität abhängig ist und dass dieses Zeitfenster extrem kurz ist. Insoweit konnte der Versicherte auf dem Betriebsgelände sogar mit einer früheren Hilfeleistung durch anwesende Dritte rechnen, als bei Eintritt des Herzinfarktes in häuslicher Umgebung, in der sich gewöhnlich weniger Menschen aufhalten.
59 
Insgesamt ist daher nicht wahrscheinlich, dass die versicherte Tätigkeit des W. R. Wirkursache für eine Einwirkung gewesen ist, die dessen Tod verursacht hat.
60 
Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Umkehr der Beweislast, Beweisvereitelung der Beklagten oder auf einen Beweis des ersten Anscheins berufen. Wie oben bereits ausgeführt ist vorliegend eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, was unter bestimmten Voraussetzungen von der Beklagten zu beweisen wäre, nicht ersichtlich. Die „ungeklärten Umstände des Unglücksherganges am Arbeitsplatz“ (so die Klägerin in der Berufungsbegründung vom 19.12.2014) sind vorliegend insoweit nicht relevant, denn auch die Beklagte ist ersichtlich davon ausgegangen, dass W. R. eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, als er den Herzinfarkt erlitten hat.
61 
Für eine Beweisvereitelung der Beklagten fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Die Klägerin hält in diesem Zusammenhang die von der Beklagten unterlassene Obduktion für maßgeblich. Prof. Dr. G. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme jedoch überzeugend dargelegt, dass auch eine Obduktion des Versicherten keinen Aufschluss über die zeitliche Abfolge des Geschehens gegeben hätte. Die Frage, ob der Herzinfarkt im Gabelstapler eintrat und in der Folge der Versicherte zu Boden fiel oder der Versicherte zunächst zu Boden stürzte und im Anschluss einen Herzinfarkt erlitt, wäre durch eine Obduktion nicht weiter aufklärbar gewesen. Diese hätte lediglich weitere Erkenntnisse zum Umfang der Kopfverletzung erbracht. Da die Obduktion somit kein geeignetes Beweismittel gewesen wäre, ist schon deshalb eine Beweisvereitelung durch die unterlassene Obduktion nicht möglich. Es fehlt indes auch an den weiteren Voraussetzungen einer Beweisvereitelung. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass ein pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen den beweisbelasteten Beteiligten in eine Beweisnot, d. h. in eine ausweglose Lage gebracht hat (BSG SozR 3-1750 § 444 Nr. 1). Das ist hier indessen nicht der Fall. Selbst wenn im Rahmen einer Obduktion ein Schädelhirntrauma festgestellt worden wäre, wäre gleichwohl aufgrund o. g. Erwägungen wahrscheinlicher, dass dieses Trauma erst nach dem Herzinfarkt eingetreten ist und keinen wesentlichen Einfluss auf den Tod des W. R. hatte. Zudem hatte die Klägerin selbst die Möglichkeit, eine Obduktion rechtzeitig zu veranlassen oder sogar ein Beweissicherungsverfahren nach § 76 SGG durchführen zu lassen. Gerade die Obduktion ist eines der Beweismittel, für die § 76 SGG gedacht ist (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 76 Rdnr. 5; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 76 Rdnr. 2). Eine ausweglose Lage bestand daher für die Klägerin nicht. Die Beklagte hat auch nicht etwa durch falsche Angaben oder Behauptungen die Klägerin getäuscht und sie hierdurch von der Möglichkeit, selbst eine Obduktion zu veranlassen, abgehalten.
62 
Selbst wenn der Beklagten der Vorwurf der Beweisvereitelung gemacht werden könnte, wovon der Senat indes nicht ausgeht, hat dies nicht zur Folge, dass anstelle der hinreichenden Wahrscheinlichkeit die bloße Möglichkeit des Kausalzusammenhangs genügt oder gar eine Beweislastumkehr mit der von der Klägerin geltend gemachten Rechtsfolge eintritt. Denn im Falle eines unverschuldeten Beweisnotstands sind die Tatsachengerichte lediglich befugt, nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles an den Beweis weniger hohe Anforderungen zu stellen (st. Rspr. BSG SozR 3-1500 § 128 Nr. 11 m. w. N.). Dieser Grundsatz bezieht sich nur auf die zu würdigenden festgestellten Tatsachen und führt dazu, dass je nach den Besonderheiten des maßgebenden Einzelfalls schon einzelne Beweisanzeichen, im Extremfall ein Indiz für die Feststellung einer Tatsache oder der daraus abgeleiteten Bejahung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ausreichen kann; er schließt aber nicht die Befugnis ein, das Beweismaß zu verringern oder frei darüber zu entscheiden, ob die Gewissheit erforderlich oder die Wahrscheinlichkeit ausreicht oder sogar die Möglichkeit genügt, damit eine Tatsache als festgestellt oder der Kausalzusammenhang als gegeben angesehen werden kann. Noch weniger tritt bei einem Beweisnotstand, auch wenn er auf einer fehlerhaften Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht, eine Umkehr der Beweislast ein (BSGE 24, 25; 41, 297, 300; BSG SozR Nr. 60 zu § 128 SGG; Leitherer, a. a. O. § 103 Rdnr. 18a).
63 
Vorliegend fehlt es an Tatsachen, die der erkennende Senat im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zumindest als Indiz für die Wahrscheinlichkeit eines durch die Kopfverletzung verursachten Todes des Versicherten ansehen kann. Die erwiesenen Tatsachen sprechen vielmehr dafür, dass mit Wahrscheinlichkeit der Tod des Versicherten auf dem nicht mit der versicherten Tätigkeit in kausalem Zusammenhang stehenden Herzinfarkt beruht.
64 
Schließlich sind auch die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis vorliegend nicht erfüllt. Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung. Bei typischen Geschehensabläufen erlaubt er den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens aufgrund von Erfahrungssätzen, auch wenn im Einzelfall entsprechende Tatsachen nicht festgestellt werden können (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R -, a. a. O.). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann also der Geschehensablauf zu Grunde gelegt werden, als habe er sich in der typischen Weise ereignet. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann. Dementsprechend wird zwar auch für einzelne Voraussetzungen des Arbeitsunfalls, wie z. B. die Unfallkausalität, die Möglichkeit des Anscheinsbeweises bejaht (dazu BSG vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 22; vgl. auch Bolay in Hk-SGG, 3. Auflage 2009, § 128 Rdnr. 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128 Rdnr. 9a ff.). Vorliegend kann ein Anscheinsbeweis schon mangels eines typischen Geschehensablaufs nicht den Nachweis begründen, dass der Herzinfarkt erst nach oder aufgrund der Kopfverletzung eingetreten ist.
65 
Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren eingewandt hat, dass nicht Prof. Dr. G. allein, sondern zumindest auch, wenn nicht sogar ausschließlich Dr. H. das Gutachten erstellt habe, bestehen keinerlei Bedenken an der Verwertbarkeit des Gutachtens. Denn das SG hat seinen ursprünglichen Gutachtensauftrag mit Schreiben vom 15.02.2012 dahingehend abgeändert, dass nunmehr mit der Erstellung des Gutachtens Prof. Dr. G. und Dr. H. beauftragt worden waren.
66 
Soweit die Klägerin ihre Einwände gegen die Gutachten mit fehlender fachlicher und wissenschaftlicher Fundiertheit derselben begründet hat, vermag der Senat dies schon deshalb nicht nachzuvollziehen, weil ein weitergehender medizinischer Kenntnisstand der Klägerin weder dargetan noch ersichtlich ist. Letztlich nimmt die Klägerin im Wesentlichen auf Äußerungen des Allgemeinarztes H. Bezug, ohne allerdings darzulegen, weshalb dessen Ausführungen von höherer Überzeugungskraft sein sollen als die fachärztlichen Stellungnahmen in den gerichtlichen Gutachten. Zudem hat der Allgemeinarzt H. in seiner Zeugenauskunft vom 14.12.2010 nicht mehr die Auffassung vertreten, W. R. sei an den Folgen eines Schädelhirntraumas verstorben.
67 
Schließlich ist auch dem Einwand der Klägerin, der erstinstanzliche Spruchkörper sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, nicht zu folgen. Wie sich aus der Mitteilung des SG im Berufungsverfahren ergibt, war der zunächst geladene ehrenamtliche Richter verhindert und daher die Nachladung des Vertretungsrichters geboten.
68 
Die Berufung der Klägerin war nach alledem mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
69 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gründe

 
34 
Die nach den §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Die Beklagte und das SG haben zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen abgelehnt.
35 
Dabei ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig (BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 46), obwohl die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid keine Regelung hinsichtlich des Bestehens eines Arbeitsunfalles getroffen, sondern unmittelbar die Gewährung von Leistungen abgelehnt hat. Anders als ein Versicherter, der im Falle eines Arbeitsunfalls zunächst dessen Feststellung bzw. darauf aufbauend die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Folge dieses Arbeitsunfalls und erst im Anschluss Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder Verletztenrente beantragen kann (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert nach juris), ist es einem Hinterbliebenen nicht möglich, die Grundlagen der in Frage kommenden Hinterbliebenenleistungen vorab im Wege einer Feststellungsklage klären zu lassen. Denn die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Unfallversicherungsträgers, ein Versicherungsfall habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Hieraus folgt, dass der Unfallversicherungsträger nicht befugt ist, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hat und es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und dem folgend Urteile des Senats vom 24.11.2011 - L 6 U 5773/09 - und 29.09.2011 - L 6 U 5889/06; jeweils zitiert nach juris). Nicht streitbefangen sind Ansprüche der Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten, hierüber hat die Beklagte in dem streitgegenständlichen Bescheid auch nicht entschieden.
36 
Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen in Form von Witwenbeihilfe nach §§ 63 Abs. 1 Nr. 4, 71 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) besteht nicht, da W. R. nicht, wie nach § 71 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII vorausgesetzt, zum Zeitpunkt seines Todes Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert oder mehr oder auf mehrere Renten hatte, deren Vomhundertsätze zusammen mindestens die Zahl 50 erreichen.
37 
Nach § 63 Abs. 1 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf die in Satz 1 Nr. 1 bis 3 der Vorschrift aufgezählten Leistungen (Sterbegeld, Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung, Hinterbliebenenrente), wenn der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall oder [Wie-]Berufskrankheit, § 7 Abs. 1 SGB VII) eingetreten ist.
38 
W. R. ist indes nicht durch einen hier allein in Betracht kommenden Arbeitsunfall i. S. des § 8 Abs. 1 SGB VII zu Tode gekommen.
39 
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteile vom 13.11.2012, a. a. O., vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 21 und vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 44).
40 
Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Der Tod des W. R. ist entgegen § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht "infolge" der Verrichtung der versicherten Tätigkeit eingetreten und ihr damit nicht zuzurechnen.
41 
Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung haben Schutz gegen Gefahren zu gewähren, die sich durch die ihre Verbandszuständigkeit, den Versicherungsschutz und das Versichertsein des Verletzten begründende Verrichtung von im jeweiligen Versicherungstatbestand konkret umschriebenen Tätigkeiten realisieren können. Ihre Einstandspflicht besteht nur dann, wenn sich durch eine Handlung des Geschädigten, die den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt, ein Risiko verwirklicht hat, gegen dessen Eintritt nicht die Unfallversicherung "allgemein", sondern der jeweils durch die Handlung erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Die Zurechnung des Schadens eines Versicherten zum Versicherungsträger erfordert daher zweistufig die Erfüllung erstens tatsächlicher und zweitens darauf aufbauender rechtlicher Voraussetzungen. Die Verrichtung der versicherten Tätigkeit muss die Einwirkung und in gleicher Weise muss die Einwirkung den Gesundheitserstschaden oder den Tod sowohl objektiv (1. Stufe) als auch rechtlich wesentlich (2. Stufe) verursacht haben (hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R -, a. a. O.).
42 
Auf der ersten Stufe setzt die Zurechnung voraus, dass die Einwirkung durch die versicherte Verrichtung objektiv (mit)verursacht wurde. Für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Tätigkeit keine Wirkursache war, besteht schlechthin kein Versicherungsschutz und hat der Unfallversicherungsträger nicht einzustehen. Wirkursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen.
43 
Insoweit ist Ausgangspunkt der Zurechnung die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolges gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Nach der im Strafrecht maßgeblichen rechtlichen Zurechnungslehre der "Äquivalenztheorie" gelten alle solchen notwendigen Bedingungen stets als gleichwertig (äquivalent) und deshalb schon rechtlich als Ursachen. Die auf dieser Grundlage sehr weit gehende Zurechnung der Rechtsgutsverletzung zum Täter wird nachgehend etwa durch die Institute der objektiven Zurechnung, des Schutzzwecks der Norm etc. eingeschränkt. In der gesetzlichen Unfallversicherung muss eine versicherte Verrichtung, die i. S. der "conditio-Formel" eine erforderliche Bedingung des Erfolges (stets neben anderen Bedingungen) war, darüber hinaus in einer besonderen tatsächlichen (und rechtlichen) Beziehung zu diesem Erfolg stehen. Sie muss Wirkursache des Erfolges gewesen sein, muss ihn tatsächlich mitbewirkt haben und darf nicht nur eine (bloß im Einzelfall nicht wegdenkbare) zufällige Randbedingung gewesen sein.
44 
Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache für die festgestellte Einwirkung (und dadurch für den Gesundheitserstschaden oder - hier - den Tod) war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen (gegebenenfalls unter Einholung von Sachverständigengutachten) beantwortet werden (dazu näher BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, a. a. O.).
45 
Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Wirkung (hier: die Einwirkung) rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Eine Rechtsvermutung dafür, dass die versicherte Verrichtung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Einwirkung auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (vgl. BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R -, a. a. O.). Die gesetzliche Unfallversicherung begründet eine (versicherungsrechtliche) Einstandspflicht eines Unfallversicherungsträgers für einen tatbestandlichen Schaden, den ein anderes Rechtssubjekt, der Verletzte, unter eigener Mitwirkung erlitten hat. Diese Einstandspflicht setzt voraus, dass die Rechtsgutsverletzung in persönlicher und sachlicher Hinsicht in den jeweiligen Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Der persönliche Schutzbereich ist eröffnet, wenn, solange und soweit der Verletzte vor dem Unfall durch eine eigene Verrichtung den Tatbestand einer aufgrund der §§ 2, 3, 6 oder 8 Abs. 2 SGB VII versicherten Tätigkeit erfüllt und dadurch seinen Versicherungsschutz bei dem für diesen Tatbestand zuständigen Unfallversicherungsträger "begründet" i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII. Der sachliche Schutzbereich greift ein, wenn sich mit dem durch die versicherte Verrichtung mitverursachten tatbestandlichen Schaden eine Gefahr verwirklicht hat, gegen die der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand schützen soll. Für Schäden, die außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegen, muss der jeweils zuständige Unfallversicherungsträger nicht einstehen. In der Sache läuft diese Voraussetzung der Einstandspflicht darauf hinaus, dass entschieden werden muss, ob der begründete Versicherungsschutz den Sinn und Zweck hat, gegen Schäden der konkret eingetretenen Art zu schützen. Deshalb wirkt der Schutzzweck der Norm in der gesetzlichen Unfallversicherung nicht haftungslimitierend (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2012 - VI ZR 127/11 - zitiert nach juris zu § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]), sondern pflichtbegründend.
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Die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers wird nur begründet, wenn der durch die versicherte Verrichtung objektiv mitverursachte Unfall (hier: die Einwirkung auf den Versicherten) eine Gefahr mitverwirklicht hat, gegen die die begründete Versicherung schützen soll. Diese Voraussetzung wird zumeist erfüllt sein, bedarf aber stets der Entscheidung. Denn nur wenn der Schutzzweck der Norm den durch die versicherte Handlung mitbewirkten Schaden überhaupt umgreift, kommt es rechtlich darauf an, ob neben der versicherten Wirkursache auch andere unversicherte Mitursachen bestehen. Diese können die Einstandspflicht nie begründen, aber gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte Wirkursache verdrängen, so dass der Schaden "im Wesentlichen" rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt. Bei dieser Subsumtion sind die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R -, a. a. O.). Unter Berücksichtigung der Auffassung des praktischen Lebens ist abzuwägen, ob der Schaden den versicherten oder den unversicherten Wirkursachen zuzurechnen ist (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 31 m. w. N.).
47 
Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" im Vollbeweis festgestellt sein müssen. Erst dann, wenn die "Verrichtung", die "Einwirkung" und der "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf. mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war (BSG, Urteil vom 24.07.2012 - B 2 U 9/11 R , a. a. O.)
48 
Nach diesen Maßstäben scheitert der Anspruch der Klägerin bereits auf der ersten Stufe. Denn es ist nicht mindestens wahrscheinlich, dass die zum Tode führende Einwirkung auf den Körper des Versicherten durch dessen zuvor verrichtete versicherte Tätigkeit verursacht worden ist. Wahrscheinlich ist vielmehr, dass der Tod nicht durch eine von außen kommende Einwirkung verursacht worden und die versicherte Tätigkeit daher keine Wirkursache für den eingetretenen Erfolg gewesen ist.
49 
Fest steht zur Überzeugung des Senats, dass W. R. am 28.04.2009 eine versicherte Tätigkeit ausübte, als sich die für den am 29.04.2009 eingetretenen Tod maßgeblichen Umstände ereigneten. Dies ergibt sich aus den Einlassungen der Klägerin sowie den Ermittlungen der Beklagten. Danach hatte W. R. mit dem Gabelstapler einen firmeneigenen LKW mit Holzware bereits fertig beladen und war mit dem Stapler auf dem Weg zur Lagerhalle. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Weg betriebsfremden Zwecken gedient haben könnte, bestehen nicht. Das weitere Geschehen ist nicht rekonstruierbar, weder sind Zeugen hierfür vorhanden noch lässt sich anhand technischer Ermittlungen aufklären, weshalb W. R. neben dem Stapler mit einer Kopfplatzwunde und blutender Nase bewusstlos und ohne Puls gelegen hat. Dies wirkt sich allerdings nicht zu Lasten der Klägerin aus, da bei der gegebenen Sachlage die Beklagte die objektive Beweislast dafür tragen würde, dass der Versicherte die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 9). Da sich hierfür vorliegend keinerlei Anhaltspunkte ergeben, hat die Beklagte ihre ablehnende Entscheidung auch nicht auf diesen Einwand gestützt.
50 
Mit Wahrscheinlichkeit ist der Tod durch einen kardiogenen Schock nach vorangegangenem Hinterwandinfarkt verursacht worden. Nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann hingegen, dass dieser Hinterwandinfarkt mit protrahiertem kardiogenem Schock durch die Kopfverletzung des Versicherten verursacht worden ist, sodass die versicherte Verrichtung keine Wirkursache für den Tod von W. R. gewesen.
51 
Dass der Herzinfarkt erst infolge der Kopfverletzung des Versicherten eingetreten ist, ist bereits unabhängig von medizinischen Erwägungen unwahrscheinlich. Denn es sind keinerlei Gründe dafür ersichtlich, weshalb W. R. ohne vorangegangenen Herzinfarkt aus dem Stapler hätte fallen sollen. Auch die Klägerin, die nur auf der Grundlage eines solchen hypothetischen Unfallgeschehens die versicherte Verrichtung als rechtlich wesentliche Wirkursache annehmen kann, hat zu keinem Zeitpunkt näher erläutert oder auch nur behauptet, dass und weshalb W. R. ohne jede vorherige gesundheitliche Beeinträchtigung vom Stapler gestürzt sein soll. Weder aus der Unfallanzeige der Klägerin noch aus dem Unfalluntersuchungsbericht der Beklagten ergibt sich, dass der Stapler einen Defekt aufwies oder sonstige Unregelmäßigkeiten einen Sturz hätten provozieren können, wobei unterstellt werden kann, dass der zum Todeszeitpunkt 65 Jahre alte W. R., der ausweislich der Angaben in der Unfallanzeige bereits seit Januar 2007 als Unternehmer des S.- und H. Werks tätig war, über einige Erfahrung im Umgang mit und Fahrverhalten von Staplern hatte. Vielmehr hatte W. R. mit dem Stapler bereits einen LKW mit Paletten beladen, hatte also die eigentliche Arbeit, die u. U. auch mit der Gefahr von Stürzen aus dem Stapler verbunden sein könnte, bereits abgeschlossen. Dass W. R. ohne ersichtlichen Grund aus dem Stapler hätte fallen können, hält der Senat für unwahrscheinlich. Da der Stapler mitten auf einer Zufahrt zur Lagerhalle mit laufendem Motor stehen geblieben ist, kann auch nicht unterstellt werden, W. R. hätte den Stapler bereits an den dafür vorgesehenen Abstellort zurückgebracht und sei beim Absteigen vom Stapler gestolpert.
52 
Im Wesentlichen sprechen jedoch medizinische Gesichtspunkte gegen die Wahrscheinlichkeit, dass die Kopfverletzung einen Herzinfarkt des Versicherten ausgelöst hat. Der Senat stützt sich dabei auf das bei Prof. Dr. G./Dr. H. eingeholte internistisch-kardiologische Gutachten, das bei Dr. S. eingeholte neurochirurgische Gutachten, die schriftlichen Zeugenaussagen von Dr. S. und Dr. B. sowie die Todesbescheinigung des Klinikums V.-S.. Dabei wird nicht übersehen, dass die hier als Zeugen und Sachverständige gehörten Ärzte eine solche Möglichkeit nicht ausschließen konnten, was in unterschiedlicher Weise zum Ausdruck gebracht worden ist (Dr. B.: „Irrtumswahrscheinlichkeit“, Dr. S.: „nicht mit Sicherheit zu entscheiden“, Prof. Dr. G./Dr. H.: „theoretisch…denkbar“). Wie oben bereits ausgeführt, gilt hinsichtlich des Beweismaßstabes für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung jedoch, dass für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zumindest der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss und die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit ausreichend ist (st. Rspr. vgl. z. B. BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 43). Keiner der hier als Zeuge oder Sachverständiger gehörten Mediziner hat vorliegend die Kopfverletzung des Klägers als Todesursache für wahrscheinlich gehalten. Soweit der Allgemeinmediziner H. in seinem Faxschreiben an die Beklagte vom 30.04.2009 trotz anderslautender Todesursache in der Todesbescheinigung vom 29.04.2009 noch behauptet hat, W. R. sei an den Folgen eines Schädelhirntraumas verstorben, hat er dies in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 14.12.2010 nicht wiederholt. Eine Diagnose aufgrund eigener Untersuchung konnte der Allgemeinmediziner H. ohnehin nicht stellen, da er den Versicherten weder am 28. noch am 29.04.2009 gesehen hat.
53 
Dr. S. hat in seinem Gutachten mit ergänzender Stellungnahme für den Senat schlüssig und überzeugend ausgeführt, dass nur ein schweres Schädelhirntrauma unmittelbar zum Tod führen kann, ein solches jedoch zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden und unter Würdigung des Verlaufes auch unwahrscheinlich ist. Hiermit korrespondiert, dass der erstbehandelnde Arzt Dr. Z. zwar eine stark blutende Kopfplatzwunde, aber kein Schädelhirntrauma diagnostiziert und die Notärztin Dr. S. ebenso wie das Klinikum V.-S. im Arztbrief an die Gemeinschaftspraxis H./M. vom 29.04.2009 lediglich den Verdacht auf ein Schädelhirntrauma geäußert haben. Zu Recht hat Dr. S. deshalb darauf hingewiesen, dass die Annahme einer Schädelbasisfraktur und eines schweren Schädelhirntraumas spekulativ und durch keinerlei Diagnostik untermauert ist. Auch die weiteren Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. zur fehlenden Relevanz der Kopfverletzung für den Eintritt des Todes hält der Senat für schlüssig und gut nachvollziehbar. Danach führt zwar eine - hier unzweifelhaft festgestellte Kopfplatzwunde - aufgrund der starken Gefäßversorgung der Kopfhaut zu einem raschen Austritt von Blut; Auswirkungen auf den Kreislauf ergeben sich in der Regel hieraus aber nur bei Säuglingen und Kleinkindern. Die ebenfalls nachgewiesene Blutung aus einem Nasenloch kann zwar grundsätzlich für eine Verletzung der Schädelbasis sprechen, weit überwiegend ist sie jedoch Folge eines lokalen Traumas im Bereich der Nase. Das festgestellte Monokelhämatom rechts („blaues Auge“), kommt zwar grundsätzlich als Symptom einer Schädelbasisfraktur in Betracht. Hiergegen spricht vorliegend jedoch, dass dieses Hämatom am Auge mit großer Wahrscheinlichkeit als durch die Lysetherapie (therapeutische Auflösung von im Körper befindlichen Abflusshindernissen, vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 262. Auflage, 2011) bedingte Einblutung in lokal traumatisiertes Gewebe zu deuten ist. Denn es ist erst bei Aufnahme im Klinikum V.-S. beschrieben und weder von Dr. Z. noch von Dr. S. erwähnt worden und somit vermutlich erst nach Durchführung der Lysetherapie entstanden. Zudem entstehen Monokelhämatome bereits durch minimale Bagatelltraumen und sind daher kein sicheres Zeichen eines schweren Schädelhirntraumas. Selbst wenn aber von einer Schädelbasisfraktur auszugehen wäre, wäre dies nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit einer morphologisch fassbaren Verletzung des Gehirns. Hiergegen spricht, dass nach der Schilderung der Notärztin Dr. Sch. W. R. nach erster erfolgreicher Reanimation „wach“ geworden ist und eine Pupillenreaktion gezeigt hat. Diese Beobachtung erklärt die Bewusstlosigkeit und die weiten, lichtstarren Pupillen als Folge einer zerebralen Minderperfusion durch das Herz-Kreislaufversagen. Dagegen ist bei primärer schwerster traumatischer Schädigung des Gehirns ein Erwachen des Patienten unwahrscheinlich. Diese Einschätzung ist von Dr. S. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft bestätigt worden.
54 
Während somit einerseits die Kopfverletzung nicht als wahrscheinliche Ursache für den Tod des Versicherten festgestellt werden kann, hat andererseits aus medizinischer Sicht der Herzinfarkt mit Wahrscheinlichkeit den Tod verursacht.
55 
Dass W. R. am 28.04.2009 einen Herzinfarkt erlitten hat, hält der Senat aufgrund der aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen für erwiesen und wird von der Klägerin auch nicht bestritten. Den Bekundungen des Allgemeinmediziners H., wonach das Herzinfarktrisiko bei W. R. gering gewesen sei, kommt daher aufgrund des tatsächlich erlittenen Myokardinfarktes keine Relevanz zu. Dr. S. ist aufgrund der ausgeprägten ST-Hebung, die sich im bradycarden Herzrhythmus gezeigt hat, noch im RTW von einem Myokardinfarkt ausgegangen. In gemeinsamer Entscheidung mit dem Arzt des Rettungshubschraubers wurde die Indikation für eine Lysetherapie gestellt, da ansonsten bezüglich des vorliegenden Myokardinfarktes keine Chance auf Stabilisierung gesehen wurde. Dr. B. hat in seiner schriftlichen Zeugenauskunft vom 19.05.2010 ausgeführt, dass ein ausgedehnter Herzinfarkt an der Herzhinterwand sowie der rechten Herzkammer im EKG und im Herzultraschall nach Wiederherstellung eines Minimalkreislaufes diagnostiziert und diese Diagnose dann auch im Herzkatheterlabor durch den Nachweis einer subtotalen Verlegung des rechten Kranzgefäßes gesichert worden ist.
56 
Wahrscheinliche Ursache für den am 29.04.2009 eingetretenen Tod des Versicherten ist ein protrahierter Kreislaufschock als kardiogener Schock bei erwiesenem ausgedehntem Herzinfarkt. Auch wenn ein Kreislaufschock in der Folge eines Schädelhirntraumas mit Hirnödem und Einklemmung des Hirnstammes auftreten kann, ist eine solche Verletzungsfolge weder erwiesen noch wahrscheinliche Todesursache (s. o.). Dr. B. hat darauf hingewiesen, dass die Konstellation eines großen Hinterwandinfarktes mit rechtsventrikulärer Beteiligung häufig von einem schweren kardiogenen Schock begleitet ist. Ein solcher ist danach in der heutigen Zeit neben dem Alter des Patienten der wesentliche Vorhersageparameter für die Sterblichkeit an einem Herzinfarkt, der primär überlebt wurde. Unter den gegebenen Umständen, die gekennzeichnet waren durch ein letztlich erfolgloses Ankämpfen gegen den kardiogenen Schock, der immer wieder zu elektromechanischen Entkopplungen bzw. Herzrhythmusstörungen geführt hat, hat Dr. B. einem potentiellen Schädelhirntrauma keinen zusätzlichen Einfluss auf den Krankheitsverlauf beigemessen, da schon der kardiogene Schock nicht beherrschbar gewesen ist. Der Senat hält diese Einschätzung für überzeugend. Sie wurde von den Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. H. vollinhaltlich bestätigt. In seiner ergänzenden Stellungnahme hat Prof. Dr. G. nochmals darauf hingewiesen, dass ein Herzkreislaufversagen im Rahmen eines Herzinfarktes und kardiogenem Schock mit prolongierten Reanimationsmaßnahmen, das außerhalb eines Krankenhauses stattfindet, mit einer äußerst hohen Todeswahrscheinlichkeit von bis zu 80 % vergesellschaftet ist.
57 
Schließlich haben die Sachverständigen auch auf kardiologischem Fachgebiet einen zuerst eingetretenen Herzinfarkt mit anschließender Kopfverletzung für weitaus wahrscheinlicher gehalten als einen durch die Kopfverletzung ausgelösten Herzinfarkt. Dr. B. hat es nur prinzipiell für denkbar, nicht aber für wahrscheinlich gehalten, dass W. R. primär vom Stapler gefallen ist und der Stress der Verletzung das akute Infarktgeschehen auf dem Boden einer vorbestehenden koronaren Herzerkrankung getriggert hat, was dann in den kardiogenen Schock gemündet ist. Dass es sich hierbei lediglich um eine theoretische Möglichkeit handelt, die jedoch nicht mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, haben die Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. He. bestätigt und steht im Einklang mit der schriftlichen Zeugenaussage des Allgemeinmediziners H.. Danach fehlt es nämlich an sicheren Nachweisen für eine vorbestehende Veränderung der rechten Herzkranzarterie, die durch eine Kopfverletzung hätte getriggert werden können. Die klassischen Risikofaktoren, die sogenannte instabile Plaques der Herzkranzgefäße begünstigen, waren bei W. R. mit geringer Adipositas sowie geringer Hypercholesterinämie nur gering ausgeprägt. Auch der Allgemeinmediziner H. hat dargelegt, dass in dem zwei Tage vor dem Tod durchgeführten Belastungs-EKG keine signifikanten ST-Senkungen aufgetreten sind, wie sie beim Vorliegen einer koronaren Herzkrankheit zu erwarten gewesen wären. Er hat das Risiko für W. R., einen Herzinfarkt zu erleiden, mit 1,40 % berechnet, bei einem Median der Vergleichsgruppe von 1,33 % pro Jahr. Dies schließt allerdings ebensowenig wie das Ergebnis des Belastungstests, bei dem W. R. bis 2 Minuten 175 Watt ausbelastet worden war und dabei die für sein Alter berechnete maximale Herzfrequenz von 125 Schlägen pro Minute erreicht hat, einen initialen Myokardinfarkt aus. Im Rahmen einer Plausibilitätsabwägung haben die Sachverständigen Prof. Dr. G./Dr. H. vielmehr einen solchen Hinterwandinfarkt vor dem Eintritt der Kopfverletzung als viel wahrscheinlicher erachtet als einen Herzinfarkt durch die Kopfverletzung bei vorbestehender Veränderung der rechten Herzkranzarterie. Denn der akute Myokardinfarkt ist in etwa 50 % die Erstmanifestation einer koronaren Herzerkrankung und lässt sich daher mit einer wenige Tage zuvor durchgeführten Fahrradergometrie nicht sicher vorhersehen. Die Sensitivität der Fahrradergometrie bzgl. des Nachweises einer belastungsinduzierten Koronarischämie beträgt bei einer Koronaren 1-Gefäßerkrankung nur ungefähr 60 %.
58 
Die versicherte Verrichtung wirkte sich vorliegend auch nicht gefahrerhöhend im Hinblick auf das tödliche Ereignis aus. Ausgehend von einem Myokardinfarkt mit Rechtsherzbeteiligung und kardiogenem Schock war die Gefahr, hieran zu versterben, nicht deshalb höher, weil der Versicherte betriebsbedingt im Gabelstapler gesessen hat. Vielmehr hat Prof. Dr. G. auch insoweit für den Senat schlüssig dargelegt, dass die Todeswahrscheinlichkeit im Rahmen eines Herzinfarktes und nachfolgenden Herz-Kreislaufversagens im Wesentlichen vom zeitlichen Abstand zwischen Herzversagen und Beginn einer wirksamen Wiederbelebung, nicht aber von der Lokalität abhängig ist und dass dieses Zeitfenster extrem kurz ist. Insoweit konnte der Versicherte auf dem Betriebsgelände sogar mit einer früheren Hilfeleistung durch anwesende Dritte rechnen, als bei Eintritt des Herzinfarktes in häuslicher Umgebung, in der sich gewöhnlich weniger Menschen aufhalten.
59 
Insgesamt ist daher nicht wahrscheinlich, dass die versicherte Tätigkeit des W. R. Wirkursache für eine Einwirkung gewesen ist, die dessen Tod verursacht hat.
60 
Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Umkehr der Beweislast, Beweisvereitelung der Beklagten oder auf einen Beweis des ersten Anscheins berufen. Wie oben bereits ausgeführt ist vorliegend eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit durch eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit, was unter bestimmten Voraussetzungen von der Beklagten zu beweisen wäre, nicht ersichtlich. Die „ungeklärten Umstände des Unglücksherganges am Arbeitsplatz“ (so die Klägerin in der Berufungsbegründung vom 19.12.2014) sind vorliegend insoweit nicht relevant, denn auch die Beklagte ist ersichtlich davon ausgegangen, dass W. R. eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, als er den Herzinfarkt erlitten hat.
61 
Für eine Beweisvereitelung der Beklagten fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Die Klägerin hält in diesem Zusammenhang die von der Beklagten unterlassene Obduktion für maßgeblich. Prof. Dr. G. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme jedoch überzeugend dargelegt, dass auch eine Obduktion des Versicherten keinen Aufschluss über die zeitliche Abfolge des Geschehens gegeben hätte. Die Frage, ob der Herzinfarkt im Gabelstapler eintrat und in der Folge der Versicherte zu Boden fiel oder der Versicherte zunächst zu Boden stürzte und im Anschluss einen Herzinfarkt erlitt, wäre durch eine Obduktion nicht weiter aufklärbar gewesen. Diese hätte lediglich weitere Erkenntnisse zum Umfang der Kopfverletzung erbracht. Da die Obduktion somit kein geeignetes Beweismittel gewesen wäre, ist schon deshalb eine Beweisvereitelung durch die unterlassene Obduktion nicht möglich. Es fehlt indes auch an den weiteren Voraussetzungen einer Beweisvereitelung. Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist nämlich, dass ein pflichtwidriges Handeln oder Unterlassen den beweisbelasteten Beteiligten in eine Beweisnot, d. h. in eine ausweglose Lage gebracht hat (BSG SozR 3-1750 § 444 Nr. 1). Das ist hier indessen nicht der Fall. Selbst wenn im Rahmen einer Obduktion ein Schädelhirntrauma festgestellt worden wäre, wäre gleichwohl aufgrund o. g. Erwägungen wahrscheinlicher, dass dieses Trauma erst nach dem Herzinfarkt eingetreten ist und keinen wesentlichen Einfluss auf den Tod des W. R. hatte. Zudem hatte die Klägerin selbst die Möglichkeit, eine Obduktion rechtzeitig zu veranlassen oder sogar ein Beweissicherungsverfahren nach § 76 SGG durchführen zu lassen. Gerade die Obduktion ist eines der Beweismittel, für die § 76 SGG gedacht ist (Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 76 Rdnr. 5; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a. a. O., § 76 Rdnr. 2). Eine ausweglose Lage bestand daher für die Klägerin nicht. Die Beklagte hat auch nicht etwa durch falsche Angaben oder Behauptungen die Klägerin getäuscht und sie hierdurch von der Möglichkeit, selbst eine Obduktion zu veranlassen, abgehalten.
62 
Selbst wenn der Beklagten der Vorwurf der Beweisvereitelung gemacht werden könnte, wovon der Senat indes nicht ausgeht, hat dies nicht zur Folge, dass anstelle der hinreichenden Wahrscheinlichkeit die bloße Möglichkeit des Kausalzusammenhangs genügt oder gar eine Beweislastumkehr mit der von der Klägerin geltend gemachten Rechtsfolge eintritt. Denn im Falle eines unverschuldeten Beweisnotstands sind die Tatsachengerichte lediglich befugt, nach dem Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) angesichts der konkreten Umstände des Einzelfalles an den Beweis weniger hohe Anforderungen zu stellen (st. Rspr. BSG SozR 3-1500 § 128 Nr. 11 m. w. N.). Dieser Grundsatz bezieht sich nur auf die zu würdigenden festgestellten Tatsachen und führt dazu, dass je nach den Besonderheiten des maßgebenden Einzelfalls schon einzelne Beweisanzeichen, im Extremfall ein Indiz für die Feststellung einer Tatsache oder der daraus abgeleiteten Bejahung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs ausreichen kann; er schließt aber nicht die Befugnis ein, das Beweismaß zu verringern oder frei darüber zu entscheiden, ob die Gewissheit erforderlich oder die Wahrscheinlichkeit ausreicht oder sogar die Möglichkeit genügt, damit eine Tatsache als festgestellt oder der Kausalzusammenhang als gegeben angesehen werden kann. Noch weniger tritt bei einem Beweisnotstand, auch wenn er auf einer fehlerhaften Beweiserhebung oder sogar auf einer Beweisvereitelung durch denjenigen beruht, dem die Unerweislichkeit der Tatsachen zum prozessualen Vorteil gereicht, eine Umkehr der Beweislast ein (BSGE 24, 25; 41, 297, 300; BSG SozR Nr. 60 zu § 128 SGG; Leitherer, a. a. O. § 103 Rdnr. 18a).
63 
Vorliegend fehlt es an Tatsachen, die der erkennende Senat im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zumindest als Indiz für die Wahrscheinlichkeit eines durch die Kopfverletzung verursachten Todes des Versicherten ansehen kann. Die erwiesenen Tatsachen sprechen vielmehr dafür, dass mit Wahrscheinlichkeit der Tod des Versicherten auf dem nicht mit der versicherten Tätigkeit in kausalem Zusammenhang stehenden Herzinfarkt beruht.
64 
Schließlich sind auch die Voraussetzungen für einen Anscheinsbeweis vorliegend nicht erfüllt. Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung. Bei typischen Geschehensabläufen erlaubt er den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens aufgrund von Erfahrungssätzen, auch wenn im Einzelfall entsprechende Tatsachen nicht festgestellt werden können (BSG, Urteil vom 31.01.2012 - B 2 U 2/11 R -, a. a. O.). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann also der Geschehensablauf zu Grunde gelegt werden, als habe er sich in der typischen Weise ereignet. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann. Dementsprechend wird zwar auch für einzelne Voraussetzungen des Arbeitsunfalls, wie z. B. die Unfallkausalität, die Möglichkeit des Anscheinsbeweises bejaht (dazu BSG vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 22; vgl. auch Bolay in Hk-SGG, 3. Auflage 2009, § 128 Rdnr. 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 128 Rdnr. 9a ff.). Vorliegend kann ein Anscheinsbeweis schon mangels eines typischen Geschehensablaufs nicht den Nachweis begründen, dass der Herzinfarkt erst nach oder aufgrund der Kopfverletzung eingetreten ist.
65 
Soweit die Klägerin erstmals im Berufungsverfahren eingewandt hat, dass nicht Prof. Dr. G. allein, sondern zumindest auch, wenn nicht sogar ausschließlich Dr. H. das Gutachten erstellt habe, bestehen keinerlei Bedenken an der Verwertbarkeit des Gutachtens. Denn das SG hat seinen ursprünglichen Gutachtensauftrag mit Schreiben vom 15.02.2012 dahingehend abgeändert, dass nunmehr mit der Erstellung des Gutachtens Prof. Dr. G. und Dr. H. beauftragt worden waren.
66 
Soweit die Klägerin ihre Einwände gegen die Gutachten mit fehlender fachlicher und wissenschaftlicher Fundiertheit derselben begründet hat, vermag der Senat dies schon deshalb nicht nachzuvollziehen, weil ein weitergehender medizinischer Kenntnisstand der Klägerin weder dargetan noch ersichtlich ist. Letztlich nimmt die Klägerin im Wesentlichen auf Äußerungen des Allgemeinarztes H. Bezug, ohne allerdings darzulegen, weshalb dessen Ausführungen von höherer Überzeugungskraft sein sollen als die fachärztlichen Stellungnahmen in den gerichtlichen Gutachten. Zudem hat der Allgemeinarzt H. in seiner Zeugenauskunft vom 14.12.2010 nicht mehr die Auffassung vertreten, W. R. sei an den Folgen eines Schädelhirntraumas verstorben.
67 
Schließlich ist auch dem Einwand der Klägerin, der erstinstanzliche Spruchkörper sei nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, nicht zu folgen. Wie sich aus der Mitteilung des SG im Berufungsverfahren ergibt, war der zunächst geladene ehrenamtliche Richter verhindert und daher die Nachladung des Vertretungsrichters geboten.
68 
Die Berufung der Klägerin war nach alledem mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.
69 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 26. März 2015 - L 6 U 5279/14

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 2 Versicherung kraft Gesetzes


(1) Kraft Gesetzes sind versichert 1. Beschäftigte,2. Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,3. Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnliche

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Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


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Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 6 Freiwillige Versicherung


(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern 1. Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfisch

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(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf1.Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,2.Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2

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(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 63 Leistungen bei Tod


(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf 1. Sterbegeld,2. Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,3. Hinterbliebenenrenten,4. Beihilfe.Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Ve

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 71 Witwen-, Witwer- und Waisenbeihilfe


(1) Witwen oder Witwer von Versicherten erhalten eine einmalige Beihilfe von 40 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes, wenn 1. ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht besteht, weil der Tod der Versicherten nicht Folge eines Versicherungsfalls

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(1) Auf Gesuch eines Beteiligten kann die Einnahme des Augenscheins und die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zur Sicherung des Beweises angeordnet werden, wenn zu besorgen ist, daß das Beweismittel verlorengehe oder seine Benutzung erschwer

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Tatbestand 1 Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversic

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Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Sie ist die Witwe des am 8.8.2000 an einem Bronchialkarzinom des rechten Lungenlappens verstorbenen Versicherten. Dieser war von August 1958 bis 31.12.1994 als Schweißer bei einem Werftunternehmer, der Mitglied der Beklagten ist, in Hamburg beschäftigt. Zur Arbeitsausrüstung gehörte ein Kniekissen, in das Asbesttuch eingenäht war. Er schweißte mit hochlegiertem Chrom-/Nickel-Stahl, unlegiertem Stahl und Aluminium. Als Schweißverfahren kamen mit jeweils zu einem Drittel das Wolfram-Inert-Gas-Schweißen, das Lichtbogenhandschweißen mittels Stabelektrode und das Metall-Aktiv-Gas-Schweißen mit Fülldraht-Elektrode zur Anwendung, eingesetzt wurden thoriumhaltige Zündelektroden und "Thermanit-X-Elektroden".

3

Der Versicherte teilte der Beklagten unter dem 23.12.1999 mit, bei ihm sei im Oktober 1999 ein Lungentumor festgestellt worden. Er habe zeitlebens nicht geraucht und bringe die Erkrankung mit seiner Arbeit als Schweißer in Verbindung. Die Beklagte forderte noch im Juli 2000 von dem behandelnden Hausarzt des Versicherten Dr. K. eine Benachrichtigung für den Fall der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten an. Am 8.8.2000 ist der Versicherte an dem Lungentumor verstorben. Am 31.8.2000 erhielt die Beklagte die Nachricht, der Versicherte sei ohne vorherige Sektion eingeäschert worden. Die Beklagte lehnte die "Gewährung von Witwenrente" im Hinblick auf die Berufskrankheiten (BKen) 1103, 4104 und 4109 an die Klägerin ab (Bescheid vom 23.1.2001, Widerspruchsbescheid vom 1.6.2001).

4

Die Klägerin hat bei dem Sozialgericht (SG) Itzehoe Klage erhoben (S 1 U 71/01). Während des Verfahrens hat die Beklagte die Feststellung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente auch im Blick auf eine inzwischen geprüfte BK 2402 abgelehnt (Bescheid vom 7.12.2001, Widerspruchsbescheid vom 15.3.2002). Die auch hiergegen erhobene Klage (S 1 U 32/02) hat das SG mit dem schon anhängigen Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 24.2.2003).

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Ablehnungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK 1103, BK 4109 und BK 2402 ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente zu zahlen. Hingegen hat es die Berufung zurückgewiesen, soweit die Verurteilung zur Zahlung von Hinterbliebenenrente aufgrund einer BK 4104 begehrt wurde (Urteil vom 13.9.2007). Die Klägerin habe Anspruch auf Hinterbliebenenrente, da der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten sei. Zwar liege keine der genannten Listen-BKen monokausal vor, es sei aber anzunehmen, dass die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest im Sinne einer Synkanzerogenese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Bronchialkarzinom beim Versicherten verursacht hätten und er infolge der anerkannten BKen verstorben sei.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die schädigenden Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid, ionisierende Strahlen sowie Asbest stellten keine BK dar. Lediglich für das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) sei eine Dosis-Wirkungs-Beziehung festgelegt. Zwar gebe es Hinweise in der medizinischen Wissenschaft, dass auch das Zusammenwirken anderer Stoffe karzinogene Wirkung habe. Welche Stoffe im Einzelnen mit welcher Dosis eingewirkt haben müssten, damit sie im Zusammenwirken einen Lungenkrebs hervorrufen könnten, sei wissenschaftlich aber noch nicht geklärt. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R) die Einwirkungen der BKen 2108 und 2110 zusammengefasst habe, könne dies nicht auf den Fall des Zusammenwirkens von vier Arbeitsstoffen übertragen werden. Im Übrigen habe das LSG die Berufung hinsichtlich der BK 4104 zurückgewiesen, aber die Einwirkungen durch Asbest in die Berechnung des Risikos des Versicherten einbezogen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. September 2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Februar 2003 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht, soweit es das Urteil des SG und die ablehnenden Entscheidungen in den Bescheiden der Beklagten vom 23.1.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2001 sowie vom 7.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente aufgrund einer Gesamtbetrachtung der BKen 1103, 4109 und 2402 zu zahlen. Ob die Klägerin aufgrund einer der BKen 1103, 4109 oder 2402 oder mehrerer von diesen einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da das LSG hierzu die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat.

11

1. Nach § 63 Abs 1 SGB VII haben Hinterbliebene ua Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Nach § 7 Abs 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen. Beim Versicherten konnten als Versicherungsfall nur BKen vorgelegen haben.

12

Bei BKen ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1 - juris RdNr 15; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15) . Jeder dieser Versicherungsfälle kann iS des § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen.

13

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen eines Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK 4104, weil dieser nicht vorgelegen hat (a). Es hat auch nicht der Versicherungsfall einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination von mehreren Listen-BKen (b) oder der Versicherungsfall einer Wie-BK vorgelegen (c). Ob der Versicherte an den Folgen des Versicherungsfalls einer Listen-BK 1103 oder 4109 oder 2402 (§ 9 Abs 1 SGB VII iVm der Anlage 1 zur BKV) verstorben ist (d), kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weshalb das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist.

14

a) Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14) .

15

Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-BKen kommt im Falle des Versicherten, der als Schweißer gearbeitet hat, berufsbedingt den Stoffen Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest ausgesetzt war und an einem Lungentumor verstorben ist, ein Versicherungsfall nach folgenden BK-Tatbeständen in Betracht:

Nr 1103:

Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen

Nr 2402:

Erkrankungen durch ionisierende Strahlen

Nr 4104:

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder
- in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder
- bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren

Nr 4109:

Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen

16

Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (zu den anderen Listen-BKen unten d).

17

b) Entgegen der Auffassung des LSG ist der Versicherte nicht infolge eines Versicherungsfalls einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination der Listen-BKen 1103, 4109 und 2402 verstorben.

18

Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass das LSG nicht nur die BKen 1103 und 4109, sondern - ausweislich des Tenors - auch die BK 2402 bejaht hat. Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie das LSG die Verursachungswahrscheinlichkeit gemeinsam für die BKen 1103, 2402 und 4109 errechnet hat, zu beanstanden ist.

19

Es widerspricht dem Bundesrecht, wenn die Verwaltung oder die Gerichte Tatbestände mehrerer Listen-BKen zu einer neuen Gesamt-BK verbinden. Zur Bezeichnung einer neuen (Listen-)BK ist nur die Bundesregierung als Verordnungsgeberin - mit Zustimmung des Bundesrates - ermächtigt (§ 9 Abs 1 SGB VII) und neben diesem Listenprinzip gibt es nur die sog Öffnungsklausel unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII.

20

Indem der Verordnungsgeber mit Wirkung zum 1.7.2009 durch Art 1 Nr 3 Buchst d der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I, 1273) einen BK-Tatbestand geschaffen hat, der nun eine Erkrankung nach schädigenden Einwirkungen zweier synkanzerogen wirkender Stoffe als Versicherungsfall bezeichnet (BK 4114: Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die eine Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 vH nach Anlage 2 der BKV begründet), wird deutlich, dass er durchaus auch die berufsbedingte Verursachung einer Erkrankung durch das Zusammenwirken verschiedener gefährdender Stoffe als BK bezeichnen kann.

21

In dem Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 8) zum Verhältnis der BKen 2108 und 2110 hat der Senat "nicht eine aus den Tatbeständen der Nr 2108 und 2110 zusammengesetzte neue BK gebildet, sondern dem Umstand Rechnung getragen, dass in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung die Tatbestandsvoraussetzungen beider BKen (nebeneinander) vorliegen" (RdNr 18). Soweit Mell in seiner Anmerkung zu dem Urteil (SGb 2007, 562 f) von einer "Verklammerung" des BK-Geschehens schreibt, ändert dies nichts an der getrennten Betrachtung beider BKen durch den Senat. Klarzustellen ist jedoch, dass bei einem Versicherten, der an einer Krankheit leidet, die Gegenstand mehrerer BKen ist, wenn er zudem Einwirkungen ausgesetzt war, die von jeder dieser BKen erfasst werden, schon nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu prüfen ist, ob die Einwirkungen die in der BK bezeichnete Erkrankung verursacht haben. Diese Einwirkungen können nicht isoliert gesehen werden, sondern sind sich wechselseitig beeinflussende konkurrierende Ursachen (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 16) . Ob der Tod des Versicherten in diesem Sinne wesentlich durch die Einwirkungen nach einer der möglichen BKen Nr 1103, 2402, 4109 verursacht wurde, hat das LSG jedoch nicht geprüft (siehe nachfolgend d).

22

c) Der Versicherte ist auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK (§ 9 Abs 2 SGB VII) verstorben.

23

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat nicht gehindert, über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente wegen einer Wie-BK zu entscheiden (aa). Zum maßgeblichen Zeitpunkt (bb) hat beim Versicherten der Versicherungsfall einer Wie-BK nicht vorgelegen (cc), denn die Voraussetzungen für die Bezeichnung der Erkrankung Lungenkrebs infolge der gemeinsamen Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbeststaub in der Anlage zur BKV als BK waren nicht gegeben.

24

aa) Der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand umfasst das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint.

25

Die Beklagte verweist zu Unrecht auf die Rechtslage, die gilt, wenn ein Versicherter selbst die Feststellung eines Versicherungsfalls einer BK durch die Verwaltung begehrt oder Versicherungsansprüche gegen sie erhebt. Dabei bilden jede Listen- und jede Wie-BK jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der zuständige Träger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat. Die Feststellung des Versicherungsträgers, eine BK liege vor oder nicht vor, kann sich wegen der völlig verschiedenen Voraussetzungen der Listen-BKen in der Anlage zur BKV untereinander und den dazu und untereinander ebenfalls völlig unterschiedlichen Voraussetzungen der eventuell zu prüfenden Wie-BKen nach § 9 Abs 2 SGB VII immer nur auf einzelne Listen- oder Wie-BKen beziehen. Daher kann der Versicherte eine Anfechtungsklage nur gegen einen Verwaltungsakt erheben, mit dem der Versicherungsträger die Feststellung einer bestimmten BK oder Wie-BK (oder mehrerer solcher Versicherungsfälle) abgelehnt hat (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13 RdNr 12; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15 f) .

26

Anders ist die Rechtslage bei Hinterbliebenen, die ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Träger geltend machen. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII) , dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht. Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Auch hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Blick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils nur einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

27

bb) Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Versicherte verstorben ist.

28

Der Senat hat zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssen sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei (BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253; BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - juris RdNr 17) .

29

Dies ist aber auf die Rechte der Hinterbliebenen eines Versicherten nicht übertragbar, weil sie aus dessen letzter Rechtsstellung abgeleitet sind. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII muss der Tod des Versicherten "infolge eines Versicherungsfalls eingetreten" sein. Der Todestag des Versicherten ist der späteste Zeitpunkt, an dem er einen Versicherungsfall erlitten haben kann.

30

cc) Der Versicherte ist am 8.8.2000 nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK verstorben.

31

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27) . Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f) .

32

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 12 RdNr 23) . Im vorliegenden Fall kommt es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 8.8.2000 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierender Strahlung gemeinsam verursacht worden ist, in die Liste der BKen aufzunehmen war. Dies ist indes nach den Feststellungen des LSG, das eine Auskunft des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingeholt hat, nicht der Fall (vgl im Übrigen: Schneider, ASUMed 2008, 326; Ergebnisse des Fachgesprächs "Synkanzerogenese" in der BG Akademie Hennef am 25./26.11.2005, BGFA-Info 01-06, S 17; Thomas Brüning, SYNERGIE - ein Beitrag zur Klärung der Synkanzerogenese - fordert vor der BGFA der DGUV am 27.1.2009 die Einrichtung epidemiologischer Datenbanken zur Beurteilung der synkanzerogenen Wirkung von Stoffen wie Asbest, PAK, Chrom und Nickel; http: www.igf-bbg.de/schlema6/tag2/Brüning_BGFA.pdf ; Pesch, Weiss, Westphal, Brüning, Berufliche Chrom- Exposition und Lungenkrebsrisiko, BGFA, August 2008, S 23) .

33

d) Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage zur BKV, der durch das Miteinwirken des Listenstoffes als wesentliche Teilursache für die Erkrankung des Versicherten verursacht wurde, eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

34

Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte berufsbedingt schädigenden Einwirkungen ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den angeführten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe monokausal die haftungsbegründende Kausalität verneint. Keiner der Stoffe hat allein die in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht. Für die BK 1103 ist eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich, einer solchen Dosis ist der Versicherte bei weitem nicht ausgesetzt gewesen. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen (Bql, mSv) die Verursachungswahrscheinlichkeit in Prozent ermittelt, die beim Versicherten maximal 23 vH erreicht hat. Bei der BK 4109 ist eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich, die ebenfalls nicht - auch nicht iS des Halbwerts - erreicht worden ist.

35

Eine dieser Listen-BKen liegt aber nicht nur dann vor, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon monokausal die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 ff) .

36

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - juris RdNr 12) .

37

Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffs nicht die im BK-Tatbestand genannten Einwirkungsvoraussetzungen - so wie hier der Asbest die 25 Faserjahre nach der BK 4104 Alternative 3 (siehe oben a) -, können sie zwar die anerkannte Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung dieser BK scheidet aber aus, weil die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestandes nicht gegeben sind.

38

Für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele. Ist ein Listenstoff in diesem naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg iS eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 14/90 - juris RdNr 21; Becker in MedSach 2005, 115) .

39

3. Auf die Revision der Beklagten ist die Entscheidung des LSG, die § 9 SGB VII verletzt, aufzuheben. Der Rechtsstreit ist an das LSG zurückzuverweisen, damit geklärt werden kann, ob die Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid oder ionisierende Strahlung unter Einbeziehung der Einwirkungen von Asbest zusammen oder - wenn nicht alle - ob möglicherweise mehrere dieser Listenstoffe gemeinsam den Lungenkrebs des Versicherten im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht haben. Ist dies anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK 1103 oder BK 2402 oder BK 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG aaO) . Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. Hierzu hat das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sodass der Senat nicht abschließend entscheiden konnte.

40

Dagegen steht für die abschließende Entscheidung des LSG bindend fest, dass bei dem Versicherten keine BK 4104, keine Gesamt-BK aus einer Kombination der BKen 1103, 2402, 4109 und keine entsprechende Wie-BK vorgelegen hat.

41

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der tödliche Verkehrsunfall des Ehemanns der Klägerin vom 14.11.2007 als Wegunfall anzuerkennen ist und der Klägerin daher Hinterbliebenenleistungen zustehen.
Der 1967 geborene Ehemann, F. H. (im Folgenden: FH), der Klägerin war am 14.11.2007, dem Tag des Verkehrsunfalls, als Maschinenschlosser bei der F GmbH, V., (heute: P. GmbH, M.) beschäftigt. FH wohnte zum damaligen Zeitpunkt mit der Klägerin, die als Krankenschwester im Universitätsklinikum M., seit 01.01.1995 beschäftigt war, in H. Am Mittwoch, den 14.11.2007 verließ FH mit der Klägerin gegen 6.45 Uhr die eheliche Wohnung, um zunächst die Klägerin, die ebenso wie der Kläger um 7.30 Uhr ihre Arbeit anzutreten hatte, zum Klinikum M. zu bringen. Dort kamen sie gegen 7.10 Uhr an (vgl. Sitzungsniederschrift vom 07.10.2009, Bl. 42 SG-Akte). Kurz vor 7.28 Uhr verunfallte der Kläger mit seinem Pkw Escort, in V. im Einmündungsbereich der G.-H.-B.-Straße/L 3111, ca. 400 m (Luftlinie) von seinem Arbeitsplatz in V., entfernt. Er verstarb an den Folgen des Unfalls (Schädel-Hirn-Trauma) am selben Tag im Klinikum M, wobei die tödlichen Verletzungen schon bei dem ersten Zusammenstoß mit dem aus Richtung Süden auf der L 3111 fahrenden Lkw, bei dem die ganze Fahrerseite eingedrückt wurde, entstanden (Bl. 12 Ermittlungsakte-Akte der Staatsanwaltschaft Darmstadt, im Folgenden: Ermittlungsakte). Um 7.28 Uhr wurde der Polizeistelle L.-V. ein schwerer Verkehrsunfall in V., Höhe B.-Tankstelle, gemeldet (Bl. 2 Ermittlungsakte). In der Verkehrsunfallanzeige vom 14.11.2007 nahm Polizeikommissar (PK) K. aufgrund der Aussagen der beiden am Unfall beteiligten Lkw-Fahrer auf, FH sei von der G.-H.-B.-Straße nach links in die L 3111 eingebogen und habe die Vorfahrt des sich aus südlicher Richtung nähernden Lkws missachtet. Infolge des Zusammenstoßes sei FH auf den Fahrstreifen des Gegenverkehrs geschleudert worden und dort mit dem aus Richtung Norden herannahenden Lkw kollidiert. In seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 19.12.2007 gab der aus Norden kommende Lkw-Fahrer, R. S., an, er sei auf der L 3111 von H. in Richtung Autobahn 659 gefahren und habe beobachtet, wie ein Pkw von ihm aus gesehen links von einer Seitenstraße auf die L 3111 zufuhr (Bl. 23 Ermittlungsakte). Der Fahrer habe kurz angehalten und sei dann nach links auf die L 3111 in Richtung Autobahn eingebogen. Der auf der L 3111 aus Richtung Autobahn kommende Lkw habe nach links ausweichen müssen und sei in die linke Fahrzeugseite des Pkw geprallt. Durch den Aufprall sei der Pkw auf seine Fahrbahn, direkt vor seinen Lkw geschleudert worden. Er gehe davon aus, dass der Fahrer des Pkw den Lkw übersehen habe. Im Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. R. F. vom 11.01.2008 wird u.a. darauf hingewiesen, dass keineswegs ausgeschlossen werden könne, dass FH ohne anzuhalten in die L 3111 eingefahren sei. Eine Unfallskizze wurde nicht erstellt (hierzu kritisch auch Oberstaatsanwalt A., Bl. 61 Ermittlungs-Akte), die genaue Position des Fahrzeugs von FH zum Zeitpunkt der ersten Kollision wurde nicht ermittelt.
Ohne den Fahrer des aus Richtung Süden kommenden, mit dem Pkw von FH zuerst kollidierenden Lkws, M. Sch., polizeilich als Zeugen oder Beschuldigten zu vernehmen (vgl. handschriftlicher Vermerk vom 23.07.2008, Bl. 76 Ermittlungsakte), stellte die Staatsanwaltschaft Darmstadt das gegen ihn wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitete Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 18.02.2008 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung ein. In den Gründen hierzu wird ausgeführt, FH sei nach links in die L 3111 eingebogen und habe dabei offenbar den mit rund 50 km/h herannahenden Lkw des Beschuldigten übersehen.
Unter dem 11.03.2008 kam der Berufshelfer der Beklagten aufgrund seiner Vorortermittlungen zu dem Ergebnis, der direkte Weg von M. kommend zur „Unfallfirma“ wäre die L 3111 gewesen bis zum Kreisel in Höhe O., wo nach links abzubiegen gewesen wäre, um sodann im Kreuzungsbereich O/F-H.-Straße nach rechts abzubiegen und nach wenigen Metern in der V.str. zu sein. Im Kreuzungsbereich G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Straße befinde sich eine B.-Tankstelle sowie eine Waschstraße. Von dort wäre auch nach Navigationsgerät der direkte Weg Fahrtrichtung rechts gewesen. Nach wenigen Hundert Metern hätte man dann im Kreisel nach links in die O. abbiegen können. Der Gesamtweg ab Unfallstelle betrage nach Tacho 500 Meter. Der Kreuzungsbereich, an dem sich der Unfall ereignet habe, sei verkehrstechnisch problematisch, da sich auf der L 3111 zwar eine Ampelsteuerung befinde, auf der untergeordneten Straße hingegen nicht. Dort sei lediglich ein „Stop“-Schild. Das Abbiegen nach links gestalte sich insbesondere bei schlechten Straßen-, Licht- und Witterungsbedingungen risikobehaftet. Biege man dort nach links ab auf die L 3111, sei die erste Abbiegemöglichkeit an der großen Kreiselkreuzung mit teilweisen separaten Abbiegespuren. Nach Durchquerung des Kreisels müsse in die W.str. abgebogen werden, danach in die F.-H.-Straße links, nach wenigen Metern erreiche man die V.str.. Der Gesamtweg betrage hierbei das Vierfache, nach Tacho genau 2,1 km. Ein Abbiegen vor dem großen Kreisel sei wegen eines großen Logistik-Centers und der baulichen Eingrenzungsmaßnahmen an der L 3111 nicht möglich.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts unternahmen am 19.03.2008 Vertreter der Beklagten, die Klägerin und deren Schwester einen Vororttermin. Hierbei legte die Klägerin einen Kontoauszug vom 26.11.2007 vor, der eine Lastschrift zugunsten der A. di N.--Tankstelle vom 13.11.2007 in Höhe von 22,10 Euro ausweist. Außerdem gaben die Klägerin und deren Schwester an, dass FH ein äußerst riskanter Fahrer und es für ihn üblich gewesen sei, bei dem Weg zur Arbeit neben der Landstraße die parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße zu benutzen, um quasi rechts zu überholen. Die Schwester der Klägerin berichtete, schon mehrfach FH auf seinen Fahrstil angesprochen und mit ihm auch schon eine Auseinandersetzung gehabt zu haben, die im Ergebnis dazu geführt habe, dass sie nicht mehr mit ihm habe Autofahren wollen. Die Klägerin bestätigte, dass der morgendliche Berufsverkehr auf der L 3111 oft zähfließend sei.
Nachdem ein Mitarbeiter der Beklagten die Strecke wiederholt persönlich abgefahren war und die Schilderungen der Klägerin und ihrer Schwester für nachvollziehbar und glaubwürdig hielt, schlug er vor, den Arbeitsunfall anzuerkennen, da sich ein Abweg nicht beweisen lasse (Bl. 121 V-Akte). Im Zuge weiterer Ermittlungen holte die Beklagte Auskünfte bei R. S. und M. Sch. ein. Während R. S. auf die Frage, in welche Fahrtrichtung FH von der G.-H.-B.-Straße aus einbiegen wollte, angab, dieser habe nach links, Richtung Autobahn abbiegen wollen, zeichnete M. Sch. auf dem ihm übersandten Bild 1 den Pkw von FH in voller Fahrzeugbreite auf dem von Süden aus gesehen rechten Fahrstreifen der L 3111 ein, der vom Pkw ausgehende Pfeil weist nach links (Bl. 143 V-Akte). Nach den Einzeichnungen auf Bild 2 ist FH weder auf der Links- noch auf der Rechtsabbiege-, sondern auf der Gegenspur in den Kreuzungsbereich eingefahren; die Kühlerhaube des Fahrzeuges weist nach Norden, der Pfeil hingegen deutet ein Abbiegen nach Süden an (Bl. 144 V-Akte).
Mit Bescheid vom 05.06.2008 stellte die Beklagte fest, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht bestehe. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse sei erwiesen, dass FH im Kreuzungsbereich nach links auf die L 3111 habe abbiegen wollen. Da er sich in entgegengesetzter Richtung zu der in der V.str. befindlichen Arbeitsstätte bewegt habe, sei der innere Zusammenhang des Weges mit der Tätigkeitsaufnahme abgebrochen. Der Verkehrsunfall sei daher dem privaten Risikobereich des FH zuzuordnen. Das Linksabbiegen auf die L 3111 könne nicht dem Zurücklegen des Weges zur versicherten Tätigkeit gedient haben und stehe daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2009 zurück. Zur Begründung wurde nochmals besonders auf die Zeugenaussagen der beiden beteiligten Lkw-Fahrer verwiesen, wonach FH eindeutig nach links auf die L 3111 habe abbiegen wollen. Wäre er nach rechts in Richtung seines Arbeitgebers abgebogen, dann wäre sein Wagen nicht vom ersten Lkw auf der linken Seite erfasst und auf die rechte Gegenfahrbahn in Fahrtrichtung Süden geschleudert worden. FH habe objektiv gesehen nicht mehr die Absicht verfolgt, zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen.
Am 06.02.2009 hat die Klägerin hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, FH habe die G.-H.-B.-Straße und dann auf Höhe der W.-v.-B.-Straße die für den Gegenverkehr gedachte Spur in entgegengesetzter Fahrtrichtung in Richtung L 3111 befahren. Die Linksabbiegespur habe er nicht benutzt.
10 
Das SG hat PK K., die Schwester der Klägerin, K. B., R. S. und M. Sch. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.10.2009 als Zeugen vernommen. Polizeikommissar K. hat hier angegeben, M. Sch. habe an der Unfallstelle ausgesagt, der Pkw habe nach links in Richtung Bundes-Autobahn (BAB) 659 abbiegen wollen. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe es keine Baustellen oder Sperrungen gegeben, die ein Linksabbiegen erforderlich gemacht hätten. Ihm, dem Zeugen, seien auch keine Schleichwege oder verbotswidrige Abbiegemöglichkeiten, die ein schnelleres Erreichen der V.str. ermöglichten, bekannt. Ob einer der Zeugen von einem Blinker oder Blinkvorgang gesprochen habe, erinnere er nicht mehr. K. B. hat ausgesagt, FH habe einen sehr sportlichen Fahrstil gehabt und sich zum Hobby gemacht, auf dem schnellsten und kürzesten Weg von A nach B zu kommen. FH sei eher der pünktliche Typ, er sei zuverlässig gewesen. Hin und wieder habe FH darüber berichtet, eine neue Abkürzung gefunden zu haben, wobei es sich eher um eine allgemeine, nicht auf den Arbeitsweg bezogene Aussage gehandelt habe. R. S. hat erklärt, er sei auf der L 3111 in Richtung BAB 659 gefahren. Er habe gesehen, dass ein Pkw von links rausgezogen und ein Lkw in ihn reingefahren sei. Der Pkw sei ihm dann vor das Auto geschoben worden und er sei auch noch mal reingefahren. Die Frage, ob sich der Pkw auf der Links- oder Rechtsabbiegespur oder gar auf der Gegenspur befunden habe, vermochte der Zeuge ebenso wenig zu beantworten wie die Frage, ob er einen Blinker gesehen habe. Er wisse auch nicht, ob der Pkw angehalten habe oder durchgezogen sei. Er habe ihn erst gesehen, als er reingezogen sei. Die Frage, ob er sicher sei, dass der Pkw nach links habe abbiegen wollen, hat der Zeuge bejaht. Sonst wäre der Unfall ja gar nicht auf diese Art und Weise passiert. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Pkw vielleicht die Kreuzung hätte schneiden wollen, da der Lkw den Pkw ansonsten an anderer Stelle erfasst hätte. M. Sch. hat angegeben, der Unfall habe direkt am Anfang der Einmündung in die D.-W.-Allee auf seiner Fahrspur stattgefunden. Er vermute, der Pkw sei aus der D.-W.-Allee oder gar aus der Einmündungsspur der G.-H.-B.-Straße hinter den Büschen der Einmündung hervorgekommen und habe noch vor ihm und dem aus der Gegenrichtung kommenden Lkw heraus in Richtung BAB 659 einfahren wollen. Einen Blinker habe er nicht gesehen. Der Pkw müsse auch nicht auf seiner Spur gewesen sein, er müsse die Linkskurve recht eng genommen haben und recht schnell gewesen sein. Er wisse nicht, wo der Pkw hergekommen sei. Er sei sich relativ sicher, dass der Pkw nach links habe abbiegen wollen, da er ihn sonst an einer anderen Stelle getroffen hätte. Es sei relativ wenig Verkehr auf der L 3111 gewesen.
11 
Mit Urteil vom 07.10.2009 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Sterbegeld und Hinterbliebenenrente zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass FH von der G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Allee kommend links auf die L 3111 in südlicher Richtung eingebogen sei. Hätte FH nach rechts auf die L 3111 in nördlicher Richtung abbiegen wollen, hätte sich der Kollisionspunkt weiter nördlich befunden und der Lkw des Zeugen Sch. wäre nach der Kollision weiter nördlich, also am Ende des Einmündungsbereichs der G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Allee zum Stehen gekommen. Die Klägerin habe jedoch den Vollbeweis dafür erbracht, dass die Handlungstendenz von FH darauf gerichtet gewesen sei, seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Gegen eine private Handlungstendenz sprächen mehrere Indizien, nämlich zum einen der Unfallzeitpunkt kurz vor Arbeitsbeginn, zum anderen der Unfallort, der in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstelle von FH gelegen habe, des Weiteren die Charaktereigenschaft von FH, pünktlich und zuverlässig zu sein. Allein aus dem Umstand, dass FH habe links abbiegen wollen, könne nicht geschlossen werden, dass sich seine subjektive Handlungstendenz geändert hätte. Dem Versicherten stehe es grundsätzlich frei, welchen Weg er wähle, er müsse nicht die kürzeste oder gar die schnellste Strecke wählen. Auch wenn FH links abgebogen sei, hätte er auf diesem Weg seine Arbeitsstätte erreicht. Allein die Tatsache, dass der Weg in südlicher Richtung ca. 1,5 km weiter gewesen wäre als der Weg in nördlicher Richtung führe nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Verlängerung der Wegstrecke privat veranlasst gewesen wäre. Dafür, dass FH einen der hier möglichen vier Anfahrtspunkte (Tankstelle, M. D., B. K., I & M B.) hätte ansteuern wollen, fehlten jegliche Anhaltspunkte. Gänzlich unberücksichtigt habe die Beklagte den Umstand gelassen, dass FH aufgrund des nahenden Arbeitsbeginns möglicherweise den Grünstreifen zwischen der L 3111 und der W.-v.-B.-Straße hätte überfahren wollen, um so noch schneller zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.
12 
Gegen das ihr am 25.11.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.12.2009 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, es müsse der volle Nachweis dafür erbracht werden, dass ein Abweichen von der kürzeren Wegstrecke auf Umstände zurückzuführen sei, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen seien, oder dass ein vom Versicherungsschutz erfasster Weg von oder zu einem sogenannten dritten Ort befahren worden sei. Im Hinblick auf die Bepflanzung des Grünstreifens zwischen der L 3111 und der W.-v.B.-Straße und insbesondere wegen der unterschiedlichen Höhenlagen der beiden Straßen sei eine Abbiegemöglichkeit von der L 3111 in die W.-v.B.-Straße nicht möglich. Dies sei entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil durchaus von der Beklagten geprüft worden. Unterstellt, FH habe tatsächlich die G.-H.-B.-Straße und nicht die D.-W.-Allee befahren, so sei dies ein Indiz dafür, dass er tatsächlich nach links habe abbiegen wollen. Da nach der Aussage des Zeugen Sch. wenig Verkehr auf der L 3111 gewesen sei, habe kein Anlass bestanden, die G.-H.-B.-Straße zu benutzen, um schneller zur Arbeit zu kommen. Das Befahren dieser Straße und des anschließenden Kreuzungsbereichs habe aber die erste Gelegenheit geboten, um nach links in die L 3111 in südliche Richtung abzubiegen, nachdem ein Wenden auf der L 3111 auch für einen Fahrer mit sportlichem Fahrstil kaum möglich gewesen sein dürfte.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Oktober 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
15 
hilfsweise, die Zeugen Sch. und Sch. erneut zu vernehmen zum Beweis dafür, dass der Ehemann der Klägerin zum Unfallzeitpunkt im Begriff war nach links abzubiegen,
16 
weiterhin hilfsweise, die vollständigen Unterlagen des Ingenieurbüros E., F. und S. über die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle beizuziehen zur Klärung der Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem Lkw des Herrn Sch. und des Pkw des Ehemanns der Klägerin sowie zur Klärung der Fahrtrichtung des Pkw des Ehemanns der Klägerin,
17 
weiterhin hilfsweise, ein verkehrstechnisches Sachverständigengutachten einzuholen zur exakten Ermittlung der Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem Lkw des Herrn Sch. und dem Pkw des Ehemanns der Klägerin sowie zur Klärung der Fahrtrichtung des Pkw des Ehemanns der Klägerin zum Unfallzeitpunkt,
18 
weiterhin hilfsweise, ein verkehrstechnisches Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis dafür, dass ein Ausscheren nach links die Geschwindigkeit des Pkw des Ehemanns der Klägerin bei einem angenommenen Rechtsabbiegen nicht erhöht, sondern verlangsamt hätte,
19 
weiterhin hilfsweise, die Revision zuzulassen.
20 
Die Klägerin beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Sie hat zur Begründung geltend gemacht, die Anfahrtspunkte M. D., B. K. und I & M B. seien mindestens zehn Autominuten entfernt gewesen. Hätte der Kläger sich auf dem Weg dorthin befunden, hätte er nicht pünktlich um 7.30 Uhr die Arbeit aufnehmen können. Die Zeugenaussagen hätten nicht zweifelsfrei bestätigt, dass FH nach links habe abbiegen wollen. Einen Blinker habe keiner der Zeugen gesehen. Die Zeugen hätten auch nur vermutet, dass FH die G.-H.-B.-Straße befahren habe. Mit Schriftsatz vom 19.10.2011 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, FH habe sie am Unfalltag um 7.10 Uhr im Krankenhaus abgeliefert. Sie habe noch Zeit für eine Tasse Kaffee vor Arbeitsbeginn um 7.30 Uhr gehabt. FH habe niemals vor Arbeitsbeginn, sondern erst zur Frühstückspause um 9.00 Uhr gefrühstückt. In der Regel habe er sich hierfür belegte Brote von zu Hause mitgebracht. Er sei sehr sparsam gewesen und habe sich nie etwas zu Essen oder Trinken auf dem Weg zur Arbeit gekauft. Gelegentlich habe er sich in der Cafeteria seines Arbeitgebers etwas zum Essen oder Trinken und manchmal einen Kamillentee auf der Arbeitsstelle gekauft. Kaffee habe er nicht getrunken. Zu M. D. sei er grundsätzlich nicht zum Essen gegangen. In all den Jahren habe er niemals sein Frühstück auf dem Weg zur Arbeit eingenommen. Vom Klinikum M. zu seiner Arbeitsstelle habe FH nach Routenplaner 19 Minuten benötigt.
23 
Der Senat hat bei der P. GmbH die Arbeitszeitnachweise für FH für den Zeitraum von Juni bis November 2007 beigezogen. Hieraus ergibt sich, dass FH am 11.07., 10. und 18.09.2007 um 7.31 Uhr, an allen anderen Tagen hingegen um 7.30 Uhr oder früher seine Arbeit begonnen hat. Sie hat ergänzend mitgeteilt, der späteste Arbeitsbeginn für FH am Unfalltag wäre auch um 7.30 Uhr gewesen, einen späteren Arbeitsbeginn habe er nicht angekündigt. Betriebliche Verpflichtungen vor 7.30 Uhr außerhalb des Firmengeländes hätten nicht bestanden.
24 
Nach telefonischer Auskunft von PK K. könne nicht mit einem Pkw von der D.-W.-Allee schräg diagonal über die L 3111 in die W.-v.B.-Straße gefahren werden. Dem stünden der Ampelpfosten, die ca. 17 cm hohe Straßenrandbefestigung sowie die zur W.-v.B.-Straße hin abfallende Straßenböschung entgegen (vgl. Aktenvermerk vom 21.10.2011). Er hat hierzu eine Lichtbildmappe vorgelegt (Anlage zu Bl. 52 Senatsakte).
25 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die SG-Akte, die Senatsakte, die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft Darmstadt sowie die vorgelegte Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Sterbegeld und Hinterbliebenenrente bejaht und den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21.01.2009 deshalb aufgehoben.
27 
Dabei ist die Klage - wie vom SG zutreffend festgestellt - als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, obwohl die Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden schon deshalb Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat, weil sie den Verkehrsunfall des bei ihr versicherten FH nicht als Arbeitsunfall anerkannt hat. An einer vom Senat überprüfungsfähigen verwaltungsbehördlichen Entscheidung über die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen fehlt es gleichwohl nicht. Anders als ein Versicherter, der im Falle eines Arbeitsunfalls zunächst dessen Feststellung bzw. darauf aufbauend die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Folge dieses Arbeitsunfalls und erst im Anschluss Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder Verletztenrente beantragen kann (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert nach juris), ist ein Hinterbliebener nicht verpflichtet, die Grundlagen der in Frage kommenden Hinterbliebenenleistungen vorab im Wege einer Feststellungsklage klären zu lassen. Denn die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Unfallversicherungsträgers, ein Versicherungsfall, beispielsweise eine bestimmte Berufskrankheit, habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Hieraus folgt, dass der Unfallversicherungsträger nicht befugt ist, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hat und es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und dem folgend Urteil des Senats vom 29.09.2011 - L 6 U 5889/06).
28 
Die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, da der Tod ihres Ehemannes FH Folge des Arbeitsunfalls vom 14.07.2011 gewesen ist.
29 
Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 2, 3, 7, 9, 63, 64, 65 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Hinterbliebene Anspruch auf Sterbegeld (§ 64 SGB VII) und Witwenrente (§ 65 SGB VII), wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist (§ 63 Abs. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist weiter erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Insoweit wird der Kreis der versicherten Tätigkeiten ausgeweitet, es bleibt im Übrigen aber bei den für Arbeitsunfälle geltenden Regeln. Das Zurücklegen des versicherten Weges muss daher der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein.
30 
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nennt als Ziel und Ausgangspunkt des Weges nur den Ort der versicherten Tätigkeit, ohne den anderen Endpunkt des Weges anzugeben. Versichert ist in erster Linie der Weg vom und zum Ort des Lebensmittelpunkts. Ein dritter Ort als Ausgangspunkt und/oder Endpunkt des Weges kommt in Betracht, wenn der Versicherte sich hier zumindest zwei Stunden aufgehalten und dann den Weg zur Arbeit bzw. zum Ort des Lebensmittelpunkts fortgesetzt hat (BSG, Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R - SGb 1999, 81 ff., so auch LSG-Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2011 - L 2 U 4809/10 - zitiert nach juris).
31 
FH hatte die Klägerin zunächst zum Klinikum M., T.-K.-U. 1-3 gebracht und war ohne weiteren Aufenthalt anschließend wieder ein Teilstück zurückgefahren, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Ist der dritte Ort, hier das Klinikum M., wegen einer nicht rechtserheblichen Aufenthaltsdauer lediglich Zwischenort eines einheitlichen Gesamtweges zwischen häuslichem Bereich und Tätigkeitsort, ist der Beschäftigte versichert, wenn und sobald er sich auf einer Wegstrecke befindet, die Teil des direkten Weges vom Ort des Lebensmittelpunkts zum Tätigkeitsort ist. Zur Überzeugung des Senats ist FH vom Klinikum M. auf die BAB 659 Richtung Nord/Osten aufgefahren, um bei der Autobahnausfahrt V.-Ost die Autobahn wieder zu verlassen. Jeder andere Weg wäre nicht nur streckenmäßig länger, sondern auch mit zeitlichen Verzögerungen verbunden gewesen (vgl. Routenberechnung nach www.maps.google.de und Kartenausschnitt Bl. 57 d. Senatsakte). Um kurz vor 7.28 Uhr an der Unfallstelle sein zu können, gab es für FH keine alternative, zumindest gleichschnelle Wegstrecke. Die BAB 659 hätte FH bei der Ausfahrt V. Ost aber auch verlassen, wenn er nicht zunächst nach M. und dann zurück nach V., sondern direkt von der gemeinsamen Wohnung in H. zu seiner Arbeitsstelle gefahren wäre. Er wäre dann zunächst auf der A 5 Richtung Süden gefahren, um am Weinheimer Kreuz auf die BAB 659 Richtung Süd/Westen abzufahren. Auch in diesem Fall hätte er die BAB 659 frühestens an der Anschlussstelle V.-Ost verlassen können. Ab diesem Punkt hat sich FH somit wieder auf der versicherten direkten Wegstrecke befunden.
32 
In Auswertung des Sachverständigengutachtens des Ingenieurbüros E., F. und S., der Zeugenaussagen, der Lichtbilder des PK K.s, der graphischen Darstellungen der Zeugen Sch. und Sch. sowie der Angaben des ehemaligen Arbeitgebers nebst Arbeitszeitnachweisen ist der Senat wie das SG zu der Überzeugung gelangt, dass FH auf diesem direkten Weg zur Arbeit am 14.11.2007 einen Wegeunfall erlitten hat.
33 
Dabei ist zu beachten, dass auch im Falle eines Wegeunfalles die Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallereignisses der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein muss (innerer Zurechnungszusammenhang). Allgemein für Arbeitsunfälle i. S. des § 8 SGB VII gilt, dass bei einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten, wie vorliegend FH, Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit sind und mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang stehen. Weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind, sind jedoch nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstags auf der Arbeitsstätte versichert. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen wie z.B. Essen oder eigenwirtschaftliche Tätigkeiten wie z. B. Einkaufen. Unter Umständen können die Wege an den Ort dieser Verrichtungen allerdings Versicherungsschutz genießen (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand April 2011, SGB VII § 8 Rdnr. 192 ff.). Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalles ist, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsverhältnis dienende Verrichtung ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände bestätigt wird (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262; Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R). Übertragen auf die Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (Zurücklegen des Weges) bedeutet dies, dass als Arbeitsunfall der Weg zur Arbeitsstelle nur dann versichert ist, wenn der Weg zum Tätigkeitsort nach der Handlungstendenz des Betroffenen der Aufnahme einer versicherten Tätigkeit dient und dies durch die objektiven Umstände bestätigt wird (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - zitiert nach juris). Der Beschäftigte steht somit auf dem Weg zum Tätigkeitsort solange unter Versicherungsschutz, als seine Handlungstendenz auf das Erreichen dieses Ziels gerichtet ist (BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - SGb 2004, 490 ff). Unterbricht er den Weg zum Ort der Tätigkeit aus privaten Gründen, ist er grundsätzlich während dieser Zeit nicht versichert (zur Ausnahme der unerheblichen Wegeverlängerung noch nachfolgend). Die Fälle räumlicher Unterbrechung kennzeichnet das Gesetz durch den Begriff des „abweichenden Weges“ (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VII); erfasst werden hiervon sowohl den Versicherungsschutz ausschließende Abwege als auch Umwege. Daneben kann eine zeitliche Unterbrechung ohne Verlassen des versicherten Weges den Versicherungsschutz entfallen lassen, wenn auf dem Weg zur Arbeitsstelle das Zurücklegen des Weges unterbrochen und eine für die Wegezurücklegung nicht erforderliche Handlung eingeschoben wird. Dient diese Tätigkeit privaten Zwecken und ist die Unterbrechung nicht nur von geringfügiger Dauer, ist sie nicht versichert.
34 
Sobald der Versicherte die Zielrichtung des zurückgelegten Weges ändert und seine Handlungstendenz nunmehr nicht mehr abzielt auf die versicherte Tätigkeit, sondern auf eine private Verrichtung, ist ein deshalb eingeschobener Weg als Abweg nicht versichert. Ein solcher liegt nicht vor, wenn der Versicherte die Zielrichtung aus Gründen ändert, die entweder mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder mit dem versicherten Weg (z. B. Verkehrsstau) zusammenhängen. Aus privaten Gründen erfolgte Unterbrechungen sind ohne Rücksicht auf ihren Umfang unversichert (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 8). Der Abweg beginnt mit dem Einschlagen der unversicherten Zielrichtung. Die durch einen Abweg bewirkte Unterbrechung des versicherten Weges endet, wenn sich der Betroffene wieder auf einer Wegstrecke befindet, die er auf seinem Weg zum Tätigkeitsort zurücklegen muss (BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 8).
35 
Anders als Abwege dienen Umwege noch dem Erreichen des ursprünglichen Zieles, der Arbeitsstelle bzw. dem Ort des Lebensmittelpunktes, es wird jedoch die direkte Wegstrecke verlängert. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zählt derunmittelbare Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit zur versicherten Wegstrecke. Dabei ist „unmittelbar“ schon deshalb nicht gleichzusetzen mit „kürzester“, weil eine Differenzierung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht im Gesetz nicht enthalten ist. Die Wahl der Wegstrecke steht dem Versicherten daher in gewissen Grenzen frei, ihm steht insoweit ein subjektiver Entscheidungsspielraum zu (BSGE 4, 219, 222; 57, 222, 224). Der mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Weg muss daher nicht unbedingt mit dem entfernungsmäßig kürzesten Weg zusammenfallen. Wählt der Versicherte statt des kürzesten Weges zur Arbeitsstelle eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke, steht er während des sich dadurch ergebenden Umwegs unter Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort dient (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Dies ist z. B. der Fall, wenn er den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10). Für die Beurteilung, ob die auf das Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort gerichtete Handlungstendenz hinreichend durch objektive Umstände erklärbar ist, ist zu berücksichtigen, wie sich die Lage zur Zeit der Entscheidung aus der Sicht des Versicherten, evtl. unter Zeitdruck, dargestellt hat (BSG, Urteil vom 31.01.1984 - 2 RU 15/83 - zitiert nach juris). Aber auch wenn der Umweg aus privaten Gründen gewählt wird, ist der Versicherungsschutz nicht generell ausgeschlossen, sondern hängt davon ab, ob die dadurch bedingte Verlängerung des Weges erheblich ist. Dies beurteilt sich unter Berücksichtigung der Unterschiede im Zeitbedarf, den Entfernungen und der Verkehrssituation nach den Umständen des Einzelfalles. Ein verhältnismäßig großer Unterschied zum direkten Weg ist bei kurzen Wegen u. U. unschädlich, ein verhältnismäßig kleiner bei langen Wegen u. U. schädlich (vgl. Ricke a.a.O. Rdnr. 205 mit Beispielsfällen aus der Rechtsprechung).
36 
Beweisrechtlich ist weiter Folgendes zu beachten: Lässt sich ein Nachweis der versicherten Tätigkeit nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind indes typische Beweisschwierigkeiten zu berücksichtigen, die sich aus Besonderheiten der versicherten Tätigkeit ergeben. Verunglückt ein Versicherter tödlich unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hat, so entfällt beispielsweise der Versicherungsschutz nur dann, wenn von Seiten des Versicherungsträgers bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R; BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R). Die Ungewissheit hinsichtlich der Motivation des Versicherten geht in diesem Fall zu Lasten des Versicherungsträgers. Denn er trägt bei dieser Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der grundsätzlich versicherten Tätigkeit vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hat (BSG, Urteil vom 26.10.2004, a.a.O.). Auch muss der genaue Unfallhergang nicht bewiesen sein, wenn sonst nachgewiesene Umstände überwiegend auf einen Versicherungsfall hinweisen und die ernsthafte Möglichkeit anderer Geschehensabläufe ausgeschlossen erscheint (BSG, Urteil vom 14.11.1984 - 9 b RU 68/93 - zitiert nach juris; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1982, 763). Bezogen auf Wegeunfälle ergibt sich hieraus, dass im Falle eines erwiesenen Antritts der beschäftigungsmotivierten Wegstrecke der Versicherungsträger für seine Behauptung, der Versicherte habe diese Strecke mit privater Handlungstendenz zurückgelegt, als anspruchsvernichtende Tatsache beweispflichtig ist. Erst nachdem der Versicherte den versicherten Weg verlassen hat, ändert sich die Beweislast. Kann er nicht den Nachweis dafür erbringen, dass seine Handlungstendenz trotz des bereits beschrittenen Abweges/Umweges ausschließlich auf das Erreichen des Tätigkeitsortes gerichtet ist, geht das non liquet zu seinen Lasten (vgl. auch Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 - NZS 2011, 186)
37 
In Anwendung dieser Grundsätze liegt ein infolge der versicherten Tätigkeit erlittener Verkehrsunfall und mithin ein Arbeitsunfall des FH vor. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der tödliche Unfall ereignete.
38 
Der Senat geht dabei von folgenden unstreitigen Umständen aus: FH war zunächst in H. von der gemeinsamen ehelichen Wohnung aufgebrochen, um zunächst seine Ehefrau nach Mannheim zu deren Arbeitsstelle zu fahren und im Anschluss daran zum Beschäftigungsort nach V., V.str. zu gelangen. Dass FH diese Zielsetzung verfolgt hat, ergibt sich in erster Linie aus dem Umstand, dass er bereits ca. 30 km gefahren war (H. – Mannheim 19 km, Mannheim – G.-H.-B.-Straße, V., 11 km), bevor er ungefähr 1,3 bis 1,5 km Fahrstrecke bzw. ca. 400 Meter Luftlinie von seinem Beschäftigungsort entfernt verunglückte. Weitere objektivierbare Tatsache ist die zeitliche Beziehung zwischen dem Unfallzeitpunkt und der arbeitsvertraglichen Verpflichtung für FH, um spätestens 7.30 Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Auch wenn aus den Ermittlungsakten nicht hervorgeht, welcher Zeitraum zwischen dem Unfallereignis und der Benachrichtigung der Polizeistelle in V. gelegen hat, geht der Senat davon aus, dass dies nur wenige Minuten gewesen sein können und somit der Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr unmittelbar bevor stand, als er sich dem Unfallort näherte. Schließlich ist von maßgeblicher Bedeutung, dass FH in den vor dem Unfall liegenden sechs Monaten lediglich an drei Tagen die Arbeit um 7.31 Uhr angetreten hatte, an allen anderen Arbeitstagen aber spätestens um 7.30 Uhr anwesend gewesen ist. Aus den vorgelegten Zeitnachweisen der PSG ergibt sich, dass FH am 12.11.2007 um 7.13 Uhr und am 13.11.2007 um 7.28 Uhr seine Arbeit begonnen hatte. Für den Unfalltag selbst hat die PSG bestätigt, dass spätester Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr gewesen wäre und er einen späteren Beginn nicht angekündigt hatte. Für den Senat besteht daher kein vernünftiger Zweifel, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der Unfall ereignete.
39 
Eine den Versicherungsschutz ausschließende Wegeunterbrechung steht danach nicht fest. Denn erst wenn ein Weg eindeutig von der Arbeit wegführt, ist zu erörtern, ob ein den Arbeitsweg unterbrechender Umweg vorliegt. Dieses Stadium hat aber der festgestellte Weg des FH nicht erreicht. Nach dem gesamten Geschehensablauf (Unfallzeitpunkt, Nähe zum Arbeitsplatz, Pünktlichkeit des FH, weder bei Ehefrau noch Arbeitgeber andere Umstände bekannt) kann weder unterstellt noch angenommen werden, dass er zum Unfallzeitpunkt nicht mehr auf dem Weg zur Arbeit war.
40 
Zunächst liegt der Unfallort - die Kreuzung G.-H.-B.-Straße/L 3111 - auf einer der möglichen Wegstrecken zum Arbeitsplatz des FH. Das hat auch die Beklagte letztlich nicht bestritten. Ob eine andere als die von FH gewählte Wegstrecke kürzer gewesen wäre, ist nämlich rechtlich unbeachtlich (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Es kommt daher nicht darauf an, ob die Strecke, wenn FH nach der Abfahrt von der BAB 659 auf der L 3111 bis zum ersten Kreisel gefahren, dort aber die dritte Ausfahrt in die F.-E.-Straße genommen hätte, von dieser in die W.str. rechts und später in die F.-H.-Straße links und sodann in die V.str. rechts abgebogen wäre, ca. 500 Meter kürzer gewesen wäre. Auch die durch den Berufshelfer der Beklagten ermittelte kürzeste Wegstrecke über die L 3111 mit Abbiegen in die O. kann, da verbotswidrig, nicht als Alternative berücksichtigt werden. Der Senat entnimmt das der telefonischen Auskunft des PK K. vom 18.10.2011. Danach darf auf Höhe O. aus Richtung BAB 659 kommend lediglich von der L 3111 in die A.-F.-Straße nach rechts abgebogen werden, ein Kreisverkehr befindet sich dort nicht.
41 
Die von FH gewählte Strecke war nur unbedeutend länger, diente aber nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort (BSG a.a.O.). FH ist danach zwar nicht auf der L 3111 geblieben, sondern von dieser auf die direkt neben der L 3111 parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße abgebogen, um auf dieser bis fast zu deren Ende zu bleiben und dann wieder auf die L 3111 aufzufahren. Der Senat stützt sich insoweit auf die Zeugenaussagen der beiden am Unfall beteiligten Lkw-Fahrer R. S. und M. Sch.. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Denn aufgrund der feststehenden Zeitpunkte des Erreichens des Klinikums Mannheim um 7.10 Uhr sowie des Eingangs der Unfallmeldung auf der Polizeidienststelle um 7.28 Uhr sind FH weniger als 18 Minuten für das Zurücklegen der Wegstrecke bis zum Unfallort verblieben (Zeitangabe nach www.maps.google.de 14 Minuten). Somit besteht zur Überzeugung des Senats keine andere Streckenalternative oder ein anderer Geschehensablauf.
42 
Der aufgrund der von FH gewählten Fahrstrecke bedingte Umweg führt auch nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes. Die Wegstrecke von der Wohnung zur Arbeitsstelle des FH beträgt bei der zeitschnellsten Route über die BAB 5 und BAB 659 sowie in V. über die F.-E.-Straße, W.str. 11,1 km. Der von FH in V. gewählte Weg über die L 3111, Industriestraße ist im Vergleich zur Streckenlänge insgesamt nur unerheblich länger und zwar unabhängig davon, ob direkt auf der L 3111 zum Ortsende V. gefahren oder die parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße genutzt und damit ein ca. 50 Meter längerer Weg gewählt wird (vgl. den Kartenausschnitt mit Entfernungsangabe im angefochtenen Urteil, UA S. 3). Für FH bestand daher auch auf diesem Streckenabschnitt grundsätzlich Versicherungsschutz.
43 
Selbst wenn die Verlängerung um 500 bzw. 550 Meter nicht unbedeutend wäre, würde das nach der Rechtsprechung des BSG zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch für eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke besteht dann Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort dient (BSG a.a.O.). Das ist dann der Fall, wenn der Versicherte den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10).
44 
Der Senats hat keinen Zweifel daran, dass FH diese Wegstrecke, die immer noch zum Arbeitsort führte, nur gewählt hat, weil sich aus seiner Sicht zumindest die Möglichkeit einer Zeitersparnis ergab. Das belegen die Aussagen der Klägerin und ihrer Schwester. Diese haben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG übereinstimmend bestätigt, dass es sich FH zum Hobby gemacht hatte, auf dem schnellsten und kürzesten Weg von A nach B zu kommen. Somit diente die eingeschlagene Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des FH dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach den Angaben von M. Sch. am Unfalltag kein intensiver Verkehr auf der L 3111 in Richtung Ortsende V. geherrscht hat. Denn an der Kreuzung L 3111/G.-H.-B.-Straße ist nur für die L 3111 eine Ampelanlage eingerichtet, die Zufahrt von der G.-H.-B.-Straße auf die L 3111 erfolgt jedoch ohne Ampel. Somit bestand für FH ein hinreichender Grund dafür, zur Zeitersparnis den alternativen Weg über die G.-H.-B.-Straße zu wählen, zumal der dadurch bedingte Umweg nur geringfügig ist.
45 
In diesem Zusammenhang ist die von der Klägerin im Senatstermin geäußerte Vermutung, der Kläger habe gerade den Lkw des Zeugen Sch. „überholen“ wollen, was nur mit der gewählten Streckenalternative möglich gewesen sei, keineswegs von vornherein abwegig. Denn schließlich war auch der Zeuge Sch. mit seinem Lkw von der BAB 659 abgebogen und befuhr die L 3111 in Richtung V. zu annähernd derselben Zeit wie FH. Mit der Wahl dieser für den Senat eindeutigen Wegstrecke hat FH somit seine Absicht nach außen kund getan, auf zeitlich schnellstem Weg zu seiner Arbeitsstelle gelangen zu wollen.
46 
Ebenso wenig hat sich FH zum Zeitpunkt des Unfalls schließlich, als er wieder in die L 3111 einbog, auf einem nicht versicherten Abweg befunden. Ein den Versicherungsschutz ausschließender Abweg kann - wie oben ausgeführt - frühestens dann angenommen werden, sobald der zur Arbeitsstelle führende Weg verlassen worden ist. FH hatte seinen Weg zur Arbeit jedoch noch nicht verlassen, als sein Pkw vom Lkw des Zeugen Sch. erfasst worden ist.
47 
Die Beklagte will das zwar den beiden Zeugenaussagen der Lkw-Fahrer entnehmen. Diese haben aber nicht ein durch Tatsachen belegtes Abbiegen des FH nach links beschreiben können. FH hat sich danach zunächst zum Unfallzeitpunkt nicht auf der Gegenfahrbahn (Richtung Autobahn) von dem Arbeitsplatz wegführend befunden. Dass FH den Blinker nach links gesetzt hat, haben beide Fahrer ebenfalls nicht beobachtet, obwohl es zur Unfallzeit noch dämmrig und die Kreuzung nicht beleuchtet war. Sie haben vielmehr aus ihrer subjektiven Sicht geschildert, dass FH nach links habe fahren wollen. Hierbei handelt sich indessen nicht um eine eigene Wahrnehmung. Zu der Schlussfolgerung, FH habe nach links abbiegen wollen, sind sie vielmehr nur gelangt, weil sie aus dem Schaden des gegnerischen Unfallfahrzeugs geschlossen haben, dass der Pkw des FH nach links abbiegend erfasst worden sein muss. Nachträgliche Schlussfolgerungen eines Zeugen beweisen aber nicht konkrete Tatsachen. Denn Gegenstand der Beweiserhebung eines Zeugen sind ausschließlich konkrete Wahrnehmungen über vergangene Tatsachen und Zustände (vgl. statt vieler Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 32. Aufl. 2011, Vorbem. § 373 Rdnr. 1).
48 
Dessen ungeachtet hat FH, selbst wenn er zum Unfallzeitpunkt nach links abgebogen wäre, den Arbeitsweg noch nicht eindeutig verlassen. Aufgrund der Einlassungen der beiden Lkw-Fahrer Sch. und Sch. im Ermittlungs- sowie im Verwaltungsverfahren und ihrer Zeugenaussagen vor dem SG steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Pkw von FH noch nicht die von Richtung Süden her sehend rechte Fahrspur der L 3111 überquert hatte, als es zum Zusammenstoß mit dem Lkw des Zeugen Sch. kam. Die rechte Fahrspur der L 3111 gehörte jedoch noch zum versicherten Arbeitsweg des FH, denn sie liegt in Zielrichtung seiner Arbeitsstelle. Im Ermittlungsverfahren hat der Lkw-Fahrer Sch. schriftlich unter dem 19.12.2007 erklärt, der aus Richtung Autobahn kommende Lkw habe nach links ausweichen müssen, bevor er in die linke Seite des Pkws von FH geprallt sei. Bereits dies spricht dafür, dass FH noch nicht den Mittelstreifen der L 3111 mit seinem Pkw erreicht hatte. Anderenfalls hätte ein Ausweichen nach links keinen Sinn gehabt, zur Kollisionsvermeidung hätte der Lkw nach rechts ausweichen müssen. Auch die skizzenhaften Darstellungen der beiden Lkw-Fahrer in den ihnen von der Beklagten übersandten Lichtbildern vom Unfallort, die im Berufungsverfahren im Urkundenbeweis zu verwerten sind, bestätigen, dass der Pkw von FH noch auf der rechten Seite der L 3111 vom Lkw des Fahrers Sch. erfasst worden ist (Bl. 140, 141, 143, 144 d VA). Im Rahmen seiner Aussage vor dem SG hat der Zeuge Sch. ausdrücklich angegeben, der Unfall habe direkt am Anfang der Einmündung in die D.-W.-Allee auf seiner Fahrbahn stattgefunden. Der Senat hat keinen Anlass die insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Sch. und Sch. in Zweifel zu ziehen. Einer erneuten Vernehmung der Zeugen im Berufungsverfahren bedurfte es daher nicht (BSG, SozR 3-1500 § 128 Rdnr. 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 157 Rdnr. 2 c).
49 
Befand sich der Pkw von FH in räumlich-gegenständlicher Hinsicht im Moment des Unfalls noch auf dem zur Arbeitsstelle führenden Weg, bestand noch Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Ob FH nach links hat abbiegen wollen und ob dies durch einen Wechsel in seiner Handlungstendenz veranlasst war, ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich. Da sich FH zur Überzeugung des Senats noch auf der Strecke zum Tätigkeitsort befand und diese nicht unterbrochen hatte, als er verunfallte, ist dessen Motivlage nicht zu erörtern. Ob im Falle der Nichterweislichkeit privater Motive bei durch objektivierbare Tatsachen begründeter hoher Wahrscheinlichkeit für eine den inneren Zurechnungszusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestätigenden Motivation eine Beweislastumkehr zu Lasten des Versicherungsträgers eintritt (im Ergebnis so Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 – a.a.O.) oder auch dann den Versicherten die objektive Beweislast für einen Ausnahmetatbestand trifft (so Bayerisches LSG, Urteil vom 27.05.2009 - L 2 U 213/08) kann daher vorliegend offen bleiben. Entscheidungserheblich wäre die Frage nur dann, wenn FH bereits das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges zum Ort der Tätigkeit unterbrochen hätte. Dies ist jedoch wie ausgeführt nicht der Fall.
50 
Die weiteren anspruchsbegründenden Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG nach eigener Prüfung durch den Senat verwiesen und auf eine nochmalige Darstellung zur Vermeidung von Wiederholungen verzichtet (§ 153 Abs. 2 SGG).
51 
Weiterer Ermittlungen bedurfte es trotz der hilfsweise gestellten Beweisanträge nicht. Diese waren vielmehr abzulehnen.
52 
Soweit die erneute Vernehmung der bereits vor dem SG als Zeugen vernommenen Lkw-Fahrer Sch. und Sch. beantragt worden ist, war dem nicht nachzukommen, da der Senat seine Entscheidung gerade auf die Einlassungen beider Zeugen stützt. Nicht Beweis zu erheben war darüber, ob FH „zum Unfallzeitpunkt im Begriff war, nach links abzubiegen“, da es sich hierbei nicht um eine entscheidungserhebliche Frage handelt. Denn FH verunfallte noch auf der versicherten Wegstrecke. Beweisanträge, die auf die Aufklärung rechtlich unerheblicher Tatsachen gerichtet sind, sind abzulehnen.
53 
Soweit die Beiziehung der vollständigen Unterlagen des Ingenieurbüros E., F. und S. über die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle beantragt worden ist, ist der Antrag unzulässig. Der Antrag ist bereits zu unbestimmt, denn es fehlt an einer genauen, datumsmäßig bestimmten Angabe, welche Unterlagen beigezogen werden sollen. Darüber hinaus hat der Senat bereits die Ermittlungsakten beigezogen und zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht, in denen sich der Untersuchungsbericht des genannten Ingenieurbüros vom 11.01.2008 mit den beigefügten (14) Lichtbildern befindet. Sollte mit dem Antrag zum Ausdruck gebracht worden sein, es gebe weitere vom Untersuchungsauftrag erfasste Unterlagen, die aber nicht Gegenstand der Ermittlungsakte seien, so wäre der auf Beiziehung dieser weiteren Unterlagen gerichtete Antrag rechtsmissbräuchlich. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit ist dann auszugehen, wenn die Bezeichnung der Tatsachen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet werden, gleichwohl aber nur aufs Geradewohl gemacht sind. Bei solchen gleichsam "ins Blaue" aufgestellten Behauptungen ist ein Beweisantrag rechtsmissbräuchlich (BSGE 77, 140, 144; Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.1994 - 7 ZR 140/93 - NJW-RR 1995, 722 ff.). Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der der Staatsanwaltschaft vorgelegte Untersuchungsbericht nicht vollständig ist, da der Auftragsumfang gerade nicht die Anfertigung einer Unfallskizze umfasste, sondern die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle. Der Auftrag beinhaltete nur die Überprüfung der Verkehrssicherheit, insbesondere der Brems- und Lenkanlage des Pkw H., sowie Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle (Bl. 32 d. Ermittlungsakte). Wie sich aus dem Schreiben des Oberstaatsanwalts A. vom 18.02.2008 ergibt, hat dieser gerade das Fehlen einer solchen Unfallskizze moniert (Bl. 61 d. Ermittlungsakte). Aus welchen Gründen die Beklagte zu der Annahme gelangt, es könnten weitere Unterlagen des Ingenieurbüros vorliegen, vermochte deren Sitzungsvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht näher darzulegen.
54 
Auch die Anträge auf Einholung eines verkehrstechnischen Sachverständigengutachtens waren abzulehnen. Soweit damit die exakte Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem von dem Zeugen Sch. gefahrenen Lkw und dem Pkw des FH ermittelt und die Fahrtrichtung des Pkw geklärt werden soll, handelt es sich um einen nicht zulässigen Beweisermittlungsantrag. Es gehört zur Substantiierungspflicht, einen bestimmten Beweisantrag zu stellen. Es genügt unter diesem Gesichtspunkt nicht, dass vom Gericht mittels eines Antrags die Beschaffung von Material verlangt wird, aus dem sich die zu behauptende und zu beweisende Tatsache erst ergeben soll (vgl. Dawin in Schoch/Sch.-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 86 Rdnr. 92). Gerade dies wird mit dem gestellten Antrag indes bezweckt. Die Beklagte stellt nicht etwa die Tatsache unter Beweis, dass der Pkw des FH bereits auf der in Richtung Autobahn führenden Fahrspur zum Zeitpunkt des Unfalls gewesen wäre, sondern bemüht sich mit dem Beweisantrag zunächst um weitere Fakten. Ausfluss des Substantiierungsgebots ist des Weiteren, dass die Tatsache vom Antragsteller mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit i. S. von Nachdrücklichkeit als wahr und als mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Deshalb ist eine aufs Geradewohl aufgestellte Behauptung nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es tatsächlicher, eine Vermutung oder ein Fürmöglichhalten rechtfertigende Anhaltspunkte (Bundesverwaltungsgericht Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 39; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage 2009, § 86 Rdnr. 18a). Unterstellt, die Beklagte hätte unter Beweis gestellt, dass FH mit seinem Pkw zum Zeitpunkt des Unfalls bereits auf der Gegenfahrspur der L 3111 gewesen wäre, fehlte es an jeglichen diese Annahme rechtfertigenden Anhaltspunkten. Weder haben die Zeugen sich dahingehend eingelassen, sondern andere, dem widersprechende Angaben gemacht, noch befinden sich in den Verwaltungs- oder Ermittlungsakten Unterlagen, die es erlaubten, eine solche Behauptung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass der Vertreter der Beklagten das Beweisthema nicht entsprechend formuliert und die Beklagte in den zurückliegenden vier Jahren keinerlei Aufklärungsbemühungen in dieser Richtung unternommen hat. Schließlich dürfte es mangels erforderlicher Bezugspunkte auch kaum möglich sein, ohne Unfallskizze, ohne Inaugenscheinnahme des Pkws des FH und der beteiligten Lkw, lediglich anhand der gefertigten Lichtbilder von den Fahrzeugen im Nachhinein eine exakte Ortsbestimmung hinsichtlich des Kollisionspunktes vorzunehmen. Insoweit handelt es sich auch um ein ungeeignetes Beweismittel.
55 
Soweit mit dem Sachverständigengutachten Beweis dafür erbracht werden soll, dass ein Ausscheren nach links die Geschwindigkeit des Pkw von FH bei einem angenommenen Rechtsabbiegen nicht erhöht, sondern verlangsamt hätte, ist der Antrag ebenfalls nicht hinreichend bestimmt. Es erschließt sich nämlich nicht der Sinn dieser Behauptung im Hinblick auf das Berufungsbegehren der Beklagten. Darüber hinaus könnte diese Behauptung als wahr unterstellt werden, ohne dass dies Auswirkung auf die getroffene Entscheidung hätte.
56 
Die Berufung der Beklagten war daher insgesamt zurückzuweisen.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
58 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gründe

 
26 
Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Sterbegeld und Hinterbliebenenrente bejaht und den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21.01.2009 deshalb aufgehoben.
27 
Dabei ist die Klage - wie vom SG zutreffend festgestellt - als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, obwohl die Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden schon deshalb Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat, weil sie den Verkehrsunfall des bei ihr versicherten FH nicht als Arbeitsunfall anerkannt hat. An einer vom Senat überprüfungsfähigen verwaltungsbehördlichen Entscheidung über die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen fehlt es gleichwohl nicht. Anders als ein Versicherter, der im Falle eines Arbeitsunfalls zunächst dessen Feststellung bzw. darauf aufbauend die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Folge dieses Arbeitsunfalls und erst im Anschluss Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder Verletztenrente beantragen kann (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert nach juris), ist ein Hinterbliebener nicht verpflichtet, die Grundlagen der in Frage kommenden Hinterbliebenenleistungen vorab im Wege einer Feststellungsklage klären zu lassen. Denn die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Unfallversicherungsträgers, ein Versicherungsfall, beispielsweise eine bestimmte Berufskrankheit, habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Hieraus folgt, dass der Unfallversicherungsträger nicht befugt ist, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hat und es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und dem folgend Urteil des Senats vom 29.09.2011 - L 6 U 5889/06).
28 
Die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, da der Tod ihres Ehemannes FH Folge des Arbeitsunfalls vom 14.07.2011 gewesen ist.
29 
Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 2, 3, 7, 9, 63, 64, 65 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Hinterbliebene Anspruch auf Sterbegeld (§ 64 SGB VII) und Witwenrente (§ 65 SGB VII), wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist (§ 63 Abs. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist weiter erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Insoweit wird der Kreis der versicherten Tätigkeiten ausgeweitet, es bleibt im Übrigen aber bei den für Arbeitsunfälle geltenden Regeln. Das Zurücklegen des versicherten Weges muss daher der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein.
30 
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nennt als Ziel und Ausgangspunkt des Weges nur den Ort der versicherten Tätigkeit, ohne den anderen Endpunkt des Weges anzugeben. Versichert ist in erster Linie der Weg vom und zum Ort des Lebensmittelpunkts. Ein dritter Ort als Ausgangspunkt und/oder Endpunkt des Weges kommt in Betracht, wenn der Versicherte sich hier zumindest zwei Stunden aufgehalten und dann den Weg zur Arbeit bzw. zum Ort des Lebensmittelpunkts fortgesetzt hat (BSG, Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R - SGb 1999, 81 ff., so auch LSG-Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2011 - L 2 U 4809/10 - zitiert nach juris).
31 
FH hatte die Klägerin zunächst zum Klinikum M., T.-K.-U. 1-3 gebracht und war ohne weiteren Aufenthalt anschließend wieder ein Teilstück zurückgefahren, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Ist der dritte Ort, hier das Klinikum M., wegen einer nicht rechtserheblichen Aufenthaltsdauer lediglich Zwischenort eines einheitlichen Gesamtweges zwischen häuslichem Bereich und Tätigkeitsort, ist der Beschäftigte versichert, wenn und sobald er sich auf einer Wegstrecke befindet, die Teil des direkten Weges vom Ort des Lebensmittelpunkts zum Tätigkeitsort ist. Zur Überzeugung des Senats ist FH vom Klinikum M. auf die BAB 659 Richtung Nord/Osten aufgefahren, um bei der Autobahnausfahrt V.-Ost die Autobahn wieder zu verlassen. Jeder andere Weg wäre nicht nur streckenmäßig länger, sondern auch mit zeitlichen Verzögerungen verbunden gewesen (vgl. Routenberechnung nach www.maps.google.de und Kartenausschnitt Bl. 57 d. Senatsakte). Um kurz vor 7.28 Uhr an der Unfallstelle sein zu können, gab es für FH keine alternative, zumindest gleichschnelle Wegstrecke. Die BAB 659 hätte FH bei der Ausfahrt V. Ost aber auch verlassen, wenn er nicht zunächst nach M. und dann zurück nach V., sondern direkt von der gemeinsamen Wohnung in H. zu seiner Arbeitsstelle gefahren wäre. Er wäre dann zunächst auf der A 5 Richtung Süden gefahren, um am Weinheimer Kreuz auf die BAB 659 Richtung Süd/Westen abzufahren. Auch in diesem Fall hätte er die BAB 659 frühestens an der Anschlussstelle V.-Ost verlassen können. Ab diesem Punkt hat sich FH somit wieder auf der versicherten direkten Wegstrecke befunden.
32 
In Auswertung des Sachverständigengutachtens des Ingenieurbüros E., F. und S., der Zeugenaussagen, der Lichtbilder des PK K.s, der graphischen Darstellungen der Zeugen Sch. und Sch. sowie der Angaben des ehemaligen Arbeitgebers nebst Arbeitszeitnachweisen ist der Senat wie das SG zu der Überzeugung gelangt, dass FH auf diesem direkten Weg zur Arbeit am 14.11.2007 einen Wegeunfall erlitten hat.
33 
Dabei ist zu beachten, dass auch im Falle eines Wegeunfalles die Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallereignisses der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein muss (innerer Zurechnungszusammenhang). Allgemein für Arbeitsunfälle i. S. des § 8 SGB VII gilt, dass bei einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten, wie vorliegend FH, Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit sind und mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang stehen. Weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind, sind jedoch nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstags auf der Arbeitsstätte versichert. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen wie z.B. Essen oder eigenwirtschaftliche Tätigkeiten wie z. B. Einkaufen. Unter Umständen können die Wege an den Ort dieser Verrichtungen allerdings Versicherungsschutz genießen (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand April 2011, SGB VII § 8 Rdnr. 192 ff.). Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalles ist, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsverhältnis dienende Verrichtung ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände bestätigt wird (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262; Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R). Übertragen auf die Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (Zurücklegen des Weges) bedeutet dies, dass als Arbeitsunfall der Weg zur Arbeitsstelle nur dann versichert ist, wenn der Weg zum Tätigkeitsort nach der Handlungstendenz des Betroffenen der Aufnahme einer versicherten Tätigkeit dient und dies durch die objektiven Umstände bestätigt wird (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - zitiert nach juris). Der Beschäftigte steht somit auf dem Weg zum Tätigkeitsort solange unter Versicherungsschutz, als seine Handlungstendenz auf das Erreichen dieses Ziels gerichtet ist (BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - SGb 2004, 490 ff). Unterbricht er den Weg zum Ort der Tätigkeit aus privaten Gründen, ist er grundsätzlich während dieser Zeit nicht versichert (zur Ausnahme der unerheblichen Wegeverlängerung noch nachfolgend). Die Fälle räumlicher Unterbrechung kennzeichnet das Gesetz durch den Begriff des „abweichenden Weges“ (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VII); erfasst werden hiervon sowohl den Versicherungsschutz ausschließende Abwege als auch Umwege. Daneben kann eine zeitliche Unterbrechung ohne Verlassen des versicherten Weges den Versicherungsschutz entfallen lassen, wenn auf dem Weg zur Arbeitsstelle das Zurücklegen des Weges unterbrochen und eine für die Wegezurücklegung nicht erforderliche Handlung eingeschoben wird. Dient diese Tätigkeit privaten Zwecken und ist die Unterbrechung nicht nur von geringfügiger Dauer, ist sie nicht versichert.
34 
Sobald der Versicherte die Zielrichtung des zurückgelegten Weges ändert und seine Handlungstendenz nunmehr nicht mehr abzielt auf die versicherte Tätigkeit, sondern auf eine private Verrichtung, ist ein deshalb eingeschobener Weg als Abweg nicht versichert. Ein solcher liegt nicht vor, wenn der Versicherte die Zielrichtung aus Gründen ändert, die entweder mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder mit dem versicherten Weg (z. B. Verkehrsstau) zusammenhängen. Aus privaten Gründen erfolgte Unterbrechungen sind ohne Rücksicht auf ihren Umfang unversichert (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 8). Der Abweg beginnt mit dem Einschlagen der unversicherten Zielrichtung. Die durch einen Abweg bewirkte Unterbrechung des versicherten Weges endet, wenn sich der Betroffene wieder auf einer Wegstrecke befindet, die er auf seinem Weg zum Tätigkeitsort zurücklegen muss (BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 8).
35 
Anders als Abwege dienen Umwege noch dem Erreichen des ursprünglichen Zieles, der Arbeitsstelle bzw. dem Ort des Lebensmittelpunktes, es wird jedoch die direkte Wegstrecke verlängert. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zählt derunmittelbare Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit zur versicherten Wegstrecke. Dabei ist „unmittelbar“ schon deshalb nicht gleichzusetzen mit „kürzester“, weil eine Differenzierung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht im Gesetz nicht enthalten ist. Die Wahl der Wegstrecke steht dem Versicherten daher in gewissen Grenzen frei, ihm steht insoweit ein subjektiver Entscheidungsspielraum zu (BSGE 4, 219, 222; 57, 222, 224). Der mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Weg muss daher nicht unbedingt mit dem entfernungsmäßig kürzesten Weg zusammenfallen. Wählt der Versicherte statt des kürzesten Weges zur Arbeitsstelle eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke, steht er während des sich dadurch ergebenden Umwegs unter Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort dient (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Dies ist z. B. der Fall, wenn er den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10). Für die Beurteilung, ob die auf das Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort gerichtete Handlungstendenz hinreichend durch objektive Umstände erklärbar ist, ist zu berücksichtigen, wie sich die Lage zur Zeit der Entscheidung aus der Sicht des Versicherten, evtl. unter Zeitdruck, dargestellt hat (BSG, Urteil vom 31.01.1984 - 2 RU 15/83 - zitiert nach juris). Aber auch wenn der Umweg aus privaten Gründen gewählt wird, ist der Versicherungsschutz nicht generell ausgeschlossen, sondern hängt davon ab, ob die dadurch bedingte Verlängerung des Weges erheblich ist. Dies beurteilt sich unter Berücksichtigung der Unterschiede im Zeitbedarf, den Entfernungen und der Verkehrssituation nach den Umständen des Einzelfalles. Ein verhältnismäßig großer Unterschied zum direkten Weg ist bei kurzen Wegen u. U. unschädlich, ein verhältnismäßig kleiner bei langen Wegen u. U. schädlich (vgl. Ricke a.a.O. Rdnr. 205 mit Beispielsfällen aus der Rechtsprechung).
36 
Beweisrechtlich ist weiter Folgendes zu beachten: Lässt sich ein Nachweis der versicherten Tätigkeit nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind indes typische Beweisschwierigkeiten zu berücksichtigen, die sich aus Besonderheiten der versicherten Tätigkeit ergeben. Verunglückt ein Versicherter tödlich unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hat, so entfällt beispielsweise der Versicherungsschutz nur dann, wenn von Seiten des Versicherungsträgers bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R; BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R). Die Ungewissheit hinsichtlich der Motivation des Versicherten geht in diesem Fall zu Lasten des Versicherungsträgers. Denn er trägt bei dieser Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der grundsätzlich versicherten Tätigkeit vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hat (BSG, Urteil vom 26.10.2004, a.a.O.). Auch muss der genaue Unfallhergang nicht bewiesen sein, wenn sonst nachgewiesene Umstände überwiegend auf einen Versicherungsfall hinweisen und die ernsthafte Möglichkeit anderer Geschehensabläufe ausgeschlossen erscheint (BSG, Urteil vom 14.11.1984 - 9 b RU 68/93 - zitiert nach juris; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1982, 763). Bezogen auf Wegeunfälle ergibt sich hieraus, dass im Falle eines erwiesenen Antritts der beschäftigungsmotivierten Wegstrecke der Versicherungsträger für seine Behauptung, der Versicherte habe diese Strecke mit privater Handlungstendenz zurückgelegt, als anspruchsvernichtende Tatsache beweispflichtig ist. Erst nachdem der Versicherte den versicherten Weg verlassen hat, ändert sich die Beweislast. Kann er nicht den Nachweis dafür erbringen, dass seine Handlungstendenz trotz des bereits beschrittenen Abweges/Umweges ausschließlich auf das Erreichen des Tätigkeitsortes gerichtet ist, geht das non liquet zu seinen Lasten (vgl. auch Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 - NZS 2011, 186)
37 
In Anwendung dieser Grundsätze liegt ein infolge der versicherten Tätigkeit erlittener Verkehrsunfall und mithin ein Arbeitsunfall des FH vor. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der tödliche Unfall ereignete.
38 
Der Senat geht dabei von folgenden unstreitigen Umständen aus: FH war zunächst in H. von der gemeinsamen ehelichen Wohnung aufgebrochen, um zunächst seine Ehefrau nach Mannheim zu deren Arbeitsstelle zu fahren und im Anschluss daran zum Beschäftigungsort nach V., V.str. zu gelangen. Dass FH diese Zielsetzung verfolgt hat, ergibt sich in erster Linie aus dem Umstand, dass er bereits ca. 30 km gefahren war (H. – Mannheim 19 km, Mannheim – G.-H.-B.-Straße, V., 11 km), bevor er ungefähr 1,3 bis 1,5 km Fahrstrecke bzw. ca. 400 Meter Luftlinie von seinem Beschäftigungsort entfernt verunglückte. Weitere objektivierbare Tatsache ist die zeitliche Beziehung zwischen dem Unfallzeitpunkt und der arbeitsvertraglichen Verpflichtung für FH, um spätestens 7.30 Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Auch wenn aus den Ermittlungsakten nicht hervorgeht, welcher Zeitraum zwischen dem Unfallereignis und der Benachrichtigung der Polizeistelle in V. gelegen hat, geht der Senat davon aus, dass dies nur wenige Minuten gewesen sein können und somit der Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr unmittelbar bevor stand, als er sich dem Unfallort näherte. Schließlich ist von maßgeblicher Bedeutung, dass FH in den vor dem Unfall liegenden sechs Monaten lediglich an drei Tagen die Arbeit um 7.31 Uhr angetreten hatte, an allen anderen Arbeitstagen aber spätestens um 7.30 Uhr anwesend gewesen ist. Aus den vorgelegten Zeitnachweisen der PSG ergibt sich, dass FH am 12.11.2007 um 7.13 Uhr und am 13.11.2007 um 7.28 Uhr seine Arbeit begonnen hatte. Für den Unfalltag selbst hat die PSG bestätigt, dass spätester Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr gewesen wäre und er einen späteren Beginn nicht angekündigt hatte. Für den Senat besteht daher kein vernünftiger Zweifel, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der Unfall ereignete.
39 
Eine den Versicherungsschutz ausschließende Wegeunterbrechung steht danach nicht fest. Denn erst wenn ein Weg eindeutig von der Arbeit wegführt, ist zu erörtern, ob ein den Arbeitsweg unterbrechender Umweg vorliegt. Dieses Stadium hat aber der festgestellte Weg des FH nicht erreicht. Nach dem gesamten Geschehensablauf (Unfallzeitpunkt, Nähe zum Arbeitsplatz, Pünktlichkeit des FH, weder bei Ehefrau noch Arbeitgeber andere Umstände bekannt) kann weder unterstellt noch angenommen werden, dass er zum Unfallzeitpunkt nicht mehr auf dem Weg zur Arbeit war.
40 
Zunächst liegt der Unfallort - die Kreuzung G.-H.-B.-Straße/L 3111 - auf einer der möglichen Wegstrecken zum Arbeitsplatz des FH. Das hat auch die Beklagte letztlich nicht bestritten. Ob eine andere als die von FH gewählte Wegstrecke kürzer gewesen wäre, ist nämlich rechtlich unbeachtlich (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Es kommt daher nicht darauf an, ob die Strecke, wenn FH nach der Abfahrt von der BAB 659 auf der L 3111 bis zum ersten Kreisel gefahren, dort aber die dritte Ausfahrt in die F.-E.-Straße genommen hätte, von dieser in die W.str. rechts und später in die F.-H.-Straße links und sodann in die V.str. rechts abgebogen wäre, ca. 500 Meter kürzer gewesen wäre. Auch die durch den Berufshelfer der Beklagten ermittelte kürzeste Wegstrecke über die L 3111 mit Abbiegen in die O. kann, da verbotswidrig, nicht als Alternative berücksichtigt werden. Der Senat entnimmt das der telefonischen Auskunft des PK K. vom 18.10.2011. Danach darf auf Höhe O. aus Richtung BAB 659 kommend lediglich von der L 3111 in die A.-F.-Straße nach rechts abgebogen werden, ein Kreisverkehr befindet sich dort nicht.
41 
Die von FH gewählte Strecke war nur unbedeutend länger, diente aber nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort (BSG a.a.O.). FH ist danach zwar nicht auf der L 3111 geblieben, sondern von dieser auf die direkt neben der L 3111 parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße abgebogen, um auf dieser bis fast zu deren Ende zu bleiben und dann wieder auf die L 3111 aufzufahren. Der Senat stützt sich insoweit auf die Zeugenaussagen der beiden am Unfall beteiligten Lkw-Fahrer R. S. und M. Sch.. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Denn aufgrund der feststehenden Zeitpunkte des Erreichens des Klinikums Mannheim um 7.10 Uhr sowie des Eingangs der Unfallmeldung auf der Polizeidienststelle um 7.28 Uhr sind FH weniger als 18 Minuten für das Zurücklegen der Wegstrecke bis zum Unfallort verblieben (Zeitangabe nach www.maps.google.de 14 Minuten). Somit besteht zur Überzeugung des Senats keine andere Streckenalternative oder ein anderer Geschehensablauf.
42 
Der aufgrund der von FH gewählten Fahrstrecke bedingte Umweg führt auch nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes. Die Wegstrecke von der Wohnung zur Arbeitsstelle des FH beträgt bei der zeitschnellsten Route über die BAB 5 und BAB 659 sowie in V. über die F.-E.-Straße, W.str. 11,1 km. Der von FH in V. gewählte Weg über die L 3111, Industriestraße ist im Vergleich zur Streckenlänge insgesamt nur unerheblich länger und zwar unabhängig davon, ob direkt auf der L 3111 zum Ortsende V. gefahren oder die parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße genutzt und damit ein ca. 50 Meter längerer Weg gewählt wird (vgl. den Kartenausschnitt mit Entfernungsangabe im angefochtenen Urteil, UA S. 3). Für FH bestand daher auch auf diesem Streckenabschnitt grundsätzlich Versicherungsschutz.
43 
Selbst wenn die Verlängerung um 500 bzw. 550 Meter nicht unbedeutend wäre, würde das nach der Rechtsprechung des BSG zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch für eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke besteht dann Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort dient (BSG a.a.O.). Das ist dann der Fall, wenn der Versicherte den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10).
44 
Der Senats hat keinen Zweifel daran, dass FH diese Wegstrecke, die immer noch zum Arbeitsort führte, nur gewählt hat, weil sich aus seiner Sicht zumindest die Möglichkeit einer Zeitersparnis ergab. Das belegen die Aussagen der Klägerin und ihrer Schwester. Diese haben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG übereinstimmend bestätigt, dass es sich FH zum Hobby gemacht hatte, auf dem schnellsten und kürzesten Weg von A nach B zu kommen. Somit diente die eingeschlagene Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des FH dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach den Angaben von M. Sch. am Unfalltag kein intensiver Verkehr auf der L 3111 in Richtung Ortsende V. geherrscht hat. Denn an der Kreuzung L 3111/G.-H.-B.-Straße ist nur für die L 3111 eine Ampelanlage eingerichtet, die Zufahrt von der G.-H.-B.-Straße auf die L 3111 erfolgt jedoch ohne Ampel. Somit bestand für FH ein hinreichender Grund dafür, zur Zeitersparnis den alternativen Weg über die G.-H.-B.-Straße zu wählen, zumal der dadurch bedingte Umweg nur geringfügig ist.
45 
In diesem Zusammenhang ist die von der Klägerin im Senatstermin geäußerte Vermutung, der Kläger habe gerade den Lkw des Zeugen Sch. „überholen“ wollen, was nur mit der gewählten Streckenalternative möglich gewesen sei, keineswegs von vornherein abwegig. Denn schließlich war auch der Zeuge Sch. mit seinem Lkw von der BAB 659 abgebogen und befuhr die L 3111 in Richtung V. zu annähernd derselben Zeit wie FH. Mit der Wahl dieser für den Senat eindeutigen Wegstrecke hat FH somit seine Absicht nach außen kund getan, auf zeitlich schnellstem Weg zu seiner Arbeitsstelle gelangen zu wollen.
46 
Ebenso wenig hat sich FH zum Zeitpunkt des Unfalls schließlich, als er wieder in die L 3111 einbog, auf einem nicht versicherten Abweg befunden. Ein den Versicherungsschutz ausschließender Abweg kann - wie oben ausgeführt - frühestens dann angenommen werden, sobald der zur Arbeitsstelle führende Weg verlassen worden ist. FH hatte seinen Weg zur Arbeit jedoch noch nicht verlassen, als sein Pkw vom Lkw des Zeugen Sch. erfasst worden ist.
47 
Die Beklagte will das zwar den beiden Zeugenaussagen der Lkw-Fahrer entnehmen. Diese haben aber nicht ein durch Tatsachen belegtes Abbiegen des FH nach links beschreiben können. FH hat sich danach zunächst zum Unfallzeitpunkt nicht auf der Gegenfahrbahn (Richtung Autobahn) von dem Arbeitsplatz wegführend befunden. Dass FH den Blinker nach links gesetzt hat, haben beide Fahrer ebenfalls nicht beobachtet, obwohl es zur Unfallzeit noch dämmrig und die Kreuzung nicht beleuchtet war. Sie haben vielmehr aus ihrer subjektiven Sicht geschildert, dass FH nach links habe fahren wollen. Hierbei handelt sich indessen nicht um eine eigene Wahrnehmung. Zu der Schlussfolgerung, FH habe nach links abbiegen wollen, sind sie vielmehr nur gelangt, weil sie aus dem Schaden des gegnerischen Unfallfahrzeugs geschlossen haben, dass der Pkw des FH nach links abbiegend erfasst worden sein muss. Nachträgliche Schlussfolgerungen eines Zeugen beweisen aber nicht konkrete Tatsachen. Denn Gegenstand der Beweiserhebung eines Zeugen sind ausschließlich konkrete Wahrnehmungen über vergangene Tatsachen und Zustände (vgl. statt vieler Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 32. Aufl. 2011, Vorbem. § 373 Rdnr. 1).
48 
Dessen ungeachtet hat FH, selbst wenn er zum Unfallzeitpunkt nach links abgebogen wäre, den Arbeitsweg noch nicht eindeutig verlassen. Aufgrund der Einlassungen der beiden Lkw-Fahrer Sch. und Sch. im Ermittlungs- sowie im Verwaltungsverfahren und ihrer Zeugenaussagen vor dem SG steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Pkw von FH noch nicht die von Richtung Süden her sehend rechte Fahrspur der L 3111 überquert hatte, als es zum Zusammenstoß mit dem Lkw des Zeugen Sch. kam. Die rechte Fahrspur der L 3111 gehörte jedoch noch zum versicherten Arbeitsweg des FH, denn sie liegt in Zielrichtung seiner Arbeitsstelle. Im Ermittlungsverfahren hat der Lkw-Fahrer Sch. schriftlich unter dem 19.12.2007 erklärt, der aus Richtung Autobahn kommende Lkw habe nach links ausweichen müssen, bevor er in die linke Seite des Pkws von FH geprallt sei. Bereits dies spricht dafür, dass FH noch nicht den Mittelstreifen der L 3111 mit seinem Pkw erreicht hatte. Anderenfalls hätte ein Ausweichen nach links keinen Sinn gehabt, zur Kollisionsvermeidung hätte der Lkw nach rechts ausweichen müssen. Auch die skizzenhaften Darstellungen der beiden Lkw-Fahrer in den ihnen von der Beklagten übersandten Lichtbildern vom Unfallort, die im Berufungsverfahren im Urkundenbeweis zu verwerten sind, bestätigen, dass der Pkw von FH noch auf der rechten Seite der L 3111 vom Lkw des Fahrers Sch. erfasst worden ist (Bl. 140, 141, 143, 144 d VA). Im Rahmen seiner Aussage vor dem SG hat der Zeuge Sch. ausdrücklich angegeben, der Unfall habe direkt am Anfang der Einmündung in die D.-W.-Allee auf seiner Fahrbahn stattgefunden. Der Senat hat keinen Anlass die insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Sch. und Sch. in Zweifel zu ziehen. Einer erneuten Vernehmung der Zeugen im Berufungsverfahren bedurfte es daher nicht (BSG, SozR 3-1500 § 128 Rdnr. 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 157 Rdnr. 2 c).
49 
Befand sich der Pkw von FH in räumlich-gegenständlicher Hinsicht im Moment des Unfalls noch auf dem zur Arbeitsstelle führenden Weg, bestand noch Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Ob FH nach links hat abbiegen wollen und ob dies durch einen Wechsel in seiner Handlungstendenz veranlasst war, ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich. Da sich FH zur Überzeugung des Senats noch auf der Strecke zum Tätigkeitsort befand und diese nicht unterbrochen hatte, als er verunfallte, ist dessen Motivlage nicht zu erörtern. Ob im Falle der Nichterweislichkeit privater Motive bei durch objektivierbare Tatsachen begründeter hoher Wahrscheinlichkeit für eine den inneren Zurechnungszusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestätigenden Motivation eine Beweislastumkehr zu Lasten des Versicherungsträgers eintritt (im Ergebnis so Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 – a.a.O.) oder auch dann den Versicherten die objektive Beweislast für einen Ausnahmetatbestand trifft (so Bayerisches LSG, Urteil vom 27.05.2009 - L 2 U 213/08) kann daher vorliegend offen bleiben. Entscheidungserheblich wäre die Frage nur dann, wenn FH bereits das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges zum Ort der Tätigkeit unterbrochen hätte. Dies ist jedoch wie ausgeführt nicht der Fall.
50 
Die weiteren anspruchsbegründenden Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG nach eigener Prüfung durch den Senat verwiesen und auf eine nochmalige Darstellung zur Vermeidung von Wiederholungen verzichtet (§ 153 Abs. 2 SGG).
51 
Weiterer Ermittlungen bedurfte es trotz der hilfsweise gestellten Beweisanträge nicht. Diese waren vielmehr abzulehnen.
52 
Soweit die erneute Vernehmung der bereits vor dem SG als Zeugen vernommenen Lkw-Fahrer Sch. und Sch. beantragt worden ist, war dem nicht nachzukommen, da der Senat seine Entscheidung gerade auf die Einlassungen beider Zeugen stützt. Nicht Beweis zu erheben war darüber, ob FH „zum Unfallzeitpunkt im Begriff war, nach links abzubiegen“, da es sich hierbei nicht um eine entscheidungserhebliche Frage handelt. Denn FH verunfallte noch auf der versicherten Wegstrecke. Beweisanträge, die auf die Aufklärung rechtlich unerheblicher Tatsachen gerichtet sind, sind abzulehnen.
53 
Soweit die Beiziehung der vollständigen Unterlagen des Ingenieurbüros E., F. und S. über die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle beantragt worden ist, ist der Antrag unzulässig. Der Antrag ist bereits zu unbestimmt, denn es fehlt an einer genauen, datumsmäßig bestimmten Angabe, welche Unterlagen beigezogen werden sollen. Darüber hinaus hat der Senat bereits die Ermittlungsakten beigezogen und zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht, in denen sich der Untersuchungsbericht des genannten Ingenieurbüros vom 11.01.2008 mit den beigefügten (14) Lichtbildern befindet. Sollte mit dem Antrag zum Ausdruck gebracht worden sein, es gebe weitere vom Untersuchungsauftrag erfasste Unterlagen, die aber nicht Gegenstand der Ermittlungsakte seien, so wäre der auf Beiziehung dieser weiteren Unterlagen gerichtete Antrag rechtsmissbräuchlich. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit ist dann auszugehen, wenn die Bezeichnung der Tatsachen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet werden, gleichwohl aber nur aufs Geradewohl gemacht sind. Bei solchen gleichsam "ins Blaue" aufgestellten Behauptungen ist ein Beweisantrag rechtsmissbräuchlich (BSGE 77, 140, 144; Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.1994 - 7 ZR 140/93 - NJW-RR 1995, 722 ff.). Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der der Staatsanwaltschaft vorgelegte Untersuchungsbericht nicht vollständig ist, da der Auftragsumfang gerade nicht die Anfertigung einer Unfallskizze umfasste, sondern die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle. Der Auftrag beinhaltete nur die Überprüfung der Verkehrssicherheit, insbesondere der Brems- und Lenkanlage des Pkw H., sowie Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle (Bl. 32 d. Ermittlungsakte). Wie sich aus dem Schreiben des Oberstaatsanwalts A. vom 18.02.2008 ergibt, hat dieser gerade das Fehlen einer solchen Unfallskizze moniert (Bl. 61 d. Ermittlungsakte). Aus welchen Gründen die Beklagte zu der Annahme gelangt, es könnten weitere Unterlagen des Ingenieurbüros vorliegen, vermochte deren Sitzungsvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht näher darzulegen.
54 
Auch die Anträge auf Einholung eines verkehrstechnischen Sachverständigengutachtens waren abzulehnen. Soweit damit die exakte Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem von dem Zeugen Sch. gefahrenen Lkw und dem Pkw des FH ermittelt und die Fahrtrichtung des Pkw geklärt werden soll, handelt es sich um einen nicht zulässigen Beweisermittlungsantrag. Es gehört zur Substantiierungspflicht, einen bestimmten Beweisantrag zu stellen. Es genügt unter diesem Gesichtspunkt nicht, dass vom Gericht mittels eines Antrags die Beschaffung von Material verlangt wird, aus dem sich die zu behauptende und zu beweisende Tatsache erst ergeben soll (vgl. Dawin in Schoch/Sch.-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 86 Rdnr. 92). Gerade dies wird mit dem gestellten Antrag indes bezweckt. Die Beklagte stellt nicht etwa die Tatsache unter Beweis, dass der Pkw des FH bereits auf der in Richtung Autobahn führenden Fahrspur zum Zeitpunkt des Unfalls gewesen wäre, sondern bemüht sich mit dem Beweisantrag zunächst um weitere Fakten. Ausfluss des Substantiierungsgebots ist des Weiteren, dass die Tatsache vom Antragsteller mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit i. S. von Nachdrücklichkeit als wahr und als mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Deshalb ist eine aufs Geradewohl aufgestellte Behauptung nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es tatsächlicher, eine Vermutung oder ein Fürmöglichhalten rechtfertigende Anhaltspunkte (Bundesverwaltungsgericht Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 39; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage 2009, § 86 Rdnr. 18a). Unterstellt, die Beklagte hätte unter Beweis gestellt, dass FH mit seinem Pkw zum Zeitpunkt des Unfalls bereits auf der Gegenfahrspur der L 3111 gewesen wäre, fehlte es an jeglichen diese Annahme rechtfertigenden Anhaltspunkten. Weder haben die Zeugen sich dahingehend eingelassen, sondern andere, dem widersprechende Angaben gemacht, noch befinden sich in den Verwaltungs- oder Ermittlungsakten Unterlagen, die es erlaubten, eine solche Behauptung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass der Vertreter der Beklagten das Beweisthema nicht entsprechend formuliert und die Beklagte in den zurückliegenden vier Jahren keinerlei Aufklärungsbemühungen in dieser Richtung unternommen hat. Schließlich dürfte es mangels erforderlicher Bezugspunkte auch kaum möglich sein, ohne Unfallskizze, ohne Inaugenscheinnahme des Pkws des FH und der beteiligten Lkw, lediglich anhand der gefertigten Lichtbilder von den Fahrzeugen im Nachhinein eine exakte Ortsbestimmung hinsichtlich des Kollisionspunktes vorzunehmen. Insoweit handelt es sich auch um ein ungeeignetes Beweismittel.
55 
Soweit mit dem Sachverständigengutachten Beweis dafür erbracht werden soll, dass ein Ausscheren nach links die Geschwindigkeit des Pkw von FH bei einem angenommenen Rechtsabbiegen nicht erhöht, sondern verlangsamt hätte, ist der Antrag ebenfalls nicht hinreichend bestimmt. Es erschließt sich nämlich nicht der Sinn dieser Behauptung im Hinblick auf das Berufungsbegehren der Beklagten. Darüber hinaus könnte diese Behauptung als wahr unterstellt werden, ohne dass dies Auswirkung auf die getroffene Entscheidung hätte.
56 
Die Berufung der Beklagten war daher insgesamt zurückzuweisen.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
58 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf

1.
Sterbegeld,
2.
Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,
3.
Hinterbliebenenrenten,
4.
Beihilfe.
Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.

(1a) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts über Hinterbliebenenleistungen an Witwen und Witwer gelten auch für Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner.

(2) Dem Tod infolge eines Versicherungsfalls steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) um 50 vom Hundert oder mehr gemindert war. Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, daß der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht; eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung darf nicht gefordert werden.

(3) Ist ein Versicherter getötet worden, so kann der Unfallversicherungsträger die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung von Tatsachen anordnen, die für die Entschädigungspflicht von Bedeutung sind.

(4) Sind Versicherte im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verschollen, gelten sie als infolge eines Versicherungsfalls verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Der Unfallversicherungsträger kann von den Hinterbliebenen die Versicherung an Eides Statt verlangen, daß ihnen weitere als die angezeigten Nachrichten über die Verschollenen nicht bekannt sind. Der Unfallversicherungsträger ist berechtigt, für die Leistungen den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag festzustellen. Bei Versicherten in der Seeschiffahrt wird spätestens der dem Ablauf des Heuerverhältnisses folgende Tag als Todestag festgesetzt.

(1) Witwen oder Witwer von Versicherten erhalten eine einmalige Beihilfe von 40 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes, wenn

1.
ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht besteht, weil der Tod der Versicherten nicht Folge eines Versicherungsfalls war, und
2.
die Versicherten zur Zeit ihres Todes Anspruch auf eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert oder mehr oder auf mehrere Renten hatten, deren Vomhundertsätze zusammen mindestens die Zahl 50 erreichen; soweit Renten abgefunden wurden, wird von dem Vomhundertsatz der abgefundenen Rente ausgegangen.
§ 65 Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Beim Zusammentreffen mehrerer Renten oder Abfindungen wird die Beihilfe nach dem höchsten Jahresarbeitsverdienst berechnet, der den Renten oder Abfindungen zugrunde lag. Die Beihilfe zahlt der Unfallversicherungsträger, der die danach berechnete Leistung erbracht hat, bei gleich hohen Jahresarbeitsverdiensten derjenige, der für den frühesten Versicherungsfall zuständig ist.

(3) Für Vollwaisen, die bei Tod der Versicherten infolge eines Versicherungsfalls Anspruch auf Waisenrente hätten, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend, wenn sie zur Zeit des Todes der Versicherten mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und von ihnen überwiegend unterhalten worden sind. Sind mehrere Waisen vorhanden, wird die Waisenbeihilfe gleichmäßig verteilt.

(4) Haben Versicherte länger als zehn Jahre eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 vom Hundert oder mehr bezogen und sind sie nicht an den Folgen eines Versicherungsfalls gestorben, kann anstelle der Beihilfe nach Absatz 1 oder 3 den Berechtigten eine laufende Beihilfe bis zur Höhe einer Hinterbliebenenrente gezahlt werden, wenn die Versicherten infolge des Versicherungsfalls gehindert waren, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, und wenn dadurch die Versorgung der Hinterbliebenen um mindestens 10 vom Hundert gemindert ist. Auf die laufende Beihilfe finden im übrigen die Vorschriften für Hinterbliebenenrenten Anwendung.

(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf

1.
Sterbegeld,
2.
Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,
3.
Hinterbliebenenrenten,
4.
Beihilfe.
Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.

(1a) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts über Hinterbliebenenleistungen an Witwen und Witwer gelten auch für Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner.

(2) Dem Tod infolge eines Versicherungsfalls steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) um 50 vom Hundert oder mehr gemindert war. Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, daß der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht; eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung darf nicht gefordert werden.

(3) Ist ein Versicherter getötet worden, so kann der Unfallversicherungsträger die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung von Tatsachen anordnen, die für die Entschädigungspflicht von Bedeutung sind.

(4) Sind Versicherte im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verschollen, gelten sie als infolge eines Versicherungsfalls verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Der Unfallversicherungsträger kann von den Hinterbliebenen die Versicherung an Eides Statt verlangen, daß ihnen weitere als die angezeigten Nachrichten über die Verschollenen nicht bekannt sind. Der Unfallversicherungsträger ist berechtigt, für die Leistungen den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag festzustellen. Bei Versicherten in der Seeschiffahrt wird spätestens der dem Ablauf des Heuerverhältnisses folgende Tag als Todestag festgesetzt.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich C 6/7 seiner Halswirbelsäule (HWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 3.7.2005 ist.

2

Der Kläger absolvierte an diesem Tag als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers aufgabengemäß eine Testfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien. Dabei platzte bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs. Es kam von der Fahrbahn ab, durchbrach die Leitplanke und kam in einem Wäldchen zum Stehen.

3

Bei der Erstuntersuchung des Klägers erbrachten die Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen. Am 6.7.2005 diagnostizierte ein Facharzt für Chirurgie ua eine Halswirbelsäulen-Distorsion (Verstauchung, Zerrung). In der Kernspintomographie der HWS vom 4.8.2005 wurden erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie für den Bereich von C 6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina (Wurzelkanälen) beschrieben. Eine weitere Kernspintomographie der HWS vom 30.8.2005 ergab zwischen den Halswirbelkörpern C 6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente. Eine Begleitverletzung wurde nicht benannt.

4

Im Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 3.7.2005 als Arbeitsunfall. Als "Unfallfolgen" wurden "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers" anerkannt.

5

Ferner wurde festgestellt, der Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper sei keine "Folge des Arbeitsunfalls", weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall sei angesichts des MRT-Befundes vom 4.8.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C 6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008).

6

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 14.7.2010 festgestellt, dass "die Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei.

7

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung geltend gemacht, das Urteil sei in seiner Kausalitätsbeurteilung mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht vereinbar. Im Standardwerk der gesetzlichen Unfallversicherung von Schönberger/Mehrtens/Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentiere, werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung nicht möglich sei. Dazu sei Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8

Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Es sei vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 3.7.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7 gewesen sei. Hierfür sprächen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung im Bereich des Bewegungssegments C 6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinwiesen. Vor dem Unfall sei der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen. Der Unfall habe zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule geführt. Umstände, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprächen, hätten im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung.

9

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf das Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin und meine, es sei dort dokumentierter neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe. Diesen Ausführungen könne aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Denn dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur vermenge die Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit). Bei der Prüfung der Wesentlichkeit handele es sich um eine wertende Entscheidung, die dem juristischen Betrachter vorbehalten sei.

10

Der Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens werde abgelehnt. Selbst wenn die von Schönberger/Mehrtens/Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung wiedergeben sollte, ändere dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, weil er die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG vernachlässige.

11

Lägen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall "örtlich-zeitlich in Rede" stehe, sei ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

12

Sei der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stelle sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich gewesen sei. Hierbei sei vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS den bereits vorliegenden degenerativen Veränderungen im Hinblick auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall keine überragende Bedeutung beizumessen gewesen. Demnach sei das Unfallereignis wesentliche Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen.

13

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Das LSG habe nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ermittelt.

14

Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

17

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann das BSG nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die HWS des Klägers wesentlich mitverursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers geworden ist. Nur dann wäre dieser ein Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls.

18

Das LSG hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mitverursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung …, die … dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, verfehlt den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung (dazu unter 3. und 5.).

19

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zurückweisung ihrer zulässigen Berufung durch das LSG. Mit ihr wandte sie sich erstens gegen die Aufhebung ihres Verwaltungsakts durch das SG, der Kläger habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung seines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als "Folge des Arbeitsunfalls". Zweitens begehrte sie die Aufhebung des Feststellungsurteils des SG, dass die "Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des Klägers begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn sie durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als Gesundheitserstschaden zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser (insoweit unter klarstellender Änderung des bisherigen Ausspruchs des SG) durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

20

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des Klägers von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines Gesundheitserstschadens einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

21

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung aller Erstschäden (Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 43 vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

22

a) Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hat, der Kläger habe infolge seiner versicherten Testfahrt einen Arbeitsunfall mit folgenden Gesundheitserstschäden erlitten: "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers".

23

Die rechtliche Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf die hier umstrittene Frage, ob die infolge der Testfahrt eingetretene Einwirkung auf den Körper des Klägers weitere Gesundheitserstschäden (objektiv und unfallversicherungsrechtlich wesentlich) mitverursacht hat. Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten Gesundheitserstschäden. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die Gesundheitserstschäden ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier erstmals um einen weiteren, von der Beklagten abgelehnten Gesundheitserstschaden gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

24

b) Die Feststellungen des LSG lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der umstrittenen Gesundheitserstschäden hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

25

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

26

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

27

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

28

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad des Vollbeweises) festgestellt sein.

29

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

30

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung.

31

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 SGB VII, der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht.

32

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

33

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

34

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

35

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 21 vorgesehen - RdNr 21 ff - Lebendnierenspende).

36

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten.

37

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon RVA vom 24.5.1912, AN 1912, 930 = Breithaupt 1912, 212; GS RVA vom 26.2.1914, AN 1914, 411 <2690>; vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17).

38

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die Zurechnungskette auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

39

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

40

c) Nach den Feststellungen des LSG liegt eine versicherte Verrichtung des Klägers vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

41

aa) Der Kläger hat durch seine Testfahrt den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt(zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch zur Erfüllung einer Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Automobilhersteller zumindest angesetzt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der Beschäftigtenversicherung grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Testfahrt verwirklichten.

42

bb) Das LSG hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge der Testfahrt zu einer "Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule" gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist. Das LSG hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass ein Chirurg am 6.7.2005 beim Kläger eine "HWS-Distorsion" diagnostiziert habe. Nach dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses des LSG hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche HWS-Verstauchung genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

43

cc) Das LSG hat auch noch festgestellt, dass die versicherte Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit, das Platzen des Autoreifens, das Abkommen von der Testbahn, das Durchbrechen der Leitplanke und das Abstoppen im Wäldchen diese Einwirkung auf die HWS objektiv mitverursacht haben. Auch wenn das LSG keine näheren Feststellungen zur Ursache des Platzens des Reifens (ua Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen hat, ob es bei der Testfahrt gerade um die Prüfung der Belastbarkeit der Reifen ging, ist seine Feststellung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Testfahrt als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem BSG zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen allgemeinkundigen Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf einer Autofahrt Ursache eines starken Aufpralls mit der Wirkung ua einer Verstauchung der HWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom LSG nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

44

dd) Das LSG hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des Klägers eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die Beschäftigtenversicherung soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt die durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Einwirkung auf die HWS unter den Schutzbereich der hier begründeten Beschäftigtenversicherung. Die konkret festgestellten Mitursachen der Einwirkung, das Platzen des Reifens, der Widerstand der durchbrochenen Leitplanke schließen in der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die Zuordnung der HWS-Verstauchung zum Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nicht aus. Denn in ihnen hat sich gerade die besondere Gefahr verwirklicht, die mit der vom Kläger zu erfüllenden Pflicht verbunden war.

45

ee) Das LSG hat schließlich bindend festgestellt, dass der vom Kläger als Gesundheitserstschaden geltend gemachte Bandscheibenvorfall C 6/7 vorliegt.

46

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls C 6/7 als weiteren Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das BSG noch nicht entscheiden kann, ob die Testfahrt mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die HWS des Klägers auch rechtserhebliche (Mit-)Wirkursache dieses Bandscheibenvorfalls war.

47

4. Das LSG hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Testfahrt hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das BSG nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

48

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten Beschäftigtenversicherung geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das LSG hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

49

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das LSG keine das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

50

Allerdings hat das LSG ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die HWS des Klägers "naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7" gewesen ist.

51

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das LSG zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es, wie die Beklagte zulässig und begründet rügt, die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Beschluss einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter Begleitschaden vorliegt.

52

bb) Das LSG hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

53

Daran ist das BSG nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht allgemeinkundig oder dem BSG gerichtsbekannt. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das LSG hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

54

c) Das LSG hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

55

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

56

Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

57

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

58

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des RVA (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.

59

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

60

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des Klägers Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Testfahrt als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dieser Testfahrt und dieser Einwirkung auf die HWS des Klägers und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

61

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen Fragenbereich veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der Richter nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

62

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

63

bb) Soweit ein nicht allgemeinkundiges oder gerichtsbekanntes Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

64

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den HWS-Bereich durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall C 6/7 als Gesundheitserstschaden - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der Gesundheitserstschaden) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen Wirkursachen sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

65

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

66

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeitssätze (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen Erfahrungssätzen. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des Kreises der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

67

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens (vgl hierzu zuletzt auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung bei der der Richter der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

68

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen.

69

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

70

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

71

d) Das LSG hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

72

aa) Die Beklagte hatte unter Zitierung des Werks von Schönberger/Mehrtens/Valentin dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das LSG hätte hierauf selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

73

bb) Dies war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil das LSG davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren Schönberger/Mehrtens/Valentin von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

74

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das LSG davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

75

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das BSG das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des Klägers die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das BSG müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das LSG zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

76

Das LSG wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

77

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des Bandscheibenvorfalls C 6/7 war. Stellt das LSG hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit der Testfahrt und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall C 6/7 und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer Wirkursachen zu entscheiden.

78

5. Von diesen Feststellungen darf das LSG nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der Wirkursache für den Schaden, absehen. Das LSG hat nämlich in seinem Beschluss den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat. Ggf hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

79

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

80

Das LSG wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

81

6. Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 127/11
Verkündet am:
10. Juli 2012
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für die Verneinung des Zurechnungszusammenhangs zwischen unfallbedingten Verletzungen
und Folgeschäden wegen einer Begehrensneurose ist es erforderlich, aber
auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung
geprägt sind.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll,
Wellner und Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. März 2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger erlitt am 14. Dezember 1993 als Fahrer seines PKW einen Verkehrsunfall, für dessen Schadensfolgen der Beklagte zu 1 als Fahrer und die Beklagte zu 2 als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners dem Grunde nach in vollem Umfang haften. Die Beklagte zu 2 zahlte auf die geltend gemachten materiellen Schäden 14.479,55 DM (7.403,28 €) und als Schmerzensgeld einen Betrag von 2.000 DM (1.022,58 €). Der Kläger begehrt weiteren Schadensersatz und macht geltend, er leide aufgrund der Unfallverletzungen fortwährend an Schmerzen und habe deshalb keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen können; ihm seien unfallbedingt unter anderem Verdienstausfall, ein Haushaltsführungsschaden, Kosten für medizinische Behandlung sowie Aufwendungen durch Scheidung seiner Ehe entstanden.
2
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 579.900,41 €, eines Schmerzensgeldes von 50.000 € sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer materieller und immaterieller Schäden gerichtete Klage nach Einholung eines orthopädisch-traumatologischen Gutachtens, eines neurochirurgischen Gutachtens sowie eines psychosomatischen Gutachtens abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und der Klage unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in Höhe von 15.230,29 € nebst Zinsen stattgegeben (4.230,29 € für materielle und 11.000 € für immaterielle Schäden). Der Kläger nimmt die Klageabweisung hinsichtlich materieller Schäden aus dem Zeitraum bis zum 31. Dezember 1994 in Höhe von 20.825,44 € hin. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Klagebegehren im Übrigen weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger habe durch den Unfall eine Wirbelsäulenprellung mit Distorsion der Halswirbelsäule, die dem Grad I nach Erdmann entspreche, sowie Prellungen des Thorax und des Brustbeins erlitten. Eine Fraktur der Hals- und Brustwirbelsäule sei ebenso wenig eingetreten wie Bewusstlosigkeit oder eine Gehirnerschütterung. Eine durch den Unfall verursachte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sei auch nach dem für die haftungsausfüllende Kausalität geltenden reduzierten Beweismaß des § 287 ZPO nicht festzustellen. Bei dem Kläger habe sich unmittelbar nach dem Unfall allerdings eine akute Belastungsreaktion entwickelt. Es liege eine Anpassungsstörung vor, die nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten könne und durch depressive Stimmung, Angst oder Sorge und das Gefühl, mit alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen , gekennzeichnet sei. Daneben sei eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung eingetreten, deren Chronifizierung auf eine psychische Somatik hindeute. Ferner habe sich infolge des Unfalls eine dissoziative Störung der Bewegungs- und Sinnesempfindung entwickelt, die sich mit Symptomen wie der auffälligen Körperhaltung des Klägers, Ataxien (Störungen der Koordination von Bewegungsabläufen), Pelzigkeitsgefühlen sowie einer verstärkten Schmerzwahrnehmung äußere.
4
Die durch den Unfall ab dem Jahr 1995 eingetretenen Beschwerden seien den Beklagten jedoch schadensrechtlich nicht mehr zuzurechnen. Das vom Kläger erlittene Halswirbelsäulenschleudertrauma mit Prellungen gehe zwar über das Maß einer Bagatellverletzung hinaus, die durch ein grobes Missverhältnis zwischen einer im Alltagsleben typischen und häufig auftretenden Verletzung und der psychischen Reaktion gekennzeichnet sei. Die Zurechnung sei aber zu versagen, weil die Beschwerden auf einer Renten- oder Begehrensneurose beruhten. Diese zeichne sich dadurch aus, dass der Geschädigte den erlittenen Unfall in dem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nehme, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Hai. hätten zunächst die somatoform-funktionelle Symptomatik und danach persönlichkeitsbedingte Faktoren im Vordergrund gestanden. Im ersten Jahr nach dem Unfall sei dem Unfallgeschehen etwa 60 % Einfluss auf die Beschwerden zuzuordnen und der Persönlichkeit etwa 40 %; ab dem zweiten Jahr würden die persönlichkeitsbedingten Faktoren überwiegen und etwa 90 % der Beschwerden und Funktionseinschränkungen bedingen. Da neurotische Fehlentwicklungen häufig nicht nur auf einer Ursache beruhten, sei es sachgerecht, schon dann den Zurechnungszusammenhang zum Unfallereignis abzulehnen, wenn der neurotische Zustand des Geschädigten entscheidend von der Begehrensvor- stellung geprägt, der Versorgungswunsch also der wesentliche ausschlaggebende Faktor gewesen sei. Dies sei dann der Fall, wenn - wie im Streitfall - 90 % des Krankheitsbildes durch eine Begehrensneurose verursacht würden.
5
Dem Kläger seien bis zum 31. Januar 1994 materielle Schäden in Höhe von insgesamt 4.230,29 € entstanden (76,69 € durch die Beschädigung einer Jacke, 894,24 € Aufwendungen im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen einschließlich Fahrtkosten, 940,16 € Verdienstausfall sowie ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 2.319,20 €). Als Schmerzensgeld sei für die zurechenbaren Verletzungsfolgen ein Betrag von insgesamt 12.000 € angemessen. Davon seien dem Kläger unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlung noch 11.000 € zuzusprechen. Der Feststellungsantrag sei unbegründet , weil nach den vorgenannten Ausführungen dem Unfall zurechenbare Schäden nach dem 31. Dezember 1994 nicht mehr festzustellen seien. Der krankheitsbedingt verfallene Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 1993 und der krankheitsbedingt nicht entstandene Urlaubsanspruch für das Jahr 1994 begründeten keinen Schadensersatzanspruch, weil der Kläger hierdurch keine Vermögenseinbuße erlitten habe.

II.

6
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, für die ab dem Jahr 1995 eingetretenen Verletzungsfolgen fehle der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
7
1. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zur Haftung für psychische Folgeschäden.
8
a) Der haftungsrechtlich für eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung verantwortliche Schädiger hat grundsätzlich auch für Folgewirkungen einzustehen, die auf einer psychischen Prädisposition oder einer neurotischen Fehlverarbeitung beruhen; für die Ersatzpflicht als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens genügt die hinreichende Gewissheit, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre (Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 343 f., 346; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, BGHZ 137, 142, 145; vom 9. April 1991 - VI ZR 106/90, VersR 1991, 704, 705; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, VersR 1997, 752, 753 und vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, VersR 2004, 874;MünchKommBGB/ Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 191; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249 Rn. 39). Die Zurechnung von Folgeschäden scheitert nicht daran, dass sie auf einer konstitutiven Schwäche des Verletzten beruhen. Der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalbeingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge von Anomalien oder Dispositionen zur Krankheit besonders anfällig gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre der Betroffene gesund gewesen (Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 345 und vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04, VersR 2005, 945, 946).
9
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht die Zurechnung nicht unter dem Gesichtspunkt einer Bagatellverletzung abgelehnt, was die Revision als ihr günstig hinnimmt. In Extremfällen scheitert die Zurechnung psychischer Folgeschäden , wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist, nicht gerade speziell die Schadensanlage des Verletzten trifft und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall, weil in einem groben Missverhältnis zu dem Anlass stehend, schlechterdings nicht mehr verständlich ist (Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 346; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 146 ff.; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, aaO und vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96, VersR 1998, 200, 201;MünchKommBGB/ Oetker, aaO Rn. 192). Das Halswirbelschleudertrauma und die Prellung anderer Körperteile, die der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als unmittelbare Unfallfolge erlitten hat, hat das Berufungsgericht mit Recht als nicht geringfügig bewertet (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 349 und vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, VersR 2004, 874; Schubert in Bamberger/Roth, BeckOK, BGB, § 249 Rn. 68 (Stand März 2011)).
10
c) Zutreffend sind auch die vom Berufungsgericht angenommenen rechtlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Zurechnung unter dem Gesichtspunkt einer Begehrensneurose. Folgeschäden, die wesentlich durch eine Begehrenshaltung des Geschädigten geprägt sind, können dem Schädiger nicht zugerechnet werden. Nach der Senatsrechtsprechung und einem Teil der Literatur scheidet eine Zurechnung des Folgeschadens für sogenannte Rentenoder Begehrensneurosen aus, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Geschädigte den Unfall in dem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nimmt, den Schwierigkeiten des Erwerbslebens auszuweichen (Senatsurteile vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, BGHZ 20, 137, 142; vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 346; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 148; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, aaO und vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, aaO; Erman/Ebert, BGB, 13. Aufl., vor § 249 Rn. 50; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rn. 16, 223; NK-BGB/Magnus, 2. Aufl., vor § 249 Rn. 79; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor § 249 Rn. 39; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., vor § 249 Rn. 135; vgl. ferner BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196 Rn. 38; a.A.: Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, Teilband 2, 8. Aufl., S. 173 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 140 f.; Staudinger/Schiemann, aaO Rn. 40 ff.; vgl. Brandt, VersR 2005, 616, 617 f.).
11
Der erkennende Senat hält an seiner Rechtsprechung fest. Der Ausschluss der Haftung für Schadensfolgen, die durch eine Begehrenshaltung wesentlich geprägt sind, soll kein vorwerfbares Verhalten des Geschädigten sanktionieren. Vielmehr soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Haftung des Schädigers nicht gerechtfertigt ist, wenn bei der Entstehung der Schadensfolgen die Existenz des Schadensersatzanspruchs als solcher eine entscheidende Rolle gespielt hat. Der Ausschluss der Haftung für solche Schadensfolgen , die durch eine Begehrensvorstellung entscheidend geprägt sind, ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen der Zurechnung.
12
aa) Zwar beruhen psychische Beschwerden, auch wenn sie wesentlich durch eine Begehrenshaltung des Geschädigten geprägt sind, äquivalent kausal auf dem Unfallgeschehen, wenn sie ohne dieses nicht oder nicht in dem erreichten Ausmaß aufgetreten wären. Diese sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung aber durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (BGH, Urteile vom 11. November 1999 - III ZR 98/99, VersR 2000, 370, 371 f. und vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421).
13
bb) Auch für Schadensersatzansprüche, die auf § 823 Abs. 1 BGB beruhen , ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die äquivalent und adäquat kausal herbeigeführten Verletzungsfolgen, für die Ersatz begeht wird, in den Schutzbereich des Gesetzes fallen, ob sich also Gefahren verwirklicht haben, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1958 - VI ZR 65/57, BGHZ 27, 137, 139 f. und vom 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88, BGHZ 107, 359, 364; BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, S. 1421 f.). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein rein äußerlicher, gewissermaßen zufälliger Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273, 1274; vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128, 1130 und vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11, juris Rn. 14). So widerspricht es dem Sinn des Schadensausgleichs, durch Schadensersatzleistungen eine neurotische Begehrenshaltung, die auf der Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens beruht, zu verfestigen (vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, aaO S. 142 f.). Ebenso widerspricht es dem Normzweck, wenn der Schädiger für Schadensfolgen aufkommen muss, die zwar äquivalent kausal auf dem Unfallgeschehen beruhen, bei denen aber ein neurotisches Streben nach Versorgung und Sicherheit prägend im Vordergrund steht (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 149; MünchKommBGB/Oetker, aaO Rn. 190). In solchen Fällen realisiert sich das allgemeine Lebensrisiko und nicht mehr das vom Schädiger zu tragende Risiko der Folgen einer Körperverletzung (vgl. Senatsurteile vom 12. November 1985 - VI ZR 103/84, VersR 1986, 240, 242 und vom 16. März 1993 - VI ZR 101/92, VersR 1993, 589, 590).
14
cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Begriff der Unfall- oder Rentenneurose in medizinischen Fachkreisen abgelehnt wird (vgl. Foerster in Venzlaff/ Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl., S. 590; ders., MED SACH 1997, 44, 46; Köpp/Studt, FPR 1999, 81, 82; Murer/Kind/Binder, Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 1993, 121, 129 f.; Nedopil, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 57). Zwar ist eine Unfalloder Rentenneurose, wie auch der Sachverständige Dr. Hai. ausgeführt hat, keine eigenständige Krankheit. Die Rechtsprechung zielt aber auch nicht auf den Ausschluss einer bestimmten Krankheit, sondern auf eine Verneinung des Zurechnungszusammenhangs für Verletzungsfolgen, die auf einer Begehrenshaltung beruhen. Solche Begehrenshaltungen müssen ihre Ursache nicht in nur einer bestimmten Krankheit haben, sondern können aufgrund unterschiedlicher Umstände entstehen (vgl. Brandenburg, MED SACH 1997, 40; Köpp/Studt, aaO). Für die Beurteilung, ob eine neurotische Begehrenshaltung prägend im Vordergrund steht, kommt es auf den Schweregrad des objektiven Unfallereignisses und seiner objektiven Folgen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. März 1993 - VI ZR 101/92, aaO), auf das subjektive Erleben des Unfalls und seiner Folgen (vgl. Dahlmann, DAR 1992, 325, 326), auf die Persönlichkeit des Geschädigten (vgl. Dahlmann, aaO S. 326 ff.) und auf eventuell bestehende sekundäre Motive an (vgl. Foerster, MED SACH 1997, 44; Murer/Kind/Binder, aaO S. 140 ff.; Nedopil , Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 57; vgl. dazu auch schon Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, BGHZ 20, 137, 143).
15
dd) Die Frage, ob Beschwerden entscheidend durch eine den Zurechnungszusammenhang ausschließende Begehrenshaltung geprägt werden, kann das Gericht in der Regel nicht ohne besondere Sachkunde beantworten. Bei der hierzu erforderlichen eingehenden Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen (vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, aaO) ist es daher von besonderer Bedeutung, dass sich der Tatrichter ärztlicher Gutachter bedient, die auf diesem Gebiet die erforderliche Spezialausbildung und Erfahrung haben (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, aaO; Murer/Kind/Binder, aaO, 213, 215 ff.; Schneider/Frister/Olzen, Begutachtung psychischer Störungen, 2. Aufl. S. 390).
16
2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beschwerden des Klägers ab dem Jahr 1995 entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
17
a) Die Revision vermisst Feststellungen zu der Frage, ob bei der seelischen Fehlentwicklung des Klägers ein neurotisches Streben nach Versorgung und Sicherheit prägend im Vordergrund stehe. Das Gutachten Dr. Hai. führe zwar aus, dass die Beschwerden des Klägers zu 90 % auf persönlichkeitsbedingten Faktoren beruhten. Dies allein schließe den Zurechnungszusammenhang nicht aus, denn die psychosomatischen Schadensfolgen, die auf der Persönlichkeit des Verletzten beruhten, seien eine Schadensanlage, die der Zurechnung nicht entgegenstehe (vgl. Senatsurteil vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 349).
18
b) Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, dass nach dem Gutachten Dr. Hai., dem das Berufungsgericht folgt, das Beschwerdebild ab 1995 entscheidend durch eine Begehrenshaltung des Klägers geprägt wird. Die dieser Erkenntnis zugrundeliegenden medizinischen Befundtatsachen folgert der Sachverständige nicht ausschließlich aus der persönlichkeitsbedingten Disposition des Klägers zur Entwicklung solcher Störungen. Vielmehr setzt sich das Gutachten mit der objektiven Schwere der Unfallverletzungen und deren Erleben durch den Kläger auseinander. Es beschäftigt sich eingehend mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers und seinen sekundären Motiven. Es legt dar, woran es eine beim Kläger bestehende Begehrenshaltung festmacht, und liefert die tatsächliche Grundlage für die nicht zu beanstandende Wertung, dass angesichts der Unfallverletzungen, des Unfallerlebnisses und der Persönlichkeitsstruktur des Klägers die ab 1995 eingetretenen Beschwerden entscheidend durch eine Begehrenshaltung geprägt wurden.
19
Das Berufungsgericht führt aus, der Sachverständige Dr. Hai. habe dargelegt , dass die Begehrenshaltung ab dem zweiten Jahr nur noch einen eher äußeren Bezug zu dem Unfall aufgewiesen habe, da das Unfallgeschehen zum Anlass genommen werde, einen Ausgleich für die durch das Störungsbild erlebten Verluste zu erhalten. Bei der Untersuchung des Klägers habe Dr. Hai. zwar keine Simulation, wohl aber eine deutliche Diskrepanz der subjektiven Be- schwerdebeschreibung zu den körperlichen Beeinträchtigungen festgestellt, was für eine Begehrensneurose typisch sei. In der Untersuchung habe sich gezeigt , dass bei der Aufrechterhaltung des Beschwerdebildes das Motiv der Wiedergutmachung und der Gerechtigkeit eine große Rolle spiele. Die Person und der Alltag des Klägers seien, was biographisch ableitbar sei, schon vor dem Unfall einerseits von dem unbewussten Wunsch nach Sicherheit und Versorgung sowie andererseits nach Anerkennung geprägt gewesen. Diese Determinierung lasse die Entwicklung einer Begehrensneurose im Anschluss an das Unfallgeschehen und damit die Beurteilung des Sachverständigen Dr. Hai. plausibel erscheinen. Diese werde gestützt durch das Verhalten des Klägers gegenüber weiteren Sachverständigen und deren Feststellungen. So seien in verschiedenen Gutachten Übertreibungen, Verdeutlichungstendenzen, vorgetäuschte Beschwerden, eine chronifizierte psychische Fehlhaltung und eine Rentenfixierung dokumentiert. Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts , bei dem Kläger liege eine Begehrensneurose vor, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
20
3. Auch die weiteren Rügen, mit denen sich die Revision gegen die Ablehnung des Zurechnungszusammenhangs wendet, greifen nicht durch.
21
a) Entgegen der Ansicht der Revision kann der Zurechnungszusammenhang für später eingetretene Folgeschäden auch dann verneint werden, wenn sie sich aus Beschwerden entwickelt haben, die zunächst überwiegend dem Unfallgeschehen zuzurechnen sind, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt - einem nicht ungewöhnlichen Verlauf entsprechend - wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt sind.
22
Sind Schadensfolgen wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt, entfällt - wie ausgeführt - der Schutzzweckzusammenhang. Das Erfordernis des Schutzzweckzusammenhangs besteht nicht nur für die Primärverletzung, sondern auch für den haftungsausfüllenden Tatbestand (Palandt/Grüneberg, aaO Rn. 29; Lange/Schiemann, Schadensersatz, aaO, S. 125 f.). Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass der Schutzzweckzusammenhang für von einem bestimmten Zeitpunkt an eingetretene Schadensfolgen zu verneinen ist, selbst wenn sie auf einem gewöhnlichen Verlauf einer psychischen Störung - hier der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung - beruhen. Nahezu jeder Unfall beinhaltet ein Unfallerlebnis, das verarbeitet werden muss. Diese Verarbeitung kann unterschiedlich gut gelingen; misslingt sie, können beim Unfallgeschädigten psychische Beschwerden unterschiedlicher Intensität und Dauer auftreten (vgl. Foerster, MED SACH 1997, 44). Die Schadensfolgen können entscheidend durch eine Begehrenshaltung geprägt sein. Sie müssen nicht von Anfang an wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt sein; die Begehrenshaltung kann sich - wie auch hier - im weiteren Verlauf verstärken, bis sie schließlich prägend im Vordergrund steht. Das Berufungsgericht hat den Zeitpunkt, ab dem die Begehrenshaltung prägend im Vordergrund steht, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den 1. Januar 1995 festgelegt.
23
b) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht einen auf einer Begehrenshaltung beruhenden Anteil von 90 % der Schadensfolgen ausreichen lässt, um die Schadensersatzpflicht für die ab dem Jahr 1995 bestehenden Beschwerden in vollem Umfang zu verneinen.
24
aa) Für die Verneinung des Zurechnungszusammenhangs ist es erforderlich , aber auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sind. Nichts anderes ergibt sich aus dem Senatsurteil vom 16. November 1999 (- VI ZR 257/98, VersR 2000, 372, 373 unter II. 2. b) bb)), in dem von einer "reinen" Begehrensneurose die Rede ist. Diese Formulierung darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Ausschluss der haftungsrechtlichen Zurechnung unter dem Gesichtspunkt einer prägend im Vordergrund stehenden Begehrenshaltung nur dann möglich ist, wenn sie die einzige Ursache des Beschwerdebildes ist. Eine alleinige Ursache für eine Begehrenshaltung wird schon deswegen kaum jemals auszumachen sein, weil psychoreaktive Symptome nach äußeren Ereignissen immer aus einem Geflecht verschiedener Ursachen bestehen (Foerster in Venzlaff/ Foerster, aaO S. 680; vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 150 f.; G. Müller, VersR 1998, 129, 133). Der für die hier zu beurteilende Zurechnung maßgebliche Gesichtspunkt ist daher, ob der neurotische Zustand des Geschädigten entscheidend von der Begehrenshaltung geprägt wird (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 150). Dabei handelt es sich um eine Wertungsfrage, die, wie vorstehend dargelegt, auf der Grundlage von - regelmäßig nach sachverständiger Beratung - zu treffenden Feststellungen zu den bestehenden Beschwerden, den primären Unfallverletzungen und ihren Folgen, dem Unfallerlebnis, der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen und eventuellen sekundären Motiven vorzunehmen ist. Im Einzelfall kann die Wertung schon dann eine das Beschwerdebild prägende Begehrenshaltung ergeben, wenn - wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - 90 % des Krankheitsbildes auf eine Begehrenshaltung zurückzuführen ist.
25
bb) Dass das Berufungsgericht die Haftung für die ab dem zweiten Jahr nach dem Unfall bestehenden Beschwerden in vollem Umfang verneint hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar nimmt das OLG Schleswig (Urteile vom 2. Juni 2005 - 7 U 124/01, OLGR 2006, 5, 7 und vom 6. Juli 2006 - 7 U 148/01, NJW-RR 2007, 171, 172 f.) bei einer auf einer Prädisposition beruhenden endgültigen Fehlverarbeitung eines Unfallgeschehens eine anteilige Anspruchskürzung vor (vgl. dazu auch G. Müller, aaO S. 134). Eine solche kommt hier aber auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht. Hier geht es - anders als bei einem Mitver- schulden im Sinne von § 254 BGB - nicht um eine Abwägung der Verursachungsbeiträge , sondern um eine Frage des Schutzzweckzusammenhangs. Sind die Schadensfolgen entscheidend durch eine Begehrensvorstellung geprägt , rechtfertigt dies, die Haftung in vollem Umfang zu verneinen, weil gerade die maßgebliche Ursache in dem neurotischen Streben nach Versorgung besteht.
26
4. Auch die Verfahrensrügen verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.
27
a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe entgegen § 286 ZPO beim Ausschluss der vom Kläger unter Vorlage der Privatgutachten Dr. E. und Dr. R. behaupteten Fraktur des Dens axis (Dorn des zweiten Halswirbels) nicht alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ausgeschöpft. Sie macht geltend , der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. M. habe die Röntgenbilder des Dens axis unzureichend begutachtet. Im Schriftsatz vom 17. Mai 2004 habe der Kläger kritisiert, dass der Sachverständige von seinem Fachgebiet her nicht qualifiziert sei, einen Bruch des Dens axis auszuschließen; die Begutachtung der Röntgenaufnahme sei in unzureichender Weise durch eine Stehlampe oder Schreibtischlampe erfolgt, obwohl hierfür ein Lichtkasten erforderlich sei.
28
Das Berufungsgericht hat sich jedoch ausreichend mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt und die Privatgutachten bei seiner Beweiswürdigung berücksichtigt. Das Berufungsgericht stellt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf ab, dass das radiologische Privatgutachten Dr. R. aufgrund einer am 29. Dezember 2004 gefertigten CT-Aufnahme lediglich die Möglichkeit einer alten Fraktur annehme, wohingegen ein Bruch bei der Untersuchung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem mehr als zehn Jahre zuvor geschehenen Unfall nicht diagnostiziert worden sei, obwohl im Kreiskrankenhaus B. eine Spezialaufnahme des Dens axis gerade zum Ausschluss einer Fraktur gefertigt worden sei. Auch die Röntgenuntersuchungen und die Kernspintomographie , die im Rahmen der ebenfalls in größerer zeitlicher Nähe zum Unfall erstellten Begutachtung durch Prof. Dr. Har. erfolgten, haben nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte für einen Bruch ergeben. Dass Prof. Dr. Har. als Orthopäde nicht über die zur Beurteilung knöcherner Verletzungen aufgrund von Röntgenaufnahmen erforderliche Sachkunde verfüge, zeigt die Revision nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich.
29
Eine erneute Begutachtung des Dens axis unter Heranziehung der CTAufnahmen und von früher gefertigten Röntgenaufnahmen war unter den besonderen Umständen des Streitfalls entbehrlich. Das Berufungsgericht durfte das prozessuale Vorgehen des Klägers als stillschweigenden Verzicht auf eine erneute Begutachtung verstehen. Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat in seinem Schreiben vom 4. Juni 2004 mitgeteilt, dass er ohne Vorlage eines Dünnschicht -CTs mit Rekonstruktionen nichts Neues sagen könne, und eine ergänzende Begutachtung von der Vorlage aller Röntgenaufnahmen und des CTs abhängig gemacht. In der Folgezeit ist der Kläger darauf nicht mehr zurückgekommen. Nach Vorliegen des psychosomatischen Gutachtens von Dr. Hai. haben beide Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2006 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Weder in der mündlichen Verhandlung noch in den nachfolgend eingereichten Schriftsätzen hat der Kläger die Frage einer erneuten Begutachtung durch Prof. Dr. M. angesprochen. Auch in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 25. Juni 2010 hat er sein früheres Anliegen nicht mehr vorgebracht. Da der Kläger auch zur Frage der Übermittlung der Aufnahmen an den Sachverständigen nicht mehr Stellung genommen hat, durfte das Berufungsgericht unter den besonderen Umständen des Falles davon ausgehen, dass er seine sechs Jahre zuvor erhobenen Bedenken gegen die Begutachtung nicht aufrechterhalte (vgl.
BGH, Urteile vom 28. Mai 1998 - VI ZR 160/97, VersR 1998, 776 und vom 14. Januar 2010 - III ZR 173/09, VersR 2010, 814 Rn. 21).
30
b) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe das Privatgutachten von Prof. Dr. C. nicht ausreichend gewürdigt. Es habe, ohne die eigene Sachkunde aufzuzeigen, den unzutreffenden Erfahrungssatz aufgestellt, dass derjenige, der ein Fahrzeug auf sich zukommen sehe, aber dennoch damit rechne, der Fahrer könne seine Fahrtrichtung noch korrigieren, nicht dergestalt überrascht werden könne, dass muskuläre Abwehrmechanismen unterlaufen würden.
31
Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wird den Anforderungen des § 286 ZPO jedoch gerecht, insbesondere verstößt sie nicht gegen Denkund Erfahrungssätze. Das Berufungsgericht hat sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit dem Privatgutachten von Prof. Dr. C. auseinandergesetzt. Dieser nimmt an, dass die muskulären Abwehrmechanismen im Augenblick unmittelbar vor dem Aufprall "wohl" unterlaufen worden seien. Der Privatgutachter geht deshalb davon aus, dass das Trauma ein "Kopfhalteorgan" getroffen habe, welches nicht auf Abwehr eingestellt gewesen sei. Aufgrund der polizeilichen Unfallaufnahme und der polizeilichen Zeugenvernehmung des Klägers hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Unfall für den Kläger nicht überraschend war. Es hat dargelegt, dass das Privatgutachten diesen Umstand nicht berücksichtigt habe, und ist deshalb bei der Feststellung der unmittelbaren unfallbedingten körperlichen Verletzungen rechtsfehlerfrei dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Har. gefolgt. Mithin hat sich das Berufungsgericht weder eigene Sachkunde angemaßt noch unzutreffende Erfahrungssätze aufgestellt, sondern lediglich eine Anknüpfungstatsache anders als der Privatgutachter beurteilt. Es hat zudem darauf hingewiesen , dass sich auch der neurologische Sachverständige Prof. Dr. M., dem das Privatgutachten von Prof. Dr. C. vorlag, mit dieser Frage beschäftigt habe und der gerichtliche Sachverständige klinische Anzeichen für eine Instabilität und Verletzungsfolgen im Bereich des Übergangs zwischen Kopf und Hals nicht habe feststellen können.
32
c) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht an die Feststellungen des Landgerichts gebunden gesehen, soweit dieses eine posttraumatische Belastungsstörung auf der Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens Dr. Hai. verneint habe. Die Revision vermisst insoweit eine kritische Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten von Prof. Dr. B.. Sie sieht einen Widerspruch in der Verneinung einer zur Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung erforderlichen Situation ungewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalen Ausmaßes zu der vom Berufungsgericht bejahten akuten Belastungsreaktion, weil auch das Gutachten Dr. Hai. davon ausgehe, dass der Kläger sich nach dem Unfall "emotional wie betäubt" gefühlt und unter Schock gestanden habe.
33
Das Berufungsgericht hat jedoch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ohne Verstoß gegen § 287 Abs. 1, § 286 Abs. 1 ZPO eine posttraumatische Belastungsstörung verneint und sich dabei hinreichend mit dem Privatgutachten von Prof. Dr. B. auseinandergesetzt. Eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1) entsteht nach den vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Kriterien des ICD10 als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (Dilling/Freyberger, Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, 5. Aufl., S. 173 f.). Demgegenüber erfordert eine akute Belastungsreaktion (ICD10: F43.0) lediglich eine außergewöhnliche psychische oder physische Belastung (Dilling/Freyberger , aaO S. 171 f.); der Betroffene muss also nicht, anders als bei einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß ausgesetzt sein, die bei nahezu jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Deshalb erfüllt das Unfallerlebnis nach den Feststellungen der Vorinstanzen zwar die diagnostischen Kriterien einer akuten Belastungsreaktion, nicht jedoch diejenigen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der von der Revision behauptete Widerspruch besteht demnach nicht.
34
5. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht dem Kläger zu Recht keinen Schadensersatz für krankheitsbedingt verfallenen oder nicht entstandenen Urlaub zugesprochen. Einen Vermögensschaden hat der Kläger durch entgangenen Urlaub nicht erlitten. Galke Zoll Wellner Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 30.07.2010 - 27 O 293/96 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 29.03.2011 - 10 U 106/10 -

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich C 6/7 seiner Halswirbelsäule (HWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 3.7.2005 ist.

2

Der Kläger absolvierte an diesem Tag als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers aufgabengemäß eine Testfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien. Dabei platzte bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs. Es kam von der Fahrbahn ab, durchbrach die Leitplanke und kam in einem Wäldchen zum Stehen.

3

Bei der Erstuntersuchung des Klägers erbrachten die Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen. Am 6.7.2005 diagnostizierte ein Facharzt für Chirurgie ua eine Halswirbelsäulen-Distorsion (Verstauchung, Zerrung). In der Kernspintomographie der HWS vom 4.8.2005 wurden erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie für den Bereich von C 6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina (Wurzelkanälen) beschrieben. Eine weitere Kernspintomographie der HWS vom 30.8.2005 ergab zwischen den Halswirbelkörpern C 6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente. Eine Begleitverletzung wurde nicht benannt.

4

Im Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 3.7.2005 als Arbeitsunfall. Als "Unfallfolgen" wurden "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers" anerkannt.

5

Ferner wurde festgestellt, der Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper sei keine "Folge des Arbeitsunfalls", weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall sei angesichts des MRT-Befundes vom 4.8.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C 6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008).

6

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 14.7.2010 festgestellt, dass "die Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei.

7

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung geltend gemacht, das Urteil sei in seiner Kausalitätsbeurteilung mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht vereinbar. Im Standardwerk der gesetzlichen Unfallversicherung von Schönberger/Mehrtens/Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentiere, werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung nicht möglich sei. Dazu sei Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8

Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Es sei vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 3.7.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7 gewesen sei. Hierfür sprächen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung im Bereich des Bewegungssegments C 6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinwiesen. Vor dem Unfall sei der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen. Der Unfall habe zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule geführt. Umstände, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprächen, hätten im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung.

9

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf das Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin und meine, es sei dort dokumentierter neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe. Diesen Ausführungen könne aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Denn dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur vermenge die Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit). Bei der Prüfung der Wesentlichkeit handele es sich um eine wertende Entscheidung, die dem juristischen Betrachter vorbehalten sei.

10

Der Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens werde abgelehnt. Selbst wenn die von Schönberger/Mehrtens/Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung wiedergeben sollte, ändere dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, weil er die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG vernachlässige.

11

Lägen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall "örtlich-zeitlich in Rede" stehe, sei ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

12

Sei der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stelle sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich gewesen sei. Hierbei sei vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS den bereits vorliegenden degenerativen Veränderungen im Hinblick auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall keine überragende Bedeutung beizumessen gewesen. Demnach sei das Unfallereignis wesentliche Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen.

13

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Das LSG habe nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ermittelt.

14

Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

17

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann das BSG nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die HWS des Klägers wesentlich mitverursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers geworden ist. Nur dann wäre dieser ein Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls.

18

Das LSG hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mitverursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung …, die … dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, verfehlt den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung (dazu unter 3. und 5.).

19

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zurückweisung ihrer zulässigen Berufung durch das LSG. Mit ihr wandte sie sich erstens gegen die Aufhebung ihres Verwaltungsakts durch das SG, der Kläger habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung seines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als "Folge des Arbeitsunfalls". Zweitens begehrte sie die Aufhebung des Feststellungsurteils des SG, dass die "Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des Klägers begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn sie durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als Gesundheitserstschaden zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser (insoweit unter klarstellender Änderung des bisherigen Ausspruchs des SG) durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

20

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des Klägers von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines Gesundheitserstschadens einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

21

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung aller Erstschäden (Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 43 vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

22

a) Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hat, der Kläger habe infolge seiner versicherten Testfahrt einen Arbeitsunfall mit folgenden Gesundheitserstschäden erlitten: "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers".

23

Die rechtliche Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf die hier umstrittene Frage, ob die infolge der Testfahrt eingetretene Einwirkung auf den Körper des Klägers weitere Gesundheitserstschäden (objektiv und unfallversicherungsrechtlich wesentlich) mitverursacht hat. Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten Gesundheitserstschäden. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die Gesundheitserstschäden ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier erstmals um einen weiteren, von der Beklagten abgelehnten Gesundheitserstschaden gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

24

b) Die Feststellungen des LSG lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der umstrittenen Gesundheitserstschäden hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

25

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

26

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

27

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

28

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad des Vollbeweises) festgestellt sein.

29

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

30

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung.

31

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 SGB VII, der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht.

32

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

33

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

34

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

35

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 21 vorgesehen - RdNr 21 ff - Lebendnierenspende).

36

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten.

37

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon RVA vom 24.5.1912, AN 1912, 930 = Breithaupt 1912, 212; GS RVA vom 26.2.1914, AN 1914, 411 <2690>; vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17).

38

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die Zurechnungskette auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

39

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

40

c) Nach den Feststellungen des LSG liegt eine versicherte Verrichtung des Klägers vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

41

aa) Der Kläger hat durch seine Testfahrt den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt(zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch zur Erfüllung einer Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Automobilhersteller zumindest angesetzt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der Beschäftigtenversicherung grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Testfahrt verwirklichten.

42

bb) Das LSG hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge der Testfahrt zu einer "Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule" gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist. Das LSG hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass ein Chirurg am 6.7.2005 beim Kläger eine "HWS-Distorsion" diagnostiziert habe. Nach dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses des LSG hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche HWS-Verstauchung genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

43

cc) Das LSG hat auch noch festgestellt, dass die versicherte Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit, das Platzen des Autoreifens, das Abkommen von der Testbahn, das Durchbrechen der Leitplanke und das Abstoppen im Wäldchen diese Einwirkung auf die HWS objektiv mitverursacht haben. Auch wenn das LSG keine näheren Feststellungen zur Ursache des Platzens des Reifens (ua Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen hat, ob es bei der Testfahrt gerade um die Prüfung der Belastbarkeit der Reifen ging, ist seine Feststellung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Testfahrt als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem BSG zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen allgemeinkundigen Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf einer Autofahrt Ursache eines starken Aufpralls mit der Wirkung ua einer Verstauchung der HWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom LSG nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

44

dd) Das LSG hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des Klägers eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die Beschäftigtenversicherung soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt die durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Einwirkung auf die HWS unter den Schutzbereich der hier begründeten Beschäftigtenversicherung. Die konkret festgestellten Mitursachen der Einwirkung, das Platzen des Reifens, der Widerstand der durchbrochenen Leitplanke schließen in der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die Zuordnung der HWS-Verstauchung zum Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nicht aus. Denn in ihnen hat sich gerade die besondere Gefahr verwirklicht, die mit der vom Kläger zu erfüllenden Pflicht verbunden war.

45

ee) Das LSG hat schließlich bindend festgestellt, dass der vom Kläger als Gesundheitserstschaden geltend gemachte Bandscheibenvorfall C 6/7 vorliegt.

46

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls C 6/7 als weiteren Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das BSG noch nicht entscheiden kann, ob die Testfahrt mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die HWS des Klägers auch rechtserhebliche (Mit-)Wirkursache dieses Bandscheibenvorfalls war.

47

4. Das LSG hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Testfahrt hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das BSG nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

48

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten Beschäftigtenversicherung geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das LSG hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

49

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das LSG keine das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

50

Allerdings hat das LSG ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die HWS des Klägers "naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7" gewesen ist.

51

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das LSG zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es, wie die Beklagte zulässig und begründet rügt, die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Beschluss einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter Begleitschaden vorliegt.

52

bb) Das LSG hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

53

Daran ist das BSG nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht allgemeinkundig oder dem BSG gerichtsbekannt. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das LSG hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

54

c) Das LSG hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

55

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

56

Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

57

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

58

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des RVA (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.

59

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

60

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des Klägers Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Testfahrt als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dieser Testfahrt und dieser Einwirkung auf die HWS des Klägers und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

61

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen Fragenbereich veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der Richter nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

62

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

63

bb) Soweit ein nicht allgemeinkundiges oder gerichtsbekanntes Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

64

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den HWS-Bereich durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall C 6/7 als Gesundheitserstschaden - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der Gesundheitserstschaden) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen Wirkursachen sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

65

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

66

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeitssätze (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen Erfahrungssätzen. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des Kreises der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

67

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens (vgl hierzu zuletzt auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung bei der der Richter der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

68

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen.

69

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

70

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

71

d) Das LSG hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

72

aa) Die Beklagte hatte unter Zitierung des Werks von Schönberger/Mehrtens/Valentin dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das LSG hätte hierauf selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

73

bb) Dies war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil das LSG davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren Schönberger/Mehrtens/Valentin von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

74

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das LSG davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

75

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das BSG das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des Klägers die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das BSG müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das LSG zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

76

Das LSG wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

77

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des Bandscheibenvorfalls C 6/7 war. Stellt das LSG hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit der Testfahrt und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall C 6/7 und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer Wirkursachen zu entscheiden.

78

5. Von diesen Feststellungen darf das LSG nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der Wirkursache für den Schaden, absehen. Das LSG hat nämlich in seinem Beschluss den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat. Ggf hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

79

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

80

Das LSG wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

81

6. Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger die Feststellung eines Arbeitsunfalls wegen des Ereignisses vom 7.4.2003 beanspruchen kann.

2

Der 1953 geborene Kläger war bei der Firma H. als Kraftfahrer beschäftigt. Am 7.4.2003 hatte er den Auftrag, Waren von M. aus zur Firma C. in B. zu transportieren. Er fuhr gegen 1.00 Uhr in M. ab, kam gegen 2.30 Uhr in der Umgebung von B. an. Nachdem sich C morgens bei H nach dem Verbleib der Ware erkundigt hatte, kam der Kläger gegen 9.30 Uhr bei C in B. an. Nach dem Abladevorgang bewegte er sich mit einem Hämatom am Kopf langsam taumelnd. Beim Eintreffen des Rettungssanitäters zeigte er sich desorientiert und bewusstseinsgetrübt. Ferner zeigte er einen schwankenden Gang und konnte keine adäquaten Angaben zum vorangegangenen Geschehen machen. Bei der notärztlichen und der anschließenden stationären Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. vom 7. bis 29.4.2003 bestand hinsichtlich des Geschehenen eine vollständige Amnesie. Diagnostiziert wurden ein schweres Schädel-Hirn-Trauma unklarer Genese, eine Kalottenfraktur okzipital, multiple Einblutungen fronto-basal rechts, ein passagerer Verwirrtheitszustand, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine retrograde Amnesie und eine chronische Bronchitis bei Nikotinabusus.

3

Die Beklagte gewährte dem Kläger Heilbehandlung und ab 20.5.2003 Verletztengeld. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte am 4.6.2003 Telefongespräche mit dem Inhaber der H sowie einem Mitarbeiter E des Betriebs, bei dem der Kläger die Waren entladen sollte. Nach weiteren Ermittlungen verfügte die Beklagte unter dem 6.8.2004 die Einstellung der Zahlung des Verletztengeldes mit Ablauf des 27.9.2004. Mit dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit sei nach Ablauf der 78. Woche nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr zu rechnen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien derzeit nicht zu erbringen.

4

Der Kläger beantragte am 31.8.2004 Verletztenrente. Die Beklagte zahlte ihm im Oktober 2004 auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen Vorschuss in Höhe von 300 €. Dieser stehe unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung, falls sich herausstelle, dass keine oder eine geringere Leistungspflicht bestehe. Auf das klägerische Schreiben vom 16.3.2005 zahlte die Beklagte unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen weiteren Vorschuss von 1700 €.

5

Mit Bescheid vom 24.6.2005 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 7.4.2003 ab. Es lasse sich nicht feststellen, dass sich der Kläger seine Kopfverletzung bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen habe. Ein zu entschädigender Arbeitsunfall sei nicht erwiesen. Die Vorschüsse auf Leistungen in Höhe von 2000 € seien zu erstatten. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1.2.2006 zurückwies.

6

Der Kläger hat beim SG Heilbronn Klage erhoben. Er habe seinen Arbeitstag am 7.4.2003 wie immer begonnen, wenn er mit seinem Lkw in Richtung B. gefahren sei. Bei diesen Fahrten sei er gegen 1.00 Uhr zum Betrieb in M. gefahren, habe Lkw und Ladung kontrolliert und habe sich dann auf den Weg in Richtung B. gemacht. Wie üblich habe er die Absicht gehabt, einen vor R. gelegenen Parkplatz anzufahren, auf dem er üblicherweise bei dieser Tour stehe. Von dort zur Abladestation in B. betrage die Fahrtzeit ca 20 Minuten.

7

Mit Urteil vom 3.3.2009 hat das SG "den Bescheid der Beklagten vom 24.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2006" aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall festzustellen. Als der Kläger die versicherte Tätigkeit aufgenommen habe, sei er noch gesund gewesen. Bei der Ankunft an der Entladestelle habe er sich Verletzungen zugezogen gehabt, die aus einem Unfall resultieren müssten. Es lasse sich nicht nachweisen, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe.

8

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte beim LSG Berufung eingelegt. Das Urteil überzeuge nicht, da nicht nachgewiesen sei, dass der Kläger zur Zeit der Gesundheitsschädigung eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Das LSG hat mit Urteil vom 9.12.2010 (L 6 U 2656/09) das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Dass sich der Nachweis der Ausübung einer versicherten Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls nicht führen lasse, gehe nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Verunglücke ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet habe, entfalle der Versicherungsschutz zwar nur, wenn bewiesen werde, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe (unter Hinweis auf BSG vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9; BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 28/06 R - veröffentlicht in Juris). Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben, denn es lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet habe, verunglückt sei. Der Kläger habe am Unfalltag nicht ausschließlich betriebliche, sondern auch eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. So habe er von vornherein beabsichtigt, auf einem Parkplatz eine 4 bis 4,5 Stunden dauernde Pause einzulegen, die er nach den Ermittlungen auch eingelegt habe. Die Einlegung einer nicht versicherten Pause führe "zu einer Beweislastumkehr" dergestalt, dass nicht die Beklagte die Beweislast dafür trage, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe, sondern der Kläger die Beweislast dafür trage, dass er nicht während einer eigenwirtschaftlichen Unterbrechung verunfallt sei.

9

Gegen das Urteil des LSG hat der Kläger Revision eingelegt. Es verletze §§ 7, 8 SGB VII, indem es zu Unrecht davon ausgehe, dass der vorliegende Fall von den Konstellationen abweiche, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R) zu Grunde lagen. Bei der von ihm eingelegten Pause handle es sich nicht um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Vielmehr sei er zur Einhaltung von Ruhezeiten normativ verpflichtet. Er sei darin frei, sich die Ruhezeiten nach eigener Planung einzuteilen. Die Ungewissheit darüber, unter welchen Umständen er sich die Verletzungen zugezogen habe, gehe zu Lasten der Beklagten.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. März 2009 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Der Vollbeweis dafür, dass der Kläger einen Unfall in Ausübung der versicherten Tätigkeit erlitten habe, sei nicht erbracht worden.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Ereignisses vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall begehrt, ist unbegründet.

14

Das LSG hat das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht aufgehoben und die Klagen abgewiesen (1.). Vorliegend können nicht die "Beweiserleichterungen" gelten, die der Senat angenommen hat, wenn ein Versicherter am Arbeitsplatz und in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer versicherten Verrichtung einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet (2.). Es findet keine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers statt (3.). Ein Arbeitsunfall ist auch nicht nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins festzustellen (4.).

15

1. Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles, hier eines Arbeitsunfalles, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f). Einen Arbeitsunfall hat der Kläger aber nach den für das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht erlitten.

16

Nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 S 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17 RdNr 10; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

17

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). Das BSG ist an die Feststellung nicht nur dieser Tatsachen, sondern auch an die eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs durch das LSG grundsätzlich gebunden, falls - wie hier - keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen gegen die dabei zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen erhoben werden und materiellrechtlich nicht ersichtlich ist, dass das LSG die rechtlichen Vorgaben für diesen ersten Schritt der Kausalitätsbeurteilung verkannt hat. Zu einer eigenständigen beweiswürdigenden Tatsachenfeststellung ist das BSG nur in seltenen, hier nicht einschlägigen Ausnahmesituationen befugt. Demgegenüber ist die Entscheidung über die Wesentlichkeit eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs im Einzelfall eine reine Rechts- und Rechtsanwendungsfrage.

18

Eine "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", die unter einen gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, ist nicht erwiesen. Nach den vom LSG bindend festgestellten Tatsachen ist weder nachgewiesen noch nachweisbar, dass der Kläger die Gesundheitsschäden bei der Ausübung einer Tätigkeit erlitten hat, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand. Danach steht schon nicht fest, ob der Gesundheitsschaden am 7.4.2003 oder vorher entstanden ist. Weiter ist nicht nachgewiesen, ob, wenn die Gesundheitsschädigung am 7.4.2003 zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr entstand, diese während der Zeiten der Verrichtung von Kraftfahreraufgaben oder während einer mehrstündigen Erholungspause eintrat. Als abhängig beschäftigter Kraftfahrer hätte er zur Zeit der Schädigung eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit nur verrichtet, wenn er Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hätte oder eine nicht geschuldete Handlung mit der objektivierten Handlungstendenz vorgenommen hätte, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Es steht aber nur fest, dass er am Unfalltag um 1.00 Uhr die Ausübung der versicherten Tätigkeit als Kraftfahrer aufgenommen hat und dass bei ihm gegen 9.30 Uhr erhebliche Gesundheitsschäden vorgelegen haben. Allerdings war nicht feststellbar, welche versicherten und nicht versicherten Verrichtungen der Kläger in der Zwischenzeit ausgeführt hat.

19

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls iS des § 8 Abs 1 SGB VII sind deshalb nicht erfüllt.

20

2. Das LSG hat bei seiner Entscheidung nicht verkannt, dass bei der Beweiswürdigung der rechtliche Beweismaßstab des Vollbeweises bei der Prüfung der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten auch dann erfüllt sein kann, wenn ein Versicherter an dem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt versicherte Tätigkeiten verrichtet hatte, aus ungeklärten Umständen einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet, falls keine konkret festgestellten Tatsachen Zweifel daran begründen, dass er auch noch zur Unfallzeit versichert gearbeitet hat (teilweise als "Beweiserleichterung" bezeichnet).

21

Der Senat hat in der Entscheidung vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R - Juris RdNr 22) folgende Maßstäbe aufgestellt: "Die Ungewissheit darüber, aus welchen Beweggründen V (Anm: der Versicherte) … 10 bis 20 Minuten auf der Plattform verblieben ist und was er dort getan hat, geht zu Lasten der Beklagten. Denn sie trägt bei der gegebenen Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der versicherten Baustelleneinrichtung vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hatte."

22

Ähnlich führte er schon im Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9)aus: "Verunglückt ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, wo er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung unterbrochen hatte." Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem ein Versicherter mit einem Arbeitskollegen auf einem Dach Arbeiten verrichtete und nach einer 15 bis 30 Minuten dauernden Abwesenheit des Kollegen von dem Dach abgestürzt war.

23

Die Umstände des vorliegenden Falls unterscheiden sich - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - von den Konstellationen, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9) zu Grunde lagen. Beiden Entscheidungen lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem jeweils die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit nachgewiesen war und die Versicherten aus nicht zu klärenden Umständen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz zu einem bekannten Zeitpunkt Unfälle erlitten hatten. "Beweiserleichterungen" nach den og Urteilen kommen daher nur in Betracht, wenn der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und er dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat (so auch Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 340; derselbe in jurisPR-SozR 12/2005 Anm 5).

24

Daran fehlt es hier. Es ist völlig offen, wann genau, wo und bei welcher Gelegenheit der Kläger sich seine Verletzungen zugezogen hat. Vergleichbar liegt der Fall des Klägers mit denjenigen, die den oben genannten Urteilen zu Grunde lagen, nur insoweit, als auch der Kläger unter ungeklärten Umständen erhebliche Gesundheitsschäden erlitten hat. Vorliegend erstreckt sich aber der Zeitraum zwischen der Aufnahme der versicherten Tätigkeit (1.00 Uhr), einer Pause von 2.30 Uhr bis 9.00 Uhr bis zur Wahrnehmung bestehender Gesundheitsschäden (gegen 9.30 Uhr) auf mehr als acht Stunden. Für diese Zeitspanne ist unklar, wann die Schädigung stattgefunden hat und welchen konkreten versicherten und nichtversicherten Verrichtungen der Kläger nachgegangen ist. Der Zeitraum, in dem die Einwirkung möglicherweise erfolgte, übersteigt sogar die zeitliche Dauer einer Arbeitsschicht, die als Grenze gilt, bis zu der das Merkmal "zeitlich begrenzt" in § 8 Abs 1 S 2 SGB VII noch erfüllt werden kann(stRspr BSG vom 30.5.1985 - 2 RU 17/84 - SozR 2200 § 548 Nr 71; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 12 f).

25

Auch in örtlicher Hinsicht ist offen, ob der Kläger die Verletzungen am Arbeitsplatz, zB in seinem Fahrzeug, oder an einem Ort erlitten hat, den er bedingt durch die versicherte Tätigkeit aufsuchen musste, oder an einem zu eigenwirtschaftlichen Verrichtungen aufgesuchten Ort, zB einem Rasthof.

26

Das LSG hat die Nichtfeststellbarkeit der Verrichtung der versicherten Beschäftigung auch unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeit geprüft, dass die vom Kläger einzuhaltenden und zwingend vorgeschriebenen Ruhezeiten Teil der versicherten Tätigkeit wären (vgl zu Ruhe- und Lenkzeiten der Kraftfahrer: Art 6 f EGV Nr 561/2006; unbeschadet der EGV gilt für Fahrer in einem Arbeitsverhältnis auch das ArbZG, insbesondere § 21a; vgl auch BAG vom 20.04.2011 - 5 AZR 200/10). Hier kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kraftfahrer bei der Einhaltung von Ruhe-, Lenk- und Standzeiten eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Denn das LSG hat bindend festgestellt, dass vorliegend eine betriebliche Notwendigkeit - wie etwa einzuhaltende Lenkzeiten - für die gewählte Pausengestaltung nicht ersichtlich ist. Im Übrigen hat der Senat in dem mehrfach zitierten Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - aaO RdNr 8) bereits darauf verwiesen, dass ein Versicherter, der während einer Arbeitspause oder während eines Bereitschaftsdienstes einer höchst persönlichen oder eigenwirtschaftlichen Verrichtung nachgeht, ebenso wenig versichert ist, wie ein Versicherter, der während der normalen Arbeitszeit eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit einschiebt. In beiden Fällen wird die versicherte Tätigkeit unterbrochen.

27

3. Eine "Umkehr der Beweislast" zu Lasten des Klägers oder eine "Rückausnahme", wie das LSG meint, liegt nicht vor.

28

Das LSG ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die hier vorliegenden Umstände, ausgehend von den Entscheidungen des Senats eine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers bewirken. Vielmehr bleibt es bei den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (stRspr; vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN). Bei Tatsachen, die das LSG nur mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststellen darf, schaden rein theoretische Zweifel, die immer vorliegen können, ohnehin nicht (Erforderlich ist "ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit" so Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl 2011, § 286 RdNr 2 mwN). Die in den oben zitierten Entscheidungen sehr unspezifisch als "Beweiserleichterungen" (zu dem Begriff vgl Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 25 f) bezeichneten Ausnahmesituationen zeichnen sich dadurch aus, dass weder eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit noch konkrete Hilfstatsachen dafür festgestellt sind. Folglich könnten nur aus der Unaufklärbarkeit der Umstände des Einzelfalles Zweifel an der (weiteren) Verrichtung der versicherten Tätigkeit bis zur Unfallzeit entstehen. Solche Zweifel aber, die sich nicht auf festgestellte Tatsachen stützen lassen, können auch nur rein theoretischer Natur sein.

29

4. Das LSG hätte, worauf nur beiläufig hinzuweisen ist, die Verrichtung der versicherten Beschäftigung zur Unfallzeit auch nicht wegen eines Anscheinsbeweises feststellen müssen.

30

Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung. Bei typischen Geschehensabläufen erlaubt er den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens aufgrund von Erfahrungssätzen, auch wenn im Einzelfall entsprechende Tatsachen nicht festgestellt werden können (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 29). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann also der Geschehensablauf zu Grunde gelegt werden, als habe er sich in der typischen Weise ereignet. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann (s dazu: Keller aaO; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 S 2). Es kann offenbleiben, ob und in welchen Fällen ein Beweis des ersten Anscheins für den Überzeugungsgrad des Vollbeweises ausreichen kann.

31

Dementsprechend wird auch für einzelne Voraussetzungen des Arbeitsunfalls, wie zB die Unfallkausalität, die Möglichkeit des Anscheinsbeweises bejaht (dazu BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22, RdNr 15; vgl auch Bolay in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 128 RdNr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr 9 ff). Vorliegend kann ein Anscheinsbeweis schon mangels eines typischen Geschehensablaufs nicht den Nachweis begründen, dass ein Unfallereignis bei der "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit" eingetreten ist. Neben einer feststellbaren Unfallzeit fehlt es auch an einem Erfahrungssatz des Inhalts, dass Beschäftigte im Transportgewerbe (außerhalb von Verkehrsunfällen) bei Ausübung ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt sind, die zu Verletzungen der vom Kläger erlittenen Art führen.

32

Nach alledem ist die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Auf Gesuch eines Beteiligten kann die Einnahme des Augenscheins und die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zur Sicherung des Beweises angeordnet werden, wenn zu besorgen ist, daß das Beweismittel verlorengehe oder seine Benutzung erschwert werde, oder wenn der gegenwärtige Zustand einer Person oder einer Sache festgestellt werden soll und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Das Gesuch ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Sozialgericht anzubringen. In Fällen dringender Gefahr kann das Gesuch bei einem anderen Sozialgericht oder einem Amtsgericht angebracht werden, in dessen Bezirk sich die zu vernehmenden Personen aufhalten oder sich der in Augenschein zu nehmende Gegenstand befindet.

(3) Für das Verfahren gelten die §§ 487, 490 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger die Feststellung eines Arbeitsunfalls wegen des Ereignisses vom 7.4.2003 beanspruchen kann.

2

Der 1953 geborene Kläger war bei der Firma H. als Kraftfahrer beschäftigt. Am 7.4.2003 hatte er den Auftrag, Waren von M. aus zur Firma C. in B. zu transportieren. Er fuhr gegen 1.00 Uhr in M. ab, kam gegen 2.30 Uhr in der Umgebung von B. an. Nachdem sich C morgens bei H nach dem Verbleib der Ware erkundigt hatte, kam der Kläger gegen 9.30 Uhr bei C in B. an. Nach dem Abladevorgang bewegte er sich mit einem Hämatom am Kopf langsam taumelnd. Beim Eintreffen des Rettungssanitäters zeigte er sich desorientiert und bewusstseinsgetrübt. Ferner zeigte er einen schwankenden Gang und konnte keine adäquaten Angaben zum vorangegangenen Geschehen machen. Bei der notärztlichen und der anschließenden stationären Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. vom 7. bis 29.4.2003 bestand hinsichtlich des Geschehenen eine vollständige Amnesie. Diagnostiziert wurden ein schweres Schädel-Hirn-Trauma unklarer Genese, eine Kalottenfraktur okzipital, multiple Einblutungen fronto-basal rechts, ein passagerer Verwirrtheitszustand, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine retrograde Amnesie und eine chronische Bronchitis bei Nikotinabusus.

3

Die Beklagte gewährte dem Kläger Heilbehandlung und ab 20.5.2003 Verletztengeld. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte am 4.6.2003 Telefongespräche mit dem Inhaber der H sowie einem Mitarbeiter E des Betriebs, bei dem der Kläger die Waren entladen sollte. Nach weiteren Ermittlungen verfügte die Beklagte unter dem 6.8.2004 die Einstellung der Zahlung des Verletztengeldes mit Ablauf des 27.9.2004. Mit dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit sei nach Ablauf der 78. Woche nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr zu rechnen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien derzeit nicht zu erbringen.

4

Der Kläger beantragte am 31.8.2004 Verletztenrente. Die Beklagte zahlte ihm im Oktober 2004 auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen Vorschuss in Höhe von 300 €. Dieser stehe unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung, falls sich herausstelle, dass keine oder eine geringere Leistungspflicht bestehe. Auf das klägerische Schreiben vom 16.3.2005 zahlte die Beklagte unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen weiteren Vorschuss von 1700 €.

5

Mit Bescheid vom 24.6.2005 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 7.4.2003 ab. Es lasse sich nicht feststellen, dass sich der Kläger seine Kopfverletzung bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen habe. Ein zu entschädigender Arbeitsunfall sei nicht erwiesen. Die Vorschüsse auf Leistungen in Höhe von 2000 € seien zu erstatten. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1.2.2006 zurückwies.

6

Der Kläger hat beim SG Heilbronn Klage erhoben. Er habe seinen Arbeitstag am 7.4.2003 wie immer begonnen, wenn er mit seinem Lkw in Richtung B. gefahren sei. Bei diesen Fahrten sei er gegen 1.00 Uhr zum Betrieb in M. gefahren, habe Lkw und Ladung kontrolliert und habe sich dann auf den Weg in Richtung B. gemacht. Wie üblich habe er die Absicht gehabt, einen vor R. gelegenen Parkplatz anzufahren, auf dem er üblicherweise bei dieser Tour stehe. Von dort zur Abladestation in B. betrage die Fahrtzeit ca 20 Minuten.

7

Mit Urteil vom 3.3.2009 hat das SG "den Bescheid der Beklagten vom 24.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2006" aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall festzustellen. Als der Kläger die versicherte Tätigkeit aufgenommen habe, sei er noch gesund gewesen. Bei der Ankunft an der Entladestelle habe er sich Verletzungen zugezogen gehabt, die aus einem Unfall resultieren müssten. Es lasse sich nicht nachweisen, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe.

8

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte beim LSG Berufung eingelegt. Das Urteil überzeuge nicht, da nicht nachgewiesen sei, dass der Kläger zur Zeit der Gesundheitsschädigung eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Das LSG hat mit Urteil vom 9.12.2010 (L 6 U 2656/09) das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Dass sich der Nachweis der Ausübung einer versicherten Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls nicht führen lasse, gehe nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Verunglücke ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet habe, entfalle der Versicherungsschutz zwar nur, wenn bewiesen werde, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe (unter Hinweis auf BSG vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9; BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 28/06 R - veröffentlicht in Juris). Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben, denn es lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet habe, verunglückt sei. Der Kläger habe am Unfalltag nicht ausschließlich betriebliche, sondern auch eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. So habe er von vornherein beabsichtigt, auf einem Parkplatz eine 4 bis 4,5 Stunden dauernde Pause einzulegen, die er nach den Ermittlungen auch eingelegt habe. Die Einlegung einer nicht versicherten Pause führe "zu einer Beweislastumkehr" dergestalt, dass nicht die Beklagte die Beweislast dafür trage, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe, sondern der Kläger die Beweislast dafür trage, dass er nicht während einer eigenwirtschaftlichen Unterbrechung verunfallt sei.

9

Gegen das Urteil des LSG hat der Kläger Revision eingelegt. Es verletze §§ 7, 8 SGB VII, indem es zu Unrecht davon ausgehe, dass der vorliegende Fall von den Konstellationen abweiche, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R) zu Grunde lagen. Bei der von ihm eingelegten Pause handle es sich nicht um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Vielmehr sei er zur Einhaltung von Ruhezeiten normativ verpflichtet. Er sei darin frei, sich die Ruhezeiten nach eigener Planung einzuteilen. Die Ungewissheit darüber, unter welchen Umständen er sich die Verletzungen zugezogen habe, gehe zu Lasten der Beklagten.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. März 2009 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Der Vollbeweis dafür, dass der Kläger einen Unfall in Ausübung der versicherten Tätigkeit erlitten habe, sei nicht erbracht worden.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Ereignisses vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall begehrt, ist unbegründet.

14

Das LSG hat das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht aufgehoben und die Klagen abgewiesen (1.). Vorliegend können nicht die "Beweiserleichterungen" gelten, die der Senat angenommen hat, wenn ein Versicherter am Arbeitsplatz und in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer versicherten Verrichtung einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet (2.). Es findet keine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers statt (3.). Ein Arbeitsunfall ist auch nicht nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins festzustellen (4.).

15

1. Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles, hier eines Arbeitsunfalles, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f). Einen Arbeitsunfall hat der Kläger aber nach den für das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht erlitten.

16

Nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 S 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17 RdNr 10; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

17

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). Das BSG ist an die Feststellung nicht nur dieser Tatsachen, sondern auch an die eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs durch das LSG grundsätzlich gebunden, falls - wie hier - keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen gegen die dabei zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen erhoben werden und materiellrechtlich nicht ersichtlich ist, dass das LSG die rechtlichen Vorgaben für diesen ersten Schritt der Kausalitätsbeurteilung verkannt hat. Zu einer eigenständigen beweiswürdigenden Tatsachenfeststellung ist das BSG nur in seltenen, hier nicht einschlägigen Ausnahmesituationen befugt. Demgegenüber ist die Entscheidung über die Wesentlichkeit eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs im Einzelfall eine reine Rechts- und Rechtsanwendungsfrage.

18

Eine "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", die unter einen gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, ist nicht erwiesen. Nach den vom LSG bindend festgestellten Tatsachen ist weder nachgewiesen noch nachweisbar, dass der Kläger die Gesundheitsschäden bei der Ausübung einer Tätigkeit erlitten hat, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand. Danach steht schon nicht fest, ob der Gesundheitsschaden am 7.4.2003 oder vorher entstanden ist. Weiter ist nicht nachgewiesen, ob, wenn die Gesundheitsschädigung am 7.4.2003 zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr entstand, diese während der Zeiten der Verrichtung von Kraftfahreraufgaben oder während einer mehrstündigen Erholungspause eintrat. Als abhängig beschäftigter Kraftfahrer hätte er zur Zeit der Schädigung eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit nur verrichtet, wenn er Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hätte oder eine nicht geschuldete Handlung mit der objektivierten Handlungstendenz vorgenommen hätte, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Es steht aber nur fest, dass er am Unfalltag um 1.00 Uhr die Ausübung der versicherten Tätigkeit als Kraftfahrer aufgenommen hat und dass bei ihm gegen 9.30 Uhr erhebliche Gesundheitsschäden vorgelegen haben. Allerdings war nicht feststellbar, welche versicherten und nicht versicherten Verrichtungen der Kläger in der Zwischenzeit ausgeführt hat.

19

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls iS des § 8 Abs 1 SGB VII sind deshalb nicht erfüllt.

20

2. Das LSG hat bei seiner Entscheidung nicht verkannt, dass bei der Beweiswürdigung der rechtliche Beweismaßstab des Vollbeweises bei der Prüfung der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten auch dann erfüllt sein kann, wenn ein Versicherter an dem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt versicherte Tätigkeiten verrichtet hatte, aus ungeklärten Umständen einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet, falls keine konkret festgestellten Tatsachen Zweifel daran begründen, dass er auch noch zur Unfallzeit versichert gearbeitet hat (teilweise als "Beweiserleichterung" bezeichnet).

21

Der Senat hat in der Entscheidung vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R - Juris RdNr 22) folgende Maßstäbe aufgestellt: "Die Ungewissheit darüber, aus welchen Beweggründen V (Anm: der Versicherte) … 10 bis 20 Minuten auf der Plattform verblieben ist und was er dort getan hat, geht zu Lasten der Beklagten. Denn sie trägt bei der gegebenen Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der versicherten Baustelleneinrichtung vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hatte."

22

Ähnlich führte er schon im Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9)aus: "Verunglückt ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, wo er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung unterbrochen hatte." Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem ein Versicherter mit einem Arbeitskollegen auf einem Dach Arbeiten verrichtete und nach einer 15 bis 30 Minuten dauernden Abwesenheit des Kollegen von dem Dach abgestürzt war.

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Die Umstände des vorliegenden Falls unterscheiden sich - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - von den Konstellationen, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9) zu Grunde lagen. Beiden Entscheidungen lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem jeweils die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit nachgewiesen war und die Versicherten aus nicht zu klärenden Umständen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz zu einem bekannten Zeitpunkt Unfälle erlitten hatten. "Beweiserleichterungen" nach den og Urteilen kommen daher nur in Betracht, wenn der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und er dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat (so auch Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 340; derselbe in jurisPR-SozR 12/2005 Anm 5).

24

Daran fehlt es hier. Es ist völlig offen, wann genau, wo und bei welcher Gelegenheit der Kläger sich seine Verletzungen zugezogen hat. Vergleichbar liegt der Fall des Klägers mit denjenigen, die den oben genannten Urteilen zu Grunde lagen, nur insoweit, als auch der Kläger unter ungeklärten Umständen erhebliche Gesundheitsschäden erlitten hat. Vorliegend erstreckt sich aber der Zeitraum zwischen der Aufnahme der versicherten Tätigkeit (1.00 Uhr), einer Pause von 2.30 Uhr bis 9.00 Uhr bis zur Wahrnehmung bestehender Gesundheitsschäden (gegen 9.30 Uhr) auf mehr als acht Stunden. Für diese Zeitspanne ist unklar, wann die Schädigung stattgefunden hat und welchen konkreten versicherten und nichtversicherten Verrichtungen der Kläger nachgegangen ist. Der Zeitraum, in dem die Einwirkung möglicherweise erfolgte, übersteigt sogar die zeitliche Dauer einer Arbeitsschicht, die als Grenze gilt, bis zu der das Merkmal "zeitlich begrenzt" in § 8 Abs 1 S 2 SGB VII noch erfüllt werden kann(stRspr BSG vom 30.5.1985 - 2 RU 17/84 - SozR 2200 § 548 Nr 71; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 12 f).

25

Auch in örtlicher Hinsicht ist offen, ob der Kläger die Verletzungen am Arbeitsplatz, zB in seinem Fahrzeug, oder an einem Ort erlitten hat, den er bedingt durch die versicherte Tätigkeit aufsuchen musste, oder an einem zu eigenwirtschaftlichen Verrichtungen aufgesuchten Ort, zB einem Rasthof.

26

Das LSG hat die Nichtfeststellbarkeit der Verrichtung der versicherten Beschäftigung auch unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeit geprüft, dass die vom Kläger einzuhaltenden und zwingend vorgeschriebenen Ruhezeiten Teil der versicherten Tätigkeit wären (vgl zu Ruhe- und Lenkzeiten der Kraftfahrer: Art 6 f EGV Nr 561/2006; unbeschadet der EGV gilt für Fahrer in einem Arbeitsverhältnis auch das ArbZG, insbesondere § 21a; vgl auch BAG vom 20.04.2011 - 5 AZR 200/10). Hier kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kraftfahrer bei der Einhaltung von Ruhe-, Lenk- und Standzeiten eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Denn das LSG hat bindend festgestellt, dass vorliegend eine betriebliche Notwendigkeit - wie etwa einzuhaltende Lenkzeiten - für die gewählte Pausengestaltung nicht ersichtlich ist. Im Übrigen hat der Senat in dem mehrfach zitierten Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - aaO RdNr 8) bereits darauf verwiesen, dass ein Versicherter, der während einer Arbeitspause oder während eines Bereitschaftsdienstes einer höchst persönlichen oder eigenwirtschaftlichen Verrichtung nachgeht, ebenso wenig versichert ist, wie ein Versicherter, der während der normalen Arbeitszeit eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit einschiebt. In beiden Fällen wird die versicherte Tätigkeit unterbrochen.

27

3. Eine "Umkehr der Beweislast" zu Lasten des Klägers oder eine "Rückausnahme", wie das LSG meint, liegt nicht vor.

28

Das LSG ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die hier vorliegenden Umstände, ausgehend von den Entscheidungen des Senats eine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers bewirken. Vielmehr bleibt es bei den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (stRspr; vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN). Bei Tatsachen, die das LSG nur mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststellen darf, schaden rein theoretische Zweifel, die immer vorliegen können, ohnehin nicht (Erforderlich ist "ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit" so Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl 2011, § 286 RdNr 2 mwN). Die in den oben zitierten Entscheidungen sehr unspezifisch als "Beweiserleichterungen" (zu dem Begriff vgl Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 25 f) bezeichneten Ausnahmesituationen zeichnen sich dadurch aus, dass weder eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit noch konkrete Hilfstatsachen dafür festgestellt sind. Folglich könnten nur aus der Unaufklärbarkeit der Umstände des Einzelfalles Zweifel an der (weiteren) Verrichtung der versicherten Tätigkeit bis zur Unfallzeit entstehen. Solche Zweifel aber, die sich nicht auf festgestellte Tatsachen stützen lassen, können auch nur rein theoretischer Natur sein.

29

4. Das LSG hätte, worauf nur beiläufig hinzuweisen ist, die Verrichtung der versicherten Beschäftigung zur Unfallzeit auch nicht wegen eines Anscheinsbeweises feststellen müssen.

30

Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung. Bei typischen Geschehensabläufen erlaubt er den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens aufgrund von Erfahrungssätzen, auch wenn im Einzelfall entsprechende Tatsachen nicht festgestellt werden können (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 29). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann also der Geschehensablauf zu Grunde gelegt werden, als habe er sich in der typischen Weise ereignet. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann (s dazu: Keller aaO; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 S 2). Es kann offenbleiben, ob und in welchen Fällen ein Beweis des ersten Anscheins für den Überzeugungsgrad des Vollbeweises ausreichen kann.

31

Dementsprechend wird auch für einzelne Voraussetzungen des Arbeitsunfalls, wie zB die Unfallkausalität, die Möglichkeit des Anscheinsbeweises bejaht (dazu BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22, RdNr 15; vgl auch Bolay in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 128 RdNr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr 9 ff). Vorliegend kann ein Anscheinsbeweis schon mangels eines typischen Geschehensablaufs nicht den Nachweis begründen, dass ein Unfallereignis bei der "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit" eingetreten ist. Neben einer feststellbaren Unfallzeit fehlt es auch an einem Erfahrungssatz des Inhalts, dass Beschäftigte im Transportgewerbe (außerhalb von Verkehrsunfällen) bei Ausübung ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt sind, die zu Verletzungen der vom Kläger erlittenen Art führen.

32

Nach alledem ist die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Berufsgenossenschaft die Zahlung von Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

2

Sie ist die Witwe des am 8.8.2000 an einem Bronchialkarzinom des rechten Lungenlappens verstorbenen Versicherten. Dieser war von August 1958 bis 31.12.1994 als Schweißer bei einem Werftunternehmer, der Mitglied der Beklagten ist, in Hamburg beschäftigt. Zur Arbeitsausrüstung gehörte ein Kniekissen, in das Asbesttuch eingenäht war. Er schweißte mit hochlegiertem Chrom-/Nickel-Stahl, unlegiertem Stahl und Aluminium. Als Schweißverfahren kamen mit jeweils zu einem Drittel das Wolfram-Inert-Gas-Schweißen, das Lichtbogenhandschweißen mittels Stabelektrode und das Metall-Aktiv-Gas-Schweißen mit Fülldraht-Elektrode zur Anwendung, eingesetzt wurden thoriumhaltige Zündelektroden und "Thermanit-X-Elektroden".

3

Der Versicherte teilte der Beklagten unter dem 23.12.1999 mit, bei ihm sei im Oktober 1999 ein Lungentumor festgestellt worden. Er habe zeitlebens nicht geraucht und bringe die Erkrankung mit seiner Arbeit als Schweißer in Verbindung. Die Beklagte forderte noch im Juli 2000 von dem behandelnden Hausarzt des Versicherten Dr. K. eine Benachrichtigung für den Fall der Verschlechterung des Gesundheitszustands des Versicherten an. Am 8.8.2000 ist der Versicherte an dem Lungentumor verstorben. Am 31.8.2000 erhielt die Beklagte die Nachricht, der Versicherte sei ohne vorherige Sektion eingeäschert worden. Die Beklagte lehnte die "Gewährung von Witwenrente" im Hinblick auf die Berufskrankheiten (BKen) 1103, 4104 und 4109 an die Klägerin ab (Bescheid vom 23.1.2001, Widerspruchsbescheid vom 1.6.2001).

4

Die Klägerin hat bei dem Sozialgericht (SG) Itzehoe Klage erhoben (S 1 U 71/01). Während des Verfahrens hat die Beklagte die Feststellung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente auch im Blick auf eine inzwischen geprüfte BK 2402 abgelehnt (Bescheid vom 7.12.2001, Widerspruchsbescheid vom 15.3.2002). Die auch hiergegen erhobene Klage (S 1 U 32/02) hat das SG mit dem schon anhängigen Klageverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 24.2.2003).

5

Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG sowie die angefochtenen Ablehnungsentscheidungen aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung der Lungenkrebserkrankung des Versicherten als BK 1103, BK 4109 und BK 2402 ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente zu zahlen. Hingegen hat es die Berufung zurückgewiesen, soweit die Verurteilung zur Zahlung von Hinterbliebenenrente aufgrund einer BK 4104 begehrt wurde (Urteil vom 13.9.2007). Die Klägerin habe Anspruch auf Hinterbliebenenrente, da der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten sei. Zwar liege keine der genannten Listen-BKen monokausal vor, es sei aber anzunehmen, dass die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest im Sinne einer Synkanzerogenese mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Bronchialkarzinom beim Versicherten verursacht hätten und er infolge der anerkannten BKen verstorben sei.

6

Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 9 Abs 1 und 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Die schädigenden Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid, ionisierende Strahlen sowie Asbest stellten keine BK dar. Lediglich für das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) sei eine Dosis-Wirkungs-Beziehung festgelegt. Zwar gebe es Hinweise in der medizinischen Wissenschaft, dass auch das Zusammenwirken anderer Stoffe karzinogene Wirkung habe. Welche Stoffe im Einzelnen mit welcher Dosis eingewirkt haben müssten, damit sie im Zusammenwirken einen Lungenkrebs hervorrufen könnten, sei wissenschaftlich aber noch nicht geklärt. Auch wenn das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R) die Einwirkungen der BKen 2108 und 2110 zusammengefasst habe, könne dies nicht auf den Fall des Zusammenwirkens von vier Arbeitsstoffen übertragen werden. Im Übrigen habe das LSG die Berufung hinsichtlich der BK 4104 zurückgewiesen, aber die Einwirkungen durch Asbest in die Berechnung des Risikos des Versicherten einbezogen.

7

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 13. September 2007 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 24. Februar 2003 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

Das Urteil des LSG verletzt Bundesrecht, soweit es das Urteil des SG und die ablehnenden Entscheidungen in den Bescheiden der Beklagten vom 23.1.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.6.2001 sowie vom 7.12.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.3.2002 aufgehoben und die Beklagte verurteilt hat, der Klägerin ab 8.8.2000 Hinterbliebenenrente aufgrund einer Gesamtbetrachtung der BKen 1103, 4109 und 2402 zu zahlen. Ob die Klägerin aufgrund einer der BKen 1103, 4109 oder 2402 oder mehrerer von diesen einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden, da das LSG hierzu die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat.

11

1. Nach § 63 Abs 1 SGB VII haben Hinterbliebene ua Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Nach § 7 Abs 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und BKen. Beim Versicherten konnten als Versicherungsfall nur BKen vorgelegen haben.

12

Bei BKen ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-BKen" und "Wie-BKen" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als BK in einem Tatbestand der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die BK also zwei Arten von Versicherungsfällen (BSG vom 25.7.2001 - B 8 KN 1/00 U R - BSGE 88, 226 = SozR 3-2700 § 63 Nr 1 - juris RdNr 15; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15) . Jeder dieser Versicherungsfälle kann iS des § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen.

13

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen eines Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK 4104, weil dieser nicht vorgelegen hat (a). Es hat auch nicht der Versicherungsfall einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination von mehreren Listen-BKen (b) oder der Versicherungsfall einer Wie-BK vorgelegen (c). Ob der Versicherte an den Folgen des Versicherungsfalls einer Listen-BK 1103 oder 4109 oder 2402 (§ 9 Abs 1 SGB VII iVm der Anlage 1 zur BKV) verstorben ist (d), kann der Senat nicht abschließend entscheiden, weshalb das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ist.

14

a) Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14) .

15

Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-BKen kommt im Falle des Versicherten, der als Schweißer gearbeitet hat, berufsbedingt den Stoffen Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbest ausgesetzt war und an einem Lungentumor verstorben ist, ein Versicherungsfall nach folgenden BK-Tatbeständen in Betracht:

Nr 1103:

Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen

Nr 2402:

Erkrankungen durch ionisierende Strahlen

Nr 4104:

Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
- in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder
- in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder
- bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren

Nr 4109:

Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel oder seine Verbindungen

16

Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (zu den anderen Listen-BKen unten d).

17

b) Entgegen der Auffassung des LSG ist der Versicherte nicht infolge eines Versicherungsfalls einer Art "Gesamt-BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination der Listen-BKen 1103, 4109 und 2402 verstorben.

18

Zwar ist der Klägerin darin zu folgen, dass das LSG nicht nur die BKen 1103 und 4109, sondern - ausweislich des Tenors - auch die BK 2402 bejaht hat. Die Beklagte hat jedoch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Art und Weise, wie das LSG die Verursachungswahrscheinlichkeit gemeinsam für die BKen 1103, 2402 und 4109 errechnet hat, zu beanstanden ist.

19

Es widerspricht dem Bundesrecht, wenn die Verwaltung oder die Gerichte Tatbestände mehrerer Listen-BKen zu einer neuen Gesamt-BK verbinden. Zur Bezeichnung einer neuen (Listen-)BK ist nur die Bundesregierung als Verordnungsgeberin - mit Zustimmung des Bundesrates - ermächtigt (§ 9 Abs 1 SGB VII) und neben diesem Listenprinzip gibt es nur die sog Öffnungsklausel unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII.

20

Indem der Verordnungsgeber mit Wirkung zum 1.7.2009 durch Art 1 Nr 3 Buchst d der 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I, 1273) einen BK-Tatbestand geschaffen hat, der nun eine Erkrankung nach schädigenden Einwirkungen zweier synkanzerogen wirkender Stoffe als Versicherungsfall bezeichnet (BK 4114: Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die eine Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 vH nach Anlage 2 der BKV begründet), wird deutlich, dass er durchaus auch die berufsbedingte Verursachung einer Erkrankung durch das Zusammenwirken verschiedener gefährdender Stoffe als BK bezeichnen kann.

21

In dem Urteil vom 27.6.2006 (B 2 U 9/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 8) zum Verhältnis der BKen 2108 und 2110 hat der Senat "nicht eine aus den Tatbeständen der Nr 2108 und 2110 zusammengesetzte neue BK gebildet, sondern dem Umstand Rechnung getragen, dass in Bezug auf die Wirbelsäulenerkrankung die Tatbestandsvoraussetzungen beider BKen (nebeneinander) vorliegen" (RdNr 18). Soweit Mell in seiner Anmerkung zu dem Urteil (SGb 2007, 562 f) von einer "Verklammerung" des BK-Geschehens schreibt, ändert dies nichts an der getrennten Betrachtung beider BKen durch den Senat. Klarzustellen ist jedoch, dass bei einem Versicherten, der an einer Krankheit leidet, die Gegenstand mehrerer BKen ist, wenn er zudem Einwirkungen ausgesetzt war, die von jeder dieser BKen erfasst werden, schon nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu prüfen ist, ob die Einwirkungen die in der BK bezeichnete Erkrankung verursacht haben. Diese Einwirkungen können nicht isoliert gesehen werden, sondern sind sich wechselseitig beeinflussende konkurrierende Ursachen (vgl nur BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 16) . Ob der Tod des Versicherten in diesem Sinne wesentlich durch die Einwirkungen nach einer der möglichen BKen Nr 1103, 2402, 4109 verursacht wurde, hat das LSG jedoch nicht geprüft (siehe nachfolgend d).

22

c) Der Versicherte ist auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK (§ 9 Abs 2 SGB VII) verstorben.

23

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Senat nicht gehindert, über den Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenrente wegen einer Wie-BK zu entscheiden (aa). Zum maßgeblichen Zeitpunkt (bb) hat beim Versicherten der Versicherungsfall einer Wie-BK nicht vorgelegen (cc), denn die Voraussetzungen für die Bezeichnung der Erkrankung Lungenkrebs infolge der gemeinsamen Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, ionisierender Strahlung und Asbeststaub in der Anlage zur BKV als BK waren nicht gegeben.

24

aa) Der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand umfasst das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint.

25

Die Beklagte verweist zu Unrecht auf die Rechtslage, die gilt, wenn ein Versicherter selbst die Feststellung eines Versicherungsfalls einer BK durch die Verwaltung begehrt oder Versicherungsansprüche gegen sie erhebt. Dabei bilden jede Listen- und jede Wie-BK jeweils einen eigenständigen Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den der zuständige Träger einen feststellenden Verwaltungsakt (positiver oder negativer Art) zu erlassen hat. Die Feststellung des Versicherungsträgers, eine BK liege vor oder nicht vor, kann sich wegen der völlig verschiedenen Voraussetzungen der Listen-BKen in der Anlage zur BKV untereinander und den dazu und untereinander ebenfalls völlig unterschiedlichen Voraussetzungen der eventuell zu prüfenden Wie-BKen nach § 9 Abs 2 SGB VII immer nur auf einzelne Listen- oder Wie-BKen beziehen. Daher kann der Versicherte eine Anfechtungsklage nur gegen einen Verwaltungsakt erheben, mit dem der Versicherungsträger die Feststellung einer bestimmten BK oder Wie-BK (oder mehrerer solcher Versicherungsfälle) abgelehnt hat (vgl BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 3/07 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 13 RdNr 12; BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 2/07 U R - juris RdNr 15 f) .

26

Anders ist die Rechtslage bei Hinterbliebenen, die ein abgeleitetes, aber eigenständiges Recht gegen den Träger geltend machen. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII) , dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der seinen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht. Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Auch hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Blick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils nur einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

27

bb) Für die Entscheidung, ob der Versicherte infolge eines Versicherungsfalls verstorben ist, ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Versicherte verstorben ist.

28

Der Senat hat zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssen sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei (BSG vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96 - BSGE 79, 250, 253; BSG vom 4.6.2002 - B 2 U 16/01 R - juris RdNr 17) .

29

Dies ist aber auf die Rechte der Hinterbliebenen eines Versicherten nicht übertragbar, weil sie aus dessen letzter Rechtsstellung abgeleitet sind. Gemäß § 63 Abs 1 Satz 2 SGB VII muss der Tod des Versicherten "infolge eines Versicherungsfalls eingetreten" sein. Der Todestag des Versicherten ist der späteste Zeitpunkt, an dem er einen Versicherungsfall erlitten haben kann.

30

cc) Der Versicherte ist am 8.8.2000 nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK verstorben.

31

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27) . Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f) .

32

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - SozR 4-2700 § 9 Nr 12 RdNr 23) . Im vorliegenden Fall kommt es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 8.8.2000 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierender Strahlung gemeinsam verursacht worden ist, in die Liste der BKen aufzunehmen war. Dies ist indes nach den Feststellungen des LSG, das eine Auskunft des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften eingeholt hat, nicht der Fall (vgl im Übrigen: Schneider, ASUMed 2008, 326; Ergebnisse des Fachgesprächs "Synkanzerogenese" in der BG Akademie Hennef am 25./26.11.2005, BGFA-Info 01-06, S 17; Thomas Brüning, SYNERGIE - ein Beitrag zur Klärung der Synkanzerogenese - fordert vor der BGFA der DGUV am 27.1.2009 die Einrichtung epidemiologischer Datenbanken zur Beurteilung der synkanzerogenen Wirkung von Stoffen wie Asbest, PAK, Chrom und Nickel; http: www.igf-bbg.de/schlema6/tag2/Brüning_BGFA.pdf ; Pesch, Weiss, Westphal, Brüning, Berufliche Chrom- Exposition und Lungenkrebsrisiko, BGFA, August 2008, S 23) .

33

d) Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage zur BKV, der durch das Miteinwirken des Listenstoffes als wesentliche Teilursache für die Erkrankung des Versicherten verursacht wurde, eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

34

Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte berufsbedingt schädigenden Einwirkungen ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den angeführten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe monokausal die haftungsbegründende Kausalität verneint. Keiner der Stoffe hat allein die in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht. Für die BK 1103 ist eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich, einer solchen Dosis ist der Versicherte bei weitem nicht ausgesetzt gewesen. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen (Bql, mSv) die Verursachungswahrscheinlichkeit in Prozent ermittelt, die beim Versicherten maximal 23 vH erreicht hat. Bei der BK 4109 ist eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich, die ebenfalls nicht - auch nicht iS des Halbwerts - erreicht worden ist.

35

Eine dieser Listen-BKen liegt aber nicht nur dann vor, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon monokausal die dort bestimmten Voraussetzungen erfüllen. Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung nicht die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 ff) .

36

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs abgeleitet werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, jeweils RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - juris RdNr 12) .

37

Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffs nicht die im BK-Tatbestand genannten Einwirkungsvoraussetzungen - so wie hier der Asbest die 25 Faserjahre nach der BK 4104 Alternative 3 (siehe oben a) -, können sie zwar die anerkannte Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung dieser BK scheidet aber aus, weil die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestandes nicht gegeben sind.

38

Für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele. Ist ein Listenstoff in diesem naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg iS eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.6.1990 - 2 RU 14/90 - juris RdNr 21; Becker in MedSach 2005, 115) .

39

3. Auf die Revision der Beklagten ist die Entscheidung des LSG, die § 9 SGB VII verletzt, aufzuheben. Der Rechtsstreit ist an das LSG zurückzuverweisen, damit geklärt werden kann, ob die Einwirkungen durch Chromat, Nickeloxid oder ionisierende Strahlung unter Einbeziehung der Einwirkungen von Asbest zusammen oder - wenn nicht alle - ob möglicherweise mehrere dieser Listenstoffe gemeinsam den Lungenkrebs des Versicherten im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne verursacht haben. Ist dies anzunehmen, ist weiter zu prüfen, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK 1103 oder BK 2402 oder BK 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG aaO) . Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist. Hierzu hat das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sodass der Senat nicht abschließend entscheiden konnte.

40

Dagegen steht für die abschließende Entscheidung des LSG bindend fest, dass bei dem Versicherten keine BK 4104, keine Gesamt-BK aus einer Kombination der BKen 1103, 2402, 4109 und keine entsprechende Wie-BK vorgelegen hat.

41

Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der tödliche Verkehrsunfall des Ehemanns der Klägerin vom 14.11.2007 als Wegunfall anzuerkennen ist und der Klägerin daher Hinterbliebenenleistungen zustehen.
Der 1967 geborene Ehemann, F. H. (im Folgenden: FH), der Klägerin war am 14.11.2007, dem Tag des Verkehrsunfalls, als Maschinenschlosser bei der F GmbH, V., (heute: P. GmbH, M.) beschäftigt. FH wohnte zum damaligen Zeitpunkt mit der Klägerin, die als Krankenschwester im Universitätsklinikum M., seit 01.01.1995 beschäftigt war, in H. Am Mittwoch, den 14.11.2007 verließ FH mit der Klägerin gegen 6.45 Uhr die eheliche Wohnung, um zunächst die Klägerin, die ebenso wie der Kläger um 7.30 Uhr ihre Arbeit anzutreten hatte, zum Klinikum M. zu bringen. Dort kamen sie gegen 7.10 Uhr an (vgl. Sitzungsniederschrift vom 07.10.2009, Bl. 42 SG-Akte). Kurz vor 7.28 Uhr verunfallte der Kläger mit seinem Pkw Escort, in V. im Einmündungsbereich der G.-H.-B.-Straße/L 3111, ca. 400 m (Luftlinie) von seinem Arbeitsplatz in V., entfernt. Er verstarb an den Folgen des Unfalls (Schädel-Hirn-Trauma) am selben Tag im Klinikum M, wobei die tödlichen Verletzungen schon bei dem ersten Zusammenstoß mit dem aus Richtung Süden auf der L 3111 fahrenden Lkw, bei dem die ganze Fahrerseite eingedrückt wurde, entstanden (Bl. 12 Ermittlungsakte-Akte der Staatsanwaltschaft Darmstadt, im Folgenden: Ermittlungsakte). Um 7.28 Uhr wurde der Polizeistelle L.-V. ein schwerer Verkehrsunfall in V., Höhe B.-Tankstelle, gemeldet (Bl. 2 Ermittlungsakte). In der Verkehrsunfallanzeige vom 14.11.2007 nahm Polizeikommissar (PK) K. aufgrund der Aussagen der beiden am Unfall beteiligten Lkw-Fahrer auf, FH sei von der G.-H.-B.-Straße nach links in die L 3111 eingebogen und habe die Vorfahrt des sich aus südlicher Richtung nähernden Lkws missachtet. Infolge des Zusammenstoßes sei FH auf den Fahrstreifen des Gegenverkehrs geschleudert worden und dort mit dem aus Richtung Norden herannahenden Lkw kollidiert. In seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 19.12.2007 gab der aus Norden kommende Lkw-Fahrer, R. S., an, er sei auf der L 3111 von H. in Richtung Autobahn 659 gefahren und habe beobachtet, wie ein Pkw von ihm aus gesehen links von einer Seitenstraße auf die L 3111 zufuhr (Bl. 23 Ermittlungsakte). Der Fahrer habe kurz angehalten und sei dann nach links auf die L 3111 in Richtung Autobahn eingebogen. Der auf der L 3111 aus Richtung Autobahn kommende Lkw habe nach links ausweichen müssen und sei in die linke Fahrzeugseite des Pkw geprallt. Durch den Aufprall sei der Pkw auf seine Fahrbahn, direkt vor seinen Lkw geschleudert worden. Er gehe davon aus, dass der Fahrer des Pkw den Lkw übersehen habe. Im Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. R. F. vom 11.01.2008 wird u.a. darauf hingewiesen, dass keineswegs ausgeschlossen werden könne, dass FH ohne anzuhalten in die L 3111 eingefahren sei. Eine Unfallskizze wurde nicht erstellt (hierzu kritisch auch Oberstaatsanwalt A., Bl. 61 Ermittlungs-Akte), die genaue Position des Fahrzeugs von FH zum Zeitpunkt der ersten Kollision wurde nicht ermittelt.
Ohne den Fahrer des aus Richtung Süden kommenden, mit dem Pkw von FH zuerst kollidierenden Lkws, M. Sch., polizeilich als Zeugen oder Beschuldigten zu vernehmen (vgl. handschriftlicher Vermerk vom 23.07.2008, Bl. 76 Ermittlungsakte), stellte die Staatsanwaltschaft Darmstadt das gegen ihn wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitete Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom 18.02.2008 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung ein. In den Gründen hierzu wird ausgeführt, FH sei nach links in die L 3111 eingebogen und habe dabei offenbar den mit rund 50 km/h herannahenden Lkw des Beschuldigten übersehen.
Unter dem 11.03.2008 kam der Berufshelfer der Beklagten aufgrund seiner Vorortermittlungen zu dem Ergebnis, der direkte Weg von M. kommend zur „Unfallfirma“ wäre die L 3111 gewesen bis zum Kreisel in Höhe O., wo nach links abzubiegen gewesen wäre, um sodann im Kreuzungsbereich O/F-H.-Straße nach rechts abzubiegen und nach wenigen Metern in der V.str. zu sein. Im Kreuzungsbereich G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Straße befinde sich eine B.-Tankstelle sowie eine Waschstraße. Von dort wäre auch nach Navigationsgerät der direkte Weg Fahrtrichtung rechts gewesen. Nach wenigen Hundert Metern hätte man dann im Kreisel nach links in die O. abbiegen können. Der Gesamtweg ab Unfallstelle betrage nach Tacho 500 Meter. Der Kreuzungsbereich, an dem sich der Unfall ereignet habe, sei verkehrstechnisch problematisch, da sich auf der L 3111 zwar eine Ampelsteuerung befinde, auf der untergeordneten Straße hingegen nicht. Dort sei lediglich ein „Stop“-Schild. Das Abbiegen nach links gestalte sich insbesondere bei schlechten Straßen-, Licht- und Witterungsbedingungen risikobehaftet. Biege man dort nach links ab auf die L 3111, sei die erste Abbiegemöglichkeit an der großen Kreiselkreuzung mit teilweisen separaten Abbiegespuren. Nach Durchquerung des Kreisels müsse in die W.str. abgebogen werden, danach in die F.-H.-Straße links, nach wenigen Metern erreiche man die V.str.. Der Gesamtweg betrage hierbei das Vierfache, nach Tacho genau 2,1 km. Ein Abbiegen vor dem großen Kreisel sei wegen eines großen Logistik-Centers und der baulichen Eingrenzungsmaßnahmen an der L 3111 nicht möglich.
Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts unternahmen am 19.03.2008 Vertreter der Beklagten, die Klägerin und deren Schwester einen Vororttermin. Hierbei legte die Klägerin einen Kontoauszug vom 26.11.2007 vor, der eine Lastschrift zugunsten der A. di N.--Tankstelle vom 13.11.2007 in Höhe von 22,10 Euro ausweist. Außerdem gaben die Klägerin und deren Schwester an, dass FH ein äußerst riskanter Fahrer und es für ihn üblich gewesen sei, bei dem Weg zur Arbeit neben der Landstraße die parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße zu benutzen, um quasi rechts zu überholen. Die Schwester der Klägerin berichtete, schon mehrfach FH auf seinen Fahrstil angesprochen und mit ihm auch schon eine Auseinandersetzung gehabt zu haben, die im Ergebnis dazu geführt habe, dass sie nicht mehr mit ihm habe Autofahren wollen. Die Klägerin bestätigte, dass der morgendliche Berufsverkehr auf der L 3111 oft zähfließend sei.
Nachdem ein Mitarbeiter der Beklagten die Strecke wiederholt persönlich abgefahren war und die Schilderungen der Klägerin und ihrer Schwester für nachvollziehbar und glaubwürdig hielt, schlug er vor, den Arbeitsunfall anzuerkennen, da sich ein Abweg nicht beweisen lasse (Bl. 121 V-Akte). Im Zuge weiterer Ermittlungen holte die Beklagte Auskünfte bei R. S. und M. Sch. ein. Während R. S. auf die Frage, in welche Fahrtrichtung FH von der G.-H.-B.-Straße aus einbiegen wollte, angab, dieser habe nach links, Richtung Autobahn abbiegen wollen, zeichnete M. Sch. auf dem ihm übersandten Bild 1 den Pkw von FH in voller Fahrzeugbreite auf dem von Süden aus gesehen rechten Fahrstreifen der L 3111 ein, der vom Pkw ausgehende Pfeil weist nach links (Bl. 143 V-Akte). Nach den Einzeichnungen auf Bild 2 ist FH weder auf der Links- noch auf der Rechtsabbiege-, sondern auf der Gegenspur in den Kreuzungsbereich eingefahren; die Kühlerhaube des Fahrzeuges weist nach Norden, der Pfeil hingegen deutet ein Abbiegen nach Süden an (Bl. 144 V-Akte).
Mit Bescheid vom 05.06.2008 stellte die Beklagte fest, dass ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht bestehe. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse sei erwiesen, dass FH im Kreuzungsbereich nach links auf die L 3111 habe abbiegen wollen. Da er sich in entgegengesetzter Richtung zu der in der V.str. befindlichen Arbeitsstätte bewegt habe, sei der innere Zusammenhang des Weges mit der Tätigkeitsaufnahme abgebrochen. Der Verkehrsunfall sei daher dem privaten Risikobereich des FH zuzuordnen. Das Linksabbiegen auf die L 3111 könne nicht dem Zurücklegen des Weges zur versicherten Tätigkeit gedient haben und stehe daher nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2009 zurück. Zur Begründung wurde nochmals besonders auf die Zeugenaussagen der beiden beteiligten Lkw-Fahrer verwiesen, wonach FH eindeutig nach links auf die L 3111 habe abbiegen wollen. Wäre er nach rechts in Richtung seines Arbeitgebers abgebogen, dann wäre sein Wagen nicht vom ersten Lkw auf der linken Seite erfasst und auf die rechte Gegenfahrbahn in Fahrtrichtung Süden geschleudert worden. FH habe objektiv gesehen nicht mehr die Absicht verfolgt, zu seiner Arbeitsstätte zu gelangen.
Am 06.02.2009 hat die Klägerin hiergegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben und zur Begründung geltend gemacht, FH habe die G.-H.-B.-Straße und dann auf Höhe der W.-v.-B.-Straße die für den Gegenverkehr gedachte Spur in entgegengesetzter Fahrtrichtung in Richtung L 3111 befahren. Die Linksabbiegespur habe er nicht benutzt.
10 
Das SG hat PK K., die Schwester der Klägerin, K. B., R. S. und M. Sch. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 07.10.2009 als Zeugen vernommen. Polizeikommissar K. hat hier angegeben, M. Sch. habe an der Unfallstelle ausgesagt, der Pkw habe nach links in Richtung Bundes-Autobahn (BAB) 659 abbiegen wollen. Zum Zeitpunkt des Unfalles habe es keine Baustellen oder Sperrungen gegeben, die ein Linksabbiegen erforderlich gemacht hätten. Ihm, dem Zeugen, seien auch keine Schleichwege oder verbotswidrige Abbiegemöglichkeiten, die ein schnelleres Erreichen der V.str. ermöglichten, bekannt. Ob einer der Zeugen von einem Blinker oder Blinkvorgang gesprochen habe, erinnere er nicht mehr. K. B. hat ausgesagt, FH habe einen sehr sportlichen Fahrstil gehabt und sich zum Hobby gemacht, auf dem schnellsten und kürzesten Weg von A nach B zu kommen. FH sei eher der pünktliche Typ, er sei zuverlässig gewesen. Hin und wieder habe FH darüber berichtet, eine neue Abkürzung gefunden zu haben, wobei es sich eher um eine allgemeine, nicht auf den Arbeitsweg bezogene Aussage gehandelt habe. R. S. hat erklärt, er sei auf der L 3111 in Richtung BAB 659 gefahren. Er habe gesehen, dass ein Pkw von links rausgezogen und ein Lkw in ihn reingefahren sei. Der Pkw sei ihm dann vor das Auto geschoben worden und er sei auch noch mal reingefahren. Die Frage, ob sich der Pkw auf der Links- oder Rechtsabbiegespur oder gar auf der Gegenspur befunden habe, vermochte der Zeuge ebenso wenig zu beantworten wie die Frage, ob er einen Blinker gesehen habe. Er wisse auch nicht, ob der Pkw angehalten habe oder durchgezogen sei. Er habe ihn erst gesehen, als er reingezogen sei. Die Frage, ob er sicher sei, dass der Pkw nach links habe abbiegen wollen, hat der Zeuge bejaht. Sonst wäre der Unfall ja gar nicht auf diese Art und Weise passiert. Er könne sich nicht vorstellen, dass der Pkw vielleicht die Kreuzung hätte schneiden wollen, da der Lkw den Pkw ansonsten an anderer Stelle erfasst hätte. M. Sch. hat angegeben, der Unfall habe direkt am Anfang der Einmündung in die D.-W.-Allee auf seiner Fahrspur stattgefunden. Er vermute, der Pkw sei aus der D.-W.-Allee oder gar aus der Einmündungsspur der G.-H.-B.-Straße hinter den Büschen der Einmündung hervorgekommen und habe noch vor ihm und dem aus der Gegenrichtung kommenden Lkw heraus in Richtung BAB 659 einfahren wollen. Einen Blinker habe er nicht gesehen. Der Pkw müsse auch nicht auf seiner Spur gewesen sein, er müsse die Linkskurve recht eng genommen haben und recht schnell gewesen sein. Er wisse nicht, wo der Pkw hergekommen sei. Er sei sich relativ sicher, dass der Pkw nach links habe abbiegen wollen, da er ihn sonst an einer anderen Stelle getroffen hätte. Es sei relativ wenig Verkehr auf der L 3111 gewesen.
11 
Mit Urteil vom 07.10.2009 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin Sterbegeld und Hinterbliebenenrente zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, es stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass FH von der G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Allee kommend links auf die L 3111 in südlicher Richtung eingebogen sei. Hätte FH nach rechts auf die L 3111 in nördlicher Richtung abbiegen wollen, hätte sich der Kollisionspunkt weiter nördlich befunden und der Lkw des Zeugen Sch. wäre nach der Kollision weiter nördlich, also am Ende des Einmündungsbereichs der G.-H.-B.-Straße/D.-W.-Allee zum Stehen gekommen. Die Klägerin habe jedoch den Vollbeweis dafür erbracht, dass die Handlungstendenz von FH darauf gerichtet gewesen sei, seinen Arbeitsplatz zu erreichen. Gegen eine private Handlungstendenz sprächen mehrere Indizien, nämlich zum einen der Unfallzeitpunkt kurz vor Arbeitsbeginn, zum anderen der Unfallort, der in unmittelbarer Nähe zur Arbeitsstelle von FH gelegen habe, des Weiteren die Charaktereigenschaft von FH, pünktlich und zuverlässig zu sein. Allein aus dem Umstand, dass FH habe links abbiegen wollen, könne nicht geschlossen werden, dass sich seine subjektive Handlungstendenz geändert hätte. Dem Versicherten stehe es grundsätzlich frei, welchen Weg er wähle, er müsse nicht die kürzeste oder gar die schnellste Strecke wählen. Auch wenn FH links abgebogen sei, hätte er auf diesem Weg seine Arbeitsstätte erreicht. Allein die Tatsache, dass der Weg in südlicher Richtung ca. 1,5 km weiter gewesen wäre als der Weg in nördlicher Richtung führe nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Verlängerung der Wegstrecke privat veranlasst gewesen wäre. Dafür, dass FH einen der hier möglichen vier Anfahrtspunkte (Tankstelle, M. D., B. K., I & M B.) hätte ansteuern wollen, fehlten jegliche Anhaltspunkte. Gänzlich unberücksichtigt habe die Beklagte den Umstand gelassen, dass FH aufgrund des nahenden Arbeitsbeginns möglicherweise den Grünstreifen zwischen der L 3111 und der W.-v.-B.-Straße hätte überfahren wollen, um so noch schneller zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen.
12 
Gegen das ihr am 25.11.2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 09.12.2009 Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, es müsse der volle Nachweis dafür erbracht werden, dass ein Abweichen von der kürzeren Wegstrecke auf Umstände zurückzuführen sei, die der versicherten Tätigkeit zuzurechnen seien, oder dass ein vom Versicherungsschutz erfasster Weg von oder zu einem sogenannten dritten Ort befahren worden sei. Im Hinblick auf die Bepflanzung des Grünstreifens zwischen der L 3111 und der W.-v.B.-Straße und insbesondere wegen der unterschiedlichen Höhenlagen der beiden Straßen sei eine Abbiegemöglichkeit von der L 3111 in die W.-v.B.-Straße nicht möglich. Dies sei entgegen den Ausführungen im angefochtenen Urteil durchaus von der Beklagten geprüft worden. Unterstellt, FH habe tatsächlich die G.-H.-B.-Straße und nicht die D.-W.-Allee befahren, so sei dies ein Indiz dafür, dass er tatsächlich nach links habe abbiegen wollen. Da nach der Aussage des Zeugen Sch. wenig Verkehr auf der L 3111 gewesen sei, habe kein Anlass bestanden, die G.-H.-B.-Straße zu benutzen, um schneller zur Arbeit zu kommen. Das Befahren dieser Straße und des anschließenden Kreuzungsbereichs habe aber die erste Gelegenheit geboten, um nach links in die L 3111 in südliche Richtung abzubiegen, nachdem ein Wenden auf der L 3111 auch für einen Fahrer mit sportlichem Fahrstil kaum möglich gewesen sein dürfte.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 7. Oktober 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
15 
hilfsweise, die Zeugen Sch. und Sch. erneut zu vernehmen zum Beweis dafür, dass der Ehemann der Klägerin zum Unfallzeitpunkt im Begriff war nach links abzubiegen,
16 
weiterhin hilfsweise, die vollständigen Unterlagen des Ingenieurbüros E., F. und S. über die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle beizuziehen zur Klärung der Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem Lkw des Herrn Sch. und des Pkw des Ehemanns der Klägerin sowie zur Klärung der Fahrtrichtung des Pkw des Ehemanns der Klägerin,
17 
weiterhin hilfsweise, ein verkehrstechnisches Sachverständigengutachten einzuholen zur exakten Ermittlung der Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem Lkw des Herrn Sch. und dem Pkw des Ehemanns der Klägerin sowie zur Klärung der Fahrtrichtung des Pkw des Ehemanns der Klägerin zum Unfallzeitpunkt,
18 
weiterhin hilfsweise, ein verkehrstechnisches Sachverständigengutachten einzuholen zum Beweis dafür, dass ein Ausscheren nach links die Geschwindigkeit des Pkw des Ehemanns der Klägerin bei einem angenommenen Rechtsabbiegen nicht erhöht, sondern verlangsamt hätte,
19 
weiterhin hilfsweise, die Revision zuzulassen.
20 
Die Klägerin beantragt,
21 
die Berufung zurückzuweisen.
22 
Sie hat zur Begründung geltend gemacht, die Anfahrtspunkte M. D., B. K. und I & M B. seien mindestens zehn Autominuten entfernt gewesen. Hätte der Kläger sich auf dem Weg dorthin befunden, hätte er nicht pünktlich um 7.30 Uhr die Arbeit aufnehmen können. Die Zeugenaussagen hätten nicht zweifelsfrei bestätigt, dass FH nach links habe abbiegen wollen. Einen Blinker habe keiner der Zeugen gesehen. Die Zeugen hätten auch nur vermutet, dass FH die G.-H.-B.-Straße befahren habe. Mit Schriftsatz vom 19.10.2011 hat die Klägerin ergänzend vorgetragen, FH habe sie am Unfalltag um 7.10 Uhr im Krankenhaus abgeliefert. Sie habe noch Zeit für eine Tasse Kaffee vor Arbeitsbeginn um 7.30 Uhr gehabt. FH habe niemals vor Arbeitsbeginn, sondern erst zur Frühstückspause um 9.00 Uhr gefrühstückt. In der Regel habe er sich hierfür belegte Brote von zu Hause mitgebracht. Er sei sehr sparsam gewesen und habe sich nie etwas zu Essen oder Trinken auf dem Weg zur Arbeit gekauft. Gelegentlich habe er sich in der Cafeteria seines Arbeitgebers etwas zum Essen oder Trinken und manchmal einen Kamillentee auf der Arbeitsstelle gekauft. Kaffee habe er nicht getrunken. Zu M. D. sei er grundsätzlich nicht zum Essen gegangen. In all den Jahren habe er niemals sein Frühstück auf dem Weg zur Arbeit eingenommen. Vom Klinikum M. zu seiner Arbeitsstelle habe FH nach Routenplaner 19 Minuten benötigt.
23 
Der Senat hat bei der P. GmbH die Arbeitszeitnachweise für FH für den Zeitraum von Juni bis November 2007 beigezogen. Hieraus ergibt sich, dass FH am 11.07., 10. und 18.09.2007 um 7.31 Uhr, an allen anderen Tagen hingegen um 7.30 Uhr oder früher seine Arbeit begonnen hat. Sie hat ergänzend mitgeteilt, der späteste Arbeitsbeginn für FH am Unfalltag wäre auch um 7.30 Uhr gewesen, einen späteren Arbeitsbeginn habe er nicht angekündigt. Betriebliche Verpflichtungen vor 7.30 Uhr außerhalb des Firmengeländes hätten nicht bestanden.
24 
Nach telefonischer Auskunft von PK K. könne nicht mit einem Pkw von der D.-W.-Allee schräg diagonal über die L 3111 in die W.-v.B.-Straße gefahren werden. Dem stünden der Ampelpfosten, die ca. 17 cm hohe Straßenrandbefestigung sowie die zur W.-v.B.-Straße hin abfallende Straßenböschung entgegen (vgl. Aktenvermerk vom 21.10.2011). Er hat hierzu eine Lichtbildmappe vorgelegt (Anlage zu Bl. 52 Senatsakte).
25 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die SG-Akte, die Senatsakte, die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft Darmstadt sowie die vorgelegte Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
26 
Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Sterbegeld und Hinterbliebenenrente bejaht und den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21.01.2009 deshalb aufgehoben.
27 
Dabei ist die Klage - wie vom SG zutreffend festgestellt - als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, obwohl die Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden schon deshalb Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat, weil sie den Verkehrsunfall des bei ihr versicherten FH nicht als Arbeitsunfall anerkannt hat. An einer vom Senat überprüfungsfähigen verwaltungsbehördlichen Entscheidung über die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen fehlt es gleichwohl nicht. Anders als ein Versicherter, der im Falle eines Arbeitsunfalls zunächst dessen Feststellung bzw. darauf aufbauend die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Folge dieses Arbeitsunfalls und erst im Anschluss Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder Verletztenrente beantragen kann (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert nach juris), ist ein Hinterbliebener nicht verpflichtet, die Grundlagen der in Frage kommenden Hinterbliebenenleistungen vorab im Wege einer Feststellungsklage klären zu lassen. Denn die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Unfallversicherungsträgers, ein Versicherungsfall, beispielsweise eine bestimmte Berufskrankheit, habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Hieraus folgt, dass der Unfallversicherungsträger nicht befugt ist, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hat und es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und dem folgend Urteil des Senats vom 29.09.2011 - L 6 U 5889/06).
28 
Die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, da der Tod ihres Ehemannes FH Folge des Arbeitsunfalls vom 14.07.2011 gewesen ist.
29 
Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 2, 3, 7, 9, 63, 64, 65 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Hinterbliebene Anspruch auf Sterbegeld (§ 64 SGB VII) und Witwenrente (§ 65 SGB VII), wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist (§ 63 Abs. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist weiter erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Insoweit wird der Kreis der versicherten Tätigkeiten ausgeweitet, es bleibt im Übrigen aber bei den für Arbeitsunfälle geltenden Regeln. Das Zurücklegen des versicherten Weges muss daher der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein.
30 
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nennt als Ziel und Ausgangspunkt des Weges nur den Ort der versicherten Tätigkeit, ohne den anderen Endpunkt des Weges anzugeben. Versichert ist in erster Linie der Weg vom und zum Ort des Lebensmittelpunkts. Ein dritter Ort als Ausgangspunkt und/oder Endpunkt des Weges kommt in Betracht, wenn der Versicherte sich hier zumindest zwei Stunden aufgehalten und dann den Weg zur Arbeit bzw. zum Ort des Lebensmittelpunkts fortgesetzt hat (BSG, Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R - SGb 1999, 81 ff., so auch LSG-Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2011 - L 2 U 4809/10 - zitiert nach juris).
31 
FH hatte die Klägerin zunächst zum Klinikum M., T.-K.-U. 1-3 gebracht und war ohne weiteren Aufenthalt anschließend wieder ein Teilstück zurückgefahren, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Ist der dritte Ort, hier das Klinikum M., wegen einer nicht rechtserheblichen Aufenthaltsdauer lediglich Zwischenort eines einheitlichen Gesamtweges zwischen häuslichem Bereich und Tätigkeitsort, ist der Beschäftigte versichert, wenn und sobald er sich auf einer Wegstrecke befindet, die Teil des direkten Weges vom Ort des Lebensmittelpunkts zum Tätigkeitsort ist. Zur Überzeugung des Senats ist FH vom Klinikum M. auf die BAB 659 Richtung Nord/Osten aufgefahren, um bei der Autobahnausfahrt V.-Ost die Autobahn wieder zu verlassen. Jeder andere Weg wäre nicht nur streckenmäßig länger, sondern auch mit zeitlichen Verzögerungen verbunden gewesen (vgl. Routenberechnung nach www.maps.google.de und Kartenausschnitt Bl. 57 d. Senatsakte). Um kurz vor 7.28 Uhr an der Unfallstelle sein zu können, gab es für FH keine alternative, zumindest gleichschnelle Wegstrecke. Die BAB 659 hätte FH bei der Ausfahrt V. Ost aber auch verlassen, wenn er nicht zunächst nach M. und dann zurück nach V., sondern direkt von der gemeinsamen Wohnung in H. zu seiner Arbeitsstelle gefahren wäre. Er wäre dann zunächst auf der A 5 Richtung Süden gefahren, um am Weinheimer Kreuz auf die BAB 659 Richtung Süd/Westen abzufahren. Auch in diesem Fall hätte er die BAB 659 frühestens an der Anschlussstelle V.-Ost verlassen können. Ab diesem Punkt hat sich FH somit wieder auf der versicherten direkten Wegstrecke befunden.
32 
In Auswertung des Sachverständigengutachtens des Ingenieurbüros E., F. und S., der Zeugenaussagen, der Lichtbilder des PK K.s, der graphischen Darstellungen der Zeugen Sch. und Sch. sowie der Angaben des ehemaligen Arbeitgebers nebst Arbeitszeitnachweisen ist der Senat wie das SG zu der Überzeugung gelangt, dass FH auf diesem direkten Weg zur Arbeit am 14.11.2007 einen Wegeunfall erlitten hat.
33 
Dabei ist zu beachten, dass auch im Falle eines Wegeunfalles die Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallereignisses der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein muss (innerer Zurechnungszusammenhang). Allgemein für Arbeitsunfälle i. S. des § 8 SGB VII gilt, dass bei einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten, wie vorliegend FH, Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit sind und mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang stehen. Weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind, sind jedoch nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstags auf der Arbeitsstätte versichert. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen wie z.B. Essen oder eigenwirtschaftliche Tätigkeiten wie z. B. Einkaufen. Unter Umständen können die Wege an den Ort dieser Verrichtungen allerdings Versicherungsschutz genießen (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand April 2011, SGB VII § 8 Rdnr. 192 ff.). Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalles ist, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsverhältnis dienende Verrichtung ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände bestätigt wird (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262; Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R). Übertragen auf die Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (Zurücklegen des Weges) bedeutet dies, dass als Arbeitsunfall der Weg zur Arbeitsstelle nur dann versichert ist, wenn der Weg zum Tätigkeitsort nach der Handlungstendenz des Betroffenen der Aufnahme einer versicherten Tätigkeit dient und dies durch die objektiven Umstände bestätigt wird (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - zitiert nach juris). Der Beschäftigte steht somit auf dem Weg zum Tätigkeitsort solange unter Versicherungsschutz, als seine Handlungstendenz auf das Erreichen dieses Ziels gerichtet ist (BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - SGb 2004, 490 ff). Unterbricht er den Weg zum Ort der Tätigkeit aus privaten Gründen, ist er grundsätzlich während dieser Zeit nicht versichert (zur Ausnahme der unerheblichen Wegeverlängerung noch nachfolgend). Die Fälle räumlicher Unterbrechung kennzeichnet das Gesetz durch den Begriff des „abweichenden Weges“ (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VII); erfasst werden hiervon sowohl den Versicherungsschutz ausschließende Abwege als auch Umwege. Daneben kann eine zeitliche Unterbrechung ohne Verlassen des versicherten Weges den Versicherungsschutz entfallen lassen, wenn auf dem Weg zur Arbeitsstelle das Zurücklegen des Weges unterbrochen und eine für die Wegezurücklegung nicht erforderliche Handlung eingeschoben wird. Dient diese Tätigkeit privaten Zwecken und ist die Unterbrechung nicht nur von geringfügiger Dauer, ist sie nicht versichert.
34 
Sobald der Versicherte die Zielrichtung des zurückgelegten Weges ändert und seine Handlungstendenz nunmehr nicht mehr abzielt auf die versicherte Tätigkeit, sondern auf eine private Verrichtung, ist ein deshalb eingeschobener Weg als Abweg nicht versichert. Ein solcher liegt nicht vor, wenn der Versicherte die Zielrichtung aus Gründen ändert, die entweder mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder mit dem versicherten Weg (z. B. Verkehrsstau) zusammenhängen. Aus privaten Gründen erfolgte Unterbrechungen sind ohne Rücksicht auf ihren Umfang unversichert (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 8). Der Abweg beginnt mit dem Einschlagen der unversicherten Zielrichtung. Die durch einen Abweg bewirkte Unterbrechung des versicherten Weges endet, wenn sich der Betroffene wieder auf einer Wegstrecke befindet, die er auf seinem Weg zum Tätigkeitsort zurücklegen muss (BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 8).
35 
Anders als Abwege dienen Umwege noch dem Erreichen des ursprünglichen Zieles, der Arbeitsstelle bzw. dem Ort des Lebensmittelpunktes, es wird jedoch die direkte Wegstrecke verlängert. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zählt derunmittelbare Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit zur versicherten Wegstrecke. Dabei ist „unmittelbar“ schon deshalb nicht gleichzusetzen mit „kürzester“, weil eine Differenzierung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht im Gesetz nicht enthalten ist. Die Wahl der Wegstrecke steht dem Versicherten daher in gewissen Grenzen frei, ihm steht insoweit ein subjektiver Entscheidungsspielraum zu (BSGE 4, 219, 222; 57, 222, 224). Der mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Weg muss daher nicht unbedingt mit dem entfernungsmäßig kürzesten Weg zusammenfallen. Wählt der Versicherte statt des kürzesten Weges zur Arbeitsstelle eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke, steht er während des sich dadurch ergebenden Umwegs unter Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort dient (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Dies ist z. B. der Fall, wenn er den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10). Für die Beurteilung, ob die auf das Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort gerichtete Handlungstendenz hinreichend durch objektive Umstände erklärbar ist, ist zu berücksichtigen, wie sich die Lage zur Zeit der Entscheidung aus der Sicht des Versicherten, evtl. unter Zeitdruck, dargestellt hat (BSG, Urteil vom 31.01.1984 - 2 RU 15/83 - zitiert nach juris). Aber auch wenn der Umweg aus privaten Gründen gewählt wird, ist der Versicherungsschutz nicht generell ausgeschlossen, sondern hängt davon ab, ob die dadurch bedingte Verlängerung des Weges erheblich ist. Dies beurteilt sich unter Berücksichtigung der Unterschiede im Zeitbedarf, den Entfernungen und der Verkehrssituation nach den Umständen des Einzelfalles. Ein verhältnismäßig großer Unterschied zum direkten Weg ist bei kurzen Wegen u. U. unschädlich, ein verhältnismäßig kleiner bei langen Wegen u. U. schädlich (vgl. Ricke a.a.O. Rdnr. 205 mit Beispielsfällen aus der Rechtsprechung).
36 
Beweisrechtlich ist weiter Folgendes zu beachten: Lässt sich ein Nachweis der versicherten Tätigkeit nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind indes typische Beweisschwierigkeiten zu berücksichtigen, die sich aus Besonderheiten der versicherten Tätigkeit ergeben. Verunglückt ein Versicherter tödlich unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hat, so entfällt beispielsweise der Versicherungsschutz nur dann, wenn von Seiten des Versicherungsträgers bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R; BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R). Die Ungewissheit hinsichtlich der Motivation des Versicherten geht in diesem Fall zu Lasten des Versicherungsträgers. Denn er trägt bei dieser Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der grundsätzlich versicherten Tätigkeit vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hat (BSG, Urteil vom 26.10.2004, a.a.O.). Auch muss der genaue Unfallhergang nicht bewiesen sein, wenn sonst nachgewiesene Umstände überwiegend auf einen Versicherungsfall hinweisen und die ernsthafte Möglichkeit anderer Geschehensabläufe ausgeschlossen erscheint (BSG, Urteil vom 14.11.1984 - 9 b RU 68/93 - zitiert nach juris; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1982, 763). Bezogen auf Wegeunfälle ergibt sich hieraus, dass im Falle eines erwiesenen Antritts der beschäftigungsmotivierten Wegstrecke der Versicherungsträger für seine Behauptung, der Versicherte habe diese Strecke mit privater Handlungstendenz zurückgelegt, als anspruchsvernichtende Tatsache beweispflichtig ist. Erst nachdem der Versicherte den versicherten Weg verlassen hat, ändert sich die Beweislast. Kann er nicht den Nachweis dafür erbringen, dass seine Handlungstendenz trotz des bereits beschrittenen Abweges/Umweges ausschließlich auf das Erreichen des Tätigkeitsortes gerichtet ist, geht das non liquet zu seinen Lasten (vgl. auch Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 - NZS 2011, 186)
37 
In Anwendung dieser Grundsätze liegt ein infolge der versicherten Tätigkeit erlittener Verkehrsunfall und mithin ein Arbeitsunfall des FH vor. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der tödliche Unfall ereignete.
38 
Der Senat geht dabei von folgenden unstreitigen Umständen aus: FH war zunächst in H. von der gemeinsamen ehelichen Wohnung aufgebrochen, um zunächst seine Ehefrau nach Mannheim zu deren Arbeitsstelle zu fahren und im Anschluss daran zum Beschäftigungsort nach V., V.str. zu gelangen. Dass FH diese Zielsetzung verfolgt hat, ergibt sich in erster Linie aus dem Umstand, dass er bereits ca. 30 km gefahren war (H. – Mannheim 19 km, Mannheim – G.-H.-B.-Straße, V., 11 km), bevor er ungefähr 1,3 bis 1,5 km Fahrstrecke bzw. ca. 400 Meter Luftlinie von seinem Beschäftigungsort entfernt verunglückte. Weitere objektivierbare Tatsache ist die zeitliche Beziehung zwischen dem Unfallzeitpunkt und der arbeitsvertraglichen Verpflichtung für FH, um spätestens 7.30 Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Auch wenn aus den Ermittlungsakten nicht hervorgeht, welcher Zeitraum zwischen dem Unfallereignis und der Benachrichtigung der Polizeistelle in V. gelegen hat, geht der Senat davon aus, dass dies nur wenige Minuten gewesen sein können und somit der Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr unmittelbar bevor stand, als er sich dem Unfallort näherte. Schließlich ist von maßgeblicher Bedeutung, dass FH in den vor dem Unfall liegenden sechs Monaten lediglich an drei Tagen die Arbeit um 7.31 Uhr angetreten hatte, an allen anderen Arbeitstagen aber spätestens um 7.30 Uhr anwesend gewesen ist. Aus den vorgelegten Zeitnachweisen der PSG ergibt sich, dass FH am 12.11.2007 um 7.13 Uhr und am 13.11.2007 um 7.28 Uhr seine Arbeit begonnen hatte. Für den Unfalltag selbst hat die PSG bestätigt, dass spätester Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr gewesen wäre und er einen späteren Beginn nicht angekündigt hatte. Für den Senat besteht daher kein vernünftiger Zweifel, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der Unfall ereignete.
39 
Eine den Versicherungsschutz ausschließende Wegeunterbrechung steht danach nicht fest. Denn erst wenn ein Weg eindeutig von der Arbeit wegführt, ist zu erörtern, ob ein den Arbeitsweg unterbrechender Umweg vorliegt. Dieses Stadium hat aber der festgestellte Weg des FH nicht erreicht. Nach dem gesamten Geschehensablauf (Unfallzeitpunkt, Nähe zum Arbeitsplatz, Pünktlichkeit des FH, weder bei Ehefrau noch Arbeitgeber andere Umstände bekannt) kann weder unterstellt noch angenommen werden, dass er zum Unfallzeitpunkt nicht mehr auf dem Weg zur Arbeit war.
40 
Zunächst liegt der Unfallort - die Kreuzung G.-H.-B.-Straße/L 3111 - auf einer der möglichen Wegstrecken zum Arbeitsplatz des FH. Das hat auch die Beklagte letztlich nicht bestritten. Ob eine andere als die von FH gewählte Wegstrecke kürzer gewesen wäre, ist nämlich rechtlich unbeachtlich (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Es kommt daher nicht darauf an, ob die Strecke, wenn FH nach der Abfahrt von der BAB 659 auf der L 3111 bis zum ersten Kreisel gefahren, dort aber die dritte Ausfahrt in die F.-E.-Straße genommen hätte, von dieser in die W.str. rechts und später in die F.-H.-Straße links und sodann in die V.str. rechts abgebogen wäre, ca. 500 Meter kürzer gewesen wäre. Auch die durch den Berufshelfer der Beklagten ermittelte kürzeste Wegstrecke über die L 3111 mit Abbiegen in die O. kann, da verbotswidrig, nicht als Alternative berücksichtigt werden. Der Senat entnimmt das der telefonischen Auskunft des PK K. vom 18.10.2011. Danach darf auf Höhe O. aus Richtung BAB 659 kommend lediglich von der L 3111 in die A.-F.-Straße nach rechts abgebogen werden, ein Kreisverkehr befindet sich dort nicht.
41 
Die von FH gewählte Strecke war nur unbedeutend länger, diente aber nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort (BSG a.a.O.). FH ist danach zwar nicht auf der L 3111 geblieben, sondern von dieser auf die direkt neben der L 3111 parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße abgebogen, um auf dieser bis fast zu deren Ende zu bleiben und dann wieder auf die L 3111 aufzufahren. Der Senat stützt sich insoweit auf die Zeugenaussagen der beiden am Unfall beteiligten Lkw-Fahrer R. S. und M. Sch.. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Denn aufgrund der feststehenden Zeitpunkte des Erreichens des Klinikums Mannheim um 7.10 Uhr sowie des Eingangs der Unfallmeldung auf der Polizeidienststelle um 7.28 Uhr sind FH weniger als 18 Minuten für das Zurücklegen der Wegstrecke bis zum Unfallort verblieben (Zeitangabe nach www.maps.google.de 14 Minuten). Somit besteht zur Überzeugung des Senats keine andere Streckenalternative oder ein anderer Geschehensablauf.
42 
Der aufgrund der von FH gewählten Fahrstrecke bedingte Umweg führt auch nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes. Die Wegstrecke von der Wohnung zur Arbeitsstelle des FH beträgt bei der zeitschnellsten Route über die BAB 5 und BAB 659 sowie in V. über die F.-E.-Straße, W.str. 11,1 km. Der von FH in V. gewählte Weg über die L 3111, Industriestraße ist im Vergleich zur Streckenlänge insgesamt nur unerheblich länger und zwar unabhängig davon, ob direkt auf der L 3111 zum Ortsende V. gefahren oder die parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße genutzt und damit ein ca. 50 Meter längerer Weg gewählt wird (vgl. den Kartenausschnitt mit Entfernungsangabe im angefochtenen Urteil, UA S. 3). Für FH bestand daher auch auf diesem Streckenabschnitt grundsätzlich Versicherungsschutz.
43 
Selbst wenn die Verlängerung um 500 bzw. 550 Meter nicht unbedeutend wäre, würde das nach der Rechtsprechung des BSG zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch für eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke besteht dann Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort dient (BSG a.a.O.). Das ist dann der Fall, wenn der Versicherte den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10).
44 
Der Senats hat keinen Zweifel daran, dass FH diese Wegstrecke, die immer noch zum Arbeitsort führte, nur gewählt hat, weil sich aus seiner Sicht zumindest die Möglichkeit einer Zeitersparnis ergab. Das belegen die Aussagen der Klägerin und ihrer Schwester. Diese haben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG übereinstimmend bestätigt, dass es sich FH zum Hobby gemacht hatte, auf dem schnellsten und kürzesten Weg von A nach B zu kommen. Somit diente die eingeschlagene Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des FH dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach den Angaben von M. Sch. am Unfalltag kein intensiver Verkehr auf der L 3111 in Richtung Ortsende V. geherrscht hat. Denn an der Kreuzung L 3111/G.-H.-B.-Straße ist nur für die L 3111 eine Ampelanlage eingerichtet, die Zufahrt von der G.-H.-B.-Straße auf die L 3111 erfolgt jedoch ohne Ampel. Somit bestand für FH ein hinreichender Grund dafür, zur Zeitersparnis den alternativen Weg über die G.-H.-B.-Straße zu wählen, zumal der dadurch bedingte Umweg nur geringfügig ist.
45 
In diesem Zusammenhang ist die von der Klägerin im Senatstermin geäußerte Vermutung, der Kläger habe gerade den Lkw des Zeugen Sch. „überholen“ wollen, was nur mit der gewählten Streckenalternative möglich gewesen sei, keineswegs von vornherein abwegig. Denn schließlich war auch der Zeuge Sch. mit seinem Lkw von der BAB 659 abgebogen und befuhr die L 3111 in Richtung V. zu annähernd derselben Zeit wie FH. Mit der Wahl dieser für den Senat eindeutigen Wegstrecke hat FH somit seine Absicht nach außen kund getan, auf zeitlich schnellstem Weg zu seiner Arbeitsstelle gelangen zu wollen.
46 
Ebenso wenig hat sich FH zum Zeitpunkt des Unfalls schließlich, als er wieder in die L 3111 einbog, auf einem nicht versicherten Abweg befunden. Ein den Versicherungsschutz ausschließender Abweg kann - wie oben ausgeführt - frühestens dann angenommen werden, sobald der zur Arbeitsstelle führende Weg verlassen worden ist. FH hatte seinen Weg zur Arbeit jedoch noch nicht verlassen, als sein Pkw vom Lkw des Zeugen Sch. erfasst worden ist.
47 
Die Beklagte will das zwar den beiden Zeugenaussagen der Lkw-Fahrer entnehmen. Diese haben aber nicht ein durch Tatsachen belegtes Abbiegen des FH nach links beschreiben können. FH hat sich danach zunächst zum Unfallzeitpunkt nicht auf der Gegenfahrbahn (Richtung Autobahn) von dem Arbeitsplatz wegführend befunden. Dass FH den Blinker nach links gesetzt hat, haben beide Fahrer ebenfalls nicht beobachtet, obwohl es zur Unfallzeit noch dämmrig und die Kreuzung nicht beleuchtet war. Sie haben vielmehr aus ihrer subjektiven Sicht geschildert, dass FH nach links habe fahren wollen. Hierbei handelt sich indessen nicht um eine eigene Wahrnehmung. Zu der Schlussfolgerung, FH habe nach links abbiegen wollen, sind sie vielmehr nur gelangt, weil sie aus dem Schaden des gegnerischen Unfallfahrzeugs geschlossen haben, dass der Pkw des FH nach links abbiegend erfasst worden sein muss. Nachträgliche Schlussfolgerungen eines Zeugen beweisen aber nicht konkrete Tatsachen. Denn Gegenstand der Beweiserhebung eines Zeugen sind ausschließlich konkrete Wahrnehmungen über vergangene Tatsachen und Zustände (vgl. statt vieler Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 32. Aufl. 2011, Vorbem. § 373 Rdnr. 1).
48 
Dessen ungeachtet hat FH, selbst wenn er zum Unfallzeitpunkt nach links abgebogen wäre, den Arbeitsweg noch nicht eindeutig verlassen. Aufgrund der Einlassungen der beiden Lkw-Fahrer Sch. und Sch. im Ermittlungs- sowie im Verwaltungsverfahren und ihrer Zeugenaussagen vor dem SG steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Pkw von FH noch nicht die von Richtung Süden her sehend rechte Fahrspur der L 3111 überquert hatte, als es zum Zusammenstoß mit dem Lkw des Zeugen Sch. kam. Die rechte Fahrspur der L 3111 gehörte jedoch noch zum versicherten Arbeitsweg des FH, denn sie liegt in Zielrichtung seiner Arbeitsstelle. Im Ermittlungsverfahren hat der Lkw-Fahrer Sch. schriftlich unter dem 19.12.2007 erklärt, der aus Richtung Autobahn kommende Lkw habe nach links ausweichen müssen, bevor er in die linke Seite des Pkws von FH geprallt sei. Bereits dies spricht dafür, dass FH noch nicht den Mittelstreifen der L 3111 mit seinem Pkw erreicht hatte. Anderenfalls hätte ein Ausweichen nach links keinen Sinn gehabt, zur Kollisionsvermeidung hätte der Lkw nach rechts ausweichen müssen. Auch die skizzenhaften Darstellungen der beiden Lkw-Fahrer in den ihnen von der Beklagten übersandten Lichtbildern vom Unfallort, die im Berufungsverfahren im Urkundenbeweis zu verwerten sind, bestätigen, dass der Pkw von FH noch auf der rechten Seite der L 3111 vom Lkw des Fahrers Sch. erfasst worden ist (Bl. 140, 141, 143, 144 d VA). Im Rahmen seiner Aussage vor dem SG hat der Zeuge Sch. ausdrücklich angegeben, der Unfall habe direkt am Anfang der Einmündung in die D.-W.-Allee auf seiner Fahrbahn stattgefunden. Der Senat hat keinen Anlass die insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Sch. und Sch. in Zweifel zu ziehen. Einer erneuten Vernehmung der Zeugen im Berufungsverfahren bedurfte es daher nicht (BSG, SozR 3-1500 § 128 Rdnr. 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 157 Rdnr. 2 c).
49 
Befand sich der Pkw von FH in räumlich-gegenständlicher Hinsicht im Moment des Unfalls noch auf dem zur Arbeitsstelle führenden Weg, bestand noch Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Ob FH nach links hat abbiegen wollen und ob dies durch einen Wechsel in seiner Handlungstendenz veranlasst war, ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich. Da sich FH zur Überzeugung des Senats noch auf der Strecke zum Tätigkeitsort befand und diese nicht unterbrochen hatte, als er verunfallte, ist dessen Motivlage nicht zu erörtern. Ob im Falle der Nichterweislichkeit privater Motive bei durch objektivierbare Tatsachen begründeter hoher Wahrscheinlichkeit für eine den inneren Zurechnungszusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestätigenden Motivation eine Beweislastumkehr zu Lasten des Versicherungsträgers eintritt (im Ergebnis so Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 – a.a.O.) oder auch dann den Versicherten die objektive Beweislast für einen Ausnahmetatbestand trifft (so Bayerisches LSG, Urteil vom 27.05.2009 - L 2 U 213/08) kann daher vorliegend offen bleiben. Entscheidungserheblich wäre die Frage nur dann, wenn FH bereits das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges zum Ort der Tätigkeit unterbrochen hätte. Dies ist jedoch wie ausgeführt nicht der Fall.
50 
Die weiteren anspruchsbegründenden Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG nach eigener Prüfung durch den Senat verwiesen und auf eine nochmalige Darstellung zur Vermeidung von Wiederholungen verzichtet (§ 153 Abs. 2 SGG).
51 
Weiterer Ermittlungen bedurfte es trotz der hilfsweise gestellten Beweisanträge nicht. Diese waren vielmehr abzulehnen.
52 
Soweit die erneute Vernehmung der bereits vor dem SG als Zeugen vernommenen Lkw-Fahrer Sch. und Sch. beantragt worden ist, war dem nicht nachzukommen, da der Senat seine Entscheidung gerade auf die Einlassungen beider Zeugen stützt. Nicht Beweis zu erheben war darüber, ob FH „zum Unfallzeitpunkt im Begriff war, nach links abzubiegen“, da es sich hierbei nicht um eine entscheidungserhebliche Frage handelt. Denn FH verunfallte noch auf der versicherten Wegstrecke. Beweisanträge, die auf die Aufklärung rechtlich unerheblicher Tatsachen gerichtet sind, sind abzulehnen.
53 
Soweit die Beiziehung der vollständigen Unterlagen des Ingenieurbüros E., F. und S. über die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle beantragt worden ist, ist der Antrag unzulässig. Der Antrag ist bereits zu unbestimmt, denn es fehlt an einer genauen, datumsmäßig bestimmten Angabe, welche Unterlagen beigezogen werden sollen. Darüber hinaus hat der Senat bereits die Ermittlungsakten beigezogen und zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht, in denen sich der Untersuchungsbericht des genannten Ingenieurbüros vom 11.01.2008 mit den beigefügten (14) Lichtbildern befindet. Sollte mit dem Antrag zum Ausdruck gebracht worden sein, es gebe weitere vom Untersuchungsauftrag erfasste Unterlagen, die aber nicht Gegenstand der Ermittlungsakte seien, so wäre der auf Beiziehung dieser weiteren Unterlagen gerichtete Antrag rechtsmissbräuchlich. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit ist dann auszugehen, wenn die Bezeichnung der Tatsachen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet werden, gleichwohl aber nur aufs Geradewohl gemacht sind. Bei solchen gleichsam "ins Blaue" aufgestellten Behauptungen ist ein Beweisantrag rechtsmissbräuchlich (BSGE 77, 140, 144; Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.1994 - 7 ZR 140/93 - NJW-RR 1995, 722 ff.). Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der der Staatsanwaltschaft vorgelegte Untersuchungsbericht nicht vollständig ist, da der Auftragsumfang gerade nicht die Anfertigung einer Unfallskizze umfasste, sondern die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle. Der Auftrag beinhaltete nur die Überprüfung der Verkehrssicherheit, insbesondere der Brems- und Lenkanlage des Pkw H., sowie Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle (Bl. 32 d. Ermittlungsakte). Wie sich aus dem Schreiben des Oberstaatsanwalts A. vom 18.02.2008 ergibt, hat dieser gerade das Fehlen einer solchen Unfallskizze moniert (Bl. 61 d. Ermittlungsakte). Aus welchen Gründen die Beklagte zu der Annahme gelangt, es könnten weitere Unterlagen des Ingenieurbüros vorliegen, vermochte deren Sitzungsvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht näher darzulegen.
54 
Auch die Anträge auf Einholung eines verkehrstechnischen Sachverständigengutachtens waren abzulehnen. Soweit damit die exakte Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem von dem Zeugen Sch. gefahrenen Lkw und dem Pkw des FH ermittelt und die Fahrtrichtung des Pkw geklärt werden soll, handelt es sich um einen nicht zulässigen Beweisermittlungsantrag. Es gehört zur Substantiierungspflicht, einen bestimmten Beweisantrag zu stellen. Es genügt unter diesem Gesichtspunkt nicht, dass vom Gericht mittels eines Antrags die Beschaffung von Material verlangt wird, aus dem sich die zu behauptende und zu beweisende Tatsache erst ergeben soll (vgl. Dawin in Schoch/Sch.-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 86 Rdnr. 92). Gerade dies wird mit dem gestellten Antrag indes bezweckt. Die Beklagte stellt nicht etwa die Tatsache unter Beweis, dass der Pkw des FH bereits auf der in Richtung Autobahn führenden Fahrspur zum Zeitpunkt des Unfalls gewesen wäre, sondern bemüht sich mit dem Beweisantrag zunächst um weitere Fakten. Ausfluss des Substantiierungsgebots ist des Weiteren, dass die Tatsache vom Antragsteller mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit i. S. von Nachdrücklichkeit als wahr und als mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Deshalb ist eine aufs Geradewohl aufgestellte Behauptung nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es tatsächlicher, eine Vermutung oder ein Fürmöglichhalten rechtfertigende Anhaltspunkte (Bundesverwaltungsgericht Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 39; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage 2009, § 86 Rdnr. 18a). Unterstellt, die Beklagte hätte unter Beweis gestellt, dass FH mit seinem Pkw zum Zeitpunkt des Unfalls bereits auf der Gegenfahrspur der L 3111 gewesen wäre, fehlte es an jeglichen diese Annahme rechtfertigenden Anhaltspunkten. Weder haben die Zeugen sich dahingehend eingelassen, sondern andere, dem widersprechende Angaben gemacht, noch befinden sich in den Verwaltungs- oder Ermittlungsakten Unterlagen, die es erlaubten, eine solche Behauptung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass der Vertreter der Beklagten das Beweisthema nicht entsprechend formuliert und die Beklagte in den zurückliegenden vier Jahren keinerlei Aufklärungsbemühungen in dieser Richtung unternommen hat. Schließlich dürfte es mangels erforderlicher Bezugspunkte auch kaum möglich sein, ohne Unfallskizze, ohne Inaugenscheinnahme des Pkws des FH und der beteiligten Lkw, lediglich anhand der gefertigten Lichtbilder von den Fahrzeugen im Nachhinein eine exakte Ortsbestimmung hinsichtlich des Kollisionspunktes vorzunehmen. Insoweit handelt es sich auch um ein ungeeignetes Beweismittel.
55 
Soweit mit dem Sachverständigengutachten Beweis dafür erbracht werden soll, dass ein Ausscheren nach links die Geschwindigkeit des Pkw von FH bei einem angenommenen Rechtsabbiegen nicht erhöht, sondern verlangsamt hätte, ist der Antrag ebenfalls nicht hinreichend bestimmt. Es erschließt sich nämlich nicht der Sinn dieser Behauptung im Hinblick auf das Berufungsbegehren der Beklagten. Darüber hinaus könnte diese Behauptung als wahr unterstellt werden, ohne dass dies Auswirkung auf die getroffene Entscheidung hätte.
56 
Die Berufung der Beklagten war daher insgesamt zurückzuweisen.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
58 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Gründe

 
26 
Die nach den §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgemäß eingelegte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Sterbegeld und Hinterbliebenenrente bejaht und den Bescheid der Beklagten vom 05.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 21.01.2009 deshalb aufgehoben.
27 
Dabei ist die Klage - wie vom SG zutreffend festgestellt - als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, obwohl die Beklagte mit den streitgegenständlichen Bescheiden schon deshalb Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat, weil sie den Verkehrsunfall des bei ihr versicherten FH nicht als Arbeitsunfall anerkannt hat. An einer vom Senat überprüfungsfähigen verwaltungsbehördlichen Entscheidung über die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen fehlt es gleichwohl nicht. Anders als ein Versicherter, der im Falle eines Arbeitsunfalls zunächst dessen Feststellung bzw. darauf aufbauend die Feststellung bestimmter Gesundheitsstörungen als Folge dieses Arbeitsunfalls und erst im Anschluss Leistungen wie Heilbehandlung, Verletztengeld und/oder Verletztenrente beantragen kann (zur Klage auf Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall: BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R; BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 46/03 R; jeweils zitiert nach juris), ist ein Hinterbliebener nicht verpflichtet, die Grundlagen der in Frage kommenden Hinterbliebenenleistungen vorab im Wege einer Feststellungsklage klären zu lassen. Denn die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des Anspruchs auf Hinterbliebenenleistungen. Wird dieser Anspruch durch einen negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Unfallversicherungsträgers, ein Versicherungsfall, beispielsweise eine bestimmte Berufskrankheit, habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Hieraus folgt, dass der Unfallversicherungsträger nicht befugt ist, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hat und es für einen Hinterbliebenen keine Anspruchsgrundlage auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles gibt (BSG, Urteil vom 12.01.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und dem folgend Urteil des Senats vom 29.09.2011 - L 6 U 5889/06).
28 
Die Klägerin hat Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, da der Tod ihres Ehemannes FH Folge des Arbeitsunfalls vom 14.07.2011 gewesen ist.
29 
Rechtsgrundlage hierfür sind die §§ 2, 3, 7, 9, 63, 64, 65 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Danach haben Hinterbliebene Anspruch auf Sterbegeld (§ 64 SGB VII) und Witwenrente (§ 65 SGB VII), wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist (§ 63 Abs. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ist weiter erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Versicherte Tätigkeit ist auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII). Insoweit wird der Kreis der versicherten Tätigkeiten ausgeweitet, es bleibt im Übrigen aber bei den für Arbeitsunfälle geltenden Regeln. Das Zurücklegen des versicherten Weges muss daher der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein.
30 
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII nennt als Ziel und Ausgangspunkt des Weges nur den Ort der versicherten Tätigkeit, ohne den anderen Endpunkt des Weges anzugeben. Versichert ist in erster Linie der Weg vom und zum Ort des Lebensmittelpunkts. Ein dritter Ort als Ausgangspunkt und/oder Endpunkt des Weges kommt in Betracht, wenn der Versicherte sich hier zumindest zwei Stunden aufgehalten und dann den Weg zur Arbeit bzw. zum Ort des Lebensmittelpunkts fortgesetzt hat (BSG, Urteil vom 05.05.1998 - B 2 U 40/97 R - SGb 1999, 81 ff., so auch LSG-Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2011 - L 2 U 4809/10 - zitiert nach juris).
31 
FH hatte die Klägerin zunächst zum Klinikum M., T.-K.-U. 1-3 gebracht und war ohne weiteren Aufenthalt anschließend wieder ein Teilstück zurückgefahren, um zu seiner Arbeitsstelle zu gelangen. Ist der dritte Ort, hier das Klinikum M., wegen einer nicht rechtserheblichen Aufenthaltsdauer lediglich Zwischenort eines einheitlichen Gesamtweges zwischen häuslichem Bereich und Tätigkeitsort, ist der Beschäftigte versichert, wenn und sobald er sich auf einer Wegstrecke befindet, die Teil des direkten Weges vom Ort des Lebensmittelpunkts zum Tätigkeitsort ist. Zur Überzeugung des Senats ist FH vom Klinikum M. auf die BAB 659 Richtung Nord/Osten aufgefahren, um bei der Autobahnausfahrt V.-Ost die Autobahn wieder zu verlassen. Jeder andere Weg wäre nicht nur streckenmäßig länger, sondern auch mit zeitlichen Verzögerungen verbunden gewesen (vgl. Routenberechnung nach www.maps.google.de und Kartenausschnitt Bl. 57 d. Senatsakte). Um kurz vor 7.28 Uhr an der Unfallstelle sein zu können, gab es für FH keine alternative, zumindest gleichschnelle Wegstrecke. Die BAB 659 hätte FH bei der Ausfahrt V. Ost aber auch verlassen, wenn er nicht zunächst nach M. und dann zurück nach V., sondern direkt von der gemeinsamen Wohnung in H. zu seiner Arbeitsstelle gefahren wäre. Er wäre dann zunächst auf der A 5 Richtung Süden gefahren, um am Weinheimer Kreuz auf die BAB 659 Richtung Süd/Westen abzufahren. Auch in diesem Fall hätte er die BAB 659 frühestens an der Anschlussstelle V.-Ost verlassen können. Ab diesem Punkt hat sich FH somit wieder auf der versicherten direkten Wegstrecke befunden.
32 
In Auswertung des Sachverständigengutachtens des Ingenieurbüros E., F. und S., der Zeugenaussagen, der Lichtbilder des PK K.s, der graphischen Darstellungen der Zeugen Sch. und Sch. sowie der Angaben des ehemaligen Arbeitgebers nebst Arbeitszeitnachweisen ist der Senat wie das SG zu der Überzeugung gelangt, dass FH auf diesem direkten Weg zur Arbeit am 14.11.2007 einen Wegeunfall erlitten hat.
33 
Dabei ist zu beachten, dass auch im Falle eines Wegeunfalles die Verrichtung zum Zeitpunkt des Unfallereignisses der versicherten Tätigkeit zuzurechnen sein muss (innerer Zurechnungszusammenhang). Allgemein für Arbeitsunfälle i. S. des § 8 SGB VII gilt, dass bei einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigten, wie vorliegend FH, Verrichtungen im Rahmen des dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden Arbeitsverhältnisses Teil der versicherten Tätigkeit sind und mit ihr im erforderlichen sachlichen Zusammenhang stehen. Weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle "infolge" der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind, sind jedoch nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich versicherten Arbeitnehmers im Laufe eines Arbeitstags auf der Arbeitsstätte versichert. Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen wie z.B. Essen oder eigenwirtschaftliche Tätigkeiten wie z. B. Einkaufen. Unter Umständen können die Wege an den Ort dieser Verrichtungen allerdings Versicherungsschutz genießen (vgl. Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 2, Stand April 2011, SGB VII § 8 Rdnr. 192 ff.). Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalles ist, ob der Versicherte eine dem Beschäftigungsverhältnis dienende Verrichtung ausüben wollte und ob diese Handlungstendenz durch die objektiven Umstände bestätigt wird (BSG, Urteil vom 12.04.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262; Urteil vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R). Übertragen auf die Tätigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (Zurücklegen des Weges) bedeutet dies, dass als Arbeitsunfall der Weg zur Arbeitsstelle nur dann versichert ist, wenn der Weg zum Tätigkeitsort nach der Handlungstendenz des Betroffenen der Aufnahme einer versicherten Tätigkeit dient und dies durch die objektiven Umstände bestätigt wird (st. Rspr. z.B. BSG, Urteil vom 18.11.2008 - B 2 U 31/07 R - zitiert nach juris). Der Beschäftigte steht somit auf dem Weg zum Tätigkeitsort solange unter Versicherungsschutz, als seine Handlungstendenz auf das Erreichen dieses Ziels gerichtet ist (BSG, Urteil vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - SGb 2004, 490 ff). Unterbricht er den Weg zum Ort der Tätigkeit aus privaten Gründen, ist er grundsätzlich während dieser Zeit nicht versichert (zur Ausnahme der unerheblichen Wegeverlängerung noch nachfolgend). Die Fälle räumlicher Unterbrechung kennzeichnet das Gesetz durch den Begriff des „abweichenden Weges“ (vgl. § 8 Abs. 2 Nr. 2 und 3 SGB VII); erfasst werden hiervon sowohl den Versicherungsschutz ausschließende Abwege als auch Umwege. Daneben kann eine zeitliche Unterbrechung ohne Verlassen des versicherten Weges den Versicherungsschutz entfallen lassen, wenn auf dem Weg zur Arbeitsstelle das Zurücklegen des Weges unterbrochen und eine für die Wegezurücklegung nicht erforderliche Handlung eingeschoben wird. Dient diese Tätigkeit privaten Zwecken und ist die Unterbrechung nicht nur von geringfügiger Dauer, ist sie nicht versichert.
34 
Sobald der Versicherte die Zielrichtung des zurückgelegten Weges ändert und seine Handlungstendenz nunmehr nicht mehr abzielt auf die versicherte Tätigkeit, sondern auf eine private Verrichtung, ist ein deshalb eingeschobener Weg als Abweg nicht versichert. Ein solcher liegt nicht vor, wenn der Versicherte die Zielrichtung aus Gründen ändert, die entweder mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder mit dem versicherten Weg (z. B. Verkehrsstau) zusammenhängen. Aus privaten Gründen erfolgte Unterbrechungen sind ohne Rücksicht auf ihren Umfang unversichert (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 8). Der Abweg beginnt mit dem Einschlagen der unversicherten Zielrichtung. Die durch einen Abweg bewirkte Unterbrechung des versicherten Weges endet, wenn sich der Betroffene wieder auf einer Wegstrecke befindet, die er auf seinem Weg zum Tätigkeitsort zurücklegen muss (BSG, Urteil vom 19.03.1991 - 2 RU 45/90 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 8).
35 
Anders als Abwege dienen Umwege noch dem Erreichen des ursprünglichen Zieles, der Arbeitsstelle bzw. dem Ort des Lebensmittelpunktes, es wird jedoch die direkte Wegstrecke verlängert. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII zählt derunmittelbare Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit zur versicherten Wegstrecke. Dabei ist „unmittelbar“ schon deshalb nicht gleichzusetzen mit „kürzester“, weil eine Differenzierung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht im Gesetz nicht enthalten ist. Die Wahl der Wegstrecke steht dem Versicherten daher in gewissen Grenzen frei, ihm steht insoweit ein subjektiver Entscheidungsspielraum zu (BSGE 4, 219, 222; 57, 222, 224). Der mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängende Weg muss daher nicht unbedingt mit dem entfernungsmäßig kürzesten Weg zusammenfallen. Wählt der Versicherte statt des kürzesten Weges zur Arbeitsstelle eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke, steht er während des sich dadurch ergebenden Umwegs unter Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort dient (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Dies ist z. B. der Fall, wenn er den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10). Für die Beurteilung, ob die auf das Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort gerichtete Handlungstendenz hinreichend durch objektive Umstände erklärbar ist, ist zu berücksichtigen, wie sich die Lage zur Zeit der Entscheidung aus der Sicht des Versicherten, evtl. unter Zeitdruck, dargestellt hat (BSG, Urteil vom 31.01.1984 - 2 RU 15/83 - zitiert nach juris). Aber auch wenn der Umweg aus privaten Gründen gewählt wird, ist der Versicherungsschutz nicht generell ausgeschlossen, sondern hängt davon ab, ob die dadurch bedingte Verlängerung des Weges erheblich ist. Dies beurteilt sich unter Berücksichtigung der Unterschiede im Zeitbedarf, den Entfernungen und der Verkehrssituation nach den Umständen des Einzelfalles. Ein verhältnismäßig großer Unterschied zum direkten Weg ist bei kurzen Wegen u. U. unschädlich, ein verhältnismäßig kleiner bei langen Wegen u. U. schädlich (vgl. Ricke a.a.O. Rdnr. 205 mit Beispielsfällen aus der Rechtsprechung).
36 
Beweisrechtlich ist weiter Folgendes zu beachten: Lässt sich ein Nachweis der versicherten Tätigkeit nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung sind indes typische Beweisschwierigkeiten zu berücksichtigen, die sich aus Besonderheiten der versicherten Tätigkeit ergeben. Verunglückt ein Versicherter tödlich unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hat, so entfällt beispielsweise der Versicherungsschutz nur dann, wenn von Seiten des Versicherungsträgers bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen hat (BSG, Urteil vom 09.04.2007 - B 2 U 28/06 R; BSG, Urteil vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R). Die Ungewissheit hinsichtlich der Motivation des Versicherten geht in diesem Fall zu Lasten des Versicherungsträgers. Denn er trägt bei dieser Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der grundsätzlich versicherten Tätigkeit vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hat (BSG, Urteil vom 26.10.2004, a.a.O.). Auch muss der genaue Unfallhergang nicht bewiesen sein, wenn sonst nachgewiesene Umstände überwiegend auf einen Versicherungsfall hinweisen und die ernsthafte Möglichkeit anderer Geschehensabläufe ausgeschlossen erscheint (BSG, Urteil vom 14.11.1984 - 9 b RU 68/93 - zitiert nach juris; LSG Rheinland-Pfalz, Breithaupt 1982, 763). Bezogen auf Wegeunfälle ergibt sich hieraus, dass im Falle eines erwiesenen Antritts der beschäftigungsmotivierten Wegstrecke der Versicherungsträger für seine Behauptung, der Versicherte habe diese Strecke mit privater Handlungstendenz zurückgelegt, als anspruchsvernichtende Tatsache beweispflichtig ist. Erst nachdem der Versicherte den versicherten Weg verlassen hat, ändert sich die Beweislast. Kann er nicht den Nachweis dafür erbringen, dass seine Handlungstendenz trotz des bereits beschrittenen Abweges/Umweges ausschließlich auf das Erreichen des Tätigkeitsortes gerichtet ist, geht das non liquet zu seinen Lasten (vgl. auch Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 - NZS 2011, 186)
37 
In Anwendung dieser Grundsätze liegt ein infolge der versicherten Tätigkeit erlittener Verkehrsunfall und mithin ein Arbeitsunfall des FH vor. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der tödliche Unfall ereignete.
38 
Der Senat geht dabei von folgenden unstreitigen Umständen aus: FH war zunächst in H. von der gemeinsamen ehelichen Wohnung aufgebrochen, um zunächst seine Ehefrau nach Mannheim zu deren Arbeitsstelle zu fahren und im Anschluss daran zum Beschäftigungsort nach V., V.str. zu gelangen. Dass FH diese Zielsetzung verfolgt hat, ergibt sich in erster Linie aus dem Umstand, dass er bereits ca. 30 km gefahren war (H. – Mannheim 19 km, Mannheim – G.-H.-B.-Straße, V., 11 km), bevor er ungefähr 1,3 bis 1,5 km Fahrstrecke bzw. ca. 400 Meter Luftlinie von seinem Beschäftigungsort entfernt verunglückte. Weitere objektivierbare Tatsache ist die zeitliche Beziehung zwischen dem Unfallzeitpunkt und der arbeitsvertraglichen Verpflichtung für FH, um spätestens 7.30 Uhr mit der Arbeit zu beginnen. Auch wenn aus den Ermittlungsakten nicht hervorgeht, welcher Zeitraum zwischen dem Unfallereignis und der Benachrichtigung der Polizeistelle in V. gelegen hat, geht der Senat davon aus, dass dies nur wenige Minuten gewesen sein können und somit der Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr unmittelbar bevor stand, als er sich dem Unfallort näherte. Schließlich ist von maßgeblicher Bedeutung, dass FH in den vor dem Unfall liegenden sechs Monaten lediglich an drei Tagen die Arbeit um 7.31 Uhr angetreten hatte, an allen anderen Arbeitstagen aber spätestens um 7.30 Uhr anwesend gewesen ist. Aus den vorgelegten Zeitnachweisen der PSG ergibt sich, dass FH am 12.11.2007 um 7.13 Uhr und am 13.11.2007 um 7.28 Uhr seine Arbeit begonnen hatte. Für den Unfalltag selbst hat die PSG bestätigt, dass spätester Arbeitsbeginn für FH um 7.30 Uhr gewesen wäre und er einen späteren Beginn nicht angekündigt hatte. Für den Senat besteht daher kein vernünftiger Zweifel, dass FH auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle war, als sich der Unfall ereignete.
39 
Eine den Versicherungsschutz ausschließende Wegeunterbrechung steht danach nicht fest. Denn erst wenn ein Weg eindeutig von der Arbeit wegführt, ist zu erörtern, ob ein den Arbeitsweg unterbrechender Umweg vorliegt. Dieses Stadium hat aber der festgestellte Weg des FH nicht erreicht. Nach dem gesamten Geschehensablauf (Unfallzeitpunkt, Nähe zum Arbeitsplatz, Pünktlichkeit des FH, weder bei Ehefrau noch Arbeitgeber andere Umstände bekannt) kann weder unterstellt noch angenommen werden, dass er zum Unfallzeitpunkt nicht mehr auf dem Weg zur Arbeit war.
40 
Zunächst liegt der Unfallort - die Kreuzung G.-H.-B.-Straße/L 3111 - auf einer der möglichen Wegstrecken zum Arbeitsplatz des FH. Das hat auch die Beklagte letztlich nicht bestritten. Ob eine andere als die von FH gewählte Wegstrecke kürzer gewesen wäre, ist nämlich rechtlich unbeachtlich (BSG, Urteil vom 11.09.2001 - B 2 U 34/00 R - SozR 3-2700 § 8 Nr. 9). Es kommt daher nicht darauf an, ob die Strecke, wenn FH nach der Abfahrt von der BAB 659 auf der L 3111 bis zum ersten Kreisel gefahren, dort aber die dritte Ausfahrt in die F.-E.-Straße genommen hätte, von dieser in die W.str. rechts und später in die F.-H.-Straße links und sodann in die V.str. rechts abgebogen wäre, ca. 500 Meter kürzer gewesen wäre. Auch die durch den Berufshelfer der Beklagten ermittelte kürzeste Wegstrecke über die L 3111 mit Abbiegen in die O. kann, da verbotswidrig, nicht als Alternative berücksichtigt werden. Der Senat entnimmt das der telefonischen Auskunft des PK K. vom 18.10.2011. Danach darf auf Höhe O. aus Richtung BAB 659 kommend lediglich von der L 3111 in die A.-F.-Straße nach rechts abgebogen werden, ein Kreisverkehr befindet sich dort nicht.
41 
Die von FH gewählte Strecke war nur unbedeutend länger, diente aber nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges zum Tätigkeitsort (BSG a.a.O.). FH ist danach zwar nicht auf der L 3111 geblieben, sondern von dieser auf die direkt neben der L 3111 parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße abgebogen, um auf dieser bis fast zu deren Ende zu bleiben und dann wieder auf die L 3111 aufzufahren. Der Senat stützt sich insoweit auf die Zeugenaussagen der beiden am Unfall beteiligten Lkw-Fahrer R. S. und M. Sch.. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Angaben. Denn aufgrund der feststehenden Zeitpunkte des Erreichens des Klinikums Mannheim um 7.10 Uhr sowie des Eingangs der Unfallmeldung auf der Polizeidienststelle um 7.28 Uhr sind FH weniger als 18 Minuten für das Zurücklegen der Wegstrecke bis zum Unfallort verblieben (Zeitangabe nach www.maps.google.de 14 Minuten). Somit besteht zur Überzeugung des Senats keine andere Streckenalternative oder ein anderer Geschehensablauf.
42 
Der aufgrund der von FH gewählten Fahrstrecke bedingte Umweg führt auch nicht zum Verlust des Versicherungsschutzes. Die Wegstrecke von der Wohnung zur Arbeitsstelle des FH beträgt bei der zeitschnellsten Route über die BAB 5 und BAB 659 sowie in V. über die F.-E.-Straße, W.str. 11,1 km. Der von FH in V. gewählte Weg über die L 3111, Industriestraße ist im Vergleich zur Streckenlänge insgesamt nur unerheblich länger und zwar unabhängig davon, ob direkt auf der L 3111 zum Ortsende V. gefahren oder die parallel verlaufende G.-H.-B.-Straße genutzt und damit ein ca. 50 Meter längerer Weg gewählt wird (vgl. den Kartenausschnitt mit Entfernungsangabe im angefochtenen Urteil, UA S. 3). Für FH bestand daher auch auf diesem Streckenabschnitt grundsätzlich Versicherungsschutz.
43 
Selbst wenn die Verlängerung um 500 bzw. 550 Meter nicht unbedeutend wäre, würde das nach der Rechtsprechung des BSG zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn auch für eine nicht nur unbedeutend längere Wegstrecke besteht dann Versicherungsschutz, wenn die Verlängerung der Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des Versicherten dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort dient (BSG a.a.O.). Das ist dann der Fall, wenn der Versicherte den Umweg einschlägt, um auf einer besseren Wegstrecke oder auf einer weniger verkehrsreichen Straße zu fahren (BSG, Urteil vom 25.02.1976 - 8 RU 80/75 - SozR 2200 § 550 Nr. 10).
44 
Der Senats hat keinen Zweifel daran, dass FH diese Wegstrecke, die immer noch zum Arbeitsort führte, nur gewählt hat, weil sich aus seiner Sicht zumindest die Möglichkeit einer Zeitersparnis ergab. Das belegen die Aussagen der Klägerin und ihrer Schwester. Diese haben in der mündlichen Verhandlung vor dem SG übereinstimmend bestätigt, dass es sich FH zum Hobby gemacht hatte, auf dem schnellsten und kürzesten Weg von A nach B zu kommen. Somit diente die eingeschlagene Wegstrecke nach der durch objektive Umstände gestützten Sicht des FH dem Zurücklegen des Weges nach bzw. von dem Tätigkeitsort. Dem steht auch nicht entgegen, dass nach den Angaben von M. Sch. am Unfalltag kein intensiver Verkehr auf der L 3111 in Richtung Ortsende V. geherrscht hat. Denn an der Kreuzung L 3111/G.-H.-B.-Straße ist nur für die L 3111 eine Ampelanlage eingerichtet, die Zufahrt von der G.-H.-B.-Straße auf die L 3111 erfolgt jedoch ohne Ampel. Somit bestand für FH ein hinreichender Grund dafür, zur Zeitersparnis den alternativen Weg über die G.-H.-B.-Straße zu wählen, zumal der dadurch bedingte Umweg nur geringfügig ist.
45 
In diesem Zusammenhang ist die von der Klägerin im Senatstermin geäußerte Vermutung, der Kläger habe gerade den Lkw des Zeugen Sch. „überholen“ wollen, was nur mit der gewählten Streckenalternative möglich gewesen sei, keineswegs von vornherein abwegig. Denn schließlich war auch der Zeuge Sch. mit seinem Lkw von der BAB 659 abgebogen und befuhr die L 3111 in Richtung V. zu annähernd derselben Zeit wie FH. Mit der Wahl dieser für den Senat eindeutigen Wegstrecke hat FH somit seine Absicht nach außen kund getan, auf zeitlich schnellstem Weg zu seiner Arbeitsstelle gelangen zu wollen.
46 
Ebenso wenig hat sich FH zum Zeitpunkt des Unfalls schließlich, als er wieder in die L 3111 einbog, auf einem nicht versicherten Abweg befunden. Ein den Versicherungsschutz ausschließender Abweg kann - wie oben ausgeführt - frühestens dann angenommen werden, sobald der zur Arbeitsstelle führende Weg verlassen worden ist. FH hatte seinen Weg zur Arbeit jedoch noch nicht verlassen, als sein Pkw vom Lkw des Zeugen Sch. erfasst worden ist.
47 
Die Beklagte will das zwar den beiden Zeugenaussagen der Lkw-Fahrer entnehmen. Diese haben aber nicht ein durch Tatsachen belegtes Abbiegen des FH nach links beschreiben können. FH hat sich danach zunächst zum Unfallzeitpunkt nicht auf der Gegenfahrbahn (Richtung Autobahn) von dem Arbeitsplatz wegführend befunden. Dass FH den Blinker nach links gesetzt hat, haben beide Fahrer ebenfalls nicht beobachtet, obwohl es zur Unfallzeit noch dämmrig und die Kreuzung nicht beleuchtet war. Sie haben vielmehr aus ihrer subjektiven Sicht geschildert, dass FH nach links habe fahren wollen. Hierbei handelt sich indessen nicht um eine eigene Wahrnehmung. Zu der Schlussfolgerung, FH habe nach links abbiegen wollen, sind sie vielmehr nur gelangt, weil sie aus dem Schaden des gegnerischen Unfallfahrzeugs geschlossen haben, dass der Pkw des FH nach links abbiegend erfasst worden sein muss. Nachträgliche Schlussfolgerungen eines Zeugen beweisen aber nicht konkrete Tatsachen. Denn Gegenstand der Beweiserhebung eines Zeugen sind ausschließlich konkrete Wahrnehmungen über vergangene Tatsachen und Zustände (vgl. statt vieler Thomas/Putzo, Kommentar zur ZPO, 32. Aufl. 2011, Vorbem. § 373 Rdnr. 1).
48 
Dessen ungeachtet hat FH, selbst wenn er zum Unfallzeitpunkt nach links abgebogen wäre, den Arbeitsweg noch nicht eindeutig verlassen. Aufgrund der Einlassungen der beiden Lkw-Fahrer Sch. und Sch. im Ermittlungs- sowie im Verwaltungsverfahren und ihrer Zeugenaussagen vor dem SG steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Pkw von FH noch nicht die von Richtung Süden her sehend rechte Fahrspur der L 3111 überquert hatte, als es zum Zusammenstoß mit dem Lkw des Zeugen Sch. kam. Die rechte Fahrspur der L 3111 gehörte jedoch noch zum versicherten Arbeitsweg des FH, denn sie liegt in Zielrichtung seiner Arbeitsstelle. Im Ermittlungsverfahren hat der Lkw-Fahrer Sch. schriftlich unter dem 19.12.2007 erklärt, der aus Richtung Autobahn kommende Lkw habe nach links ausweichen müssen, bevor er in die linke Seite des Pkws von FH geprallt sei. Bereits dies spricht dafür, dass FH noch nicht den Mittelstreifen der L 3111 mit seinem Pkw erreicht hatte. Anderenfalls hätte ein Ausweichen nach links keinen Sinn gehabt, zur Kollisionsvermeidung hätte der Lkw nach rechts ausweichen müssen. Auch die skizzenhaften Darstellungen der beiden Lkw-Fahrer in den ihnen von der Beklagten übersandten Lichtbildern vom Unfallort, die im Berufungsverfahren im Urkundenbeweis zu verwerten sind, bestätigen, dass der Pkw von FH noch auf der rechten Seite der L 3111 vom Lkw des Fahrers Sch. erfasst worden ist (Bl. 140, 141, 143, 144 d VA). Im Rahmen seiner Aussage vor dem SG hat der Zeuge Sch. ausdrücklich angegeben, der Unfall habe direkt am Anfang der Einmündung in die D.-W.-Allee auf seiner Fahrbahn stattgefunden. Der Senat hat keinen Anlass die insoweit übereinstimmenden Aussagen der Zeugen Sch. und Sch. in Zweifel zu ziehen. Einer erneuten Vernehmung der Zeugen im Berufungsverfahren bedurfte es daher nicht (BSG, SozR 3-1500 § 128 Rdnr. 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Auflage 2008, § 157 Rdnr. 2 c).
49 
Befand sich der Pkw von FH in räumlich-gegenständlicher Hinsicht im Moment des Unfalls noch auf dem zur Arbeitsstelle führenden Weg, bestand noch Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII. Ob FH nach links hat abbiegen wollen und ob dies durch einen Wechsel in seiner Handlungstendenz veranlasst war, ist daher vorliegend nicht entscheidungserheblich. Da sich FH zur Überzeugung des Senats noch auf der Strecke zum Tätigkeitsort befand und diese nicht unterbrochen hatte, als er verunfallte, ist dessen Motivlage nicht zu erörtern. Ob im Falle der Nichterweislichkeit privater Motive bei durch objektivierbare Tatsachen begründeter hoher Wahrscheinlichkeit für eine den inneren Zurechnungszusammenhang zur versicherten Tätigkeit bestätigenden Motivation eine Beweislastumkehr zu Lasten des Versicherungsträgers eintritt (im Ergebnis so Senatsurteil vom 15.04.2010 - L 6 U 3210/09 – a.a.O.) oder auch dann den Versicherten die objektive Beweislast für einen Ausnahmetatbestand trifft (so Bayerisches LSG, Urteil vom 27.05.2009 - L 2 U 213/08) kann daher vorliegend offen bleiben. Entscheidungserheblich wäre die Frage nur dann, wenn FH bereits das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges zum Ort der Tätigkeit unterbrochen hätte. Dies ist jedoch wie ausgeführt nicht der Fall.
50 
Die weiteren anspruchsbegründenden Voraussetzungen sind unstreitig erfüllt. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil des SG nach eigener Prüfung durch den Senat verwiesen und auf eine nochmalige Darstellung zur Vermeidung von Wiederholungen verzichtet (§ 153 Abs. 2 SGG).
51 
Weiterer Ermittlungen bedurfte es trotz der hilfsweise gestellten Beweisanträge nicht. Diese waren vielmehr abzulehnen.
52 
Soweit die erneute Vernehmung der bereits vor dem SG als Zeugen vernommenen Lkw-Fahrer Sch. und Sch. beantragt worden ist, war dem nicht nachzukommen, da der Senat seine Entscheidung gerade auf die Einlassungen beider Zeugen stützt. Nicht Beweis zu erheben war darüber, ob FH „zum Unfallzeitpunkt im Begriff war, nach links abzubiegen“, da es sich hierbei nicht um eine entscheidungserhebliche Frage handelt. Denn FH verunfallte noch auf der versicherten Wegstrecke. Beweisanträge, die auf die Aufklärung rechtlich unerheblicher Tatsachen gerichtet sind, sind abzulehnen.
53 
Soweit die Beiziehung der vollständigen Unterlagen des Ingenieurbüros E., F. und S. über die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle beantragt worden ist, ist der Antrag unzulässig. Der Antrag ist bereits zu unbestimmt, denn es fehlt an einer genauen, datumsmäßig bestimmten Angabe, welche Unterlagen beigezogen werden sollen. Darüber hinaus hat der Senat bereits die Ermittlungsakten beigezogen und zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemacht, in denen sich der Untersuchungsbericht des genannten Ingenieurbüros vom 11.01.2008 mit den beigefügten (14) Lichtbildern befindet. Sollte mit dem Antrag zum Ausdruck gebracht worden sein, es gebe weitere vom Untersuchungsauftrag erfasste Unterlagen, die aber nicht Gegenstand der Ermittlungsakte seien, so wäre der auf Beiziehung dieser weiteren Unterlagen gerichtete Antrag rechtsmissbräuchlich. Von einer Rechtsmissbräuchlichkeit ist dann auszugehen, wenn die Bezeichnung der Tatsachen zwar in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet werden, gleichwohl aber nur aufs Geradewohl gemacht sind. Bei solchen gleichsam "ins Blaue" aufgestellten Behauptungen ist ein Beweisantrag rechtsmissbräuchlich (BSGE 77, 140, 144; Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.12.1994 - 7 ZR 140/93 - NJW-RR 1995, 722 ff.). Es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass der der Staatsanwaltschaft vorgelegte Untersuchungsbericht nicht vollständig ist, da der Auftragsumfang gerade nicht die Anfertigung einer Unfallskizze umfasste, sondern die Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle. Der Auftrag beinhaltete nur die Überprüfung der Verkehrssicherheit, insbesondere der Brems- und Lenkanlage des Pkw H., sowie Besichtigung und Vermessung der Unfallstelle (Bl. 32 d. Ermittlungsakte). Wie sich aus dem Schreiben des Oberstaatsanwalts A. vom 18.02.2008 ergibt, hat dieser gerade das Fehlen einer solchen Unfallskizze moniert (Bl. 61 d. Ermittlungsakte). Aus welchen Gründen die Beklagte zu der Annahme gelangt, es könnten weitere Unterlagen des Ingenieurbüros vorliegen, vermochte deren Sitzungsvertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht näher darzulegen.
54 
Auch die Anträge auf Einholung eines verkehrstechnischen Sachverständigengutachtens waren abzulehnen. Soweit damit die exakte Stelle des Zusammenstoßes zwischen dem von dem Zeugen Sch. gefahrenen Lkw und dem Pkw des FH ermittelt und die Fahrtrichtung des Pkw geklärt werden soll, handelt es sich um einen nicht zulässigen Beweisermittlungsantrag. Es gehört zur Substantiierungspflicht, einen bestimmten Beweisantrag zu stellen. Es genügt unter diesem Gesichtspunkt nicht, dass vom Gericht mittels eines Antrags die Beschaffung von Material verlangt wird, aus dem sich die zu behauptende und zu beweisende Tatsache erst ergeben soll (vgl. Dawin in Schoch/Sch.-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, § 86 Rdnr. 92). Gerade dies wird mit dem gestellten Antrag indes bezweckt. Die Beklagte stellt nicht etwa die Tatsache unter Beweis, dass der Pkw des FH bereits auf der in Richtung Autobahn führenden Fahrspur zum Zeitpunkt des Unfalls gewesen wäre, sondern bemüht sich mit dem Beweisantrag zunächst um weitere Fakten. Ausfluss des Substantiierungsgebots ist des Weiteren, dass die Tatsache vom Antragsteller mit einem gewissen Maß an Bestimmtheit i. S. von Nachdrücklichkeit als wahr und als mit dem angegebenen Beweismittel beweisbar behauptet wird. Deshalb ist eine aufs Geradewohl aufgestellte Behauptung nicht ausreichend. Vielmehr bedarf es tatsächlicher, eine Vermutung oder ein Fürmöglichhalten rechtfertigende Anhaltspunkte (Bundesverwaltungsgericht Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 39; Kopp/Schenke, Kommentar zur VwGO, 16. Auflage 2009, § 86 Rdnr. 18a). Unterstellt, die Beklagte hätte unter Beweis gestellt, dass FH mit seinem Pkw zum Zeitpunkt des Unfalls bereits auf der Gegenfahrspur der L 3111 gewesen wäre, fehlte es an jeglichen diese Annahme rechtfertigenden Anhaltspunkten. Weder haben die Zeugen sich dahingehend eingelassen, sondern andere, dem widersprechende Angaben gemacht, noch befinden sich in den Verwaltungs- oder Ermittlungsakten Unterlagen, die es erlaubten, eine solche Behauptung ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Dies dürfte auch der Grund dafür sein, dass der Vertreter der Beklagten das Beweisthema nicht entsprechend formuliert und die Beklagte in den zurückliegenden vier Jahren keinerlei Aufklärungsbemühungen in dieser Richtung unternommen hat. Schließlich dürfte es mangels erforderlicher Bezugspunkte auch kaum möglich sein, ohne Unfallskizze, ohne Inaugenscheinnahme des Pkws des FH und der beteiligten Lkw, lediglich anhand der gefertigten Lichtbilder von den Fahrzeugen im Nachhinein eine exakte Ortsbestimmung hinsichtlich des Kollisionspunktes vorzunehmen. Insoweit handelt es sich auch um ein ungeeignetes Beweismittel.
55 
Soweit mit dem Sachverständigengutachten Beweis dafür erbracht werden soll, dass ein Ausscheren nach links die Geschwindigkeit des Pkw von FH bei einem angenommenen Rechtsabbiegen nicht erhöht, sondern verlangsamt hätte, ist der Antrag ebenfalls nicht hinreichend bestimmt. Es erschließt sich nämlich nicht der Sinn dieser Behauptung im Hinblick auf das Berufungsbegehren der Beklagten. Darüber hinaus könnte diese Behauptung als wahr unterstellt werden, ohne dass dies Auswirkung auf die getroffene Entscheidung hätte.
56 
Die Berufung der Beklagten war daher insgesamt zurückzuweisen.
57 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
58 
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf

1.
Sterbegeld,
2.
Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,
3.
Hinterbliebenenrenten,
4.
Beihilfe.
Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.

(1a) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts über Hinterbliebenenleistungen an Witwen und Witwer gelten auch für Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner.

(2) Dem Tod infolge eines Versicherungsfalls steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) um 50 vom Hundert oder mehr gemindert war. Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, daß der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht; eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung darf nicht gefordert werden.

(3) Ist ein Versicherter getötet worden, so kann der Unfallversicherungsträger die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung von Tatsachen anordnen, die für die Entschädigungspflicht von Bedeutung sind.

(4) Sind Versicherte im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verschollen, gelten sie als infolge eines Versicherungsfalls verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Der Unfallversicherungsträger kann von den Hinterbliebenen die Versicherung an Eides Statt verlangen, daß ihnen weitere als die angezeigten Nachrichten über die Verschollenen nicht bekannt sind. Der Unfallversicherungsträger ist berechtigt, für die Leistungen den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag festzustellen. Bei Versicherten in der Seeschiffahrt wird spätestens der dem Ablauf des Heuerverhältnisses folgende Tag als Todestag festgesetzt.

(1) Witwen oder Witwer von Versicherten erhalten eine einmalige Beihilfe von 40 vom Hundert des Jahresarbeitsverdienstes, wenn

1.
ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente nicht besteht, weil der Tod der Versicherten nicht Folge eines Versicherungsfalls war, und
2.
die Versicherten zur Zeit ihres Todes Anspruch auf eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 vom Hundert oder mehr oder auf mehrere Renten hatten, deren Vomhundertsätze zusammen mindestens die Zahl 50 erreichen; soweit Renten abgefunden wurden, wird von dem Vomhundertsatz der abgefundenen Rente ausgegangen.
§ 65 Abs. 6 gilt entsprechend.

(2) Beim Zusammentreffen mehrerer Renten oder Abfindungen wird die Beihilfe nach dem höchsten Jahresarbeitsverdienst berechnet, der den Renten oder Abfindungen zugrunde lag. Die Beihilfe zahlt der Unfallversicherungsträger, der die danach berechnete Leistung erbracht hat, bei gleich hohen Jahresarbeitsverdiensten derjenige, der für den frühesten Versicherungsfall zuständig ist.

(3) Für Vollwaisen, die bei Tod der Versicherten infolge eines Versicherungsfalls Anspruch auf Waisenrente hätten, gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend, wenn sie zur Zeit des Todes der Versicherten mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und von ihnen überwiegend unterhalten worden sind. Sind mehrere Waisen vorhanden, wird die Waisenbeihilfe gleichmäßig verteilt.

(4) Haben Versicherte länger als zehn Jahre eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 80 vom Hundert oder mehr bezogen und sind sie nicht an den Folgen eines Versicherungsfalls gestorben, kann anstelle der Beihilfe nach Absatz 1 oder 3 den Berechtigten eine laufende Beihilfe bis zur Höhe einer Hinterbliebenenrente gezahlt werden, wenn die Versicherten infolge des Versicherungsfalls gehindert waren, eine entsprechende Erwerbstätigkeit auszuüben, und wenn dadurch die Versorgung der Hinterbliebenen um mindestens 10 vom Hundert gemindert ist. Auf die laufende Beihilfe finden im übrigen die Vorschriften für Hinterbliebenenrenten Anwendung.

(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf

1.
Sterbegeld,
2.
Erstattung der Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung,
3.
Hinterbliebenenrenten,
4.
Beihilfe.
Der Anspruch auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 besteht nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist.

(1a) Die Vorschriften dieses Unterabschnitts über Hinterbliebenenleistungen an Witwen und Witwer gelten auch für Hinterbliebenenleistungen an Lebenspartner.

(2) Dem Tod infolge eines Versicherungsfalls steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 (BGBl. I S. 721) in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2343) um 50 vom Hundert oder mehr gemindert war. Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, daß der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht; eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung darf nicht gefordert werden.

(3) Ist ein Versicherter getötet worden, so kann der Unfallversicherungsträger die Entnahme einer Blutprobe zur Feststellung von Tatsachen anordnen, die für die Entschädigungspflicht von Bedeutung sind.

(4) Sind Versicherte im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verschollen, gelten sie als infolge eines Versicherungsfalls verstorben, wenn die Umstände ihren Tod wahrscheinlich machen und seit einem Jahr Nachrichten über ihr Leben nicht eingegangen sind. Der Unfallversicherungsträger kann von den Hinterbliebenen die Versicherung an Eides Statt verlangen, daß ihnen weitere als die angezeigten Nachrichten über die Verschollenen nicht bekannt sind. Der Unfallversicherungsträger ist berechtigt, für die Leistungen den nach den Umständen mutmaßlichen Todestag festzustellen. Bei Versicherten in der Seeschiffahrt wird spätestens der dem Ablauf des Heuerverhältnisses folgende Tag als Todestag festgesetzt.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich C 6/7 seiner Halswirbelsäule (HWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 3.7.2005 ist.

2

Der Kläger absolvierte an diesem Tag als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers aufgabengemäß eine Testfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien. Dabei platzte bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs. Es kam von der Fahrbahn ab, durchbrach die Leitplanke und kam in einem Wäldchen zum Stehen.

3

Bei der Erstuntersuchung des Klägers erbrachten die Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen. Am 6.7.2005 diagnostizierte ein Facharzt für Chirurgie ua eine Halswirbelsäulen-Distorsion (Verstauchung, Zerrung). In der Kernspintomographie der HWS vom 4.8.2005 wurden erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie für den Bereich von C 6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina (Wurzelkanälen) beschrieben. Eine weitere Kernspintomographie der HWS vom 30.8.2005 ergab zwischen den Halswirbelkörpern C 6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente. Eine Begleitverletzung wurde nicht benannt.

4

Im Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 3.7.2005 als Arbeitsunfall. Als "Unfallfolgen" wurden "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers" anerkannt.

5

Ferner wurde festgestellt, der Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper sei keine "Folge des Arbeitsunfalls", weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall sei angesichts des MRT-Befundes vom 4.8.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C 6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008).

6

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 14.7.2010 festgestellt, dass "die Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei.

7

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung geltend gemacht, das Urteil sei in seiner Kausalitätsbeurteilung mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht vereinbar. Im Standardwerk der gesetzlichen Unfallversicherung von Schönberger/Mehrtens/Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentiere, werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung nicht möglich sei. Dazu sei Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8

Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Es sei vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 3.7.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7 gewesen sei. Hierfür sprächen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung im Bereich des Bewegungssegments C 6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinwiesen. Vor dem Unfall sei der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen. Der Unfall habe zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule geführt. Umstände, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprächen, hätten im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung.

9

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf das Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin und meine, es sei dort dokumentierter neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe. Diesen Ausführungen könne aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Denn dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur vermenge die Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit). Bei der Prüfung der Wesentlichkeit handele es sich um eine wertende Entscheidung, die dem juristischen Betrachter vorbehalten sei.

10

Der Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens werde abgelehnt. Selbst wenn die von Schönberger/Mehrtens/Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung wiedergeben sollte, ändere dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, weil er die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG vernachlässige.

11

Lägen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall "örtlich-zeitlich in Rede" stehe, sei ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

12

Sei der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stelle sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich gewesen sei. Hierbei sei vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS den bereits vorliegenden degenerativen Veränderungen im Hinblick auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall keine überragende Bedeutung beizumessen gewesen. Demnach sei das Unfallereignis wesentliche Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen.

13

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Das LSG habe nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ermittelt.

14

Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

17

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann das BSG nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die HWS des Klägers wesentlich mitverursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers geworden ist. Nur dann wäre dieser ein Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls.

18

Das LSG hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mitverursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung …, die … dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, verfehlt den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung (dazu unter 3. und 5.).

19

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zurückweisung ihrer zulässigen Berufung durch das LSG. Mit ihr wandte sie sich erstens gegen die Aufhebung ihres Verwaltungsakts durch das SG, der Kläger habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung seines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als "Folge des Arbeitsunfalls". Zweitens begehrte sie die Aufhebung des Feststellungsurteils des SG, dass die "Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des Klägers begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn sie durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als Gesundheitserstschaden zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser (insoweit unter klarstellender Änderung des bisherigen Ausspruchs des SG) durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

20

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des Klägers von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines Gesundheitserstschadens einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

21

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung aller Erstschäden (Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 43 vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

22

a) Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hat, der Kläger habe infolge seiner versicherten Testfahrt einen Arbeitsunfall mit folgenden Gesundheitserstschäden erlitten: "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers".

23

Die rechtliche Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf die hier umstrittene Frage, ob die infolge der Testfahrt eingetretene Einwirkung auf den Körper des Klägers weitere Gesundheitserstschäden (objektiv und unfallversicherungsrechtlich wesentlich) mitverursacht hat. Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten Gesundheitserstschäden. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die Gesundheitserstschäden ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier erstmals um einen weiteren, von der Beklagten abgelehnten Gesundheitserstschaden gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

24

b) Die Feststellungen des LSG lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der umstrittenen Gesundheitserstschäden hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

25

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

26

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

27

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

28

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad des Vollbeweises) festgestellt sein.

29

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

30

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung.

31

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 SGB VII, der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht.

32

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

33

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

34

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

35

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 21 vorgesehen - RdNr 21 ff - Lebendnierenspende).

36

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten.

37

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon RVA vom 24.5.1912, AN 1912, 930 = Breithaupt 1912, 212; GS RVA vom 26.2.1914, AN 1914, 411 <2690>; vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17).

38

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die Zurechnungskette auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

39

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

40

c) Nach den Feststellungen des LSG liegt eine versicherte Verrichtung des Klägers vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

41

aa) Der Kläger hat durch seine Testfahrt den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt(zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch zur Erfüllung einer Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Automobilhersteller zumindest angesetzt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der Beschäftigtenversicherung grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Testfahrt verwirklichten.

42

bb) Das LSG hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge der Testfahrt zu einer "Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule" gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist. Das LSG hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass ein Chirurg am 6.7.2005 beim Kläger eine "HWS-Distorsion" diagnostiziert habe. Nach dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses des LSG hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche HWS-Verstauchung genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

43

cc) Das LSG hat auch noch festgestellt, dass die versicherte Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit, das Platzen des Autoreifens, das Abkommen von der Testbahn, das Durchbrechen der Leitplanke und das Abstoppen im Wäldchen diese Einwirkung auf die HWS objektiv mitverursacht haben. Auch wenn das LSG keine näheren Feststellungen zur Ursache des Platzens des Reifens (ua Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen hat, ob es bei der Testfahrt gerade um die Prüfung der Belastbarkeit der Reifen ging, ist seine Feststellung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Testfahrt als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem BSG zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen allgemeinkundigen Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf einer Autofahrt Ursache eines starken Aufpralls mit der Wirkung ua einer Verstauchung der HWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom LSG nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

44

dd) Das LSG hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des Klägers eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die Beschäftigtenversicherung soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt die durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Einwirkung auf die HWS unter den Schutzbereich der hier begründeten Beschäftigtenversicherung. Die konkret festgestellten Mitursachen der Einwirkung, das Platzen des Reifens, der Widerstand der durchbrochenen Leitplanke schließen in der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die Zuordnung der HWS-Verstauchung zum Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nicht aus. Denn in ihnen hat sich gerade die besondere Gefahr verwirklicht, die mit der vom Kläger zu erfüllenden Pflicht verbunden war.

45

ee) Das LSG hat schließlich bindend festgestellt, dass der vom Kläger als Gesundheitserstschaden geltend gemachte Bandscheibenvorfall C 6/7 vorliegt.

46

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls C 6/7 als weiteren Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das BSG noch nicht entscheiden kann, ob die Testfahrt mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die HWS des Klägers auch rechtserhebliche (Mit-)Wirkursache dieses Bandscheibenvorfalls war.

47

4. Das LSG hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Testfahrt hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das BSG nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

48

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten Beschäftigtenversicherung geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das LSG hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

49

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das LSG keine das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

50

Allerdings hat das LSG ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die HWS des Klägers "naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7" gewesen ist.

51

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das LSG zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es, wie die Beklagte zulässig und begründet rügt, die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Beschluss einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter Begleitschaden vorliegt.

52

bb) Das LSG hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

53

Daran ist das BSG nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht allgemeinkundig oder dem BSG gerichtsbekannt. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das LSG hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

54

c) Das LSG hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

55

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

56

Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

57

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

58

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des RVA (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.

59

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

60

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des Klägers Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Testfahrt als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dieser Testfahrt und dieser Einwirkung auf die HWS des Klägers und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

61

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen Fragenbereich veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der Richter nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

62

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

63

bb) Soweit ein nicht allgemeinkundiges oder gerichtsbekanntes Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

64

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den HWS-Bereich durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall C 6/7 als Gesundheitserstschaden - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der Gesundheitserstschaden) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen Wirkursachen sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

65

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

66

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeitssätze (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen Erfahrungssätzen. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des Kreises der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

67

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens (vgl hierzu zuletzt auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung bei der der Richter der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

68

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen.

69

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

70

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

71

d) Das LSG hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

72

aa) Die Beklagte hatte unter Zitierung des Werks von Schönberger/Mehrtens/Valentin dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das LSG hätte hierauf selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

73

bb) Dies war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil das LSG davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren Schönberger/Mehrtens/Valentin von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

74

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das LSG davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

75

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das BSG das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des Klägers die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das BSG müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das LSG zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

76

Das LSG wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

77

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des Bandscheibenvorfalls C 6/7 war. Stellt das LSG hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit der Testfahrt und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall C 6/7 und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer Wirkursachen zu entscheiden.

78

5. Von diesen Feststellungen darf das LSG nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der Wirkursache für den Schaden, absehen. Das LSG hat nämlich in seinem Beschluss den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat. Ggf hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

79

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

80

Das LSG wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

81

6. Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 127/11
Verkündet am:
10. Juli 2012
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Für die Verneinung des Zurechnungszusammenhangs zwischen unfallbedingten Verletzungen
und Folgeschäden wegen einer Begehrensneurose ist es erforderlich, aber
auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung
geprägt sind.
BGH, Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 127/11 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 10. Juli 2012 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll,
Wellner und Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 29. März 2011 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger erlitt am 14. Dezember 1993 als Fahrer seines PKW einen Verkehrsunfall, für dessen Schadensfolgen der Beklagte zu 1 als Fahrer und die Beklagte zu 2 als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners dem Grunde nach in vollem Umfang haften. Die Beklagte zu 2 zahlte auf die geltend gemachten materiellen Schäden 14.479,55 DM (7.403,28 €) und als Schmerzensgeld einen Betrag von 2.000 DM (1.022,58 €). Der Kläger begehrt weiteren Schadensersatz und macht geltend, er leide aufgrund der Unfallverletzungen fortwährend an Schmerzen und habe deshalb keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen können; ihm seien unfallbedingt unter anderem Verdienstausfall, ein Haushaltsführungsschaden, Kosten für medizinische Behandlung sowie Aufwendungen durch Scheidung seiner Ehe entstanden.
2
Das Landgericht hat die auf Zahlung von 579.900,41 €, eines Schmerzensgeldes von 50.000 € sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht hinsichtlich weiterer materieller und immaterieller Schäden gerichtete Klage nach Einholung eines orthopädisch-traumatologischen Gutachtens, eines neurochirurgischen Gutachtens sowie eines psychosomatischen Gutachtens abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und der Klage unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung in Höhe von 15.230,29 € nebst Zinsen stattgegeben (4.230,29 € für materielle und 11.000 € für immaterielle Schäden). Der Kläger nimmt die Klageabweisung hinsichtlich materieller Schäden aus dem Zeitraum bis zum 31. Dezember 1994 in Höhe von 20.825,44 € hin. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt er sein Klagebegehren im Übrigen weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

3
Das Berufungsgericht führt aus, der Kläger habe durch den Unfall eine Wirbelsäulenprellung mit Distorsion der Halswirbelsäule, die dem Grad I nach Erdmann entspreche, sowie Prellungen des Thorax und des Brustbeins erlitten. Eine Fraktur der Hals- und Brustwirbelsäule sei ebenso wenig eingetreten wie Bewusstlosigkeit oder eine Gehirnerschütterung. Eine durch den Unfall verursachte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) sei auch nach dem für die haftungsausfüllende Kausalität geltenden reduzierten Beweismaß des § 287 ZPO nicht festzustellen. Bei dem Kläger habe sich unmittelbar nach dem Unfall allerdings eine akute Belastungsreaktion entwickelt. Es liege eine Anpassungsstörung vor, die nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen auftreten könne und durch depressive Stimmung, Angst oder Sorge und das Gefühl, mit alltäglichen Gegebenheiten nicht zurechtzukommen , gekennzeichnet sei. Daneben sei eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung eingetreten, deren Chronifizierung auf eine psychische Somatik hindeute. Ferner habe sich infolge des Unfalls eine dissoziative Störung der Bewegungs- und Sinnesempfindung entwickelt, die sich mit Symptomen wie der auffälligen Körperhaltung des Klägers, Ataxien (Störungen der Koordination von Bewegungsabläufen), Pelzigkeitsgefühlen sowie einer verstärkten Schmerzwahrnehmung äußere.
4
Die durch den Unfall ab dem Jahr 1995 eingetretenen Beschwerden seien den Beklagten jedoch schadensrechtlich nicht mehr zuzurechnen. Das vom Kläger erlittene Halswirbelsäulenschleudertrauma mit Prellungen gehe zwar über das Maß einer Bagatellverletzung hinaus, die durch ein grobes Missverhältnis zwischen einer im Alltagsleben typischen und häufig auftretenden Verletzung und der psychischen Reaktion gekennzeichnet sei. Die Zurechnung sei aber zu versagen, weil die Beschwerden auf einer Renten- oder Begehrensneurose beruhten. Diese zeichne sich dadurch aus, dass der Geschädigte den erlittenen Unfall in dem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nehme, den Schwierigkeiten und Belastungen des Erwerbslebens auszuweichen. Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. Hai. hätten zunächst die somatoform-funktionelle Symptomatik und danach persönlichkeitsbedingte Faktoren im Vordergrund gestanden. Im ersten Jahr nach dem Unfall sei dem Unfallgeschehen etwa 60 % Einfluss auf die Beschwerden zuzuordnen und der Persönlichkeit etwa 40 %; ab dem zweiten Jahr würden die persönlichkeitsbedingten Faktoren überwiegen und etwa 90 % der Beschwerden und Funktionseinschränkungen bedingen. Da neurotische Fehlentwicklungen häufig nicht nur auf einer Ursache beruhten, sei es sachgerecht, schon dann den Zurechnungszusammenhang zum Unfallereignis abzulehnen, wenn der neurotische Zustand des Geschädigten entscheidend von der Begehrensvor- stellung geprägt, der Versorgungswunsch also der wesentliche ausschlaggebende Faktor gewesen sei. Dies sei dann der Fall, wenn - wie im Streitfall - 90 % des Krankheitsbildes durch eine Begehrensneurose verursacht würden.
5
Dem Kläger seien bis zum 31. Januar 1994 materielle Schäden in Höhe von insgesamt 4.230,29 € entstanden (76,69 € durch die Beschädigung einer Jacke, 894,24 € Aufwendungen im Zusammenhang mit medizinischen Behandlungen einschließlich Fahrtkosten, 940,16 € Verdienstausfall sowie ein Haushaltsführungsschaden in Höhe von 2.319,20 €). Als Schmerzensgeld sei für die zurechenbaren Verletzungsfolgen ein Betrag von insgesamt 12.000 € angemessen. Davon seien dem Kläger unter Berücksichtigung der vorgerichtlichen Zahlung noch 11.000 € zuzusprechen. Der Feststellungsantrag sei unbegründet , weil nach den vorgenannten Ausführungen dem Unfall zurechenbare Schäden nach dem 31. Dezember 1994 nicht mehr festzustellen seien. Der krankheitsbedingt verfallene Resturlaubsanspruch aus dem Jahr 1993 und der krankheitsbedingt nicht entstandene Urlaubsanspruch für das Jahr 1994 begründeten keinen Schadensersatzanspruch, weil der Kläger hierdurch keine Vermögenseinbuße erlitten habe.

II.

6
Die Revision hat keinen Erfolg. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, für die ab dem Jahr 1995 eingetretenen Verletzungsfolgen fehle der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
7
1. Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts zur Haftung für psychische Folgeschäden.
8
a) Der haftungsrechtlich für eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung verantwortliche Schädiger hat grundsätzlich auch für Folgewirkungen einzustehen, die auf einer psychischen Prädisposition oder einer neurotischen Fehlverarbeitung beruhen; für die Ersatzpflicht als haftungsausfüllende Folgewirkung des Unfallgeschehens genügt die hinreichende Gewissheit, dass diese Folge ohne den Unfall nicht eingetreten wäre (Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, BGHZ 132, 341, 343 f., 346; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, BGHZ 137, 142, 145; vom 9. April 1991 - VI ZR 106/90, VersR 1991, 704, 705; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, VersR 1997, 752, 753 und vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, VersR 2004, 874;MünchKommBGB/ Oetker, 6. Aufl., § 249 Rn. 191; Staudinger/Schiemann, BGB, Neubearbeitung 2005, § 249 Rn. 39). Die Zurechnung von Folgeschäden scheitert nicht daran, dass sie auf einer konstitutiven Schwäche des Verletzten beruhen. Der Schädiger kann sich nicht darauf berufen, dass der Schaden nur deshalbeingetreten sei oder ein besonderes Ausmaß erlangt habe, weil der Verletzte infolge von Anomalien oder Dispositionen zur Krankheit besonders anfällig gewesen sei. Wer einen gesundheitlich schon geschwächten Menschen verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als wäre der Betroffene gesund gewesen (Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 345 und vom 19. April 2005 - VI ZR 175/04, VersR 2005, 945, 946).
9
b) Mit Recht hat das Berufungsgericht die Zurechnung nicht unter dem Gesichtspunkt einer Bagatellverletzung abgelehnt, was die Revision als ihr günstig hinnimmt. In Extremfällen scheitert die Zurechnung psychischer Folgeschäden , wenn das schädigende Ereignis ganz geringfügig ist, nicht gerade speziell die Schadensanlage des Verletzten trifft und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall, weil in einem groben Missverhältnis zu dem Anlass stehend, schlechterdings nicht mehr verständlich ist (Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 346; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 146 ff.; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, aaO und vom 11. November 1997 - VI ZR 146/96, VersR 1998, 200, 201;MünchKommBGB/ Oetker, aaO Rn. 192). Das Halswirbelschleudertrauma und die Prellung anderer Körperteile, die der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts als unmittelbare Unfallfolge erlitten hat, hat das Berufungsgericht mit Recht als nicht geringfügig bewertet (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 349 und vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, VersR 2004, 874; Schubert in Bamberger/Roth, BeckOK, BGB, § 249 Rn. 68 (Stand März 2011)).
10
c) Zutreffend sind auch die vom Berufungsgericht angenommenen rechtlichen Voraussetzungen für einen Ausschluss der Zurechnung unter dem Gesichtspunkt einer Begehrensneurose. Folgeschäden, die wesentlich durch eine Begehrenshaltung des Geschädigten geprägt sind, können dem Schädiger nicht zugerechnet werden. Nach der Senatsrechtsprechung und einem Teil der Literatur scheidet eine Zurechnung des Folgeschadens für sogenannte Rentenoder Begehrensneurosen aus, die dadurch gekennzeichnet sind, dass der Geschädigte den Unfall in dem neurotischen Streben nach Versorgung und Sicherheit lediglich zum Anlass nimmt, den Schwierigkeiten des Erwerbslebens auszuweichen (Senatsurteile vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, BGHZ 20, 137, 142; vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 346; vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 148; vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, aaO und vom 16. März 2004 - VI ZR 138/03, aaO; Erman/Ebert, BGB, 13. Aufl., vor § 249 Rn. 50; Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Aufl., Rn. 16, 223; NK-BGB/Magnus, 2. Aufl., vor § 249 Rn. 79; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., vor § 249 Rn. 39; Soergel/Mertens, BGB, 12. Aufl., vor § 249 Rn. 135; vgl. ferner BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R, BSGE 96, 196 Rn. 38; a.A.: Esser/Schmidt, Schuldrecht Band I, Teilband 2, 8. Aufl., S. 173 f.; Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 140 f.; Staudinger/Schiemann, aaO Rn. 40 ff.; vgl. Brandt, VersR 2005, 616, 617 f.).
11
Der erkennende Senat hält an seiner Rechtsprechung fest. Der Ausschluss der Haftung für Schadensfolgen, die durch eine Begehrenshaltung wesentlich geprägt sind, soll kein vorwerfbares Verhalten des Geschädigten sanktionieren. Vielmehr soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass eine Haftung des Schädigers nicht gerechtfertigt ist, wenn bei der Entstehung der Schadensfolgen die Existenz des Schadensersatzanspruchs als solcher eine entscheidende Rolle gespielt hat. Der Ausschluss der Haftung für solche Schadensfolgen , die durch eine Begehrensvorstellung entscheidend geprägt sind, ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen der Zurechnung.
12
aa) Zwar beruhen psychische Beschwerden, auch wenn sie wesentlich durch eine Begehrenshaltung des Geschädigten geprägt sind, äquivalent kausal auf dem Unfallgeschehen, wenn sie ohne dieses nicht oder nicht in dem erreichten Ausmaß aufgetreten wären. Diese sich aus der Äquivalenz ergebende weite Haftung für Schadensfolgen grenzt die Rechtsprechung aber durch die weiteren Zurechnungskriterien der Adäquanz des Kausalverlaufs und des Schutzzwecks der Norm ein (BGH, Urteile vom 11. November 1999 - III ZR 98/99, VersR 2000, 370, 371 f. und vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, NJW 2005, 1420, 1421).
13
bb) Auch für Schadensersatzansprüche, die auf § 823 Abs. 1 BGB beruhen , ist in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob die äquivalent und adäquat kausal herbeigeführten Verletzungsfolgen, für die Ersatz begeht wird, in den Schutzbereich des Gesetzes fallen, ob sich also Gefahren verwirklicht haben, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde (vgl. Senatsurteile vom 22. April 1958 - VI ZR 65/57, BGHZ 27, 137, 139 f. und vom 6. Juni 1989 - VI ZR 241/88, BGHZ 107, 359, 364; BGH, Urteil vom 11. Januar 2005 - X ZR 163/02, S. 1421 f.). Der geltend gemachte Schaden muss in einem inneren Zusammenhang mit der durch den Schädiger geschaffenen Gefahrenlage stehen; ein rein äußerlicher, gewissermaßen zufälliger Zusammenhang genügt nicht. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. Senatsurteile vom 20. September 1988 - VI ZR 37/88, VersR 1988, 1273, 1274; vom 6. Mai 2003 - VI ZR 259/02, VersR 2003, 1128, 1130 und vom 22. Mai 2012 - VI ZR 157/11, juris Rn. 14). So widerspricht es dem Sinn des Schadensausgleichs, durch Schadensersatzleistungen eine neurotische Begehrenshaltung, die auf der Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens beruht, zu verfestigen (vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, aaO S. 142 f.). Ebenso widerspricht es dem Normzweck, wenn der Schädiger für Schadensfolgen aufkommen muss, die zwar äquivalent kausal auf dem Unfallgeschehen beruhen, bei denen aber ein neurotisches Streben nach Versorgung und Sicherheit prägend im Vordergrund steht (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 149; MünchKommBGB/Oetker, aaO Rn. 190). In solchen Fällen realisiert sich das allgemeine Lebensrisiko und nicht mehr das vom Schädiger zu tragende Risiko der Folgen einer Körperverletzung (vgl. Senatsurteile vom 12. November 1985 - VI ZR 103/84, VersR 1986, 240, 242 und vom 16. März 1993 - VI ZR 101/92, VersR 1993, 589, 590).
14
cc) Dem steht nicht entgegen, dass der Begriff der Unfall- oder Rentenneurose in medizinischen Fachkreisen abgelehnt wird (vgl. Foerster in Venzlaff/ Foerster, Psychiatrische Begutachtung, 5. Aufl., S. 590; ders., MED SACH 1997, 44, 46; Köpp/Studt, FPR 1999, 81, 82; Murer/Kind/Binder, Schweizerische Zeitschrift für Sozialversicherung und berufliche Vorsorge, 1993, 121, 129 f.; Nedopil, Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 57). Zwar ist eine Unfalloder Rentenneurose, wie auch der Sachverständige Dr. Hai. ausgeführt hat, keine eigenständige Krankheit. Die Rechtsprechung zielt aber auch nicht auf den Ausschluss einer bestimmten Krankheit, sondern auf eine Verneinung des Zurechnungszusammenhangs für Verletzungsfolgen, die auf einer Begehrenshaltung beruhen. Solche Begehrenshaltungen müssen ihre Ursache nicht in nur einer bestimmten Krankheit haben, sondern können aufgrund unterschiedlicher Umstände entstehen (vgl. Brandenburg, MED SACH 1997, 40; Köpp/Studt, aaO). Für die Beurteilung, ob eine neurotische Begehrenshaltung prägend im Vordergrund steht, kommt es auf den Schweregrad des objektiven Unfallereignisses und seiner objektiven Folgen (vgl. dazu Senatsurteil vom 16. März 1993 - VI ZR 101/92, aaO), auf das subjektive Erleben des Unfalls und seiner Folgen (vgl. Dahlmann, DAR 1992, 325, 326), auf die Persönlichkeit des Geschädigten (vgl. Dahlmann, aaO S. 326 ff.) und auf eventuell bestehende sekundäre Motive an (vgl. Foerster, MED SACH 1997, 44; Murer/Kind/Binder, aaO S. 140 ff.; Nedopil , Forensische Psychiatrie, 3. Aufl., S. 57; vgl. dazu auch schon Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, BGHZ 20, 137, 143).
15
dd) Die Frage, ob Beschwerden entscheidend durch eine den Zurechnungszusammenhang ausschließende Begehrenshaltung geprägt werden, kann das Gericht in der Regel nicht ohne besondere Sachkunde beantworten. Bei der hierzu erforderlichen eingehenden Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen (vgl. Senatsurteil vom 29. Februar 1956 - VI ZR 352/54, aaO) ist es daher von besonderer Bedeutung, dass sich der Tatrichter ärztlicher Gutachter bedient, die auf diesem Gebiet die erforderliche Spezialausbildung und Erfahrung haben (vgl. Senatsurteil vom 25. Februar 1997 - VI ZR 101/96, aaO; Murer/Kind/Binder, aaO, 213, 215 ff.; Schneider/Frister/Olzen, Begutachtung psychischer Störungen, 2. Aufl. S. 390).
16
2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beschwerden des Klägers ab dem Jahr 1995 entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
17
a) Die Revision vermisst Feststellungen zu der Frage, ob bei der seelischen Fehlentwicklung des Klägers ein neurotisches Streben nach Versorgung und Sicherheit prägend im Vordergrund stehe. Das Gutachten Dr. Hai. führe zwar aus, dass die Beschwerden des Klägers zu 90 % auf persönlichkeitsbedingten Faktoren beruhten. Dies allein schließe den Zurechnungszusammenhang nicht aus, denn die psychosomatischen Schadensfolgen, die auf der Persönlichkeit des Verletzten beruhten, seien eine Schadensanlage, die der Zurechnung nicht entgegenstehe (vgl. Senatsurteil vom 30. April 1996 - VI ZR 55/95, aaO S. 349).
18
b) Aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt sich jedoch, dass nach dem Gutachten Dr. Hai., dem das Berufungsgericht folgt, das Beschwerdebild ab 1995 entscheidend durch eine Begehrenshaltung des Klägers geprägt wird. Die dieser Erkenntnis zugrundeliegenden medizinischen Befundtatsachen folgert der Sachverständige nicht ausschließlich aus der persönlichkeitsbedingten Disposition des Klägers zur Entwicklung solcher Störungen. Vielmehr setzt sich das Gutachten mit der objektiven Schwere der Unfallverletzungen und deren Erleben durch den Kläger auseinander. Es beschäftigt sich eingehend mit der Persönlichkeitsstruktur des Klägers und seinen sekundären Motiven. Es legt dar, woran es eine beim Kläger bestehende Begehrenshaltung festmacht, und liefert die tatsächliche Grundlage für die nicht zu beanstandende Wertung, dass angesichts der Unfallverletzungen, des Unfallerlebnisses und der Persönlichkeitsstruktur des Klägers die ab 1995 eingetretenen Beschwerden entscheidend durch eine Begehrenshaltung geprägt wurden.
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Das Berufungsgericht führt aus, der Sachverständige Dr. Hai. habe dargelegt , dass die Begehrenshaltung ab dem zweiten Jahr nur noch einen eher äußeren Bezug zu dem Unfall aufgewiesen habe, da das Unfallgeschehen zum Anlass genommen werde, einen Ausgleich für die durch das Störungsbild erlebten Verluste zu erhalten. Bei der Untersuchung des Klägers habe Dr. Hai. zwar keine Simulation, wohl aber eine deutliche Diskrepanz der subjektiven Be- schwerdebeschreibung zu den körperlichen Beeinträchtigungen festgestellt, was für eine Begehrensneurose typisch sei. In der Untersuchung habe sich gezeigt , dass bei der Aufrechterhaltung des Beschwerdebildes das Motiv der Wiedergutmachung und der Gerechtigkeit eine große Rolle spiele. Die Person und der Alltag des Klägers seien, was biographisch ableitbar sei, schon vor dem Unfall einerseits von dem unbewussten Wunsch nach Sicherheit und Versorgung sowie andererseits nach Anerkennung geprägt gewesen. Diese Determinierung lasse die Entwicklung einer Begehrensneurose im Anschluss an das Unfallgeschehen und damit die Beurteilung des Sachverständigen Dr. Hai. plausibel erscheinen. Diese werde gestützt durch das Verhalten des Klägers gegenüber weiteren Sachverständigen und deren Feststellungen. So seien in verschiedenen Gutachten Übertreibungen, Verdeutlichungstendenzen, vorgetäuschte Beschwerden, eine chronifizierte psychische Fehlhaltung und eine Rentenfixierung dokumentiert. Bei dieser Sachlage ist die Beurteilung des Berufungsgerichts , bei dem Kläger liege eine Begehrensneurose vor, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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3. Auch die weiteren Rügen, mit denen sich die Revision gegen die Ablehnung des Zurechnungszusammenhangs wendet, greifen nicht durch.
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a) Entgegen der Ansicht der Revision kann der Zurechnungszusammenhang für später eingetretene Folgeschäden auch dann verneint werden, wenn sie sich aus Beschwerden entwickelt haben, die zunächst überwiegend dem Unfallgeschehen zuzurechnen sind, aber ab einem bestimmten Zeitpunkt - einem nicht ungewöhnlichen Verlauf entsprechend - wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt sind.
22
Sind Schadensfolgen wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt, entfällt - wie ausgeführt - der Schutzzweckzusammenhang. Das Erfordernis des Schutzzweckzusammenhangs besteht nicht nur für die Primärverletzung, sondern auch für den haftungsausfüllenden Tatbestand (Palandt/Grüneberg, aaO Rn. 29; Lange/Schiemann, Schadensersatz, aaO, S. 125 f.). Daraus ergibt sich die Möglichkeit, dass der Schutzzweckzusammenhang für von einem bestimmten Zeitpunkt an eingetretene Schadensfolgen zu verneinen ist, selbst wenn sie auf einem gewöhnlichen Verlauf einer psychischen Störung - hier der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung - beruhen. Nahezu jeder Unfall beinhaltet ein Unfallerlebnis, das verarbeitet werden muss. Diese Verarbeitung kann unterschiedlich gut gelingen; misslingt sie, können beim Unfallgeschädigten psychische Beschwerden unterschiedlicher Intensität und Dauer auftreten (vgl. Foerster, MED SACH 1997, 44). Die Schadensfolgen können entscheidend durch eine Begehrenshaltung geprägt sein. Sie müssen nicht von Anfang an wesentlich durch eine Begehrenshaltung geprägt sein; die Begehrenshaltung kann sich - wie auch hier - im weiteren Verlauf verstärken, bis sie schließlich prägend im Vordergrund steht. Das Berufungsgericht hat den Zeitpunkt, ab dem die Begehrenshaltung prägend im Vordergrund steht, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auf den 1. Januar 1995 festgelegt.
23
b) Ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass das Berufungsgericht einen auf einer Begehrenshaltung beruhenden Anteil von 90 % der Schadensfolgen ausreichen lässt, um die Schadensersatzpflicht für die ab dem Jahr 1995 bestehenden Beschwerden in vollem Umfang zu verneinen.
24
aa) Für die Verneinung des Zurechnungszusammenhangs ist es erforderlich , aber auch ausreichend, dass die Beschwerden entscheidend durch eine neurotische Begehrenshaltung geprägt sind. Nichts anderes ergibt sich aus dem Senatsurteil vom 16. November 1999 (- VI ZR 257/98, VersR 2000, 372, 373 unter II. 2. b) bb)), in dem von einer "reinen" Begehrensneurose die Rede ist. Diese Formulierung darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass der Ausschluss der haftungsrechtlichen Zurechnung unter dem Gesichtspunkt einer prägend im Vordergrund stehenden Begehrenshaltung nur dann möglich ist, wenn sie die einzige Ursache des Beschwerdebildes ist. Eine alleinige Ursache für eine Begehrenshaltung wird schon deswegen kaum jemals auszumachen sein, weil psychoreaktive Symptome nach äußeren Ereignissen immer aus einem Geflecht verschiedener Ursachen bestehen (Foerster in Venzlaff/ Foerster, aaO S. 680; vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 150 f.; G. Müller, VersR 1998, 129, 133). Der für die hier zu beurteilende Zurechnung maßgebliche Gesichtspunkt ist daher, ob der neurotische Zustand des Geschädigten entscheidend von der Begehrenshaltung geprägt wird (vgl. Senatsurteil vom 11. November 1997 - VI ZR 376/96, aaO S. 150). Dabei handelt es sich um eine Wertungsfrage, die, wie vorstehend dargelegt, auf der Grundlage von - regelmäßig nach sachverständiger Beratung - zu treffenden Feststellungen zu den bestehenden Beschwerden, den primären Unfallverletzungen und ihren Folgen, dem Unfallerlebnis, der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen und eventuellen sekundären Motiven vorzunehmen ist. Im Einzelfall kann die Wertung schon dann eine das Beschwerdebild prägende Begehrenshaltung ergeben, wenn - wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - 90 % des Krankheitsbildes auf eine Begehrenshaltung zurückzuführen ist.
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bb) Dass das Berufungsgericht die Haftung für die ab dem zweiten Jahr nach dem Unfall bestehenden Beschwerden in vollem Umfang verneint hat, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar nimmt das OLG Schleswig (Urteile vom 2. Juni 2005 - 7 U 124/01, OLGR 2006, 5, 7 und vom 6. Juli 2006 - 7 U 148/01, NJW-RR 2007, 171, 172 f.) bei einer auf einer Prädisposition beruhenden endgültigen Fehlverarbeitung eines Unfallgeschehens eine anteilige Anspruchskürzung vor (vgl. dazu auch G. Müller, aaO S. 134). Eine solche kommt hier aber auf der Grundlage der rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts nicht in Betracht. Hier geht es - anders als bei einem Mitver- schulden im Sinne von § 254 BGB - nicht um eine Abwägung der Verursachungsbeiträge , sondern um eine Frage des Schutzzweckzusammenhangs. Sind die Schadensfolgen entscheidend durch eine Begehrensvorstellung geprägt , rechtfertigt dies, die Haftung in vollem Umfang zu verneinen, weil gerade die maßgebliche Ursache in dem neurotischen Streben nach Versorgung besteht.
26
4. Auch die Verfahrensrügen verhelfen der Revision nicht zum Erfolg.
27
a) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe entgegen § 286 ZPO beim Ausschluss der vom Kläger unter Vorlage der Privatgutachten Dr. E. und Dr. R. behaupteten Fraktur des Dens axis (Dorn des zweiten Halswirbels) nicht alle zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ausgeschöpft. Sie macht geltend , der gerichtliche Sachverständige Prof. Dr. M. habe die Röntgenbilder des Dens axis unzureichend begutachtet. Im Schriftsatz vom 17. Mai 2004 habe der Kläger kritisiert, dass der Sachverständige von seinem Fachgebiet her nicht qualifiziert sei, einen Bruch des Dens axis auszuschließen; die Begutachtung der Röntgenaufnahme sei in unzureichender Weise durch eine Stehlampe oder Schreibtischlampe erfolgt, obwohl hierfür ein Lichtkasten erforderlich sei.
28
Das Berufungsgericht hat sich jedoch ausreichend mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt und die Privatgutachten bei seiner Beweiswürdigung berücksichtigt. Das Berufungsgericht stellt in rechtlich nicht zu beanstandender Weise darauf ab, dass das radiologische Privatgutachten Dr. R. aufgrund einer am 29. Dezember 2004 gefertigten CT-Aufnahme lediglich die Möglichkeit einer alten Fraktur annehme, wohingegen ein Bruch bei der Untersuchung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem mehr als zehn Jahre zuvor geschehenen Unfall nicht diagnostiziert worden sei, obwohl im Kreiskrankenhaus B. eine Spezialaufnahme des Dens axis gerade zum Ausschluss einer Fraktur gefertigt worden sei. Auch die Röntgenuntersuchungen und die Kernspintomographie , die im Rahmen der ebenfalls in größerer zeitlicher Nähe zum Unfall erstellten Begutachtung durch Prof. Dr. Har. erfolgten, haben nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen keine Anhaltspunkte für einen Bruch ergeben. Dass Prof. Dr. Har. als Orthopäde nicht über die zur Beurteilung knöcherner Verletzungen aufgrund von Röntgenaufnahmen erforderliche Sachkunde verfüge, zeigt die Revision nicht auf und ist auch sonst nicht ersichtlich.
29
Eine erneute Begutachtung des Dens axis unter Heranziehung der CTAufnahmen und von früher gefertigten Röntgenaufnahmen war unter den besonderen Umständen des Streitfalls entbehrlich. Das Berufungsgericht durfte das prozessuale Vorgehen des Klägers als stillschweigenden Verzicht auf eine erneute Begutachtung verstehen. Der Sachverständige Prof. Dr. M. hat in seinem Schreiben vom 4. Juni 2004 mitgeteilt, dass er ohne Vorlage eines Dünnschicht -CTs mit Rekonstruktionen nichts Neues sagen könne, und eine ergänzende Begutachtung von der Vorlage aller Röntgenaufnahmen und des CTs abhängig gemacht. In der Folgezeit ist der Kläger darauf nicht mehr zurückgekommen. Nach Vorliegen des psychosomatischen Gutachtens von Dr. Hai. haben beide Parteien in der mündlichen Verhandlung vom 22. September 2006 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt. Weder in der mündlichen Verhandlung noch in den nachfolgend eingereichten Schriftsätzen hat der Kläger die Frage einer erneuten Begutachtung durch Prof. Dr. M. angesprochen. Auch in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht am 25. Juni 2010 hat er sein früheres Anliegen nicht mehr vorgebracht. Da der Kläger auch zur Frage der Übermittlung der Aufnahmen an den Sachverständigen nicht mehr Stellung genommen hat, durfte das Berufungsgericht unter den besonderen Umständen des Falles davon ausgehen, dass er seine sechs Jahre zuvor erhobenen Bedenken gegen die Begutachtung nicht aufrechterhalte (vgl.
BGH, Urteile vom 28. Mai 1998 - VI ZR 160/97, VersR 1998, 776 und vom 14. Januar 2010 - III ZR 173/09, VersR 2010, 814 Rn. 21).
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b) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe das Privatgutachten von Prof. Dr. C. nicht ausreichend gewürdigt. Es habe, ohne die eigene Sachkunde aufzuzeigen, den unzutreffenden Erfahrungssatz aufgestellt, dass derjenige, der ein Fahrzeug auf sich zukommen sehe, aber dennoch damit rechne, der Fahrer könne seine Fahrtrichtung noch korrigieren, nicht dergestalt überrascht werden könne, dass muskuläre Abwehrmechanismen unterlaufen würden.
31
Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wird den Anforderungen des § 286 ZPO jedoch gerecht, insbesondere verstößt sie nicht gegen Denkund Erfahrungssätze. Das Berufungsgericht hat sich in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mit dem Privatgutachten von Prof. Dr. C. auseinandergesetzt. Dieser nimmt an, dass die muskulären Abwehrmechanismen im Augenblick unmittelbar vor dem Aufprall "wohl" unterlaufen worden seien. Der Privatgutachter geht deshalb davon aus, dass das Trauma ein "Kopfhalteorgan" getroffen habe, welches nicht auf Abwehr eingestellt gewesen sei. Aufgrund der polizeilichen Unfallaufnahme und der polizeilichen Zeugenvernehmung des Klägers hat das Berufungsgericht jedoch rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Unfall für den Kläger nicht überraschend war. Es hat dargelegt, dass das Privatgutachten diesen Umstand nicht berücksichtigt habe, und ist deshalb bei der Feststellung der unmittelbaren unfallbedingten körperlichen Verletzungen rechtsfehlerfrei dem gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Har. gefolgt. Mithin hat sich das Berufungsgericht weder eigene Sachkunde angemaßt noch unzutreffende Erfahrungssätze aufgestellt, sondern lediglich eine Anknüpfungstatsache anders als der Privatgutachter beurteilt. Es hat zudem darauf hingewiesen , dass sich auch der neurologische Sachverständige Prof. Dr. M., dem das Privatgutachten von Prof. Dr. C. vorlag, mit dieser Frage beschäftigt habe und der gerichtliche Sachverständige klinische Anzeichen für eine Instabilität und Verletzungsfolgen im Bereich des Übergangs zwischen Kopf und Hals nicht habe feststellen können.
32
c) Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe sich zu Unrecht an die Feststellungen des Landgerichts gebunden gesehen, soweit dieses eine posttraumatische Belastungsstörung auf der Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens Dr. Hai. verneint habe. Die Revision vermisst insoweit eine kritische Auseinandersetzung mit dem Privatgutachten von Prof. Dr. B.. Sie sieht einen Widerspruch in der Verneinung einer zur Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung erforderlichen Situation ungewöhnlicher Bedrohung oder katastrophalen Ausmaßes zu der vom Berufungsgericht bejahten akuten Belastungsreaktion, weil auch das Gutachten Dr. Hai. davon ausgehe, dass der Kläger sich nach dem Unfall "emotional wie betäubt" gefühlt und unter Schock gestanden habe.
33
Das Berufungsgericht hat jedoch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise ohne Verstoß gegen § 287 Abs. 1, § 286 Abs. 1 ZPO eine posttraumatische Belastungsstörung verneint und sich dabei hinreichend mit dem Privatgutachten von Prof. Dr. B. auseinandergesetzt. Eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD10: F43.1) entsteht nach den vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Kriterien des ICD10 als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde (Dilling/Freyberger, Taschenführer zur ICD-10-Klassifikation psychischer Störungen, 5. Aufl., S. 173 f.). Demgegenüber erfordert eine akute Belastungsreaktion (ICD10: F43.0) lediglich eine außergewöhnliche psychische oder physische Belastung (Dilling/Freyberger , aaO S. 171 f.); der Betroffene muss also nicht, anders als bei einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Situation außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophenartigem Ausmaß ausgesetzt sein, die bei nahezu jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. Deshalb erfüllt das Unfallerlebnis nach den Feststellungen der Vorinstanzen zwar die diagnostischen Kriterien einer akuten Belastungsreaktion, nicht jedoch diejenigen einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der von der Revision behauptete Widerspruch besteht demnach nicht.
34
5. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht dem Kläger zu Recht keinen Schadensersatz für krankheitsbedingt verfallenen oder nicht entstandenen Urlaub zugesprochen. Einen Vermögensschaden hat der Kläger durch entgangenen Urlaub nicht erlitten. Galke Zoll Wellner Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 30.07.2010 - 27 O 293/96 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 29.03.2011 - 10 U 106/10 -

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass sein Bandscheibenvorfall im Bereich C 6/7 seiner Halswirbelsäule (HWS) ein weiterer Gesundheitserstschaden seines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 3.7.2005 ist.

2

Der Kläger absolvierte an diesem Tag als Arbeitnehmer eines Automobilherstellers aufgabengemäß eine Testfahrt auf einer Hochgeschwindigkeitsstrecke in Italien. Dabei platzte bei einer Geschwindigkeit von 295 km/h ein Hinterreifen seines Fahrzeugs. Es kam von der Fahrbahn ab, durchbrach die Leitplanke und kam in einem Wäldchen zum Stehen.

3

Bei der Erstuntersuchung des Klägers erbrachten die Röntgenaufnahmen keinen Anhalt für Frakturen. Am 6.7.2005 diagnostizierte ein Facharzt für Chirurgie ua eine Halswirbelsäulen-Distorsion (Verstauchung, Zerrung). In der Kernspintomographie der HWS vom 4.8.2005 wurden erhebliche degenerative Veränderungen bei multisegmentaler Osteochondrose sowie für den Bereich von C 6/7 eine fast normal hohe Bandscheibe mit normal weiten Neuroforamina (Wurzelkanälen) beschrieben. Eine weitere Kernspintomographie der HWS vom 30.8.2005 ergab zwischen den Halswirbelkörpern C 6/7 einen links gelegenen Bandscheibenvorfall mit intraforaminaler Vorfallskomponente. Eine Begleitverletzung wurde nicht benannt.

4

Im Bescheid vom 18.10.2007 anerkannte die Beklagte den Unfall vom 3.7.2005 als Arbeitsunfall. Als "Unfallfolgen" wurden "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers" anerkannt.

5

Ferner wurde festgestellt, der Bandscheibenvorfall zwischen dem 6. und 7. Halswirbelkörper sei keine "Folge des Arbeitsunfalls", weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung. Ein traumatischer Bandscheibenvorfall sei angesichts des MRT-Befundes vom 4.8.2005, in dem eine Traumatisierung des Segments C 6/7 nicht beschrieben sei, zu verneinen. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 28.2.2008).

6

Das SG Karlsruhe hat mit Urteil vom 14.7.2010 festgestellt, dass "die Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei.

7

Die Beklagte hat mit ihrer Berufung geltend gemacht, das Urteil sei in seiner Kausalitätsbeurteilung mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht vereinbar. Im Standardwerk der gesetzlichen Unfallversicherung von Schönberger/Mehrtens/Valentin, das den anerkannten neuesten medizinischen Kenntnisstand dokumentiere, werde seit der 7. Auflage ausgeführt, dass die traumatische Verursachung eines isolierten Bandscheibenschadens ohne Begleitverletzung nicht möglich sei. Dazu sei Beweis zu erheben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

8

Das LSG hat die Berufung durch Beschluss vom 22.12.2010 zurückgewiesen. Es sei vorliegend zumindest wahrscheinlich, dass der Unfall vom 3.7.2005 naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7 gewesen sei. Hierfür sprächen vor allem jene Indizien, die auf eine akute Schädigung im Bereich des Bewegungssegments C 6/7 und damit eine Substanzschädigung der betreffenden Bandscheibe in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis hinwiesen. Vor dem Unfall sei der Kläger trotz bestehender degenerativer Veränderungen gerade auch im Bereich der HWS beschwerdefrei gewesen. Der Unfall habe zu einer Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule geführt. Umstände, die üblicherweise gegen einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang sprächen, hätten im vorliegenden Fall keine durchgreifende Bedeutung.

9

Zu Unrecht berufe sich die Beklagte auf das Werk von Schönberger/Mehrtens/Valentin und meine, es sei dort dokumentierter neuester medizinischer Kenntnisstand, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall immer mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen einhergehe. Diesen Ausführungen könne aus Rechtsgründen nicht gefolgt werden. Denn dieses Standardwerk der unfallmedizinischen Literatur vermenge die Prüfung der naturwissenschaftlichen Kausalität auf der ersten Stufe mit der wertenden Entscheidung der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung (Wesentlichkeit). Bei der Prüfung der Wesentlichkeit handele es sich um eine wertende Entscheidung, die dem juristischen Betrachter vorbehalten sei.

10

Der Antrag der Beklagten auf Einholung eines Sachverständigengutachtens werde abgelehnt. Selbst wenn die von Schönberger/Mehrtens/Valentin vertretene Auffassung den herrschenden medizinischen Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung wiedergeben sollte, ändere dies nichts daran, dass dieser Kenntnisstand der Kausalitätsbetrachtung nicht zugrunde gelegt werden dürfe, weil er die maßgebenden rechtlichen Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG vernachlässige.

11

Lägen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall "örtlich-zeitlich in Rede" stehe, sei ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

12

Sei der naturwissenschaftliche Zusammenhang zu bejahen, stelle sich die Frage (zweite Stufe der Kausalitätsprüfung), ob das Unfallereignis auch wesentlich gewesen sei. Hierbei sei vor dem Hintergrund der Schwere des Unfalltraumas mit einer plötzlichen unphysiologischen Belastung der HWS den bereits vorliegenden degenerativen Veränderungen im Hinblick auf den aufgetretenen Bandscheibenvorfall keine überragende Bedeutung beizumessen gewesen. Demnach sei das Unfallereignis wesentliche Mitursache des erlittenen Bandscheibenvorfalls und die beim Kläger in der Folge erforderlich gewordene Versteifung im Bewegungssegment einschließlich der fortbestehenden Schmerzsymptomatik als Unfallfolge festzustellen.

13

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII und einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung(§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der erforderliche ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Das LSG habe nicht den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ermittelt.

14

Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22. Dezember 2010 und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 14. Juli 2010 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

15

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Beschlusses des LSG und der Zurückverweisung der Sache an das LSG (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet.

17

1. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann das BSG nicht abschließend darüber befinden, ob die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, die die Verbandszuständigkeit der Beklagten begründet und eine Einwirkung auf die HWS des Klägers wesentlich mitverursacht hat (dazu unter 3.), dadurch auch eine objektive und zudem rechtlich wesentliche Mitursache des Bandscheibenvorfalls auf der Höhe des 6./7. Halswirbelkörpers geworden ist. Nur dann wäre dieser ein Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls.

18

Das LSG hat nicht festgestellt, ob dieser Schaden nach Maßgabe des derzeit anerkannten Standes der medizinischen Wissenschaft durch die verrichtungsbedingte und deshalb versicherte Einwirkung unmittelbar objektiv mitverursacht wurde (dazu unter 4.). Seine Ansicht, dies könne durch "eine wertende Entscheidung …, die … dem juristischen Betrachter vorbehalten" sei, im Rahmen der rechtlichen "Wesentlichkeitsbeurteilung" ersetzt werden, verfehlt den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache für eine bestimmte Wirkung (dazu unter 3. und 5.).

19

2. Die Beklagte wendet sich mit ihrer Revision gegen die Zurückweisung ihrer zulässigen Berufung durch das LSG. Mit ihr wandte sie sich erstens gegen die Aufhebung ihres Verwaltungsakts durch das SG, der Kläger habe gegen sie keinen Anspruch auf Feststellung seines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als "Folge des Arbeitsunfalls". Zweitens begehrte sie die Aufhebung des Feststellungsurteils des SG, dass die "Versteifung im Bewegungssegment C 6/7 mit daraus resultierender Schmerzsymptomatik … Folge des Arbeitsunfalls vom 03.07.2005" sei. Der Erfolg ihrer Rechtsmittel hängt davon ab, ob die zulässige Kombination der zulässigen Anfechtungs- mit der zulässigen Feststellungsklage des Klägers begründet ist. Das wäre dann der Fall, wenn sie durch ihren negativ feststellenden Verwaltungsakt einen Anspruch des Klägers auf die Feststellung eines Bandscheibenvorfalls C 6/7 als Gesundheitserstschaden zu Unrecht abgelehnt hätte. Dann wäre dieser (insoweit unter klarstellender Änderung des bisherigen Ausspruchs des SG) durch Feststellungsurteil als weiterer Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen. Andernfalls hätte ihre Revision durchgreifenden Erfolg.

20

Wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG zwischen den Beteiligten klargestellt werden konnte, richtete sich das Begehren des Klägers von Anfang an nicht auf die Feststellung seines Bandscheibenvorfalls als eine (unmittelbare) Unfallfolge. Ihm kam es vielmehr stets auf die Feststellung dieses Gesundheitsschadens als weiteren Erstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls an. Eine unmittelbare Unfallfolge kann sich hingegen nur infolge eines Gesundheitserstschadens einstellen, der selbst als Tatbestandsvoraussetzung des Unfallbegriffs iS des § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII dem Begriff des Arbeitsunfalls unterfällt. Der Bandscheibenvorfall war zudem ersichtlich keine Wirkung eines bereits anerkannten Erstschadens. Bei sachgerechter Auslegung war auch die angefochtene negative Feststellung der Beklagten auf die Ablehnung der Anerkennung eines Erstschadens gerichtet.

21

3. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LSG ist nicht abschließend beurteilbar, aber möglich, dass dem Kläger der erhobene Feststellungsanspruch gegen die Beklagte zusteht. Jeder Versicherte hat nämlich das Recht, vom zuständigen Unfallversicherungsträger gemäß § 102 SGB VII die Feststellung aller Erstschäden (Gesundheitserstschäden oder Tod) eines Arbeitsunfalls iS von § 8 Abs 1 SGB VII zu verlangen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 8 Nr 43 vorgesehen, Juris RdNr 15 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f).

22

a) Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Beklagte eine insoweit unanfechtbar gewordene Feststellung getroffen hat, der Kläger habe infolge seiner versicherten Testfahrt einen Arbeitsunfall mit folgenden Gesundheitserstschäden erlitten: "Druck- und Klopfschmerz über der oberen Brustwirbelsäule nach unter keilförmiger Deformierung knöchern verheilter Deckplattenimpressionsfraktur des 2. Brustwirbelkörpers".

23

Die rechtliche Bindungswirkung dieses Verwaltungsakts erstreckt sich nicht auf die hier umstrittene Frage, ob die infolge der Testfahrt eingetretene Einwirkung auf den Körper des Klägers weitere Gesundheitserstschäden (objektiv und unfallversicherungsrechtlich wesentlich) mitverursacht hat. Werden die Erstschäden anfangs nur unvollständig anerkannt, hat der Versicherte Anspruch auf eine vollständige Feststellung aller objektiv vom Arbeitsunfall umfassten Gesundheitserstschäden. Entscheidet der Versicherungsträgerbei seiner Feststellung eines Arbeitsunfalls, wie hier, dass der Versicherte keinen Anspruch auf Feststellung bestimmter weiterer Erstschäden habe, oder stellt er die Gesundheitserstschäden ausdrücklich abschließend (positiv oder negativ) fest, ist dagegen der Widerspruch gegeben (nach Fristablauf allein §§ 44 f SGB X). Da hier erstmals um einen weiteren, von der Beklagten abgelehnten Gesundheitserstschaden gestritten wird, erfasst die rechtliche Bindungswirkung des den Arbeitsunfall feststellenden Verwaltungsakts den hier rechtshängigen Streitgegenstand nicht.

24

b) Die Feststellungen des LSG lassen erkennen, dass der Kläger möglicherweise einen Anspruch auf Feststellung der umstrittenen Gesundheitserstschäden hat. Denn danach hat er eine versicherte Tätigkeit als Beschäftigter verrichtet und infolge dessen ein Unfallereignis erlitten (dazu sogleich).

25

Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 (oder 8 Abs 2) SGB VII begründenden Tätigkeit(versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 Satz 2).

26

Daher muss eine Verrichtung des Verletzten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge" also ua nach dieser Verrichtung eingetreten sein muss, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet seine Versichertenstellung in und seinen Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung.

27

Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität).

28

Die den Versicherungsschutz in der jeweiligen Versicherung begründende "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" müssen (vom Richter im Überzeugungsgrad des Vollbeweises) festgestellt sein.

29

aa) § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII setzt voraus, dass der Verletzte eine "den Versicherungsschutz" begründende "Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)" verrichtet hat und dass der Unfall (iS von Satz 2 aaO) "infolge" dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist.

30

Diese gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreiben den Rechtsgrund, aufgrund dessen der wegen einer Verrichtung einer versicherten Tätigkeit durch den Verletzten verbandszuständige Unfallversicherungsträger überhaupt versicherungsrechtlich für die Schäden, Nachteile und Bedarfe des verunfallten Verletzten einstehen soll. Er soll nur verpflichtet sein, soweit der Versicherungsschutz durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit in der jeweiligen Versicherung begründet ist. Er soll deshalb (grundsätzlich) nur einstehen müssen für Gesundheitsschäden (oder Tod und ggf wirtschaftliche Folgen etc), die "infolge" der versicherten Verrichtung eingetreten sind und ein Risiko realisieren, gegen das die jeweils begründete Versicherung schützen soll. Zurechnungsvoraussetzungen sind somit auf der ersten Stufe die (faktisch-objektive) Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung des Verletzten für den Schaden und auf der darauf aufbauenden zweiten Stufe dessen rechtliche Erfassung vom jeweiligen Schutzzweck der begründeten Versicherung.

31

bb) Die Zurechnung setzt somit erstens voraus, dass die Verrichtung der versicherten Tätigkeit den Schaden (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) objektiv mitverursacht hat. Denn für Einbußen des Verletzten, für welche die versicherte Verrichtung keine Wirkursache war, ist schlechthin kein Versicherungsschutz begründet, hat also der Versicherungsträger nicht einzustehen. Eine Verrichtung ist jedes konkrete Handeln eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar (BSG vom 9.11.2010 - B 2 U 14/10 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 39 RdNr 22) und (subjektiv, also jedenfalls in laienhafter Sicht) - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestandes der jeweiligen versicherten Tätigkeit ausgerichtet ist (innere Tatsache). Als (objektives) Handeln des Verletzten kann es erste Ursache einer objektiven Verursachungskette sein. Diese kann über die Einwirkung auf den Körper, über Gesundheitserstschäden oder Tod hinaus bis zu unmittelbaren oder iS von § 11 SGB VII, der für die zweite Stufe andere Zurechnungsgründe als die "Wesentlichkeit" regelt, mittelbaren Unfallfolgen sowie ua zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zu den Bedarfen reichen, derentwegen das SGB VII Leistungsrechte vorsieht.

32

Erst dann, wenn die "Verrichtung", die (möglicherweise dadurch verursachte) "Einwirkung" und der (möglicherweise dadurch verursachte) "Erstschaden" festgestellt sind, kann und darf (auf der ersten Stufe der Zurechnung) über die tatsächliche Kausalitätsbeziehung (objektive Verursachung) zwischen der Verrichtung und der Einwirkung (mit dem richterlichen Überzeugungsgrad mindestens der Wahrscheinlichkeit) entschieden werden. Es geht hierbei ausschließlich um die rein tatsächliche Frage, ob und ggf mit welchem Mitwirkungsanteil die versicherte Verrichtung (ggf neben anderen konkret festgestellten unversicherten Wirkursachen) eine Wirkursache der von außen kommenden, zeitlich begrenzten Einwirkung auf den Körper des Versicherten war.

33

cc) Zweitens muss der (letztlich) durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Schaden rechtlich auch unter Würdigung unversicherter Mitursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fallenden Gefahr, eines dort versicherten Risikos, zu bewerten sein. Denn der Versicherungsschutz greift nur ein, wenn sich ein Risiko verwirklicht hat, gegen das die jeweils begründete Versicherung Schutz gewähren soll.

34

Wird auf der ersten Stufe die objektive (Mit-)Verursachung bejaht, indiziert dies in keiner Weise die auf der zweiten Stufe der Zurechnung rechtlich zu gebende Antwort auf die Rechtsfrage (so schon BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17), ob die Mitverursachung der Einwirkung durch die versicherte Verrichtung unfallversicherungsrechtlich rechtserheblich, "wesentlich", war. Denn die unfallversicherungsrechtliche Wesentlichkeit der Wirkursächlichkeit der versicherten Verrichtung für die Einwirkung (etc) muss eigenständig rechtlich nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung beurteilt werden.

35

Sie setzt rechtlich voraus, dass der Schutzbereich und der Schutzzweck der jeweiligen durch die versicherte Verrichtung begründeten Versicherung durch juristische Auslegung des Versicherungstatbestandes nach den anerkannten Auslegungsmethoden erkannt werden. Insbesondere ist festzuhalten, ob und wie weit der Versicherungstatbestand gegen Gefahren aus von ihm versicherten Tätigkeiten schützen soll (vgl hierzu BSG vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-2700 § 2 Nr 21 vorgesehen - RdNr 21 ff - Lebendnierenspende).

36

Bei der folgenden Subsumtion muss vorab entschieden werden, ob die versicherte Verrichtung durch ihren auf der ersten Stufe festgestellten Verursachungsbeitrag überhaupt ein Risiko verwirklicht hat, das in den Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Nur wenn dies, wie zumeist, zu bejahen ist, kommt es darauf an, ob ggf konkret festgestellte unversicherte Mitursachen, die selbst die Zurechnung zum Unfallversicherungsträger nie begründen können, gleichwohl die Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das gesamte Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass die Wirkung insgesamt trotz des Mitwirkungsanteils der versicherten Verrichtung nicht mehr unter den Schutzbereich der jeweiligen Versicherung fällt. Bei dieser Subsumtion sind alle auf der ersten Stufe im Einzelfall konkret festgestellten versicherten und unversicherten Wirkursachen mit ihren ggf festgestellten Mitwirkungsanteilen in einer rechtlichen Gesamtabwägung nach Maßgabe des jeweilig festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten.

37

Nur wenn beide Zurechnungskriterien bejaht sind, erweist sich die versicherte Verrichtung als "wesentliche Ursache" (vgl schon RVA vom 24.5.1912, AN 1912, 930 = Breithaupt 1912, 212; GS RVA vom 26.2.1914, AN 1914, 411 <2690>; vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R -; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 11/04 R - BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, RdNr 17).

38

dd) In gleicher Weise muss zum Vorliegen eines Arbeitsunfalls ggf die versicherte Einwirkung den Erstschaden (ggf den Tod) a) objektiv und b) rechtlich wesentlich verursacht haben. Dabei kommt es schon wegen der Einheit des jeweiligen Versicherungsfalls stets auch darauf an, dass die Zurechnungskette auf ein- und dieselbe versicherte und den Versicherungsschutz bei dem Unfallversicherungsträger begründende Verrichtung zurückzuführen ist.

39

ee) Diese Voraussetzungen müssen für jeden einzelnen Gesundheitserstschaden erfüllt sein. "Gesundheitserstschaden" ist jeder abgrenzbare Gesundheitsschaden, der unmittelbar durch eine versicherte Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde, die durch ein- und dieselbe versicherte Verrichtung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht wurde. Es handelt sich also um die ersten voneinander medizinisch abgrenzbaren Gesundheitsschäden (oder den Tod), die "infolge" ein- und derselben versicherten Verrichtung eintreten.

40

c) Nach den Feststellungen des LSG liegt eine versicherte Verrichtung des Klägers vor, die eine Einwirkung objektiv und rechtlich wesentlich verursacht hat.

41

aa) Der Kläger hat durch seine Testfahrt den Tatbestand der versicherten Tätigkeit als "Beschäftigter" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII erfüllt(zu den Voraussetzungen dieses Tatbestandes näher BSG Urteil vom 15.5.2012 - B 2 U 8/11 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 2 Nr 20 vorgesehen). Denn er hat dadurch zur Erfüllung einer Hauptpflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis mit dem Automobilhersteller zumindest angesetzt, wie in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG auch in tatsächlicher Hinsicht abschließend außer Streit gestellt werden konnte. Er war daher in der Beschäftigtenversicherung grundsätzlich gegen alle Gefahren unfallversichert, die sich "infolge" der versicherten Testfahrt verwirklichten.

42

bb) Das LSG hat ferner bindend festgestellt, dass es infolge der Testfahrt zu einer "Einwirkung auf den oberen Bereich der Wirbelsäule" gekommen ist. Unter "Einwirkung" (als Kurzbezeichnung für das von außen kommende, zeitlich begrenzt einwirkende Unfallereignis) ist die durch einen solchen Vorgang ausgelöste Änderung des physiologischen Körperzustandes zu verstehen, die von dem (möglicherweise zeitnah danach eintretenden) Gesundheitserstschaden zu unterscheiden ist. Das LSG hat zur Natur der körperlichen Veränderung festgestellt, dass ein Chirurg am 6.7.2005 beim Kläger eine "HWS-Distorsion" diagnostiziert habe. Nach dem Gesamtzusammenhang des Beschlusses des LSG hat es sich diese Diagnose zu eigen gemacht. Eine solche HWS-Verstauchung genügt jedenfalls dem (weiten) Einwirkungsbegriff.

43

cc) Das LSG hat auch noch festgestellt, dass die versicherte Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit, das Platzen des Autoreifens, das Abkommen von der Testbahn, das Durchbrechen der Leitplanke und das Abstoppen im Wäldchen diese Einwirkung auf die HWS objektiv mitverursacht haben. Auch wenn das LSG keine näheren Feststellungen zur Ursache des Platzens des Reifens (ua Materialfehler, äußere Ursache) und auch nicht dazu getroffen hat, ob es bei der Testfahrt gerade um die Prüfung der Belastbarkeit der Reifen ging, ist seine Feststellung rechtlich nicht zu beanstanden, dass die versicherte Testfahrt als Grundvoraussetzung des Unfallhergangs eine mitwirkende Ursache für die Einwirkung war. Wie zudem vor dem BSG zur Gehörsgewährung eingeführt und von den Beteiligten bestätigt wurde, entspricht es dem heutigen allgemeinkundigen Stand der Erfahrung, dass ein solcher Ablauf einer Autofahrt Ursache eines starken Aufpralls mit der Wirkung ua einer Verstauchung der HWS sein kann und nach den konkreten Umständen des Falles hier auch war. Weitere Mitursachen wurden vom LSG nicht festgestellt und von der Beklagten nicht behauptet.

44

dd) Das LSG hat sinngemäß auch die rechtliche Beurteilung geäußert, dass das versicherte Handeln des Klägers eine mit der Erfüllung dieser Pflicht aus seinem Beschäftigungsverhältnis verbundene Gefahr für seine Gesundheit verwirklicht hat. Das trifft bundesrechtlich zu. Denn die Beschäftigtenversicherung soll grundsätzlich in allen Lebens- und Gesundheitsgefahren schützen, die sich aus dem Handeln zur Erfüllung von Pflichten oder zur Wahrnehmung unternehmensbezogener Rechte aus dem Beschäftigungsverhältnis unter Eingliederung in einen vom Unternehmer bestimmten Gefahrenbereich ergeben. Der Kläger hat infolge der ihm aufgetragenen Testfahrt mit äußerst hoher Geschwindigkeit Gesundheitsgefahren eingehen müssen, die sich in der Einwirkung realisiert haben. Damit fällt die durch die versicherte Verrichtung mitbewirkte Einwirkung auf die HWS unter den Schutzbereich der hier begründeten Beschäftigtenversicherung. Die konkret festgestellten Mitursachen der Einwirkung, das Platzen des Reifens, der Widerstand der durchbrochenen Leitplanke schließen in der gebotenen rechtlichen Gesamtabwägung die Zuordnung der HWS-Verstauchung zum Schutzbereich der Beschäftigtenversicherung nicht aus. Denn in ihnen hat sich gerade die besondere Gefahr verwirklicht, die mit der vom Kläger zu erfüllenden Pflicht verbunden war.

45

ee) Das LSG hat schließlich bindend festgestellt, dass der vom Kläger als Gesundheitserstschaden geltend gemachte Bandscheibenvorfall C 6/7 vorliegt.

46

d) Damit sind die Voraussetzungen für den vom Kläger erhobenen Anspruch auf Feststellung dieses Vorfalls C 6/7 als weiteren Gesundheitserstschaden des anerkannten Arbeitsunfalls mit der Ausnahme erfüllt, dass das BSG noch nicht entscheiden kann, ob die Testfahrt mit der durch sie rechtlich wesentlich mitverursachten Einwirkung auf die HWS des Klägers auch rechtserhebliche (Mit-)Wirkursache dieses Bandscheibenvorfalls war.

47

4. Das LSG hat zwar ausgeführt, die versicherte Einwirkung und letztlich die versicherte Testfahrt hätten auch den Bandscheibenvorfall objektiv und wesentlich verursacht. Dies ist jedoch für das BSG nicht bindend. Es darf dies seiner Entscheidung nicht zugrunde legen.

48

a) Dies folgt für die Rechtsfrage der unfallversicherungsrechtlichen Wesentlichkeit schon daraus, dass es hier allein um Rechtsanwendung, also um die rechtliche Subsumtion der auf der ersten Stufe der Zurechnung festgestellten Tatsachen unter den Schutzbereich der für die konkrete Beschäftigung begründeten Beschäftigtenversicherung geht. Hier muss das Revisionsgericht in vollem Umfang die Beachtung des Bundesrechts überprüfen. Das LSG hat hierbei den Rechtsbegriff der unfallversicherungsrechtlichen "Wesentlichkeit" einer Ursache unzutreffend angewandt (dazu unter 5.).

49

b) Auf der ersten Stufe der Zurechnung hat das LSG keine das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen zur objektiven Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Einwirkung/versicherte Verrichtung getroffen.

50

Allerdings hat das LSG ausdrücklich festgestellt, dass die (versicherte) Einwirkung auf die HWS des Klägers "naturwissenschaftliche Ursache des beim Kläger aufgetretenen Bandscheibenvorfalls im Bewegungssegment C 6/7" gewesen ist.

51

aa) Grundsätzlich ist das Revisionsgericht an eine solche Tatsachenfeststellung, zu der auch der konkrete objektive Kausalzusammenhang im Einzelfall gehört, gebunden (§ 163 SGG). Hier tritt diese Bindung jedoch nicht ein, weil das LSG zum einen von einem unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven ("wissenschaftlich-philosophischen") Kausalität ausgegangen ist. Zum anderen hat es, wie die Beklagte zulässig und begründet rügt, die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Es hat seinem Beschluss einen nicht existierenden Erfahrungssatz zugrunde gelegt und deshalb davon abgesehen aufzuklären, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle durch Unfalleinwirkungen nur verursacht werden können, wenn ein unfallbedingter Begleitschaden vorliegt.

52

bb) Das LSG hat seine Kausalitätsbeurteilung auch auf folgenden nicht existierenden Erfahrungssatz gestützt: Liegen - wie hier - Hinweise auf eine traumatische Schädigung vor, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ist ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen.

53

Daran ist das BSG nicht gebunden. Ein solcher Erfahrungssatz ist nicht allgemeinkundig oder dem BSG gerichtsbekannt. Die Revisionsführerin bestreitet seine Existenz. Das LSG hat nicht mitgeteilt, woher es diese Erkenntnis gewonnen hat. Soweit die Formulierung auch als generelle weitere "Beweiserleichterung" bei der richterlichen Überzeugungsbildung zum Grad der (juristischen) Wahrscheinlichkeit gemeint sein könnte, wäre sie bundesrechtswidrig. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch "juristische Betrachtungen" vorbeizugehen.

54

c) Das LSG hat auch im Übrigen einen unzutreffenden Rechtsbegriff der objektiven Verursachung (der "philosophisch-wissenschaftlichen Kausalität") zugrunde gelegt.

55

Objektive Verursachung bedeutet einen nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand der einschlägigen Erfahrung (insbesondere der Wissenschaft, hilfsweise der sonstigen Fachkunde) geprüften und festgestellten Wirkungszusammenhang zwischen einer bestimmten Wirkursache und ihrer Wirkung. Dabei gibt es keine Ursache ohne Wirkung und keine Wirkung ohne Ursache.

56

Die versicherte Verrichtung muss also eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) der Einwirkung, die Einwirkung eine Wirkursache (ggf neben anderen Wirkursachen) des Gesundheitserstschadens sein. Ob die Verrichtung Wirkursache der Einwirkung (etc) war, ist eine Frage, die nur auf der Grundlage von Erfahrung über Kausalbeziehungen beantwortet werden kann.

57

Auch der Satz der Bedingungstheorie, ein tatsächlicher Umstand sei "notwendige Bedingung" (nicht: Ursache) eines anderen Umstandes, wenn der erste nicht "hinweggedacht" werden könne, ohne dass der zweite (der "Erfolg") entfiele ("conditio sine qua non"), ist kein logischer Schluss. Er verlangt eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufs. Darüber hinaus verweist er auf Erfahrungswissen über den Zusammenhang von Bedingungen.

58

Die Erwägung nach dieser Formel führt zur Unbeachtlichkeit von Bedingungen, die nach Erfahrung die Wirkung nicht mitverursacht haben können. Insoweit kann sie zur ersten negativen Vorklärung, dem Ausscheiden von als Ursachen von vornherein nicht in Betracht kommender Bedingungen, beitragen. Sie erfasst aber alle Bedingungen, die nach Erfahrung möglicherweise die fragliche Wirkung (den "Erfolg") verursacht haben könnten. Aus sich heraus gibt sie aber keinen Maßstab dafür, ob ein solcher als für das Geschehen erforderliche (und nur in diesem Sinne "notwendige") Bedingung erkannter Umstand den "Erfolg" wirklich bewirkt, also die Wirkung mitverursacht hat, worauf schon der große Senat des RVA (aaO) hingewiesen hat. Eine solche Bedingung kann Wirkursache sein, muss es aber nicht. Sie kann auch bloße Randbedingung sein. Die Formel schließt nur "Bedingungen" aus, die nach Erfahrung unmöglich Wirkursachen sein können.

59

Entscheidend ist aber, ob die versicherte Verrichtung die Einwirkung und ob diese den Erstschaden bewirkt hat. Wenn die festgestellte versicherte Verrichtung nach Erfahrung eine "Bedingung eines Erfolgs", also einer Einwirkung und des Gesundheitserstschadens (etc) ist, wären diese (hypothetisch) ohne sie nicht eingetreten. Gleiches gilt für eine kaum abzählbare Menge anderer Bedingungen für den konkreten Unfall. Die Verrichtung war aber nur dann eine Wirkursache der Einwirkung/des Gesundheitserstschadens, wenn sie das Unfallereignis hervorgerufen oder in Gang gehalten und dadurch die Einwirkung herbeigeführt hat, welche den Körper des Verletzten, seinen physiologischen Zustand verändert und dadurch den Gesundheitsschaden mitbewirkt hat. Ob dies der Fall war, ist nach dem neuesten anerkannten Stand des einschlägigen Fachwissens zu beurteilen.

60

aa) Dies gilt auch für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Bandscheibenvorfall des Klägers Wirkung der festgestellten versicherten Einwirkung/versicherten Testfahrt als Ursache war. Dafür kommt es, weil es sich um eine in den Fachbereich der medizinischen Wissenschaft fallende Frage handelt, allein darauf an, ob ein Wirkungszusammenhang zwischen dieser Testfahrt und dieser Einwirkung auf die HWS des Klägers und diesem Bandscheibenvorfall nach dem aktuellen Stand des anerkannten medizinischen Erfahrungswissens vorliegt. Dafür reicht ein bloßer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang nicht aus.

61

Vielmehr ist der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrunde zu legen. Dies wird in der Regel die Auffassung der Mehrheit der im jeweiligen Fragenbereich veröffentlichenden Wissenschaftler/Fachkundigen eines Fachgebiets sein. Lässt sich eine solche "herrschende Meinung" nicht feststellen, so darf der Richter nicht gleichsam als Schiedsrichter im Streit einer Wissenschaft fungieren und selbst eine (von ihm anerkannte) Ansicht zur maßgeblichen des jeweiligen für ihn fachfremden Wissenschaftsgebietes erklären. Vielmehr kommt, falls auch durch staatliche Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände etc kein von den Fachkreisen mehrheitlich anerkannter neuester Erfahrungsstand festgestellt werden kann, eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen in Betracht (anders offenbar noch BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

62

Dazu muss dieser Erfahrungsstand inhaltlich festgestellt und so rechtzeitig mit seiner Erkenntnisquelle (zB medizinisches Fachbuch) in das Gerichtsverfahren eingeführt werden, dass die Beteiligten sich darüber fachkundig machen und ggf konkrete Beweiserhebungen beantragen können. Das gilt auch dann, wenn das Gericht meint, der Stand des einschlägigen Erfahrungswissens sei gerichtsbekannt, allgemeinkundig oder könne vom Gericht aus eigener, stets rechtzeitig offenzulegender Fachkompetenz beurteilt werden.

63

bb) Soweit ein nicht allgemeinkundiges oder gerichtsbekanntes Erfahrungswissen Gegenstand einer staatlich anerkannten Wissenschaft, hilfsweise einer sonstigen fachkundigen Profession, ist, muss das Gericht, sofern es keine nachweisbare eigene Fachkompetenz oder Gerichtskenntnis auf diesem Gebiet hat, aufgrund der Ermessensreduktion im Rahmen seiner Sachaufklärung nach § 103 SGG sich die erforderliche Kenntnis durch Sachverständige verschaffen. Es ist gerade Aufgabe der Sachverständigen, dem Richter den aktuellen anerkannten Stand des Wissens darüber zu vermitteln, ob es Erfahrungssätze über Ursache-Wirkung-Beziehungen der fraglichen Art gibt und ggf welche Anwendungsbedingungen für die Anwendung dieser Sätze im Einzelfall erfüllt sein müssen. Soweit auch die Anwendung der Erfahrungssätze im Einzelfall, wie häufig, ebenfalls besondere Sachkunde erfordert, kann der Sachverständige auch damit beauftragt werden.

64

Gegenstand solcher Erfahrungssätze und ihrer generellen Anwendungsbedingungen ist, ob Vorgänge der Art des vorderen Kausalgliedes - hier: die Einwirkung auf den HWS-Bereich durch den Aufprall unter Absehung von bloßen Randbedingungen des konkreten Falles - allein oder im Zusammenwirken mit anderen nach dieser Erfahrung ursächlichen Bedingungen Vorgänge der Art des zweiten Kausalgliedes - hier: Bandscheibenvorfall C 6/7 als Gesundheitserstschaden - bewirken. Sofern diese Kausalbeziehung zwischen den beiden Arten der Kausalglieder besteht, ist das vordere eine hinreichende Ursache des folgenden Kausalgliedes. Tritt das zweite Kausalglied (hier: der Gesundheitserstschaden) immer und nur dann auf, wenn das vordere Kausalglied vorliegt, handelt es sich bei diesem um eine notwendige Ursache, bei dem zweiten um eine notwendige Wirkung. Bedingungen im Sinne der Bedingungstheorie, die erfahrungsgemäß keine solchen hinreichenden oder sogar notwendigen Wirkursachen sind, bleiben schon deshalb bei der Zurechnung außer Betracht.

65

cc) Allerdings darf das Gericht die jeweils einschlägige Wissenschaft (oder Fachkunde) auch nicht mit gebietsfremden Anforderungen überfordern, welchen dieser Erfahrungsbereich nicht genügen kann. Das Rechtssystem knüpft in den Grenzen der Rechtslogik an den jeweiligen aktuell anerkannten Stand der einschlägigen empirischen Wissenschaft (oder Fachkunde) an.

66

Es sind - gerade auch im Bereich der Medizin - nicht immer deterministische Erfahrungssätze vorhanden oder anerkannt. Sehr häufig werden nur wissenschaftlich begründete Wahrscheinlichkeitssätze (die nichts mit dem juristischen Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit zu tun haben) festgestellt werden können. Dabei gibt es in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedliche Begriffe von empirischer Wahrscheinlichkeit bis hin zu probabilistischen Erfahrungssätzen. Sie werden nach entsprechenden Untersuchungen gelegentlich mathematisch formuliert, häufig aber allein durch tradierte Erfahrung im jeweiligen Fachkreis mit geringer Überprüfungsdichte gelehrt und/oder bloß unausgesprochen in der Praxis vorausgesetzt (begründete Vermutungen). Hier sind Unterschiede ferner zwischen Fachbereichen zu beachten, in denen es wissenschaftliche Fachdisziplinen gibt, und solchen, in denen es überwiegend nur die tradierte Erfahrung des Kreises der professionell im jeweiligen Gebiet Tätigen gibt.

67

dd) Maßstab für die objektive Kausalitätsbeurteilung ist also der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens (vgl hierzu zuletzt auch BSG Urteil vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23 f "in der Regel 100 Feinstaubjahre"). Als Maßstäbe sind jeweils, soweit vorhanden, die aktuell anerkannten Erfahrungssätze festzustellen und anzuwenden. Dies ist eine reine Tatsachenfeststellung bei der der Richter der Hilfe des Sachverständigen bedarf. Hinsichtlich der richterlichen Feststellung des Inhalts der Erfahrungssätze genügt der richterliche Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit. Der Sachverständige muss bei seiner Begutachtung also gerade verdeutlichen, welche Erfahrungssätze er seiner Begutachtung zugrunde legt und dass dieses Erfahrungswissen in der einschlägigen Wissenschaft (oder Fachkunde) aktuell als neuester Stand anerkannt ist.

68

ee) Die Feststellung des jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes ist für eine objektive Urteilsfindung unerlässlich (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 24 ff). Ausgangsbasis der richterlichen Erkenntnisbildung über wissenschaftliche Erfahrungssätze sind auch bei Fragen der objektiven Verursachung die Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im jeweiligen Bereich. Außerdem sind die jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) zu berücksichtigen. Hinzu kommen andere aktuelle wissenschaftliche Veröffentlichungen. Diese Quellen hat der Richter jeweils kritisch zu würdigen.

69

Eine bloße Literaturauswertung durch auf dem einschlägigen Gebiet nicht fachgerecht ausgebildete Richter genügt zur Feststellung des (nicht allgemeinkundigen oder gerichtsbekannten) aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über Kausalbeziehungen in der Regel nicht. Vielmehr wird dessen Klärung im Rahmen des ohnehin benötigten Gutachtens erfolgen. Dieser Erkenntnisstand ist aber die Basis für die Beurteilung durch den Sachverständigen, die er stets zugrunde legen muss und von der er nur durch zusätzliche Ausführungen, weshalb er ihr nicht folgt, mit wissenschaftlicher Begründung abweichen darf.

70

Bestreitet nach rechtzeitiger Einführung eines solchen Erfahrungssatzes in den Prozess einer der Beteiligten dessen Vorliegen oder Tragweite mit nicht offenkundig fernliegenden Sachargumenten, so wird das Gericht im Regelfall diesem Vorbingen durch (zumindest schriftliche) Befragung eines Sachverständigen nachzugehen haben (vgl BSG Beschluss vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

71

d) Das LSG hat hinsichtlich der strittigen Verursachung des Bandscheibenvorfalls schon keinen neuesten anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft festgestellt, sondern einen anderen Verursachungsbegriff zugrunde gelegt.

72

aa) Die Beklagte hatte unter Zitierung des Werks von Schönberger/Mehrtens/Valentin dargelegt, dass es dem dort dokumentierten Stand der medizinischen Wissenschaft entspreche, dass ein traumatischer Bandscheibenvorfall nur mit knöchernen oder ligamentären Begleitverletzungen vorkommen könne. Das LSG hätte hierauf selbst die Existenz oder Nichtexistenz dieses oder eines anderen anerkannten Erfahrungssatzes in der medizinischen Wissenschaft feststellen müssen.

73

bb) Dies war nicht etwa deshalb gerechtfertigt, weil das LSG davon ausgegangen ist, dass sich eine Feststellung des einschlägigen medizinischen Erfahrungssatzes erübrige, weil die Autoren Schönberger/Mehrtens/Valentin von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab bei der Kausalitätsbetrachtung ausgegangen seien. Sie hätten Aspekte der rechtlichen Wesentlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BSG mit naturwissenschaftlichen Aussagen verquickt.

74

Es ist hier nicht darauf einzugehen, ob diese Behauptungen zutreffen. Beiläufig ist darauf hinzuweisen, dass nicht jeder Gebrauch des Wortes "wesentlich" zugleich eine Äußerung zur "Theorie der wesentlichen Bedingung" sein muss. Soweit Nichtjuristen sich zu solchen juristischen Problemen äußern, liegen keine Stellungnahmen eines Sachverständigen, möglicherweise aber dennoch bedenkenswerte oder richtige Argumente vor. In keinem Fall durfte das LSG davon absehen, den aktuellen Stand der anerkannten medizinischen Erfahrung über durch Unfälle verursachte Bandscheibenvorfälle festzustellen.

75

e) Es ist nicht tunlich (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), dass das BSG das Bestehen und den Inhalt des von der Beklagten behaupteten oder eines sonstigen aktuell anerkannten medizinischen Erfahrungssatzes über die Verursachung von Bandscheibenvorfällen durch Unfalleinwirkungen und dessen generelle Anwendungsbedingungen selbst feststellt. Zwar gehören solche generellen Erfahrungssätze dem revisiblen Bundesrecht (§ 162 SGG) an. Jedoch bedürfte es zu einer Entscheidung darüber, ob im Fall des Klägers die Vorgaben eines solchen Erfahrungssatzes erfüllt sind, der Feststellung von Einzelfalltatsachen und deren fachgerechte Zuordnung zum generellen medizinischen Erfahrungssatz. Das BSG müsste daher voraussichtlich nach Klärung des generellen Standes der anerkannten Erfahrung die Sache dennoch an das LSG zurückverweisen, dem die Feststellung von Tatsachen des Einzelfalles grundsätzlich vorbehalten ist.

76

Das LSG wird folglich nach der Zurückverweisung durch Einholung von Sachverständigengutachten und die anderen aufgezeigten Ermittlungsmöglichkeiten festzustellen haben, ob der von der Beklagten behauptete wissenschaftliche Erfahrungssatz oder ein anderer von der Mehrheit der Wissenschaftler des einschlägigen medizinischen Wissenschaftszweiges vertreten wird.

77

Lässt sich dies zur vollen richterlichen Überzeugung bejahen, so ist er nebst seinen in gleicher Weise wissenschaftlich anerkannten generellen Anwendungsbedingungen der (mindestens im richterlichen Beweisgrad der juristischen Wahrscheinlichkeit zu treffenden) Feststellung zwingend zugrunde zu legen, ob im vorliegenden Fall die versicherte Einwirkung faktische Mitursache des Bandscheibenvorfalls C 6/7 war. Stellt das LSG hingegen fest, dass nicht dieser Erfahrungssatz, sondern ein anderer entsprechend anerkannt ist, ist dieser zwingend maßgeblich. In jedem Fall ist dann über die Mitursächlichkeit der Testfahrt und der durch sie verursachten Einwirkung für den Vorfall C 6/7 und dabei auch der Mitverursachungsanteil anderer Wirkursachen zu entscheiden.

78

5. Von diesen Feststellungen darf das LSG nicht wegen der zweiten Zurechnungsstufe, der rechtlichen "Wesentlichkeit" der Wirkursache für den Schaden, absehen. Das LSG hat nämlich in seinem Beschluss den dargelegten bundesrechtlichen Begriff der Wesentlichkeit unzutreffend auf den Bereich der objektiven Verursachung angewandt. Er betrifft aber allein die zweite Stufe der Zurechnung. Auf ihr geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob die auf der ersten Stufe abschließend festzustellende faktische Mitverursachung des Gesundheitsschadens durch die versicherte Verrichtung/versicherte Einwirkung überhaupt ein versichertes Risiko der Beschäftigtenversicherung verwirklicht hat. Ggf hängt - wie oben gezeigt - diese Rechtserheblichkeit davon ab, ob unversicherte Mitursachen und ihr Mitwirkungsanteil nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweiligen Versicherung in einer Gesamtabwägung dieser Umstände des Einzelfalls die Schadensverursachung derart prägen, dass dieser nicht mehr dem Schutzbereich der Versicherung, sondern dem allgemeinen Lebensrisiko unterfällt.

79

Hierbei geht es ausschließlich um rechtliche Bewertungen (Auslegung und Subsumtion). Die Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile (Tatsachenfrage) sind bereits auf der ersten Stufe der objektiven Verursachung abschließend festzustellen. Insbesondere kann die ordnungsgemäße Tatsachenfeststellung auf der ersten Stufe nicht durch Wertungen auf der zweiten ersetzt werden.

80

Das LSG wird daher, falls es auf der ersten Stufe die objektive Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch die versicherte Verrichtung/Einwirkung nach neuer Prüfung bejahen wird, auf der zweiten Stufe erstmals die vorgenannte Rechtsfrage beantworten müssen.

81

6. Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger die Feststellung eines Arbeitsunfalls wegen des Ereignisses vom 7.4.2003 beanspruchen kann.

2

Der 1953 geborene Kläger war bei der Firma H. als Kraftfahrer beschäftigt. Am 7.4.2003 hatte er den Auftrag, Waren von M. aus zur Firma C. in B. zu transportieren. Er fuhr gegen 1.00 Uhr in M. ab, kam gegen 2.30 Uhr in der Umgebung von B. an. Nachdem sich C morgens bei H nach dem Verbleib der Ware erkundigt hatte, kam der Kläger gegen 9.30 Uhr bei C in B. an. Nach dem Abladevorgang bewegte er sich mit einem Hämatom am Kopf langsam taumelnd. Beim Eintreffen des Rettungssanitäters zeigte er sich desorientiert und bewusstseinsgetrübt. Ferner zeigte er einen schwankenden Gang und konnte keine adäquaten Angaben zum vorangegangenen Geschehen machen. Bei der notärztlichen und der anschließenden stationären Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. vom 7. bis 29.4.2003 bestand hinsichtlich des Geschehenen eine vollständige Amnesie. Diagnostiziert wurden ein schweres Schädel-Hirn-Trauma unklarer Genese, eine Kalottenfraktur okzipital, multiple Einblutungen fronto-basal rechts, ein passagerer Verwirrtheitszustand, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine retrograde Amnesie und eine chronische Bronchitis bei Nikotinabusus.

3

Die Beklagte gewährte dem Kläger Heilbehandlung und ab 20.5.2003 Verletztengeld. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte am 4.6.2003 Telefongespräche mit dem Inhaber der H sowie einem Mitarbeiter E des Betriebs, bei dem der Kläger die Waren entladen sollte. Nach weiteren Ermittlungen verfügte die Beklagte unter dem 6.8.2004 die Einstellung der Zahlung des Verletztengeldes mit Ablauf des 27.9.2004. Mit dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit sei nach Ablauf der 78. Woche nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr zu rechnen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien derzeit nicht zu erbringen.

4

Der Kläger beantragte am 31.8.2004 Verletztenrente. Die Beklagte zahlte ihm im Oktober 2004 auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen Vorschuss in Höhe von 300 €. Dieser stehe unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung, falls sich herausstelle, dass keine oder eine geringere Leistungspflicht bestehe. Auf das klägerische Schreiben vom 16.3.2005 zahlte die Beklagte unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen weiteren Vorschuss von 1700 €.

5

Mit Bescheid vom 24.6.2005 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 7.4.2003 ab. Es lasse sich nicht feststellen, dass sich der Kläger seine Kopfverletzung bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen habe. Ein zu entschädigender Arbeitsunfall sei nicht erwiesen. Die Vorschüsse auf Leistungen in Höhe von 2000 € seien zu erstatten. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1.2.2006 zurückwies.

6

Der Kläger hat beim SG Heilbronn Klage erhoben. Er habe seinen Arbeitstag am 7.4.2003 wie immer begonnen, wenn er mit seinem Lkw in Richtung B. gefahren sei. Bei diesen Fahrten sei er gegen 1.00 Uhr zum Betrieb in M. gefahren, habe Lkw und Ladung kontrolliert und habe sich dann auf den Weg in Richtung B. gemacht. Wie üblich habe er die Absicht gehabt, einen vor R. gelegenen Parkplatz anzufahren, auf dem er üblicherweise bei dieser Tour stehe. Von dort zur Abladestation in B. betrage die Fahrtzeit ca 20 Minuten.

7

Mit Urteil vom 3.3.2009 hat das SG "den Bescheid der Beklagten vom 24.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2006" aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall festzustellen. Als der Kläger die versicherte Tätigkeit aufgenommen habe, sei er noch gesund gewesen. Bei der Ankunft an der Entladestelle habe er sich Verletzungen zugezogen gehabt, die aus einem Unfall resultieren müssten. Es lasse sich nicht nachweisen, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe.

8

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte beim LSG Berufung eingelegt. Das Urteil überzeuge nicht, da nicht nachgewiesen sei, dass der Kläger zur Zeit der Gesundheitsschädigung eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Das LSG hat mit Urteil vom 9.12.2010 (L 6 U 2656/09) das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Dass sich der Nachweis der Ausübung einer versicherten Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls nicht führen lasse, gehe nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Verunglücke ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet habe, entfalle der Versicherungsschutz zwar nur, wenn bewiesen werde, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe (unter Hinweis auf BSG vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9; BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 28/06 R - veröffentlicht in Juris). Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben, denn es lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet habe, verunglückt sei. Der Kläger habe am Unfalltag nicht ausschließlich betriebliche, sondern auch eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. So habe er von vornherein beabsichtigt, auf einem Parkplatz eine 4 bis 4,5 Stunden dauernde Pause einzulegen, die er nach den Ermittlungen auch eingelegt habe. Die Einlegung einer nicht versicherten Pause führe "zu einer Beweislastumkehr" dergestalt, dass nicht die Beklagte die Beweislast dafür trage, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe, sondern der Kläger die Beweislast dafür trage, dass er nicht während einer eigenwirtschaftlichen Unterbrechung verunfallt sei.

9

Gegen das Urteil des LSG hat der Kläger Revision eingelegt. Es verletze §§ 7, 8 SGB VII, indem es zu Unrecht davon ausgehe, dass der vorliegende Fall von den Konstellationen abweiche, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R) zu Grunde lagen. Bei der von ihm eingelegten Pause handle es sich nicht um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Vielmehr sei er zur Einhaltung von Ruhezeiten normativ verpflichtet. Er sei darin frei, sich die Ruhezeiten nach eigener Planung einzuteilen. Die Ungewissheit darüber, unter welchen Umständen er sich die Verletzungen zugezogen habe, gehe zu Lasten der Beklagten.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. März 2009 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Der Vollbeweis dafür, dass der Kläger einen Unfall in Ausübung der versicherten Tätigkeit erlitten habe, sei nicht erbracht worden.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Ereignisses vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall begehrt, ist unbegründet.

14

Das LSG hat das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht aufgehoben und die Klagen abgewiesen (1.). Vorliegend können nicht die "Beweiserleichterungen" gelten, die der Senat angenommen hat, wenn ein Versicherter am Arbeitsplatz und in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer versicherten Verrichtung einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet (2.). Es findet keine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers statt (3.). Ein Arbeitsunfall ist auch nicht nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins festzustellen (4.).

15

1. Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles, hier eines Arbeitsunfalles, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f). Einen Arbeitsunfall hat der Kläger aber nach den für das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht erlitten.

16

Nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 S 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17 RdNr 10; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

17

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). Das BSG ist an die Feststellung nicht nur dieser Tatsachen, sondern auch an die eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs durch das LSG grundsätzlich gebunden, falls - wie hier - keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen gegen die dabei zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen erhoben werden und materiellrechtlich nicht ersichtlich ist, dass das LSG die rechtlichen Vorgaben für diesen ersten Schritt der Kausalitätsbeurteilung verkannt hat. Zu einer eigenständigen beweiswürdigenden Tatsachenfeststellung ist das BSG nur in seltenen, hier nicht einschlägigen Ausnahmesituationen befugt. Demgegenüber ist die Entscheidung über die Wesentlichkeit eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs im Einzelfall eine reine Rechts- und Rechtsanwendungsfrage.

18

Eine "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", die unter einen gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, ist nicht erwiesen. Nach den vom LSG bindend festgestellten Tatsachen ist weder nachgewiesen noch nachweisbar, dass der Kläger die Gesundheitsschäden bei der Ausübung einer Tätigkeit erlitten hat, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand. Danach steht schon nicht fest, ob der Gesundheitsschaden am 7.4.2003 oder vorher entstanden ist. Weiter ist nicht nachgewiesen, ob, wenn die Gesundheitsschädigung am 7.4.2003 zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr entstand, diese während der Zeiten der Verrichtung von Kraftfahreraufgaben oder während einer mehrstündigen Erholungspause eintrat. Als abhängig beschäftigter Kraftfahrer hätte er zur Zeit der Schädigung eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit nur verrichtet, wenn er Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hätte oder eine nicht geschuldete Handlung mit der objektivierten Handlungstendenz vorgenommen hätte, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Es steht aber nur fest, dass er am Unfalltag um 1.00 Uhr die Ausübung der versicherten Tätigkeit als Kraftfahrer aufgenommen hat und dass bei ihm gegen 9.30 Uhr erhebliche Gesundheitsschäden vorgelegen haben. Allerdings war nicht feststellbar, welche versicherten und nicht versicherten Verrichtungen der Kläger in der Zwischenzeit ausgeführt hat.

19

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls iS des § 8 Abs 1 SGB VII sind deshalb nicht erfüllt.

20

2. Das LSG hat bei seiner Entscheidung nicht verkannt, dass bei der Beweiswürdigung der rechtliche Beweismaßstab des Vollbeweises bei der Prüfung der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten auch dann erfüllt sein kann, wenn ein Versicherter an dem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt versicherte Tätigkeiten verrichtet hatte, aus ungeklärten Umständen einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet, falls keine konkret festgestellten Tatsachen Zweifel daran begründen, dass er auch noch zur Unfallzeit versichert gearbeitet hat (teilweise als "Beweiserleichterung" bezeichnet).

21

Der Senat hat in der Entscheidung vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R - Juris RdNr 22) folgende Maßstäbe aufgestellt: "Die Ungewissheit darüber, aus welchen Beweggründen V (Anm: der Versicherte) … 10 bis 20 Minuten auf der Plattform verblieben ist und was er dort getan hat, geht zu Lasten der Beklagten. Denn sie trägt bei der gegebenen Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der versicherten Baustelleneinrichtung vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hatte."

22

Ähnlich führte er schon im Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9)aus: "Verunglückt ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, wo er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung unterbrochen hatte." Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem ein Versicherter mit einem Arbeitskollegen auf einem Dach Arbeiten verrichtete und nach einer 15 bis 30 Minuten dauernden Abwesenheit des Kollegen von dem Dach abgestürzt war.

23

Die Umstände des vorliegenden Falls unterscheiden sich - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - von den Konstellationen, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9) zu Grunde lagen. Beiden Entscheidungen lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem jeweils die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit nachgewiesen war und die Versicherten aus nicht zu klärenden Umständen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz zu einem bekannten Zeitpunkt Unfälle erlitten hatten. "Beweiserleichterungen" nach den og Urteilen kommen daher nur in Betracht, wenn der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und er dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat (so auch Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 340; derselbe in jurisPR-SozR 12/2005 Anm 5).

24

Daran fehlt es hier. Es ist völlig offen, wann genau, wo und bei welcher Gelegenheit der Kläger sich seine Verletzungen zugezogen hat. Vergleichbar liegt der Fall des Klägers mit denjenigen, die den oben genannten Urteilen zu Grunde lagen, nur insoweit, als auch der Kläger unter ungeklärten Umständen erhebliche Gesundheitsschäden erlitten hat. Vorliegend erstreckt sich aber der Zeitraum zwischen der Aufnahme der versicherten Tätigkeit (1.00 Uhr), einer Pause von 2.30 Uhr bis 9.00 Uhr bis zur Wahrnehmung bestehender Gesundheitsschäden (gegen 9.30 Uhr) auf mehr als acht Stunden. Für diese Zeitspanne ist unklar, wann die Schädigung stattgefunden hat und welchen konkreten versicherten und nichtversicherten Verrichtungen der Kläger nachgegangen ist. Der Zeitraum, in dem die Einwirkung möglicherweise erfolgte, übersteigt sogar die zeitliche Dauer einer Arbeitsschicht, die als Grenze gilt, bis zu der das Merkmal "zeitlich begrenzt" in § 8 Abs 1 S 2 SGB VII noch erfüllt werden kann(stRspr BSG vom 30.5.1985 - 2 RU 17/84 - SozR 2200 § 548 Nr 71; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 12 f).

25

Auch in örtlicher Hinsicht ist offen, ob der Kläger die Verletzungen am Arbeitsplatz, zB in seinem Fahrzeug, oder an einem Ort erlitten hat, den er bedingt durch die versicherte Tätigkeit aufsuchen musste, oder an einem zu eigenwirtschaftlichen Verrichtungen aufgesuchten Ort, zB einem Rasthof.

26

Das LSG hat die Nichtfeststellbarkeit der Verrichtung der versicherten Beschäftigung auch unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeit geprüft, dass die vom Kläger einzuhaltenden und zwingend vorgeschriebenen Ruhezeiten Teil der versicherten Tätigkeit wären (vgl zu Ruhe- und Lenkzeiten der Kraftfahrer: Art 6 f EGV Nr 561/2006; unbeschadet der EGV gilt für Fahrer in einem Arbeitsverhältnis auch das ArbZG, insbesondere § 21a; vgl auch BAG vom 20.04.2011 - 5 AZR 200/10). Hier kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kraftfahrer bei der Einhaltung von Ruhe-, Lenk- und Standzeiten eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Denn das LSG hat bindend festgestellt, dass vorliegend eine betriebliche Notwendigkeit - wie etwa einzuhaltende Lenkzeiten - für die gewählte Pausengestaltung nicht ersichtlich ist. Im Übrigen hat der Senat in dem mehrfach zitierten Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - aaO RdNr 8) bereits darauf verwiesen, dass ein Versicherter, der während einer Arbeitspause oder während eines Bereitschaftsdienstes einer höchst persönlichen oder eigenwirtschaftlichen Verrichtung nachgeht, ebenso wenig versichert ist, wie ein Versicherter, der während der normalen Arbeitszeit eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit einschiebt. In beiden Fällen wird die versicherte Tätigkeit unterbrochen.

27

3. Eine "Umkehr der Beweislast" zu Lasten des Klägers oder eine "Rückausnahme", wie das LSG meint, liegt nicht vor.

28

Das LSG ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die hier vorliegenden Umstände, ausgehend von den Entscheidungen des Senats eine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers bewirken. Vielmehr bleibt es bei den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (stRspr; vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN). Bei Tatsachen, die das LSG nur mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststellen darf, schaden rein theoretische Zweifel, die immer vorliegen können, ohnehin nicht (Erforderlich ist "ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit" so Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl 2011, § 286 RdNr 2 mwN). Die in den oben zitierten Entscheidungen sehr unspezifisch als "Beweiserleichterungen" (zu dem Begriff vgl Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 25 f) bezeichneten Ausnahmesituationen zeichnen sich dadurch aus, dass weder eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit noch konkrete Hilfstatsachen dafür festgestellt sind. Folglich könnten nur aus der Unaufklärbarkeit der Umstände des Einzelfalles Zweifel an der (weiteren) Verrichtung der versicherten Tätigkeit bis zur Unfallzeit entstehen. Solche Zweifel aber, die sich nicht auf festgestellte Tatsachen stützen lassen, können auch nur rein theoretischer Natur sein.

29

4. Das LSG hätte, worauf nur beiläufig hinzuweisen ist, die Verrichtung der versicherten Beschäftigung zur Unfallzeit auch nicht wegen eines Anscheinsbeweises feststellen müssen.

30

Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung. Bei typischen Geschehensabläufen erlaubt er den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens aufgrund von Erfahrungssätzen, auch wenn im Einzelfall entsprechende Tatsachen nicht festgestellt werden können (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 29). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann also der Geschehensablauf zu Grunde gelegt werden, als habe er sich in der typischen Weise ereignet. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann (s dazu: Keller aaO; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 S 2). Es kann offenbleiben, ob und in welchen Fällen ein Beweis des ersten Anscheins für den Überzeugungsgrad des Vollbeweises ausreichen kann.

31

Dementsprechend wird auch für einzelne Voraussetzungen des Arbeitsunfalls, wie zB die Unfallkausalität, die Möglichkeit des Anscheinsbeweises bejaht (dazu BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22, RdNr 15; vgl auch Bolay in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 128 RdNr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr 9 ff). Vorliegend kann ein Anscheinsbeweis schon mangels eines typischen Geschehensablaufs nicht den Nachweis begründen, dass ein Unfallereignis bei der "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit" eingetreten ist. Neben einer feststellbaren Unfallzeit fehlt es auch an einem Erfahrungssatz des Inhalts, dass Beschäftigte im Transportgewerbe (außerhalb von Verkehrsunfällen) bei Ausübung ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt sind, die zu Verletzungen der vom Kläger erlittenen Art führen.

32

Nach alledem ist die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Auf Gesuch eines Beteiligten kann die Einnahme des Augenscheins und die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen zur Sicherung des Beweises angeordnet werden, wenn zu besorgen ist, daß das Beweismittel verlorengehe oder seine Benutzung erschwert werde, oder wenn der gegenwärtige Zustand einer Person oder einer Sache festgestellt werden soll und der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Das Gesuch ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Sozialgericht anzubringen. In Fällen dringender Gefahr kann das Gesuch bei einem anderen Sozialgericht oder einem Amtsgericht angebracht werden, in dessen Bezirk sich die zu vernehmenden Personen aufhalten oder sich der in Augenschein zu nehmende Gegenstand befindet.

(3) Für das Verfahren gelten die §§ 487, 490 bis 494 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger die Feststellung eines Arbeitsunfalls wegen des Ereignisses vom 7.4.2003 beanspruchen kann.

2

Der 1953 geborene Kläger war bei der Firma H. als Kraftfahrer beschäftigt. Am 7.4.2003 hatte er den Auftrag, Waren von M. aus zur Firma C. in B. zu transportieren. Er fuhr gegen 1.00 Uhr in M. ab, kam gegen 2.30 Uhr in der Umgebung von B. an. Nachdem sich C morgens bei H nach dem Verbleib der Ware erkundigt hatte, kam der Kläger gegen 9.30 Uhr bei C in B. an. Nach dem Abladevorgang bewegte er sich mit einem Hämatom am Kopf langsam taumelnd. Beim Eintreffen des Rettungssanitäters zeigte er sich desorientiert und bewusstseinsgetrübt. Ferner zeigte er einen schwankenden Gang und konnte keine adäquaten Angaben zum vorangegangenen Geschehen machen. Bei der notärztlichen und der anschließenden stationären Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L. vom 7. bis 29.4.2003 bestand hinsichtlich des Geschehenen eine vollständige Amnesie. Diagnostiziert wurden ein schweres Schädel-Hirn-Trauma unklarer Genese, eine Kalottenfraktur okzipital, multiple Einblutungen fronto-basal rechts, ein passagerer Verwirrtheitszustand, ein hirnorganisches Psychosyndrom, eine retrograde Amnesie und eine chronische Bronchitis bei Nikotinabusus.

3

Die Beklagte gewährte dem Kläger Heilbehandlung und ab 20.5.2003 Verletztengeld. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten führte am 4.6.2003 Telefongespräche mit dem Inhaber der H sowie einem Mitarbeiter E des Betriebs, bei dem der Kläger die Waren entladen sollte. Nach weiteren Ermittlungen verfügte die Beklagte unter dem 6.8.2004 die Einstellung der Zahlung des Verletztengeldes mit Ablauf des 27.9.2004. Mit dem Eintritt der Arbeitsfähigkeit sei nach Ablauf der 78. Woche nach dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr zu rechnen, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien derzeit nicht zu erbringen.

4

Der Kläger beantragte am 31.8.2004 Verletztenrente. Die Beklagte zahlte ihm im Oktober 2004 auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen Vorschuss in Höhe von 300 €. Dieser stehe unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung, falls sich herausstelle, dass keine oder eine geringere Leistungspflicht bestehe. Auf das klägerische Schreiben vom 16.3.2005 zahlte die Beklagte unter dem Vorbehalt späterer Rückforderung auf die "voraussichtlich zu gewährende Unfallentschädigung" einen weiteren Vorschuss von 1700 €.

5

Mit Bescheid vom 24.6.2005 lehnte die Beklagte eine Entschädigung aus Anlass des Ereignisses vom 7.4.2003 ab. Es lasse sich nicht feststellen, dass sich der Kläger seine Kopfverletzung bei einer versicherten Tätigkeit zugezogen habe. Ein zu entschädigender Arbeitsunfall sei nicht erwiesen. Die Vorschüsse auf Leistungen in Höhe von 2000 € seien zu erstatten. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1.2.2006 zurückwies.

6

Der Kläger hat beim SG Heilbronn Klage erhoben. Er habe seinen Arbeitstag am 7.4.2003 wie immer begonnen, wenn er mit seinem Lkw in Richtung B. gefahren sei. Bei diesen Fahrten sei er gegen 1.00 Uhr zum Betrieb in M. gefahren, habe Lkw und Ladung kontrolliert und habe sich dann auf den Weg in Richtung B. gemacht. Wie üblich habe er die Absicht gehabt, einen vor R. gelegenen Parkplatz anzufahren, auf dem er üblicherweise bei dieser Tour stehe. Von dort zur Abladestation in B. betrage die Fahrtzeit ca 20 Minuten.

7

Mit Urteil vom 3.3.2009 hat das SG "den Bescheid der Beklagten vom 24.6.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.2.2006" aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, das Ereignis vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall festzustellen. Als der Kläger die versicherte Tätigkeit aufgenommen habe, sei er noch gesund gewesen. Bei der Ankunft an der Entladestelle habe er sich Verletzungen zugezogen gehabt, die aus einem Unfall resultieren müssten. Es lasse sich nicht nachweisen, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe.

8

Gegen das Urteil des SG hat die Beklagte beim LSG Berufung eingelegt. Das Urteil überzeuge nicht, da nicht nachgewiesen sei, dass der Kläger zur Zeit der Gesundheitsschädigung eine versicherte Tätigkeit verrichtet habe. Das LSG hat mit Urteil vom 9.12.2010 (L 6 U 2656/09) das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Dass sich der Nachweis der Ausübung einer versicherten Tätigkeit zum Zeitpunkt des Unfalls nicht führen lasse, gehe nach dem Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten. Verunglücke ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet habe, entfalle der Versicherungsschutz zwar nur, wenn bewiesen werde, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe (unter Hinweis auf BSG vom 26.10.2004 - B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9; BSG vom 4.9.2007 - B 2 U 28/06 R - veröffentlicht in Juris). Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben, denn es lasse sich nicht feststellen, dass der Kläger an seinem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet habe, verunglückt sei. Der Kläger habe am Unfalltag nicht ausschließlich betriebliche, sondern auch eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. So habe er von vornherein beabsichtigt, auf einem Parkplatz eine 4 bis 4,5 Stunden dauernde Pause einzulegen, die er nach den Ermittlungen auch eingelegt habe. Die Einlegung einer nicht versicherten Pause führe "zu einer Beweislastumkehr" dergestalt, dass nicht die Beklagte die Beweislast dafür trage, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit unterbrochen habe, sondern der Kläger die Beweislast dafür trage, dass er nicht während einer eigenwirtschaftlichen Unterbrechung verunfallt sei.

9

Gegen das Urteil des LSG hat der Kläger Revision eingelegt. Es verletze §§ 7, 8 SGB VII, indem es zu Unrecht davon ausgehe, dass der vorliegende Fall von den Konstellationen abweiche, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R) zu Grunde lagen. Bei der von ihm eingelegten Pause handle es sich nicht um eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Vielmehr sei er zur Einhaltung von Ruhezeiten normativ verpflichtet. Er sei darin frei, sich die Ruhezeiten nach eigener Planung einzuteilen. Die Ungewissheit darüber, unter welchen Umständen er sich die Verletzungen zugezogen habe, gehe zu Lasten der Beklagten.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 3. März 2009 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Der Vollbeweis dafür, dass der Kläger einen Unfall in Ausübung der versicherten Tätigkeit erlitten habe, sei nicht erbracht worden.

Entscheidungsgründe

13

Die zulässige Revision des Klägers, mit der er die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung des Ereignisses vom 7.4.2003 als Arbeitsunfall begehrt, ist unbegründet.

14

Das LSG hat das Urteil des SG im Ergebnis zu Recht aufgehoben und die Klagen abgewiesen (1.). Vorliegend können nicht die "Beweiserleichterungen" gelten, die der Senat angenommen hat, wenn ein Versicherter am Arbeitsplatz und in engem zeitlichem Zusammenhang mit einer versicherten Verrichtung einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet (2.). Es findet keine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers statt (3.). Ein Arbeitsunfall ist auch nicht nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins festzustellen (4.).

15

1. Der Versicherte kann vom zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 102 SGB VII die Feststellung eines Versicherungsfalles, hier eines Arbeitsunfalles, beanspruchen, wenn ein solcher eingetreten ist(vgl BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - SozR 4-2700 § 11 Nr 1 RdNr 15 f). Einen Arbeitsunfall hat der Kläger aber nach den für das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht erlitten.

16

Nach § 8 Abs 1 S 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Abs 1 S 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls einer versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung wesentlich ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis) verursacht hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis wesentlich einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 10/11 R - zur Veröffentlichung vorgesehen; BSG vom 18.1.2011 - B 2 U 9/10 R - BSGE 107, 197 = SozR 4-2700 § 2 Nr 17 RdNr 10; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN).

17

Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt für die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen bei der Tatsachenfeststellung, dass die Tatsachen, die die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitsschaden" erfüllen sollen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen der Grad der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 mwN). Das BSG ist an die Feststellung nicht nur dieser Tatsachen, sondern auch an die eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs durch das LSG grundsätzlich gebunden, falls - wie hier - keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen gegen die dabei zu Grunde gelegten Tatsachenfeststellungen erhoben werden und materiellrechtlich nicht ersichtlich ist, dass das LSG die rechtlichen Vorgaben für diesen ersten Schritt der Kausalitätsbeurteilung verkannt hat. Zu einer eigenständigen beweiswürdigenden Tatsachenfeststellung ist das BSG nur in seltenen, hier nicht einschlägigen Ausnahmesituationen befugt. Demgegenüber ist die Entscheidung über die Wesentlichkeit eines naturphilosophischen Kausalzusammenhangs im Einzelfall eine reine Rechts- und Rechtsanwendungsfrage.

18

Eine "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", die unter einen gesetzlichen Versicherungstatbestand zu subsumieren wäre, ist nicht erwiesen. Nach den vom LSG bindend festgestellten Tatsachen ist weder nachgewiesen noch nachweisbar, dass der Kläger die Gesundheitsschäden bei der Ausübung einer Tätigkeit erlitten hat, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand. Danach steht schon nicht fest, ob der Gesundheitsschaden am 7.4.2003 oder vorher entstanden ist. Weiter ist nicht nachgewiesen, ob, wenn die Gesundheitsschädigung am 7.4.2003 zwischen 1.00 Uhr und 9.30 Uhr entstand, diese während der Zeiten der Verrichtung von Kraftfahreraufgaben oder während einer mehrstündigen Erholungspause eintrat. Als abhängig beschäftigter Kraftfahrer hätte er zur Zeit der Schädigung eine nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versicherte Tätigkeit nur verrichtet, wenn er Haupt- oder Nebenpflichten aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt hätte oder eine nicht geschuldete Handlung mit der objektivierten Handlungstendenz vorgenommen hätte, seine vertraglichen Pflichten zu erfüllen. Es steht aber nur fest, dass er am Unfalltag um 1.00 Uhr die Ausübung der versicherten Tätigkeit als Kraftfahrer aufgenommen hat und dass bei ihm gegen 9.30 Uhr erhebliche Gesundheitsschäden vorgelegen haben. Allerdings war nicht feststellbar, welche versicherten und nicht versicherten Verrichtungen der Kläger in der Zwischenzeit ausgeführt hat.

19

Die Anspruchsvoraussetzungen für die Feststellung eines Arbeitsunfalls iS des § 8 Abs 1 SGB VII sind deshalb nicht erfüllt.

20

2. Das LSG hat bei seiner Entscheidung nicht verkannt, dass bei der Beweiswürdigung der rechtliche Beweismaßstab des Vollbeweises bei der Prüfung der versicherten Tätigkeit eines Beschäftigten auch dann erfüllt sein kann, wenn ein Versicherter an dem Arbeitsplatz, an dem er zuletzt versicherte Tätigkeiten verrichtet hatte, aus ungeklärten Umständen einen Gesundheitsschaden oder den Tod erleidet, falls keine konkret festgestellten Tatsachen Zweifel daran begründen, dass er auch noch zur Unfallzeit versichert gearbeitet hat (teilweise als "Beweiserleichterung" bezeichnet).

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Der Senat hat in der Entscheidung vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R - Juris RdNr 22) folgende Maßstäbe aufgestellt: "Die Ungewissheit darüber, aus welchen Beweggründen V (Anm: der Versicherte) … 10 bis 20 Minuten auf der Plattform verblieben ist und was er dort getan hat, geht zu Lasten der Beklagten. Denn sie trägt bei der gegebenen Sachlage die objektive Beweislast dafür, dass der Verunglückte sich während der versicherten Baustelleneinrichtung vorübergehend einer anderen, privaten Zwecken dienenden Verrichtung zugewandt hatte."

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Ähnlich führte er schon im Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9)aus: "Verunglückt ein Versicherter unter ungeklärten Umständen an seinem Arbeitsplatz, wo er zuletzt betriebliche Arbeit verrichtet hatte, so entfällt der Versicherungsschutz nur dann, wenn bewiesen wird, dass er die versicherte Tätigkeit im Unfallzeitpunkt für eine eigenwirtschaftliche Verrichtung unterbrochen hatte." Der Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, bei dem ein Versicherter mit einem Arbeitskollegen auf einem Dach Arbeiten verrichtete und nach einer 15 bis 30 Minuten dauernden Abwesenheit des Kollegen von dem Dach abgestürzt war.

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Die Umstände des vorliegenden Falls unterscheiden sich - wie das LSG zutreffend herausgearbeitet hat - von den Konstellationen, die den Entscheidungen des BSG vom 4.9.2007 (B 2 U 28/06 R) und vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9) zu Grunde lagen. Beiden Entscheidungen lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem jeweils die Aufnahme einer versicherten Tätigkeit nachgewiesen war und die Versicherten aus nicht zu klärenden Umständen in einem engen zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz zu einem bekannten Zeitpunkt Unfälle erlitten hatten. "Beweiserleichterungen" nach den og Urteilen kommen daher nur in Betracht, wenn der Versicherte den räumlichen Bereich, in dem er zuletzt die versicherte Tätigkeit verrichtet hat, nicht verlassen und er dort kurz zuvor versicherte Tätigkeiten verrichtet hat (so auch Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 340; derselbe in jurisPR-SozR 12/2005 Anm 5).

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Daran fehlt es hier. Es ist völlig offen, wann genau, wo und bei welcher Gelegenheit der Kläger sich seine Verletzungen zugezogen hat. Vergleichbar liegt der Fall des Klägers mit denjenigen, die den oben genannten Urteilen zu Grunde lagen, nur insoweit, als auch der Kläger unter ungeklärten Umständen erhebliche Gesundheitsschäden erlitten hat. Vorliegend erstreckt sich aber der Zeitraum zwischen der Aufnahme der versicherten Tätigkeit (1.00 Uhr), einer Pause von 2.30 Uhr bis 9.00 Uhr bis zur Wahrnehmung bestehender Gesundheitsschäden (gegen 9.30 Uhr) auf mehr als acht Stunden. Für diese Zeitspanne ist unklar, wann die Schädigung stattgefunden hat und welchen konkreten versicherten und nichtversicherten Verrichtungen der Kläger nachgegangen ist. Der Zeitraum, in dem die Einwirkung möglicherweise erfolgte, übersteigt sogar die zeitliche Dauer einer Arbeitsschicht, die als Grenze gilt, bis zu der das Merkmal "zeitlich begrenzt" in § 8 Abs 1 S 2 SGB VII noch erfüllt werden kann(stRspr BSG vom 30.5.1985 - 2 RU 17/84 - SozR 2200 § 548 Nr 71; Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Mai 2011, K § 8 RdNr 12 f).

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Auch in örtlicher Hinsicht ist offen, ob der Kläger die Verletzungen am Arbeitsplatz, zB in seinem Fahrzeug, oder an einem Ort erlitten hat, den er bedingt durch die versicherte Tätigkeit aufsuchen musste, oder an einem zu eigenwirtschaftlichen Verrichtungen aufgesuchten Ort, zB einem Rasthof.

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Das LSG hat die Nichtfeststellbarkeit der Verrichtung der versicherten Beschäftigung auch unter Berücksichtigung der rechtlichen Möglichkeit geprüft, dass die vom Kläger einzuhaltenden und zwingend vorgeschriebenen Ruhezeiten Teil der versicherten Tätigkeit wären (vgl zu Ruhe- und Lenkzeiten der Kraftfahrer: Art 6 f EGV Nr 561/2006; unbeschadet der EGV gilt für Fahrer in einem Arbeitsverhältnis auch das ArbZG, insbesondere § 21a; vgl auch BAG vom 20.04.2011 - 5 AZR 200/10). Hier kann offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Kraftfahrer bei der Einhaltung von Ruhe-, Lenk- und Standzeiten eine versicherte Tätigkeit verrichtet. Denn das LSG hat bindend festgestellt, dass vorliegend eine betriebliche Notwendigkeit - wie etwa einzuhaltende Lenkzeiten - für die gewählte Pausengestaltung nicht ersichtlich ist. Im Übrigen hat der Senat in dem mehrfach zitierten Urteil vom 26.10.2004 (B 2 U 24/03 R - aaO RdNr 8) bereits darauf verwiesen, dass ein Versicherter, der während einer Arbeitspause oder während eines Bereitschaftsdienstes einer höchst persönlichen oder eigenwirtschaftlichen Verrichtung nachgeht, ebenso wenig versichert ist, wie ein Versicherter, der während der normalen Arbeitszeit eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit einschiebt. In beiden Fällen wird die versicherte Tätigkeit unterbrochen.

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3. Eine "Umkehr der Beweislast" zu Lasten des Klägers oder eine "Rückausnahme", wie das LSG meint, liegt nicht vor.

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Das LSG ist unzutreffend davon ausgegangen, dass die hier vorliegenden Umstände, ausgehend von den Entscheidungen des Senats eine "Beweislastumkehr" zu Lasten des Klägers bewirken. Vielmehr bleibt es bei den allgemeinen Regeln der materiellen Beweislast. Danach trägt derjenige, der ein Recht - hier Feststellung eines Arbeitsunfalls - für sich beansprucht, nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Ermittlung die materielle Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen dieses Rechts (stRspr; vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196, 198 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 RdNr 10 mwN; BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 27/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 30 RdNr 10 mwN). Bei Tatsachen, die das LSG nur mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises feststellen darf, schaden rein theoretische Zweifel, die immer vorliegen können, ohnehin nicht (Erforderlich ist "ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit" so Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl 2011, § 286 RdNr 2 mwN). Die in den oben zitierten Entscheidungen sehr unspezifisch als "Beweiserleichterungen" (zu dem Begriff vgl Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 25 f) bezeichneten Ausnahmesituationen zeichnen sich dadurch aus, dass weder eine Unterbrechung der versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit noch konkrete Hilfstatsachen dafür festgestellt sind. Folglich könnten nur aus der Unaufklärbarkeit der Umstände des Einzelfalles Zweifel an der (weiteren) Verrichtung der versicherten Tätigkeit bis zur Unfallzeit entstehen. Solche Zweifel aber, die sich nicht auf festgestellte Tatsachen stützen lassen, können auch nur rein theoretischer Natur sein.

29

4. Das LSG hätte, worauf nur beiläufig hinzuweisen ist, die Verrichtung der versicherten Beschäftigung zur Unfallzeit auch nicht wegen eines Anscheinsbeweises feststellen müssen.

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Beim Beweis des ersten Anscheins handelt es sich um eine Tatsachenvermutung. Bei typischen Geschehensabläufen erlaubt er den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens aufgrund von Erfahrungssätzen, auch wenn im Einzelfall entsprechende Tatsachen nicht festgestellt werden können (Greger in Zöller, ZPO, 29. Aufl, Vor § 284 RdNr 29). Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte kann also der Geschehensablauf zu Grunde gelegt werden, als habe er sich in der typischen Weise ereignet. Erforderlich ist ein Hergang, der nach der Lebenserfahrung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls und dem Willen der handelnden Personen in einer bestimmten Weise abzulaufen pflegt und deshalb auch im zu entscheidenden Fall als gegeben unterstellt werden kann (s dazu: Keller aaO; BSG SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 S 2). Es kann offenbleiben, ob und in welchen Fällen ein Beweis des ersten Anscheins für den Überzeugungsgrad des Vollbeweises ausreichen kann.

31

Dementsprechend wird auch für einzelne Voraussetzungen des Arbeitsunfalls, wie zB die Unfallkausalität, die Möglichkeit des Anscheinsbeweises bejaht (dazu BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 23/05 R - BSGE 98, 79 = SozR 4-2700 § 8 Nr 22, RdNr 15; vgl auch Bolay in Hk-SGG, 3. Aufl 2009, § 128 RdNr 12; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr 9 ff). Vorliegend kann ein Anscheinsbeweis schon mangels eines typischen Geschehensablaufs nicht den Nachweis begründen, dass ein Unfallereignis bei der "Verrichtung einer versicherten Tätigkeit zur Unfallzeit" eingetreten ist. Neben einer feststellbaren Unfallzeit fehlt es auch an einem Erfahrungssatz des Inhalts, dass Beschäftigte im Transportgewerbe (außerhalb von Verkehrsunfällen) bei Ausübung ihrer Tätigkeit Einwirkungen ausgesetzt sind, die zu Verletzungen der vom Kläger erlittenen Art führen.

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Nach alledem ist die Revision des Klägers gegen das Urteil des LSG zurückzuweisen.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.