Landgericht Saarbrücken Urteil, 19. Okt. 2012 - 13 S 122/12

bei uns veröffentlicht am19.10.2012

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 13. Juni 2012 – 4 C 199/11 (04) – teilweise abgeändert, und die Beklagten werden unter Klageabweisung im Übrigen als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 557,46 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 6. April 2011 sowie 65,57 EUR vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten zu zahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 38 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 62 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 35 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 65 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird in dem in den Entscheidungsgründen dargelegten Umfang zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 29. Dezember 2010 auf dem Parkplatz des ... in ... ereignete.

Sowohl die Klägerin als auch der Erstbeklagte, dessen Kraftfahrzeug bei der Zweitbeklagten haftpflichtversichert war, parkten mit ihren Fahrzeugen rückwärts aus einander gegenüberliegenden, schräg zur Fahrgasse angeordneten Parktaschen aus. Dabei kam es zum Unfall.

Die Klägerin hat ihren im Jahr 1998 zugelassenen Pkw durchgehend in einer BMW-Werkstatt pflegen und warten lassen. Sie macht auf der Grundlage des Kostenvoranschlags einer BMW-Werkstatt fiktive Reparaturkosten von netto 1.687,47 EUR abzüglich hierauf vorprozessual gezahlter 800,02 EUR sowie eine Unkostenpauschale von 25,00 EUR abzüglich hierauf gezahlter 12,50 EUR geltend.

Erstinstanzlich hat sie behauptet, sie habe nach dem Ausparken bereits in gerader Ausrichtung auf dem Fahrweg zwischen den Parktaschen gestanden, als der Erstbeklagte in ihr stehendes Auto gefahren sei.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, 899,95 EUR nebst gesetzlicher Verzugszinsen ab 6. April 2011 und vorgerichtliche Kosten in Höhe von 108,88 EUR an sie zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben behauptet, beide Fahrzeuge seien zeitgleich losgefahren. Im Unfallzeitpunkt hätten sich beide Fahrzeug in Rückwärtsfahrt befunden. Das klägerische Fahrzeug habe die Parktasche vorkollisionär noch nicht vollständig verlassen. Die Beklagten meinen, die Klägerin müsse sich auf eine günstigere, gleichwertige Reparaturmöglichkeit bei der ... oder dem ... verweisen lassen, wo der Schaden – insoweit unstreitig – für 1.600,04 EUR repariert werden könne.

Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen ... und ... sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Daraufhin hat es die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 43,72 EUR (versehentlich tenoriert mit 73,72 EUR) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagten seien zum Ersatz des hälftigen Schadens verpflichtet. Keine der Parteien habe den Nachweis der Unabwendbarkeit des Unfalls geführt. Zu Lasten beider Seiten sei ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot (§ 1 Abs. 2 StVO) in die Haftungsabwägung einzustellen. Zwar habe die Klägerin im Unfallzeitpunkt gestanden. Es sei jedoch nicht erwiesen, dass sie länger als einen Sekundenbruchteil gestanden habe. Eine Verweisung auf eine Reparaturmöglichkeit in einer freien Werkstatt sei der Klägerin unzumutbar.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Klagebegehren in der Sache in vollem Umfang weiter. Sie rügt, das Erstgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie ihren Ausparkvorgang noch nicht abgeschlossen habe. Sie meint, da ihr Fahrzeug vorkollisionär gestanden habe, treffe sie keine Mithaftung.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten unter Abänderung des am 13. Juni 2012 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Saarbrücken, Az. 4 C 199/11 (04), zu verurteilen, an sie 826,23 EUR nebst gesetzlicher Verzugszinsen ab dem 6. April 2011, des weiteren vorgerichtliche Kosten in Höhe von 62,47 EUR zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angegriffene Entscheidung.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie einen Teilerfolg. Die Klägerin kann 80 % ihres Schadens, entsprechend 557,46 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten, ersetzt verlangen.

1. Das Erstgericht ist zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Klägerin wie auch die Beklagten grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. § 7 Abs. 1 bzw. § 18 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Dies ist zutreffend und wird von der Berufung auch nicht angegriffen.

Insbesondere hat die Klägerin hier nicht schon allein dadurch den Anforderungen an einen „Idealfahrer“ (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 13. Dezember 1990 – III ZR 14/90, BGHZ 113, 164 ff.; Saarländisches Oberlandesgericht, zfs 2003, 118; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. § 17 StVG Rn. 22 mwN.) genügt, dass sie vorkollisionär zum Stehen kam. Ein Idealfahrer an der Stelle der Klägerin hätte die Möglichkeit eines Ausparkens auch des Erstbeklagten in Betracht gezogen und den eigenen Ausparkvorgang früher unterbrochen oder notfalls ganz zurückgestellt, wenn er eine Kollision bis zum vollständigem Abschluss des Ausparkvorgangs nicht ausschließen konnte. Hier kam es jedoch noch vor dem Abschluss des Ausparkens zur Kollision. Denn nach den plausiblen und insoweit unangegriffenen Ausführungen des von dem Erstgericht eingeholten und zugrunde gelegten Gutachtens des Sachverständigen ... befand sich das klägerische Fahrzeug im Unfallzeitpunkt noch schräg zur Fahrgasse.

2. Im Rahmen der hiernach gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und –verschuldensanteile hat das Erstgericht zu Recht angenommen, dass der Erstbeklagte den Unfall durch einen schuldhaften Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO verursacht hat.

a) Zu Recht hat das Erstgericht angenommen, dass sich die Verhaltenspflichten des Erstbeklagten nach § 1 Abs. 2 StVO und nicht nach § 9 Abs. 5 StVO bestimmten. Nach der Rechtsprechung der Kammer findet § 9 Abs. 5 StVO auf Parkplätzen, denen – wie hier – der eindeutige Straßencharakter fehlt, und die daher allein dem ruhenden Verkehr dienen, keine unmittelbare Anwendung (vgl. Kammerurteile vom 10. Februar 2012 – 13 S 181/11, NJW-RR 2012, 476 ff.; 9. Juli 2010 – 13 S 61/10; zfs 2011, 494; 7. Mai 2010 – 13 S 14/10; 12. Februar 2010 – 13 S 239/09 – und 14. November 2008 – 13 S 126/08, jew. mwN; ebenso OLG Koblenz, zfs 2000, 80 f.; OLG Hamburg, VRS 98, 223; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl. § 9 StVO Rdn. 51, mwN.; ähnlich OLG Stuttgart, NJW 2004, 2255; tendenziell a.A. OLG Hamm, Urteil vom 11. September 2012 – I-9 U32/12, zit. nach juris, mwN.). § 9 Abs. 5 StVO dient primär dem Schutz des fließenden und deshalb typischerweise schnelleren Verkehrs (vgl. OLG Dresden, NZV 2007, 152; OLG Jena, VRS 108, 294; OLG Stuttgart aaO; OLG Koblenz aaO; Kammerurteil vom 10. Dezember 2010 – 13 S 80/10; Hentschel/König/Dauer aaO § 9 StVO Rdn.51; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 22. Aufl. § 9 StVO Rdn. 67; Elsner, jurisPR-VerkR 7/2010 Anm. 3). Auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter muss jedoch anders als im fließenden Verkehr jederzeit mit rangierenden und damit auch rückwärts fahrenden Fahrzeugen gerechnet werden. Anstelle des § 9 Abs. 5 StVO ist deshalb hier das Gebot der allgemeinen Rücksichtnahme (§ 1 Abs. 2 StVO) zu beachten.

b) Danach muss sich ein Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Im ruhenden Verkehr sind die hiernach einzuhaltenden Sorgfaltspflichten der Kraftfahrer einander angenähert. Da auf Parkplätzen stets mit ausparkenden und rückwärts fahrenden Fahrzeugen zu rechnen ist, müssen Kraftfahrer hier so vorsichtig fahren, dass sie jederzeit anhalten können (vgl. OLG Koblenz, VersR 2001, 349 f.; KG, KGR 2000, 401 ff.; VRS 104, 24; OLG Köln VersR 1995, 719 f.; OLG Hamm, VRS 99, 70 ff.; Kammerurteile vom 10. Februar 2012 – 13 S 181/11; 12. Februar 2010 aaO mwN.; Hentschel/König/Dauer aaO, § 8 StVO Rdn. 31a; § 9 Rdn. 51). Das gilt in besonderem Maße für den rückwärts fahrenden Verkehrsteilnehmer. Bei ihm ist die besondere Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens, die wegen des eingeschränkten Sichtfeldes des Rückwärtsfahrenden für den rückwärtigen Verkehr besteht, mit einzubeziehen. Entsprechend der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO muss er sich deshalb so verhalten, dass er sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann (vgl. Kammerurteile vom 10. Februar 2012 aaO; 27. Mai 2011 - 13 S 25/11 – und 10. Dezember 2010 aaO).

c) Diesen Anforderungen hat der Erstbeklagte nicht genügt. Wie unstreitig ist und von dem Gutachten des Sachverständigen ... überdies bestätigt wird, befand sich der Erstbeklagte im Kollisionszeitpunkt noch in Rückwärtsfahrt.

3. Entgegen der angegriffenen Entscheidung kann der Klägerin allerdings kein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zur Last gelegt werden.

a) In tatsächlicher Hinsicht hat das Erstgericht es – anders als die Klägerin meint –ausdrücklich (Seite 5) als erwiesen angesehen, dass das klägerische Fahrzeug im Zeitpunkt der Kollision stand. Soweit das Erstgericht ausführt, der Ausparkvorgang sei noch nicht abgeschlossen gewesen, soll damit ersichtlich nur zum Ausdruck gebracht werden, dass die Klägerin noch eine weitere Fahr- und Lenkbewegung hätte ausführen müssen, um vollständig auszuparken. Dass die Klägerin bereits über einen längeren Zeitraum gestanden hätte, hat das Erstgericht hingegen nicht als erwiesen angesehen.

b) Diese Feststellungen sind – entgegen dem Angriff der Beklagten – zutreffend. Das Erstgericht hat sich in seiner Beweiswürdigung entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt, ohne gegen Denk- oder Erfahrungsgesetze zu verstoßen. Dabei ist es in der Sache zunächst von den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigengutachtens ausgegangen, wonach anhand der punktuellen Schadenscharakteristik und mangels horizontaler Streifberührungsspuren von einem Stillstand des klägerischen Pkw im Unfallzeitpunkt auszugehen ist, die Dauer des Stillstandes jedoch nicht mehr genau festzustellen ist. Weiter hat das Erstgericht die Bekundungen der Zeugen zutreffend gewürdigt. Aus ihnen ergaben sich keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte, aufgrund derer das Erstgericht die Dauer des Stillstands des klägerischen Fahrzeugs verlässlich hätte abschätzen können.

c) Unter diesen Umständen ist es den Beklagten nicht gelungen nachzuweisen, dass die Klägerin den Unfall durch einen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO verursacht hat.

aa) Zu § 9 Abs. 5 StVO entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass der Anscheinsbeweis gegen den Rückwärtsfahrer spricht, wenn es in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Rückwärtsfahren zu einem Zusammenstoß kommt (statt vieler: OLG München, Urteil vom 27. Mai 2010 – 10 U 4431/09, zit. nach juris; OLG Dresden, Schaden-Praxis 2010, 174; KG, VRS 108, 190; OLG Celle, OLGR Celle 2007, 585 f.; OLG Köln, DAR 2006, 27; Burmann/Heß/Jahnke/Janker aaO § 9 Rdn. 69; Hentschel/König/Dauer aaO § 9 Rdn. 55). Etwas anderes gilt nicht schon dann, wenn der rückwärts Fahrende zum Unfallzeitpunkt steht. Vielmehr entfällt der Anscheinsbeweis erst, wenn der rückwärts Fahrende zum Unfallzeitpunkt bereits längere Zeit zum Stehen gekommen war (vgl. KG, MDR 2010, 503; VRS 108, 190; OLG Köln, DAR 2006, 27; LG Bochum, VRR 2009, 304; LG Kleve, Urteil vom 11. November 2009 – 5 S 88/09, zit. nach juris; LG Berlin, Urteil vom 19. Oktober 2000 – 58 S 112/00, zit. nach juris; AG Hamburg, Schaden-Praxis 2006, 416; Nugel, jurisPR-VerkR 1/2010, Anm. 3). Dies wird von der Kammer nicht in Zweifel gezogen.

bb) Teilweise werden diese Grundsätze auf Parkplätze übertragen, auf denen sich die Sorgfaltspflichten nach § 1 Abs. 2 StVO richten (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 11. September 2012 aaO; LG Bad Kreuznach, zfs 2007, 559; LG Arnsburg, Urteil vom 27.9.2005 – 5 S 58/05, zit. nach juris; AG Herne, Urteil vom 17. Februar 2010 – 20 C 389/00, zit. nach juris; wohl auch KG, VRS 118, 354 ff.; LG Braunschweig, Urteil vom 29. Juni 2010 – 7 S 490/09, zit. nach juris). Dem folgt die Kammer nicht (vgl. Kammerurteile vom 10. Februar 2012 aaO; 9. Juli 2010 aaO und 7. Mai 2010 aaO). Kommt es auf einem Parkplatz ohne eindeutigen Straßencharakter in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Rückwärtsfahren zu einem Unfall, steht aber fest, dass der rückwärts Fahrende vorkollisionär zum Stehen gekommen ist, so greift der Anscheinsbeweis bereits nicht ein oder ist jedenfalls erfolgreich erschüttert.

cc) Der Beweis des ersten Anscheins stellt kein besonderes Beweismittel dar, sondern ist lediglich der konsequente Einsatz von Sätzen der allgemeinen Lebenserfahrung im Rahmen der freien Beweiswürdigung (BGH, Urteil vom 17. Juni 1997 – X ZR 119/94, NJW 1998, 79; Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl. Kap 37 Rdn. 43). Steht zur richterlichen Überzeugung ein Sachverhalt fest, der nach den Regeln des Lebens und nach der Erfahrung vom Üblichen und Gewöhnlichen typisch für einen bestimmten Geschehensablauf ist, so vermittelt diese Typizität die richterliche Überzeugung auch im zu entscheidenden Einzelfall (vgl. BGH, Urteil vom 5. November 1996 – VI ZR 343/95, VersR 1997, 205; Urteil vom 19. März 1996 – VI ZR 380/94, NJW 1996, 1828; Urteil der Kammer vom 30. Oktober 2010 – 13 S 161/09; Geigel/Knerr, aaO Kap 37 Rdn. 43). Voraussetzung ist danach das Bestehen eines allgemeinen Erfahrungssatzes, nach dem sich der Schluss auf eine bestimmte Ursache oder Wirkung aufdrängt.

Bei der Prüfung, ob ein typischer Geschehensablauf in diesem Sinn vorliegt, sind sämtliche bekannten Umstände des Falles in die Bewertung einzubeziehen (BGH, Urteil vom 4. Dezember 2000 – II ZR 293/99, VersR 2001, 457; Urteil vom 19. März 1996 – VI ZR 380/94, VersR 1996, 772; Urteil vom 19. November 1985 – VI ZR 176/84, VersR 1986, 343 f.). Denn ob ein Sachverhalt im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den getroffenen Feststellungen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 – VI ZR 177/10, BGHZ 192, 84 ff.; Urteil vom 19. März 1996 aaO).

dd) Definiert man den Sachverhalt, auf den hin die Anwendungsvoraussetzungen des Anscheinsbeweises zu prüfen sind, hier unter Einbeziehung des Stillstandes des klägerischen Fahrzeugs, so lässt sich für einen solchen Sachverhalt bereits keine typische Lebenserfahrung begründen, wonach der Rückwärtsfahrer, der vorkollisionär gestanden hat, den Unfall verschuldet hat. Ließe man hingegen für die Anwendung des Anscheinsbeweises schon eine Kollision im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Rückwärtsfahren genügen, so wäre ein sich dann ergebender Anscheinsbeweis bei Nachweis eines Stillstandes im Kollisionszeitpunkt jedenfalls erfolgreich erschüttert. Denn in einem Fall der hier vorliegenden Art besteht jedenfalls keine typische Lebenserfahrung für einen Verkehrsverstoß auf Seiten des stehenden Verkehrsteilnehmers. Eine solche Typizität wird von der Gegenauffassung auch nicht näher begründet. Es besteht vielmehr die ernsthafte Möglichkeit, dass der Rückwärtsfahrer in Erfüllung all seiner Verkehrspflichten rechtzeitig angehalten hat und nur der im Fahren befindliche Unfallgegner den Unfall verschuldet hat. Anders als im fließenden Verkehr genügt der Rückwärtsfahrer im ruhenden Verkehr nämlich regelmäßig, d.h. wenn er nicht gegen eine sonstige Sorgfaltspflicht verstoßen hat, den ihn treffenden Pflichten, wenn er so bremsbereit fährt, dass er jederzeit vorkollisionär anhalten kann.

Das Höchstmaß an Sorgfalt, das § 9 Abs. 5 StVO im fließenden Verkehr verlangt, findet seine Rechtfertigung in der Gefährlichkeit des Fahrmanövers für den fließenden Verkehr, der sich durch seine typischerweise höhere Geschwindigkeit auszeichnet. Für den fließenden, typischerweise rascheren Verkehr stellt sich ein rückwärts fahrendes Fahrzeug stets als potentielle Gefährdung dar, weil es ein Hindernis bildet, den Anhalteweg des fließenden Verkehrs verkürzt oder jedenfalls Ungewissheit über das weitere Fahrverhalten begründen kann (vgl. OLG Jena aaO; OLG Koblenz aaO). Der fließende Verkehr wird vor dieser Gefahr durch den Vertrauensgrundsatz geschützt. Danach muss sich der fließende Verkehr auf eine solche Störung nicht einstellen (vgl. OLG Hamm aaO; OLG Frankfurt, VersR 1982, 1079).

Im ruhenden Verkehr besteht eine solche rechtlich geschützte Verkehrserwartung jedoch nicht. Denn im ruhenden Verkehr und insbesondere auf Parkplätzen, auf denen die Pflichten der Kraftfahrzeugführer einander angenähert sind, muss sich jeder Kraftfahrer – wie dargelegt – auf mögliche Hindernisse und Störungen, die von einem Rangieren anderer Fahrzeuge ausgehen, einstellen und so vorsichtig fahren, dass er notfalls jederzeit anhalten kann. Die Schaffung solcher mit dem Rangieren verbundener Hindernisse oder Störungen, auf die sich der ruhende Verkehr einstellen muss, kann dann keine besondere Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens im ruhenden Verkehr begründen. Die spezifische Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens beschränkt sich im ruhenden Verkehr vielmehr darauf, dass der rückwärts Fahrende wegen seines eingeschränkten Gesichtsfeldes nach hinten andere Verkehrsteilnehmer schlechter erkennen und auf drohende Gefahren deshalb schlechter reagieren kann. Diese Gefahr hat sich jedoch nicht typischerweise realisiert, wenn der rückwärts Fahrende vorkollisionär zum Stehen kommt. Denn es ist möglich, dass er in Erfüllung der ihn treffenden Pflichten jederzeit bremsbereit gefahren ist und rechtzeitig angehalten hat. Die bloße Möglichkeit, dass der rückwärts Fahrende auch rein zufällig zum Stehen gekommen sein könnte, vermag eine Typizität für eine verkehrswidrige Unfallverursachung dann nicht begründen. Denn für sie spricht keine höhere Wahrscheinlichkeit als für ein regelgerechtes Verhalten.

dd) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist der Nachweis eines Verstoßes gegen die Pflichten beim Rückwärtsfahren hier nicht geführt.

Einen sonstigen Verkehrsverstoß der Klägerin haben die Beklagten nicht nachgewiesen.

a) Zwar gebietet die gesteigerte Sorgfaltspflicht im ruhenden Verkehr (§ 1 Abs. 2 StVO) unabhängig von den spezifischen Pflichten des Rückwärtsfahrens auch, dass der Kraftfahrer so vorsichtig fährt, dass er kein plötzliches Hindernis für andere Verkehrsteilnehmer bildet. Das gilt insbesondere beim Ausparken aus einer Parktasche, und zwar auch gegenüber einem Verkehrsteilnehmer, der aus einer gegenüberliegenden Parktasche ausparken will. Genügt der zur Verfügung stehende Raum nicht für ein gleichzeitiges, gefahrloses Ausparken beider Fahrzeuge, muss der eigene Ausparkvorgang zurückgestellt werden, wenn der andere Verkehrsteilnehmer bereits mit dem Ausparken begonnen hat. Wollen beide Verkehrsteilnehmer gleichzeitig ausparken, haben sie sich miteinander zu verständigen (vgl. Urteil der Kammer vom 7. Mai 2010 – 13 S 14/10; Hentschel/König/Dauer aaO, § 8 Rdn. 31a). Für eine solche Verständigungspflicht ist allerdings nur dann Raum, wenn der Ausparkende vor oder während des Ausparkens erkennen kann, dass der andere Verkehrsteilnehmer ebenfalls ausparken will.

b) Die Voraussetzungen für eine solche Verständigungspflicht der Klägerin stehen hier jedoch nicht fest. Dass der Erstbeklagte vor der Klägerin mit dem Ausparken begonnen hätte, behaupten die Beklagten nicht. Es steht aber auch nicht fest, dass beide Fahrzeuge gleichzeitig mit dem Ausparken begonnen hätten oder die Klägerin jedenfalls die Ausparkabsicht des Erstbeklagten wenigstens so frühzeitig hätte erkennen müssen, dass sie ihren eigenen Fahrvorgang zurückstellen oder vorzeitig hätte abbrechen müssen. Zwar haben die Beklagten vorgetragen, an dem klägerischen Fahrzeug sei noch kein Zeichen eines beabsichtigten Rückwärtsfahrens erkennbar gewesen sei, als der Erstbeklagte in den Außenspiegel geschaut habe. Daraus kann jedoch nicht umgekehrt gefolgert werden, dass die Klägerin den beabsichtigten Ausparkvorgang des Erstbeklagten hätte erkennen müssen. Selbst wenn der Beklagtenvortrag insoweit als wahr unterstellt werden könnte, stünde damit nämlich nicht fest, wie viel Zeit zwischen dem Blick des Erstbeklagten in den Außenspiegel und dem Fahrbeginn vergangen ist. Dass die Klägerin in dieser Zeit mit dem Ausfahren begonnen haben kann, konnte auch nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme nicht ausgeschlossen werden. Die Zeugin ... vermochte zu dem – auch sachverständigerseits nicht aufklärbaren – Zeitpunkt des Losfahrens der Klägerin keine Angaben zu tätigen. Der Zeuge ... widersprach zu diesem Punkt sogar der Unfalldarstellung der Beklagten.

5. Im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile, bei der nur feststehende Tatsachen zu berücksichtigen sind (vgl. BGH Urteil vom 27. Juni 2000 – VI ZR 126/99, VersR 2000, 1294; Urteil vom 10. Januar 1995 – VI ZR 247/94, VersR 1995, 357), ist danach lediglich auf Seiten der Beklagten ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen. Jedoch führt die mitwirkende Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges unter den hier gegebenen Umständen zu einer Mithaftung von 20 %. Denn der Verkehrsverstoß des Erstbeklagten wiegt nicht so schwer, dass die mitwirkende Betriebsgefahr auf Klägerseite ganz dahinter zurücktreten müsste (vgl. zur Haftungsverteilung auch die Kammerurteile vom 7. Mai 2010 aaO, vom 10. Dezember 2010 aaO – und vom 27. Mai 2011 aaO).

6. Zu Recht hat das Erstgericht angenommen, dass sich die Reparaturkosten, deren anteiligen Ersatz die Klägerin verlangen kann, auf netto 1.687,47 EUR belaufen.

a) Die Klägerin rechnet ihren – dem Umfang nach unstreitigen – Sachschaden auf der Grundlage eines Kostenvoranschlags ab, dem unstreitig die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde liegen. Damit leistet sie dem Wirtschaftlichkeitsgebot genüge und bewegt sich entsprechend den Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGHZ 183, 21 ff.; BGH, Urteile vom 22. Juni 2010 – VI ZR 337/09, VersR 2010, 1097 f. und VI ZR 302/08, VersR 1096 f.; Urteil vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09, VersR 2010, 1380 f.) in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen.

b) Die Beklagten können die Klägerin hier auch nicht auf eine mühelos und ohne weiteres zugängliche günstigere Reparaturmöglichkeit verweisen. Auch bei einem Kraftfahrzeug, das – wie hier das klägerische Fahrzeug – älter als drei Jahre alt ist, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, wenn der Geschädigte sein Kraftfahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (BGH, Urteile vom 20. Oktober 2009 – VI ZR 53/09, BGHZ 183, 21-28, vom 22. Juni 2010 – VI ZR 302/08, VersR 2010, 1096 f., und vom 13. Juli 2010 – VI ZR 259/09, MDR 2010, 1181 f.). So liegt der Fall hier. Unabhängig von dem hohen Alter des klägerischen Fahrzeugs verdient die tatsächliche Disposition der Klägerin über ihr Eigentum, die unstreitig sämtliche Inspektionen in einer Markenwerkstatt hat durchführen lassen, unter den gegebenen Umständen Schutz.

7. Danach kann die Klägerin ihren Schaden wie folgt ersetzt verlangen:

Reparaturkosten (netto)

1.687,47 EUR

Unkostenpauschale

     25,00 EUR

Zwischensumme

1.712,47 EUR

hiervon 80 %

1.369,98 EUR

hierauf gezahlt

- 812,52 EUR

noch zu ersetzender Schaden        

557,46 EUR

8. Gemäß §§ 288 Abs. 1, 286 BGB kann die Klägerin Verzugszinsen seit Ablauf der mit Schreiben vom 22. März 2011 gesetzten Frist verlangen. Ihre vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten kann sie gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB aus einem erstattungsfähigen Gesamtschaden in Höhe eines Gegenstandswertes von bis zu 1.500,00 EUR gemäß §§ 2, 13 RVG, Nrn. 2300, 7002, 7008 VVRVG in Höhe von 1,3 x 105,00 EUR (Geschäftsgebühr) + 20,00 EUR (Pauschale) + 29,74 EUR (MwSt.) = 186,24 EUR abzüglich hierauf gezahlter 120,67 EUR, entsprechend insgesamt 65,57 EUR geltend machen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO in beschränktem Umfang (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 – VI ZR 237/09, NJW 2011, 155; Urteil vom 25. März 1980 – VI ZR 61/79, BGHZ 76, 397 ff.) zugelassen, und zwar hinsichtlich der Frage, ob der Anspruch der Klägerin dem Grunde nach durch ein mitwirkendes Verschulden bei der Unfallverursachung gemindert ist. Die Rechtssache hat insoweit grundsätzliche Bedeutung. In einer unbestimmten Vielzahl von Fällen wird die Frage entscheidungserheblich, ob bei einem Unfall auf einem Parkplatz ohne Straßencharakter der Beweis des ersten Anscheins auch dann für eine schuldhafte Unfallverursachung durch den Rückwärtsfahrer spricht, wenn es dem Kraftfahrer gelingt, vorkollisionär zum Stillstand zu kommen. Die Zulassung ist auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, da die Entscheidung in vorstehender, entscheidungserheblicher Frage von der Rechtsprechung anderer Gerichte abweicht.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Saarbrücken Urteil, 19. Okt. 2012 - 13 S 122/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Saarbrücken Urteil, 19. Okt. 2012 - 13 S 122/12

Referenzen - Gesetze

Landgericht Saarbrücken Urteil, 19. Okt. 2012 - 13 S 122/12 zitiert 15 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Zivilprozessordnung - ZPO | § 543 Zulassungsrevision


(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie1.das Berufungsgericht in dem Urteil oder2.das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassungzugelassen hat. (2) Die Revision ist zuzulassen, wenn1.die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 288 Verzugszinsen und sonstiger Verzugsschaden


#BJNR001950896BJNE028103377 (1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. (2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, betr

Zivilprozessordnung - ZPO | § 286 Freie Beweiswürdigung


(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 249 Art und Umfang des Schadensersatzes


(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. (2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadenser

Gesetz über den Versicherungsvertrag


Versicherungsvertragsgesetz - VVG

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 17 Schadensverursachung durch mehrere Kraftfahrzeuge


(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 2 Höhe der Vergütung


(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert). (2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 13 Wertgebühren


(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem Gegen- standswert bis ... Eurofür jeden angefangenen Betrag von weiteren ... Euroum ... E

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 1 Grundregeln


(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. (2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 9 Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren


(1) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahn

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 8 Vorfahrt


(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht, 1. wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder2. für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landgericht Saarbrücken Urteil, 19. Okt. 2012 - 13 S 122/12 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Landgericht Saarbrücken Urteil, 19. Okt. 2012 - 13 S 122/12 zitiert 8 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 20. Okt. 2009 - VI ZR 53/09

bei uns veröffentlicht am 20.10.2009

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 53/09 Verkündet am: 20. Oktober 2009 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 19. Okt. 2010 - VI ZR 237/09

bei uns veröffentlicht am 19.10.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 237/09 Verkündet am: 19. Oktober 2010 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2011 - VI ZR 177/10

bei uns veröffentlicht am 13.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 177/10 Verkündet am: 13. Dezember 2011 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 04. Dez. 2000 - II ZR 293/99

bei uns veröffentlicht am 04.12.2000

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL II ZR 293/99 Verkündet am: 4. Dezember 2000 Vondrasek Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein

Bundesgerichtshof Urteil, 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08

bei uns veröffentlicht am 22.06.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 302/08 Verkündet am: 22. Juni 2010 Böhringer-Mangold, Justizamtsinspektorin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: n

Landgericht Saarbrücken Urteil, 10. Dez. 2010 - 13 S 80/10

bei uns veröffentlicht am 10.12.2010

Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seiner Berufung im Übrigen das Urteil des Amtsgerichts St. Wendel vom 27.5.2010 – Az. 14 C 591/09 – abgeändert und die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 315,

Landgericht Saarbrücken Urteil, 07. Mai 2010 - 13 S 14/10

bei uns veröffentlicht am 07.05.2010

Tenor 1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Homburg vom 2. Dezember 2009 – 7 C 238/07 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert, und die Beklagten werden unter Klageabweisung im Übrigen gesamt

Landgericht Saarbrücken Urteil, 12. Feb. 2010 - 13 S 239/09

bei uns veröffentlicht am 12.02.2010

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Merzig – Zweigstelle Wadern vom 14.10.2009 (13 C 85/08) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 3. Die Revision wird nicht zuge
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landgericht Saarbrücken Urteil, 19. Okt. 2012 - 13 S 122/12.

Landgericht Saarbrücken Urteil, 22. Feb. 2013 - 13 S 202/12

bei uns veröffentlicht am 22.02.2013

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 15. November 2012 – 120 C 257/12 (05) – wird auf deren Kosten zurückgewiesen. 2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 3. Die Revision wird nicht zugelass

Referenzen

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahnen für eine Richtung möglichst weit links, einzuordnen, und zwar rechtzeitig. Wer nach links abbiegen will, darf sich auf längs verlegten Schienen nur einordnen, wenn kein Schienenfahrzeug behindert wird. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

(2) Wer mit dem Fahrrad nach links abbiegen will, braucht sich nicht einzuordnen, wenn die Fahrbahn hinter der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überquert werden soll. Beim Überqueren ist der Fahrzeugverkehr aus beiden Richtungen zu beachten. Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen.

(3) Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Dies gilt auch gegenüber Linienomnibussen und sonstigen Fahrzeugen, die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.

(4) Wer nach links abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. Einander entgegenkommende Fahrzeuge, die jeweils nach links abbiegen wollen, müssen voreinander abbiegen, es sei denn, die Verkehrslage oder die Gestaltung der Kreuzung erfordern, erst dann abzubiegen, wenn die Fahrzeuge aneinander vorbeigefahren sind.

(5) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.

(6) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Merzig – Zweigstelle Wadern vom 14.10.2009 (13 C 85/08) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von den Beklagten restliche 50% ihres Schadens in Höhe von (1.895,04 EUR x 50% =) 947,52 EUR sowie vorgerichtliche Anwaltskosten von 74,25 EUR jeweils nebst gesetzlichen Zinsen aus einem Verkehrsunfall verlangt, der sich am 21.1.2008 auf der gemeinsamen Zufahrt zu ihren beiden Hausanwesen ereignet hat. Bei der gemeinsamen Zufahrt handelt es sich um einen Privatweg, der nur zu dem vorderen, seitlich neben dem Weg liegenden Grundstück der Klägerin und dem am Ende des Weges liegenden Grundstück der Beklagten führt. Zu dem Unfall kam es, als die Klägerin mit ihrem PKW (...) aus der Hofeinfahrt ihres Anwesens rückwärts auf den Privatweg fuhr und hierbei mit dem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW der Erstbeklagten (...), die ebenfalls von ihrem Anwesen aus rückwärts auf dem Weg fuhr, kollidierte.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei langsam aus ihrer Einfahrt ausgefahren und habe sich rückwärtig vergewissert, dass die Ausfahrt frei war. Beim Rückwärtsfahren habe sie die ebenfalls rückwärts fahrende Erstbeklagte kommen sehen, ihr Fahrzeug sofort angehalten und gehupt, um die Erstbeklagte auf ihr Fahrzeug aufmerksam zu machen. Diese sei dennoch weiter rückwärts gefahren und auf das stehende Fahrzeug der Klägerin aufgefahren.

Die Beklagten, die vorgerichtlich den Schaden auf der Grundlage einer hälftigen Haftung reguliert hatten, haben behauptet, die Erstbeklagte sei unter ständiger Beobachtung des hinter ihr liegenden Verkehrsraumes mit Hilfe der Spiegel zurückgefahren, als die Klägerin von links rückwärts aus spitzem Winkel in den Privatweg eingefahren sei.

Das Erstgericht, auf dessen Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen. Die Beklagten hafteten lediglich in hälftiger Höhe, weil beide Fahrzeugführer verkehrswidrig gehandelt hätten. Zwar habe die Erstbeklagte gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen, indem sie rückwärts gegen das stehende Fahrzeug der Klägerin gefahren sei. Aber auch die Klägerin sei gem. § 9 Abs. 5 StVO zu höchstmöglicher Sorgfalt verpflichtet gewesen und hätte sich mit Blick auf die nur eingeschränkte Sicht in den Privatweg einweisen lassen müssen, was sie unterlassen hätte.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihren Klageantrag weiter. Sie meint, der Privatweg sei kein öffentlicher Verkehrsraum, so dass die StVO schon nicht zur Anwendung komme. Im Übrigen sei ein Verschulden der Klägerin nicht festzustellen, da diese im Anstoßzeitpunkt gestanden habe.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig aber nicht begründet. Die erstinstanzliche Entscheidung ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend.

1. Mit Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Parteien grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und er für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Soweit die Klägerin demgegenüber meint, für sie sei der Unfall unabwendbar gewesen, kann dem nicht gefolgt werden. Ein solches unabwendbares Ereignis setzt voraus, dass der Unfall auch bei Einhaltung der äußersten möglichen Sorgfalt durch einen Idealfahrer nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus (vgl. zu § 7 Abs. 2 StVG a.F.: BGHZ 117, 337, VersR 1987, 158, 159 m.w.N.; BGHZ 113, 164, 165). Dass die Klägerin indes derart sorgfältig gehandelt hätte, ist nicht erwiesen. Insbesondere hat die Klägerin nicht dargelegt, zumindest aber nicht beweisen können, dass sie sich in die unübersichtliche Ausfahrt äußerst sorgfältig und unter Hinzuziehung eines Einweisers hineingetastet oder bei Erkennen des Beklagtenfahrzeuges Warnzeichen gegeben hätte. Da sie für das Vorliegen eines für sie unabwendbaren Ereignisses darlegungs- und beweispflichtig ist, geht dies zu ihren Lasten.

2. Im Rahmen der daher gem. § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Unfallbeteiligten hat das Erstgericht auf Beklagtenseite ein Verschulden bejaht, weil diese die beim Rückwärtsfahren gebotene Sorgfalt nicht eingehalten hat. Dies begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.

a) Allerdings ist zweifelhaft, ob ein solcher Verstoß vorliegend unmittelbar auf § 9 Abs. 5 StVO gestützt werden kann. Zunächst ist schon fraglich, ob der Privatweg, der letztlich eine Grundstückseinfahrt für zwei verschiedene Grundstücke darstellt, überhaupt öffentlicher Verkehrsraum ist, was aber Voraussetzung für Anwendung der Straßenverkehrordnung ist (vgl. hierzu BayObLG VRS 64, 375, wonach die Zufahrt zu mehr als einem Wohnhaus immer öffentlichen Verkehrsgrund darstellen soll; vgl. hierzu aber auch BGH DAR 2004, 529 und die Nachweise bei Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl., § 1 StVO Rdn. 15/16). Zum anderen dient der zu Beginn geschotterte, später in Rasen und einzelne Platten übergehende Privatweg nach seiner gesamten Ausgestaltung allein den Bewohnern der beiden Wohnanwesen und deren Gästen, mithin nicht dem fließenden Verkehr. Ähnlich wie auf einem Parkplatz (vgl. hierzu die Nachweise bei Hentschel aaO § 8 Rdn. 31a) dient der Privatweg daher allein dem Zugang zum ruhenden Verkehr, so dass die Sorgfaltspflichten der diesen Weg benutzenden Kraftfahrer ähnlich wie auf einem Parkplatz einander angenähert sind. Demgegenüber regelt die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO die besondere Sorgfaltspflicht des Rückwärtsfahrenden gegenüber dem fließenden und deshalb in der Regel rascheren Verkehr. Auf einem Parkplatz oder einem sonstigen Gelände muss jedoch anders als im fließenden Verkehr jederzeit mit rangierenden und damit auch rückwärts fahrenden Fahrzeugen gerechnet werden, so dass § 9 Abs. 5 StVO und der dem Rückwarts Fahrenden auferlegte Gefährdungsausschluss nur eingeschränkt anwendbar ist (vgl. Geigel/Zieres, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., 27. Kap. Rdn. 302; Hentschel aaO § 9 StVO Rdn. 51 und § 8 Rdn. 31a jew. m.w.N.).

b) Letztlich kommt es auf die Frage, ob § 9 Abs. 5 StVO unmittelbar Anwendung findet, im Streitfall nicht an. Sowohl außerhalb des öffentlichen Verkehrsraums (vgl. OLG Hamm VersR 1981, 842; Hentschel aaO § 9 StVO Rdn. 51) als auch im Bereich von vorrangig dem ruhenden Verkehr dienenden Gelände (vgl. Urteil der Kammer vom 14.11.2008 - 13 S 126/08; Hentschel aaO § 8 StVO Rdn. 31a) ist der Rückwärtsfahrende verpflichtet, besondere Sorgfalt walten zu lassen. Da beim Rückwärtsfahren die Sichtverhältnisse gegenüber dem Vorwärtsfahren nicht unerheblich eingeschränkt sind, wohnt diesem Fahrmanöver eine höhere Gefahr als dem vorwärts fahrenden Fahrzeug inne; den Rückwärtsfahrenden trifft daher eine vergleichsweise höhere Sorgfaltspflicht. Hiergegen hat die Erstbeklagte verstoßen, indem sie nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit gefahren ist. Vielmehr hat die Erstbeklagte das Klägerfahrzeug erst bemerkt, als es zum Anstoß kam. Damit trifft sie ein gewichtiges Verschulden an dem Unfallgeschehen.

3. Aber auch die Klägerin trifft – wie das Erstgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat – ein nicht weniger gravierender Sorgfaltsverstoß.

a) Allerdings ist zweifelhaft, ob der Klägerin ein Verstoß gegen ihre Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren angelastet werden kann. Das Erstgericht ist auf der Grundlage der Sachverständigenfeststellungen davon ausgegangen, dass die Klägerin ihr Fahrzeug vor der Kollision noch angehalten hatte, mithin noch rechtzeitig reagiert hatte. Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 9 Abs. 5 StVO, also bei einer Gefährdung des fließenden Verkehrs, ist dies regelmäßig ohne Belang. Für den fließenden Verkehr stellt sich ein rückwärts fahrendes Fahrzeug stets als potentielles Hindernis dar, mit dem nicht gerechnet werden muss. Bei einem Unfall, der sich im unmittelbarem zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Rückwärtsbewegung eines Fahrzeuges erfolgt, kann daher typischerweise davon ausgegangen werden, dass sich die Gefahr des Rückwärtsfahrens realisiert hat und deshalb ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden spricht, auch wenn dieser kurz vor der Kollision noch angehalten hatte (vgl. KG VRS 108, 190; LG Bonn, Urteil vom 21.1.2009 – 10 S 107/08, JURIS; Hentschel aaO § 9 StVO Rdn. 55 a.E., jew. m.w.N.). Ob dies indes auch gilt, wenn ein Zusammenstoß von Fahrzeugen beim Rückwärtsfahren auf einem Parkplatz oder – wie hier – auf einem anderen, vorrangig dem ruhenden Verkehr dienenden Gelände erfolgt (so LG Bad Kreuznach ZfS 2007, 559 m. zust. Anmerkung Nugel in jurisPR-VerkR 1/2010 Anm. 3; so auch LG Kleve, Urteil vom 11.11.2009 – 5 S 88/09; Urteil vom 25.7.2007, JURIS), ist zweifelhaft. Anders als bei der Gefährdung des fließenden Verkehrs durch ein rückwärts fahrendes Fahrzeug ist nämlich die Sorgfaltspflicht der Kraftfahrer auf Geländen, die dem ruhenden Verkehr dienen, angenähert. Gerade auf Parkplätzen müssen die dort befindlichen Kraftfahrer stets mit ausparkenden und rückwärts fahrenden Fahrzeugen rechnen. Sie müssen daher mit Blick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme i.S.d. § 1 StVO so vorsichtig fahren, dass sie jederzeit anhalten können. Die besondere Gefährdung des Rückwärtsfahrens besteht damit vorrangig in dem eingeschränkten Gesichtsfeld nach hinten, nicht aber – wie beim fließenden Verkehr – darin, dass der fließende und damit raschere Verkehr weniger schnell auf ein rückwärts fahrendes Fahrzeug reagieren kann. Gelingt es dem Kraftfahrer, der auf einem vorwiegend dem ruhenden Verkehr dienenden Gelände rückwärts fährt, sein Fahrzeug rechtzeitig vor einer Kollision zum Stehen zu bringen, wird er seiner Verpflichtung zum jederzeitigen Anhalten gerecht. Deshalb erscheint es nach Auffassung der Kammer naheliegend, dass die besondere Gefährdung des Rückwärtsfahrens entfällt, wenn dem Rücksichtnahmegebot entsprechend vor der Kollision angehalten wird.

b) Die Frage bedarf hier indes keiner abschließenden Entscheidung. Denn aufgrund der Örtlichkeit – die Grundstückseinfahrt der Klägerin stößt in spitzem Winkel auf den Zufahrtsweg – bestand vorliegend eine besondere Rücksichtspflicht der Klägerin aus dem Rechtsgedanken des § 10 StVO. Nach dieser Vorschrift, die unmittelbar ebenfalls nur im Verhältnis zum fließenden Verkehr gilt, muss derjenige, der aus einem Grundstück oder anderen, nicht dem fließenden Verkehr dienenden Verkehrsflächen auf die Fahrbahn einfahren will, ein Höchstmaß an Sorgfalt einhalten, nötigenfalls sich einweisen lassen. Hier bestand die Besonderheit, dass die Sicht der Klägerin bei Einfahren in den Zufahrtsweg aufgrund einer Hecke und eines Zaunes, aber auch aufgrund des spitzen Einfahrwinkels stark eingeschränkt war, so dass sie – auch wenn sie vorwärts gefahren wäre – ein vom hinteren Grundstück herannahendes Fahrzeug erst im letzten Augenblick erkennen konnte. Deshalb genügte sie ihrer Sorgfaltspflicht nicht dadurch, dass sie – wie sich aus der vom Sachverständigen rekonstruierten Kollisionsstellung (S. 30 des Gutachtens) ergibt – bereits weit in die Zufahrt und damit in den Fahrweg der Erstbeklagten einfuhr und dann anhielt. Ungeachtet der Frage, ob sie sich – wie das Erstgericht annimmt – hätte einweisen lassen müssen, hätte sie im Rahmen der gegenseitigen Rücksichtnahmepflicht i.S.d. § 1 Abs. 2 StVO jedenfalls sicherstellen müssen, dass sie in den Fahrweg nur dann einfuhr, wenn eine Gefährdung eines etwaig herannahenden Fahrzeuges damit ausgeschlossen war. Indem sie dies unterlassen hat, trifft sie ein Sorgfaltspflichtverstoß. Weil der Verkehrsverstoß bereits darin liegt, dass sie unvorsichtig in den Fahrweg eingefahren ist und damit für das herannahende Fahrzeug der Erstbeklagten ein plötzliches Hindernis geschaffen hatte, kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass sie ihr Fahrzeug vorkollisionär zum Stillstand bringen konnte. Die Klägerin trifft daher ein ebenfalls nicht unerheblicher Anteil an der Verursachung des Unfallgeschehens.

4. Die Annahme des Erstgerichts, letztlich von einer Schadensteilung auszugehen, ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Zwar wiegt das unachtsame Rückwärtsfahren der Erstbeklagten schwer. Dadurch dass die Klägerin jedoch unachtsam in den Privatweg einfuhr und hierdurch ein plötzliches Hindernis für die Erstbeklagte schuf, ist ihr Verursachungsanteil letztlich gleichwertig, so dass sie mehr als die vorgerichtlich regulierten 50% ihres Schadens nicht von der Beklagtenseite ersetzt verlangen kann und die Klageabweisung daher zu Recht erfolgt ist.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und sie keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

(1) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahnen für eine Richtung möglichst weit links, einzuordnen, und zwar rechtzeitig. Wer nach links abbiegen will, darf sich auf längs verlegten Schienen nur einordnen, wenn kein Schienenfahrzeug behindert wird. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

(2) Wer mit dem Fahrrad nach links abbiegen will, braucht sich nicht einzuordnen, wenn die Fahrbahn hinter der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überquert werden soll. Beim Überqueren ist der Fahrzeugverkehr aus beiden Richtungen zu beachten. Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen.

(3) Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Dies gilt auch gegenüber Linienomnibussen und sonstigen Fahrzeugen, die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.

(4) Wer nach links abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. Einander entgegenkommende Fahrzeuge, die jeweils nach links abbiegen wollen, müssen voreinander abbiegen, es sei denn, die Verkehrslage oder die Gestaltung der Kreuzung erfordern, erst dann abzubiegen, wenn die Fahrzeuge aneinander vorbeigefahren sind.

(5) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.

(6) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung seiner Berufung im Übrigen das Urteil des Amtsgerichts St. Wendel vom 27.5.2010 – Az. 14 C 591/09 – abgeändert und die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 315,64 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.4.2009 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 83,54 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 80% und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 20%. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 60% und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 40%.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am ... in ... in der ... ereignet hat. Zu dem Unfall kam es, als die Zeugin ... mit dem Fahrzeug des Klägers (...) aus einer seitlich an der ... gelegenen Parklücke rückwärts in die Fahrbahn einfuhr und hierbei mit dem Fahrzeug der Beklagten zu 1) kollidierte, das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist und aus einer bei dem Landratsamt gelegenen Grundstücksausfahrt auf die ... einfuhr. Erstinstanzlich hat der Kläger behauptet, die Zeugin ... habe gestanden, als das Beklagtenfahrzeug in ihr Fahrzeug hinein gefahren sei. Er beziffert seinen Schaden mit (1.200 EUR Restwert + 353,19 EUR Sachverständigenkosten + 25 EUR Unkostenpauschale =) 1.578,19 EUR, den er zusammen mit vorgerichtlichen Anwaltskosten von 229,55 nebst gesetzlichen Zinsen geltend gemach hat. Die Beklagtenseite hat vorgetragen, die Erstbeklagte sei erst eingefahren, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass die ... frei ist. Als sie bereits eingebogen war, sei die Zeugin ... unerwartet rückwärts in die Straße eingebogen.

Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Zeugin ... sei zum Unfallzeitpunkt – ebenso wie die Erstbeklagte – in Bewegung gewesen und habe gegen ihre Sorgfaltspflicht beim Rückwärtsfahren gem. § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Da die Erstbeklagte im Zeitpunkt der Kollision bereits im fließenden Verkehr gefahren sei, habe der Kläger die Unfallfolgen allein zu tragen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger seinen Ersatzanspruch in hälftiger Höhe weiter. Er meint, das Erstgericht habe verkannt, dass auch die Erstbeklagte ein Sorgfaltsverstoß treffe, weil sie entgegen § 10 StVO nicht mit der gebotenen Sorgfalt in die... eingefahren sei. Es sei daher eine Haftungsteilung geboten.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht insoweit auf einer Rechtsverletzung zum Nachteil des Klägers (§ 513 ZPO).

1. Mit Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass die Parteien grundsätzlich jeweils für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und er für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Das wird in der Berufung auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen.

2. Soweit das Erstgericht angenommen hat, der Unfall sei durch einen Verstoß der Fahrerin des Klägerfahrzeuges gegen § 9 Abs. 5 Straßenverkehrsordnung (StVO) verursacht worden, vermag die Kammer dem zwar nicht zu folgen. Im Verhältnis der hiesigen Parteien untereinander kommt diese Vorschrift nämlich ebenso wenig wie die Vorschrift des § 10 StVO, wonach auch der – wie hier die Unfallbeteiligten – aus einem Grundstück in die Fahrbahn Ausfahrende zur höchstmöglichen Sorgfalt verpflichtet ist, unmittelbar zur Anwendung. Dies führt indessen im Ergebnis zu keiner abweichenden Beurteilung des Verursachungsbeitrages der Zeugin Hoffmann.

a) Ungeachtet der Frage, ob – wie bisher überwiegend angenommen – § 10 Satz 1 StVO ausschließlich den fließenden Verkehr schützt (vgl. OLG Hamm, VRS 45, 461; KG VRS 107, 96; Urteil der Kammer vom 14. November 2008 – 13 S 180/08; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. § 10 StVO Rdn. 7 f.) oder ob, wie der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift nahelegen, alle Nutzer der öffentlichen Fahrbahn einschließlich Rad- und Fußgängerwegen von dem Schutzbereich der Vorschrift erfasst werden (so Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. § 10 StVO Rdn. 2; nun auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. § 10 StVO Rdn. 4, jew. m.w.N.), ist es einhellige Ansicht, dass § 10 StVO im Verhältnis zweier einander gegenüber in die Straße Einfahrenden keine (unmittelbare) Anwendung findet (vgl. unter Verweis auf die Entscheidung des OLG Hamm aaO etwa Jagow/Burmann/Heß aaO; Hentschel/König/Dauer aaO; vgl. auch Urteil der Kammer vom 7.5.2010 – 13 S 14/10 jew. m.w.N.). Dies erscheint sachlich schon deshalb gerechtfertigt, weil das Einfahren aus einem Grundstück für den sich auf der Straße befindlichen, insbesondere den fließenden Verkehr, der sich typischerweise dadurch auszeichnet, dass in ihm auch mit höheren Geschwindigkeiten gefahren wird, eine besondere Gefahrensituation begründet. Das Einfahren aus einem Grundstück kann nämlich ein plötzliches Hindernis begründen, mit dem der fließende Verkehr nicht rechnet und auf das er gegebenenfalls nicht mehr rechtzeitig reagieren kann. Gleiches kann zum Beispiel für Fußgänger auf Gehwegen gelten, die zwar nicht Teil des fließenden Verkehrs sind, dennoch ebenso wie dieser mit plötzlichen Hindernissen durch einfahrende Fahrzeuge nicht rechnen müssen. Demgegenüber hat der in die Fahrbahn einfahrende Kraftfahrer seinerseits mit Blick auf die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer die höchstmögliche Sorgfalt einzuhalten. Er muss daher auch mit plötzlichen Hindernissen rechnen und sich so verhalten, dass er notfalls sofort anhalten kann und dabei jede Gefährdung anderer ausgeschlossen ist. Sein Vertrauen ist von vorneherein so eingeschränkt, dass er gerade nicht des besonderen Schutzes des § 10 StVO bedarf. Im Verhältnis zu einem ebenfalls gerade in die Fahrbahn einfahrenden Verkehrsteilnehmer sind die Sorgfaltspflichten der beiden Einfahrenden angenähert, so dass sie sich insoweit am Maßstab des § 1 Abs. 2 StVO und des darin enthaltenen Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme zu orientieren haben (Kammerurteil vom 7.5.2010 aaO).

b) Nichts anderes kann für den vorliegenden Fall gelten, in dem das Beklagtenfahrzeug nicht aus einer gegenüberliegenden Parklücke, sondern aus einer benachbarten Grundstücksausfahrt in die Fahrbahn einfährt. Auch hier sind die Sorgfaltspflichten der beiden Einfahrenden einander angenähert solange der Einfahrvorgang nicht abgeschlossen ist und der Einfahrende daher nicht Teil des fließenden Verkehrs geworden ist. Dass vorliegend der Einfahrvorgang der Erstbeklagten im Zeitpunkt der Kollision nicht abgeschlossen war, ist – entgegen der Einschätzung des Erstgerichts – nicht zweifelhaft. Der Einfahrvorgang endet nämlich erst, wenn sich das Fahrzeug endgültig in den fließenden Verkehr eingeordnet hat; dabei muss jede Einflussnahme des Ein- oder Anfahrvorgangs auf das weitere Verkehrsgeschehen ausgeschlossen sein (vgl. KG NZV 2008, 413; OLG Köln DAR 2006, 27; OLG Düsseldorf VersR 1981, 754; vgl. auch Hentschel/König/Dauer aaO § 10 StVO Rdn. 4). Dies war vorliegend schon deshalb nicht der Fall, weil die Erstbeklagte ausweislich der Rekonstruktion des Unfallgeschehens durch den gerichtlichen Sachverständigen im Kollisionszeitpunkt nicht einmal vollständig in die Fahrbahn eingefahren war.

c) Gleiches muss im Verhältnis der Parteien untereinander im Übrigen für die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO gelten, die ein Höchstmaß an Vorsicht von dem Rückwärtsfahrenden verlangt. Auch diese Regelung dient primär dem Schutz des fließenden, regelmäßig schnelleren Verkehrs (vgl. OLG Koblenz DAR 2000, 84; OLG Stuttgart NJW 2004, 2255; Hentschel/König/Dauer aaO, § 9 StVO Rdn. 44; Jagow/Burmann/Heß aaO, § 9 StVO Rdn. 52; vgl. auch Urteil der Kammer vom 12. Februar 2010 – 13 S 239/09; Urteil vom 7.5.2010 – 13 S 14/10), nicht aber dem gerade in die Fahrbahn einfahrenden Verkehrsteilnehmer, der seinerseits – anders als der bereits auf der Fahrbahn befindliche Verkehr – wegen der Gefährlichkeit des Fahrmanövers seinerseits ein Höchstmaß an Sorgfalt einzuhalten hat (Kammerurteil vom 7.5.2010 aaO).

d) Im Ergebnis ist das Erstgericht indes zu Recht von einem Verkehrsverstoß der Zeugin ... ausgegangen, weil diese jedenfalls gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot nach § 1 Abs. 2 StVO verstoßen hat. Nach dieser Vorschrift muss sich ein Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Ohne dass es insofern einer abschließenden Beschreibung der hiernach gebotenen Sorgfaltsanforderungen bedürfte, oblag es der Fahrerin des Klägerfahrzeuges hiernach jedenfalls, beim Ausparken den rückwärtigen Verkehrsraum zu überblicken und den Rangiervorgang nur einzuleiten bzw. fortzusetzen, soweit sie dies tun konnte, ohne mit dem Beklagtenfahrzeug zu kollidieren. Dabei ist allerdings – ebenso wie im ruhenden Verkehr auf Parkplätzen – die besondere Gefährlichkeit des Rückwärtsfahrens, die allein durch das eingeschränkte Sichtfeld des Rückwärtsfahrenden für den rückwärtigen Verkehr besteht, mit einzubeziehen mit der Folge, dass die Wertung des § 9 Abs. 5 StVO sinngemäß Anwendung findet. Der Rückwärtsfahrende muss sich daher so verhalten, dass er bei Erkennbarkeit der Gefahr sein Fahrzeug notfalls sofort anhalten kann. Kollidiert er dagegen beim rückwärtigen Ausparken mit einem anderen Fahrzeug, spricht ein Anscheinsbeweis für sein Verschulden, wenn ihm – wie hier – der Nachweis nicht gelingt, dass er vorkollisionär angehalten hatte (vgl. Kammerurteil vom 7.5.2010 aaO).

3. Im Ergebnis zu Recht ist das Erstgericht ferner davon ausgegangen, dass ein Sorgfaltspflichtverstoß der Erstbeklagten nicht festgestellt werden kann. Auch für diese kommen im Verhältnis zur Klägerseite § 9 Abs. 5 und § 10 StVO als Sorgfaltsmaßstab nicht zur Anwendung. Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO kann nicht angenommen werden, weil nicht feststeht, dass die Erstbeklagte bei Einhaltung der ihr obliegenden Sorgfalt das anfahrende Klägerfahrzeug hätte rechtzeitig erkennen und ihren Ausfahrvorgang rechtzeitig abbrechen können.

a) Die gesteigerte Sorgfaltspflicht gebietet im ruhenden Verkehr unabhängig von den spezifischen Pflichten des Rückwärtsfahrens auch, dass der Kraftfahrer so vorsichtig fährt, dass er kein plötzliches Hindernis für andere Verkehrsteilnehmer bildet. Das gilt insbesondere beim Ausparken aus einer Parktasche, und zwar auch gegenüber einem Verkehrsteilnehmer, der aus einer gegenüberliegenden Parktasche ausparken will. Wollen zwei Verkehrsteilnehmer ausparken und genügt der zur Verfügung stehende Raum nicht für ein gleichzeitiges Ausparken, haben sie sich miteinander zu verständigen (vgl. Hentschel/König/Dauer aaO, § 8 Rdn. 31a).

b) Ungeachtet der Frage, ob diese Grundsätze auch für den Fall gelten, dass die beiden Ausfahrenden in einen dem fließenden Verkehr gewidmeten Verkehrsraum einfahren, ist für eine solche Verständigungspflicht jedenfalls nur dann Raum, wenn der Ausparkende vor oder während seines Ausparkens erkennen kann, dass der andere Verkehrsteilnehmer ebenfalls ausparken will – etwa weil sich dieser gleichfalls in Bewegung setzt. Die Erkennbarkeit kann hier weder aufgrund der Vernehmung der beiden Unfallbeteiligten noch anhand der Sachverständigenfeststellungen sicher festgestellt werden. Bei Zugrundelegung der insoweit nicht widerlegten Unfalldarstellung der Beklagten hätte sich die Erstbeklagte bereits auf der Fahrbahn der ... befunden als das Klägerfahrzeug aus der Parklücke ausfuhr. Weil zudem die Geschwindigkeit des herausfahrenden Klägerfahrzeugs und die für die Erstbeklagte zur Verfügung stehende Reaktionszeit nicht mehr feststellbar ist, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die Erstbeklagte auch bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt nicht mehr rechtzeitig auf denn Ausfahrvorgang reagieren konnte. Da die Erstbeklagte zudem nicht der gesteigerten Sorgfaltspflicht des rückwärts Ausparkenden unterlag, kann insoweit auch kein Anscheinsbeweis für ihr Verschulden zugrunde gelegt werden.

4. Im Rahmen der danach gemäß §§ 17 Abs. 1, 2, 18 StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Unfallbeteiligten, bei der zu Lasten einer Partei nur erwiesene oder sonst feststehende Tatsachen berücksichtigt werden können (vgl. BGH VersR 2000, 1294; VersR 1995, 357), kann zu Lasten der Beklagtenseite daher kein Sorgfaltsverstoß angenommen werden. Jedoch führt die mitwirkende Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeuges zu einer Haftungsminderung von 20 %, da der Unfall für die Erstbeklagte nicht unabwendbar war und Fahrerin des Klägerfahrzeuges nicht der Vorwurf eines grob verkehrswidrigen Verhaltens trifft, hinter dem die mitwirkende Betriebsgefahr ganz zurücktreten müsste (vgl. auch Kammerurteil vom 7.5.2010 aaO).

5. Danach kann der Kläger seinen unstreitig vorgetragenen Schaden von 1.578,19 EUR in Höhe von 20 %, entsprechend 315,64 EUR erstattet verlangen. Ferner stehen ihm gemäß § 288 ZPO aus der ihm zustehenden Hauptforderung Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.4.2009 zu. Erstattungsfähig sind ferner vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten aus 315,64 EUR nach § §§ 2, 13 RVG, Nrn. 2300, 7002, 7008 VVRVG in Höhe von 58,80 EUR (1,3 Gebühr) + 11,70 EUR (Auslagenersatz) + 13,34 EUR (USt.) = 83,54 EUR.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO und die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und sie keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

(1) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahnen für eine Richtung möglichst weit links, einzuordnen, und zwar rechtzeitig. Wer nach links abbiegen will, darf sich auf längs verlegten Schienen nur einordnen, wenn kein Schienenfahrzeug behindert wird. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

(2) Wer mit dem Fahrrad nach links abbiegen will, braucht sich nicht einzuordnen, wenn die Fahrbahn hinter der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überquert werden soll. Beim Überqueren ist der Fahrzeugverkehr aus beiden Richtungen zu beachten. Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen.

(3) Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Dies gilt auch gegenüber Linienomnibussen und sonstigen Fahrzeugen, die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.

(4) Wer nach links abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. Einander entgegenkommende Fahrzeuge, die jeweils nach links abbiegen wollen, müssen voreinander abbiegen, es sei denn, die Verkehrslage oder die Gestaltung der Kreuzung erfordern, erst dann abzubiegen, wenn die Fahrzeuge aneinander vorbeigefahren sind.

(5) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.

(6) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) An Kreuzungen und Einmündungen hat die Vorfahrt, wer von rechts kommt. Das gilt nicht,

1.
wenn die Vorfahrt durch Verkehrszeichen besonders geregelt ist (Zeichen 205, 206, 301, 306) oder
2.
für Fahrzeuge, die aus einem Feld- oder Waldweg auf eine andere Straße kommen.

(1a) Ist an der Einmündung in einen Kreisverkehr Zeichen 215 (Kreisverkehr) unter dem Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren) angeordnet, hat der Verkehr auf der Kreisfahrbahn Vorfahrt. Bei der Einfahrt in einen solchen Kreisverkehr ist die Benutzung des Fahrtrichtungsanzeigers unzulässig.

(2) Wer die Vorfahrt zu beachten hat, muss rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen, dass gewartet wird. Es darf nur weitergefahren werden, wenn übersehen werden kann, dass wer die Vorfahrt hat, weder gefährdet noch wesentlich behindert wird. Kann das nicht übersehen werden, weil die Straßenstelle unübersichtlich ist, so darf sich vorsichtig in die Kreuzung oder Einmündung hineingetastet werden, bis die Übersicht gegeben ist. Wer die Vorfahrt hat, darf auch beim Abbiegen in die andere Straße nicht wesentlich durch den Wartepflichtigen behindert werden.

(1) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahnen für eine Richtung möglichst weit links, einzuordnen, und zwar rechtzeitig. Wer nach links abbiegen will, darf sich auf längs verlegten Schienen nur einordnen, wenn kein Schienenfahrzeug behindert wird. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

(2) Wer mit dem Fahrrad nach links abbiegen will, braucht sich nicht einzuordnen, wenn die Fahrbahn hinter der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überquert werden soll. Beim Überqueren ist der Fahrzeugverkehr aus beiden Richtungen zu beachten. Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen.

(3) Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Dies gilt auch gegenüber Linienomnibussen und sonstigen Fahrzeugen, die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.

(4) Wer nach links abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. Einander entgegenkommende Fahrzeuge, die jeweils nach links abbiegen wollen, müssen voreinander abbiegen, es sei denn, die Verkehrslage oder die Gestaltung der Kreuzung erfordern, erst dann abzubiegen, wenn die Fahrzeuge aneinander vorbeigefahren sind.

(5) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.

(6) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) An gesetzliche Beweisregeln ist das Gericht nur in den durch dieses Gesetz bezeichneten Fällen gebunden.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

(1) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahnen für eine Richtung möglichst weit links, einzuordnen, und zwar rechtzeitig. Wer nach links abbiegen will, darf sich auf längs verlegten Schienen nur einordnen, wenn kein Schienenfahrzeug behindert wird. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

(2) Wer mit dem Fahrrad nach links abbiegen will, braucht sich nicht einzuordnen, wenn die Fahrbahn hinter der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überquert werden soll. Beim Überqueren ist der Fahrzeugverkehr aus beiden Richtungen zu beachten. Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen.

(3) Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Dies gilt auch gegenüber Linienomnibussen und sonstigen Fahrzeugen, die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.

(4) Wer nach links abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. Einander entgegenkommende Fahrzeuge, die jeweils nach links abbiegen wollen, müssen voreinander abbiegen, es sei denn, die Verkehrslage oder die Gestaltung der Kreuzung erfordern, erst dann abzubiegen, wenn die Fahrzeuge aneinander vorbeigefahren sind.

(5) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.

(6) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 293/99 Verkündet am:
4. Dezember 2000
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Prüfung, ob ein typischer Geschehensablauf vorliegt, der die Grundsätze
des Anscheinsbeweises eingreifen läßt, sind sämtliche bekannten
Umstände eines Falles in die Bewertung einzubeziehen.
BGH, Urteil vom 4. Dezember 2000 - II ZR 293/99 - OLG Hamburg
LG Hamburg
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. h.c. Röhricht und
die Richter Dr. Hesselberger, Prof. Dr. Henze, Kraemer und die Richterin
Münke

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 13. September 1999 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 2, vom 1. April 1992 wird zurückgewiesen. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Hamburg dahin geändert, daß die Beklagten auf die ausgeurteilten Beträge jeweils Zinsen in Höhe von 11 % für die Zeit vom 24. Januar 1991 bis 13. Februar 1991, von 11,5 % vom 14. Februar 1991 bis 5. September 1991, von 12,25 % vom 6. September 1991 bis 2. Januar 1992 und von 12,75 % seit dem 3. Januar 1992 zu zahlen haben. Von den Kosten des Rechtsstreits haben zu tragen: die Beklagte zu 1 20 %, die Beklagte zu 2 17,5 %, die Beklagte zu 3 10 %, die Beklagte zu 4 5 %, die Beklagte zu 5 8,5 %, die Beklagte zu 6 0,75 %, die Beklagte zu 7 0,75 %, die Beklagte zu 8 2 %, die Beklagte zu 9 1,2 %, die Beklagte zu 10 0,8 %, die Beklagte zu 11 20 %, die Beklagte zu 12 2 %, die Beklagte zu 13 1,5 %, die Beklagte zu 14 2,5 %, die Beklagte zu 15 5 %, die Beklagte zu 16 2,5 %.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagten anteilig aus einer Yacht-KaskoVersicherung auf Zahlung von insgesamt 86.017,11 DM in Anspruch. Er war Eigentümer einer Motoryacht, die er im Juli 1990 gebraucht zum Preise von 80.000,-- DM gekauft hatte. Bei einer Fahrt am 23. August 1990 trat
ein Brand am Backbordmotor auf. Die Yacht wurde am 24. August 1990 zu einer Werft verbracht, wo sie am folgenden Tag an ihrem Liegeplatz sank. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage unter Zurückweisung der Anschlußberufung des Klägers abgewiesen mit der Begründung, daß zwar ein Sinkschaden vorliege, die damit an sich gegebene Eintrittspflicht der Beklagten aber nach Nr. 3.4.2 der Geschriebenen Bedingungen zu den Allgemeinen Bedingungen für die Kasko-Versicherung von Wasserfahrzeugen (AVB Wassersportfahrzeuge 1976) ausgeschlossen sei. Der Untergang des Schiffes infolge Wassereinbruchs sei auf die Zerstörung eines Gummischlauches in Auspuffnähe zurückzuführen. Für Schäden durch chemisch-physikalische Zersetzungsvorgänge aber hätten die Beklagten nach der genannten Bedingung nicht zu haften. Auf die Revision des Klägers hat der Senat diese Entscheidung, weil sie auf einer unzutreffenden Auslegung der Ausschlußklausel beruhte, durch Urteil vom 18. Dezember 1995 - II ZR 193/94 - aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht ist nach erneuter Verhandlung und Beweisaufnahme wiederum zu dem Ergebnis gelangt, daß die Berufung der Beklagten zur Abweisung der Klage unter Zurückweisung der Anschlußberufung des Klägers führen müsse. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision.

Entscheidungsgründe:


Die Revision ist begründet. Sie führt zur Zurückweisung der Berufung der Beklagten und Abänderung des landgerichtlichen Urteils im Zinsausspruch entsprechend der Anschlußberufung des Klägers.
I. Das Berufungsgericht ist auch bei seiner erneuten Entscheidung davon ausgegangen, daß es durch den Schaden am Backbordmotor zur Zerstörung des Gummischlauches kam, die ihrerseits ursächlich für den Wassereinbruch in das Boot war. Die Beklagten seien von ihrer Leistungspflicht gemäß Nr. 14 AVB Wassersportfahrzeuge 1976 in Verbindung mit § 132 Abs. 1 VVG aber frei, weil die Yacht bei Antritt ihrer Reise nicht ordnungsgemäß bemannt gewesen sei. Der Kläger sei unstreitig nicht im Besitz des erforderlichen Motorbootführerscheins (Binnengewässer) gewesen. Die Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht habe ergeben, daß auch der Zeuge V., der die Yacht geführt habe, seinerzeit nicht Inhaber eines solchen Führerscheins gewesen sei. Nach dem vom Kläger vorgetragenen Geschehensablauf spreche auch eine Vermutung dafür, daß der Schaden entweder durch unsachgemäße Führung des Schiffes oder aufgrund fehlender Erfahrung des Bootsführers eingetreten sei. Es sei davon auszugehen, daß ein ausgebildeter und erfahrener Schiffsführer die Überhitzung des Motors während der Fahrt durch Beobachtung der Anzeigeinstrumente rechtzeitig erkannt und Maßnahmen zur Abwendung der Brandgefahr getroffen hätte. Diesen Anscheinsbeweis habe der Kläger nicht widerlegt. Das hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht gelangt unter Verstoß gegen § 286 ZPO und die Regeln des Anscheinsbeweises zur Bejahung eines Kausalzusammenhangs zwischen dem eingetretenen
Schaden und der fehlenden Berechtigung des Klägers und des Zeugen V., ein Motorboot zu führen. Es läßt Teile des Beweisergebnisses unberücksichtigt.
II. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß der Untergang des Schiffes durch die Zerstörung eines Gummischlauches und den dadurch erfolgten Wassereinbruch verursacht wurde und daß der Risikoausschluß nach § 132 Abs. 1 VVG einen Kausalzusammenhang zwischen der nicht gehörigen Bemannung des Schiffes und dem eingetretenen Schaden voraussetzt (vgl. Sen.Urt. v. 21. Februar 1974 - II ZR 169/72, VersR 1974, 589; Prölss/Martin/Voit, VVG 26. Aufl. § 132 Rdn. 5). Fehlerhaft ist es jedoch, wenn das Berufungsgericht die Abweisung der Klage darauf stützt, nach dem vom Kläger vorgetragenen Schadensablauf spreche eine "Vermutung" dafür, daß der eingetretene Schaden durch unsachgemäße Führung des Fahrzeugs oder aufgrund fehlender Erfahrung des Bootsführers eingetreten sei, und der Kläger habe es unterlassen, "diesen Anscheinsbeweis" zu widerlegen. Abgesehen davon, daß bereits die Gleichsetzung von Vermutung und Anscheinsbeweis rechtsfehlerhaft ist, rügt die Revision mit Recht, daß auch die Annahme, die Beklagten könnten sich für die Kausalität auf einen prima facie-Beweis berufen, als solche rechtlich unhaltbar ist. Der Anscheinsbeweis für einen ursächlichen Zusammenhang ist geführt, wenn ein typischer Geschehensablauf feststeht, bei dem nach der Lebenserfahrung aus einem bestimmten unstreitigen oder bewiesenen Sachverhalt auf eine bestimmte Folge oder umgekehrt aus einem feststehenden Erfolg auf eine bestimmte Ursache zu schließen ist. Bei der Bewertung eines Geschehens als typisch sind alle bekannten Umstände einzubeziehen.
Das Berufungsgericht sieht den typischen Geschehensablauf darin, daß die Yacht ohne Motorbootführerschein geführt, die Überhitzung des Backbordmotors nicht rechtzeitig erkannt wurde und deshalb Maßnahmen zur Abwendung der Brandgefahr unterblieben sind. Es geht demnach davon aus, daß die Überhitzung des Motors für einen ausgebildeten und erfahrenen Schiffsführer anhand der Anzeigeinstrumente rechtzeitig zu erkennen gewesen wäre, allerdings ohne mitzuteilen, auf welche Tatsachen sich diese Annahme gründet. Das Ergebnis der von Landgericht und Oberlandesgericht durchgeführten Beweisaufnahme, das - wie erwähnt - bei der Beurteilung, ob ein typischer Geschehensablauf vorliegt, nicht außer Betracht bleiben darf, stützt die Annahme des Berufungsgerichts nicht. Der Zeuge V. hat vor dem Landgericht die Darstellung des Klägers, daß sich die Temperaturanzeiger für beide Motoren stets im Normalbereich bewegt hätten, bestätigt. Der Zeuge, der sich unwidersprochen als gelernter Kraftfahrzeugmechaniker bezeichnet hat und daher in bezug auf Motoren jedenfalls nicht als Laie betrachtet werden kann, hat dies ausdrücklich auch für den Zeitpunkt bekundet, als bereits aufgrund der Überhitzung des Motors Qualm und Geruch aufgetreten waren. Seine Darstellung erscheint plausibel, weil nach den Ausführungen des Sachverständigen B. in beiden Instanzen die Anzeigeinstrumente nur die Temperatur des inneren Kühlkreislaufs anzeigten, eine Blockade der Wasserzufuhr aber am äußeren Kühlkreislauf eingetreten war und daher eine Erwärmung des inneren Kreislaufs allenfalls zeitverzögert an den Instrumenten abzulesen gewesen wäre. Dem sachverständigen Zeugen Bu. zufolge wies der Backbordmotor, als er nach der Bergung des Bootes ausgebaut worden war, in seinem Inneren auch tatsächlich keinen Überhitzungsschaden auf. Das spricht dafür, daß die Temperatur im inneren Kreislauf des Motors nicht überhöht war und die Instrumente
daher auch keine Temperatur anzeigten, die auf eine Überhitzung des Motors schließen ließ. Da demnach davon auszugehen ist, daß die Instrumente die Überhitzung des Motors nicht anzeigten, ist ein typischer Geschehensablauf, der den Schluß rechtfertigen könnte, daß fehlende Ausbildung und Erfahrung des Bootsführers für den Schadenseintritt ursächlich gewesen seien, nicht gegeben. Weitere Feststellungen zu diesem Komplex kommen nach dem Vortrag der Parteien nicht in Betracht. Der Senat kann daher selbst feststellen, daß die Eintrittspflicht der Beklagten nicht wegen fehlerhafter Bemannung der Yacht ausgeschlossen ist. Ob die von der Revision geltend gemachten weiteren Rügen berechtigt sind, kann offenbleiben. III. Die Beklagten schulden dem Kläger die geltend gemachten Beträge nebst den mit der Anschlußberufung verlangten Zinsen. Ihre vom Berufungsgericht - aus seiner Sicht zutreffend - noch nicht behandelten weiteren Einwendungen sind nicht begründet. Die Beklagten sind nicht nach Nr. 3.4.5 AVB Wassersportfahrzeuge 1976 leistungsfrei. Das Führen eines Bootes ohne den hierfür vorgeschriebenen Führerschein ist kein Verstoß gegen behördliche Vorschriften i.S. dieser Bestimmung. Mit behördlichen Vorschriften sind hier nur solche gemeint, die sich auf das Fahrzeug und die mitversicherten Sachen selbst beziehen, insbesondere Fahrtüchtigkeit, Betriebssicherheit, sicheren Umgang mit brennbaren und explosiven Sachen, nicht dagegen Verkehrsvorschriften und dergleichen (Prölss/Martin/Voit aaO Nr. 3 AVBW Rdn. 13 zur gleichlautenden Bestimmung Nr. 3.4.5 der AVB Wasserfahrzeuge 1985).
Der Vorwurf der Beklagten, die Yacht sei nach dem Brand des Backbordmotors objektiv fahruntüchtig gewesen und hätte daher nicht zur Werft gefahren werden dürfen, geht ebenso fehl wie der, es sei grob fahrlässig gewesen , die Fahrt zur Werft anzutreten, ohne daß die Ursache für den Motorbrand festgestellt worden war. Das Schiff war für die anstehende kurze Überführungsfahrt zur Werft offensichtlich auch allein mit dem Steuerbordmotor fahrtüchtig. Der Kläger handelte auch nicht grob fahrlässig. Er durfte die Fahrt zur Werft für ungefährlich halten, da ihm der Zeuge Bu., der ein eigenes Bootsbaugeschäft betreibt, nach dessen Aussage vor dem Landgericht erklärt hatte, er könne das Schiff mit dem anderen, dem intakten Motor zur Werft fahren, er, der Zeuge, könne mit dem nötigen Werkzeug nicht zum auf der französischen Seite des Rheins befindlichen Liegeplatz des Bootes im Hafen von Ba. kommen. Auf die Richtigkeit dieser Versicherung eines Fachmanns, die zudem dadurch bestätigt worden ist, daß das Boot ohne weiteren Zwischenfall in die Werft gelangte, durfte der Kläger vertrauen. Mit dem späteren Sinken des Bootes in der Werft aufgrund der besonderen dort herrschenden Verhältnisse (Verursachung höherer Wellen durch ein- und ausfahrende Schiffe) brauchte er nach der erfolgreichen Überführung des Bootes nicht zu rechnen. Jedenfalls kann es ihm nicht als grobe Fahrlässigkeit angerechnet werden, daß er diese Möglichkeit nicht in Betracht gezogen hat. Dies gilt um so mehr, als nicht festgestellt werden konnte, daß er die Zerstörung des Gummischlauches und die damit verbundene Gefahr eines nachträglichen Wassereinbruchs hätte erkennen können.
IV. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO die Berufung der Beklagten unter Aufhebung des Berufungsurteils zurückzuweisen und das landgerichtliche Urteil auf die Anschlußberufung des Klägers hinsichtlich Zinsbeginn und -höhe abzuändern. Röhricht Hesselberger Henze Kraemer Münke

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 177/10 Verkündet am:
13. Dezember 2011
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Bei Auffahrunfällen auf der Autobahn ist ein Anscheinsbeweis regelmäßig nicht
anwendbar, wenn zwar feststeht, dass vor dem Unfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden
Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen
nicht aufklärbar ist.
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2011 - VI ZR 177/10 - OLG Nürnberg
LG Ansbach
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 14. Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter
Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter
Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 18. Juni 2010 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Ansbach vom 30. Oktober 2009 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der Kläger.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten um den Ersatz des dem Kläger entstandenen Schadens aus einem Auffahrunfall auf der linken Spur einer Autobahn. Der Kläger ist Eigentümer eines PKW Daimler-Benz, der zum Unfallzeitpunkt von der Drittwiderbeklagten zu 2 gefahren wurde und bei der Drittwiderbeklagten zu 3 haftpflichtversichert ist. Der Beklagte zu 1 war zum Unfallzeitpunkt Halter und Fahrer eines PKW Porsche 911 Carrera Cabrio, der bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist.
2
Am 25. Mai 2007 fuhr der PKW Porsche auf der BAB 6 auf der linken Spur auf den PKW Daimler-Benz auf, der einen LKW überholen wollte. Der Kläger und die Drittwiderbeklagten haben vorgetragen, dass sich der PKW Porsche mit überhöhter Geschwindigkeit genähert habe und der mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 110 km/h fahrende PKW Daimler-Benz sich bereits 100 bis 150 m vor Erreichen des LKWs vollständig auf der linken Spur eingeordnet habe. Die Kollision habe stattgefunden, als sich der PKW Daimler-Benz auf gleicher Höhe mit dem LKW befunden habe. Nach der Darstellung der Beklagten hat der PKW Daimler-Benz, als der LKW noch mindestens 500 m von diesem entfernt gewesen sei, kurz bevor der PKW Porsche den PKW DaimlerBenz habe passieren können, völlig unerwartet und ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen auf die linke Spur gezogen.
3
Das Landgericht ist von einem Haftungsanteil der beiden Unfallbeteiligten von jeweils 50 % ausgegangen und hat den jeweils geltend gemachten Schaden insoweit in einer in den Rechtsmittelverfahren nicht mehr angegriffenen Schadenshöhe für erstattbar gehalten. Auf die nur vom Kläger eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht dem Kläger Schadensersatz zu 100 % zugesprochen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision beantragen die Beklagten, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat gemäß den Feststellungen des Landgerichts den Unfallverlauf als nicht im Einzelnen aufklärbar angesehen. Das Gericht habe sich weder davon überzeugen können, dass der Unfall durch einen der beiden Fahrer verschuldet noch für eine der beiden Seiten ein unabwendbares Ereignis gewesen sei. Aus den Angaben des Sachverständigen ergebe sich nur, dass der Porsche nahezu geradlinig mit paralleler Längsachse auf das Heck des Daimler-Benz aufgeprallt und der Ausschervorgang mindestens beim Kollisionsphasenbeginn vollständig abgeschlossen gewesen sei. Die Kollisionsgeschwindigkeitsdifferenz habe zwischen 20 bis 30 km/h gelegen. Mangels objektiver Spuren ließen sich weder die Ausgangsgeschwindigkeiten der Fahrzeuge rekonstruieren noch die zeitliche Abfolge zwischen Ausscheren und Auffahren.
5
Bei dem hier vorliegenden unmittelbar vor dem Aufprall abgeschlossenen Spurwechsel liege eine Typizität der Auffahrsituation vor, die die Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden - auch hinsichtlich des Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses für den Vorausfahrenden - rechtfertige.

II.

6
Das Berufungsurteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind die Grundsätze des Anscheinsbeweises im Streitfall nicht zu Lasten der Beklagten anwendbar.
7
1. Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt auch bei Verkehrsunfällen Geschehensabläufe voraus, bei denen sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat; es muss sich um Tatbestände handeln, für die nach der Lebenserfahrung eine schuldhafte Verursachung typisch ist (vgl. Senatsurteile vom 24. März 1959 - VI ZR 82/58, VersR 1959, 518, 519; vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, VersR 1986, 343, 344; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, VersR 1996, 772; vom 16. Januar 2007 - VI ZR 248/05, VersR 2007, 557 Rn. 5; vom 30. November 2010 - VI ZR 15/10, VersR 2011, 234 Rn. 7). Demnach kann bei Unfällen durch Auffahren, auch wenn sie sich auf Autobahnen ereignen, grundsätzlich der erste Anschein für ein Verschulden des Auffahrenden sprechen (vgl. Senatsurteil vom 30. November 2010 - VI ZR 15/10, aaO mwN). Es reicht allerdings allein das "Kerngeschehen" - hier: Auffahrunfall - als solches dann als Grundlage eines Anscheinsbeweises nicht aus, wenn weitere Umstände des Unfallereignisses bekannt sind, die als Besonderheiten gegen die bei derartigen Fallgestaltungen gegebene Typizität sprechen. Denn es muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige Verkehrsteilnehmer , zu dessen Lasten im Rahmen des Unfallereignisses der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat. Ob der Sachverhalt in diesem Sinne im Einzelfall wirklich typisch ist, kann nur aufgrund einer umfassenden Betrachtung aller tatsächlichen Elemente des Gesamtgeschehens beurteilt werden, die sich aus dem unstreitigen Parteivortrag und den ge- troffenen Feststellungen ergeben (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, aaO; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, aaO).
8
2. Infolgedessen ist es bei Auffahrunfällen wie dem vorliegenden (Auffahren auf der linken Spur einer Autobahn in einem gewissen zeitlichen Zusammenhang mit einem Fahrspurwechsel des Vorausfahrenden) umstritten, ob es sich um eine typische Auffahrsituation mit der Folge eines Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden handelt oder nicht.
9
a) Das Berufungsgericht und ein Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten die Auffassung, dass nur die seitens des Auffahrenden bewiesene ernsthafte Möglichkeit, dass das vorausfahrende Fahrzeug in engem zeitlichem Zusammenhang mit dem Auffahrunfall in die Fahrbahn des Auffahrenden gewechselt sei, den grundsätzlich gegebenen Anscheinsbeweis erschüttern könne (vgl. etwa OLG Köln, r+s 2005, 127; OLG Saarbrücken, OLGR Saarbrücken 2005, 813, 814 und 2009, 636, 638; OLG Zweibrücken, SP 2009, 175 f.; KG, NJW-RR 2011, 28). Zeige das Unfallgeschehen das typische Gepräge eines Auffahrunfalls, so könne sich der Unfallgegner nicht mit der bloßen Behauptung der lediglich theoretischen Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs entlasten mit der Folge, dass es Sache des Vorausfahrenden sei, den theoretisch in Betracht kommenden Unfallverlauf im Sinne einer beweisrechtlichen "Vorleistung" auszuschließen (vgl. OLG Saarbrücken, OLGR Saarbrücken 2005, 813, 814; KG, NZV 2009, 458, 459). Vielmehr müssten sich aus den unstreitigen oder bewiesenen Umständen zumindest konkrete Anhaltspunkte und Indizien für den unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen dem behaupteten Fahrspurwechsel und dem Auffahrunfall ergeben, um den gegen den Auffahrenden sprechenden Anscheinsbeweis zu erschüttern (vgl. OLG Köln, aaO). Auch nach der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung greift der Anscheinsbeweis bei Auffahrunfällen nur dann nicht zu Lasten des Auffahrenden ein, wenn aufgrund erwiesener Tatsachen feststeht oder unstreitig ist, dass der Fahrstreifenwechsel des Vorausfahrenden erst wenige Augenblicke vor dem Auffahrunfall erfolgt ist (vgl. Burmann in Burmann /Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 21. Aufl., § 4 StVO Rn. 24; Buschbell/Buschbell, Münchener Anwaltshandbuch Straßenverkehrsrecht, 3. Aufl., § 23 Rn. 284; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 41. Aufl., § 4 StVO Rn. 35 f.; Geigel/Zieres, Der Haftpflichtprozess, 26. Aufl., Kap. 27 Rn. 149).
10
b) Ein anderer Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung verneint bei Auffahrunfällen auf der Autobahn bereits einen Anscheinsbeweis für das Verschulden des Auffahrenden und nimmt - in der Regel - eine hälftige Schadensteilung an, wenn vor dem Auffahren ein Fahrspurwechsel stattgefunden hat, aber streitig und nicht aufklärbar ist, ob die Fahrspur unmittelbar vor dem Anstoß gewechselt worden ist und sich dies unfallursächlich ausgewirkt hat. Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass der Zusammenstoß mit einem vorausfahrenden Fahrzeug nur dann das typische Gepräge eines Auffahrunfalls trage, der nach der Lebenserfahrung den Schluss auf zu schnelles Fahren , mangelnde Aufmerksamkeit und/oder einen unzureichenden Sicherheitsabstand des Hintermannes zulasse, wenn feststehe, dass beide Fahrzeuge so lange in einer Spur hintereinander hergefahren sind, dass sich beide Fahrzeugführer auf die vorangegangenen Fahrbewegungen hätten einstellen können und es dem Auffahrenden möglich gewesen sei, einen ausreichenden Sicherheitsabstand aufzubauen bzw. einzuhalten (vgl. etwa OLG Schleswig, NZV 1993, 152, 153; OLG Naumburg, NJW-RR 2003, 809, 810; OLG Hamm, OLGR Hamm 2004, 82, 83; KG, DAR 2005, 157; KG, NZV 2006, 374, 375; KG, NZV 2008, 198, 199; OLG München, Urteil vom 4. September 2009 - 10 U 3291/09, juris, Rn. 21; OLG Düsseldorf, VersR 2010, 1236, 1237; OLG Stuttgart, Urteil vom 14. April 2010 - 3 U 3/10, juris Rn. 14; AG Hamburg, Urteil vom 30. Oktober 2006 - 644 C 249/06, juris Rn. 30 ff.).
11
3. a) Bei der Anwendung des Anscheinsbeweises ist nach Auffassung des erkennenden Senats grundsätzlich Zurückhaltung geboten, weil er es erlaubt , bei typischen Geschehensabläufen aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze auf einen ursächlichen Zusammenhang oder ein schuldhaftes Verhalten zu schließen, ohne dass im konkreten Fall die Ursache bzw. das Verschulden festgestellt ist (vgl. Lepa, NZV 1992, 129, 130; Saenger/Saenger, ZPO, 4. Aufl., § 286 Rn. 39; Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., vor § 284 Rn. 29). Deswegen kann er nach den oben unter 1. dargelegten Grundsätzen nur Anwendung finden, wenn das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür ist, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis angewendet wird, schuldhaft gehandelt hat (vgl. Senatsurteile vom 19. November 1985 - VI ZR 176/84, aaO; vom 19. März 1996 - VI ZR 380/94, aaO). Eine solche Typizität liegt bei dem hier zu beurteilenden Geschehensablauf regelmäßig nicht vor, wenn zwar feststeht, dass vor dem Auffahrunfall ein Spurwechsel des vorausfahrenden Fahrzeugs stattgefunden hat, der Sachverhalt aber im Übrigen nicht aufklärbar ist und - wie hier - nach den Feststellungen des Sachverständigen sowohl die Möglichkeit besteht, dass der Führer des vorausfahrenden Fahrzeugs unter Verstoß gegen § 7 Abs. 5 StVO den Fahrstreifenwechsel durchgeführt hat, als auch die Möglichkeit, dass der Auffahrunfall auf eine verspätete Reaktion des auffahrenden Fahrers zurückzuführen ist. Beide Varianten kommen wegen der bekannten Fahrweise auf den Autobahnen als mögliche Geschehensabläufe in Betracht, zumal es nach der Lebenserfahrung nicht fernliegend ist, dass es auf Autobahnen zu gefährlichen Spurwechseln kommt, bei denen die Geschwindigkeit des folgenden Fahrzeugs unterschätzt wird. Infolgedessen kann regelmäßig keine der beiden Varianten alleine als der typische Geschehensablauf angesehen werden, der zur Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten eines der Beteiligten führt.
12
b) Im Streitfall liegen auch keine besonderen Umstände vor, die die Anwendung des Anscheinsbeweises zu Lasten des Auffahrenden rechtfertigten. Der Sachverständige hat die verschiedenen Möglichkeiten berücksichtigt und ist insbesondere auch bei Zugrundelegung dessen, dass der Porsche nahezu geradlinig mit paralleler Längsachse auf das vorausfahrende Fahrzeug aufprallte, bei Zugrundelegung der Kollisionsgeschwindigkeitsdifferenz von mindestens 20 km/h bis maximal 30 km/h beim Kollisionsphasenbeginn sowie der unterschiedlichen Darlegungen der Parteien zum Geschehensablauf zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Sachverhalt nicht weiter aufklären lässt und beide Möglichkeiten des Geschehensablaufs in Betracht kommen. Unter diesen Umständen hat das Landgericht anders als das Berufungsgericht zu Recht einen Anscheinsbeweis sowohl zu Lasten des Klägers als auch der Beklagten verneint. In solchen Fällen ist nicht von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Auffahrende den Unfall infolge zu hoher Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit und/oder unzureichendem Sicherheitsabstand verschuldet hat. Ebenso nahe liegt der Schluss, dass der auf die linke Spur gewechselte Fahrzeugführer gegen die hohen Sorgfaltsanforderungen des § 7 Abs. 5 StVO verstoßen hat und sich der auffahrende Fahrzeugführer nicht mehr auf die vorangegangene Fahrbewegung hat einstellen und den Sicherheitsabstand einhalten können.
13
4. Nach allem hat das Landgericht zu Recht sowohl einen Anscheinsbeweis zu Lasten des Klägers als auch zu Lasten der Beklagten verneint. Auf der Grundlage der Nichterweislichkeit des genauen Unfallhergangs ist aus revisionsrechtlicher Sicht auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht eine hälftige Schadensteilung vorgenommen hat. Das Berufungsurteil ist mithin aufzu- heben und die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen, weil die Sache endentscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
14
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
LG Ansbach, Entscheidung vom 30.10.2009 - 3 O 10/08 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 18.06.2010 - 5 U 2335/09 -

(1) Wer abbiegen will, muss dies rechtzeitig und deutlich ankündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen. Wer nach rechts abbiegen will, hat sein Fahrzeug möglichst weit rechts, wer nach links abbiegen will, bis zur Mitte, auf Fahrbahnen für eine Richtung möglichst weit links, einzuordnen, und zwar rechtzeitig. Wer nach links abbiegen will, darf sich auf längs verlegten Schienen nur einordnen, wenn kein Schienenfahrzeug behindert wird. Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist.

(2) Wer mit dem Fahrrad nach links abbiegen will, braucht sich nicht einzuordnen, wenn die Fahrbahn hinter der Kreuzung oder Einmündung vom rechten Fahrbahnrand aus überquert werden soll. Beim Überqueren ist der Fahrzeugverkehr aus beiden Richtungen zu beachten. Wer über eine Radverkehrsführung abbiegt, muss dieser im Kreuzungs- oder Einmündungsbereich folgen.

(3) Wer abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge durchfahren lassen, Schienenfahrzeuge, Fahrräder mit Hilfsmotor, Fahrräder und Elektrokleinstfahrzeuge auch dann, wenn sie auf oder neben der Fahrbahn in der gleichen Richtung fahren. Dies gilt auch gegenüber Linienomnibussen und sonstigen Fahrzeugen, die gekennzeichnete Sonderfahrstreifen benutzen. Auf zu Fuß Gehende ist besondere Rücksicht zu nehmen; wenn nötig, ist zu warten.

(4) Wer nach links abbiegen will, muss entgegenkommende Fahrzeuge, die ihrerseits nach rechts abbiegen wollen, durchfahren lassen. Einander entgegenkommende Fahrzeuge, die jeweils nach links abbiegen wollen, müssen voreinander abbiegen, es sei denn, die Verkehrslage oder die Gestaltung der Kreuzung erfordern, erst dann abzubiegen, wenn die Fahrzeuge aneinander vorbeigefahren sind.

(5) Wer ein Fahrzeug führt, muss sich beim Abbiegen in ein Grundstück, beim Wenden und beim Rückwärtsfahren darüber hinaus so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls muss man sich einweisen lassen.

(6) Wer ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t innerorts führt, muss beim Rechtsabbiegen mit Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn auf oder neben der Fahrbahn mit geradeaus fahrendem Radverkehr oder im unmittelbaren Bereich des Einbiegens mit die Fahrbahn überquerendem Fußgängerverkehr zu rechnen ist.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts Homburg vom 2. Dezember 2009 – 7 C 238/07 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert, und die Beklagten werden unter Klageabweisung im Übrigen gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 730,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.747,62 EUR vom 6. Juni 2007 bis zum 25. Oktober 2007 und aus 730,35 EUR seit dem 26. Oktober 2007 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten von 229,55 EUR zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen der Kläger zu 25 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 75 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 34 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu 66 %.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger macht Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am ... gegen 12.40 Uhr in ..., ... – auf dem ... – ereignete.

Die ... wird auf beiden Seiten von einem Bürgersteig und quer zur Fahrbahn verlaufenden Parktaschen gesäumt. Der Kläger und der Erstbeklagte fuhren mit ihren Pkws jeweils rückwärts aus gegenüberliegenden, schräg zueinander versetzten Parktaschen heraus. Zwischen beiden Fahrzeugen kam es zur Kollision, deren Hergang zwischen den Parteien im Einzelnen streitig ist.

Der Kläger hat behauptet, er habe gestanden, als der Erstbeklagte gegen sein Fahrzeug gestoßen sei. Die Wertminderung des Fahrzeuges belaufe sich auf 350,00 EUR.

Erstinstanzlich hat der Kläger Reparaturkosten (1.442,49 EUR netto), Wertminderung (350,00 EUR), Gutachterkosten (376,04 EUR) sowie eine Unkostenpauschale (25,00 EUR), insgesamt 2.193,53 EUR nebst vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten und Zinsen abzüglich am 25.10.2007 gezahlter 1.017,27 Euro geltend gemacht.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie behaupten, im Zeitpunkt der Kollision hätten sich beide Fahrzeuge in einer Rückwärtsbewegung befunden. Die Wertminderung belaufe sich lediglich auf 200,00 EUR.

Das Erstgericht, auf dessen Feststellung Bezug genommen wird, hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen ..., durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch Inaugenscheinnahme der Unfallörtlichkeit. Daraufhin hat es die Beklagten auf der Annahme einer hälftigen Schadensteilung zur Zahlung weiterer 75,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.06.2007 sowie zur Zahlung außergerichtlicher Kosten in Höhe von 155,30 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Erstgericht im Wesentlichen ausgeführt, beide Seiten hätten gegen die ihnen obliegenden Sorgfaltspflichten nach §§ 1 Abs. 2, 9 Abs. 5 und 10 StVO verstoßen. Der Umstand, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden habe, rechtfertige keine andere Haftungsquotelung. Beide Parteien müssten ungefähr zur gleichen Zeit ihre Rückfahrmanöver begonnen haben. Eine Ausnahme vom Grundsatz der hälftigen Schadensteilung könne bei Kollision zweier rückwärts fahrender Fahrzeuge nur dann gelten, wenn ein Fahrzeug bereits längere Zeit gestanden hat, bevor es zur Kollision kam. Das Halten für ein bis zwei Sekunden stelle in jedem Fall keinen ausreichenden Zeitraum dar, der eine andere Haftungsverteilung rechtfertige.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter. Er macht geltend, eine etwaige Verletzung seiner Sorgfaltspflichten sei nicht unfallursächlich geworden, da er im Unfallzeitpunkt gestanden habe. Er beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 1.101,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.6.2007 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von weiteren 117,57 EUR zu zahlen.

Die Beklagten verteidigen die angefochtene Entscheidung und beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nur in dem tenorierten Umfang begründet. Der Kläger hat 20% seines Schadens selbst zu tragen.

1. Zu Recht ist das Erstgericht zunächst davon ausgegangen, dass sowohl die Beklagten als auch der Kläger grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gem. §§ 7, 18 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 3 Pflichtversicherungsgesetz a.F. einzustehen haben, weil die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG darstellte. Soweit der Berufungskläger meint, der Unfall sei für ihn unabwendbar gewesen, vermag dies nicht zu überzeugen. Ein unabwendbares Ereignis setzt nämlich voraus, dass der Unfall auch bei Einhaltung der äußersten möglichen Sorgfalt durch einen Idealfahrer nicht abgewendet werden kann. Hierzu gehört ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln erheblich über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 BGB hinaus (vgl. zu § 7 Abs. 2 StVG a.F.: BGHZ 117, 337; Urteil vom 23. September 1986 – VI ZR 136/85 – VersR 1987, 158, 159 m.w.N.; BGHZ 113, 164, 165). Dass der Kläger derart sorgfältig gehandelt hätte, kann nicht zugrunde gelegt werden. Insbesondere ist nicht auszuschließen, dass ein Idealfahrer an seiner Stelle erkannt hätte, dass der im Beklagtenfahrzeug sitzende Erstbeklagte möglicherweise gleichfalls ausparken wollte und im Hinblick darauf abgewartet hätte, wie sich der Erstbeklagte weiter verhielt.

2. Das Erstgericht hat ferner einen Verkehrsverstoß des Erstbeklagten angenommen. Dies ist im Ergebnis zutreffend.

a) Zu Recht ist die Erstrichterin zunächst von einer zumindest entsprechenden Anwendbarkeit der Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) ausgegangen. Zwar unterliegen Verkehrsflächen den Regeln der StVO unmittelbar nur dann, wenn sie dem öffentlichen Verkehr dienen, wenn also die Fläche auch für Dritte allgemein zugänglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2004 – 4 StR 160/04 – DAR 2004, 529; BGH, Urteil vom 9. Oktober 1962 – VI ZR 249/61, NJW 1963, 152; Urteile der Kammer vom 18. Dezember 2008 – 13 S 178/08 und vom 9. April 2010 – 13 S 248/09). Ob das Gelände der ... – wie das Erstgericht unangegriffen angenommen hat – diese Voraussetzung nicht erfüllt, bedarf vorliegend indes keiner abschließenden Entscheidung. Die Bestimmungen der StVO sind nämlich auch außerhalb des öffentlichen Verkehrsgrundes für die Beurteilung der zivilrechtlichen Haftung entsprechend anzuwenden, soweit dies bei den gegebenen örtlichen Verhältnissen möglich ist und der Verfügungsberechtigte keine andere Anordnung getroffen hat (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 14. Mai 1981 – 9 U 81/80 – VersR 1982, 556; Geigel/Zieres, Der Haftpflichtprozess, 25. Aufl., Kap. 27 Rdn. 32; Kammer, Urteil vom 9.4.2010 – 13 S 248/09). So liegt es hier. Ausweislich der von dem Sachverständigen ... gefertigten Lichtbilder ereignete sich der Unfall im Bereich einer als Fahrstraße mit beiderseitigem Bürgersteig und angrenzenden Parkbuchten ausgestalteten Fläche. Diese entsprach baulich einer öffentlichen Straße und war überdies mit einer der StVO entsprechenden Beschilderung (z.B. Fußgängerüberweg, Tempo-30-Zone) versehen, so dass die StVO zumindest entsprechend anwendbar ist.

b) Soweit das Erstgericht angenommen hat, der Unfall sei durch einen Verstoß des Erstbeklagten gegen §§ 9 Abs. 5, 10 StVO verursacht worden, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Im Verhältnis der hiesigen Parteien untereinander kommen diese Vorschriften nicht zur Anwendung, weil die Parteien vom Schutzbereich dieser Normen nicht erfasst werden.

aa) Ungeachtet der Frage, ob – wie bisher überwiegend angenommen – § 10 Satz 1 StVO ausschließlich den fließenden Verkehr schützt (vgl. OLG Hamm, VRS 45, 461; KG VRS 107, 96; Urteil der Kammer vom 14. November 2008 – 13 S 180/08; Hentschel/König, Straßenverkehrsrecht, 39. Aufl. § 10 StVO Rdn. 7 f.) oder ob, wie der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift nahelegen, alle Nutzer der öffentlichen Fahrbahn einschließlich Rad- und Fußgängerwegen von dem Schutzbereich der Vorschrift erfasst werden (so Jagow/Burmann/Heß, Straßenverkehrsrecht, 20. Aufl. § 10 StVO Rdn. 2; nun auch Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl. § 10 StVO Rdn. 4, jew. m.w.N.), ist es einhellige Ansicht, dass § 10 StVO im Verhältnis zweier einander gegenüber in die Straße Einfahrenden keine Anwendung findet (vgl. unter Verweis auf die Entscheidung des OLG Hamm aaO etwa Jagow/Burmann/Heß aaO; Hentschel/König/Dauer aaO jew. m.w.N,). Dies erscheint sachlich schon deshalb gerechtfertigt, weil das Einfahren aus einem Grundstück für den sich auf der Straße befindlichen, insbesondere den fließenden Verkehr, der sich typischerweise dadurch auszeichnet, dass in ihm auch mit höheren Geschwindigkeiten gefahren wird, eine besondere Gefahrensituation begründet. Das Einfahren aus einem Grundstück kann nämlich ein plötzliches Hindernis begründen, mit dem der fließende Verkehr nicht rechnet und auf das er gegebenenfalls nicht mehr rechtzeitig reagieren kann. Gleiches kann zum Beispiel für Fußgänger auf Gehwegen gelten, die zwar nicht Teil des fließenden Verkehr sind, dennoch ebenso wie dieser mit plötzlichen Hindernissen durch einfahrende Fahrzeuge nicht rechnen müssen. Demgegenüber hat der in die Fahrbahn einfahrende Kraftfahrer seinerseits mit Blick auf die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer die höchstmögliche Sorgfalt einzuhalten. Er muss daher auch mit plötzlichen Hindernissen rechnen und sich so verhalten, dass er notfalls sofort anhalten kann und dabei jede Gefährdung anderer ausgeschlossen ist. Sein Vertrauen ist von vorneherein so eingeschränkt, dass er gerade nicht des besonderen Schutzes des § 10 StVO bedarf. Im Verhältnis zu einem ebenfalls gerade in die Fahrbahn einfahrenden Verkehrsteilnehmer sind die Sorgfaltspflichten der beiden Einfahrenden angenähert, so dass sie sich insoweit am Maßstab des § 1 Abs. 2 StVO und des darin enthaltenen Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme zu orientieren haben.

bb) Gleiches muss im Verhältnis der Parteien untereinander für die Vorschrift des § 9 Abs. 5 StVO gelten, der ein Höchstmaß an Vorsicht von dem Rückwärtsfahrenden verlangt. Auch diese Regelung dient primär dem Schutz des fließenden, regelmäßig schnelleren Verkehrs (vgl. OLG Koblenz DAR 2000, 84; OLG Stuttgart NJW 2004, 2255; Hentschel/König/Dauer aaO, § 9 StVO Rdn. 44; Jagow/Burmann/Heß aaO, § 9 StVO Rdn. 52; vgl. auch Urteil der Kammer vom 12. Februar 2010 – 13 S 239/09), nicht aber dem gerade in die Fahrbahn einfahrenden Verkehrsteilnehmer, der seinerseits – anders als der bereits auf der Fahrbahn befindliche Verkehr – wegen der Gefährlichkeit des Fahrmanövers ein Höchstmaß an Sorgfalt einzuhalten hat.

c) Soweit das Erstgericht daneben angenommen hat, der Erstbeklagte habe gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot nach § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, ist dies dagegen zutreffend. Nach dieser Vorschrift muss sich ein Verkehrsteilnehmer so verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr als unvermeidbar behindert oder belästigt wird. Ohne dass es insofern einer abschließenden Beschreibung der hiernach gebotenen Sorgfaltsanforderungen bedürfte, oblag es dem Beklagten hiernach jedenfalls, beim Ausparken den rückwärtigen Verkehrsraum zu überblicken und den Rangiervorgang nur einzuleiten bzw. fortzusetzen, soweit er dies tun konnte, ohne mit dem Kläger zu kollidieren. Indem der Erstbeklagte in das stehende Fahrzeug des Klägers fuhr, verstieß er gegen diese Sorgfaltspflicht.

3. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts kann demgegenüber ein Sorgfaltspflichtverstoß des Klägers nicht festgestellt werden. Auch für diesen kommen im Verhältnis zum Erstbeklagten § 9 Abs. 5 und § 10 StVO als Sorgfaltsmaßstab nicht zur Anwendung. Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO scheitert daran, dass der Kläger sein Fahrzeug – wie geboten – vorkollisionär zum Stehen gebracht hat und ihm auch im Übrigen kein nachweislicher Sorgfaltsverstoß zur Last gelegt werden kann.

a) Soweit die Erstrichterin in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Kollision seit ca. ein bis zwei Sekunden gestanden habe, begegnet dies keinen Bedenken. In tatsächlicher Hinsicht ist das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinne ist jeder objektivierbare, rechtliche und tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen. Bloße subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte wollte der Gesetzgeber ausschließen (vgl. BGHZ 164, 330, 332 m.w.N.). Konkrete Anhaltspunkte, die solche Zweifel begründen und eine erneute Feststellung gebieten könnten, liegen nicht vor. In ihrer Beweiswürdigung hat sich die Erstrichterin vielmehr entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt ohne gegen Denk- oder Erfahrungsgesetze zu verstoßen und dabei insbesondere auch die Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Zeugen... nachvollziehbar gewürdigt.

b) Das Erstgericht hat hieraus gleichwohl eine Sorgfaltspflichtverletzung des Klägers mit der Begründung abgeleitet, es spreche ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Zurücksetzenden, wenn die Kollision in engem zeitlichem und räumlichem Zusammenhang mit dem Zurücksetzen erfolgt ist und nicht nachgewiesen werden kann, dass der Zurücksetzende zum Kollisionszeitpunkt bereits längere Zeit zum Stehen gekommen war. Diese Auffassung, die in Übereinstimmung mit einer gefestigten Rechtsprechung steht (vgl. KG VRS 108, 190; OLG Köln DAR 2006, 27; LG Bochum VRR 2009, 304; LG Bonn, Urteil vom 21. Januar 2009 – 10 S 107/08, zitiert nach juris; LG Bad Kreuznach ZfSch 2007, 559; LG Arnsburg, Urteil vom 27.9.2005 – 5 S 58/05, zitiert nach juris; LG Kleve, Urteil vom 11. November 2009 – 5 S 88/09, zitiert nach juris; AG Hamburg Schaden-Praxis 2006, 416; Nugel jurisPR-VerkR 1/2010, Anm. 3), kann nach Auffassung der Kammer – wie hier – außerhalb des unmittelbaren Anwendungsbereichs von § 9 Abs. 5 StVO keine uneingeschränkte Geltung beanspruchen.

aa) Für den fließenden Verkehr stellt sich ein rückwärts fahrendes Fahrzeug stets als potentielles Hindernis dar, mit dem nicht gerechnet werden muss. Bei einem Unfall, der sich im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit der Rückwärtsbewegung eines Fahrzeuges erfolgt, kann daher typischerweise davon ausgegangen werden, dass sich die Gefahr des Rückwärtsfahrens realisiert hat und deshalb ein Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden spricht, auch wenn dieser kurz vor der Kollision noch angehalten hatte.

bb) Im ruhenden Verkehr und insbesondere auf Parkplätzen sind diese Voraussetzungen nach Auffassung der Kammer indes nicht gegeben. Vielmehr sind die Sorgfaltspflichten der Kraftfahrer im ruhenden Verkehr angenähert. So müssen die auf Parkplätzen befindlichen Kraftfahrer stets mit ausparkenden und rückwärts fahrenden Fahrzeugen rechnen. Sie müssen daher mit Blick auf das Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Sinne des § 1 Abs. 2 StVO so vorsichtig fahren, dass sie jederzeit anhalten können (vgl. KG VRS 104, 24; OLG Hamm VRS 99, 70 ff.; Kammerurteile vom 14. November 2008 – 13 S 126/08 –, vom 13. März 2009 – 13 S 171/08 und vom 12. Februar 2010 – 13 S 239/09; Hentschel/König/Dauer aaO, § 8 StVO Rdn. 31a; § 9 Rdn. 51). Unter diesen Umständen müssen sich Verkehrsteilnehmer im ruhenden Verkehr stets auf mögliche Hindernisse, die vom Rangieren anderer Fahrzeuge ausgehen, einstellen. Die besondere Gefährdung des Rückwärtsfahrens besteht damit im ruhenden Verkehr nicht in der Schaffung eines potentiellen Hindernisses für den regelmäßig deutlich schnelleren fließenden Verkehr, sondern darin, dass der rückwärts Fahrende wegen seines eingeschränkten Gesichtsfeldes nach hinten typischerweise andere Verkehrsteilnehmer schlechter erkennen und auf drohende Gefahren deshalb schlechter reagieren kann. Diese spezifische Gefahr realisiert sich jedoch nicht, wenn der rückwärts Fahrende vor der Kollision zum Stehen kommt und dadurch der ihm obliegenden Pflicht zum jederzeitigen Anhalten gerecht wird (vgl. hierzu bereits Kammer, Urteil vom 12. Februar 2010 – 13 S 239/09). Die bloße Schaffung eines Hindernisses für den anderen Verkehrsteilnehmer hat angesichts der gesteigerten Sorgfaltspflichten im ruhenden Verkehr keinen spezifischen Bezug zum Rückwärtsfahren, sondern wäre nicht anders zu beurteilen, wenn der Kläger vorwärts anstatt rückwärts gefahren wäre. Diese Auffassung steht im Übrigen auch in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung der Kammer, wonach der Kraftfahrer auch beim Einparken in eine Parklücke seinen Pflichten zur besonderen Vorsicht und jederzeitigen Anhalten genügt, wenn er zum Stehen kommt, ehe die Tür des auf der benachbarten Parktasche stehenden Fahrzeugs geöffnet wird (Kammer, Urteile vom 29. Mai 2009 – 13 S 181/08 – und vom 27. November 2009 – 13 S 174/09).

cc) Auch wenn sich der Unfall vorliegend nicht auf einem Parkplatz ereignet hat, auf dem – anders als am Kollisionsort – kein fließender Verkehr stattfindet, sind die Sorgfaltsanforderungen der beiden am Unfall beteiligten Kraftfahrer im Verhältnis untereinander hier nicht abweichend zu beurteilen. Beide hatten sich im Kollisionszeitpunkt noch nicht in den fließenden Verkehr eingeordnet und unterlagen daher gegenüber dem fließenden Verkehr den besonderen Sorgfaltspflichten der §§ 9 Abs. 5, 10 StVO. Im Verhältnis zueinander oblagen ihnen jedoch andere Reaktionspflichten als dem fließenden Verkehr, von dem ein jederzeitiges Anhalten gerade nicht erwartet werden kann. Ebenso wie auf einem Parkplatz waren sie beide zu besonderer Achtsamkeit verpflichtet; die wechselseitigen Sorgfaltspflichten waren mithin einander angenähert, das wechselseitige Vertrauen in die Sorgfalt des jeweils anderen ausbalanciert. Hier einen strengeren Maßstab als auf einem Parkplatz anzulegen, widerspräche der Wertung, dass sich der Verkehr gerade auf einem Parkplatz in besonderem Maße auf die vom Rangieren des Parkverkehrs ausgehenden Gefahren einstellen muss. Dann genügt es, wenn der Zurücksetzende in Beachtung seiner Verpflichtung zur besonderen Achtsamkeit rechtzeitig vor der Kollision zum Stehen kommt. Hielten nämlich beide Fahrzeugführer diese Sorgfaltspflicht ein, würde durch ein sofortiges vorkollisionäres Anhalten eine Kollision ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankommt, wie lange der Zurücksetzende bereits angehalten hatte. Ein Anscheinsbeweis für sein Verschulden wird damit durch den Nachweis erschüttert, dass er zumindest im Zeitpunkt der Kollision gestanden hatte.

c) Auch einen sonstigen Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO kann dem Kläger von Seiten des Beklagten, der insoweit darlegungs- und beweisbelastet ist, nicht nachgewiesen werden.

aa) Zwar gebietet die gesteigerte Sorgfaltspflicht im ruhenden Verkehr unabhängig von den spezifischen Pflichten des Rückwärtsfahrens auch, dass der Kraftfahrer so vorsichtig fährt, dass er kein plötzliches Hindernis für andere Verkehrsteilnehmer bildet. Das gilt insbesondere beim Ausparken aus einer Parktasche, und zwar auch gegenüber einem Verkehrsteilnehmer, der aus einer gegenüberliegenden Parktasche ausparken will. Wollen zwei Verkehrsteilnehmer ausparken und genügt der zur Verfügung stehende Raum nicht für ein gleichzeitiges Ausparken, haben sie sich miteinander zu verständigen (vgl. Hentschel/König/Dauer aaO, § 8 Rdn. 31a).

bb) Für eine solche Verständigungspflicht ist allerdings nur dann Raum, wenn der Ausparkende vor oder während seines Ausparkens erkennen kann, dass der andere Verkehrsteilnehmer ebenfalls ausparken will – etwa weil sich dieser gleichfalls in Bewegung setzt. Dass der Erstbeklagte bis zum Stillstand des Klägers bereits mit dem Ausparken begonnen hätte, ist jedoch nicht erwiesen. Soweit das Erstgericht annimmt, innerhalb der Standzeit des Klägers von ca. 1-2 Sekunden habe der Erstbeklagte die Kollisionsstelle nicht von seiner Parktasche aus erreichen können, trägt das Ergebnis der Beweisaufnahme diese Feststellung nicht. Da das Fahrzeug des Erstbeklagten nach den Angaben des Klägers wie auch nach den vom Erstgericht als glaubhaft angesehenen Bekundungen des Zeugen ... nur leicht versetzt in einer Parktasche stand, ist es möglich, dass der Erstbeklagte nur einen vergleichsweise geringen Weg über die Gegenfahrbahn zurücklegen musste, um das klägerische Fahrzeug zu erreichen. Dass er bereits zuvor durch Einlegen des Rückwärtsgangs oder Setzen des Fahrtrichtungsanzeigers seine Absicht auszuparken signalisiert hätte, ist nicht ersichtlich. Unter diesen Umständen lässt sich nicht verlässlich ausschließen, dass der Erstbeklagte innerhalb von bis zu zwei Sekunden bis zu dem bereits ausgeparkten Fahrzeug des Klägers gelangen konnte und der Kläger vor dem Abschluss seines Rangiermanövers nicht erkennen konnte, dass der Erstbeklagte gleichfalls ausparken wollte.

4. Im Rahmen der danach gemäß § 17 Abs. 1, 2 StVG gebotenen Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile der Unfallbeteiligten, bei der zu Lasten einer Partei nur erwiesene oder sonst feststehende Tatsachen berücksichtigt werden können (vgl. BGH VersR 2000, 1294; VersR 1995, 357) kann zu Lasten des Klägers daher kein Sorgfaltsverstoß angenommen werden. Jedoch führt die mitwirkende Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeuges zu einer Haftungsminderung von 20 %, da der Unfall für den Kläger nicht unabwendbar war und den Erstbeklagten nicht der Vorwurf eines grob verkehrswidrigen Verhaltens trifft, hinter dem die mitwirkende Betriebsgefahr ganz zurücktreten müsste.

5. Danach kann der Kläger seinen Schaden in Höhe von erstinstanzlich unangegriffen ermittelten 1.442,49 EUR (Reparaturkosten) + Sachverständigenkosten (367,04 EUR) + Wertminderung (350,00 EUR) + 25,00 EUR (Unkostenpauschale) = 2.184,53 EUR in Höhe von 80 %, entsprechend 1.747,62 EUR erstattet verlangen. Abzüglich hierauf bereits gezahlter 1.017,27 EUR stehen dem Kläger noch 730,35 EUR zu. Ferner kann der Kläger gemäß § 288 ZPO aus der ihm zustehenden Hauptforderung Verzugszinsen seit dem 6. Juni 2007 beanspruchen, soweit die Beklagten gezahlt haben, jedoch nur bis zum Zeitpunkt der Zahlung. Erstattungsfähig sind ferner vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten aus 1.747,62 EUR nach § §§ 2, 13 RVG, Nrn. 2300, 7002, 7008 VVRVG in Höhe von 1,3 x 133,00 EUR + 20,00 EUR (Pauschale) + 36,65 (USt.) = 229,55 EUR.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 91a ZPO, wobei erstinstanzlich die Kosten hinsichtlich des teilweise übereinstimmend für erledigt erklärten Betrages zu Lasten der Beklagten gehen, da die insoweit ursprünglich begründete Klage durch Zahlung nach Rechtshängigkeit unbegründet wurde.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage, nach welchen Maßstäben sich die Sorgfaltspflichten zweier beim Ausparken kollidierender Fahrzeuge richten, insbesondere ob ein Unfallbeteiligter seinen Pflichten genügt hat, wenn er vor der Kollision zum Stillstand kommt, wird in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen relevant. Die Zulassung ist auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, da die Entscheidung in vorstehender, entscheidungserheblicher Frage von einer gefestigten Rechtsprechung abweicht.

(1) Wird ein Schaden durch mehrere Kraftfahrzeuge verursacht und sind die beteiligten Fahrzeughalter einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet, so hängt im Verhältnis der Fahrzeughalter zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.

(2) Wenn der Schaden einem der beteiligten Fahrzeughalter entstanden ist, gilt Absatz 1 auch für die Haftung der Fahrzeughalter untereinander.

(3) Die Verpflichtung zum Ersatz nach den Absätzen 1 und 2 ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wird, das weder auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kraftfahrzeugs noch auf einem Versagen seiner Vorrichtungen beruht. Als unabwendbar gilt ein Ereignis nur dann, wenn sowohl der Halter als auch der Führer des Kraftfahrzeugs jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat. Der Ausschluss gilt auch für die Ersatzpflicht gegenüber dem Eigentümer eines Kraftfahrzeugs, der nicht Halter ist.

(4) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 sind entsprechend anzuwenden, wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier oder durch ein Kraftfahrzeug und eine Eisenbahn verursacht wird.

(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt hat sich so zu verhalten, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 302/08 Verkündet am:
22. Juni 2010
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 249 Abs. 2 Satz 1 Hb, 254 Abs. 2 Satz 1 Dc

a) Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen
Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249
Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung
die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt
zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger
auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

b) Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der
Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere
Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen
"freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist
, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der
Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn
er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die
diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar
machen würden.
BGH, Urteil vom 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08 - LG Mannheim
AG Schwetzingen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis 25. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den
Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin
von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 24. Oktober 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 3. Juli 2007 in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein zum Unfallzeitpunkt mehr als zehn Jahre alter Audi Quattro mit einer Laufleistung von über 190.000 km, beschädigt wurde. Die Haftung des Beklagten zu 1 als Fahrer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs und der Beklagten zu 2 als Haftpflichtversicherer steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch um die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer von der Beklagten zu 2 benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt verweisen lassen muss oder ob er auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Vertragswerkstatt erstattet verlangen kann.
2
Die Beklagte zu 2 legte ihrer Schadensberechnung die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von ihr benannten Reparaturwerkstatt zugrunde und kürzte deshalb die im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Reparaturkosten um insgesamt 669,85 €. Dieser Differenzbetrag nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten sind Gegenstand der vorliegenden Klage.
3
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der Kläger seiner fiktiven Schadensabrechnung nicht die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen dürfe. Vielmehr müsse er sich auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von der Beklagten zu 2 benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt M. verweisen lassen. Bei der von der Beklagten zu 2 insoweit aufgezeigten Reparaturmöglichkeit handle es sich um einen tatsächlich wahrnehmbaren Weg der Beseitigung des aufgetretenen Schadens, der dem Kläger zumutbar sei. Die Firma M. befinde sich in einer Entfernung von nur 5,5 km von seinem Wohnort und liege diesem damit näher als die nächste markengebundene Werkstatt. Eine bei der Firma M. durchgeführte Reparatur sei einer durch eine markengebundene Fachwerkstatt durchgeführten Reparatur auch gleichwertig. Die Firma M. unterhalte eine DEKRA- zertifizierte Werkstatt, die von einem Meister geführt werde. Die Reparaturen würden nach den Empfehlungen und Richtlinien der Hersteller unter Verwendung von Originalersatzteilen durchgeführt. Die Schäden an dem Pkw des Klägers seien nicht so, dass ihre Behebung spezielle Erfahrungen gerade mit Fahrzeugen der Marke Audi erfordere. Die Kammer teile jedenfalls für Fahrzeuge , die ein Alter von mehr als zehn Jahren aufwiesen, nicht die Auffassung, dass der potentielle Käufer auf dem Gebrauchtwagenmarkt mit dem Besuch von Markenwerkstätten eine über den technischen Zustand hinausgehende besondere Werthaltigkeit verbinde und sich die Reparatur eines Schadens durch eine Markenwerkstatt positiv auf die Preisbildung auswirke. Durch die vorgenommene Abrechnungsweise werde der Kläger auch nicht schlechter gestellt, als ein Geschädigter, der sein Fahrzeug reparieren lasse. Denn auch dieser müsse sich auf die zumutbare Möglichkeit einer gleichwertigen Schadensbeseitigung durch eine nicht markengebundene Fachwerkstatt verweisen lassen, wenn ihm diese vor Erteilung des Reparaturauftrags konkret nachgewiesen werde.

II.

5
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
1. Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen vom 20. Oktober 2009 (- VI ZR 53/09 - VersR 2010, 225, z.V.b. in BGHZ) und vom 23. Februar 2010 (- VI ZR 91/09 - z.V.b.) grundsätzlich Stellung dazu bezogen, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter, der den Ersatz fiktiver Reparaturkosten begehrt, gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen kann. Da- nach leistet der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO Rn. 8).
7
Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 9; vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09 - Rn. 9). Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war (Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 14). Aber auch bei Kraftfahrzeugen , die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 15).
8
2. Mit diesen Grundsätzen steht das Berufungsurteil nicht im Einklang. Zwar entspricht die Reparatur in der von der Beklagten zu 2 benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt M. nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt. Nach den bisherigen Feststellungen erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass es dem Kläger gleichwohl unzumutbar war, sein Fahrzeug bei der Firma M. reparieren zu lassen. Denn nach der Behauptung des Klägers, die mangels tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich zugrunde zu legen war, hatte der Kläger sein Fahrzeug bei der markengebundenen Fachwerkstatt V. gekauft , es dort warten und alle erforderlichen Reparaturen dort durchführen lassen. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die insoweit erforderlichen Feststellungen treffen kann. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
AG Schwetzingen, Entscheidung vom 30.05.2008 - 1 C 6/08 -
LG Mannheim, Entscheidung vom 24.10.2008 - 1 S 95/08 -

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 53/09 Verkündet am:
20. Oktober 2009
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
BGB §§ 249 Hb, 254 Abs. 2 A

a) Der Geschädigte darf seiner (fiktiven) Schadensberechnung grundsätzlich
die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt
zugrunde legen, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger
auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Bestätigung des Senatsurteils
BGHZ 155, 1 ff.).

b) Will der Schädiger den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht
im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere
Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen
"freien Fachwerkstatt" verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen
, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her
der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht.

c) Zur Frage, unter welchen Umständen es dem Geschädigten gleichwohl unzumutbar
sein kann, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit
außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen.
BGH, Urteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - LG Würzburg
AG Würzburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 20. Oktober 2009 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Zoll,
Wellner und Stöhr sowie die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Würzburg vom 21. Januar 2009 (nicht: 17. Dezember 2008 - insoweit wird der verkündete Tenor berichtigt , § 319 ZPO) aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens , an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger macht gegen den Beklagten restlichen Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend. Dabei wurde das Fahrzeug des Klägers, ein zum Unfallzeitpunkt ca. 9 ½ Jahre alter VW Golf mit einer Laufleistung von über 190.000 km, beschädigt.
2
Die Haftung des Beklagten steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch um die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer ihm vom Schädiger bzw. von dessen Haftpflichtversicherer benannten "freien Karosseriefachwerkstatt" verweisen lassen muss oder ob er auf der Grundlage des von ihm vorgelegten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen VW-Fachwerkstatt erstattet verlangen kann.
3
Der Haftpflichtversicherer des Beklagtenfahrzeugs hat die Stundenverrechnungssätze (Arbeitslohn und Lackierkosten) entsprechend den günstigeren Preisen der benannten freien Reparaturwerkstatt um insgesamt 220,54 € gekürzt. Dieser Differenzbetrag nebst Zinsen ist Gegenstand der vorliegenden Klage.
4
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung des Klägers hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage antragsgemäß stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte eine Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass ein Geschädigter auch bei fiktiver Abrechnung der Reparaturkosten auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen dürfe und sich nicht auf etwa günstigere Stundenverrechnungssätze einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen lassen müsse. Zwar habe der Bundesgerichtshof in seinem "Porsche-Urteil" vom 29. April 2003 - VI ZR 398/02 - BGHZ 155, 1 ff. ausgeführt, dass der Geschädigte , der eine ihm mühelos und ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit habe, sich auf diese verweisen lassen müsse. Auch könne im Streitfall davon ausgegangen werden, dass die Reparaturarbeiten durch die seitens des Haftpflichtversicherers des Beklagten benannte Werkstatt "rein technisch betrachtet" gleichwertig erbracht werden könnten. Jedoch könne bei der Ermittlung der Reichweite des Begriffs der "Gleichwertigkeit" im Sinne der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht allein auf die technische Vergleichbarkeit abgestellt werden. Vielmehr müsse der in der Praxis honorierte wertbildende Faktor einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt Berücksichtigung finden, um der Dispositionsbefugnis und der dem Geschädigten zustehenden Ersetzungsbefugnis in ausreichender Weise gerecht zu werden.

II.

6
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
7
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend von dem Senatsurteil BGHZ 155, 1 ff. (sog. Porsche-Urteil) ausgegangen, in welchem der Senat entschieden hat, dass der Geschädigte, der fiktive Reparaturkosten abrechnet, der Schadensberechnung grundsätzlich die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen darf.
8
Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, kann der Geschädigte vom Schädiger gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag beanspruchen. Was insoweit erforderlich ist, richtet sich danach, wie sich ein verständiger, wirtschaftlich denkender Fahrzeugeigentümer in der Lage des Geschädigten verhalten hätte (vgl. Senatsurteile BGHZ 61, 346, 349 f.; 132, 373, 375 f.; vom 4. Dezember 1984 - VI ZR 225/82 - VersR 1985, 283, 284 f. und vom 15. Februar 2005 - VI ZR 74/04 - VersR 2005, 568). Der Geschädigte leistet im Reparaturfall dem Gebot zur Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (vgl. Senatsurteil BGHZ 155, 1,3). Wählt der Geschädigte den vorbeschriebenen Weg der Schadensberechnung und genügt er damit bereits dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB, so begründen besondere Umstände, wie das Alter des Fahrzeuges oder seine Laufleistung keine weitere Darlegungslast des Geschädigten.
9
2. In seinem Urteil BGHZ 155, 1 ff. ist der Senat dem dortigen Berufungsgericht vom Ansatz her allerdings auch in der Auffassung beigetreten, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Rechnet der Geschädigte - konkret oder fiktiv - die Kosten der Instandsetzung als Schaden ab und weist er die Erforderlichkeit der Mittel durch eine Reparaturkostenrechnung oder durch ein ordnungsgemäßes Gutachten eines Sachverständigen (vgl. BGHZ, aaO S. 4) nach, hat der Schädiger die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB ergibt.
10
a) Welche konkreten Anforderungen in diesem Zusammenhang an eine "gleichwertige" Reparaturmöglichkeit zu stellen sind, konnte im vorgenannten Senatsurteil offen bleiben, weil der dort vom Berufungsgericht der Schadensab- rechnung zugrunde gelegte abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region als statistisch ermittelte Rechengröße nicht den zur Wiederherstellung erforderlichen Betrag repräsentierte. Im vorliegenden Fall ist die Frage jedoch von Bedeutung, weil nach dem im Streitstand des Berufungsurteils referierten Vortrag des Beklagten die aufgezeigte, dem Kläger ohne Weiteres zugängliche Karosseriefachwerkstatt in der Lage ist, die Reparatur ebenso wie jede markengebundene Fachwerkstatt durchzuführen. Da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - die vom Kläger zulässigerweise (vgl. § 138 Abs. 4 ZPO) mit Nichtwissen bestrittene technische Gleichwertigkeit der Reparatur, ohne Feststellungen zu treffen, lediglich unterstellt hat, ist hiervon für die rechtliche Prüfung auszugehen.
11
b) Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen es dem Geschädigten im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB bei der (fiktiven) Schadensabrechnung zumutbar ist, sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, ist in der Literatur und instanzgerichtlichen Rechtsprechung umstritten (vgl. zum Überblick über den Meinungsstand etwa Figgener NJW 2008, 1349 ff. und NZV 2008, 633 f.; Rütten, SVR 2008, 241 ff.; Balke SVR 2008, 56 ff.; Zschieschack NZV 2008, 326 ff.; Eggert Verkehrsrecht aktuell 2007, 141 ff.; Engel DAR 2007, 695 ff.; Nugel ZfS 2007, 248 ff. und Wenker VersR 2005, 917 ff.).
12
c) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist eine differenzierte Betrachtungsweise geboten, die sowohl dem Interesse des Geschädigten an einer Totalreparation als auch dem Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens angemessen Rechnung trägt.
13
aa) Die Zumutbarkeit für den Geschädigten, sich auf eine kostengünstigere Reparatur in einer nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, setzt - wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist und was von der Revision nicht in Zweifel gezogen wird - jedenfalls eine technische Gleichwertigkeit der Reparatur voraus. Will der Schädiger mithin den Geschädigten unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht im Sinne des § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, muss der Schädiger darlegen und ggf. beweisen, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht. Dabei sind dem Vergleich die (markt-)üblichen Preise der Werkstätten zugrunde zu legen. Das bedeutet insbesondere, dass sich der Geschädigte im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht nicht auf Sonderkonditionen von Vertragswerkstätten des Haftpflichtversicherers des Schädigers verweisen lassen muss. Andernfalls würde die ihm nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die ihm die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eröffnet (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 189, 194 f.; vom 21. Januar 1992 - VI ZR 142/91 - VersR 1992, 457; vom 6. April 1993 - VI ZR 181/92 - VersR 1993, 769 und vom 12. Juli 2005 - VI ZR 132/04 - VersR 2005, 1448, 1449). Dies entspricht dem gesetzlichen Bild des Schadensersatzes , nach dem der Geschädigte Herr des Restitutionsgeschehens ist und grundsätzlich selbst bestimmen darf, wie er mit der beschädigten Sache verfährt (vgl. Senatsurteile BGHZ 143, 189, 194 f. und vom 12. Juli 2005 - VI ZR 132/04 - aaO).
14
bb) Steht unter Berücksichtigung dieser Grundsätze die Gleichwertigkeit der Reparatur zu einem günstigeren Preis fest, kann es für den Geschädigten gleichwohl unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht unzumutbar sein, eine Reparaturmöglichkeit in dieser Werkstatt in Anspruch zu nehmen.
Dies gilt vor allem bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren. Denn bei neuen bzw. neuwertigen Kraftfahrzeugen muss sich der Geschädigte im Rahmen der Schadensabrechnung grundsätzlich nicht auf Reparaturmöglichkeiten verweisen lassen, die ihm bei einer späteren Inanspruchnahme von Gewährleistungsrechten , einer Herstellergarantie und/oder von Kulanzleistungen Schwierigkeiten bereiten könnten. Im Interesse einer gleichmäßigen und praxisgerechten Regulierung bestehen deshalb bei Fahrzeugen bis zum Alter von drei Jahren grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken gegen eine (generelle) tatrichterliche Schätzung der erforderlichen Reparaturkosten nach den Stundenverrechnungssätzen einer markengebundenen Fachwerkstatt.
15
cc) Bei Kraftfahrzeugen, die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten ebenfalls unzumutbar sein, sich im Rahmen der Schadensabrechnung auf eine alternative Reparaturmöglichkeit außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Denn auch bei älteren Fahrzeugen kann - wie vom Berufungsgericht im Ausgangspunkt zutreffend angenommen - die Frage Bedeutung haben, wo das Fahrzeug regelmäßig gewartet, "scheckheftgepflegt" oder ggf. nach einem Unfall repariert worden ist. Dabei besteht - wie entsprechende Hinweise in Verkaufsanzeigen belegen - bei einem großen Teil des Publikums insbesondere wegen fehlender Überprüfungsmöglichkeiten die Einschätzung, dass bei einer (regelmäßigen) Wartung und Reparatur eines Kraftfahrzeugs in einer markengebundenen Fachwerkstatt eine höhere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese ordnungsgemäß und fachgerecht erfolgt ist. Deshalb kann auch dieser Umstand es rechtfertigen, der Schadensabrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde zu legen, obwohl der Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer dem Geschädigten eine ohne Weiteres zugängliche, gleichwertige und günstigere Reparaturmöglichkeit aufzeigt. Dies kann etwa auch dann der Fall sein, wenn der Geschädigte konkret darlegt (zur sekundären Darlegungslast vgl. etwa Senatsurteil BGHZ 163, 19, 26), dass er sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen oder - im Fall der konkreten Schadensberechnung - sein besonderes Interesse an einer solchen Reparatur durch die Reparaturrechnung belegt. Dabei kann der Tatrichter u.a. nach § 142 ZPO anordnen, dass der Geschädigte oder ein Dritter die in ihrem oder seinem Besitz befindlichen Urkunden und sonstigen Unterlagen, auf die sich der Geschädigte bezogen hat, etwa das "Scheckheft" oder Rechnungen über die Durchführung von Reparatur- und/oder Wartungsarbeiten , vorlegt.
16
3. Nach diesen Grundsätzen kann das Berufungsurteil nicht Bestand haben. Da der Kläger keine erheblichen Umstände dargetan hat, nach denen ihm eine Reparatur seines 9 ½ Jahre alten Fahrzeugs außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt seiner Schadensminderungspflicht unzumutbar sein könnte, war der Beklagte nicht daran gehindert, den Kläger auf eine gleichwertige günstigere Reparaturmöglichkeit zu verweisen. Im Streitfall war das Urteil des Berufungsgerichts mithin aufzuheben und an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil das Berufungsgericht zur Frage der Gleichwertigkeit der aufgezeigten alternativen Reparaturmöglichkeit noch keine Feststellungen getroffen hat. Galke Zoll Wellner Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
AG Würzburg, Entscheidung vom 10.07.2008 - 16 C 1235/08 -
LG Würzburg, Entscheidung vom 21.01.2009 - 42 S 1799/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 302/08 Verkündet am:
22. Juni 2010
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 249 Abs. 2 Satz 1 Hb, 254 Abs. 2 Satz 1 Dc

a) Der Geschädigte leistet dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen
Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249
Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung
die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt
zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger
auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat.

b) Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der
Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere
Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen
"freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist
, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der
Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn
er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die
diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar
machen würden.
BGH, Urteil vom 22. Juni 2010 - VI ZR 302/08 - LG Mannheim
AG Schwetzingen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis 25. Mai 2010 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den
Richter Zoll, die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin
von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 24. Oktober 2008 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Ersatz restlichen Sachschadens aus einem Verkehrsunfall vom 3. Juli 2007 in Anspruch, bei dem sein Fahrzeug, ein zum Unfallzeitpunkt mehr als zehn Jahre alter Audi Quattro mit einer Laufleistung von über 190.000 km, beschädigt wurde. Die Haftung des Beklagten zu 1 als Fahrer des anderen unfallbeteiligten Fahrzeugs und der Beklagten zu 2 als Haftpflichtversicherer steht dem Grunde nach außer Streit. Die Parteien streiten nur noch um die Frage, ob sich der Kläger im Rahmen der fiktiven Abrechnung seines Fahrzeugschadens auf niedrigere Stundenverrechnungssätze einer von der Beklagten zu 2 benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt verweisen lassen muss oder ob er auf der Grundlage des von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Vertragswerkstatt erstattet verlangen kann.
2
Die Beklagte zu 2 legte ihrer Schadensberechnung die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von ihr benannten Reparaturwerkstatt zugrunde und kürzte deshalb die im Sachverständigengutachten ausgewiesenen Reparaturkosten um insgesamt 669,85 €. Dieser Differenzbetrag nebst Zinsen sowie vorgerichtliche Anwaltskosten sind Gegenstand der vorliegenden Klage.
3
Die Klage hatte in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass der Kläger seiner fiktiven Schadensabrechnung nicht die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen dürfe. Vielmehr müsse er sich auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze der von der Beklagten zu 2 benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt M. verweisen lassen. Bei der von der Beklagten zu 2 insoweit aufgezeigten Reparaturmöglichkeit handle es sich um einen tatsächlich wahrnehmbaren Weg der Beseitigung des aufgetretenen Schadens, der dem Kläger zumutbar sei. Die Firma M. befinde sich in einer Entfernung von nur 5,5 km von seinem Wohnort und liege diesem damit näher als die nächste markengebundene Werkstatt. Eine bei der Firma M. durchgeführte Reparatur sei einer durch eine markengebundene Fachwerkstatt durchgeführten Reparatur auch gleichwertig. Die Firma M. unterhalte eine DEKRA- zertifizierte Werkstatt, die von einem Meister geführt werde. Die Reparaturen würden nach den Empfehlungen und Richtlinien der Hersteller unter Verwendung von Originalersatzteilen durchgeführt. Die Schäden an dem Pkw des Klägers seien nicht so, dass ihre Behebung spezielle Erfahrungen gerade mit Fahrzeugen der Marke Audi erfordere. Die Kammer teile jedenfalls für Fahrzeuge , die ein Alter von mehr als zehn Jahren aufwiesen, nicht die Auffassung, dass der potentielle Käufer auf dem Gebrauchtwagenmarkt mit dem Besuch von Markenwerkstätten eine über den technischen Zustand hinausgehende besondere Werthaltigkeit verbinde und sich die Reparatur eines Schadens durch eine Markenwerkstatt positiv auf die Preisbildung auswirke. Durch die vorgenommene Abrechnungsweise werde der Kläger auch nicht schlechter gestellt, als ein Geschädigter, der sein Fahrzeug reparieren lasse. Denn auch dieser müsse sich auf die zumutbare Möglichkeit einer gleichwertigen Schadensbeseitigung durch eine nicht markengebundene Fachwerkstatt verweisen lassen, wenn ihm diese vor Erteilung des Reparaturauftrags konkret nachgewiesen werde.

II.

5
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
6
1. Der erkennende Senat hat in seinen Entscheidungen vom 20. Oktober 2009 (- VI ZR 53/09 - VersR 2010, 225, z.V.b. in BGHZ) und vom 23. Februar 2010 (- VI ZR 91/09 - z.V.b.) grundsätzlich Stellung dazu bezogen, unter welchen Voraussetzungen ein Geschädigter, der den Ersatz fiktiver Reparaturkosten begehrt, gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Erstattung der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen kann. Da- nach leistet der Geschädigte dem Gebot der Wirtschaftlichkeit im Allgemeinen Genüge und bewegt sich in den für die Schadensbehebung nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gezogenen Grenzen, wenn er der Schadensabrechnung die üblichen Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, die ein von ihm eingeschalteter Sachverständiger auf dem allgemeinen regionalen Markt ermittelt hat (Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO Rn. 8).
7
Der Schädiger kann den Geschädigten aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien Fachwerkstatt" verweisen, wenn er darlegt und gegebenenfalls beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt entspricht, und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar machen würden (Senatsurteile vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 9; vom 23. Februar 2010 - VI ZR 91/09 - Rn. 9). Unzumutbar ist eine Reparatur in einer "freien Fachwerkstatt" für den Geschädigten im Allgemeinen dann, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als drei Jahre war (Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 14). Aber auch bei Kraftfahrzeugen , die älter sind als drei Jahre, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Geschädigte sein Kraftfahrzeug bisher stets in der markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen (Senatsurteil vom 20. Oktober 2009 - VI ZR 53/09 - aaO, Rn. 15).
8
2. Mit diesen Grundsätzen steht das Berufungsurteil nicht im Einklang. Zwar entspricht die Reparatur in der von der Beklagten zu 2 benannten, nicht markengebundenen Reparaturwerkstatt M. nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt. Nach den bisherigen Feststellungen erscheint es aber nicht ausgeschlossen, dass es dem Kläger gleichwohl unzumutbar war, sein Fahrzeug bei der Firma M. reparieren zu lassen. Denn nach der Behauptung des Klägers, die mangels tatsächlicher Feststellungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich zugrunde zu legen war, hatte der Kläger sein Fahrzeug bei der markengebundenen Fachwerkstatt V. gekauft , es dort warten und alle erforderlichen Reparaturen dort durchführen lassen. Das Berufungsurteil war deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es die insoweit erforderlichen Feststellungen treffen kann. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
AG Schwetzingen, Entscheidung vom 30.05.2008 - 1 C 6/08 -
LG Mannheim, Entscheidung vom 24.10.2008 - 1 S 95/08 -

*

(1) Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(2) Bei Rechtsgeschäften, an denen ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

(3) Der Gläubiger kann aus einem anderen Rechtsgrund höhere Zinsen verlangen.

(4) Die Geltendmachung eines weiteren Schadens ist nicht ausgeschlossen.

(5) Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.

(6) Eine im Voraus getroffene Vereinbarung, die den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf Verzugszinsen ausschließt, ist unwirksam. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die diesen Anspruch beschränkt oder den Anspruch des Gläubigers einer Entgeltforderung auf die Pauschale nach Absatz 5 oder auf Ersatz des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ausschließt oder beschränkt, wenn sie im Hinblick auf die Belange des Gläubigers grob unbillig ist. Eine Vereinbarung über den Ausschluss der Pauschale nach Absatz 5 oder des Ersatzes des Schadens, der in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist, ist im Zweifel als grob unbillig anzusehen. Die Sätze 1 bis 3 sind nicht anzuwenden, wenn sich der Anspruch gegen einen Verbraucher richtet.

(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.

(1) Die Gebühren werden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, nach dem Wert berechnet, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat (Gegenstandswert).

(2) Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Gebühren werden auf den nächstliegenden Cent auf- oder abgerundet; 0,5 Cent werden aufgerundet.

(1) Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, beträgt bei einem Gegenstandswert bis 500 Euro die Gebühr 49 Euro. Die Gebühr erhöht sich bei einem

Gegen-
standswert
bis ... Euro
für jeden
angefangenen
Betrag von
weiteren ... Euro
um
... Euro
2 00050039
10 0001 00056
25 0003 00052
50 0005 00081
200 00015 00094
500 00030 000132
über
500 000

50 000

165


Eine Gebührentabelle für Gegenstandswerte bis 500 000 Euro ist diesem Gesetz als Anlage 2 beigefügt.

(2) Bei der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Inkassodienstleistung, die eine unbestrittene Forderung betrifft (Absatz 2 der Anmerkung zu Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses), beträgt bei einem Gegenstandswert bis 50 Euro die Gebühr abweichend von Absatz 1 Satz 1 30 Euro.

(3) Der Mindestbetrag einer Gebühr ist 15 Euro.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 237/09 Verkündet am:
19. Oktober 2010
Böhringer-Mangold,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zur Frage derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG bei
außergerichtlicher Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen gegen den
für die Verbreitung durch ein Druckerzeugnis verantwortlichen Verlag und gegen
die Verantwortlichen für die Verbreitung durch eine OnlineBerichterstattung.
BGH, Urteil vom 19. Oktober 2010 - VI ZR 237/09 - LG Berlin
AG Berlin-Mitte
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren mit
Schriftsatzfrist bis zum 20. September 2010 durch den Vorsitzenden Richter
Galke, die Richter Zoll und Wellner, die Richterin Diederichsen und den Richter
Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 16. Juni 2009 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin verlangt Erstattung eines Teils der Rechtsanwaltsgebühren, die ihr im Zusammenhang mit der Abmahnung eines in der "S. Zeitung" abgedruckten und durch die Beklagte im Internet verbreiteten Interviews entstanden sind.
2
Die Verlegerin der S. Zeitung ist die Muttergesellschaft der Beklagten. Das am 9. Juni 2007 von einem Redakteur der S. Zeitung mit dem freien Journalisten J. R. geführte Interview veröffentlichte die Beklagte unter dem Titel "Es geht auch um Beamte, die sich selbst bereicherten". Die Klägerin beanstandete die Veröffentlichung der Antwort auf die Frage des Inter- viewers: "Wer hat sich selbst bereichert?" Die Klägerin ließ sowohl die Verlegerin der S. Zeitung, in der das Interview am 11. Juni 2007 abgedruckt worden war, als auch die Beklagte durch ihre späteren Prozessbevollmächtigten mit der Aufforderung abmahnen, es künftig zu unterlassen, durch Berichterstattung den Eindruck zu erwecken, sie habe mit dem ehemaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium des Landes S. Beraterverträge abgeschlossen. Gleichzeitig verlangte sie die Erstattung entstandener Rechtsanwaltskosten. Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 verpflichteten sich die Beklagte und die Verlegerin, die Verbreitung der betreffenden Interviewäußerung zu unterlassen und klarzustellen, dass die in der Antwort genannten Beraterverträge zwischen dem ehemaligen Staatssekretär und der Klägerin nicht zustande gekommen sind.
3
Die Klägerin hat die Beklagte und in einem Parallelverfahren (Amtsgericht Az. C ) die Verlegerin jeweils auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten auf der Grundlage einer 1,3-Geschäftsgebühr (1.005,40 € zuzüglich Auslagenpauschale) und Mehrwertsteuer nach einem Gegenstandswert von 30.000 € in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage teilweise zurückgenommen , soweit sie eine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von mehr als 651,80 € nebst anteiliger Zinsen seit Rechtshängigkeit beantragt hatte. Die Beklagte hat der Klagerücknahme nicht zugestimmt. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 651,80 € nebst Zinsen verurteilt. Es hat die Revision zur Fortbildung des Rechts bzw. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen , weil von den Instanzgerichten die Frage, ob in Fällen der vorliegenden Art eine oder mehrere Angelegenheiten vorliegen, unterschiedlich beurteilt werde. Mit der Revision verfolgt die Beklagte weiter die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Klägerin durch die beanstandete Veröffentlichung in ihrem Unternehmenspersönlichkeitsrecht verletzt worden sei, weil darin der Wahrheit zuwider behauptet werde, die Klägerin habe mit dem ehemaligen Staatssekretär im Wirtschaftsministerium des Landes S. Beraterverträge abgeschlossen. Die Beauftragung der Rechtsanwälte durch die Klägerin sei zur Wahrnehmung ihrer Rechte zweckmäßig und erforderlich gewesen. Dass die Klägerin auch die Verlegerin wegen der Printveröffentlichung auf Erstattung von Anwaltskosten in Anspruch genommen hat, hindere nicht die Annahme verschiedener Angelegenheiten im gebührenrechtlichen Sinn. Bei der Verfolgung der Ansprüche einer Person wegen der Veröffentlichung eines Artikels gegen zwei Verletzer handele es sich um zwei verschiedene Angelegenheiten. Tatsächlich lägen bei unterschiedlichen Störern unterschiedliche Prüfungsaufgaben vor. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Berichterstattung durch den Verleger einer Printveröffentlichung sei von der Prüfung der Verbreiterhaftung durch den Betreiber einer Internetseite zu trennen. Der Text einer Onlineveröffentlichung könne Zusätze oder Streichungen enthalten , so dass zur Vermeidung unberechtigter Abmahnungen eine gesonderte Überprüfung der jeweiligen Veröffentlichungen erforderlich sei. Hinzu komme die Prüfung der örtlichen Zuständigkeit des gegebenenfalls anzurufenden Gerichts , da die Gerichtsstände für die Printveröffentlichung und die Onlinemeldung nicht unbedingt identisch seien. Auch die größere Übersichtlichkeit über die Verfahren rechtfertige die getrennte Verfolgung der Ansprüche.

II.

5
Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.
6
1. Die Revision ist, soweit sie sich gegen die Bejahung eines Schadensersatzanspruchs dem Grunde nach richtet, bereits unstatthaft und damit unzulässig , weil insoweit die Revision nicht zugelassen ist (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht die Zulassung auf die Höhe des zuerkannten Schadensersatzanspruchs beschränkt.
7
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, der Gegenstand eines selbständig anfechtbaren Teil- oder Zwischenurteils sein könnte oder auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, VersR 2005, 84, 86; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269, Rn. 8 und vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, WRP 2010, 1255, 1256; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, VersR 2007, 1230 Rn. 6 jeweils m.w.N.). Insbesondere kann bei einem nach Grund und Betrag streitigen Klageanspruch wie im vorliegenden Fall die Zulassung der Revision auf Fragen beschränkt werden, die allein die Höhe der geltend gemachten Forderung berühren, da in einem solchen Fall der Rechtsstreit vom Tatrichter durch ein Zwischenurteil nach § 304 ZPO in ein Grund- und ein Höheverfahren zerlegt werden kann (vgl. Senatsurteile vom 25. März 1980 - VI ZR 61/79, BGHZ 76, 397, 399; vom 30. September 1980 - VI ZR 213/79, VersR 1981, 57, 58 und vom 8. Dezember 1998 - VI ZR 66/98, VersR 1999, 245, 246).
8
b) Der Annahme einer beschränkten Revisionszulassung steht nicht entgegen , dass die Entscheidungsformel des Berufungsgerichts keine Einschrän- kung enthält. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs , dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich dies aus den Gründen der Beschränkung klar ergibt. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbständigen Teil des Streitstoffs stellt (vgl. Senatsurteile vom 19. Oktober 2004 - VI ZR 292/03, aaO; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, aaO, Rn. 9; BGH, Urteil vom 30. März 2007 - V ZR 179/06, aaO, Rn. 7; Beschlüsse vom 29. Januar 2004 - V ZR 244/03, NJW-RR 2004, 1365 und vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, WM 2010, 848, Rn. 4 jeweils m.w.N.).
9
Dies ist hier der Fall. Aus den Gründen des Berufungsurteils ergibt sich zweifelsfrei, dass das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nur im Hinblick auf die Frage bejaht hat, ob es sich bei der Abmahnung verschiedener Unterlassungsschuldner, nämlich der Verlegerin der Print-Ausgabe und der Beklagten als Verantwortlichen der Online-Ausgabe um eine oder um verschiedene Angelegenheiten im Sinne des § 15 RVG handele. Diese Rechtsfrage ist aber allein für die Höhe des Schadensersatzanspruchs entscheidungserheblich. Für den Grund ist sie hingegen bedeutungslos.
10
2. Die Revision hat in der Sache Erfolg, soweit sie zulässig ist. Das Berufungsgericht hat aufgrund einer fehlerhaften Würdigung der zugrunde liegenden Tatsachen angenommen, es handele sich bei den Abmahnungen der Beklagten und der Verlegerin nicht um dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG.
11
a) Es begegnet keinen rechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht die Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz wegen der abgemahnten Veröffentlichung bejaht und angenommen hat, dass die Kosten eines mit der Sache befassten Rechtsanwalts grundsätzlich ersatzfähig sein können, soweit sie zur Wahrnehmung der Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. dazu Senat, Urteile vom 8. November 1994 - VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350 f.; vom 10. Januar 2006 - VI ZR 43/05, VersR 2006, 521, Rn. 5; vom 12. Dezember 2006 - VI ZR 175/05, VersR 2007, 505, Rn. 10 und - VI ZR 188/05, VersR 2007, 506, Rn. 10; vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 277/06, VersR 2008, 413, Rn. 13; vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07, VersR 2008, 985, Rn. 5; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269, Rn. 20 und vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, WRP 2010, 1259, 1260).
12
Vergeblich stellt die Revision die Schadensersatzpflicht der Beklagten aufgrund einer Mehrdeutigkeit der beanstandeten Textpassage in Frage. Dass die Beklagte dem Grunde nach haftet, hat das Landgericht in nicht mehr angreifbarer Weise festgestellt. Hiervon ist für den weiteren Rechtsstreit auszugehen. Auch lässt die Annahme des Landgerichts, dass der Klägerin wegen der abgemahnten Veröffentlichung dem Grunde nach ein auf die Erstattung der Rechtsverfolgungskosten gerichteter Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1, 2 GG zusteht, weil die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Wahrnehmung der Rechte der Klägerin grundsätzlich notwendig war, obwohl diese über eine Rechtsabteilung verfügt, Rechtsfehler nicht erkennen. Die Klägerin war nicht gehalten, die Abmahnung von ihrer Rechtsabteilung fertigen zu lassen. Ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung ist grundsätzlich nicht verpflichtet, dieser neben der rechtlichen Überprüfung der eigenen geschäftlichen Aktivitäten auch die Überprüfung der Zulässigkeit von gegen sie gerichteten Veröffentlichungen zu übertragen (vgl. zum Wettbewerbsrecht BGH, Urteil vom 4. Februar 2010 - I ZR 30/08, WRP 2010, 1169, 1171).
13
b) Die Revision beanstandet aber mit Erfolg, dass das Berufungsgericht zwei selbständige Angelegenheiten für die Abmahnung gegen die Beklagte und gegen die Verlegerin der "S. Zeitung" angenommen hat.
14
aa) Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (vgl. Senat, Urteile vom 10. Juli 1984 - VI ZR 262/82, BGHZ 92, 85, 86 f.; vom 8. Dezember 1987 - VI ZR 53/87, BGHZ 102, 322, 330; vom 23. November 2004 - VI ZR 357/03, BGHZ 161, 151, 154; vom 9. Dezember 2008 - VI ZR 173/07, VersR 2009, 408, Rn. 12; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269, Rn. 18; vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, WRP 2010, 1259 und vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, WRP 2010, 1255). Dies ist aber hier der Fall.
15
bb) Bei der Beurteilung der Frage, ob und in welchem Umfang der dem Geschädigten zustehende Schadensersatzanspruch auch die Erstattung von Rechtsanwaltskosten umfasst, ist zwischen dem Innenverhältnis des Geschädigten zu dem für ihn tätigen Rechtsanwalt und dem Außenverhältnis des Geschädigten zum Schädiger zu unterscheiden. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch im geltend gemachten Umfang ist grundsätzlich, dass der Geschädigte im Innenverhältnis zur Zahlung der in Rechnung gestellten Kosten verpflichtet ist und die konkrete anwaltliche Tätigkeit im Außenverhältnis aus der maßgeblichen Sicht des Geschädigten mit Rücksicht auf seine spezielle Situation zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig war (Senatsurteile vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 277/06, aaO, Rn. 17, vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, aaO, Rn. 20; vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09 und vom 3. August 2010 - VI ZR 113/09, jeweils aaO). Im rechtlichen Ansatz geht auch das Berufungsgericht hiervon aus. Jedoch vermag der Senat die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Verfolgung der Ansprüche einer Person wegen der Veröffentlichung eines Artikels gegen zwei Verletzer handele es sich stets um zwei verschiedene Angelegenheiten, nicht zu teilen. Diese Beurteilung beruht auf einem fehlerhaften Verständnis des Begriffs der Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne.
16
(1) Das Berufungsgericht hat verkannt, dass sich die Frage, ob von einer oder von mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände beantworten lässt und dabei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist (vgl. Senat, Urteile vom 4. Dezember 2007 - VI ZR 277/06, VersR 2008, 413, Rn. 14; vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07, VersR 2008, 985, Rn. 5 ff. und vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, VersR 2009, 1269, Rn. 24; BGH, Urteile vom 9. Februar 1995 - IX ZR 207/94, NJW 1995, 1431 und vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1045). Dementsprechend hat es die Umstände des Streitfalls nicht hinreichend gewürdigt.
17
(2) Es hat darüber hinaus verkannt, dass die Annahme einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne nicht voraussetzt, dass der Anwalt nur eine einzige Prüfungsaufgabe zu erfüllen hat. Von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit kann vielmehr grundsätzlich auch dann noch gesprochen werden, wenn der Anwalt zur Wahrnehmung der Rechte des Geschädigten verschiedene , in ihren Voraussetzungen voneinander abweichende Anspruchsgrundlagen zu prüfen bzw. mehrere getrennte Prüfungsaufgaben zu erfüllen hat. Denn unter einer Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Ihr Inhalt bestimmt den Rahmen, innerhalb dessen der Rechtsan- walt tätig wird. Die Angelegenheit ist von dem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit abzugrenzen, der das konkrete Recht oder Rechtsverhältnis bezeichnet, auf das sich die anwaltliche Tätigkeit bezieht. Eine Angelegenheit kann durchaus mehrere Gegenstände umfassen (vgl. Senatsurteil vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, aaO, Rn. 25, m.w.N.). Für einen einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit reicht es grundsätzlich aus, wenn die verschiedenen Gegenstände in dem Sinn einheitlich vom Anwalt bearbeitet werden können, dass sie verfahrensrechtlich zusammengefasst bzw. in einem einheitlichen Vorgehen - z.B. in einem Abmahnschreiben - geltend gemacht werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, aaO; vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, NJW 2005, 2927, 2928; N. Schneider in Anwaltskommentar RVG, 5. Aufl., § 15 RVG, Rn. 31 f.).
18
(3) Das Berufungsgericht hat auch den Begriff des - für die Annahme einer Angelegenheit erforderlichen - inneren Zusammenhangs zwischen den verschiedenen Gegenständen der anwaltlichen Tätigkeit verkannt. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn die verschiedenen Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (vgl. Senat , Urteile vom 4. März 2008 - VI ZR 176/07; vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08 jeweils aaO, Rn. 26; BGH, Urteile vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00 und vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, jeweils aaO; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 9. Aufl., § 15 Rn. 24). Der Annahme einer Angelegenheit steht nicht schon entgegen, dass der Anwalt mehrere Geschädigte vertreten soll und dass ein Vorgehen gegen mehrere Schädiger erforderlich ist. Ein einheitlicher Auftrag kann auch dann vorliegen, wenn der Anwalt von mehreren Mandanten beauftragt wird. In einem solchen Fall muss durch Auslegung ermittelt werden, ob der Anwalt für die verschiedenen Auftraggeber gemeinsam oder ob er für jeden von ihnen gesondert tätig werden sollte (LG Hamburg, AfP 2010, 185, 187; AG Hamburg, AfP 2008, 233; RVG-Anwaltkommentar/N. Schneider, 5. Aufl., § 15 Rn. 27 f.; Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 19. Aufl., § 15 Rn. 8; Mayer/Kroiß, Winkler RVG, 4. Aufl., § 15 Rn. 46; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl., § 15 RVG Rn. 15).
19
Die Inanspruchnahme mehrerer Schädiger kann eine einzige Angelegenheit sein. Dies kommt in Fällen wie dem vorliegenden insbesondere dann in Betracht, wenn den Schädigern eine gleichgerichtete Verletzungshandlung vorzuwerfen ist und demgemäß die erforderlichen Abmahnungen einen identischen oder zumindest weitgehend identischen Inhalt haben sollen. So wird das Vorliegen einer Angelegenheit bejaht, wenn Unterlassungsansprüche die gleiche Berichterstattung betreffen, an deren Verbreitung die in Anspruch Genommenen in unterschiedlicher Funktion mitwirken (Senatsurteil vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, aaO, 1261). Abweichendes mag gelten, wenn es um - auch unternehmerisch - eigenständige Publikationen geht (vgl. LG Hamburg, AfP 2010, 197). In der Regel kommt es auch nicht darauf an, dass jede Abmahnung wegen der verschiedenen Rechtspersönlichkeiten gegenüber jedem Schädiger ein eigenes rechtliches Schicksal haben kann. Sofern die Reaktionen der verschiedenen Schädiger auf die gleichgerichteten Abmahnungen nicht einheitlich ausfallen und deshalb eine differenzierte Bearbeitung durch den Rechtsanwalt erfordern, können aus der ursprünglich einheitlichen Angelegenheit mehrere Angelegenheiten entstehen (vgl. Senat, Urteil vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, aaO; BGH, Urteil vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, NJW 2005, 2927, Rn. 13; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, NJW 2004, 1043, 1045).
20
Der Beurteilung als eine Angelegenheit steht auch nicht schon entgegen, dass die Rechtmäßigkeit einer Berichterstattung hinsichtlich verschiedener in Anspruch zu nehmender Personen - etwa des Autors des Artikels, des Verlags, des Domain-Inhabers und des Betreibers des Online-Angebots - aufgrund der Verbreiterhaftung getrennt zu prüfen ist (vgl. LG Frankfurt/Main, AfP 2009, 77, 78; a.A. LG Berlin, JurBüro 2009, 421 f.; AfP 2009, 86, 87). Insofern mag es sich um verschiedene Gegenstände handeln (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 5. Oktober 2005 - VIII ZB 52/04, NJW 2005, 3786; vom 15. April 2008 - X ZB 12/06, AnwBl. 2008, 638; OLG Stuttgart, JurBüro 1998, 302 f.). Mehrere Gegenstände bzw. Prüfungsaufgaben können indes in derselben Angelegenheit behandelt werden (Senatsurteile vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, aaO und vom 26. Mai 2009 - VI ZR 174/08, aaO; Gerold/Schmidt/Mayer, aaO, Rn. 6, 8).
21
cc) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht nicht hinreichend berücksichtigt und deshalb angenommen, im Streitfall seien verschiedene Angelegenheiten gegeben. Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass die Abmahnschreiben inhaltlich im Wesentlichen gleich lauten, vom selben Tag datieren und die Endnummern der Kostennoten aufeinander folgen. Die Beklagte und die Verlegerin haben die Unterlassungsverpflichtungserklärung gleichlautend abgegeben. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin für eine getrennte Verfolgung ergibt sich nicht bereits daraus, dass durch getrennte Bearbeitungen eine bessere Übersichtlichkeit über die bereits anerkannten und die noch zu verfolgenden Ansprüche gegeben wäre. Hiervon kann nicht schon von vornherein ausgegangen werden. Vielmehr bleibt abzuwarten, ob eine differenziertere Bearbeitung durch den Rechtsanwalt erforderlich wird und infolge dessen aus der ursprünglich einheitlichen Angelegenheit mehrere Angelegenheiten entstehen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 27. Juli 2010 - VI ZR 261/09, aaO; BGH, Urteil vom 3. Mai 2005 - IX ZR 401/00, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Dezember 2003 - IX ZR 109/00, aaO).
22
c) Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht die Umstände des Streitfalls mit Blick auf die dargestellten Rechtsgrundsätze umfassend würdigen und dem insoweit maßgeblichen Sachvortrag der Parteien nachgehen kann. Galke Zoll Wellner Diederichsen Stöhr
Vorinstanzen:
AG Berlin-Mitte, Entscheidung vom 25.11.2008 - 14 C 155/08 -
LG Berlin, Entscheidung vom 16.06.2009 - 27 S 1/09 -