Landgericht Paderborn Urteil, 22. Aug. 2016 - 01 KLs 3/16

ECLI:ECLI:DE:LGPB:2016:0822.01KLS3.16.00
bei uns veröffentlicht am22.08.2016

Tenor

Der Angeklagte wird wegen Totschlags zu einer Jugendstrafe von 7 Jahren und 9 Monaten verurteilt.

Der Angeklagte trägt die notwendigen Auslagen der Nebenkläger im gesamten Verfahren. Im Übrigen wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.

Hinsichtlich des Adhäsionsantrags vom 22.08.2016 wird von einer Entscheidung abgesehen.

Angewendete Vorschriften: §§ 212 Abs. 1 StGB, 1, 17, 105 JGG.


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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafgesetzbuch - StGB | § 21 Verminderte Schuldfähigkeit


Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Strafgesetzbuch - StGB | § 20 Schuldunfähigkeit wegen seelischer Störungen


Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der

Strafgesetzbuch - StGB | § 211 Mord


(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft. (2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitt

Strafgesetzbuch - StGB | § 212 Totschlag


(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft. (2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

Strafprozeßordnung - StPO | § 136 Vernehmung


(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 105 Anwendung des Jugendstrafrechts auf Heranwachsende


(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, we

Strafprozeßordnung - StPO | § 406 Entscheidung über den Antrag im Strafurteil; Absehen von einer Entscheidung


(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 45 Absehen von der Verfolgung


(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen. (2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits dur

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 17 Form und Voraussetzungen


(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung. (2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich


(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist. (2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsend

Strafprozeßordnung - StPO | § 163a Vernehmung des Beschuldigten


(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern. (2) Beantragt d

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 109 Verfahren


(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz

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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2005 - 1 StR 447/05

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Bundesgerichtshof Urteil, 01. März 2012 - 3 StR 425/11

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 223/15 vom 3. Dezember 2015 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Dezember 2015, an der teilgenommen haben: Vorsi

Bundesgerichtshof Urteil, 25. Nov. 2015 - 1 StR 349/15

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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 1 StR 349/15 vom 25. November 2015 in der Strafsache gegen 1. 2. 3. 4. wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung u.a. ECLI:DE:BGH:2015:251115U1STR349.15.0 Der 1. Strafsenat des Bundesgeric

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(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 223/15
vom
3. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Dezember
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter – in der Verhandlung –,
die Nebenkläger in Person – in der Verhandlung –,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. Januar 2015 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionskläger zu tragen; im Übrigen wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Totschlags zu der einheitlichen Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten , die mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge begründet ist. Die Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begange- nen Totschlags und erstreben insoweit eine Verurteilung wegen Mordes. Während die Rechtsmittel der Nebenkläger durchdringen, erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen waren der zur Tatzeit 19-jährige Angeklagte und sein langjähriger, zwei Jahre jüngerer Freund, das spätere TatopferL. M. , am Abend des Tattags mit dem Fahrzeug des Angeklagtenunterwegs. Nachdem sie beim Autohof G. etwas gegessen hatten und sodann inder Umgebung herumgefahren waren, bogen sie von der Landstraße in einen Feldweg ab und hielten dort zunächst an einer Scheune an, um nachzusehen, was sich in der Scheune befand. Anschließend setzten sie ihre Fahrt über die Feldwege fort, bis sie an einer weiteren Scheune erneut anhielten. Beide stiegen aus und gingen zu der Längsseite der Scheune, an der sich ein großes, massives und verschlossenes Tor befand. Möglicherweise versuchte der Angeklagte mit einer mitgebrachten Metallstange ein Brett des Scheunentors beiseitezuschieben , während L. M. sich fortwährend mit seinem Mobiltelefon beschäftigte. Möglich ist auch, dass sich zwischen beiden eine kurze verbale Auseinandersetzung entwickelte, in deren Verlauf der Angeklagte seinem Freund vorhielt, dass es keinen Sinn mache, etwas zu schreiben, da die Mäd- chen ihn sowieso nicht wollten und ihn ständig „verarschten“, worauf L. M. entgegnete, dass der Angeklagte derjenige sei, der überhaupt nichts geregelt und für sein Alter „kein Mädchen an den Start bekomme“. Des Weiteren be- zeichnete L. M. den Angeklagten nicht ausschließbar als „armes Würst- chen“, was den Angeklagten verletzte. Zu darüber hinausgehenden Aggressivi- täten oder gar einer körperlichen Auseinandersetzung kam es aber nicht. L. M. nahm daraufhin sein Klappmesser und begann, sich damit im Bereich eines in dem Scheunentor wenige Zentimeter über dem Erdboden vorhandenen Lochs zu schaffen zu machen. Dabei kniete oder hockte er sich hin und drehte dem Angeklagten den Rücken zu.
3
Der Angeklagte entschloss sich spätestens jetzt, L. M. zu töten, wobei ihm bewusst war, dass das Tatopfer in dieser Situation mit keinem Angriff rechnete und einen Angriff von hinten nicht rechtzeitig genug bemerken würde, um sich noch wehren zu können. Der Angeklagte stellte sich hinter L. M. , holte mit der 1,11 m langen und 1.539 g schweren Metallstange aus und schlug dem Opfer in Tötungsabsicht mit voller Wucht von hinten auf den Hinterkopf. Infolge des Schlags kippte L. M. bewusstlos nach links zur Seite, sodass sein Körper mit dem Rücken und sein Kopf mit der rechten Gesichtshälfte auf dem Boden zu liegen kamen, und begann sofort stark im Kopfbereich und aus den Ohren zu bluten. Der Angeklagte schlug mindestens zwei weitere Male mit der Metallstange mit voller Wucht auf den Kopf des auf dem Boden liegenden bewusstlosen L. M. ein, um ihn sicher zu töten. Durch die Schläge auf den Kopf erlitt das Opfer u.a. ein hochgradiges Schädel-Hirn-Trauma mit umfangreichen Schädelbrüchen und Hirnverletzungen, die mit Sicherheit nach einiger Zeit zum Tod des Opfers geführt hätten.
4
In der Annahme, L. M. sei durch die Schläge bereits getötet worden oder werde in kurzer Zeit versterben, begab sich der Angeklagte nach dem letzten Schlag zu seinem Fahrzeug, legte die Metallstange in den Kofferraum und fuhr zur Landstraße zurück. Nachdem er die Metallstange am Rand eines Feldweges in den Straßengraben geworfen hatte, fuhr er wiederum zum Autohof G. , wo er sich kurze Zeit aufhielt. Da der Angeklagte den Verdacht, L. M. erschlagen zu haben, von sich weisen wollte, fasste er spätestens nach dem Verlassen des Autohofs den Entschluss, zurück zur Scheune zu fahren, die Polizei zu informieren und wahrheitswidrig anzugeben, er habe L. M. auf dessen Bitte allein an der Feldscheune absetzen sollen und ihn dann dort tot aufgefunden, als er ihn wieder habe abholen wollen. Als der Angeklagte wieder zu dem unverändert am Boden liegenden Tatopfer kam, stellte er aber fest, dass L. M. wider Erwarten noch nicht verstorben war. Er beschloss nunmehr, ihn endgültig zu töten. Mit einem aus seinem Fahrzeug herbeigeholten Messer mit einer Klingenlänge von 12 cm schnitt er dem rücklings auf dem Boden liegenden Tatopfer, das wegen der durch die Schläge verursachten Schädelverletzungen zu keiner Abwehrreaktion mehr in der Lage war, mit erheblicher Kraftentfaltung den Hals über eine Länge von 11,5 cm bis zur Wirbelsäule durch, wobei er das Messer mindestens zweimal ansetzen musste. L. M. verstarb schließlich infolge der Halsschnitte an einem zentralen Hirnversagen in Kombination mit Verbluten.
5
In rechtlicher Hinsicht hat die Jugendkammer nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, ohne dies näher auszuführen, die Schläge mit der Metallstange als versuchten heimtückischen Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und die den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Messerschnitte als tatmehrheitlich begangenen Totschlag gewertet.

II.


6
1. a) Der Rechtsmittelangriff der Nebenkläger erfasst den gesamten Schuldspruch. Die mit Revisionseinlegung erklärte Beschränkung der Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen Totschlags erweist sich als unwirksam.
7
Zwar kann die Anfechtung eines Urteils nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs innerhalb einer prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO regelmäßig auf einzelne materiell-rechtlich selbständige Straftaten beschränkt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 318 Rn. 10 mwN). Eine wirksame Teilanfechtung setzt aber nach den allgemein für die Beschränkung von Rechtsmitteln geltenden Grundsätzen im Einzelfall voraus, dass sich die Anfechtung auf einen Beschwerdepunkt bezieht, der nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden kann, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Beschluss vom 15. Mai 2001 – 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil die abgeurteilten Angriffshandlungen des Angeklagten mit der Metallstange einerseits und dem Messer andererseits wegen der Mitursächlichkeit beider Handlungsakte für den eingetretenen Todeserfolg materiell-rechtlich nicht gesondert gewürdigt werden können (unten II. 2.).
8
b) Der Revisionsbegründung der Nebenkläger ist trotz verschiedener möglicherweise missverständlicher Ausführungen, die sich mit dem Strafausspruch des angefochtenen Urteils und der Höhe der verhängten Jugendstrafe befassen, noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Nebenkläger eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes erstreben und damit ein zulässiges Rechtsmittelziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgen.
9
2. Die Revisionen der Nebenkläger sind begründet. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Denn auf der Grundlage der getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat sich der Angeklagte eines vollendeten Heimtückemordes schuldig gemacht, weil er bereits durch die Schläge mit der Metallstange eine Ursache für den später unmittelbar durch die Messerschnitte herbeigeführten Tod des Opfers setzte und dieser Ursachenzusammenhang von seinem ursprünglichen Vorsatz umfasst war.
10
a) Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben (BGH, Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00, NStZ 2001, 29, 30). Ein Kausalzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 Rn. 21). Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 aaO; vom 30. August2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 12. September 1984 – 3 StR 245/84, StV 1985, 100; vom 18. Juni 1957 – 5 StR 164/57, BGHSt 10, 291, 293 f.; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, bei Dallinger, MDR 1956, 526) oder des Täters selbst handelt (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 1993 – 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 198; vom 14. März 1989 – 1 StR 25/89, NJW 1989, 2479 f.; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60, BGHSt 14, 193, 194; vom 23. Oktober 1951 – 1 StR 348/51, bei Dallinger, MDR 1952, 16; RGSt 67, 258 f.), ist dabei ohne Bedeutung.
11
Danach waren die mit Tötungsabsicht geführten Schläge mit der Metallstange unbeschadet des Umstands, dass das Tatopfer unmittelbar an den Folgen der späteren Messerschnitte verstarb, für den Tod des Opfers ursächlich. Denn der Einsatz des Messers gegen das bewusstlose, bereits tödlich verletzte Opfer, um es endgültig zu töten, knüpfte an das vorausgegangene Geschehen an und wäre ohne die durch die Schläge mit der Metallstange geschaffene Lage nicht möglich gewesen.
12
b) Der Tod des Opfers als Folge der mit der Metallstange geführten Schläge ist dem Angeklagten auch subjektiv als von dem die Ausführung der Schläge tragenden Vorsatz mitumfasst zuzurechnen. Der Vorsatz des Täters muss sich auf den zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1969 – 2 StR 376/69, BGHSt 23, 133, 135; vom 21. April 1955 – 4 StR 552/54, BGHSt 7, 325, 329). Da dieser indes kaum je in allen Einzelheiten zu erfassen ist, wird der Vorsatz durch unwesentliche Abweichungen des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf nicht in Frage gestellt. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 1 StR 676/10, BGHSt 56, 162, 166; Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34; Vogel in LK-StPO, 12. Aufl., § 16 Rn. 56 ff. mwN). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist in Fällen, in denen bei Angriffen gegen das Leben der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch die Angriffshandlung sondern durch vorsätzliches Handeln eines Dritten oder eine nicht mehr vom Tötungsvorsatz getragene Verdeckungshandlung des Täters herbeigeführt wurde, von der Rechtsprechung eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint worden (vgl. BGH, Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60 aaO; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, aaO).
13
Im vorliegenden Fall ist nach den festgestellten Tatumständen eine lediglich unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf gegeben. Der Umstand, dass der Tod des durch die Schläge mit der Metallstange bereits tödlich verletzten Tatopfers unmittelbar durch die im Zuge der Bemühungen um eine Tatverschleierung mit gleicher Angriffsrichtung gegen das wider Erwarten noch nicht verstorbene Opfer geführten Messerstiche bewirkt wurde, bewegt sich nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und rechtfertigt keine andere Bewertung der Tat.
14
c) Der Angeklagte hat sich durch die mit der Metallstange geführten Schläge gegen das Tatopfer damit eines vollendeten Mordes in der Tatbestandsalternative der heimtückischen Tötung schuldig gemacht. Der durch die Messerschnitte nach Auffassung des Landgerichts gleichfalls verwirklichte Totschlag nach § 212 Abs. 1 StGB tritt, da die Herbeiführung des Todeserfolgs dem Angeklagten strafrechtlich nur einmal angelastet werden kann, konkurrenzrechtlich hinter den Mord zurück (vgl. Rogall, JZ 1993, 1066, 1068).
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d) Die Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2001 – 5 StR 432/00 – (NStZ 2002, 253) steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen, weil dem Urteil des 5. Strafsenats nicht zu entnehmen ist, ob die dort vorgenommene rechtliche Würdigung auf einer abweichenden Rechtsansicht oder einer einzelfallbezogenen Bewertung festgestellter Tatumstände beruht.
16
e) Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09 Rn. 27) – zur Aufhebung des Urteils. An der vom Generalbundesanwalt beantragten Schuldspruchänderung sieht sich der Senat durch die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO gehindert, da der Angeklagte, dem in der Anklage hinsichtlich der Schläge mit der Metallstange ein versuchter Mord angelastet worden ist, auf die Möglichkeit einer an die Schläge anknüpfenden Verurteilung wegen vollendeten Mordes bislang weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht hingewiesen worden ist.

III.


17
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
18
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts zu bemerken:
19
Die Verfahrensrüge, mit welcher der Beschwerdeführer ein Verwertungsverbot hinsichtlich der durch Zeugenvernehmung der jeweiligen Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei im Ermittlungsverfahren wegen des Unterbleibens einer Beschuldigtenbelehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie des Fehlens einer auf die Unverwertbarkeit früherer Angaben hinweisenden qualifizierten Beschuldigtenbelehrung geltend macht, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn dem Vortrag der Re- vision ist nicht zu entnehmen, ob die Widersprüche gegen die Verwertung rechtzeitig spätestens bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt im Anschluss an die Vernehmung der Vernehmungspersonen erfolgt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 225 f.; Diemer in KK-StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 28 mwN). Soweit sich die Revision unter dem Gesichtspunkt einer unterbliebenen qualifizierten Beschuldigtenbelehrung gegen die Verwertung der vom Angeklagten nach Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO gemachten Angaben wendet, wäre die Rüge aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen auch unbegründet, weil die Jugendkammer aufgrund der gebotenen Abwägung im Einzelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, NStZ 2009, 702, 703; Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112 Rn. 14 ff.; vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452) rechtsfehlerfrei ein Verwertungsverbot verneint hat.
20
Die Aufklärungsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer erneuten Befragung des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. K. beanstandet, erfüllt mangels Vortrags zu dem erwarteten Beweisergebnis (vgl. Meyer-Goßner aaO, § 244 Rn. 81 mwN) nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Schließlich dringen auch die Beweisantragsrügen nicht durch, die sich auf die beantragte Einholung eines weiteren rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Zeitdauer des Auftretens von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich beziehen. Denn der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf einer fehlerhaften Ablehnung dieser Beweisanträge beruht. Das Landgericht hat im Rahmen seiner Überzeugungsbildung zum festgestellten Sachverhalt an keiner Stelle auf die für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten erforderliche Zeitspanne abgestellt. Dies gilt entgegen dem Vorbringen der Revision auch für die Feststellung einer zeitlichen Zäsur zwischen den Schlägen mit der Metallstange und der Ausführung der Messerschnitte, die das Landgericht auf die Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung gestützt hat, welche die Jugendkammer als durch andere Beweisergebnisse bestätigt gesehen und als glaubhaft bewertet hat. Lediglich für die Frage, ob die rechtsmedizinischen Befunde den Angaben des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung entgegenstehen , hat die Jugendkammer Überlegungen zur erforderlichen Zeitdauer für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten angestellt, die aber für die vom Beschwerdeführer unter Beweis gestellte kürzere Zeitspanne erst recht zutreffen. Auch im Übrigen werden die vom Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung gezogenen Schlussfolgerungen durch das in den Beweisanträgen behauptete raschere Auftreten von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich nicht in Frage gestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Der Staatsanwalt kann ohne Zustimmung des Richters von der Verfolgung absehen, wenn die Voraussetzungen des § 153 der Strafprozeßordnung vorliegen.

(2) Der Staatsanwalt sieht von der Verfolgung ab, wenn eine erzieherische Maßnahme bereits durchgeführt oder eingeleitet ist und er weder eine Beteiligung des Richters nach Absatz 3 noch die Erhebung der Anklage für erforderlich hält. Einer erzieherischen Maßnahme steht das Bemühen des Jugendlichen gleich, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Der Staatsanwalt regt die Erteilung einer Ermahnung, von Weisungen nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4, 7 und 9 oder von Auflagen durch den Jugendrichter an, wenn der Beschuldigte geständig ist und der Staatsanwalt die Anordnung einer solchen richterlichen Maßnahme für erforderlich, die Erhebung der Anklage aber nicht für geboten hält. Entspricht der Jugendrichter der Anregung, so sieht der Staatsanwalt von der Verfolgung ab, bei Erteilung von Weisungen oder Auflagen jedoch nur, nachdem der Jugendliche ihnen nachgekommen ist. § 11 Abs. 3 und § 15 Abs. 3 Satz 2 sind nicht anzuwenden. § 47 Abs. 3 findet entsprechende Anwendung.

(1) Der Beschuldigte ist spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen zu vernehmen, es sei denn, daß das Verfahren zur Einstellung führt. In einfachen Sachen genügt es, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, sich schriftlich zu äußern.

(2) Beantragt der Beschuldigte zu seiner Entlastung die Aufnahme von Beweisen, so sind sie zu erheben, wenn sie von Bedeutung sind.

(3) Der Beschuldigte ist verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen. Die §§ 133 bis 136a und 168c Abs. 1 und 5 gelten entsprechend. Über die Rechtmäßigkeit der Vorführung entscheidet auf Antrag des Beschuldigten das nach § 162 zuständige Gericht. Die §§ 297 bis 300, 302, 306 bis 309, 311a und 473a gelten entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.

(4) Bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Im übrigen sind bei der Vernehmung des Beschuldigten durch Beamte des Polizeidienstes § 136 Absatz 1 Satz 2 bis 6, Absatz 2 bis 5 und § 136a anzuwenden. § 168c Absatz 1 und 5 gilt für den Verteidiger entsprechend.

(5) Die §§ 186 und 187 Absatz 1 bis 3 sowie § 189 Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes gelten entsprechend.

(1) Bei Beginn der Vernehmung ist dem Beschuldigten zu eröffnen, welche Tat ihm zu Last gelegt wird und welche Strafvorschriften in Betracht kommen. Er ist darauf hinzuweisen, daß es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen. Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen. Er ist ferner darüber zu belehren, daß er zu seiner Entlastung einzelne Beweiserhebungen beantragen und unter den Voraussetzungen des § 140 die Bestellung eines Pflichtverteidigers nach Maßgabe des § 141 Absatz 1 und des § 142 Absatz 1 beantragen kann; zu Letzterem ist er dabei auf die Kostenfolge des § 465 hinzuweisen. In geeigneten Fällen soll der Beschuldigte auch darauf, dass er sich schriftlich äußern kann, sowie auf die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs hingewiesen werden.

(2) Die Vernehmung soll dem Beschuldigten Gelegenheit geben, die gegen ihn vorliegenden Verdachtsgründe zu beseitigen und die zu seinen Gunsten sprechenden Tatsachen geltend zu machen.

(3) Bei der Vernehmung des Beschuldigten ist zugleich auf die Ermittlung seiner persönlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen.

(4) Die Vernehmung des Beschuldigten kann in Bild und Ton aufgezeichnet werden. Sie ist aufzuzeichnen, wenn

1.
dem Verfahren ein vorsätzlich begangenes Tötungsdelikt zugrunde liegt und der Aufzeichnung weder die äußeren Umstände noch die besondere Dringlichkeit der Vernehmung entgegenstehen oder
2.
die schutzwürdigen Interessen von Beschuldigten, die erkennbar unter eingeschränkten geistigen Fähigkeiten oder einer schwerwiegenden seelischen Störung leiden, durch die Aufzeichnung besser gewahrt werden können.
§ 58a Absatz 2 gilt entsprechend.

(5) § 58b gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 447/05
vom
9. November 2005
in der Strafsache
gegen
Nachschlagewerk: ja
BGHSt: ja
Veröffentlichung: ja
_________________________
StPO §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2; Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs.
1 GG
Der in der ersten Hauptverhandlung unterlassene oder verspätete Widerspruch
sonstiger Belehrungspflichten aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens kann
nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht in der neuen
Hauptverhandlung nicht mehr geltend gemacht werden.
BGH, Beschluss vom 9. November 2005 - 1 StR 447/05 - LG Baden-Baden
wegen Mordes
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2005 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Baden-Baden vom 10. Juni 2005 wird als unbegründet verworfen,
da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
den Nebenklägern im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


Zu der Verfahrensrüge, die die Verwertbarkeit der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung vom 16. September 2003 in Abwesenheit des bestellten Verteidigers und ohne Dolmetscher betrifft, bemerkt der Senat: I. Dieser Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde: Am 15. September 2003 wurde der Angeklagte, italienischer Staatsangehöriger , der mehr als 30 Jahre in Deutschland gelebt hatte, aus spanischer Auslieferungshaft an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Zuvor war ihm bereits ein Pflichtverteidiger bestellt worden. Termin zur Verkündung des Haftbefehls wurde bestimmt auf den 16. September 2003, 13.30 Uhr. Die
Staatsanwaltschaft setzte den Verteidiger und die für die Vorführung des Beschuldigten zuständige Kriminalpolizei vom Termin in Kenntnis. Ein Dolmetscher wurde vom Ermittlungsrichter geladen. Vor dem Haftrichtertermin erklärte sich der Angeklagte um 12.55 Uhr gegenüber KHK K. nach ordnungsgemäßer Belehrung zur Aussage ohne Hinzuziehung eines Verteidigers bereit. Dem Vernehmungsbeamten war die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht bekannt. Auch der Beschuldigte wusste davon nichts. Er gab eine geständige Einlassung ab und erklärte, er sei der deutschen Sprache mächtig. Um 13.30 Uhr benachrichtigte der Haftrichter den zuständigen Staatsanwalt , dass die Haftbefehlseröffnung sich verzögere, weil der Beschuldigte vor der Kriminalpolizei ein Geständnis ablege. Der Staatsanwalt unterrichtete den Verteidiger entsprechend. Die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung endete um 13.50 Uhr. Beim Haftrichter sagte der Beschuldigte in Anwesenheit des Verteidigers und eines Dolmetschers nicht zur Sache aus. Mit Schriftsatz vom 18. September 2003 beanstandete der damalige Pflichtverteidiger gegenüber der Staatsanwaltschaft die polizeiliche Beschuldigtenvernehmung vom 16. September 2003 wegen der fehlenden Anwesenheit von Verteidiger sowie Dolmetscher , rügte einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens und machte ein Verwertungsverbot geltend. Der Angeklagte ließ in der ersten Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht die Angaben aus der betreffenden Beschuldigtenvernehmung über seinen Verteidiger im Kern bestätigen und als seine Einlassung in Anwesenheit eines Dolmetschers vortragen. Ein Widerspruch gegen die Verwertung der Beschuldigtenvernehmung wurde in der Hauptverhandlung nicht mehr erhoben.
Das Schwurgericht verurteilte den Angeklagten wegen Totschlags. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft, die die Verurteilung wegen Mordes in der Begehungsform der Heimtücke erstrebte, wurde das erstinstanzliche Urteil mit den Feststellungen aufgehoben. In der zweiten Hauptverhandlung hat der Angeklagte sich abweichend von seinen früheren Angaben in zwei unterschiedlichen Versionen eingelassen. Seinen früheren Verteidiger hat er von der Schweigepflicht nicht entbunden. Der Verwertung der Beschuldigtenvernehmung wurde in der zweiten Hauptverhandlung widersprochen. Die Einlassung des Angeklagten aus der ersten Hauptverhandlung wurde durch die Vernehmung des damaligen Vorsitzenden eingeführt. Der Angeklagte wurde wegen eines heimtückisch begangenen Mordes verurteilt. Im neuen erstinstanzlichen Urteil hat sich das Schwurgericht dem Wortlaut nach "ergänzend" auf die Beschuldigtenvernehmung gestützt. II. Die von der Revision auf § 163a Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO gestützte Verfahrensrüge hat keinen Erfolg. 1. Grundsätzlich ist dem Beschuldigten vor seiner polizeilichen Vernehmung mitzuteilen, dass ihm bereits ein Verteidiger bestellt worden ist (BGH NStZ 1997, 502). Ob hier in dem Unterlassen der Mitteilung ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens zu sehen ist, der ein Verwertungsverbot nach sich ziehen könnte, kann der Senat offen lassen. Entgegen der oben zitierten Entscheidung ist dem Beschuldigten die Verteidigerbestellung hier nicht bewusst vorenthalten worden. Der Vernehmungsbeamte hatte keine Kenntnis davon. Der Staatsanwalt erfuhr von der polizeilichen Vernehmung erst, nachdem diese schon fortgeschritten war. Ob zu dem Zeitpunkt für ihn noch Unterrichtungsmöglichkeiten bestanden, ist nicht geklärt.
2. Der Angeklagte kann sich hier auf einen Verstoß gegen Grundsätze des fairen Verfahrens schon deshalb nicht berufen, weil er in der ersten Hauptverhandlung über seinen Instanzverteidiger, der noch im Ermittlungsverfahren Widerspruch erhoben hatte, die Angaben aus der Beschuldigtenvernehmung im Kern bestätigen ließ und das Tatgeschehen erneut in Anwesenheit eines Dolmetschers einräumte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Januar 2003 - 5 StR 475/02). Das Unterlassen des Hinweises im Ermittlungsverfahren ist dadurch jedenfalls geheilt (BGHSt 22, 129; 27, 355, 359). Die Revision trägt zudem sowohl die Bestätigung der Angaben aus der Beschuldigtenvernehmung über den damaligen Verteidiger in der ersten Hauptverhandlung als auch dessen Widerspruch im Ermittlungsverfahren nicht vor. Soweit eine Wiederholung des Widerspruchs in der ersten Hauptverhandlung nicht mehr erfolgte, ist ein Verteidigerverschulden nach einer bestätigenden Einlassung in der Hauptverhandlung nicht ersichtlich. 3. Generell ist der Verwertung einer Aussage, die unter Verstoß gegen die Verfahrensgrundsätze der §§ 136 Abs. 1 Satz 2, 163a Abs. 4 Satz 2 StPO (Schweigerecht sowie Recht zur Verteidigerkonsultation) oder sonstige Belehrungspflichten aus dem Grundsatz des fairen Verfahren nach Art. 20 Abs. 3 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG im Ermittlungsverfahren erlangt worden ist, bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt zu widersprechen (vgl. zur Widerspruchslösung BGHSt 38, 214; 42, 15, 22; BGH NStZ 1997, 502). Die Frage, ob der unterlassene oder verspätete Widerspruch in der ersten Hauptverhandlung nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht in der neuen Hauptverhandlung nicht mehr geltend gemacht werden kann (so BayObLG NStZ 1997, 99; OLG Celle StV 1997, 68; OLG Oldenburg StV 1996, 416; MeyerGoßner , StPO 48. Aufl. § 136 Rdn. 25; Boujong in KK StPO 5. Aufl. § 136 Rdn. 28; ebenso für das Berufungsverfahren OLG Stuttgart NStZ 1997, 405),
ist, soweit ersichtlich, durch den Bundesgerichtshof noch nicht entschieden. Der Senat teilt die auch vom Generalbundesanwalt vertretene Auffassung, dass in einem solchen Fall die Rüge präkludiert ist. Die Nichtausübung des Widerspruchsrechts innerhalb der Frist führt in den genannten Fällen zum endgültigen Rechtsverlust. Dies ergibt sich daraus, dass es sich um ein prozessuales Gestaltungsrecht handelt, das nicht auf einen bestimmten Verfahrensabschnitt beschränkt ist. Das Ermittlungsverfahren bildet die Grundlage für das gesamte folgende gerichtliche Verfahren, auch nach Aufhebung des ersten Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht. Der Angeklagte muss sich an einer nicht widersprochenen Einlassung aus dem Ermittlungsverfahren festhalten lassen. Deren Bestand kann nicht seiner Dispositionsfreiheit unterliegen , was schon im Fall einer Teilaufhebung des ersten Urteils deutlich wird. Der Angeklagte hat sich hier in der neuen Hauptverhandlung mit einem neuen Verteidiger einer anderen Verteidigungsstrategie bedient und sich nicht nur abweichend zur früheren Hauptverhandlung, sondern auch in der neuen Hauptverhandlung wechselnd eingelassen. Dies zeigt bereits die Notwendigkeit der Bindungswirkung an eine einmal getroffene Entscheidung bzw. an den eingetretenen Rechtszustand. Der frühere Verteidiger unterliegt der Schweigepflicht. Es entspricht der besonderen Verantwortung eines Verteidigers und seiner Fähigkeit, Mängel beim Zustandekommen einer Einlassung im Ermittlungsverfahren aufzudecken und zu erkennen, ob die Berufung auf ein etwa daraus resultierendes Verwertungsverbot einer sinnvollen Verteidigung dient (vgl. BGHSt 38, 214, 226). Deshalb wird der Angeklagte durch die Bindung an die Verwertbarkeit seiner unwidersprochen eingeführten und berücksichtigten Angaben aus dem Ermittlungsverfahren in seinen Verteidigungsrechten nicht beschränkt.
4. Der Senat kann offen lassen, ob das Urteil auf den Angaben aus der beanstandeten Beschuldigtenvernehmung, die dem Wortlaut nach zwar "ergänzend" herangezogen wurde und "mit den übrigen Erkenntnissen der Beweisaufnahme in Einklang" steht, überhaupt beruht. Nack Wahl Boetticher Schluckebier Elf

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 223/15
vom
3. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Dezember
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter – in der Verhandlung –,
die Nebenkläger in Person – in der Verhandlung –,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. Januar 2015 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionskläger zu tragen; im Übrigen wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Totschlags zu der einheitlichen Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten , die mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge begründet ist. Die Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begange- nen Totschlags und erstreben insoweit eine Verurteilung wegen Mordes. Während die Rechtsmittel der Nebenkläger durchdringen, erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen waren der zur Tatzeit 19-jährige Angeklagte und sein langjähriger, zwei Jahre jüngerer Freund, das spätere TatopferL. M. , am Abend des Tattags mit dem Fahrzeug des Angeklagtenunterwegs. Nachdem sie beim Autohof G. etwas gegessen hatten und sodann inder Umgebung herumgefahren waren, bogen sie von der Landstraße in einen Feldweg ab und hielten dort zunächst an einer Scheune an, um nachzusehen, was sich in der Scheune befand. Anschließend setzten sie ihre Fahrt über die Feldwege fort, bis sie an einer weiteren Scheune erneut anhielten. Beide stiegen aus und gingen zu der Längsseite der Scheune, an der sich ein großes, massives und verschlossenes Tor befand. Möglicherweise versuchte der Angeklagte mit einer mitgebrachten Metallstange ein Brett des Scheunentors beiseitezuschieben , während L. M. sich fortwährend mit seinem Mobiltelefon beschäftigte. Möglich ist auch, dass sich zwischen beiden eine kurze verbale Auseinandersetzung entwickelte, in deren Verlauf der Angeklagte seinem Freund vorhielt, dass es keinen Sinn mache, etwas zu schreiben, da die Mäd- chen ihn sowieso nicht wollten und ihn ständig „verarschten“, worauf L. M. entgegnete, dass der Angeklagte derjenige sei, der überhaupt nichts geregelt und für sein Alter „kein Mädchen an den Start bekomme“. Des Weiteren be- zeichnete L. M. den Angeklagten nicht ausschließbar als „armes Würst- chen“, was den Angeklagten verletzte. Zu darüber hinausgehenden Aggressivi- täten oder gar einer körperlichen Auseinandersetzung kam es aber nicht. L. M. nahm daraufhin sein Klappmesser und begann, sich damit im Bereich eines in dem Scheunentor wenige Zentimeter über dem Erdboden vorhandenen Lochs zu schaffen zu machen. Dabei kniete oder hockte er sich hin und drehte dem Angeklagten den Rücken zu.
3
Der Angeklagte entschloss sich spätestens jetzt, L. M. zu töten, wobei ihm bewusst war, dass das Tatopfer in dieser Situation mit keinem Angriff rechnete und einen Angriff von hinten nicht rechtzeitig genug bemerken würde, um sich noch wehren zu können. Der Angeklagte stellte sich hinter L. M. , holte mit der 1,11 m langen und 1.539 g schweren Metallstange aus und schlug dem Opfer in Tötungsabsicht mit voller Wucht von hinten auf den Hinterkopf. Infolge des Schlags kippte L. M. bewusstlos nach links zur Seite, sodass sein Körper mit dem Rücken und sein Kopf mit der rechten Gesichtshälfte auf dem Boden zu liegen kamen, und begann sofort stark im Kopfbereich und aus den Ohren zu bluten. Der Angeklagte schlug mindestens zwei weitere Male mit der Metallstange mit voller Wucht auf den Kopf des auf dem Boden liegenden bewusstlosen L. M. ein, um ihn sicher zu töten. Durch die Schläge auf den Kopf erlitt das Opfer u.a. ein hochgradiges Schädel-Hirn-Trauma mit umfangreichen Schädelbrüchen und Hirnverletzungen, die mit Sicherheit nach einiger Zeit zum Tod des Opfers geführt hätten.
4
In der Annahme, L. M. sei durch die Schläge bereits getötet worden oder werde in kurzer Zeit versterben, begab sich der Angeklagte nach dem letzten Schlag zu seinem Fahrzeug, legte die Metallstange in den Kofferraum und fuhr zur Landstraße zurück. Nachdem er die Metallstange am Rand eines Feldweges in den Straßengraben geworfen hatte, fuhr er wiederum zum Autohof G. , wo er sich kurze Zeit aufhielt. Da der Angeklagte den Verdacht, L. M. erschlagen zu haben, von sich weisen wollte, fasste er spätestens nach dem Verlassen des Autohofs den Entschluss, zurück zur Scheune zu fahren, die Polizei zu informieren und wahrheitswidrig anzugeben, er habe L. M. auf dessen Bitte allein an der Feldscheune absetzen sollen und ihn dann dort tot aufgefunden, als er ihn wieder habe abholen wollen. Als der Angeklagte wieder zu dem unverändert am Boden liegenden Tatopfer kam, stellte er aber fest, dass L. M. wider Erwarten noch nicht verstorben war. Er beschloss nunmehr, ihn endgültig zu töten. Mit einem aus seinem Fahrzeug herbeigeholten Messer mit einer Klingenlänge von 12 cm schnitt er dem rücklings auf dem Boden liegenden Tatopfer, das wegen der durch die Schläge verursachten Schädelverletzungen zu keiner Abwehrreaktion mehr in der Lage war, mit erheblicher Kraftentfaltung den Hals über eine Länge von 11,5 cm bis zur Wirbelsäule durch, wobei er das Messer mindestens zweimal ansetzen musste. L. M. verstarb schließlich infolge der Halsschnitte an einem zentralen Hirnversagen in Kombination mit Verbluten.
5
In rechtlicher Hinsicht hat die Jugendkammer nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, ohne dies näher auszuführen, die Schläge mit der Metallstange als versuchten heimtückischen Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und die den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Messerschnitte als tatmehrheitlich begangenen Totschlag gewertet.

II.


6
1. a) Der Rechtsmittelangriff der Nebenkläger erfasst den gesamten Schuldspruch. Die mit Revisionseinlegung erklärte Beschränkung der Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen Totschlags erweist sich als unwirksam.
7
Zwar kann die Anfechtung eines Urteils nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs innerhalb einer prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO regelmäßig auf einzelne materiell-rechtlich selbständige Straftaten beschränkt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 318 Rn. 10 mwN). Eine wirksame Teilanfechtung setzt aber nach den allgemein für die Beschränkung von Rechtsmitteln geltenden Grundsätzen im Einzelfall voraus, dass sich die Anfechtung auf einen Beschwerdepunkt bezieht, der nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden kann, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Beschluss vom 15. Mai 2001 – 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil die abgeurteilten Angriffshandlungen des Angeklagten mit der Metallstange einerseits und dem Messer andererseits wegen der Mitursächlichkeit beider Handlungsakte für den eingetretenen Todeserfolg materiell-rechtlich nicht gesondert gewürdigt werden können (unten II. 2.).
8
b) Der Revisionsbegründung der Nebenkläger ist trotz verschiedener möglicherweise missverständlicher Ausführungen, die sich mit dem Strafausspruch des angefochtenen Urteils und der Höhe der verhängten Jugendstrafe befassen, noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Nebenkläger eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes erstreben und damit ein zulässiges Rechtsmittelziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgen.
9
2. Die Revisionen der Nebenkläger sind begründet. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Denn auf der Grundlage der getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat sich der Angeklagte eines vollendeten Heimtückemordes schuldig gemacht, weil er bereits durch die Schläge mit der Metallstange eine Ursache für den später unmittelbar durch die Messerschnitte herbeigeführten Tod des Opfers setzte und dieser Ursachenzusammenhang von seinem ursprünglichen Vorsatz umfasst war.
10
a) Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben (BGH, Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00, NStZ 2001, 29, 30). Ein Kausalzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 Rn. 21). Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 aaO; vom 30. August2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 12. September 1984 – 3 StR 245/84, StV 1985, 100; vom 18. Juni 1957 – 5 StR 164/57, BGHSt 10, 291, 293 f.; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, bei Dallinger, MDR 1956, 526) oder des Täters selbst handelt (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 1993 – 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 198; vom 14. März 1989 – 1 StR 25/89, NJW 1989, 2479 f.; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60, BGHSt 14, 193, 194; vom 23. Oktober 1951 – 1 StR 348/51, bei Dallinger, MDR 1952, 16; RGSt 67, 258 f.), ist dabei ohne Bedeutung.
11
Danach waren die mit Tötungsabsicht geführten Schläge mit der Metallstange unbeschadet des Umstands, dass das Tatopfer unmittelbar an den Folgen der späteren Messerschnitte verstarb, für den Tod des Opfers ursächlich. Denn der Einsatz des Messers gegen das bewusstlose, bereits tödlich verletzte Opfer, um es endgültig zu töten, knüpfte an das vorausgegangene Geschehen an und wäre ohne die durch die Schläge mit der Metallstange geschaffene Lage nicht möglich gewesen.
12
b) Der Tod des Opfers als Folge der mit der Metallstange geführten Schläge ist dem Angeklagten auch subjektiv als von dem die Ausführung der Schläge tragenden Vorsatz mitumfasst zuzurechnen. Der Vorsatz des Täters muss sich auf den zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1969 – 2 StR 376/69, BGHSt 23, 133, 135; vom 21. April 1955 – 4 StR 552/54, BGHSt 7, 325, 329). Da dieser indes kaum je in allen Einzelheiten zu erfassen ist, wird der Vorsatz durch unwesentliche Abweichungen des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf nicht in Frage gestellt. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 1 StR 676/10, BGHSt 56, 162, 166; Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34; Vogel in LK-StPO, 12. Aufl., § 16 Rn. 56 ff. mwN). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist in Fällen, in denen bei Angriffen gegen das Leben der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch die Angriffshandlung sondern durch vorsätzliches Handeln eines Dritten oder eine nicht mehr vom Tötungsvorsatz getragene Verdeckungshandlung des Täters herbeigeführt wurde, von der Rechtsprechung eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint worden (vgl. BGH, Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60 aaO; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, aaO).
13
Im vorliegenden Fall ist nach den festgestellten Tatumständen eine lediglich unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf gegeben. Der Umstand, dass der Tod des durch die Schläge mit der Metallstange bereits tödlich verletzten Tatopfers unmittelbar durch die im Zuge der Bemühungen um eine Tatverschleierung mit gleicher Angriffsrichtung gegen das wider Erwarten noch nicht verstorbene Opfer geführten Messerstiche bewirkt wurde, bewegt sich nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und rechtfertigt keine andere Bewertung der Tat.
14
c) Der Angeklagte hat sich durch die mit der Metallstange geführten Schläge gegen das Tatopfer damit eines vollendeten Mordes in der Tatbestandsalternative der heimtückischen Tötung schuldig gemacht. Der durch die Messerschnitte nach Auffassung des Landgerichts gleichfalls verwirklichte Totschlag nach § 212 Abs. 1 StGB tritt, da die Herbeiführung des Todeserfolgs dem Angeklagten strafrechtlich nur einmal angelastet werden kann, konkurrenzrechtlich hinter den Mord zurück (vgl. Rogall, JZ 1993, 1066, 1068).
15
d) Die Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2001 – 5 StR 432/00 – (NStZ 2002, 253) steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen, weil dem Urteil des 5. Strafsenats nicht zu entnehmen ist, ob die dort vorgenommene rechtliche Würdigung auf einer abweichenden Rechtsansicht oder einer einzelfallbezogenen Bewertung festgestellter Tatumstände beruht.
16
e) Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09 Rn. 27) – zur Aufhebung des Urteils. An der vom Generalbundesanwalt beantragten Schuldspruchänderung sieht sich der Senat durch die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO gehindert, da der Angeklagte, dem in der Anklage hinsichtlich der Schläge mit der Metallstange ein versuchter Mord angelastet worden ist, auf die Möglichkeit einer an die Schläge anknüpfenden Verurteilung wegen vollendeten Mordes bislang weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht hingewiesen worden ist.

III.


17
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
18
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts zu bemerken:
19
Die Verfahrensrüge, mit welcher der Beschwerdeführer ein Verwertungsverbot hinsichtlich der durch Zeugenvernehmung der jeweiligen Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei im Ermittlungsverfahren wegen des Unterbleibens einer Beschuldigtenbelehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie des Fehlens einer auf die Unverwertbarkeit früherer Angaben hinweisenden qualifizierten Beschuldigtenbelehrung geltend macht, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn dem Vortrag der Re- vision ist nicht zu entnehmen, ob die Widersprüche gegen die Verwertung rechtzeitig spätestens bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt im Anschluss an die Vernehmung der Vernehmungspersonen erfolgt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 225 f.; Diemer in KK-StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 28 mwN). Soweit sich die Revision unter dem Gesichtspunkt einer unterbliebenen qualifizierten Beschuldigtenbelehrung gegen die Verwertung der vom Angeklagten nach Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO gemachten Angaben wendet, wäre die Rüge aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen auch unbegründet, weil die Jugendkammer aufgrund der gebotenen Abwägung im Einzelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, NStZ 2009, 702, 703; Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112 Rn. 14 ff.; vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452) rechtsfehlerfrei ein Verwertungsverbot verneint hat.
20
Die Aufklärungsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer erneuten Befragung des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. K. beanstandet, erfüllt mangels Vortrags zu dem erwarteten Beweisergebnis (vgl. Meyer-Goßner aaO, § 244 Rn. 81 mwN) nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Schließlich dringen auch die Beweisantragsrügen nicht durch, die sich auf die beantragte Einholung eines weiteren rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Zeitdauer des Auftretens von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich beziehen. Denn der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf einer fehlerhaften Ablehnung dieser Beweisanträge beruht. Das Landgericht hat im Rahmen seiner Überzeugungsbildung zum festgestellten Sachverhalt an keiner Stelle auf die für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten erforderliche Zeitspanne abgestellt. Dies gilt entgegen dem Vorbringen der Revision auch für die Feststellung einer zeitlichen Zäsur zwischen den Schlägen mit der Metallstange und der Ausführung der Messerschnitte, die das Landgericht auf die Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung gestützt hat, welche die Jugendkammer als durch andere Beweisergebnisse bestätigt gesehen und als glaubhaft bewertet hat. Lediglich für die Frage, ob die rechtsmedizinischen Befunde den Angaben des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung entgegenstehen , hat die Jugendkammer Überlegungen zur erforderlichen Zeitdauer für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten angestellt, die aber für die vom Beschwerdeführer unter Beweis gestellte kürzere Zeitspanne erst recht zutreffen. Auch im Übrigen werden die vom Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung gezogenen Schlussfolgerungen durch das in den Beweisanträgen behauptete raschere Auftreten von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich nicht in Frage gestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.

(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 349/15
vom
25. November 2015
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
4.
wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung u.a.
ECLI:DE:BGH:2015:251115U1STR349.15.0

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 25. November 2015, an der teilgenommen haben: Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Graf als Vorsitzender, der Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Jäger, die Richterin am Bundesgerichtshof Cirener und die Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Radtke, Dr. Bär, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof als Vertreter der Bundesanwaltschaft, Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger des Angeklagten H. S. , Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger der Angeklagten M. S. , Rechtsanwältin - in der Verhandlung - und Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger des Angeklagten K. , Rechtsanwalt - in der Verhandlung - und Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger des Angeklagten G. , die Nebenklägerin A. - persönlich -, Rechtsanwältin - in der Verhandlung - als Vertreterin der Nebenklägerin A. , Justizangestellte - in der Verhandlung -, Justizangestellte - in der Verkündung - als Urkundsbeamtinnen der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 13. Februar 2015 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten G. und K. wegen Totschlags , versuchter gefährlicher Körperverletzung und Diebstahls jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von dreizehn Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Angeklagte M. S. wurde wegen gefährlicher Körperverletzung und Anstiftung zur versuchten gefährlichen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren, der Angeklagte H. S. wegen Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung und Anstiftung zur versuchten gefährlichen Körperverletzung unter Einbeziehung mehrerer Geldstrafen aus Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
2
Dagegen wenden sich die zu Lasten der Angeklagten eingelegten Revisionen der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten werden. Mit der Sachrüge beanstandet die Staatsanwaltschaft die Verneinung der Mordmerkmale Heimtücke und Habgier durch das Landgericht, ebenso des Mordmerkmals „zur Verdeckung einer Straftat“, und erstrebt eine Verurteilung der Angeklagten G. und K. wegen Mordes sowie wegen Raubes mit Todesfolge, hinsichtlich der Angeklagten S. wegen Beteiligung hieran. Die Rechtsmittel haben Erfolg und führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.

I.


3
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
4
Die Angeklagten H. S. und M. S. hatten 1992 geheiratet, lebten jedoch seit 2007 getrennt und hatten sich 2013 wieder einander angenähert. Spätestens im November 2013 fassten sie den Entschluss, dass der Geschädigte R. mit dem die Angeklagte M. S. spätestens im April 2013 eine Beziehung eingegangen und im Mai 2013 bei ihm eingezogen war, eine „Abreibung“ erhalten sollte, weil er der Angeklagten nicht mehr die vereinbarten finanziellen Mittel für die Miete einer Gaststätte überließ. Durch die „Abreibung“ sollte der Geschädigte zugleich derart verletzt werden, dass er für einige Tage nicht mehr in der Lage sein würde, die Mieten bei den Prostituierten des von ihm geführten Bordellbetriebs einzukassieren, sodass dies an seiner Stelle die Angeklagte M. S. übernehmen und sie damit Klarheit über die Höhe der monatlichen Einnahmen des Geschädigten erhalten könnte. Nach zahlreichen Gesprächen konnten die beiden die Angeklagten G. und K. , jeweils Mitglieder eines Motorradclubs, zu der Ausführung der geplanten „Abreibung“ überreden, wobei vereinbart wurde, dass K. und G. den Geschädigten abends vor dem Bordellbetrieb überfallen sollten, wenn dieser die Mieten von den Prostituierten kassieren würde, wie er es regelmäßig mittwochs machte. Nachdem dieser Überfall gescheitert war, weil ein Pizzaauslieferer hinzukam, als der Geschädigte das Bordell verließ und der Geschädigte unbehelligt wegfahren konnte, fassten die vier Angeklagten nun den neuen Plan, den Geschädigten in seinem Anwesen im Schlaf zu überraschen und zu verletzen. Um sicherzustellen, dass er sich zu Hause aufhielt, rief die Angeklagte M. S. den Geschädigten auf der Festnetznummer an und empfahl ihm, gegen seine Erkältung das Medikament Wick MediNait zu nehmen und sich schlafen zu legen. Anschließend übergab sie den Hausschlüssel an die Angeklagten G. und K. . Mit diesem Schlüssel schlossen diese die Haustür auf, begaben sich in den Flur und versetzten dem Geschädigten, welcher zuvor bereits im Bett gelegen hatte und nun wieder aufgestanden und in den Flur gegangen war, einen Schlag. Nachdem der Geschädigte darauf hin ins Wohnzimmer gegangen war, misshandelten sie ihn dort mit Schlägen in den Kopf- und Gesichtsbereich sowie, nachdem er zu Boden gegangen war, mit Tritten und weiteren Schlägen gegen Kopf und Oberkörper derart, dass er spätestens nach 15 bis 20 Minuten verstarb.
5
Die Angeklagten G. und K. , welche bei ihrem Vorgehen den Tod des Geschädigten billigend in Kauf nahmen, fassten nun den Tatentschluss , das im Geldbeutel des zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Geschädigten befindliche Bargeld in Höhe von rund 550 € mitzunehmen, um dieses für sich zu behalten.
6
2. Die Angeklagte M. S. hat sich dahin eingelassen, dass sie nie gewollt habe, dass der Geschädigte R. zu Tode komme. Sie sei damit einverstanden gewesen, dass man ihm beispielsweise „Verstauchungen“ an Armen und Beinen zufüge, damit er ein paar Tage ausfalle. Es sollte so aussehen wie ein Überfall. Mit den Angeklagten G. und K. sei nie darüber gesprochen worden, dass sie für die Ausführung der Tat Geld bekommen sollten. Während die Angeklagte M. S. eine Tatbeteiligung ihres Ehemannes abstritt, gaben G. und K. an, dass dieser sie mehrfach aufgefordert habe, dem Geschädigten R. eine „Abreibung“ zu verpassen, und er sie zudem mit seiner Äußerung provoziert habe, dass er andernfalls die Hells Angels beauftragen werde; zudem habe er gegenüber G. geäußert, dass dieser „keine Eier in der Hose“ habe.
7
3. Das Landgericht hat hinsichtlich der Angeklagten G. und K. das Tatgeschehen als Totschlag gewertet. Das Vorliegen von Mordmerkmalen , insbesondere von Heimtücke, hat es ausgeschlossen. Dabei ist die Kammer davon ausgegangen, dass der bedingte Tötungsvorsatz erst dann gefasst wurde, als G. und K. auf den bereits wehrlos am Boden liegenden R. einschlugen und eintraten. Zuvor habe dieser nach dem ersten Schlag im Flur jedoch noch die Möglichkeit gehabt, im Wohnzimmer durch die Terrassentür nach draußen zu fliehen. Nachdem er diese Möglichkeit nicht genutzt habe, sei er aber nicht mehr arglos gewesen. Die Mordmerkmale Habgier und zur Ermöglichung einer Straftat lehnte die Strafkammer deshalb ab, weil sie nicht festzustellen vermochte, dass es den Angeklagten K. und G. schon bei den Schlägen um die Erlangung des Geldes ging.

II.


8
Die Beweiswürdigung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
9
1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Allein ihm obliegt es, sich unter dem umfassenden Eindruck der Hauptverhandlung ein Urteil über die Schuld oder Unschuld der Angeklagten zu bilden. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt. Zudem muss das Urteil erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dabei dürfen die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet werden, sondern müssen in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sein (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 2013 - 4 StR 371/13).
10
Nach diesen Maßstäben hält die durch die Schwurgerichtskammer vorgenommene Beweiswürdigung rechtlicher Prüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
11
Die Beweiswürdigung zum angenommenen Wechsel vom Körperverletzungs - hin zum Tötungsvorsatz der Angeklagten K. und G. ist lückenhaft , weil sie eine nach der Beweislage und den Umständen des Einzelfalls wesentliche Feststellung, die Annahme, dass der bedingte Tötungsvorsatz erst dann gefasst wurde, als G. und K. auf den bereits wehrlos am Boden liegenden R. einschlugen und eintraten, nicht belegt. Für eine solche Feststellung ergeben sich weder Anhaltspunkte im tatsächlichen Geschehen noch aus den Einlassungen der Angeklagten.
12
Nach den Feststellungen lag der Geschädigte R. , als die Angeklagten mit dem ihnen von der Mitangeklagten M. S. übergebenen Hausschlüssel das Haus betraten, im Bett und rechnete mit keinem Angriff. Zudem hatte er auf Rat der Mitangeklagten M. S. , was die Angeklagten G. und K. wussten und auch ausnutzen wollten, das auch bei bestimmungsgemäßen Gebrauch das Reaktionsvermögen beeinträchtigende und zu Müdigkeit führende Arzneimittel Wick MediNait eingenommen. Als er aus nicht näher festgestellten Gründen aufgestanden und in den Flur gegangen war, erhielt er ohne Vorwarnung einen ersten Schlag durch den Angeklagten K. . Beide Angeklagten haben diesbezüglich ein dynamisches Geschehen geschildert, beginnend mit dem ersten Schlag im dunklen Flur der Wohnung durch K. . Die Schläge hätten sich dann im Wohnbereich fortgesetzt, in den der Geschädigte einige Schritte zurückgewichen war. Dann sei es zu weiteren Schlägen und Tritten gegen Kopf und Oberkörper des inzwischen zu Boden gegangenen Geschädigten gekommen, welche letztlich tödlich waren. Diese Einlassungen zu Grunde gelegt sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Angeklagten nicht schon bei ihren ersten Schlägen gegen das in seiner Reaktion eingeschränkte Opfer dessen Tod als Folge der Schläge und Tritte zumindest billigend in Kauf nahmen.
13
2. Des Weiteren sind die Erwägungen des Schwurgerichts zur Beweiswürdigung auch deswegen rechtsfehlerhaft, weil es den Sachverhalt nicht widerspruchsfrei gewürdigt und ohne hinreichende Begründung ein bewusstes Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit durch die Angeklagten K. und G. verneint hat.
14
a) Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt. Wesentlich ist, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren (BGH, Urteile vom 20. Oktober 1993 - 5 StR 473/93, BGHSt 39, 353, 368 und vom 26. November 1986 - 3 StR 372/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 2 mwN). Das Opfer muss gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein (BGH, Urteil vom 4. Juli 1984 - 3 StR 199/84, BGHSt 32, 382, 384). Allerdings kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Opfer auch dann arglos sein, wenn der Täter ihm zwar offen feindselig entgegentritt, die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff aber so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3 und vom 4. Juni 1991 - 5 StR 122/91, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 15). Maßgebend für die Beurteilung ist die Lage bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs.
15
Soweit die Angeklagten bereits mit den ersten Schlägen auf das überrumpelte Opfer dessen Tod zumindest billigend in Kauf nahmen, liegt die Annahme der bewussten Ausnutzung von dessen Arg- und Wehrlosigkeit nahe. Aus dem Bett kommend und durch das Medikament zumindest teilweise sediert gab es für den überraschten älteren Mann keine ersichtliche Chance, den teilweise erheblich jüngeren und angriffsbereiten Tätern zu entkommen, wie sich nachfolgend auch gezeigt hat. Jedenfalls der Umstand aus Überraschung und der Sedierung auf Seiten des Opfers war den Angeklagten K. und G. bewusst.
16
b) Aber auch unter Zugrundelegung der Feststellungen des Landgerichts sind dessen Erwägungen rechtsfehlerhaft, weil es den festgestellten Sachver- halt nicht widerspruchsfrei gewürdigt und ohne hinreichende Begründung ein bewusstes Ausnutzen von Arg- und Wehrlosigkeit durch die AngeklagtenK. und G. verneint hat.
17
Heimtückisch tötet auch, wer sein ahnungsloses Opfer zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz angreift, dann aber unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer nicht mehr möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, sodass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (BGH, Urteile vom 30. August 2012 - 4 StR 84/12, NStZ 2013, 337, 338; vom 1. März 2012 - 3 StR 425/11, NStZ 2012, 691, 693 und vom 16. Februar 2012 - 3 StR 346/11, Rn. 20; Beschluss vom 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; Urteile vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503 und vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR § 211 Abs. 2 Heimtücke 3).
18
An diesen Maßstäben gemessen würde die Ablehnung heimtückischer Tatbegehung rechtlicher Nachprüfung auch unter Berücksichtigung der nicht rechtsfehlerfreien Feststellungen des Landgerichts nicht standhalten. Als nach diesen Feststellungen der sich keines Angriffs versehende Geschädigte vom Bett aufgestanden und in den Flur gegangen war, erhielt er ohne Vorwarnung einen ersten Schlag durch den Angeklagten K. . Angesichts dessen erscheinen die weiteren Feststellungen des Landgerichts, der Geschädigte R. hätte danach auf seinem Weg durch den Ess- und Wohnzimmerbereich die etwa neun Meter entfernte Terrassentür öffnen und ins Freie fliehen können, nicht nachvollziehbar. Das Landgericht hat keine Anhaltspunkte dafür festgestellt, dass der Geschädigte in seiner damaligen Verfassung überhaupt in der Lage war, auf der kurzen Strecke ins Wohnzimmer gegenüber den erheblich jüngeren Angeklagten einen solchen Vorsprung zu erlangen, um dann noch rechtzei- tig die Terrassentür nach innen öffnen zu können. Die Strafkammer hat diesbezüglich auch den sich ergebenden Widerspruch zur Einlassung des Angeklagten K. nicht aufgeklärt, wonach der Geschädigte R. nach dem ersten Schlag ein paar Schritte zurück gegangen und dann irgendwo zu Boden gefallen sei (UA S. 42) und an dieser Stelle dann die weiteren Schläge und Tritte erfolgten. Danach wäre ihm schon deswegen eine Flucht gar nicht möglich gewesen. Jedenfalls aber vermochte er sich aufgrund der Kürze der ihm verbleibenden Reaktionszeit den ihm nachsetzenden Angeklagten nicht mehr zu entziehen oder irgendwelche wirkungsvolle Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese hilflose Situation hielt an, als die Täter den nach weiteren Schlägen bereits am Boden liegenden, weiterhin wehrlosen Geschädigten nunmehr mit Tötungsvorsatz mehrfach gegen Kopf und Oberkörper traten und schlugen, was dann auch zum Tode führte.
19
3. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist zudem auch deshalb lückenhaft und widersprüchlich, weil es allein auf die Einlassung der beiden Angeklagten K. und G. die Feststellung stützte, diese hätten erst nach dem Ende der Tritte und Schläge gegen den nun schwerverletzten und kurz vor seinem Tod stehenden Geschädigten R. spontan den Tatentschluss gefasst, im Schlafzimmer nach dem Geldbeutel des Geschädigten zu suchen und diesem dann rund 550 € entnommen, um dieses Geld für sich zu behalten. Hierbei hat sich das Schwurgericht nicht damit auseinandergesetzt, dass ausdrücklich der Mittwoch als Zeitpunkt für den Angriff gegen den Geschädigten gewählt wurde, an dem er regelmäßig die Mitarbeiterinnen seines Bordellbetriebs abkassierte und danach über Bargeld verfügte. Außerdem sollte nach den Einlassungen aller Angeklagten ein Überfall vorgetäuscht werden, so dass kein Verdacht auf die Mitangeklagten S. fallen konnte. Um einen solchen Eindruck zu erwecken, war es fast zwingend erforderlich, dass es im Rahmen eines solchen „Überfalls“ zur Wegnahme von Wertgegenständen oder von Geld kommen musste. Auch mit diesem aus den Feststellungen sich ergebenden Widerspruch hat sich das Landgericht nicht befasst. Zudem hat sich die Schwurgerichtskammer auch nicht damit auseinandergesetzt , weshalb die Angeklagten nach dem Ende der Tätlichkeiten gegen den Geschädigten ins Schlafzimmer gingen, nachdem sie schon zuvor geplant hatten , in der Wohnung nach dem vom Geschädigten abends eingezogenen Geld zu suchen.

III.


20
Rechtsfehlerhaft und lückenhaft sind auch die Feststellungen und die Beweiswürdigung hinsichtlich der Angeklagten H. und M. S. .
21
1. Insbesondere hat die Strafkammer nicht in den Blick genommen, dass nach dem Fehlschlag des Überfalls am Abend im Hof des Bordellbetriebsdie Angeklagten K. und G. von den Mitangeklagten S. dazu gedrängt wurden, in Abweichung von dem bisherigen Tatplan den Geschädigten nachts zu Hause zu überfallen, welcher zu diesem Zeitpunkt bereits schlafen sollte, nachdem er auf Anraten der Mitangeklagten M. S. das auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch das Reaktionsvermögen beeinträchtigende und zu Müdigkeit führende Arzneimittel Wick MediNait eingenommen hatte. Im Gegensatz zu dem ursprünglich am frühen Abend im Hof des Bordellbetriebs vorgesehenen Angriff stellt sich ein Überfall nachts in einer unbeleuchteten Wohnung auf einen in der Reaktion beeinträchtigten älteren Menschen weitaus risikobehafteter dar, wobei Schläge und Tritte in solch einer Umgebung unberechenbar und kaum dosierbar sind. Insoweit hätte sich die Schwurgerichtskammer damit auseinandersetzen müssen, ob die hierbei dem Geschädigten zugefügten, zum Tode führenden Verletzungen den beiden Anstiftern nicht doch zuzurechnen sind.
22
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird nicht jede strafrechtliche Haftung des Anstifters für den von ihm weder gewollten noch gebilligten Erfolg bei erfolgsqualifizierten Delikten dadurch ausgeschlossen , dass der Angestiftete den Erfolg vorsätzlich herbeigeführt hat (BGH, Urteil vom 3. Juni 1964 - 2 StR 14/64, BGHSt 19, 339, 341). Sofern der zu einer gefährlichen Körperverletzung Angestiftete dem Misshandelten, insoweit über den Vorsatz des Anstifters hinausgehend, mit Tötungsvorsatz eine Verletzung zufügt , die auch zum Tode des Opfers führt, kann der Anstifter wegen Anstiftung zur Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB) schuldig sein (BGH, Urteil vom 1. April 1952 - 1 StR 867/51, BGHSt 2, 223, 226). Er haftet andererseits nur für die Folgen derjenigen Handlungen des Angestifteten, die er in seine Vorstellungen einbezogen hatte. Die von dem Angestifteten dem Opfer mit Tötungsvorsatz zugefügten Körperverletzungen dürfen also - wenn eine Verurteilung nach § 227 StGB in Betracht kommen soll - nicht von anderer Art und Beschaffenheit sein, als der Anstifter wollte und es sich vorstellte (BGH, Urteile vom 1. April 1952 - 1 StR 867/51, BGHSt 2, 223, 226 und vom 20. Mai1986 - 1 StR 224/86, NJW 1987, 77 f.).
23
Dies hat das Landgericht zwar nicht übersehen. Es hat jedoch bei den Feststellungen, dass nach den Vorstellungen der Angeklagten dem Geschädig- ten „maximal Brüche an Armen und Beinen“ zugefügt werden sollten, nicht aber lebensgefährliche oder gar tödliche Verletzungen durch Tritte oder Schläge an Kopf und Oberkörper, nicht berücksichtigt, dass diese Vorstellungen auf dem ursprünglichen Tatplan beruhten und ein Überfall nächtens und in dunkler Wohnung erheblich größere Risiken mit sich brachte und in einem solchen Tat- umfeld tödliche Verletzungen für das Opfer nicht gänzlich ausgeschlossen werden können.
24
2. Aus den unter II.2. angeführten Gründen erweist sich die Beweiswürdigung auch hinsichtlich der Angeklagten S. bezüglich der Wegnahme des Geldbetrages durch K. und G. als lückenhaft und widersprüchlich. Nachdem der „Überfall“ mit Bedacht an einem Tag durchgeführt werden sollte, an dem üblicherweise der Geschädigte die Mieten in seinem Bordellbetrieb einzog und danach über einen größeren Geldbetrag verfügte, hätte das Landgericht sich damit auseinander setzen müssen, dass die Anstiftungshandlungen der Angeklagten S. gerade auch von dem Bestreben umfasst waren, zumindest für einige Tage die Erträge aus dem Bordellbetrieb durch die Angeklagte M. S. einziehen zu können.
Graf Jäger Cirener Radtke Bär

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
3 StR 425/11
vom
1. März 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Verhandlung vom
1. März 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker,
die Richter am Bundesgerichtshof
Hubert,
Dr. Schäfer,
Mayer,
Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Menges
als beisitzende Richter,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Vertreter der Nebenkläger,
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Die Revisionen der Nebenkläger und des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 22. Juli 2011 werden verworfen.
Der Angeklagte und die Nebenkläger haben die Kosten ihres jeweiligen Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags zur Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf eine Verfahrensrüge und sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision der Nebenkläger , die die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes gemäß § 211 StGB erstreben. Der Angeklagte beanstandet mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Die Rechtsmittel der Nebenkläger sind zulässig (§ 400 Abs. 1, § 401 Abs. 1 und 2 StPO), aber unbegründet. Auch die Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.
2
Nach den Feststellungen des Landgerichts tötete der Angeklagte seine Ehefrau am Morgen des 26. Oktober 2010 neben ihrem Pkw mit einem Küchenmesser. Im Einzelnen:
3
Nach ehelichen Streitigkeiten, die zwar nie zu Tätlichkeiten führten, indes mehrfach zur Folge hatten, dass die Geschädigte zu ihren Eltern zog, nahm diese - ohne Kenntnis des Angeklagten - ein intimes Verhältnis zu einem seiner Bekannten auf und bezog im August 2010 eine eigene Wohnung. Der Angeklagte wurde von diesem Verhalten seiner Ehefrau völlig überrascht.
4
In den folgenden Wochen kam es mehrfach zu Versöhnungen und erneuten Trennungen der Eheleute. Dabei verhielt sich insbesondere das Opfer sehr wechselhaft, während der Angeklagte zwar in den Trennungsphasen mit einer anderen Frau zusammentraf, aber stets bereit war, die eheliche Gemeinschaft wieder aufzunehmen. Nachdem die Geschädigte am 16. Oktober 2010 ihre Wohnung gekündigt hatte und wieder in die eheliche Wohnung eingezogen war, eröffnete sie dem Angeklagten schon zwei Tage später, wer ihr Liebhaber ist und dass sie diesen liebe. Dieser sei ein besserer Mensch und dem Angeklagten in allem überlegen. Die Geschädigte verließ den Angeklagten sodann endgültig und bezog erneut ihre Wohnung.
5
In der Folgezeit versuchte der Angeklagte immer wieder seine Ehefrau telefonisch zu erreichen, erschien vor ihrer Wohnung sowie an ihrer Arbeitsstelle und beobachtete sie. Einige Tage vor der Tat verbot die Geschädigte dem Angeklagten, der morgens vor ihrem Haus auf sie gewartet hatte, sie an ihrem Arbeitsplatz und auch bei anderen Gelegenheiten aufzusuchen.
6
In den Tagen vor der Tat beobachtete der Angeklagte weiterhin die Wohnung seiner Ehefrau auch von einem Baum aus. Er stellte dabei fest, dass das Kraftfahrzeug des neuen Partners seiner Frau in deren Garage stand und seine Tochter mit ihrer Familie einen Abend mit der Geschädigten und deren neuen Partner verbrachte. Am Abend vor der Tat sah der Angeklagte - erneut von einem Baum aus -, dass der neue Partner seiner Ehefrau das Haus betrat und war davon überzeugt zu erkennen, dass es im Wohnzimmer zu sexuellen Handlungen zwischen den beiden kam.
7
Die Nacht vor der Tat verbrachte der Angeklagte unruhig, stand gegen fünf Uhr auf und beschloss, nochmals eine Begegnung mit seiner Ehefrau herbeizuführen und mit ihr über ihre Beziehung zu reden. Beim Verlassen seines Hauses nahm er schwarze Lederhandschuhe mit und steckte ein Küchenmesser mit einer 19 cm langen Klinge in seine Jackentasche, um seine Ehefrau zu töten, falls das Gespräch mit ihr "nicht in seinem Sinne" verlaufen werde. Der Angeklagte stellte seinen Pkw auf einem in der Nähe des Wohnhauses seiner Ehefrau gelegenen Parkplatz ab, ging sodann durch ein kleines Wäldchen in Richtung des Hauses und wartete im Schutz der Bäume zunächst darauf, dass das Licht in der Wohnung seiner Frau anging. Als dies der Fall war, begab er sich zu den jenseits der Auffahrt liegenden Garagen, in deren Nähe die Geschädigte ihren Pkw im Freien geparkt hatte. Der Angeklagte versteckte sich in einem Gebüsch und wartete dort auf seine Frau, um sie zu überraschen, weil er befürchtete, dass sie sofort umkehren würde, falls sie ihn entdeckte. Gegen sechs Uhr verließ diese das Haus, ging zu ihrem Fahrzeug, setzte sich auf den Fahrersitz und startete den Motor. Erst in diesem Moment verließ der Angeklagte sein Versteck, lief wenige Meter zum Auto, öffnete die Beifahrertür und setzte sich auf den Beifahrersitz. Seine Frau erschrak zunächst, begann aber - nachdem sie ihren Mann erkannt hatte, von dem sie nichts Gewalttätiges erwartete - eine lautstarke verbale Auseinandersetzung mit ihm. Sie forderte den Angeklagten auf, sie in Ruhe zu lassen, sie liebe ihren neuen Partner und er habe das gefälligst zu akzeptieren. Der Angeklagte verließ das Fahrzeug gleichwohl nicht und die beiden schrien sich gegenseitig an. Am Ende äußerte die Geschädigte: "Verpiss dich aus meinem Leben! Du hast mich nicht verdient! Peter ist tausendmal besser als du und zwar auch im Bett!" Der Angeklagte wurde daraufhin äußerst wütend und schlug seine Ehefrau, die aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen mit ihm (weiterhin) nicht mit einem Angriff rechnete, mit der rechten Faust ins Gesicht. Sie schrie weiter und er schlug mehrfach auf sie ein. Während der Auseinandersetzung zog der beträchtlich affektiv aufgeladene , in seiner Steuerungsfähigkeit aber nicht beeinträchtigte Angeklagte - "in dem sich nunmehr realisierenden Entschluss, sie zu töten" - das Küchenmesser aus der Jackentasche und begann auf seine Frau einzustechen. Sein Opfer versuchte, die Stiche mit den Händen abzuwehren und trug bereits zu diesem Zeitpunkt durch das Messer mindestens eine blutende Verletzung davon. Im weiteren Verlauf gelang es der Geschädigten, die Fahrertür zu öffnen und aus dem Auto zu entkommen. Der Angeklagte folgte ihr indes unmittelbar ebenfalls durch die Fahrertür und brachte seine Frau, die bis dahin im Wesentlichen Blutergüsse am Kopf und einen Nasenbeinbruch erlitten hatte, neben dem Fahrzeug zu Boden. Sodann fügte er seinem Opfer - weiterhin um es zu töten - eine tiefe, bis an die Wirbelsäule heranreichende Schnittverletzung am Hals zu, die dazu führte, dass die Ehefrau des Angeklagten innerhalb kurzer Zeit an Ort und Stelle verblutete.
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I. Revision der Nebenkläger
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1. Die Verfahrensbeanstandung bleibt aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwaltes ohne Erfolg.
10
2. Die aufgrund der Sachbeschwerde der Nebenkläger veranlasste Nachprüfung des Urteils zum Schuldspruch hat keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erbracht.
11
Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Mordes hat das Landgericht verneint, weil weder eine Tötung aus niedrigen Beweggründen noch eine heimtückische Begehungsweise im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB vorliege.
12
a) Die Ablehnung niedriger Beweggründe hat das Landgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:
13
Die Voraussetzungen für die Annahme einer Tötung aus niedrigen Beweggründen im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB aus krankhaft übersteigerter Eifersucht oder zur Verhinderung der Trennung seitens der Partnerin seien nicht erfüllt. Die Kammer sehe hier vielmehr ein facettenreiches Motivbündel. Das Verhältnis des Angeklagten zu seiner Ehefrau habe in den letzten Wochen vor der Tat einer "emotionalen Achterbahnfahrt" geglichen. Die Beziehung zwischen den Eheleuten sei von heftigen Streitigkeiten geprägt gewesen, die mit intensiven Versöhnungen abwechselten. Schließlich hätten die Konflikte in der Eröffnung der Ehefrau gegipfelt, sie habe einen anderen Mann. Der Angeklagte habe mithin begründeten Anlass zur Eifersucht gehabt, verbunden mit der Erkenntnis und der Angst, nunmehr endgültig von seiner Ehefrau verlassen zu werden, sei aber auch enttäuscht und verzweifelt über das unwiderrufliche Ende seiner bisherigen Lebens- und Familienverhältnisse und insbesondere über das Verhalten seiner Tochter gewesen. Diese Beweggründe stünden nach all- gemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe und würden nicht in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; vielmehr habe sich der Angeklagte aus einem in gewisser Weise noch emotional nachvollziehbaren Konglomerat aus Eifersucht, Enttäuschung, großer Verzweiflung, narzisstisch geprägter Wut, aber auch aus endgültiger Verlustangst zur Tat entschlossen.
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Diese Begründung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Beweggründe sind niedrig im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat niedrig sind und - in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag - als verachtenswert erscheinen , erfordert eine Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 15. Mai 2003 - 3 StR 149/03, NStZ 2004, 34 mwN; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 211 Rn. 15). Gefühlsregungen wie Eifersucht, Wut, Ärger, Hass und Rache kommen nach der Rechtsprechung in der Regel nur dann als niedrige Beweggründe in Betracht, wenn sie ihrerseits auf niedrigen Beweggründen beruhen, was am ehesten der Fall ist, wenn diese Gefühlsregungen jeglichen nachvollziehbaren Grund entbehren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Juli 2010 - 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35 mwN). Der Täter muss weiterhin die tatsächlichen Umstände, welche die Niedrigkeit der Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen und erkannt haben sowie - insbesondere auch bei affektiver Erregung und gefühlsmäßigen oder triebhaften Regungen, wie dies etwa Verärgerung , Wut und Eifersucht sind - in der Lage gewesen sein, sie gedanklich zu beherrschen und willensmäßig zu steuern (st. Rspr.; vgl. Fischer, aaO, Rn. 82 mwN). Beim Vorliegen eines Motivbündels beruht die vorsätzliche Tötung auf niedrigen Beweggründen, wenn das Hauptmotiv, welches der Tat ihr Gepräge gibt, nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht und deshalb verwerflich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2006 - 4 StR 419/06, NStZRR 2007, 111; Fischer, aaO, Rn. 19).
15
Daran gemessen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landgericht auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen keine Tötung aus niedrigen Beweggründen angenommen hat. Es hat die für die Beurteilung der Tötungsmotive des Angeklagten erforderliche umfassende Gesamtwürdigung angestellt und dabei alle für die Bewertung seiner Handlungsantriebe bedeutsamen Umstände berücksichtigt. Gegen das vom Landgericht auf diese Weise gewonnene Ergebnis, dass die Beweggründe des Angeklagten nach allgemeiner sittlicher Wertung nicht auf tiefster Stufe stehen, nicht in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb nicht als besonders verachtenswert erscheinen, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
16
b) Einen Heimtückemord hat das Landgericht mit folgenden Ausführungen verneint:
17
Nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen seien bereits die objektiven Voraussetzungen der Heimtücke. Als der Angeklagte sich am Morgen des 26. Oktober 2010 zu seiner Frau in den Pkw gesetzt habe, habe diese sich zwar offensichtlich keines Angriffs versehen. Nach der Einlassung des Angeklagten habe sich die Gesprächssituation im Fahrzeug für die Eheleute nicht als ungewöhnlich dargestellt, so dass sie über das plötzliche Erscheinen ihres Ehemannes lediglich erschrocken und ungehalten gewesen sei, nicht aber mit Gewalttätigkeiten seinerseits gerechnet habe. In diesem Verhalten (des Ange- klagten) sei aber noch nicht der Beginn der Tötungshandlung zu sehen. Der Angeklagte habe zwar bereits einen bedingten Tatentschluss gefasst gehabt, als er das Küchenmesser eingesteckt habe, weil lediglich die Tatausführung, nicht aber der (grundsätzliche) Wille zur Tat davon abhängig war, wie das von ihm angestrebte Gespräch mit seiner Frau verlaufen werde. Die Schwelle zum "jetzt geht es los", sei nach seinem Tatplan jedoch erst erreicht gewesen, als der Angeklagte das Messer gezogen habe, nachdem es zu einer heftigen verbalen Auseinandersetzung und Faustschlägen gekommen sei, durch die das Opfer gleichsam vorgewarnt gewesen sei.
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Arglosigkeit des Tatopfers sei allerdings auch dann anzunehmen, wenn der überraschende Angriff zwar zunächst nicht mit Tötungsvorsatz, sondern nur mit Verletzungsvorsatz geführt werde, jedoch der ursprüngliche Verletzungswille derart schnell in Tötungsvorsatz umschlage, dass der Überraschungseffekt bis zu dem Zeitpunkt andauere, in dem der Täter zu dem auf Tötung gerichteten Angriff übergehe. Bestehe die Situation völlig unverändert weiter und bleibe dem Opfer keine Zeit zu irgendwie gearteten Gegenmaßnahmen, nehme die Tat also vom ersten Angriff an ihren ganz ungehemmten und nicht zu hemmenden Fortgang, so sei das Opfer arglos.
19
Im vorliegenden Fall sei indes nicht sicher festzustellen, wie viel Zeit zwischen dem ersten, auf die Äußerung der Ehefrau hin geführten Faustschlag bis zu dem Moment vergangen sei, als der Angeklagte in Tötungsabsicht das Messer gezogen und damit auf seine Ehefrau eingewirkt habe. Die zahlreichen, von der gerichtsmedizinischen Sachverständigen dargestellten Hämatome an Kopf und Körper sowie der Nasenbeinbruch ließen durchaus auf eine längere Zeitdauer schließen. Dann sei aber möglich, dass die Angegriffene aufgrund der länger andauernden Tätlichkeiten zum Zeitpunkt des ersten Messereinsatzes gerade nicht mehr arglos gewesen sei. Die Abwehrverletzungen sprächen zudem gegen deren Wehrlosigkeit ebenso wie der Umstand, dass es ihr gelungen sei, aus dem Fahrzeug hinauszukommen, auch wenn sie es nicht geschafft habe, dem Angeklagten endgültig zu entrinnen oder in irgendeiner Form mäßigend auf ihn einzuwirken. Dementsprechend könne nicht festgestellt werden, dass das Opfer zu Beginn des mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs noch infolge Arglosigkeit wehrlos gewesen sei.
20
Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung ebenfalls stand. Heimtückisch handelt, wer in feindlicher Willensrichtung die Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers bewusst zu dessen Tötung ausnutzt. Arglos ist das Tatopfer, wenn es bei Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mit einem gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteten schweren oder doch erheblichen Angriff rechnet. Ein bloßer, der Tat vorausgegangener Wortwechsel, eine nur feindselige Atmosphäre oder ein generelles Misstrauen schließen die Heimtücke nicht aus, wenn das Opfer hieraus noch nicht die Gefahr einer Tätlichkeit entnimmt. Erforderlich ist vielmehr für die Beseitigung der Arglosigkeit auch bei einem vorangegangenen Streit, dass das Opfer mit einem tätlichen Angriff rechnet (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2007 - 4 StR 467/06 mwN). Das Opfer muss weiter gerade aufgrund seiner Arglosigkeit wehrlos sein. Arg- und Wehrlosigkeit können aber auch gegeben sein, wenn der Täter zunächst nur mit Körperverletzungsvorsatz handelt, und dann unter bewusster Ausnutzung des Überraschungseffekts unmittelbar zur Tötung übergeht und es dem Opfer infolge des überraschenden Angriffs nicht möglich ist, sich Erfolg versprechend zur Wehr zu setzen, so dass die hierdurch geschaffene Situation bis zur Tötungshandlung fortdauert (vgl. BGH, Urteile 19. Juni 2008 - 1 StR 217/08, NStZ 2009, 29, 30; vom 2. April 2008 - 2 StR 621/07, NStZ-RR 2008, 238; vom 27. Juni 2006 - 1 StR 113/06, NStZ 2006, 502, 503; vom 20. Juli 2004 - 1 StR 145/04, juris Rn. 6 sowie vom 22. Januar 2004 - 4 StR 319/03, NStZ-RR 2004, 234; vgl. auch schon BGH, Urteile vom 9. Dezember 1986 - 1 StR 596/86, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 3; vom 15. Dezember 1992 - 1 StR 699/92, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 16 und vom 24. Februar 1999 - 3 StR 520/98, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Heimtücke 27).
21
Daran gemessen hat sich das Landgericht mit den Voraussetzungen einer heimtückischen Tötung im Sinne des § 211 Abs. 2 StGB rechtsfehlerfrei befasst. Zutreffend hat es zunächst angenommen, dass ein von Tötungsvorsatz getragener Angriff nicht schon beim Einsteigen des Angeklagten in das Fahrzeug vorlag, da er zu diesem Zeitpunkt nur einen bedingten Tötungsentschluss gefasst hatte und es noch offen war, ob die Bedingung für dessen tatsächliche Umsetzung eintreten werde. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ist das Landgericht weiterhin davon ausgegangen, dass der Angeklagte auch bei den zunächst mit Fäusten verübten Tätlichkeiten gegen seine Ehefrau noch mit Verletzungsvorsatz handelte und erst die sich anschließende Verwendung des Messers von Tötungsvorsatz getragen war. Dabei hat es sich auch mit der Möglichkeit des Vorliegens einer heimtückischen Tötung bei einem überraschenden - mit Körperverletzungsvorsatz geführten - Angriff auseinandergesetzt und einen solchen - auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung - mit tragfähiger Begründung im Hinblick darauf abgelehnt, dass eine längere Zeitspanne zwischen dem ersten, mit Fäusten geführten Angriff des Angeklagten und dem Hervorholen des Messers verstrichen war und es daher möglich erscheint, dass das Opfer beim ersten mit Tötungsvorsatz ausgeführten Angriff nicht (mehr) arglos und - angesichts der Abwehrhandlungen gegen die ersten Messerangriffe und der sich anschließenden, kurzzeitig erfolgreichen Flucht - auch nicht mehr wehrlos war.
22
II. Revision des Angeklagten
23
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zu dessen Nachteil erbracht. Auch der Strafausspruch hat Bestand. Das Landgericht hat bei der - von der Revision im Einzelnen beanstandeten - Strafrahmenwahl das Vorliegen eines minder schweren Falles des Totschlags gemäß § 213 StGB rechtsfehlerfrei verneint.
24
1. Die Ablehnung des § 213 Alt. 1 StGB hat es wie folgt begründet: Nach dieser Vorschrift wäre ein minder schwerer Fall nur gegeben, wenn der Angeklagte ohne eigene Schuld durch eine ihm zugefügte schwere Beleidigung ("Verpiss Dich aus meinem Leben! Du hast mich nicht verdient! Peter ist 1000mal besser als Du - und zwar auch im Bett!") von seiner Frau gereizt und hierdurch auf der Stelle zur Tat hingerissen worden wäre. Im vorliegenden Fall sei bereits fraglich, ob der Angeklagte ohne eigene Schuld gereizt worden sei, da er sich über das Verbot seiner Frau, mit ihr Kontakt aufzunehmen, hinweggesetzt , sie erneut aufgesucht und so selbst zur Verschärfung der Situation beigetragen habe. Jedenfalls sei er aber durch die Äußerungen seiner Frau nicht auf der Stelle zur Tat "hingerissen" worden. Vielmehr sei er von vornherein auf eine mögliche Konfrontation mit ihr eingestellt gewesen, er habe sie sogar mit dem bedingten Tatentschluss aufgesucht, sie zu töten, wenn das Gespräch nicht in seinem Sinne verlaufe. Bei dieser Sachlage fehle es an dem gebotenen "motivationspsychologischen Zusammenhang" zwischen der Beleidigung und der Tötungshandlung.
25
Diese Begründung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Zutreffend hat das Landgericht bereits den erforderlichen Motivationszusammenhang zwi- schen der den Angeklagten zurückweisenden und abwertenden Äußerung und der Tötungshandlung verneint (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 1966 - 2 StR 525/65, BGHSt 21, 14, 17 f. und Beschluss vom 26. Juli 1994 - 1 StR 286/94, NStZ 1995, 83). Außerdem stellt sich das Verhalten der Geschädigten nach den Feststellungen auch nicht als eine Provokation dar, die angesichts der gesamten Umstände ohne eigene Schuld des Angeklagten geschehen wäre: Nach dessen umfangreichen Nachstellungen hatte die Geschädigte dem Angeklagten schließlich kurz vor der Tat untersagt, mit ihr in Kontakt zu treten. Dies hat er am Tattag missachtet und ist dabei in einer Art und Weise vorgegangen, die seine Frau überraschte und erschreckte sowie ihr keine Möglichkeit ließ, der Konfrontation mit ihm zu entgehen. Der Aufforderung der Geschädigten, ihr Fahrzeug zu verlassen, kam er nicht nach. Dass die Geschädigte aufgrund dieser vom Angeklagten geschaffenen, ihr aufgezwungenen Situation erbost war und den Angeklagten anschrie sowie beschimpfte, ist daher maßgeblich auf das rücksichtslose Verhalten des Angeklagten zurückzuführen und stellt bei wertender Betrachtung eine verständliche Reaktion der Geschädigten dar (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 221/88, BGHR StGB § 213 Alt. 1 Verschulden 1).
26
2. Bei der Ablehnung eines sonst minder schweren Falles im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB hat sich die Kammer von folgenden Gesichtspunkten leiten lassen:
27
Einerseits seien der unglückselige Verlauf der Beziehung zwischen den Eheleuten im Vorfeld und die hohe affektive Aufladung des Angeklagten zu berücksichtigen. Darüber hinaus sei zu beachten, dass er sich nach der Tat selbst gestellt und ein Geständnis abgelegt habe, außerdem, dass er nicht vorbestraft sei und Reue für seine Tat bekundet habe, die auch in dem Suizidversuch zu Tage getreten sei. Andererseits falle ganz erheblich ins Gewicht, dass es sich nicht um eine Spontantat gehandelt habe; vielmehr habe der Angeklagte bereits am frühen Morgen den Tatentschluss gefasst und entsprechende Vorbereitungen getroffen. Daneben seien die der beabsichtigten Tötungshandlung vorgelagerten zahlreichen Verletzungen zu sehen, die allerdings keinen eigenständigen Tatbestand erfüllten. Bei Abwägung dieser Umstände sei die Anwendung des Normalstrafrahmens mit Freiheitsstrafe zwischen fünf und fünfzehn Jahren nicht unverhältnismäßig.
28
Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Bei Annahme oder Ablehnung eines sonst minder schweren Falles im Sinne von § 213 Alt. 2 StGB kommt es auf eine Gesamtbewertung aller bedeutsamen Umstände an (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2008 - 3 StR 484/08, NStZ-RR 2009, 139; Fischer, aaO, § 213 Rn. 12 ff. mwN). Dies hat das Landgericht beachtet und bei seiner Würdigung keine wesentlichen und bestimmenden Umstände unberücksichtigt gelassen. Auch die Revision des Angeklagten zeigt durchgreifende Rechtsfehler des Landgerichts bei der Strafrahmenwahl nicht auf. Allein die - vom Landgericht berücksichtigte - Äußerung der Geschädigten, dass ihr Liebhaber "auch im Bett" tausendmal besser sei als der Angeklagte, zwingt hier nicht zur Bewertung der Tat als minder schwerer Fall im Sinne von § 213 StGB.
29
3. Schließlich begegnet auch die Zumessung der konkreten Strafe keinen rechtlichen Bedenken.
Becker Hubert Schäfer Mayer Menges

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 223/15
vom
3. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Dezember
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter – in der Verhandlung –,
die Nebenkläger in Person – in der Verhandlung –,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. Januar 2015 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionskläger zu tragen; im Übrigen wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Totschlags zu der einheitlichen Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten , die mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge begründet ist. Die Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begange- nen Totschlags und erstreben insoweit eine Verurteilung wegen Mordes. Während die Rechtsmittel der Nebenkläger durchdringen, erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen waren der zur Tatzeit 19-jährige Angeklagte und sein langjähriger, zwei Jahre jüngerer Freund, das spätere TatopferL. M. , am Abend des Tattags mit dem Fahrzeug des Angeklagtenunterwegs. Nachdem sie beim Autohof G. etwas gegessen hatten und sodann inder Umgebung herumgefahren waren, bogen sie von der Landstraße in einen Feldweg ab und hielten dort zunächst an einer Scheune an, um nachzusehen, was sich in der Scheune befand. Anschließend setzten sie ihre Fahrt über die Feldwege fort, bis sie an einer weiteren Scheune erneut anhielten. Beide stiegen aus und gingen zu der Längsseite der Scheune, an der sich ein großes, massives und verschlossenes Tor befand. Möglicherweise versuchte der Angeklagte mit einer mitgebrachten Metallstange ein Brett des Scheunentors beiseitezuschieben , während L. M. sich fortwährend mit seinem Mobiltelefon beschäftigte. Möglich ist auch, dass sich zwischen beiden eine kurze verbale Auseinandersetzung entwickelte, in deren Verlauf der Angeklagte seinem Freund vorhielt, dass es keinen Sinn mache, etwas zu schreiben, da die Mäd- chen ihn sowieso nicht wollten und ihn ständig „verarschten“, worauf L. M. entgegnete, dass der Angeklagte derjenige sei, der überhaupt nichts geregelt und für sein Alter „kein Mädchen an den Start bekomme“. Des Weiteren be- zeichnete L. M. den Angeklagten nicht ausschließbar als „armes Würst- chen“, was den Angeklagten verletzte. Zu darüber hinausgehenden Aggressivi- täten oder gar einer körperlichen Auseinandersetzung kam es aber nicht. L. M. nahm daraufhin sein Klappmesser und begann, sich damit im Bereich eines in dem Scheunentor wenige Zentimeter über dem Erdboden vorhandenen Lochs zu schaffen zu machen. Dabei kniete oder hockte er sich hin und drehte dem Angeklagten den Rücken zu.
3
Der Angeklagte entschloss sich spätestens jetzt, L. M. zu töten, wobei ihm bewusst war, dass das Tatopfer in dieser Situation mit keinem Angriff rechnete und einen Angriff von hinten nicht rechtzeitig genug bemerken würde, um sich noch wehren zu können. Der Angeklagte stellte sich hinter L. M. , holte mit der 1,11 m langen und 1.539 g schweren Metallstange aus und schlug dem Opfer in Tötungsabsicht mit voller Wucht von hinten auf den Hinterkopf. Infolge des Schlags kippte L. M. bewusstlos nach links zur Seite, sodass sein Körper mit dem Rücken und sein Kopf mit der rechten Gesichtshälfte auf dem Boden zu liegen kamen, und begann sofort stark im Kopfbereich und aus den Ohren zu bluten. Der Angeklagte schlug mindestens zwei weitere Male mit der Metallstange mit voller Wucht auf den Kopf des auf dem Boden liegenden bewusstlosen L. M. ein, um ihn sicher zu töten. Durch die Schläge auf den Kopf erlitt das Opfer u.a. ein hochgradiges Schädel-Hirn-Trauma mit umfangreichen Schädelbrüchen und Hirnverletzungen, die mit Sicherheit nach einiger Zeit zum Tod des Opfers geführt hätten.
4
In der Annahme, L. M. sei durch die Schläge bereits getötet worden oder werde in kurzer Zeit versterben, begab sich der Angeklagte nach dem letzten Schlag zu seinem Fahrzeug, legte die Metallstange in den Kofferraum und fuhr zur Landstraße zurück. Nachdem er die Metallstange am Rand eines Feldweges in den Straßengraben geworfen hatte, fuhr er wiederum zum Autohof G. , wo er sich kurze Zeit aufhielt. Da der Angeklagte den Verdacht, L. M. erschlagen zu haben, von sich weisen wollte, fasste er spätestens nach dem Verlassen des Autohofs den Entschluss, zurück zur Scheune zu fahren, die Polizei zu informieren und wahrheitswidrig anzugeben, er habe L. M. auf dessen Bitte allein an der Feldscheune absetzen sollen und ihn dann dort tot aufgefunden, als er ihn wieder habe abholen wollen. Als der Angeklagte wieder zu dem unverändert am Boden liegenden Tatopfer kam, stellte er aber fest, dass L. M. wider Erwarten noch nicht verstorben war. Er beschloss nunmehr, ihn endgültig zu töten. Mit einem aus seinem Fahrzeug herbeigeholten Messer mit einer Klingenlänge von 12 cm schnitt er dem rücklings auf dem Boden liegenden Tatopfer, das wegen der durch die Schläge verursachten Schädelverletzungen zu keiner Abwehrreaktion mehr in der Lage war, mit erheblicher Kraftentfaltung den Hals über eine Länge von 11,5 cm bis zur Wirbelsäule durch, wobei er das Messer mindestens zweimal ansetzen musste. L. M. verstarb schließlich infolge der Halsschnitte an einem zentralen Hirnversagen in Kombination mit Verbluten.
5
In rechtlicher Hinsicht hat die Jugendkammer nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, ohne dies näher auszuführen, die Schläge mit der Metallstange als versuchten heimtückischen Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und die den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Messerschnitte als tatmehrheitlich begangenen Totschlag gewertet.

II.


6
1. a) Der Rechtsmittelangriff der Nebenkläger erfasst den gesamten Schuldspruch. Die mit Revisionseinlegung erklärte Beschränkung der Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen Totschlags erweist sich als unwirksam.
7
Zwar kann die Anfechtung eines Urteils nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs innerhalb einer prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO regelmäßig auf einzelne materiell-rechtlich selbständige Straftaten beschränkt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 318 Rn. 10 mwN). Eine wirksame Teilanfechtung setzt aber nach den allgemein für die Beschränkung von Rechtsmitteln geltenden Grundsätzen im Einzelfall voraus, dass sich die Anfechtung auf einen Beschwerdepunkt bezieht, der nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden kann, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Beschluss vom 15. Mai 2001 – 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil die abgeurteilten Angriffshandlungen des Angeklagten mit der Metallstange einerseits und dem Messer andererseits wegen der Mitursächlichkeit beider Handlungsakte für den eingetretenen Todeserfolg materiell-rechtlich nicht gesondert gewürdigt werden können (unten II. 2.).
8
b) Der Revisionsbegründung der Nebenkläger ist trotz verschiedener möglicherweise missverständlicher Ausführungen, die sich mit dem Strafausspruch des angefochtenen Urteils und der Höhe der verhängten Jugendstrafe befassen, noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Nebenkläger eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes erstreben und damit ein zulässiges Rechtsmittelziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgen.
9
2. Die Revisionen der Nebenkläger sind begründet. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Denn auf der Grundlage der getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat sich der Angeklagte eines vollendeten Heimtückemordes schuldig gemacht, weil er bereits durch die Schläge mit der Metallstange eine Ursache für den später unmittelbar durch die Messerschnitte herbeigeführten Tod des Opfers setzte und dieser Ursachenzusammenhang von seinem ursprünglichen Vorsatz umfasst war.
10
a) Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben (BGH, Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00, NStZ 2001, 29, 30). Ein Kausalzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 Rn. 21). Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 aaO; vom 30. August2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 12. September 1984 – 3 StR 245/84, StV 1985, 100; vom 18. Juni 1957 – 5 StR 164/57, BGHSt 10, 291, 293 f.; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, bei Dallinger, MDR 1956, 526) oder des Täters selbst handelt (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 1993 – 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 198; vom 14. März 1989 – 1 StR 25/89, NJW 1989, 2479 f.; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60, BGHSt 14, 193, 194; vom 23. Oktober 1951 – 1 StR 348/51, bei Dallinger, MDR 1952, 16; RGSt 67, 258 f.), ist dabei ohne Bedeutung.
11
Danach waren die mit Tötungsabsicht geführten Schläge mit der Metallstange unbeschadet des Umstands, dass das Tatopfer unmittelbar an den Folgen der späteren Messerschnitte verstarb, für den Tod des Opfers ursächlich. Denn der Einsatz des Messers gegen das bewusstlose, bereits tödlich verletzte Opfer, um es endgültig zu töten, knüpfte an das vorausgegangene Geschehen an und wäre ohne die durch die Schläge mit der Metallstange geschaffene Lage nicht möglich gewesen.
12
b) Der Tod des Opfers als Folge der mit der Metallstange geführten Schläge ist dem Angeklagten auch subjektiv als von dem die Ausführung der Schläge tragenden Vorsatz mitumfasst zuzurechnen. Der Vorsatz des Täters muss sich auf den zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1969 – 2 StR 376/69, BGHSt 23, 133, 135; vom 21. April 1955 – 4 StR 552/54, BGHSt 7, 325, 329). Da dieser indes kaum je in allen Einzelheiten zu erfassen ist, wird der Vorsatz durch unwesentliche Abweichungen des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf nicht in Frage gestellt. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 1 StR 676/10, BGHSt 56, 162, 166; Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34; Vogel in LK-StPO, 12. Aufl., § 16 Rn. 56 ff. mwN). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist in Fällen, in denen bei Angriffen gegen das Leben der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch die Angriffshandlung sondern durch vorsätzliches Handeln eines Dritten oder eine nicht mehr vom Tötungsvorsatz getragene Verdeckungshandlung des Täters herbeigeführt wurde, von der Rechtsprechung eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint worden (vgl. BGH, Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60 aaO; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, aaO).
13
Im vorliegenden Fall ist nach den festgestellten Tatumständen eine lediglich unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf gegeben. Der Umstand, dass der Tod des durch die Schläge mit der Metallstange bereits tödlich verletzten Tatopfers unmittelbar durch die im Zuge der Bemühungen um eine Tatverschleierung mit gleicher Angriffsrichtung gegen das wider Erwarten noch nicht verstorbene Opfer geführten Messerstiche bewirkt wurde, bewegt sich nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und rechtfertigt keine andere Bewertung der Tat.
14
c) Der Angeklagte hat sich durch die mit der Metallstange geführten Schläge gegen das Tatopfer damit eines vollendeten Mordes in der Tatbestandsalternative der heimtückischen Tötung schuldig gemacht. Der durch die Messerschnitte nach Auffassung des Landgerichts gleichfalls verwirklichte Totschlag nach § 212 Abs. 1 StGB tritt, da die Herbeiführung des Todeserfolgs dem Angeklagten strafrechtlich nur einmal angelastet werden kann, konkurrenzrechtlich hinter den Mord zurück (vgl. Rogall, JZ 1993, 1066, 1068).
15
d) Die Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2001 – 5 StR 432/00 – (NStZ 2002, 253) steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen, weil dem Urteil des 5. Strafsenats nicht zu entnehmen ist, ob die dort vorgenommene rechtliche Würdigung auf einer abweichenden Rechtsansicht oder einer einzelfallbezogenen Bewertung festgestellter Tatumstände beruht.
16
e) Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09 Rn. 27) – zur Aufhebung des Urteils. An der vom Generalbundesanwalt beantragten Schuldspruchänderung sieht sich der Senat durch die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO gehindert, da der Angeklagte, dem in der Anklage hinsichtlich der Schläge mit der Metallstange ein versuchter Mord angelastet worden ist, auf die Möglichkeit einer an die Schläge anknüpfenden Verurteilung wegen vollendeten Mordes bislang weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht hingewiesen worden ist.

III.


17
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
18
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts zu bemerken:
19
Die Verfahrensrüge, mit welcher der Beschwerdeführer ein Verwertungsverbot hinsichtlich der durch Zeugenvernehmung der jeweiligen Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei im Ermittlungsverfahren wegen des Unterbleibens einer Beschuldigtenbelehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie des Fehlens einer auf die Unverwertbarkeit früherer Angaben hinweisenden qualifizierten Beschuldigtenbelehrung geltend macht, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn dem Vortrag der Re- vision ist nicht zu entnehmen, ob die Widersprüche gegen die Verwertung rechtzeitig spätestens bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt im Anschluss an die Vernehmung der Vernehmungspersonen erfolgt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 225 f.; Diemer in KK-StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 28 mwN). Soweit sich die Revision unter dem Gesichtspunkt einer unterbliebenen qualifizierten Beschuldigtenbelehrung gegen die Verwertung der vom Angeklagten nach Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO gemachten Angaben wendet, wäre die Rüge aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen auch unbegründet, weil die Jugendkammer aufgrund der gebotenen Abwägung im Einzelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, NStZ 2009, 702, 703; Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112 Rn. 14 ff.; vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452) rechtsfehlerfrei ein Verwertungsverbot verneint hat.
20
Die Aufklärungsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer erneuten Befragung des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. K. beanstandet, erfüllt mangels Vortrags zu dem erwarteten Beweisergebnis (vgl. Meyer-Goßner aaO, § 244 Rn. 81 mwN) nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Schließlich dringen auch die Beweisantragsrügen nicht durch, die sich auf die beantragte Einholung eines weiteren rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Zeitdauer des Auftretens von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich beziehen. Denn der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf einer fehlerhaften Ablehnung dieser Beweisanträge beruht. Das Landgericht hat im Rahmen seiner Überzeugungsbildung zum festgestellten Sachverhalt an keiner Stelle auf die für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten erforderliche Zeitspanne abgestellt. Dies gilt entgegen dem Vorbringen der Revision auch für die Feststellung einer zeitlichen Zäsur zwischen den Schlägen mit der Metallstange und der Ausführung der Messerschnitte, die das Landgericht auf die Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung gestützt hat, welche die Jugendkammer als durch andere Beweisergebnisse bestätigt gesehen und als glaubhaft bewertet hat. Lediglich für die Frage, ob die rechtsmedizinischen Befunde den Angaben des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung entgegenstehen , hat die Jugendkammer Überlegungen zur erforderlichen Zeitdauer für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten angestellt, die aber für die vom Beschwerdeführer unter Beweis gestellte kürzere Zeitspanne erst recht zutreffen. Auch im Übrigen werden die vom Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung gezogenen Schlussfolgerungen durch das in den Beweisanträgen behauptete raschere Auftreten von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich nicht in Frage gestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Dieses Gesetz gilt, wenn ein Jugendlicher oder ein Heranwachsender eine Verfehlung begeht, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist.

(2) Jugendlicher ist, wer zur Zeit der Tat vierzehn, aber noch nicht achtzehn, Heranwachsender, wer zur Zeit der Tat achtzehn, aber noch nicht einundzwanzig Jahre alt ist.

(3) Ist zweifelhaft, ob der Beschuldigte zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, sind die für Jugendliche geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden.

(1) Die Jugendstrafe ist Freiheitsentzug in einer für ihren Vollzug vorgesehenen Einrichtung.

(2) Der Richter verhängt Jugendstrafe, wenn wegen der schädlichen Neigungen des Jugendlichen, die in der Tat hervorgetreten sind, Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel zur Erziehung nicht ausreichen oder wenn wegen der Schwere der Schuld Strafe erforderlich ist.

(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn

1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder
2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.

(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.

(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
4 StR 223/15
vom
3. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 3. Dezember
2015, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Sost-Scheible,
Richterin am Bundesgerichtshof
Roggenbuck,
Richter am Bundesgerichtshof
Cierniak,
Dr. Mutzbauer,
Bender
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof
als Vertreter des Generalbundesanwalts,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwalt
als Nebenkläger-Vertreter – in der Verhandlung –,
die Nebenkläger in Person – in der Verhandlung –,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Auf die Revisionen der Nebenkläger wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. Januar 2015 – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung – mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Der Angeklagte hat die im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Neben- und Adhäsionskläger zu tragen; im Übrigen wird von der Auferlegung von Kosten und Auslagen abgesehen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Totschlags zu der einheitlichen Jugendstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten , die mit mehreren Verfahrensbeanstandungen und der Sachrüge begründet ist. Die Nebenkläger wenden sich mit ihren auf die Sachbeschwerde gestützten Revisionen gegen die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begange- nen Totschlags und erstreben insoweit eine Verurteilung wegen Mordes. Während die Rechtsmittel der Nebenkläger durchdringen, erweist sich die Revision des Angeklagten als unbegründet.

I.


2
Nach den Feststellungen waren der zur Tatzeit 19-jährige Angeklagte und sein langjähriger, zwei Jahre jüngerer Freund, das spätere TatopferL. M. , am Abend des Tattags mit dem Fahrzeug des Angeklagtenunterwegs. Nachdem sie beim Autohof G. etwas gegessen hatten und sodann inder Umgebung herumgefahren waren, bogen sie von der Landstraße in einen Feldweg ab und hielten dort zunächst an einer Scheune an, um nachzusehen, was sich in der Scheune befand. Anschließend setzten sie ihre Fahrt über die Feldwege fort, bis sie an einer weiteren Scheune erneut anhielten. Beide stiegen aus und gingen zu der Längsseite der Scheune, an der sich ein großes, massives und verschlossenes Tor befand. Möglicherweise versuchte der Angeklagte mit einer mitgebrachten Metallstange ein Brett des Scheunentors beiseitezuschieben , während L. M. sich fortwährend mit seinem Mobiltelefon beschäftigte. Möglich ist auch, dass sich zwischen beiden eine kurze verbale Auseinandersetzung entwickelte, in deren Verlauf der Angeklagte seinem Freund vorhielt, dass es keinen Sinn mache, etwas zu schreiben, da die Mäd- chen ihn sowieso nicht wollten und ihn ständig „verarschten“, worauf L. M. entgegnete, dass der Angeklagte derjenige sei, der überhaupt nichts geregelt und für sein Alter „kein Mädchen an den Start bekomme“. Des Weiteren be- zeichnete L. M. den Angeklagten nicht ausschließbar als „armes Würst- chen“, was den Angeklagten verletzte. Zu darüber hinausgehenden Aggressivi- täten oder gar einer körperlichen Auseinandersetzung kam es aber nicht. L. M. nahm daraufhin sein Klappmesser und begann, sich damit im Bereich eines in dem Scheunentor wenige Zentimeter über dem Erdboden vorhandenen Lochs zu schaffen zu machen. Dabei kniete oder hockte er sich hin und drehte dem Angeklagten den Rücken zu.
3
Der Angeklagte entschloss sich spätestens jetzt, L. M. zu töten, wobei ihm bewusst war, dass das Tatopfer in dieser Situation mit keinem Angriff rechnete und einen Angriff von hinten nicht rechtzeitig genug bemerken würde, um sich noch wehren zu können. Der Angeklagte stellte sich hinter L. M. , holte mit der 1,11 m langen und 1.539 g schweren Metallstange aus und schlug dem Opfer in Tötungsabsicht mit voller Wucht von hinten auf den Hinterkopf. Infolge des Schlags kippte L. M. bewusstlos nach links zur Seite, sodass sein Körper mit dem Rücken und sein Kopf mit der rechten Gesichtshälfte auf dem Boden zu liegen kamen, und begann sofort stark im Kopfbereich und aus den Ohren zu bluten. Der Angeklagte schlug mindestens zwei weitere Male mit der Metallstange mit voller Wucht auf den Kopf des auf dem Boden liegenden bewusstlosen L. M. ein, um ihn sicher zu töten. Durch die Schläge auf den Kopf erlitt das Opfer u.a. ein hochgradiges Schädel-Hirn-Trauma mit umfangreichen Schädelbrüchen und Hirnverletzungen, die mit Sicherheit nach einiger Zeit zum Tod des Opfers geführt hätten.
4
In der Annahme, L. M. sei durch die Schläge bereits getötet worden oder werde in kurzer Zeit versterben, begab sich der Angeklagte nach dem letzten Schlag zu seinem Fahrzeug, legte die Metallstange in den Kofferraum und fuhr zur Landstraße zurück. Nachdem er die Metallstange am Rand eines Feldweges in den Straßengraben geworfen hatte, fuhr er wiederum zum Autohof G. , wo er sich kurze Zeit aufhielt. Da der Angeklagte den Verdacht, L. M. erschlagen zu haben, von sich weisen wollte, fasste er spätestens nach dem Verlassen des Autohofs den Entschluss, zurück zur Scheune zu fahren, die Polizei zu informieren und wahrheitswidrig anzugeben, er habe L. M. auf dessen Bitte allein an der Feldscheune absetzen sollen und ihn dann dort tot aufgefunden, als er ihn wieder habe abholen wollen. Als der Angeklagte wieder zu dem unverändert am Boden liegenden Tatopfer kam, stellte er aber fest, dass L. M. wider Erwarten noch nicht verstorben war. Er beschloss nunmehr, ihn endgültig zu töten. Mit einem aus seinem Fahrzeug herbeigeholten Messer mit einer Klingenlänge von 12 cm schnitt er dem rücklings auf dem Boden liegenden Tatopfer, das wegen der durch die Schläge verursachten Schädelverletzungen zu keiner Abwehrreaktion mehr in der Lage war, mit erheblicher Kraftentfaltung den Hals über eine Länge von 11,5 cm bis zur Wirbelsäule durch, wobei er das Messer mindestens zweimal ansetzen musste. L. M. verstarb schließlich infolge der Halsschnitte an einem zentralen Hirnversagen in Kombination mit Verbluten.
5
In rechtlicher Hinsicht hat die Jugendkammer nach dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, ohne dies näher auszuführen, die Schläge mit der Metallstange als versuchten heimtückischen Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und die den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Messerschnitte als tatmehrheitlich begangenen Totschlag gewertet.

II.


6
1. a) Der Rechtsmittelangriff der Nebenkläger erfasst den gesamten Schuldspruch. Die mit Revisionseinlegung erklärte Beschränkung der Rechtsmittel auf die Verurteilung wegen tatmehrheitlich begangenen Totschlags erweist sich als unwirksam.
7
Zwar kann die Anfechtung eines Urteils nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs innerhalb einer prozessualen Tat im Sinne des § 264 StPO regelmäßig auf einzelne materiell-rechtlich selbständige Straftaten beschränkt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. Juli 1971 – 4 StR 184/71, BGHSt 24, 185; Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 318 Rn. 10 mwN). Eine wirksame Teilanfechtung setzt aber nach den allgemein für die Beschränkung von Rechtsmitteln geltenden Grundsätzen im Einzelfall voraus, dass sich die Anfechtung auf einen Beschwerdepunkt bezieht, der nach dem inneren Zusammenhang des Urteils losgelöst von seinem nicht angegriffenen Teil rechtlich und tatsächlich selbständig beurteilt werden kann, ohne eine Prüfung der Entscheidung im Übrigen erforderlich zu machen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni 2014 – 2 StR 90/14, NStZ-RR 2014, 285; Beschluss vom 15. Mai 2001 – 4 StR 306/00, BGHSt 47, 32, 35). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, weil die abgeurteilten Angriffshandlungen des Angeklagten mit der Metallstange einerseits und dem Messer andererseits wegen der Mitursächlichkeit beider Handlungsakte für den eingetretenen Todeserfolg materiell-rechtlich nicht gesondert gewürdigt werden können (unten II. 2.).
8
b) Der Revisionsbegründung der Nebenkläger ist trotz verschiedener möglicherweise missverständlicher Ausführungen, die sich mit dem Strafausspruch des angefochtenen Urteils und der Höhe der verhängten Jugendstrafe befassen, noch hinreichend deutlich zu entnehmen, dass die Nebenkläger eine Verurteilung wegen vollendeten Mordes erstreben und damit ein zulässiges Rechtsmittelziel (§ 400 Abs. 1 StPO) verfolgen.
9
2. Die Revisionen der Nebenkläger sind begründet. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils weist einen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten auf. Denn auf der Grundlage der getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat sich der Angeklagte eines vollendeten Heimtückemordes schuldig gemacht, weil er bereits durch die Schläge mit der Metallstange eine Ursache für den später unmittelbar durch die Messerschnitte herbeigeführten Tod des Opfers setzte und dieser Ursachenzusammenhang von seinem ursprünglichen Vorsatz umfasst war.
10
a) Ursächlich für den Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs ist jede Bedingung, die den Erfolg herbeigeführt hat. Dabei ist gleichgültig, ob neben der Tathandlung noch andere Umstände, Ereignisse oder Geschehensabläufe zur Herbeiführung des Erfolgs beigetragen haben (BGH, Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00, NStZ 2001, 29, 30). Ein Kausalzusammenhang ist nur dann zu verneinen, wenn ein späteres Ereignis die Fortwirkung der ursprünglichen Bedingung beseitigt und seinerseits allein unter Eröffnung einer neuen Ursachenreihe den Erfolg herbeigeführt hat (BGH, Urteil vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 Rn. 21). Dagegen schließt es die Ursächlichkeit des Täterhandelns nicht aus, dass ein weiteres Verhalten an der Herbeiführung des Erfolgs mitgewirkt hat. Ob es sich bei dem mitwirkenden Verhalten um ein solches des Opfers oder um deliktisches oder undeliktisches Verhalten eines Dritten (vgl. BGH, Urteile vom 10. Januar 2008 – 3 StR 463/07 aaO; vom 30. August2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 12. September 1984 – 3 StR 245/84, StV 1985, 100; vom 18. Juni 1957 – 5 StR 164/57, BGHSt 10, 291, 293 f.; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, bei Dallinger, MDR 1956, 526) oder des Täters selbst handelt (vgl. BGH, Urteile vom 30. März 1993 – 5 StR 720/92, BGHSt 39, 195, 198; vom 14. März 1989 – 1 StR 25/89, NJW 1989, 2479 f.; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60, BGHSt 14, 193, 194; vom 23. Oktober 1951 – 1 StR 348/51, bei Dallinger, MDR 1952, 16; RGSt 67, 258 f.), ist dabei ohne Bedeutung.
11
Danach waren die mit Tötungsabsicht geführten Schläge mit der Metallstange unbeschadet des Umstands, dass das Tatopfer unmittelbar an den Folgen der späteren Messerschnitte verstarb, für den Tod des Opfers ursächlich. Denn der Einsatz des Messers gegen das bewusstlose, bereits tödlich verletzte Opfer, um es endgültig zu töten, knüpfte an das vorausgegangene Geschehen an und wäre ohne die durch die Schläge mit der Metallstange geschaffene Lage nicht möglich gewesen.
12
b) Der Tod des Opfers als Folge der mit der Metallstange geführten Schläge ist dem Angeklagten auch subjektiv als von dem die Ausführung der Schläge tragenden Vorsatz mitumfasst zuzurechnen. Der Vorsatz des Täters muss sich auf den zum Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs führenden Geschehensablauf erstrecken (vgl. BGH, Urteile vom 9. Oktober 1969 – 2 StR 376/69, BGHSt 23, 133, 135; vom 21. April 1955 – 4 StR 552/54, BGHSt 7, 325, 329). Da dieser indes kaum je in allen Einzelheiten zu erfassen ist, wird der Vorsatz durch unwesentliche Abweichungen des vorgestellten vom tatsächlichen Geschehensablauf nicht in Frage gestellt. Eine Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als unwesentlich anzusehen, wenn sie sich innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Februar 2011 – 1 StR 676/10, BGHSt 56, 162, 166; Urteil vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; Beschluss vom 11. Juli 1991 – 1 StR 357/91, BGHSt 38, 32, 34; Vogel in LK-StPO, 12. Aufl., § 16 Rn. 56 ff. mwN). Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist in Fällen, in denen bei Angriffen gegen das Leben der Tod des Opfers nicht unmittelbar durch die Angriffshandlung sondern durch vorsätzliches Handeln eines Dritten oder eine nicht mehr vom Tötungsvorsatz getragene Verdeckungshandlung des Täters herbeigeführt wurde, von der Rechtsprechung eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf verneint worden (vgl. BGH, Urteile vom 30. August 2000 – 2 StR 204/00 aaO; vom 26. April 1960 – 5 StR 77/60 aaO; vom 6. Juli 1956 – 5 StR 434/55, aaO).
13
Im vorliegenden Fall ist nach den festgestellten Tatumständen eine lediglich unwesentliche Abweichung des tatsächlichen vom vorgestellten Kausalverlauf gegeben. Der Umstand, dass der Tod des durch die Schläge mit der Metallstange bereits tödlich verletzten Tatopfers unmittelbar durch die im Zuge der Bemühungen um eine Tatverschleierung mit gleicher Angriffsrichtung gegen das wider Erwarten noch nicht verstorbene Opfer geführten Messerstiche bewirkt wurde, bewegt sich nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit und rechtfertigt keine andere Bewertung der Tat.
14
c) Der Angeklagte hat sich durch die mit der Metallstange geführten Schläge gegen das Tatopfer damit eines vollendeten Mordes in der Tatbestandsalternative der heimtückischen Tötung schuldig gemacht. Der durch die Messerschnitte nach Auffassung des Landgerichts gleichfalls verwirklichte Totschlag nach § 212 Abs. 1 StGB tritt, da die Herbeiführung des Todeserfolgs dem Angeklagten strafrechtlich nur einmal angelastet werden kann, konkurrenzrechtlich hinter den Mord zurück (vgl. Rogall, JZ 1993, 1066, 1068).
15
d) Die Entscheidung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs vom 12. Juni 2001 – 5 StR 432/00 – (NStZ 2002, 253) steht der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen, weil dem Urteil des 5. Strafsenats nicht zu entnehmen ist, ob die dort vorgenommene rechtliche Würdigung auf einer abweichenden Rechtsansicht oder einer einzelfallbezogenen Bewertung festgestellter Tatumstände beruht.
16
e) Die zu Gunsten des Angeklagten rechtsfehlerhafte rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts führt – mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidung (vgl. BGH, Urteile vom 28. November 2007 – 2 StR 477/07, BGHSt 52, 96; vom 8. April 2009 – 5 StR 65/09 Rn. 27) – zur Aufhebung des Urteils. An der vom Generalbundesanwalt beantragten Schuldspruchänderung sieht sich der Senat durch die Vorschrift des § 265 Abs. 1 StPO gehindert, da der Angeklagte, dem in der Anklage hinsichtlich der Schläge mit der Metallstange ein versuchter Mord angelastet worden ist, auf die Möglichkeit einer an die Schläge anknüpfenden Verurteilung wegen vollendeten Mordes bislang weder in rechtlicher noch tatsächlicher Hinsicht hingewiesen worden ist.

III.


17
Die Revision des Angeklagten bleibt erfolglos.
18
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hinsichtlich der Verfahrensrügen ist ergänzend zum Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts zu bemerken:
19
Die Verfahrensrüge, mit welcher der Beschwerdeführer ein Verwertungsverbot hinsichtlich der durch Zeugenvernehmung der jeweiligen Vernehmungspersonen in die Hauptverhandlung eingeführten Angaben des Angeklagten gegenüber der Polizei im Ermittlungsverfahren wegen des Unterbleibens einer Beschuldigtenbelehrung nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO sowie des Fehlens einer auf die Unverwertbarkeit früherer Angaben hinweisenden qualifizierten Beschuldigtenbelehrung geltend macht, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Denn dem Vortrag der Re- vision ist nicht zu entnehmen, ob die Widersprüche gegen die Verwertung rechtzeitig spätestens bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt im Anschluss an die Vernehmung der Vernehmungspersonen erfolgt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 225 f.; Diemer in KK-StPO, 7. Aufl., § 136 Rn. 28 mwN). Soweit sich die Revision unter dem Gesichtspunkt einer unterbliebenen qualifizierten Beschuldigtenbelehrung gegen die Verwertung der vom Angeklagten nach Belehrung gemäß § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO i.V.m. § 163a Abs. 4 Satz 2 StPO gemachten Angaben wendet, wäre die Rüge aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen auch unbegründet, weil die Jugendkammer aufgrund der gebotenen Abwägung im Einzelfall (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2009 – 4 StR 170/09, NStZ 2009, 702, 703; Urteil vom 18. Dezember 2008 – 4 StR 455/08, BGHSt 53, 112 Rn. 14 ff.; vom 3. Juli 2007 – 1 StR 3/07, StV 2007, 450, 452) rechtsfehlerfrei ein Verwertungsverbot verneint hat.
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Die Aufklärungsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer das Unterbleiben einer erneuten Befragung des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. K. beanstandet, erfüllt mangels Vortrags zu dem erwarteten Beweisergebnis (vgl. Meyer-Goßner aaO, § 244 Rn. 81 mwN) nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Schließlich dringen auch die Beweisantragsrügen nicht durch, die sich auf die beantragte Einholung eines weiteren rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Zeitdauer des Auftretens von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich beziehen. Denn der Senat kann ausschließen, dass das Urteil auf einer fehlerhaften Ablehnung dieser Beweisanträge beruht. Das Landgericht hat im Rahmen seiner Überzeugungsbildung zum festgestellten Sachverhalt an keiner Stelle auf die für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten erforderliche Zeitspanne abgestellt. Dies gilt entgegen dem Vorbringen der Revision auch für die Feststellung einer zeitlichen Zäsur zwischen den Schlägen mit der Metallstange und der Ausführung der Messerschnitte, die das Landgericht auf die Angaben des Angeklagten in seiner polizeilichen Beschuldigtenvernehmung gestützt hat, welche die Jugendkammer als durch andere Beweisergebnisse bestätigt gesehen und als glaubhaft bewertet hat. Lediglich für die Frage, ob die rechtsmedizinischen Befunde den Angaben des Angeklagten in der Beschuldigtenvernehmung entgegenstehen , hat die Jugendkammer Überlegungen zur erforderlichen Zeitdauer für das Auftreten von neutrophilen Granulozyten angestellt, die aber für die vom Beschwerdeführer unter Beweis gestellte kürzere Zeitspanne erst recht zutreffen. Auch im Übrigen werden die vom Landgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung gezogenen Schlussfolgerungen durch das in den Beweisanträgen behauptete raschere Auftreten von neutrophilen Granulozyten im Wundbereich nicht in Frage gestellt.
Sost-Scheible Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

(1) Das Gericht gibt dem Antrag in dem Urteil statt, mit dem der Angeklagte wegen einer Straftat schuldig gesprochen oder gegen ihn eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet wird, soweit der Antrag wegen dieser Straftat begründet ist. Die Entscheidung kann sich auf den Grund oder einen Teil des geltend gemachten Anspruchs beschränken; § 318 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Das Gericht sieht von einer Entscheidung ab, wenn der Antrag unzulässig ist oder soweit er unbegründet erscheint. Im Übrigen kann das Gericht von einer Entscheidung nur absehen, wenn sich der Antrag auch unter Berücksichtigung der berechtigten Belange des Antragstellers zur Erledigung im Strafverfahren nicht eignet. Der Antrag ist insbesondere dann zur Erledigung im Strafverfahren nicht geeignet, wenn seine weitere Prüfung, auch soweit eine Entscheidung nur über den Grund oder einen Teil des Anspruchs in Betracht kommt, das Verfahren erheblich verzögern würde. Soweit der Antragsteller den Anspruch auf Zuerkennung eines Schmerzensgeldes (§ 253 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) geltend macht, ist das Absehen von einer Entscheidung nur nach Satz 3 zulässig.

(2) Erkennt der Angeklagte den vom Antragsteller gegen ihn geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise an, ist er gemäß dem Anerkenntnis zu verurteilen.

(3) Die Entscheidung über den Antrag steht einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen Urteil gleich. Das Gericht erklärt die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar; die §§ 708 bis 712 sowie die §§ 714 und 716 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er anderweit geltend gemacht werden. Ist über den Grund des Anspruchs rechtskräftig entschieden, so findet die Verhandlung über den Betrag nach § 304 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung vor dem zuständigen Zivilgericht statt.

(4) Der Antragsteller erhält eine Abschrift des Urteils mit Gründen oder einen Auszug daraus.

(5) Erwägt das Gericht, von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen, weist es die Verfahrensbeteiligten so früh wie möglich darauf hin. Sobald das Gericht nach Anhörung des Antragstellers die Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag für nicht gegeben erachtet, sieht es durch Beschluss von einer Entscheidung über den Antrag ab.

(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.

(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.

(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.