Landgericht Münster Urteil, 24. März 2016 - 111 O 83/14
Tenor
1.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin zu 1) einen Betrag in Höhe von 7.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.01.2015 zu zahlen.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1) und 2) verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin zu 1) alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbare immaterielle Schäden aus der Behandlung vom 21.02.2006 bis 17.12.2013 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
3.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, als Gesamtschuldner der Klägerin zu 2) Auskunft über die Identität ihres genetischen Vaters zu erteilen.
4.
Die Beklagten zu 1) und 2) werden verurteilt, als Gesamtschuldner dem Kläger zu 3) Auskunft über die Identität seines genetischen Vaters zu erteilen.
5.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
6.
Die Kosten werden wie folgt verteilt:
Die gerichtlichen Kosten tragen die Klägerin zu 1) zu 44 %, die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) jeweils zu 7 % sowie die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 42 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1) tragen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 28 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 3) tragen die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu 2/3.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und 2) trägt die Klägerin zu 1) zu 35 %.
Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3) tragen die Klägerin zu 1) zu 60 % und die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) zu jeweils 20 %.
Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
7.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, wegen Ziffer 3) und 4) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 12.000,00 € und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 125 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
1
T a t b e s t a n d :
2Der Beklagte zu 1) ist ärztlicher Leiter und Geschäftsführer der Beklagten zu 3). Vor Gründung der Beklagten zu 3) im Jahr 2010 führte der Beklagte zu 1) eine Gemeinschaftspraxis unter selbiger Adresse mit dem Beklagten zu 2).
3Die Beklagten sind spezialisiert auf die Behandlung von Kinderlosigkeit, unter anderem auch mittels einer Fremdsamenspende, der sogenannten heterologen Insemination.
4Die Klägerin zu 1) lebte im Jahr 2006 in gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaft mit der Frau J zusammen. Unter dem 21.03.2006 ließen sie bei einem Notar eine Vereinbarung zu einer heterologen Insemination beurkunden.
5Einen Monat zuvor, am 21.02.2006, hatte die Klägerin zu 1) bei den Beklagten zu 1) und 2) ein Erstgespräch. Etwas später schloss sie mit den Beklagten zu 1) und 2) einen Behandlungsvertrag, welcher eine heterologe Insemination vorsah.
6Im Mai 2006 erfolgte eine künstliche Befruchtung, wobei als Spender „Nr. 94 rh-o.k.“ dokumentiert ist. Am 21.01.2007 wurde die Klägerin zu 2) geboren. Durch Beschluss des Amtsgerichts Steinfurt vom 08.08.2008 nahm Frau J die Klägerin zu 2) auf Antrag der Klägerin zu 1) als gemeinschaftliches Kind an.
7Im August 2007 und am 22.12.2007 führte die Klägerin zu 1) mit der bei der früheren Praxisgemeinschaft der Beklagten zu 1) und 2) angestellten Ärztin T Gespräche in Bezug auf die heterologe Insemination bezüglich eines zweiten Kindes. Insoweit bestand bei den Parteien Einigkeit, dass dieses von demselben Spender abstammen sollte, von dem auch schon die Klägerin zu 2) abstammte. Dem lag der Wunsch der Klägerin zu 1) zugrunde, Vollgeschwister als Kinder zu haben.
8Die Klägerin ließ daraufhin zwischen Januar und Mai 2008 von der Beklagten zu 1) und 2) heterologe Inseminationen durchführen. In der Dokumentation wurde als Samenspender „Nr. 93“ notiert. Aufgrund dieser heterologen Inseminationen wurde am 03.01.2009 der Kläger zu 3) geboren. Der Kläger zu 3) stammt nicht von demselben Spender ab, von dem auch die Klägerin zu 2) abstammt, wobei streitig ist, ob die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) jeweils von dem Spender Nr. 93 bzw. 94 abstammen oder nicht. Für den Kläger zu 3) erfolgte keine Annahme seitens der Frau J, da die Beziehung zwischen der Klägerin zu 1) und ihr scheiterte.
9Da beide Kinder unterschiedliche Blutgruppen hatten, fragte die Klägerin zu 1) beim Beklagten zu 1) im November 2010 nach, ob beide Kinder von einem Vater stammen würden.
10Nach Durchführung verschiedener Untersuchungen teilte die Beklagte zu 3) der Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 12.08.2011 mit, dass beide Kinder nicht den gleichen Vater haben.
11Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 28.03.2013 und 17.09.2014 und mit anwaltlichem Schreiben vom 31.10.2014 die Beklagte zu 3) auf, die Behandlungsunterlagen herauszugeben.
12Die Beklagte zu 3) gab am 04.12.2014 einen Teil der Behandlungsunterlagen, wie im Klageantrag zu 3) aufgelistet, heraus. Nicht herausgegeben wurden vorgerichtlich jedenfalls das Ergebnis einer Abstammungsuntersuchung und sämtliche Unterlagen über die beiden Spender.
13Frau J hat mit Erklärung vom 09.06.2015 der Klageerhebung durch die Klägerin zu 1) für die Klägerin zu 2) zugestimmt.
14Die Kläger meinen, die Beklagte zu 3) sei Rechtsnachfolgerin der Gemeinschaftspraxis der Beklagten zu 1) und 2). Die Passivlegitimation folge auch daraus, dass die Beklagte zu 3) – insoweit unstreitig – sämtliche Krankenunterlagen besaß.
15Die Klägerin zu 1) behauptet, neben der gewünschten Vollgeschwistereigenschaft sei Voraussetzung für die Zustimmung zur ersten Insemination gewesen, dass der Spender die Blutgruppe Null negativ habe und dieser nicht anonym sein sollte.
16Die Kläger behaupten, im Jahr 2006 sei der Spender nicht der Spender mit der Nr. 94, welcher laut Aussagen der Beklagte die Blutgruppe Null negativ habe, gewesen. Der tatsächliche Spender müsse nämlich die Blutgruppe A positiv haben. Im Jahr 2008 sei der Spender nicht der Spender mit der Nr. 93 gewesen. Die Beklagten hätten sich nicht an entsprechende Leitlinien gehalten. Sie hätten keine Sicherungsmaßnahmen gegen Verwechslung getroffen. Es liege ein grober Behandlungsfehler vor, da bei der heterologen Insemination im Jahr 2008 der Spender verwechselt worden sei.
17Die Klägerin zu 1) behauptet, aufgrund der Verwechslung der Spender und der Nachricht, dass ihre Kinder keine Vollgeschwister seien, habe sich bei ihr eine erhebliche behandlungsbedürftige psychische Fehlverarbeitung herausgebildet. Die Nachricht, dass der Spender vertauscht worden sei, habe sie in einen Schockzustand versetzt, in dem sie sich immer noch befinde. Seit dieser Mitteilung leide sie unter wiederkehrenden depressiven Episoden. Sie sei oft traurig, weine stundenlang, empfinde gemischte Gefühle dem Kläger zu 3) gegenüber, sei geprägt von Schuldgefühlen gegenüber beiden Kindern. Auch die Beziehung gegenüber der Klägerin zu 2) habe sich zum Negativen verändert. Sie mache die Klägerin zu 2) teilweise für die Spenderverwechslung verantwortlich. Sie habe sich von ihrer Frau, Familie, Bekannten distanziert und sich sozial zurückgezogen. Von August 2011 bis Mitte 2012 sei sie völlig erschöpft und antriebslos gewesen. Sie habe 18 Kilogramm abgenommen. Seit August 2011 habe sie keinen regelmäßigen Zyklus mehr. Bis heute leide sie unter wiederkehrenden depressiven Episoden. Die Stimmung sei überwiegend gedrückt. Sie freue sich selten, auch bei angenehmen Ereignissen. Sie ziehe sich oft zurück, liege weinend im Bett. Sie sei ständig müde, innerlich unruhig. Sie grübele unaufhörlich über die Vergangenheit und blicke negativ in die Zukunft. Sie leide unter einem starken Schuldgefühl, für die Verwechslung die Verantwortung zu tragen. Auch das Schuldgefühl, die Verantwortung dafür zu tragen, dass die Klägerin zu 2) niemals ihre Herkunft erfahren könne, begleite sie jeden Tag. Dieses Problem sei eine Konstante ihres Lebens geworden. Das fehlende Selbstvertrauen und ihr Selbstwertgefühl würden zu großen Einschränkungen im Alltagsleben führen. Stimmungsschwankungen würden den Alltag enorm beeinträchtigen. Sie sei oft aggressiv und ungehalten zu ihrem Umfeld. Die Konzentrationsfähigkeit habe stark abgenommen. Sie befinde sich weiterhin in psychologischer Behandlung. Sie stellt sich ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 25.000,00 € vor.
18Die Klägerin zu 1) behauptet, die Krankenunterlagen seien nicht vollständig übergeben worden.
19Die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) meinen, sie hätten einen Anspruch auf Auskunft über die genetische Abstammung.
20Die Kläger beantragen,
211.
22die Beklagte zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin zu 1) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
232.
24festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, als Gesamtschuldner der Klägerin zu 1) alle gegenwärtigen und künftigen materiellen sowie nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus der Behandlung vom 21.02.2006 bis 17.12.2013 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf einen Sozialversicherungsträger oder sonstigen Dritten übergegangen sind;
253.
26die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner die Klägerin zu 1) - Zug-um-Zug gegen Erstattung der von den Beklagten errechneten Kosten - die gesamten über die Klägerin zu 1) gefertigten Behandlungsunterlagen in Kopie herauszugeben, und zwar für den Zeitraum vom 21.02.2006 bis 17.12.2013, und zwar über folgende, bereits am 04.12.2014 ausgehändigte Unterlagen hinaus:
27 Schreiben MVZ vom 16.11.2010,
28 Einwilligungserklärung zur Durchführung genetischer Untersuchungen zur Abklärung der Abstammung vom 17.06.2011,
29 Untersuchungsauftrag vom 17.06.2011,
30 Untersuchungsauftrag vom 17.06.2011,
31 Schreiben Marienhospital vom 09.02.2009,
32 Schreiben Marienhospital vom 28.11.2008,
33 Schreiben Marienhospital vom 31.10.2008,
34 Schreiben Praxis Dr. S vom 21.08.2008,
35 Schreiben Marienhospital Steinfurt vom 21.02.2007,
36 Schreiben Dr. S vom 08.09.2006,
37 Behandlungsunterlagen (8 Seiten handschriftlich),
38 Notarieller Vertrag Dr. T1 vom 23.03.2006;
394.
40festzustellen, dass die Beklagten sich mit der Berechnung der für die Erstattung nötigen Kosten gemäß Ziffer 3) der Klage in Verzug befinden;
415.
42die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner eine Versicherung an Eides statt abzugeben, dass die von ihnen herauszugebenden Fotokopien eine vollständige Kopie der im Klageantrag zu Ziffer 3) dargestellten Behandlungsunterlagen beinhaltet;
436.
44die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner der Klägerin zu 2) Auskunft über die Identität des genetischen Vaters der Klägerin zu 2) zu erteilen, hilfsweise die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, der Klägerin zu 2) Auskunft über die Identität sämtlicher in Betracht kommenden Väter für die Klägerin zu 2) zu erteilen;
457.
46die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner dem Kläger zu 3) Auskunft über die Identität des genetischen Vaters des Klägers zu 3) zu erteilen;
478.
48die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin 2.077,74 € an außergerichtlichen Kosten nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
49Die Beklagten beantragen,
50die Klage abzuweisen.
51Die Beklagten behaupten, für das Jahr 2006 sei davon auszugehen, dass die Klägerin zu 2) von dem Spender Nr. 94 stamme. Bei der Insemination vom 05.05.2006 sei seitens des Biologen nicht die entsprechende Nummer des Samenspenders dazugeschrieben worden, wie es sonst in jedem Fall in der damaligen Praxis der Beklagten zu 1) und 2) geschehen sei. Daher sei auch die Abstammung der Klägerin zu 2) vom Spender Nr. 94 nicht absolut sicher festzustellen. Für das Jahr 2008 behaupten die Beklagten, der Kläger zu 3) stamme von dem Spender Nr. 93 ab.
52Die Beklagten bestreiten die von der Klägerin behaupteten Folgen mit Nichtwissen. Insbesondere bestreiten sie, dass die Folgen im Zusammenhang mit der Frage stehen, ob die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) Voll- oder Halbgeschwister seien. Es müsste auch andere Ursachen geben, wobei insbesondere die Trennung der Klägerin zu 1) von ihrer früheren Lebenspartnerin in Betracht komme.
53Die Beklagten bestreiten mit Nichtwissen, dass sich die Klägerin noch in psychologischer Behandlung befindet. Dem Auskunftsanspruch der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 3) stehe das Recht des Samenspenders auf informationelle Selbstbestimmung entgegen; beiden Samenspendern sei Anonymität zugesichert worden.
54Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen.
55Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Krankenunterlagen und Vernehmung der Zeugin S1. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 07.01.2016 Bezug genommen.
56Die Klage ist den Beklagten am 08.01.2015 zugestellt worden.
57E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
58Die Klage gegen die Beklagte zu 3) ist zulässig, aber unbegründet. Die Klage gegen die Beklagten zu 2) und 3) ist hinsichtlich des Antrags zu 4) unzulässig und im Übrigen zulässig, aber nur teilweise begründet.
59I.
60Die Klageerhebung durch die Klägerin zu 2) ist nicht zu beanstanden, nachdem die Zustimmung der weiteren Erziehungsberechtigten Frau J vom 09.06.2015 (Blatt 63 der Akte), die auch nicht weiter bestritten wurde, vorgelegt wurde.
61Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Münster folgt jedenfalls aufgrund einer rügelosen Einlassung der Beklagten, § 39 ZPO.
62Bezüglich des Antrags zu 4) fehlt es bereits an einem Feststellungsinteresse. Die Beklagten-Seite hatte bereits vorgerichtlich Krankenunterlagen an die Klägerin zu 1) herausgegeben, ohne sich wegen der Kosten auf ein Zurückbehaltungsrecht zu berufen.
63II.
64Die Kläger haben gegenüber der Beklagten zu 3) keine Ansprüche. Dies folgt schon daraus, dass die Beklagte zu 3) erst im Jahr 2010 gegründet wurde. Eine GmbH ist indes keine Rechtsnachfolgerin einer Personengesellschaft, wie die Beklagten zu 1) und 2) sie wohl bis 2010 in ihrer Praxisgemeinschaft betrieben. Eine Schuldübernahmevereinbarung ist weder dargelegt noch ersichtlich. Allein aus dem Umstand, dass die Beklagte zu 3) vorgerichtlich die Behandlungsunterlagen in ihrem Besitz hatte, folgen keine Ansprüche gegenüber dieser. Unabhängig davon, ob Ansprüche auf Herausgabe der Krankenunterlagen bereits erfüllt sind oder nicht (dazu unten), bestehen aus den dargelegten Gründen keine vertraglichen, aber auch keine gesetzlichen Ansprüche; insbesondere bestehen keine Herausgabeansprüche aufgrund Eigentums, denn Eigentümer von Krankenunterlagen ist grundsätzlich der behandelnde Arzt.
65III.
66Die Kläger haben gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) Ansprüche im tenorierten Umfang.
671. Die Klägerin hat gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 7.500,00 € aus den §§ 241, 280, 253 BGB in Verbindung mit §§ 124, 128 HGB analog.
68Eine Pflichtverletzung ist darin zu sehen, dass entgegen der vertraglichen Absprache die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) nicht von demselben Spender abstammen und insoweit keine Vollgeschwister sind.
69Ein Verschulden der Beklagten wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die Beklagten haben keine Tatsachen zu ihrer Entlastung vorgetragen.
70In der Rechtsfolge ist gem. § 253 Abs. 2 BGB ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, welches das Gericht mit 7.500,00 € für angemessen, aber auch ausreichend bemisst.
71Nach der Anhörung der Klägerin zu 1) und nach der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass bei der Klägerin seit dem Jahr 2011 psychische Beschwerden, Depressionen und Überlastungsgefühle bestanden, die zumindest mit-ursächlich auf den Umstand zurückzuführen sind, dass die Kinder der Klägerin zu 1) entgegen der ursprünglich vertraglichen Vereinbarung nicht von demselben Spender abstammen.
72Die Klägerin hat im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung erklärt, im August 2011 sei für sie eine Welt zusammengebrochen, als sie erfahren habe, dass die beiden Kinder verschiedene Väter hätten. Dass ihre Kinder Vollgeschwister seien, sei für sie von hoher Bedeutung gewesen und von ihr gewünscht gewesen. Sie habe ein Schuldgefühl, da sie sich für die Verwechslung verantwortlich fühle, wobei ihr zu schaffen mache, dass nicht klar sei, ob die Kinder jemals die Identität der Väter erfahren. Sie wisse nicht, was sie den Kindern sagen solle. Die Trennung von Frau J sei im Jahr 2010 gewesen, wobei die Gründe für ihre Probleme aber nicht in der Trennung gelegen hätten, da sie seit dem letzten Jahr wieder neu verheiratet sei.
73Diese Erklärungen sind nach der Beurteilung des Gerichts im Wesentlichen glaubhaft. Sie stehen auch im Einklang mit den Bekundungen der Zeugin S1, die beruflich als psychologische Psychotherapeutin tätig ist und bei der die Klägerin zu 1) seit Januar 2012 in Behandlung war. Sie hat die Angaben der Klägerin zu 1) im Wesentlichen bestätigt. Sie hat bekundet, Anlass für die Beschwerden sei die Mehrfachbelastung durch die Kindererziehung, Haushaltsführung, Berufstätigkeit und Konflikt mit der Ex-Partnerin gewesen. In diese Konfliktlage sei dann die Angelegenheit wegen der Entstehung der Kinder gekommen. Es habe Beschwerden, Depressionen, Überlastungsgefühle gegeben, die sehr stark ausgeprägt gewesen seien. Die Klägerin zu 1) habe das Gefühl gehabt, dass sie ihren Pflichten nicht nachkommen könne, dass sie alles hinschmeißen wolle. Für sie sei es extrem belastend gewesen, nicht eine gute Mutter sein zu können, wie sie sich das vorgestellt habe. Hiermit sei die Klägerin zu 1) nicht zurecht gekommen. Sie sei in großer Sorge gewesen, dass sie die Entstehung ihrer Kinder später diesen nicht erklären könne und dass es zu Konflikten mit den Kindern kommen würde; sie habe sich hilflos gefühlt. Das Problem habe darin bestanden, dass die Herkunft nicht nachverfolgt werden könne und dass die Erzeugerseite nicht gleich war. Das Hauptproblem sei die Akkumulation aller dieser Dinge gewesen.
74Das Gericht ist danach davon überzeugt davon, dass bei der Klägerin aufgrund des Umstands, dass ihre Kinder keine Vollgeschwister sind, zumindest eine große Enttäuschung, Hilfslosigkeitsgefühle und subjektiv Schuldgefühle gegenüber den Kindern für die Verwechselung aufgekommen sind und diese in die bereits vorbestehende und insbesondere von Beschwerden, Depressionen und Überlastungsgefühlen geprägte Belastungssituation verstärkend bzw. mitursächlich einwirkten, so dass psychische Belastungen, die ohne Zweifel Krankheitswert erreichten und behandlungsbedürftig waren bzw. immer noch sind, bestanden.
75Hiervon ausgehend hielt das Gericht den zuerkannten Betrag für angemessen, aber auch ausreichend.
762. Der Feststellungsantrag ist begründet. Die Zeugin S1 hat im Rahmen ihrer Vernehmung zur Überzeugung des Gerichts bekundet, die Behandlung der Klägerin zu 1) sei noch nicht abgeschlossen und es bedürfe noch weiterer zehn Behandlungstermine. Von daher sind sowohl zukünftige materielle als auch nicht vorhersehbare zukünftige immaterielle Schäden möglich, was für die Begründetheit des Feststellungsantrags ausreicht.
773. Die Klägerin zu 1) hat gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) keinen Anspruch auf Herausgabe weiterer Behandlungsunterlagen Zug-um-Zug gegen Kostenerstattung. Ein Anspruch auf Herausgabe der Krankenunterlagen ist bereits erfüllt, nachdem die Krankenunterlagen der Klägerin bereits zur Verfügung gestellt wurden (zuletzt das Abstammungsgutachten mit der Klageerwiderung). Es bestehen keine Zweifel an der Vollständigkeit der Krankenunterlagen. Insoweit hatte auch der Beklagte zu 1) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung glaubhaft erklärt, dass weitere Dokumentationen nicht vorhanden seien.
78Soweit die Namen der Spender nicht in den Krankenunterlagen geführt werden, sind diese Daten nicht dokumentationspflichtig. Der Name des Spenders ist für einen Nachbehandler ohne Relevanz; relevant ist vielmehr nur die Blutgruppe des Spenders, die hier angegeben wurde. Zudem kommt es für die Frage, mit welchem Inhalt die Krankenunterlagen in der Praxis der Beklagten zu 1) und 2) geführt wurden, auf das übliche Vorgehen in dieser Praxis an, welches vom ärztlichen Standard abweichen kann. Auch nach den Angaben der Klägerin zu 1) gehörten die Unterlagen zu den jeweiligen Spendern in der Praxis der Beklagten zu 1) und 2) aber nicht zu den Krankenunterlagen über die Patientinnen.
794. Die Klägerin zu 1) hat gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) keinen Anspruch auf Abgabe einer Vollständigkeitsversicherung bezüglich der Behandlungsunterlagen. Ansprüche scheitern schon daran, dass zurzeit jedenfalls kein Grund zur Annahme besteht, dass ein etwaiges Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist (§ 260 Abs. 2 BGB).
805. Die Klägerin zu 1) hat gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) keine Ansprüche auf Zahlung von außergerichtlichen Kosten. Die Klägerin zu 1) hat nicht dargelegt, dass sie ihren Rechtsanwalt damit beauftragt hat, berechtigte Ansprüche gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) außergerichtlich durchzusetzen. Ihr Prozessvertreter ist ausweislich des Schreibens vom 31.10.2014 gegen die Beklagte zu 3) vorgegangen, die, wie oben dargestellt, nicht Vertragspartnerin der Klägerin zu 1) war und gegenüber der deswegen auch keine vertraglichen Ansprüche bestanden haben. Die Klägerin zu 1) konnte auch nicht Herausgabeansprüche auf Eigentum stützen, da Eigentümer der Krankenunterlagen der Behandler ist und nicht der Patient. Eine weitere anwaltliche Tätigkeit und das Bestehen materiell rechtlicher Kostenerstattungsansprüche sind weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Da es sich um eine Nebenforderung handelt, war insoweit ein Hinweis nicht erforderlich.
81IV.
82Die Klägerin zu 2) und der Kläger zu 3) haben gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) einen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich der Identität ihres genetischen Vaters.
83Bei wie im vorliegenden Fall mittels künstlicher heterologer Insemination gezeugten Kindern folgt ein solcher Anspruch aus § 242 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 28.01.2015, Az.: XII ZR 201/13). Die erforderliche rechtliche Sonderverbindung folgt aus dem Behandlungsvertrag, bei dem es sich um einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des jeweiligen Kindes handelt. Es besteht in dieser Konstellation auch ein konkretes Bedürfnis des Kindes für die Information über die Identität des Samenspenders. Soweit das Kind nicht selbst tätig wird, muss der Auskunftsanspruch durch die Eltern als die gesetzlichen Vertreter im Interesse des Kindes geltend gemacht werden, was voraussetzt, dass die Auskunft zum Zwecke der Information des Kindes und damit verlangt wird, um sie an das Kind weiterzugeben. Dabei ist ausreichend, dass die Eltern dem Kind die Zeugungsart und Identität des Samenspenders offenlegen wollen. Ein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erlangung der Information durch die Eltern und der Weitergabe an das Kind ist nicht erforderlich. Hier hat die Klägerin zu 1), wie sie im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung glaubhaft erklärt hat, die Absicht, die Informationen an die Klägerin zu 2) und den Kläger zu 3) – gegebenenfalls erst nach entsprechender Nachfrage – herauszugeben. Die Auskunftserteilung ist für die Beklagten zu 1) und 2) auch zumutbar. Für die Klägerin zu 2) und den Kläger zu 3) streitet hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG), welches eigene Rechte der Beklagten zu 1) und 2) überwiegt. Soweit die Interessen der Samenspender zu berücksichtigen wären, haben die Beklagten zu 1) und 2) keine Darlegungen zu entgegenstehenden Interessen des Samenspenders gemacht. Im Übrigen hat der Auskunftsanspruch des Kindes als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in der Regel den Vorrang gegenüber der nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG geschützten Berufsausübungsfreiheit der Ärzte und den möglicherweise nach Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG geschützten Rechten der Spender, denen Anonymität zugesichert worden ist (vgl. BGH a.a.O.). Es gibt keinen Grund dafür, das im hier vorliegenden Fall anders zu beurteilen.
84Es liegt auch keine Unmöglichkeit für die Beklagten zu 1) und 2) vor, dies insbesondere nicht, weil die Beklagten zu 1) und 2) selbst den Namen des jeweiligen Spenders zurzeit nicht kennen und diesen selbst erst durch Untersuchungen feststellen müssen. Dass die potenziellen Spender sich weigern, an diesen Untersuchungen mitzuwirken, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
85V.
86Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91, 92 ZPO i. V. m. den Grundsätzen zur Baumbachschen Kostenformel. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung folgt aus § 709 ZPO.
87VI.
88Der Streitwert wird
89für den Antrag zu 1) auf 25.000,00 €
90für den Antrag zu 2) auf 5.000,00 €
91für den Antrag zu 3) auf 100,00 €
92für den Antrag zu 4) auf 100,00 €
93für den Antrag zu 5) auf 100,00 €
94für den Antrag zu 6) auf 10.000,00 €
95für den Antrag zu 7) auf 10.000,00 €
96insgesamt auf 50.300,00 €
97festgesetzt.
98In dieser Sache liegt eine Berufungsentscheidung des OLG Hamm - I-3 U 66/16 vor.
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Die Zuständigkeit eines Gerichts des ersten Rechtszuges wird ferner dadurch begründet, dass der Beklagte, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen, zur Hauptsache mündlich verhandelt. Dies gilt nicht, wenn die Belehrung nach § 504 unterblieben ist.
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Die offene Handelsgesellschaft kann unter ihrer Firma Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen, Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken erwerben, vor Gericht klagen und verklagt werden.
(2) Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen ist ein gegen die Gesellschaft gerichteter vollstreckbarer Schuldtitel erforderlich.
Die Gesellschafter haften für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft den Gläubigern als Gesamtschuldner persönlich. Eine entgegenstehende Vereinbarung ist Dritten gegenüber unwirksam.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Wer verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, hat dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestands vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen den Bestand so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) Die Vorschrift des § 259 Abs. 3 findet Anwendung.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die im Dezember 1997 und im Februar 2002 geborenen Klägerinnen begehren von der beklagten Trägerin einer Klinik für Reproduktionsmedizin Auskunft über die Identität ihres biologischen Vaters durch Angabe der Personalien der Samenspender. Sie wurden jeweils durch eine künstliche heterologe Insemination gezeugt, die Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten an der Mutter der Klägerinnen vornahmen. Zugrunde lagen diesen Behandlungen Verträge mit der Mutter und dem mit ihr verheirateten (rechtlichen) Vater der Klägerinnen. Die Eheleute (im Folgenden: Eltern) hatten in einer notariellen Erklärung gegenüber der Klinik auf Auskunft über die Identität der Samenspender verzichtet.
- 2
- Außergerichtlich teilte die Beklagte mit, sie sei zur Erteilung der geforderten Auskünfte in der Lage, verweigerte jedoch letztlich die Auskunftserteilung. Der daraufhin von den durch ihre Eltern vertretenen Klägerinnen erhobenen Auskunftsklage hat das Amtsgericht stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht dieses Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerinnen ihr Auskunftsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe:
- 3
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Verfahrens an das Berufungsgericht.
I.
- 4
- Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Den Klägerinnen stehe der geltend gemachte Auskunftsanspruch jedenfalls derzeit nicht zu. Dabei komme es auf das Interesse der Eltern, die Fragen der Klägerinnen nach ihrem biologischen Vater beantworten zu können, nicht an. Mit dem Verlangen nach Auskunft über die Identität der Samenspender verfolgten die Klägerinnen nämlich keinen Anspruch der Eltern, sondern ein eigenes Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung. Dieses Recht könnten sie jedoch erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres geltend machen.
- 5
- Die Entscheidung über den Auskunftsanspruch hänge von einer Abwägung des Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung und der grundrechtlich geschützten Positionen ab, die auf Seiten der auf Auskunft in Anspruch genommenen Person zu beachten seien. Dementsprechend bestehe ein Aus- kunftsanspruch des Kindes grundsätzlich erst ab einem Alter, ab dem das Kind in der Lage sei, diese Abwägung eigenständig und unter Berücksichtigung der sich aus dem Begehren und der Auskunft ergebenden Konsequenzen zu beurteilen und diese auch zu verarbeiten. Das Gericht gehe von einer Altersgrenze von 16 Jahren aus, wofür auch die Regelungen zum Antragsrecht in § 62 Abs. 1 Satz 3 des Personenstandsgesetzes (PStG) und zur Erteilung eines Registerauszugs in § 63 Abs. 1 PStG sprächen. Etwas anderes gelte nur in Ausnahmefällen , in denen - etwa im Hinblick auf eine Erkrankung - ein das Interesse des möglichen Auskunftspflichtigen deutlich überwiegendes Interesse des Kindes auf Auskunftserteilung vorliege. Dass ein solcher Ausnahmefall vorliege, sei nicht ersichtlich.
II.
- 6
- Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
- 7
- 1. Das Recht eines Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wird von dem in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verbürgten allgemeinen Persönlichkeitsrecht umfasst und genießt daher verfassungsrechtlichen Schutz (BVerfG FamRZ 2007, 441, 442 mwN; FamRZ 1997, 869, 870; FamRZ 1994, 881, 882; FamRZ 1989, 255, 257 f.; Senatsbeschluss vom 29. Oktober 2014 - XII ZB 20/14 - FamRZ 2015, 39 Rn. 30).
- 8
- Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verleiht aber keinen Anspruch auf Verschaffung solcher Kenntnisse, sondern kann nur vor der Vorenthaltung erlangbarer Informationen durch staatliche Organe schützen (BVerfG FamRZ 2007, 441, 443; FamRZ 1997, 869, 870; FamRZ 1994, 881, 882; FamRZ 1989, 255, 258). Im Verhältnis zwischen Privatrechtssubjekten bedarf es dagegen einer zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage , um eine entsprechende Auskunft verlangen zu können (vgl. auch Mayer Auskunftsansprüche betreffend die Identität des biologischen Vaters S. 29; Muscheler FPR 2008, 496, 497; zur a.A. vgl. die Nachweise bei MünchKommBGB/Wellenhofer 6. Aufl. Vor § 1591 Rn. 33).
- 9
- 2. Ein Anspruch auf die begehrten Auskünfte kann sich aber aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ergeben.
- 10
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebieten es Treu und Glauben, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen , wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte, der zur Durchsetzung seiner Rechte auf die Auskunft angewiesen ist, in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihm dies zumutbar ist (Senatsbeschlüsse vom 2. Juli 2014 - XII ZB 201/13 - FamRZ 2014, 1440 Rn. 13 ff. mwN und BGHZ 196, 207 = FamRZ 2013, 939 Rn. 30; Senatsurteil BGHZ 191, 259 = FamRZ 2012, 200 Rn. 20 ff.).
- 11
- a) Die erforderliche Sonderverbindung besteht.
- 12
- aa) Eine Sonderverbindung der beteiligten Personen, die eine solche Auskunftspflicht nach Treu und Glauben rechtfertigt, kann sich etwa aus einem vertraglichen oder einem gesetzlichen Schuldverhältnis (BGHZ 126, 109 = NJW 1995, 386, 387), aus einem sonstigen familienrechtlichen Verhältnis (Senatsbeschluss vom 2. Juli 2014 - XII ZB 201/13 - FamRZ 2014, 1440 Rn. 13 mwN) oder aus bestimmten erbrechtlichen Beziehungen (vgl. etwa BGHZ 97, 188 = FamRZ 1986, 569, 570; BGHZ 61, 180 = NJW 1973, 1876, 1877) ergeben.
- 13
- bb) Der Behandlungsvertrag zwischen Wunscheltern und dem behandelnden Arzt bzw. der Klinik für Reproduktionsmedizin ist ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten des zu zeugenden Kindes und begründet zwischen diesem - mit seiner Geburt - und dem Behandler eine rechtliche Sonderbeziehung , die auch Grundlage eines auf Nennung der Identität eines Samenspenders gerichteten Auskunftsanspruchs des Kindes sein kann.
- 14
- (1) Das durch die Rechtsprechung entwickelte Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB). Danach wird ein Dritter in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts - und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BGH Urteil vom 9. Oktober 2014 - III ZR 68/14 - NJW 2014, 3580 Rn. 24 mwN).
- 15
- Diese Voraussetzungen sind bei einem auf die Zeugung mittels künstlicher heterologer Insemination gerichteten Behandlungsvertrag hinsichtlich des Kindes als dem angestrebten "Behandlungsergebnis" erfüllt. Bestimmte der den Behandler treffenden Vertragspflichten wie etwa die Pflicht zur gesundheitlichen Überprüfung des Samenspenders (OLG Hamm FamRZ 2013, 637, 638; Fink/ Grün NJW 2013, 1913, 1914; vgl. auch Staudinger/Rauscher BGB [2011] Anh. zu § 1592 Rn. 16) oder die Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Insemination dienen jedenfalls auch dem Schutz des zu zeugenden Kindes.
- 16
- Demgegenüber wird es sich bei einem derartigen Behandlungsvertrag allenfalls in seltenen Ausnahmefällen um einen echten Vertrag zugunsten Dritter gemäß § 328 Abs. 1 BGB handeln, weil sich für das zu zeugende Kind aus dem Vertrag regelmäßig kein Leistungsforderungsrecht im Sinn dieser Vorschrift ergeben soll (vgl. Leeb/Weber ZKJ 2013, 277, 279; Schröder ZD 2013, 188 f.; Spickhoff MedR 2013, 677; a.A. wohl OLG Hamm FamRZ 2013, 637, 638 f.; jurisPK-BGB/Nickel [Stand: 1. Oktober 2014] § 1591 Rn. 21).
- 17
- (2) Dieser Vertrag begründet eine Rechtsbeziehung zwischen dem behandelnden Arzt und dem Kind, die auch die Grundlage für den aus Treu und Glauben folgenden Auskunftsanspruch bilden kann.
- 18
- (a) Dem steht zum einen nicht entgegen, dass die Auskunftspflicht grundsätzlich einen dem Grunde nach feststehenden Leistungsanspruch oder jedenfalls den begründeten Verdacht einer Pflichtverletzung voraussetzt (vgl. Staudinger/Bittner BGB [2014] § 260 Rn. 19 a mwN).
- 19
- Das Auskunftsbegehren allein zur Erlangung der Kenntnis der eigenen Abstammung hat die Besonderheit, dass es - jedenfalls primär - nicht der Vorbereitung und Durchsetzung von Leistungsansprüchen dient, die insoweit ohnehin nicht gegen den behandelnden Arzt, sondern allenfalls gegen den leibli- chen Vater gerichtet sein könnten. Für Auskunftsansprüche von Patienten gegenüber ärztlichen Behandlern ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass sie grundsätzlich auch dann bestehen, wenn sie ausschließlich der Informationsbeschaffung zum Zwecke der Verwirklichung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und nicht der Vorbereitung von Leistungsansprüchen dienen (BGHZ 85, 339 = NJW 1983, 330, 331; BGHZ 85, 327 = NJW 1983, 328, 329; vgl. auch BVerfG NJW 1999, 1777). Nichts anderes gilt für das durch eine künstliche heterologe Insemination gezeugte Kind hinsichtlich der diese Behandlung betreffenden Informationen, zu deren wesentlichen die Identität des Samenspenders gehört.
- 20
- (b) Zum anderen scheitert ein Auskunftsanspruch nicht daran, dass die Rechtskonstruktion des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zur Begründung direkter Schadensersatzansprüche des Dritten - hier des Kindes - herangezogen wird, die Auskunft über die Identität des Samenspenders aber in keinem Zusammenhang mit einem Schadensersatzanspruch steht. Vielmehr führt die auf §§ 242, 157 BGB beruhende Einbeziehung des Dritten in die vertraglichen Schutzpflichten unabhängig davon, ob ein Verstoß gegen diese Pflichten in Rede steht, zu einer rechtlichen Sonderbeziehung zwischen dem Verpflichteten und dem Dritten, die als Grundlage eines der Verwirklichung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dienenden Auskunftsanspruchs ausreichend ist.
- 21
- b) Weitere Anspruchsvoraussetzung ist, dass ein konkretes Bedürfnis des Kindes für die Information über die Identität des Samenspenders besteht, das Kind als Anspruchsinhaber also auf die Auskunft in einer Weise angewiesen ist, die einen Anspruch nach Treu und Glauben rechtfertigen kann.
- 22
- aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist hierfür kein Mindestalter des Kindes erforderlich, so dass weder der Anspruch noch seine Geltendmachung ein solches voraussetzen.
- 23
- (1) Die vom Berufungsgericht postulierte Altersgrenze von 16 Jahren entbehrt einer Verankerung im geltenden Recht. Weder aus den die Anspruchsgrundlage für den Auskunftsanspruch darstellenden Grundsätzen von Treu und Glauben noch aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht als der hinter dem zivilrechtlichen Anspruch stehenden verfassungsrechtlichen Position des die Auskunft begehrenden Kindes folgt eine altersmäßige Begrenzung für den Auskunftsanspruch oder für dessen Durchsetzung.
- 24
- (2) Für eine entsprechende Anwendung von Gesetzesbestimmungen, die für Auskunfts- und Einsichtsrechte eine Altersgrenze von 16 Jahren vorsehen, fehlt es bereits an einer ausfüllungsbedürftigen Regelungslücke. Denn es besteht ebenso wenig ein Bedarf wie ein rechtfertigender Grund, den gegen den behandelnden Arzt gerichteten Auskunftsanspruch des Kindes - bzw. dessen Durchsetzung - generell von einem bestimmten Mindestalter abhängig zu machen.
- 25
- Weder aus Kindeswohlgründen noch aus sonstigen Erwägungen ergibt sich etwas für ein bestimmtes Mindestalter als Voraussetzung des Auskunftsanspruchs oder von dessen Durchsetzung. Grundsätzlich ist anzunehmen, dass bei einem Kind unabhängig von seinem Alter ein Bedürfnis nach Kenntnis der eigenen Abstammung besteht (Mayer Auskunftsansprüche betreffend die Identität des biologischen Vaters S. 31). Denn das Interesse an den eigenen Wurzeln erwacht typischerweise nicht erst mit Vollendung des 16. Lebensjahres. Dementsprechend wird etwa Adoptiveltern empfohlen, das Kind von Anfang an in altersgerechter Weise über seine Herkunft zu informieren (vgl. Helms FamRZ 2014, 609).
- 26
- Letztendlich obliegt es der Verantwortung der Kindeseltern, wann und in welcher Form sie ihr minderjähriges Kind über Besonderheiten seiner Herkunft wie etwa den Umstand, dass leiblicher Vater ein Samenspender ist, informieren. Dabei werden sie die Persönlichkeit des Kindes, den Stand seiner Persönlichkeitsentwicklung , seine Verstandesreife, aber auch ihr individuelles Erziehungskonzept berücksichtigen. Diese Aspekte entziehen sich jedoch weitgehend einer generalisierenden Betrachtung und damit der Festlegung einer starren Altersgrenze. Zudem würde eine solche den durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Schutz der elterlichen Erziehungsverantwortung berühren, worunter auch die Information des Kindes über seine Herkunft durch die Eltern fällt. In diese soll staatlicherseits nach dem Willen des Gesetzgebers nicht eingegriffen werden (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 674, 675; BT-Drucks. 7/3061 S. 46 und 68, jeweils zu § 1758 BGB). Demzufolge hängt es dem Grundsatz nach nicht vom Lebensalter des Kindes ab, wann dessen - aus der Erziehungsentscheidung seiner Eltern folgendes - Informationsbedürfnis entsteht.
- 27
- (3) Im Übrigen erweist sich die vom Berufungsgericht herangezogene Parallele zu den Vorschriften des Personenstandsgesetzes nicht als belastbar (a.A. Rütz Heterologe Insemination - Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 57).
- 28
- Die Vorschrift des § 62 PStG regelt die Erteilung von Personenstandsurkunden sowie die Auskunft aus Personenstandsregistern und die Einsicht in diese. Sie bestimmt in Absatz 1 Satz 3, dass über 16 Jahre alte Personen antragsbefugt sind. Bei dieser Altersgrenze hat sich der Gesetzgeber an § 1303 Abs. 2 BGB, also der Möglichkeit, eine Befreiung vom Eheerfordernis der Ehemündigkeit zu beantragen, orientiert. Hiervon unberührt bleibt jedoch die Befugnis des gesetzlichen Vertreters, für ein jüngeres Kind die Benutzung des Registers zu beantragen (BT-Drucks. 16/1831 S. 52). Es handelt sich mithin um eine rein verfahrensrechtliche Bestimmung, die ohne Auswirkung auf die materiell -rechtliche Position des Kindes bleibt (vgl. Gaaz/Bornhofen Personenstandsgesetz 3. Aufl. § 62 Rn. 16).
- 29
- Im Ergebnis nicht anders verhält es sich mit § 63 Abs. 1 Satz 1 PStG, der für den Fall einer Adoption bestimmt, dass der Registerausdruck nur den Annehmenden , deren Eltern, dem gesetzlichen Vertreter des Kindes und dem über 16 Jahre alten Kind selbst erteilt werden darf. Die Vorschrift bezweckt nicht eine Beschränkung des Einsichts- und Auskunftsrechts des angenommenen Kindes, sondern die Umsetzung des Ausforschungs- und Offenbarungsverbots in § 1758 Abs. 1 BGB. Dieses soll unter anderem verhindern, dass die leiblichen Eltern und sonstige frühere Verwandte nach Annahme des Kindes versuchen, zu diesem Kontakt aufzunehmen, und dadurch seine Integration in die neue Familie stören (Gaaz/Bornhofen Personenstandsgesetz 3. Aufl. § 62 Rn. 5). Zudem hatte der Gesetzgeber bei Erlass dieser Bestimmung im Blick, dass es im Grundsatz Sache der Eltern ist und sich aus der Erziehungssituation ergeben wird, wann Eltern ihrem Kind sagen, dass es angenommen ist. Mit Blick auf § 1303 Abs. 2 BGB soll das Kind erst mit 16 Jahren berechtigt sein, Auskunft über seine Herkunft zu verlangen (BT-Drucks. 7/3061 S. 68; vgl. zu § 61 Abs. 2 Satz 1 PStG aF auch Hepting/Gaaz Personenstandsrecht Rn. 68). Die gesetzlichen Vertreter des Kindes können hingegen schon vorher ohne Einschränkung an die entsprechenden Informationen kommen, auch weil die Identitätsbildung und damit das Persönlichkeitsrecht des Kindes dessen frühere Kenntnis von seiner Abstammung erfordern können.
- 30
- (4) Soweit andere Gesetzesbestimmungen eine Altersgrenze von 16 Jahren für Einsichtsrechte festlegen, erlaubt dies ebenfalls nicht den Schluss auf die vom Berufungsgericht angenommene Einschränkung des Auskunftsanspruchs eines durch eine Samenspende gezeugten Kindes gegenüber dem Behandler, der die künstliche heterologe Insemination durchgeführt hat.
- 31
- (a) Durch § 9 b Abs. 2 Satz 1 des Adoptionsvermittlungsgesetzes (AdVermiG) ist für das Einsichtsrecht in die Vermittlungsakten geregelt, dass bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen dem gesetzlichen Vertreter des Kindes und, wenn es das 16. Lebensjahr vollendet hat, auch diesem selbst Einsicht zu gewähren ist. Aus der Vorschrift folgt ein eigenständiges subjektivöffentliches Recht des Adoptierten. Für unter 16 Jahre alte Adoptierte ist der Antrag jedoch wegen der in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützten Erziehungsverantwortung - die sich darauf erstreckt, das Kind zu einem passenden Zeitpunkt und in geeigneter Weise mit den Besonderheiten seiner Abstammung vertraut zu machen - durch den gesetzlichen Vertreter zu stellen. Die Altersgrenze entspricht dabei der des § 63 Abs. 1 Satz 1 PStG (Reinhardt in Reinhardt/Kemper/Weitzel Adoptionsrecht § 9 b AdVermiG Rn. 12; BT-Drucks. 14/6011). Mithin handelt es sich bei ihr um keine zeitliche Beschränkung des materiell-rechtlichen Anspruchs des Kindes, sondern lediglich um eine Regelung dazu, wie dieser geltend zu machen ist.
- 32
- (b) Anders liegt es zwar bei dem durch das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3458) mit Wirkung zum 1. Mai 2014 eingeführten § 31 Abs. 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG), nach dem das vertraulich geborene Kind (erst) mit Vollendung des 16. Lebensjahres das Recht hat, den Herkunftsnachweis einzusehen oder Kopien zu verlangen. Denn diese Altersgrenze , die wiederum an das frühestmögliche Ehemündigkeitsalter nach § 1303 Abs. 2 BGB anknüpft (BR-Drucks. 682/04 S. 24), bedeutet eine materiellrechtliche Beschränkung des Auskunftsrechts des Kindes (kritisch hierzu Berkl StAZ 2014, 65, 68 Fn. 36; Helms FamRZ 2014, 609, 613; vgl. auch die Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zum Problem der anonymen Kindesabgabe , BT-Drucks. 17/190 S. 28, die in Orientierung an die Adoptionspflege eine einjährige Geheimhaltung vorschlägt).
- 33
- Für den gegen den Behandler gerichteten Auskunftsanspruch lässt sich hieraus jedoch nichts ableiten. Denn mit § 31 SchKG soll die Kindesmutter vor Gefährdungslagen für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder andere schutzwürdige Belange geschützt werden, die sich ergeben können, wenn ihr soziales Umfeld von der Mutterschaft erfährt (vgl. BT-Drucks. 17/12814 S. 21). Auf die Situation des bei einem in einer Klinik für Reproduktionsmedizin mittels Spendersamen gezeugten Kindes, die sich hiervon grundlegend unterscheidet, ist diese spezifische Zielrichtung und damit auch die entsprechende Altersgrenze aber nicht übertragbar.
- 34
- bb) Soweit das Kind nicht selbst tätig wird, muss der Auskunftsanspruch aber - durch die Eltern als die gesetzlichen Vertreter - im Interesse des Kindes geltend gemacht werden. Dies setzt voraus, dass die Auskunft zum Zweck der Information des Kindes und damit verlangt wird, um sie an das Kind weiterzugeben. Denn nur mit einer solchen Zweckbestimmung wird die Auskunft benötigt , um das höchstpersönliche Recht des Kindes auf seine Abstammung (vgl. etwa BVerfG FamRZ 1994, 881, 882; BeckOK BGB/Hahn [Stand: 1. November 2014] § 1591 Rn. 18 mwN; Staudinger/Rauscher BGB [2011] Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 124) und damit sein verfassungsrechtlich geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht zu verwirklichen.
- 35
- Ein derartiges Informationsbedürfnis besteht nicht nur dann, wenn dem Kind der Umstand der Zeugung mittels Samenspende bereits von den Eltern offenbart worden oder anderweitig bekannt geworden ist, es nach der Identität des Samenspenders gefragt hat und die Eltern ihm diese Frage beantworten wollen. Ausreichend ist vielmehr auch, dass die Eltern dem Kind die Zeugungsart und die Identität des Samenspenders offenlegen wollen. Ein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erlangung der Information durch die Eltern und der Weitergabe an das Kind ist nicht erforderlich. Denn es unterfällt allein der in Elternverantwortung zu treffenden Entscheidung der Eltern, die im Rahmen ihres Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG das Persönlichkeitsrecht des Kindes treuhänderisch ausüben (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 2049, 2051), wann und unter welchen Umständen sie das Kind von seiner Herkunft in Kenntnis setzen. Der Tatrichter muss sich daher nur davon überzeugen, dass die Eltern die Information mit dem Zweck, sie dem Kind zu einem späteren Zeitpunkt mitzuteilen, und damit für das Kind begehren.
- 36
- cc) Darüber hinaus erfordert die Annahme, dass mit der Auskunft über die Identität des Samenspenders das Recht des Kindes auf Kenntnis von seiner Abstammung verwirklicht wird, eine Beurteilung, wie wahrscheinlich es ist, dass die Behandlung durch künstliche heterologe Insemination zur Zeugung geführt hat. Ist die Zeugung mittels Spendersamen unstreitig, ergibt sich insoweit nichts, was gegen die Auskunftserteilung spricht. Ist hingegen streitig, dass der Samenspender der biologische Vater des Kindes ist, wird das Gericht sich insoweit eine Überzeugung davon bilden müssen, ob es von der Zeugung mittels der Samenspende ausgehen kann. Andernfalls dient die Information über die Identität gerade nicht der Kenntnis des Kindes von seiner Herkunft.
- 37
- Nichts anderes gilt insoweit für den - hier nicht gegebenen - Sonderfall, dass bei der Behandlung der Mutter das Sperma verschiedener Spender Ver- wendung gefunden hat (vgl. etwa die Fallgestaltung bei OLG Hamm FamRZ 2013, 637 und LG Essen Urteil vom 7. Februar 2012 - 2 O 260/11 - juris). Wenn diese Behandlung zur Zeugung des Kindes geführt hat, ist das Kind zur Klärung seiner Abstammung auf die Auskunft über die Identität der Samenspender angewiesen. Dass es dabei notwendigerweise auch Auskunft über einen oder mehrere Spender erhält, die nicht sein biologischer Vater sind, ist lediglich ein im Rahmen der Zumutbarkeit zu berücksichtigender Umstand.
- 38
- dd) Bei Bejahung eines konkreten Informationsbedürfnisses des Kindes im dargestellten Sinne ist dieses zur Information über die Identität des Samenspenders als seines leiblichen Vaters auf die Auskunft der Klinik angewiesen.
- 39
- Dass es in entschuldbarer Weise über diesen Umstand im Ungewissen und die Klinik als die Verpflichtete grundsätzlich in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen, ist hier nicht zweifelhaft. Im vorliegenden Fall ist auch unstreitig, dass die inzwischen 17 und zwölf Jahre alten Klägerinnen durch die Samenspenden mittels künstlicher heterologer Insemination gezeugt wurden. Im Berufungsverfahren haben die Klägerinnen zudem unter Beweisantritt vortragen lassen, sie seien von ihren Eltern darüber aufgeklärt worden, "dass sie Spenderkinder" seien, und hätten dann nach der Identität der Spender gefragt. Nachdem das Berufungsgericht hierzu keine Feststellungen getroffen hat, ist für das Revisionsverfahren von der Richtigkeit dieses Vorbringens und daher davon auszugehen, dass die Klägerinnen auf die Auskunft im dargestellten Sinn angewiesen sind.
- 40
- c) Der Auskunftsanspruch aus § 242 BGB setzt weiter die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung voraus. Ob es dem behandelnden Arzt zumutbar ist, einem mittels künstlicher heterologer Insemination gezeugten Kind Auskunft über die Identität des Samenspenders zu erteilen, ist durch eine auf den konkreten Einzelfall bezogene, umfassende Abwägung der durch die Auskunftserteilung berührten rechtlichen, insbesondere grundrechtlichen, Belange zu klären. Im Rahmen dieser Grundrechtsabwägung hat jeder Beteiligte die zu seinen Gunsten sprechenden Umstände darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Juli 2014 - XII ZB 201/13 - FamRZ 2014, 1440 Rn. 15 ff.).
- 41
- aa) Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, dass der Auskunftsanspruch des Kindes Ausfluss seines verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) ist und dazu dient, eine Information zu erlangen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit von elementarer Bedeutung sein kann. Denn das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde sichern gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG jedem Einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Zu den Elementen, die für die Entfaltung der Persönlichkeit von entscheidender Bedeutung sein können, gehört die Kenntnis der eigenen Abstammung. Der Bezug zu den Vorfahren kann im Bewusstsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für sein Selbstverständnis und seine Stellung in der Gemeinschaft einnehmen. Die Kenntnis der Herkunft kann wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis des familiären Zusammenhangs und für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit geben. Die Unmöglichkeit , die eigene Abstammung zu klären, kann den Einzelnen erheblich belasten und verunsichern (BVerfG FamRZ 2007, 441, 442 mwN; FamRZ 1997, 869, 870; FamRZ 1994, 881, 882; FamRZ 1989, 255, 257 f.; Senatsbeschluss vom 29. Oktober 2014 - XII ZB 20/14 - FamRZ 2015, 39 Rn. 30).
- 42
- Dieser Rechtsposition wird regelmäßig ein erhebliches Gewicht im Rahmen der Abwägung zukommen (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2014, 674, 676, wonach in der Regel zugunsten des Kindes zu entscheiden sei), das weder vom Alter noch vom Entwicklungsstand des Kindes und auch nicht davon abhängt , inwieweit das Kind selbst im Zusammenhang mit dem Auskunftsbegehren aktiv wird (vgl. MünchKommBGB/Wellenhofer 6. Aufl. Vor § 1591 Rn. 28; a.A. Staudinger/Rauscher BGB [2011] Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 124). Ist das Kind wegen eines konkreten Informationsbedürfnisses im dargestellten Sinn auf die Auskunft angewiesen, verbietet sich eine solche Differenzierung bei der Abwägung. Für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes erscheint es gleichermaßen bedeutsam, ob etwa die Eltern den Minderjährigen, der zur Erfassung dieser Information in der Lage ist, in jeweils altersgerechter Weise mit seiner Herkunft vertraut machen oder ob sich beispielsweise das Kind erst als Volljähriger selbst auf die Suche nach seinen Wurzeln begibt. Nachdem es insoweit der Erziehungsverantwortung der Eltern überlassen bleibt, wann und wie sie das Kind über seine Abstammung in Kenntnis setzen, ist eine Wertung ausgeschlossen , die der grundrechtlich geschützten Position des Kindes mit zunehmendem Alter und fortschreitender Reife ein erhöhtes Gewicht verleihen würde.
- 43
- bb) Dem stehen andererseits die (grund-)rechtlich geschützten Interessen des Auskunftsverpflichteten gegenüber.
- 44
- (1) In Betracht kommt hierbei die Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) des Reproduktionsmediziners. Der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG richtet sich gegen solche Normen oder Akte, die sich entweder unmittelbar auf die Berufstätigkeit beziehen oder zumindest eine objektiv berufsregelnde Tendenz haben (BVerfG GRUR-RR 2011, 217, 218 mwN; NJW 1998, 1627, 1628). Ob die Verpflichtung zur Erteilung von Auskünften im Zusammenhang mit vorgenommenen ärztlichen Behandlungsmaßnahmen insoweit einen Eingriff darstellt , kann jedoch dahinstehen. Denn bei der vorzunehmenden Abwägung erlangt diese Rechtsposition keine maßgebliche Bedeutung.
- 45
- Es ist schon nicht ersichtlich, inwieweit durch die Auskunftspflicht die Berufsausübung spürbar eingeschränkt wird. Hinzu kommt, dass die für die Reproduktionsmedizin einschlägigen Richtlinien der Bundesärztekammer bereits seit dem Jahr 1985 durchgehend jeweils im Anhang unter I.4. auf den Auskunftsanspruch des Kindes und darauf aufmerksam machten, dass der Arzt dem Samenspender keine Anonymität zusichern könne, sondern ihn darauf hinweisen müsse, dass er dem Kind gegenüber zur Nennung des Spendernamens verpflichtet sei und sich insoweit auch nicht auf die ärztliche Schweigepflicht berufen könne (vgl. Deutsches Ärzteblatt Ausgabe B 1985, 1691, 1696; 1988, B-2551, B-2553; 1996, A-415, A-418; 1998, A-3166, A-3171). In der 2006 beschlossenen "(Muster-)Richtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion" (Deutsches Ärzteblatt 2006, A-1392 ff.) ist zwar im Kommentarteil zur Verwendung heterologer Samen nur noch ausgeführt, die Rechtslage zu Auskunftsansprüchen sei unsicher (A-1402). Unter Punkt "5.3.3.2. Dokumentation" ist jedoch unter anderem die Pflicht des behandelnden Arztes enthalten, zu dokumentieren , "dass sich der Samenspender … für den Fall eines … Auskunfts- verlangens des Kindes … mit der Bekanntgabe seiner Personalien einverstan- den erklärt hat" (A-1398).
- 46
- Mit Blick hierauf gehört es seit fast 30 Jahren zu einer an den berufsständischen Richtlinien orientierten Berufsausübung im Bereich der Reproduktionsmedizin , dass die Behandlung im Wissen um den Auskunftsanspruch des Kindes vorgenommen wird (vgl. auch Deutsch/Spickhoff Medizinrecht Rn. 766). Soweit demgegenüber behauptet wird, ein entsprechender Auskunftsanspruch sei erst durch das Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 6. Februar 2013 (FamRZ 2013, 637) begründet worden und das Bestehen eines solchen daher vorher nicht erkennbar gewesen (so Fink/Grün NJW 2013, 1913, 1915), lässt dies die zitierten Richtlinien außer Betracht.
- 47
- Ein gegenüber dem Persönlichkeitsrecht des Kindes ins Gewicht fallendes , aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG folgendes Geheimhaltungsinteresse des behandelnden Arztes besteht mithin nicht.
- 48
- (2) Eine die Abwägung zu Ungunsten eines Auskunftsanspruchs des Kindes beeinflussende Rechtsposition des behandelnden Arztes folgt aufgrund der vorgenannten Umstände auch nicht daraus, dass ihm gegebenenfalls erhebliche Schadensersatzforderungen drohen (vgl. Jorzig jurisPR-MedizinR 2/2013 Anm. 1; Schneider FamFR 2013, 172, 175), wenn er trotz der bestehenden ärztlichen Richtlinien dem Samenspender vertraglich Anonymität zugesichert haben sollte. Aus einem solchen Verhalten, das sich über die maßgeblichen und ohne weiteres zugänglichen ärztlichen Richtlinien hinwegsetzt, kann kein rechtlich geschützter Belang erwachsen, der sich gegen die aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes folgende Rechtsposition durchzusetzen vermag.
- 49
- (3) Zugunsten des behandelnden Arztes ist grundsätzlich seine ärztliche Schweigepflicht zu berücksichtigen, deren Verletzung zu strafrechtlichen Konsequenzen für ihn führen kann (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Bei der Frage, ob diese im Einzelfall mit Erfolg dem Auskunftsanspruch des Kindes entgegen gehalten werden kann, sind die grundrechtlich geschützten Positionen derjenigen Dritten in die Abwägung einzubeziehen, deren Schutz die ärztliche Schweigepflicht dienen soll. Dies können der Samenspender und die den Behandlungsvertrag schließenden Eltern des Kindes sein, deren rechtlich bedeutsame Belange durch eine Auskunftserteilung unter Umständen erheblich betroffen sind. Besonders gewichtige Rechtspositionen dieser drittbetroffenen Personen können gegebenenfalls dazu führen, dass die ihrem Schutz dienende ärztliche Schweigepflicht das Auskunftsinteresse des Kindes überwiegt. Da diese Personen regelmäßig nicht am Auskunftsprozess beteiligt sind, ist es Sache des auf Auskunft in Anspruch genommenen Arztes, diese Belange bei ihnen zu erfragen und gegebenenfalls im Verfahren geltend zu machen.
- 50
- (a) Die bloße Berufung des behandelnden Arztes auf seine gegenüber Dritten bestehende Schweigepflicht kann allerdings den im allgemeinen Persönlichkeitsrecht wurzelnden Anspruch des Kindes auf Auskunft über seine Herkunft von vornherein nicht hindern. Denn aus dem zivilrechtlichen Anspruch des Kindes folgt grundsätzlich eine Offenbarungsbefugnis und auch -pflicht des Behandlers (vgl. dazu MünchKommBGB/Wellenhofer 6. Aufl. Vor § 1591 Rn. 33; allgemein Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB 29. Aufl. § 203 Rn. 29; a.A. Schröder ZD 2013, 188, 189: keine gesetzliche Offenbarungspflicht), so dass der Arzt nicht unbefugt i.S.d. § 203 Abs. 1 StGB und daher jedenfalls gerechtfertigt handelt (BeckOK StGB/Weidemann [Stand: 10. November 2014] § 203 Rn. 33; Schönke/Schröder/Lenckner/Eisele StGB 29. Aufl. § 203 Rn. 29; vgl. auch OLG Hamm FamRZ 2013, 637, 640; Staudinger/Rauscher BGB [2011] Anh. zu § 1592 Rn. 15) und die strafrechtliche Relevanz der Auskunftserteilung an das Kind als - bezogen auf die Behandlungsverträge - Dritten entfällt.
- 51
- (b) Berücksichtigungsfähig sind in diesem Zusammenhang die rechtlich geschützten Interessen des Samenspenders.
- 52
- (aa) In Betracht kommt hierbei sein ebenfalls dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) unterfallendes Recht auf informationelle Selbstbestimmung als die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden (BVerfG FamRZ 1997, 869, 870; NJW 1984, 419, 421).
- 53
- Soweit der Samenspender - den ärztlichen Richtlinien entsprechend - durch den behandelnden Arzt darüber aufgeklärt worden ist, dass das Kind Auskunft verlangen kann, und ihm daher keine Anonymität zugesichert worden ist, hat er sich des Schutzes dieses Rechts allerdings durch sein unter diesen Voraussetzungen erteiltes Einverständnis mit der Samenspende begeben.
- 54
- Anders verhält es sich, wenn der behandelnde Arzt dem Samenspender Anonymität zugesichert hat, wobei in diesem Zusammenhang keiner Erörterung bedarf, ob die Anonymitätszusicherung als solche wirksam sein kann (dies verneinend etwa Erman/Hammermann BGB 14. Aufl. Vor § 1598 a Rn. 7; Leeb/ Weber ZKJ 2013, 277, 279; Rütz Heterologe Insemination - Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 45; Staudinger/Rauscher BGB [2011] Anh. zu § 1592 Rn. 16; Zimmermann FamRZ 1981, 929, 932). Diese Zusicherung erfolgte dann zwar unter Verstoß jedenfalls gegen die ärztlichen Richtlinien. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass dies auch dem Samenspender bewusst war, der sich gegebenenfalls nur unter der Voraussetzung einer solchen Zusicherung zur Samenspende bereit erklärt hat (vgl. Schneider FamFR 2013, 172, 175). Seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung steht insoweit allerdings das Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung gegenüber, dem regelmäßig ein höheres Gewicht zukommen wird (vgl. MünchKommBGB/ Wellenhofer 6. Aufl. Vor § 1591 Rn. 33; Staudinger/Rauscher BGB [2011] Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 114). Dabei darf auch nicht unbeachtet bleiben, dass der Samenspender sich bewusst mit einem maßgeblichen Beitrag an der Zeugung menschlichen Lebens beteiligt hat und hierfür eine soziale und ethische Verantwortung trägt, die bei der Abwägung zugunsten des die Auskunft begehrenden Kindes streitet (vgl. Giesen JZ 1989, 364, 369; Rütz Heterologe Insemination - Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 43; Schneider FamFR 2013, 172, 175).
- 55
- (bb) Aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Samenspenders kann sich auch im Übrigen ein geschütztes rechtliches Interesse ergeben, das gegen die Rechtsposition des Kindes abzuwägen ist.
- 56
- Nicht maßgeblich sind insoweit allerdingsdie wirtschaftlichen Interessen des Samenspenders (vgl. BVerfG FamRZ 1989, 255, 258 f.; Staudinger/ Rauscher BGB [2011] Einl zu §§ 1589 ff. Rn. 114; Giesen JZ 1989, 364, 372; Rütz Heterologe Insemination - Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 43; a.A. Fink/Grün NJW 2013, 1913, 1916). Diese sind zwar möglicherweise betroffen, wenn das Kind die Vaterschaft anficht und auf Vaterschaftsfeststellung gegen ihn klagt, weil daraus unterhalts- und erbrechtliche Ansprüche des Kindes resultieren können. Aber weder das allgemeine Persönlichkeitsrecht noch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit vermitteln einen Schutz vor den wirtschaftlichen Folgen der Verwandtschaft, die auf verfassungsgemäßen Normen beruhen und nicht zu verfassungswidrigen Ergebnissen führen (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1051, 1052; NJW 2003, 660, 661; Rütz Heterologe Insemination - Die rechtliche Stellung des Samenspenders S. 39).
- 57
- (cc) Nicht anders verhält es sich im Grundsatz dann, wenn "Mischsperma" verschiedener Samenspender bei der Behandlung verwendet worden ist. Die Auskunft über alle in Frage kommenden Spender führt dann zwar zwangsläufig dazu, dass auch die Identität eines oder mehrerer Spender preisgegeben wird, die nicht der biologische Vater des Kindes geworden sind.
- 58
- Nach Ziffer 5.3.1. der (Muster-)Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion (Deutsches Ärzteblatt 2006, A-1392, A-1397) ist ein derartiges Vorgehen jedoch untersagt - wie im Übrigen in Anhang I.4. aller seit 1985 erlassenen Vorgängerrichtlinien, wo dies sogar ausdrücklich damit begründet war, dass sonst die spätere Identifikation des biologischen Vaters erschwert würde. Mit Blick darauf wird ein Verstoß des Arztes gegen die Richtlinie regelmäßig nicht dazu führen können, dass das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung vereitelt wird. Allerdings können bei der Abwägung die rechtlichen Belange jedes Samenspenders Berücksichtigung finden (vgl. Fink/Grün NJW 2013, 1913, 1915 f.).
- 59
- (c) Im Zusammenhang mit der Schweigepflicht des Arztes können bei der Abwägung auch die - insbesondere aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG folgenden - Rechtspositionen der Kindeseltern in Betracht zu ziehen sein. Denkbar ist das dann, wenn sie mit dem Auskunftsbegehren des Kindes nicht einverstanden sind, was - vom Ausnahmefall abgesehen, dass sie insoweit nicht mehr gesetzliche Vertreter des minderjährigen Kindes sind - nur bei Volljährigkeit des Kindes der Fall sein kann.
- 60
- Tatsächlich wird sich insoweit aber kaum ein schützenswerter rechtlicher Belang ergeben, der dem Recht des Kindes auf Kenntnis von seiner Herkunft entgegensteht. Denn die entsprechende Klage gegen den behandelnden Arzt kann das Kind nur dann erheben, wenn es nicht nur Kenntnis vom Auseinanderfallen von rechtlicher und biologischer Vaterschaft, sondern auch von seiner Zeugung mittels Samenspende hat. In dieser Situation sind ihm aber nicht nur die mit Blick auf seine Eltern wesentlichen Umstände im Zusammenhang mit seiner Zeugung bekannt. Es kann vielmehr auch ohne das Wissen um die Identität des Samenspenders die Vaterschaft anfechten und sich insoweit selbst bei einer konsentierten künstlichen heterologen Insemination (vgl. zu rechtspolitischen Bedenken gegen das Anfechtungsrecht des Kindes etwa Palandt/ Brudermüller BGB 74. Aufl. § 1600 Rn. 13 mwN) aus seiner rechtlichen Verwandtschaft lösen. Ein schützenswertes Interesse der Kindeseltern, dass dem Kind dann "wenigstens" der Zugang zur Information über die Identität des Samenspenders verwehrt sein soll, ist daher kaum vorstellbar.
- 61
- cc) Nach diesen Maßstäben erscheint es vorliegend auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen wahrscheinlich und ist für das Revisionsverfahren zu unterstellen, dass die vorzunehmende Gesamtabwägung zu einem Auskunftsanspruch der Klägerinnen führt. Irgendwelche berücksichtigungsfähigen rechtlichen Belange hat die Beklagte nicht geltend gemacht. Es ist schon nicht vorgetragen, dass dem Samenspender Anonymität zugesichert worden wäre. Die Kindeseltern sind mit der Auskunftserteilung einverstanden, nachdem sie zur Durchsetzung eben dieses Anspruchs als Vertreter der Klägerinnen auftreten. Dem verfassungsrechtlich geschützten Recht der Klägerinnen auf Kenntnis von ihrer Abstammung steht damit keine Rechtsposition gegenüber , die den Auskunftsanspruch zu Fall bringen könnte.
- 62
- Ob auch ein Anspruch der mittels künstlicher heterologer Insemination gezeugten Kinder auf - hier nicht geltend gemachte - Einsicht in die ärztlichen Behandlungsunterlagen gemäß § 810 BGB besteht (vgl. dazu BeckOK BGB/ Hahn [Stand: 1. November 2014] § 1591 Rn. 22 mwN), bedarf vorliegend keiner Erörterung.
- 63
- 3. Ein zum Nachteil der Klägerinnen wirkender Verzicht auf die Auskunft ist von Beklagtenseite nicht behauptet und folgt auch nicht aus den tatrichterlichen Feststellungen. Insbesondere wirkt weder der von den Eltern der Klägerinnen im eigenen Namen abgegebene Verzicht für Letztere noch hat er eine anderweitig ihr Informationsrecht einschränkende Folge. Der Auskunftsanspruch des Kindes besteht unabhängig vom Auskunftsanspruch seiner Eltern (und damit unabhängig von der Wirksamkeit des von diesen erklärten Verzichts ). Auch wenn das Informationsbedürfnis des Kindes auf die in Elternver- antwortung getroffene Entscheidung zurückgeht, das Kind über seine Herkunft aufzuklären, handelt es sich bei dem Auskunftsverlangen, das die Eltern als gesetzliche Vertreter des Kindes verfolgen, dann nicht um eine Umgehung der durch die Eltern abgegebenen Verzichtserklärung.
- 64
- 4. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist.
- 65
- Das Berufungsgericht wird Feststellungen dazu zu treffen haben, inwieweit die Klägerinnen auf die begehrte Auskunft angewiesen sind, also insbesondere ihre Eltern als gesetzliche Vertreter die Auskunft zum Zweck der Information der Klägerinnen verlangen. Darüber hinaus wird das Berufungsgericht bei Vorliegen der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung die erforderliche Abwägung vorzunehmen haben.
- 66
- Entgegen der von der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung ist es im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden, dass die Klägerinnen auf Auskunftserteilung über die Identität ihrer biologischen Väter durch Angabe der Personalien der Samenspender angetragen haben, nachdem unstreitig ist, dass sie mittels der Samenspenden gezeugt wurden (vgl. auch Fink/Grün NJW 2013, 1913, 1916). Eine Antragsumstellung dahin, dass die Auskunft sich nicht auf die "Väter" bezieht, ist daher im weiteren Verfahrensfortgang nicht geboten.
Vorinstanzen:
AG Hameln, Entscheidung vom 21.06.2013 - 20 C 194/12 (2) -
LG Hannover, Entscheidung vom 06.11.2013 - 6 S 50/13 -
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.
(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.
(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.