Landgericht Köln Urteil, 04. Dez. 2013 - 28 O 347/13

ECLI:ECLI:DE:LGK:2013:1204.28O347.13.00
bei uns veröffentlicht am04.12.2013

Tenor

Die einstweilige Verfügung vom 09.08.2013 – 28 O 347/13 – wird aufgehoben und der Antrag auf ihren Erlass zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht die Antragsgegner zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.


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Urheberrechtsgesetz - UrhG | § 33 Weiterwirkung von Nutzungsrechten


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Tenor 1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. Februar 2009 – 7 O 29/09 – wird zurückgewiesen. 2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gründe

Referenzen

(1) Zur Sicherung der in diesem Gesetz bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung können einstweilige Verfügungen auch ohne die Darlegung und Glaubhaftmachung der in den §§ 935 und 940 der Zivilprozessordnung bezeichneten Voraussetzungen erlassen werden.

(2) Ist auf Grund dieses Gesetzes Klage auf Unterlassung erhoben worden, so kann das Gericht der obsiegenden Partei die Befugnis zusprechen, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei öffentlich bekannt zu machen, wenn sie ein berechtigtes Interesse dartut. Art und Umfang der Bekanntmachung werden im Urteil bestimmt. Die Befugnis erlischt, wenn von ihr nicht innerhalb von drei Monaten nach Eintritt der Rechtskraft Gebrauch gemacht worden ist. Der Ausspruch nach Satz 1 ist nicht vorläufig vollstreckbar.

(3) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein Anspruch aus einem der in diesem Gesetz geregelten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Gericht auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des Streitwerts bemisst. Die Anordnung hat zur Folge, dass

1.
die begünstigte Partei die Gebühren ihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil des Streitwerts zu entrichten hat,
2.
die begünstigte Partei, soweit ihr Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie diese übernimmt, die von dem Gegner entrichteten Gerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsanwalts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten hat und
3.
der Rechtsanwalt der begünstigten Partei, soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auferlegt oder von ihm übernommen werden, seine Gebühren von dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streitwert beitreiben kann.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 kann vor der Geschäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt werden. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzubringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der angenommene oder festgesetzte Streitwert später durch das Gericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung über den Antrag ist der Gegner zu hören.

Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. Februar 2009 – 7 O 29/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

 
Die Verfügungsklägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung.
Die Verfügungsklägerin ist weltweit im Bereich der Unterhaltungselektronik tätig. Sie ist Inhaberin des Europäischen Patents ... (im Folgenden: Klagepatent). Zu den benannten Vertragsstaaten gehört Deutschland. Das Schutzrecht ist in Kraft. Die Verfügungsbeklagte hat am 15.06.2009 gegen das Klagepatent Einspruch eingelegt.
Das Klagepatent betrifft eine Anzeigevorrichtung mit vertikal ausgerichtetem Flüssigkristall. Die Ansprüche 1 und 3 lauten wie folgt:
1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:
erste und zweite Substrate (16, 17); und eine Flüssigkristallschicht, die zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) platziert ist; wobei das erste Substrat (16) zumindest eine erste Struktur (20A-1) und eine zweite Struktur (20A-2) aufweist, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; und das zweite Substrat (17) weist zumindest eine dritte Struktur (20B-3) und eine vierte Struktur (20B-4) auf, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; dadurch gekennzeichnet, dass
(a) sich in einem Pixel die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) linear in unterschiedliche Richtungen zueinander erstrecken;
(b) sich in dem Pixel die dritte Struktur (20B-3) im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1) erstreckt und sich in dem Pixel die vierte Struktur (20B-4) im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2) erstreckt;
(c) sich die erste Struktur (20A-1), die zweite Struktur (20A-2), die dritte Struktur (20B-3) und die vierte Struktur (20B-4) in Richtungen erstrecken, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt; und
(d) das erste Substrat (16) ferner mindestens eine Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen aufweist, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft.
10 
2. …
11 
3. Die Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus nach Anspruch 1 oder 2, worin die Struktur (52), die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft, in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist.
12 
Wegen des weiteren Inhalts der Patentschrift wird auf die deutsche Übersetzung in Anlage ASt 1a und die englische Originalfassung in Anlage ASt 1 Bezug genommen.
13 
Die Verfügungsbeklagte importiert und vertreibt in Deutschland unter anderem folgende Typen von LCD-Fernsehern:
14 
1. bereits in erster Instanz angegriffene Ausführungsformen:
a)...
b) ...
2. in zweiter Instanz zusätzlich angegriffene Ausführungsform:
...
15 
Die Ausführungsform 1a wird seit Mitte März 2009, die Ausführungsform 1b seit Ende Januar 2009 nicht mehr von der Verfügungsbeklagten ausgeliefert. Beide Ausführungsformen sind noch als Auslaufmodell im Handel erhältlich. Die Ausführungsform 2 wird von der Verfügungsbeklagten seit Ende März 2009 vertrieben.
16 
Die Parteien sowie die Muttergesellschaft der Verfügungsbeklagten führen in mehreren Staaten patentrechtliche Auseinandersetzungen um die Verletzung von mehreren Patenten für Flüssigkristallanzeigen. Unter anderem ist eine Klage beim Landgericht Mannheim anhängig, mit der sich die Verfügungsklägerin unter anderem auf der Grundlage des Klagepatents gegen die Ausführungsformen 1a und 1b wendet. Vorgerichtlich und parallel zu den Verfahren wurden und werden Verhandlungen über eine Kreuzlizenzvereinbarung geführt.
17 
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, mit der sie ihr Begehren auf die Kombination der Ansprüche 1 und 3 stützt und ergänzend die Ausführungsform 2 angreift.
18 
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Aus diesem Grund ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch insoweit zurückzuweisen, als sich die Verfügungsklägerin gegen die Ausführungsform 2 wendet.
19 
1. Die Einbeziehung der Ausführungsform 2 in das bereits anhängige Verfahren ist sachdienlich und auch im Übrigen gemäß § 533 ZPO zulässig. Die Ausführungsform 2 unterscheidet sich, soweit es um die Form der Schlitzstrukturen geht, zwar in Details von den Ausführungsformen 1a und 1b. Aus dem Vortrag der Verfügungsbeklagten lässt sich aber nicht entnehmen, dass diese Unterschiede für die patentgemäße Wirkung der Strukturen von Bedeutung sind. Die Verletzungsfrage lässt sich für die Ausführungsform 2 deshalb anhand des Sach- und Streitstandes beurteilen, den der Senat für die Prüfung der Ausführungsformen 1a und 1b ohnehin zu berücksichtigen hat. Der mit der Zulassung der Antragserweiterung verbundene Verlust einer Instanz erscheint vor diesem Hintergrund für die Verfügungsbeklagte zumutbar.
20 
2. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Verfügungsgrund vorliegt. Der Begriff „Verfügungsgrund“ bezeichnet das besondere Rechtschutzbedürfnis der klagenden Partei an der Erlangung eines Vollstreckungstitels im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung. Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird im Patentverletzungsprozess nicht vermutet; § 12 Abs. 2 UWG ist nicht anwendbar. Die besonderen Umstände, die eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung rechtfertigen, sind deshalb im Einzelfall festzustellen. Aus der Durchsetzungsrichtlinie ergibt sich nichts anderes. Diese verlangt zwar, dass grundsätzlich die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes durch einstweilige Maßnahmen bestehen muss. Das ändert aber nichts daran, dass im Einzelfall eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung nur unter den Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO ergehen darf. Entscheidend ist dabei, ob sich bei Berücksichtigung aller Umstände und der Interessen der Parteien ergibt, dass der klagenden Partei die mit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens bis zum erstinstanzlichen Urteil immer verbundene Verzögerung nicht zugemutet werden kann.
21 
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Patentverletzungsverfahren ist danach, wie das Landgericht im Einzelnen näher ausgeführt hat, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage im Einzelfall keine Schwierigkeiten macht und dass sich keine durchgreifenden Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klageschutzrechts aufdrängen (Senat GRUR 1988, 900 – Dutralene und GRUR-RR 2002, 278, 279 – DVD-Player). Mit Schwierigkeiten ist die Beurteilung der Verletzungsfrage nicht erst dann verbunden, wenn sie im Hauptsacheverfahren nicht ohne Heranziehung eines Sachverständigen beantwortet werden könnte. Ergänzend ist eine Bewertung und Abwägung der Interessen der Parteien vorzunehmen. Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im vorliegenden Fall nicht vor. Der Antrag der Verfügungsklägerin erweist sich als unzulässig und ist vom Landgericht zu Recht zurückgewiesen worden.
22 
a) Die Beurteilung der Verletzungsfragen ist als schwierig zu bezeichnen.
23 
Allerdings spricht auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes im Verfügungsverfahren nach Auffassung des Senats viel für die Annahme, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale der Ansprüche 1 und 3 des Klagepatents wortsinngemäß verwirklichen.
24 
aa) Das Klagepatent betrifft eine Flüssigkeitskristallanzeige (LCD) des vertikalen Ausrichtungsmodus (VA). In der Beschreibung wird dargelegt, dass im Stand der Technik zahlreiche Typen von Flüssigkristallanzeigen bekannt waren. Als besonders geeignet werden Anzeigen mit Dünnschichttransistoren (TFT) hervorgehoben. Als am weitesten verbreiteter Typ von TFT-LCD werden Geräte nach dem TN-Modus (Twisted Nematic) bezeichnet. Diese zeichnen sich durch hohen Kontrast und hohe Farbreproduzierbarkeit aus, weisen aber den Nachteil auf, dass die Qualität der Darstellung stark vom Betrachtungswinkel abhängt. Als Alternative wurden Geräte nach dem IPS-Modus (In Plane Switching) vorgeschlagen. Diese haben eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik, aber längere Schaltzeiten, was vor allem bei der Anzeige von schnellen Bewegungen nachteilig ist.
25 
Das Klagepatent befasst sich vor diesem Hintergrund mit LCD nach dem VA-Modus (Vertically Aligned). VA-LCD unterscheiden sich von TN-LCD unter anderem durch die Anordnung der Flüssigkristallmoleküle zwischen den zur Ansteuerung dienenden Elektroden. Beim TN-Modus sind die Flüssigkristalle im spannungsfreien Zustand im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene angeordnet. Dies entspricht dem Anzeigezustand „hell“. Beim Anlegen einer Spannung ordnen sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene an. Dies entspricht dem Anzeigezustand „dunkel“. Durch Variation der Spannung können Zwischenzustände erreicht werden. Beim VA-Modus sind die Flüssigkristallmoleküle in spannungsfreiem Zustand im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene angeordnet, was auch hier dem Anzeigezustand „dunkel“ entspricht. Bei Anlegen einer Spannung richten sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene aus, was dem Anzeigezustand „hell“ entspricht. Der VA-Modus bietet nach den Angaben in der Klagepatentschrift einen höheren Kontrast und eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik als der TN-Modus, ist dem IPS-Modus jedoch hinsichtlich der Betrachtungswinkelcharakteristik unterlegen.
26 
Zur Verbesserung dieser Eigenschaft waren im Stand der Technik Vorschläge bekannt, die Orientierungsrichtung der Flüssigkristallmoleküle innerhalb eines Pixels auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Richtungen einzustellen. Beim TN-Modus führt dies nach den Angaben in der Klagepatentschrift jedoch dazu, dass die Oberfläche des Ausrichtungsfilms beim Herstellungsvorgang beschädigt wird. Entsprechende Lösungsvorschläge waren auch für den VA-Modus bekannt. Die unterschiedliche Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle wurde hierbei durch Öffnungen in einer der Elektroden oder durch Ausbildung von geneigten Flächen auf denselben erreicht. Die zuerst genannte Lösung bietet nach den Darlegungen in der Klagepatentschrift keine ausreichende Schaltgeschwindigkeit, die zweite führt zum gleichen Problem wie der Vorschlag für den TN-Modus.
27 
Vor diesem Hintergrund betrifft das Klagepatent das technische Problem, eine VA-Flüssigkristallanzeige zu realisieren, die eine mindestens ebenso gute Betrachtungswinkelcharakteristik aufweist wie eine Anzeige nach dem IPS-Modus und denselben Kontrast und dieselbe Operationsgeschwindigkeit zulässt wie eine Anzeige nach dem TN-Modus. Zur Lösung dieses Problems wird in den Ansprüchen 1 und 3 eine Vorrichtung vorgeschlagen, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
28 
1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:
29 
1.1. ein erstes Substrat (16)
30 
1.1.1 mit zumindest einer ersten Struktur (20A-1) und einer zweiten Struktur (20A-2), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;
31 
1.1.2 die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) erstrecken sich in einem Pixel linear in unterschiedliche Richtungen zueinander;
32 
1.1.3 mit mindestens einer Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft
33 
1.1.4. und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist
34 
1.2. ein zweites Substrat (17)
35 
1.2.1 mit zumindest einer dritten Struktur (20B-3) und einer vierten Struktur (20B-4), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;
36 
1.2.2 die dritte Struktur (20B-3) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1);
37 
1.2.3. die vierte Struktur (20B-4) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2);
38 
1.3. die vier Strukturen (20A-1, 20A-2, 20B-3 und 20B-4) erstrecken sich in Richtungen, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt.
39 
1.4. zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) ist eine Flüssigkristallschicht platziert.
40 
Diese Gliederung weicht von der seitens der Verfügungsklägerin erstellten Gliederung nur insoweit ab, als das zusätzliche Merkmal nach Anspruch 3 des Klagepatents, das die Verfügungsklägerin in zweiter Instanz in den Gliederungspunkt 1.1.3 mit aufgenommen hat, der besseren Übersicht halber in einen eigenen Gliederungspunkt 1.1.4 ausgelagert wurde. Sachliche Änderungen sind damit nicht verbunden.
41 
Ein Ausführungsbeispiel für ein Pixel, das die Merkmale des Anspruchs 1 aufweist, ist in Figur 43 der Klagepatentschrift wie folgt dargestellt:
42 
In der Beschreibung wird die zusätzliche Struktur (52) als Erhebung bezeichnet, die in der Nähe des Bereichs gebildet ist, in dem eine Schlierenstruktur („schlieren structure“) beobachtet wird. Die Erhebung ist mit einer Erhebung 20A verbunden und einstückig ausgebildet (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 107). Als Ursache für die ohne die Erhebung (52) beobachtete Schlierenstruktur wird ein als „Reverse Tilt“ bezeichnetes Phänomen genannt, das entsteht, weil das elektrische Feld am Rand eine schräge Ausrichtung aufweist, was dazu führt, dass die Flüssigkristallmoleküle in diesem Bereich nicht die gewünschte Richtung einnehmen (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 99 und 100).
43 
Die Anordnung der Erhebung (52) ist nochmals in Figur 44 dargestellt:
44 
In Figur 62 ist eine modifizierte Anordnung dargestellt, bei der die Erhebung (52) so angeordnet ist, dass sie dem Rand der Pixelelektrode (13) zugewandt ist (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 108):
45 
bb) Vor diesem Hintergrund dürften die angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b nach derzeitiger Einschätzung des Senats, die auf dem Sach- und Streitstand des vorliegenden Verfügungsverfahrens beruht, von allen Merkmalen der Ansprüche 1 und 3 wortsinngemäß Gebrauch machen.
46 
(1) Die genannten Ausführungsformen stellen unstreitig Flüssigkristallanzeigevorrichtungen des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln dar und verwirklichen damit Merkmal 1.
47 
(2) Die Pixel weisen folgende Struktur auf:
48 
Ausführungsform 1a:
49 
Ausführungsform 1b:
50 
Aus den Abbildungen geht hervor, dass die Vorrichtungen ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) aufweisen, wie dies die Merkmale 1.1 und 1.2 vorsehen. Zwischen den Substraten ist unstreitig die in Merkmal 1.4 vorgesehene Flüssigkristallschicht platziert. Die Substrate weisen auch schräg verlaufende Strukturen – Schlitze – auf und verwirklichen damit die Merkmale 1.1.1 und 1.2.1. Diese Strukturen verlaufen ferner in einer Richtung, die verschieden ist von der Richtung, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt, so dass auch Merkmal 1.3 verwirklicht ist.
51 
(3) Auf der Grundlage des Sach- und Streitstands im Verfügungsverfahren spricht nach Auffassung des Senats auch viel für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3.
52 
Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen geht hervor, dass die Strukturen im oberen Bereich jeweils von rechts oben nach links unten und im unteren Bereich jeweils von links oben nach rechts unten verlaufen, mithin zwei unterschiedliche Richtungen aufweisen, wie dies die genannten Merkmale vorsehen. Die Strukturen verlaufen auch zumindest über bestimmte Teilstrecken linear. Hierbei kann offen bleiben, ob der Verlauf der Strukturen jeweils vom linken bis zum rechten Rand als linear im Sinne des Klagepatents angesehen werden kann. Selbst wenn dies aufgrund der vorhandenen Einkerbungen zu verneinen wäre, wiesen die Strukturen jedenfalls zwischen zwei Einkerbungen jeweils einen linearen Verlauf auf.
53 
Die Lehre des Klagepatents legt sich weder auf die Anzahl noch auf die Länge der Strukturen fest. Schon der Anspruchswortlaut, der von „zumindest“ einer ersten und einer dritten Struktur die Rede ist, lässt ausdrücklich die Möglichkeit offen, dass die Substrate weitere Strukturen aufweisen. Darauf wird auch in der Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich hingewiesen (Anlage ASt 1 Seite 6 Zeile 20 f.; Anlage ASt 1a Seite 10 Zeile 46 bis 48). Dort wird auch klargestellt, dass jede Struktur ein oder mehrere Schlitze, Erhebungen, Vertiefungen oder Rillen umfassen und ein unterbrochenes Muster ausbilden kann (Anlage ASt 1 Seite 5 Zeile 17 und 39; Anlage ASt 1a Seite 8 Zeile 36 f. und Seite 9 Zeile 23 f.). Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass es ausreicht, wenn sich die linearen Strukturen zumindest über einen Teil der Pixelfläche erstrecken, ohne dass sie vom einen Rand bis zum anderen reichen.
54 
(4) Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen und noch deutlicher aus den farbigen Abbildungen in Anlage ASt 5 geht auch hervor, dass das Gegensubstrat am rechten Rand jeweils Strukturen aufweist, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen, wie dies in Merkmal 1.1.3 vorgesehen ist, und entsprechend Merkmal 1.1.4 auch in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind.
55 
Dass diese Strukturen eine leichte Keilform aufweisen, schließt die Verwirklichung dieses Merkmals nach derzeitiger Einschätzung des Senats nicht aus. Durch die in Anspruch 1 verwendete Formulierung „im Wesentlichen parallel“ kommt zum Ausdruck, dass leichte Abweichungen von einem parallelen Verlauf unschädlich sind. Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, dass ein leicht keilförmiger Verlauf nicht mehr von der Lehre des Klagepatents umfasst ist, ergeben sich weder aus dem Anspruch noch aus dem sonstigen zur Auslegung heranzuziehenden Inhalt der Klagepatentschrift.
56 
Auf der Grundlage des vorliegenden Sach- und Streitstandes hat der Senat Zweifel daran, dass die durch das Patent unter Schutz gestellte Lösung auf den Fall beschränkt ist, dass jede der Strukturen 52 sowie 20A-1 bis 20B-4 während des Betriebs der Vorrichtung in der Weise wirksam sein muss, dass die Flüssigkristallmoleküle ohne ihr Vorhandensein eine andere Ausrichtung aufweisen würden. Dass die genannten Strukturen ausweislich des Patentanspruchs der Kontrolle der Ausrichtung der (bzw. von) Flüssigkristallen dienen, ist eine Zweckangabe, die der mittelbaren Umschreibung der räumlich-körperlichen Merkmale der Strukturen dient. Sowohl aus dem Anspruchswortlaut als auch aus der Beschreibung ergibt sich somit, dass die Strukturen aufgrund ihrer Bauart und ihrer Anordnung geeignet sein müssen, die Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle zu beeinflussen. Der Senat hält aber für zweifelhaft, ob sich hieraus entnehmen lässt, dass von jeder einzelnen Struktur während des Betriebs der Vorrichtung eine bestimmte Wirkung ausgehen muss. Vielmehr kommt durchaus in Betracht, dass es ausreicht, wenn die Strukturen die erwähnte Eignung zur Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle aufweisen und in ihrer Gesamtheit zu der gewünschten Ausrichtung führen. Der Wortlaut des Anspruchs stellt nicht darauf ab, welche Struktur während des Betriebs hierzu welchen Beitrag leistet. Dass der Erhebung (52) in der Beschreibung des in den Figuren 43 und 44 abgebildeten Ausführungsbeispiels bestimmte Wirkungen beigemessen werden, führt nach derzeitiger Einschätzung des Senats zu keiner anderen Bewertung. Die Erzielung dieser Wirkungen hat in den Ansprüchen 1 und 3 keinen Niederschlag gefunden. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass die beanspruchte Lehre über den Wortlaut des Anspruchs hinaus weitere, nur im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel erwähnte Merkmale umfassen soll.
57 
Auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien im Verfügungsverfahren geht der Senat davon aus, dass die bei den angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufenden, leicht keilförmig ausgebildeten Strukturen ihrer Beschaffenheit nach geeignet sind, die Ausrichtung der Flüssigkeitskristalle zu beeinflussen. Dies reicht für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 aus. Ob die von diesen Strukturen ausgehenden Kräfte beim Betrieb der Fernsehgeräte wirksam werden oder ob sie von anderen Kräften überlagert und deshalb ohne sichtbaren Effekt bleiben, dürfte aus den genannten Gründen unerheblich sein.
58 
Unerheblich ist ferner, dass die Struktur (52) bei dem in der Klagepatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiel als Erhebung, bei den angegriffenen Ausführungsformen hingegen als Schlitz ausgebildet ist. In der Beschreibung der Klagepatentschrift wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach der beanspruchten Lehre jede Struktur auch als Schlitz ausgebildet sein kann (Anlage ASt 1 Seite 7 Zeile 13; Anlage ASt 1a Seite 12 Zeile 26).
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cc) Für die angegriffene Ausführungsform 2 gilt nach derzeitiger Einschätzung des Senats im Ergebnis nichts anderes.
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(1) Auch diese Ausführungsform betrifft unstreitig eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln im Sinne von Merkmal 1.
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(2) Die Pixel sind wie folgt ausgebildet:
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Auch bei dieser Ausführungsform ist ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) vorhanden, zwischen denen eine Flüssigkristallschicht platziert ist. Die Substrate weisen schräg verlaufende Schlitze auf, die in einer Richtung verlaufen, die sich von der Richtung unterscheidet, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt. Damit sind die Merkmale 1.1, 1.1.1, 1.2, 1.2.1, 1.3 und 1.4 erfüllt.
63 
(3) Auch bei dieser Ausführungsform weisen die schräg verlaufenden Schlitze zwei unterschiedliche Richtungen auf, die über bestimmte Teilstrecken linear verlaufen. Zwar wird der lineare Verlauf wiederholt unterbrochen, weil einzelne Teilstücke der Schlitze immer wieder um ein gewisses Maß nach links oder rechts versetzt sind, so dass insgesamt ein leicht mäanderförmiger Verlauf entsteht. Wie bereits im Zusammenhang mit den Ausführungsformen 1a und 1b im Einzelnen dargelegt wurde, reicht es für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3 jedoch aus, wenn die Schlitze zumindest über eine Teilstrecke linear verlaufen. Letzteres ist auch bei der angegriffenen Ausführungsform 2 der Fall.
64 
(4) Auch bei der Ausführungsform 2 weist das Gegensubstrat am rechten Rand Strukturen auf, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind. Diese Strukturen sind im Wesentlichen gleich ausgestaltet wie die entsprechenden Strukturen bei den Ausführungsformen 1a und 1b. Die Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 sind deshalb auch bei dieser Ausführungsform verwirklicht.
65 
Aus den wiedergegebenen Überlegungen geht nach Auffassung des Senats hervor, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage sowohl in technischer als auch in patentrechtlicher Hinsicht erhebliche Probleme aufwirft. Es kann keine Rede davon sein, dass sich das Vorliegen einer Patentverletzung ohne weiteres und mit deutlich geringeren Schwierigkeiten feststellen lässt, als in anderen Fällen behaupteter Patentverletzung. Eine abschließende Beurteilung aller angesprochenen Fragen ist im Rahmen eines Verfügungsverfahrens, das auf eine besonders schnelle Entscheidung zur Schaffung einer vorläufigen Regelung ausgerichtet ist, zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, aber allenfalls unter erheblichen Schwierigkeiten möglich. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die Klagepatentschrift in der englischen Originalfassung 92 Seiten umfasst, von denen 23 auf die Beschreibung entfallen. In der Beschreibung wird eine Vielzahl von Ausführungsbeispielen erläutert, von denen nicht ohne weiteres zu erkennen ist, welche davon alle Merkmale der beanspruchten Lehre aufweisen und welche nur Zwischenstufen auf dem Weg zur patentgemäßen Lösung darstellen. Ob und ggfs. mit welchem Ergebnis dies Auswirkungen auf die Auslegung des Klagepatents hat, ist im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht abschließend zu klären.
66 
b) Zutreffend hat das Landgericht seine Entscheidung, dass kein Verfügungsgrund vorliegt, auch auf den Umstand gestützt, dass die vorliegende Streitigkeit Teil einer umfassenden Auseinandersetzung ist, in deren Rahmen die Parteien Verhandlungen über den Abschluss eines Lizenzvertrages geführt haben. Ob auch das Klagepatent (vor seiner Erteilung) ausdrücklich Gegenstand der Verhandlungen war, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung. Aus dem Umstand, dass die Verfügungsklägerin Verhandlungen über den Abschluss einer Lizenzvereinbarung geführt hat, kann zwar für sich genommen nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass ihr die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs unwichtig ist. Der bisherige Verlauf der Auseinandersetzung zeigt aber, dass eine sofortige Unterbindung von Vertriebshandlungen der Verfügungsbeklagten auch aus Sicht der Verfügungsklägerin nicht dringend geboten war. Diese Ausgangslage ist nach Auffassung des Senats durch die Erteilung des Klagepatents nicht wesentlich verändert worden. Das Klagepatent ist nur eines unter mehreren Rechten, auf die die Parteien ihre gegenseitigen Ansprüche stützen. Auch der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte nach der Darstellung der Verfügungsklägerin ihre Produkte schnell ändert, lässt sich eine besondere Dringlichkeit nach Auffassung des Senats nicht herleiten. Es ist schon unklar, ob sich solche Änderungen auf Teile beziehen, die für das Vorliegen einer Verletzung des Klagepatents von Bedeutung sein können. Zudem würden durch derartige Änderungen Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung des Klagepatents nicht vereitelt. Es ist auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die von der Klägerin behaupteten Markteinbußen auf die (geltend gemachte) Verletzung des Klagepatents zurückführen lassen. Von erheblicher Bedeutung ist bei der Abwägung schließlich der Umstand, dass das vorliegende Verfügungsverfahren und das Hauptsacheverfahren parallel betrieben werden. Angesichts des bereits angesetzten Termins zur mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren bleibt die Verfügungsklägerin, sofern sich ihr Begehren als begründet erweist, nur wenige Wochen ohne Vollstreckungsmöglichkeit. Angesichts der zeitlichen Dauer der Gesamtauseinandersetzung und auch angesichts der Dauer des Verfahrens von der ursprünglichen Anmeldung bis zur Erteilung des Klagepatents erscheint es vor dem aufgezeigten Hintergrund zumutbar, die Verfügungsklägerin auf diesen Weg zu verweisen. Hierdurch wird sie aus den genannten Gründen nicht rechtlos gestellt.
67 
3. Im Ergebnis erscheint das Bedürfnis der Verfügungsklägerin an einer vorläufigen Durchsetzung ihrer Rechte gerade aus diesem Patent nicht derart stark, dass dies die mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung verbundenen Nachteile für die Verfügungsbeklagte rechtfertigen würde. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Gründe, auf die die Verfügungsbeklagte ihren Einspruch gegen das Klagepatent stützt, konkrete Zweifel an dessen Schutzfähigkeit zu begründen vermögen.
68 
4. Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

(1) Wer das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, kann von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht auch dann, wenn eine Zuwiderhandlung erstmalig droht.

(2) Wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Bei der Bemessung des Schadensersatzes kann auch der Gewinn, den der Verletzer durch die Verletzung des Rechts erzielt hat, berücksichtigt werden. Der Schadensersatzanspruch kann auch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Ausgaben (§ 70), Lichtbildner (§ 72) und ausübende Künstler (§ 73) können auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine Entschädigung in Geld verlangen, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht.

Tenor

1. Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 27. Februar 2009 – 7 O 29/09 – wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Gründe

 
Die Verfügungsklägerin begehrt den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Patentverletzung.
Die Verfügungsklägerin ist weltweit im Bereich der Unterhaltungselektronik tätig. Sie ist Inhaberin des Europäischen Patents ... (im Folgenden: Klagepatent). Zu den benannten Vertragsstaaten gehört Deutschland. Das Schutzrecht ist in Kraft. Die Verfügungsbeklagte hat am 15.06.2009 gegen das Klagepatent Einspruch eingelegt.
Das Klagepatent betrifft eine Anzeigevorrichtung mit vertikal ausgerichtetem Flüssigkristall. Die Ansprüche 1 und 3 lauten wie folgt:
1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:
erste und zweite Substrate (16, 17); und eine Flüssigkristallschicht, die zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) platziert ist; wobei das erste Substrat (16) zumindest eine erste Struktur (20A-1) und eine zweite Struktur (20A-2) aufweist, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; und das zweite Substrat (17) weist zumindest eine dritte Struktur (20B-3) und eine vierte Struktur (20B-4) auf, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; dadurch gekennzeichnet, dass
(a) sich in einem Pixel die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) linear in unterschiedliche Richtungen zueinander erstrecken;
(b) sich in dem Pixel die dritte Struktur (20B-3) im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1) erstreckt und sich in dem Pixel die vierte Struktur (20B-4) im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2) erstreckt;
(c) sich die erste Struktur (20A-1), die zweite Struktur (20A-2), die dritte Struktur (20B-3) und die vierte Struktur (20B-4) in Richtungen erstrecken, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt; und
(d) das erste Substrat (16) ferner mindestens eine Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen aufweist, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft.
10 
2. …
11 
3. Die Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus nach Anspruch 1 oder 2, worin die Struktur (52), die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft, in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist.
12 
Wegen des weiteren Inhalts der Patentschrift wird auf die deutsche Übersetzung in Anlage ASt 1a und die englische Originalfassung in Anlage ASt 1 Bezug genommen.
13 
Die Verfügungsbeklagte importiert und vertreibt in Deutschland unter anderem folgende Typen von LCD-Fernsehern:
14 
1. bereits in erster Instanz angegriffene Ausführungsformen:
a)...
b) ...
2. in zweiter Instanz zusätzlich angegriffene Ausführungsform:
...
15 
Die Ausführungsform 1a wird seit Mitte März 2009, die Ausführungsform 1b seit Ende Januar 2009 nicht mehr von der Verfügungsbeklagten ausgeliefert. Beide Ausführungsformen sind noch als Auslaufmodell im Handel erhältlich. Die Ausführungsform 2 wird von der Verfügungsbeklagten seit Ende März 2009 vertrieben.
16 
Die Parteien sowie die Muttergesellschaft der Verfügungsbeklagten führen in mehreren Staaten patentrechtliche Auseinandersetzungen um die Verletzung von mehreren Patenten für Flüssigkristallanzeigen. Unter anderem ist eine Klage beim Landgericht Mannheim anhängig, mit der sich die Verfügungsklägerin unter anderem auf der Grundlage des Klagepatents gegen die Ausführungsformen 1a und 1b wendet. Vorgerichtlich und parallel zu den Verfahren wurden und werden Verhandlungen über eine Kreuzlizenzvereinbarung geführt.
17 
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Inhalt wegen aller Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Verfügungsklägerin, mit der sie ihr Begehren auf die Kombination der Ansprüche 1 und 3 stützt und ergänzend die Ausführungsform 2 angreift.
18 
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht das Vorliegen eines Verfügungsgrundes verneint. Aus diesem Grund ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auch insoweit zurückzuweisen, als sich die Verfügungsklägerin gegen die Ausführungsform 2 wendet.
19 
1. Die Einbeziehung der Ausführungsform 2 in das bereits anhängige Verfahren ist sachdienlich und auch im Übrigen gemäß § 533 ZPO zulässig. Die Ausführungsform 2 unterscheidet sich, soweit es um die Form der Schlitzstrukturen geht, zwar in Details von den Ausführungsformen 1a und 1b. Aus dem Vortrag der Verfügungsbeklagten lässt sich aber nicht entnehmen, dass diese Unterschiede für die patentgemäße Wirkung der Strukturen von Bedeutung sind. Die Verletzungsfrage lässt sich für die Ausführungsform 2 deshalb anhand des Sach- und Streitstandes beurteilen, den der Senat für die Prüfung der Ausführungsformen 1a und 1b ohnehin zu berücksichtigen hat. Der mit der Zulassung der Antragserweiterung verbundene Verlust einer Instanz erscheint vor diesem Hintergrund für die Verfügungsbeklagte zumutbar.
20 
2. Zutreffend ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass kein Verfügungsgrund vorliegt. Der Begriff „Verfügungsgrund“ bezeichnet das besondere Rechtschutzbedürfnis der klagenden Partei an der Erlangung eines Vollstreckungstitels im summarischen Verfahren der einstweiligen Verfügung. Das Bestehen eines Verfügungsgrundes wird im Patentverletzungsprozess nicht vermutet; § 12 Abs. 2 UWG ist nicht anwendbar. Die besonderen Umstände, die eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung rechtfertigen, sind deshalb im Einzelfall festzustellen. Aus der Durchsetzungsrichtlinie ergibt sich nichts anderes. Diese verlangt zwar, dass grundsätzlich die Möglichkeit effektiven Rechtsschutzes durch einstweilige Maßnahmen bestehen muss. Das ändert aber nichts daran, dass im Einzelfall eine Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Verfügung nur unter den Voraussetzungen der §§ 935, 940 ZPO ergehen darf. Entscheidend ist dabei, ob sich bei Berücksichtigung aller Umstände und der Interessen der Parteien ergibt, dass der klagenden Partei die mit der Durchführung eines Hauptsacheverfahrens bis zum erstinstanzlichen Urteil immer verbundene Verzögerung nicht zugemutet werden kann.
21 
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im Patentverletzungsverfahren ist danach, wie das Landgericht im Einzelnen näher ausgeführt hat, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage im Einzelfall keine Schwierigkeiten macht und dass sich keine durchgreifenden Zweifel an der Schutzfähigkeit des Klageschutzrechts aufdrängen (Senat GRUR 1988, 900 – Dutralene und GRUR-RR 2002, 278, 279 – DVD-Player). Mit Schwierigkeiten ist die Beurteilung der Verletzungsfrage nicht erst dann verbunden, wenn sie im Hauptsacheverfahren nicht ohne Heranziehung eines Sachverständigen beantwortet werden könnte. Ergänzend ist eine Bewertung und Abwägung der Interessen der Parteien vorzunehmen. Nach diesen Maßstäben liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung im vorliegenden Fall nicht vor. Der Antrag der Verfügungsklägerin erweist sich als unzulässig und ist vom Landgericht zu Recht zurückgewiesen worden.
22 
a) Die Beurteilung der Verletzungsfragen ist als schwierig zu bezeichnen.
23 
Allerdings spricht auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes im Verfügungsverfahren nach Auffassung des Senats viel für die Annahme, dass die angegriffenen Ausführungsformen die Merkmale der Ansprüche 1 und 3 des Klagepatents wortsinngemäß verwirklichen.
24 
aa) Das Klagepatent betrifft eine Flüssigkeitskristallanzeige (LCD) des vertikalen Ausrichtungsmodus (VA). In der Beschreibung wird dargelegt, dass im Stand der Technik zahlreiche Typen von Flüssigkristallanzeigen bekannt waren. Als besonders geeignet werden Anzeigen mit Dünnschichttransistoren (TFT) hervorgehoben. Als am weitesten verbreiteter Typ von TFT-LCD werden Geräte nach dem TN-Modus (Twisted Nematic) bezeichnet. Diese zeichnen sich durch hohen Kontrast und hohe Farbreproduzierbarkeit aus, weisen aber den Nachteil auf, dass die Qualität der Darstellung stark vom Betrachtungswinkel abhängt. Als Alternative wurden Geräte nach dem IPS-Modus (In Plane Switching) vorgeschlagen. Diese haben eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik, aber längere Schaltzeiten, was vor allem bei der Anzeige von schnellen Bewegungen nachteilig ist.
25 
Das Klagepatent befasst sich vor diesem Hintergrund mit LCD nach dem VA-Modus (Vertically Aligned). VA-LCD unterscheiden sich von TN-LCD unter anderem durch die Anordnung der Flüssigkristallmoleküle zwischen den zur Ansteuerung dienenden Elektroden. Beim TN-Modus sind die Flüssigkristalle im spannungsfreien Zustand im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene angeordnet. Dies entspricht dem Anzeigezustand „hell“. Beim Anlegen einer Spannung ordnen sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene an. Dies entspricht dem Anzeigezustand „dunkel“. Durch Variation der Spannung können Zwischenzustände erreicht werden. Beim VA-Modus sind die Flüssigkristallmoleküle in spannungsfreiem Zustand im Wesentlichen senkrecht zur Anzeigeebene angeordnet, was auch hier dem Anzeigezustand „dunkel“ entspricht. Bei Anlegen einer Spannung richten sich die Flüssigkristallmoleküle im Wesentlichen parallel zur Anzeigeebene aus, was dem Anzeigezustand „hell“ entspricht. Der VA-Modus bietet nach den Angaben in der Klagepatentschrift einen höheren Kontrast und eine bessere Betrachtungswinkelcharakteristik als der TN-Modus, ist dem IPS-Modus jedoch hinsichtlich der Betrachtungswinkelcharakteristik unterlegen.
26 
Zur Verbesserung dieser Eigenschaft waren im Stand der Technik Vorschläge bekannt, die Orientierungsrichtung der Flüssigkristallmoleküle innerhalb eines Pixels auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Richtungen einzustellen. Beim TN-Modus führt dies nach den Angaben in der Klagepatentschrift jedoch dazu, dass die Oberfläche des Ausrichtungsfilms beim Herstellungsvorgang beschädigt wird. Entsprechende Lösungsvorschläge waren auch für den VA-Modus bekannt. Die unterschiedliche Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle wurde hierbei durch Öffnungen in einer der Elektroden oder durch Ausbildung von geneigten Flächen auf denselben erreicht. Die zuerst genannte Lösung bietet nach den Darlegungen in der Klagepatentschrift keine ausreichende Schaltgeschwindigkeit, die zweite führt zum gleichen Problem wie der Vorschlag für den TN-Modus.
27 
Vor diesem Hintergrund betrifft das Klagepatent das technische Problem, eine VA-Flüssigkristallanzeige zu realisieren, die eine mindestens ebenso gute Betrachtungswinkelcharakteristik aufweist wie eine Anzeige nach dem IPS-Modus und denselben Kontrast und dieselbe Operationsgeschwindigkeit zulässt wie eine Anzeige nach dem TN-Modus. Zur Lösung dieses Problems wird in den Ansprüchen 1 und 3 eine Vorrichtung vorgeschlagen, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
28 
1. Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixel, die Vorrichtung umfassend:
29 
1.1. ein erstes Substrat (16)
30 
1.1.1 mit zumindest einer ersten Struktur (20A-1) und einer zweiten Struktur (20A-2), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;
31 
1.1.2 die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) erstrecken sich in einem Pixel linear in unterschiedliche Richtungen zueinander;
32 
1.1.3 mit mindestens einer Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft
33 
1.1.4. und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet ist
34 
1.2. ein zweites Substrat (17)
35 
1.2.1 mit zumindest einer dritten Struktur (20B-3) und einer vierten Struktur (20B-4), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren;
36 
1.2.2 die dritte Struktur (20B-3) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-1);
37 
1.2.3. die vierte Struktur (20B-4) erstreckt sich in dem Pixel im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2);
38 
1.3. die vier Strukturen (20A-1, 20A-2, 20B-3 und 20B-4) erstrecken sich in Richtungen, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt.
39 
1.4. zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) ist eine Flüssigkristallschicht platziert.
40 
Diese Gliederung weicht von der seitens der Verfügungsklägerin erstellten Gliederung nur insoweit ab, als das zusätzliche Merkmal nach Anspruch 3 des Klagepatents, das die Verfügungsklägerin in zweiter Instanz in den Gliederungspunkt 1.1.3 mit aufgenommen hat, der besseren Übersicht halber in einen eigenen Gliederungspunkt 1.1.4 ausgelagert wurde. Sachliche Änderungen sind damit nicht verbunden.
41 
Ein Ausführungsbeispiel für ein Pixel, das die Merkmale des Anspruchs 1 aufweist, ist in Figur 43 der Klagepatentschrift wie folgt dargestellt:
42 
In der Beschreibung wird die zusätzliche Struktur (52) als Erhebung bezeichnet, die in der Nähe des Bereichs gebildet ist, in dem eine Schlierenstruktur („schlieren structure“) beobachtet wird. Die Erhebung ist mit einer Erhebung 20A verbunden und einstückig ausgebildet (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 107). Als Ursache für die ohne die Erhebung (52) beobachtete Schlierenstruktur wird ein als „Reverse Tilt“ bezeichnetes Phänomen genannt, das entsteht, weil das elektrische Feld am Rand eine schräge Ausrichtung aufweist, was dazu führt, dass die Flüssigkristallmoleküle in diesem Bereich nicht die gewünschte Richtung einnehmen (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 99 und 100).
43 
Die Anordnung der Erhebung (52) ist nochmals in Figur 44 dargestellt:
44 
In Figur 62 ist eine modifizierte Anordnung dargestellt, bei der die Erhebung (52) so angeordnet ist, dass sie dem Rand der Pixelelektrode (13) zugewandt ist (Anlage ASt 1 und ASt 1a, Abs. 108):
45 
bb) Vor diesem Hintergrund dürften die angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b nach derzeitiger Einschätzung des Senats, die auf dem Sach- und Streitstand des vorliegenden Verfügungsverfahrens beruht, von allen Merkmalen der Ansprüche 1 und 3 wortsinngemäß Gebrauch machen.
46 
(1) Die genannten Ausführungsformen stellen unstreitig Flüssigkristallanzeigevorrichtungen des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln dar und verwirklichen damit Merkmal 1.
47 
(2) Die Pixel weisen folgende Struktur auf:
48 
Ausführungsform 1a:
49 
Ausführungsform 1b:
50 
Aus den Abbildungen geht hervor, dass die Vorrichtungen ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) aufweisen, wie dies die Merkmale 1.1 und 1.2 vorsehen. Zwischen den Substraten ist unstreitig die in Merkmal 1.4 vorgesehene Flüssigkristallschicht platziert. Die Substrate weisen auch schräg verlaufende Strukturen – Schlitze – auf und verwirklichen damit die Merkmale 1.1.1 und 1.2.1. Diese Strukturen verlaufen ferner in einer Richtung, die verschieden ist von der Richtung, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt, so dass auch Merkmal 1.3 verwirklicht ist.
51 
(3) Auf der Grundlage des Sach- und Streitstands im Verfügungsverfahren spricht nach Auffassung des Senats auch viel für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3.
52 
Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen geht hervor, dass die Strukturen im oberen Bereich jeweils von rechts oben nach links unten und im unteren Bereich jeweils von links oben nach rechts unten verlaufen, mithin zwei unterschiedliche Richtungen aufweisen, wie dies die genannten Merkmale vorsehen. Die Strukturen verlaufen auch zumindest über bestimmte Teilstrecken linear. Hierbei kann offen bleiben, ob der Verlauf der Strukturen jeweils vom linken bis zum rechten Rand als linear im Sinne des Klagepatents angesehen werden kann. Selbst wenn dies aufgrund der vorhandenen Einkerbungen zu verneinen wäre, wiesen die Strukturen jedenfalls zwischen zwei Einkerbungen jeweils einen linearen Verlauf auf.
53 
Die Lehre des Klagepatents legt sich weder auf die Anzahl noch auf die Länge der Strukturen fest. Schon der Anspruchswortlaut, der von „zumindest“ einer ersten und einer dritten Struktur die Rede ist, lässt ausdrücklich die Möglichkeit offen, dass die Substrate weitere Strukturen aufweisen. Darauf wird auch in der Beschreibung des Klagepatents ausdrücklich hingewiesen (Anlage ASt 1 Seite 6 Zeile 20 f.; Anlage ASt 1a Seite 10 Zeile 46 bis 48). Dort wird auch klargestellt, dass jede Struktur ein oder mehrere Schlitze, Erhebungen, Vertiefungen oder Rillen umfassen und ein unterbrochenes Muster ausbilden kann (Anlage ASt 1 Seite 5 Zeile 17 und 39; Anlage ASt 1a Seite 8 Zeile 36 f. und Seite 9 Zeile 23 f.). Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass es ausreicht, wenn sich die linearen Strukturen zumindest über einen Teil der Pixelfläche erstrecken, ohne dass sie vom einen Rand bis zum anderen reichen.
54 
(4) Aus den oben wiedergegebenen Abbildungen und noch deutlicher aus den farbigen Abbildungen in Anlage ASt 5 geht auch hervor, dass das Gegensubstrat am rechten Rand jeweils Strukturen aufweist, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen, wie dies in Merkmal 1.1.3 vorgesehen ist, und entsprechend Merkmal 1.1.4 auch in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind.
55 
Dass diese Strukturen eine leichte Keilform aufweisen, schließt die Verwirklichung dieses Merkmals nach derzeitiger Einschätzung des Senats nicht aus. Durch die in Anspruch 1 verwendete Formulierung „im Wesentlichen parallel“ kommt zum Ausdruck, dass leichte Abweichungen von einem parallelen Verlauf unschädlich sind. Anhaltspunkte, die dafür sprechen könnten, dass ein leicht keilförmiger Verlauf nicht mehr von der Lehre des Klagepatents umfasst ist, ergeben sich weder aus dem Anspruch noch aus dem sonstigen zur Auslegung heranzuziehenden Inhalt der Klagepatentschrift.
56 
Auf der Grundlage des vorliegenden Sach- und Streitstandes hat der Senat Zweifel daran, dass die durch das Patent unter Schutz gestellte Lösung auf den Fall beschränkt ist, dass jede der Strukturen 52 sowie 20A-1 bis 20B-4 während des Betriebs der Vorrichtung in der Weise wirksam sein muss, dass die Flüssigkristallmoleküle ohne ihr Vorhandensein eine andere Ausrichtung aufweisen würden. Dass die genannten Strukturen ausweislich des Patentanspruchs der Kontrolle der Ausrichtung der (bzw. von) Flüssigkristallen dienen, ist eine Zweckangabe, die der mittelbaren Umschreibung der räumlich-körperlichen Merkmale der Strukturen dient. Sowohl aus dem Anspruchswortlaut als auch aus der Beschreibung ergibt sich somit, dass die Strukturen aufgrund ihrer Bauart und ihrer Anordnung geeignet sein müssen, die Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle zu beeinflussen. Der Senat hält aber für zweifelhaft, ob sich hieraus entnehmen lässt, dass von jeder einzelnen Struktur während des Betriebs der Vorrichtung eine bestimmte Wirkung ausgehen muss. Vielmehr kommt durchaus in Betracht, dass es ausreicht, wenn die Strukturen die erwähnte Eignung zur Ausrichtung der Flüssigkristallmoleküle aufweisen und in ihrer Gesamtheit zu der gewünschten Ausrichtung führen. Der Wortlaut des Anspruchs stellt nicht darauf ab, welche Struktur während des Betriebs hierzu welchen Beitrag leistet. Dass der Erhebung (52) in der Beschreibung des in den Figuren 43 und 44 abgebildeten Ausführungsbeispiels bestimmte Wirkungen beigemessen werden, führt nach derzeitiger Einschätzung des Senats zu keiner anderen Bewertung. Die Erzielung dieser Wirkungen hat in den Ansprüchen 1 und 3 keinen Niederschlag gefunden. Angesichts dessen kann nicht angenommen werden, dass die beanspruchte Lehre über den Wortlaut des Anspruchs hinaus weitere, nur im Zusammenhang mit dem Ausführungsbeispiel erwähnte Merkmale umfassen soll.
57 
Auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien im Verfügungsverfahren geht der Senat davon aus, dass die bei den angegriffenen Ausführungsformen 1a und 1b im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufenden, leicht keilförmig ausgebildeten Strukturen ihrer Beschaffenheit nach geeignet sind, die Ausrichtung der Flüssigkeitskristalle zu beeinflussen. Dies reicht für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 aus. Ob die von diesen Strukturen ausgehenden Kräfte beim Betrieb der Fernsehgeräte wirksam werden oder ob sie von anderen Kräften überlagert und deshalb ohne sichtbaren Effekt bleiben, dürfte aus den genannten Gründen unerheblich sein.
58 
Unerheblich ist ferner, dass die Struktur (52) bei dem in der Klagepatentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiel als Erhebung, bei den angegriffenen Ausführungsformen hingegen als Schlitz ausgebildet ist. In der Beschreibung der Klagepatentschrift wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass nach der beanspruchten Lehre jede Struktur auch als Schlitz ausgebildet sein kann (Anlage ASt 1 Seite 7 Zeile 13; Anlage ASt 1a Seite 12 Zeile 26).
59 
cc) Für die angegriffene Ausführungsform 2 gilt nach derzeitiger Einschätzung des Senats im Ergebnis nichts anderes.
60 
(1) Auch diese Ausführungsform betrifft unstreitig eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs-(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln im Sinne von Merkmal 1.
61 
(2) Die Pixel sind wie folgt ausgebildet:
62 
Auch bei dieser Ausführungsform ist ein erstes Substrat (Gegen-Substrat, linke Seite) und ein zweites Substrat (TFT-Substrat, rechte Seite) vorhanden, zwischen denen eine Flüssigkristallschicht platziert ist. Die Substrate weisen schräg verlaufende Schlitze auf, die in einer Richtung verlaufen, die sich von der Richtung unterscheidet, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt. Damit sind die Merkmale 1.1, 1.1.1, 1.2, 1.2.1, 1.3 und 1.4 erfüllt.
63 
(3) Auch bei dieser Ausführungsform weisen die schräg verlaufenden Schlitze zwei unterschiedliche Richtungen auf, die über bestimmte Teilstrecken linear verlaufen. Zwar wird der lineare Verlauf wiederholt unterbrochen, weil einzelne Teilstücke der Schlitze immer wieder um ein gewisses Maß nach links oder rechts versetzt sind, so dass insgesamt ein leicht mäanderförmiger Verlauf entsteht. Wie bereits im Zusammenhang mit den Ausführungsformen 1a und 1b im Einzelnen dargelegt wurde, reicht es für die Verwirklichung der Merkmale 1.1.2, 1.2.2 und 1.2.3 jedoch aus, wenn die Schlitze zumindest über eine Teilstrecke linear verlaufen. Letzteres ist auch bei der angegriffenen Ausführungsform 2 der Fall.
64 
(4) Auch bei der Ausführungsform 2 weist das Gegensubstrat am rechten Rand Strukturen auf, die im Wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verlaufen und in der Nähe des Randes einer Zellelektrode ausgebildet sind. Diese Strukturen sind im Wesentlichen gleich ausgestaltet wie die entsprechenden Strukturen bei den Ausführungsformen 1a und 1b. Die Merkmale 1.1.3 und 1.1.4 sind deshalb auch bei dieser Ausführungsform verwirklicht.
65 
Aus den wiedergegebenen Überlegungen geht nach Auffassung des Senats hervor, dass die Beurteilung der Verletzungsfrage sowohl in technischer als auch in patentrechtlicher Hinsicht erhebliche Probleme aufwirft. Es kann keine Rede davon sein, dass sich das Vorliegen einer Patentverletzung ohne weiteres und mit deutlich geringeren Schwierigkeiten feststellen lässt, als in anderen Fällen behaupteter Patentverletzung. Eine abschließende Beurteilung aller angesprochenen Fragen ist im Rahmen eines Verfügungsverfahrens, das auf eine besonders schnelle Entscheidung zur Schaffung einer vorläufigen Regelung ausgerichtet ist, zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, aber allenfalls unter erheblichen Schwierigkeiten möglich. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass die Klagepatentschrift in der englischen Originalfassung 92 Seiten umfasst, von denen 23 auf die Beschreibung entfallen. In der Beschreibung wird eine Vielzahl von Ausführungsbeispielen erläutert, von denen nicht ohne weiteres zu erkennen ist, welche davon alle Merkmale der beanspruchten Lehre aufweisen und welche nur Zwischenstufen auf dem Weg zur patentgemäßen Lösung darstellen. Ob und ggfs. mit welchem Ergebnis dies Auswirkungen auf die Auslegung des Klagepatents hat, ist im Rahmen des vorliegenden Verfügungsverfahrens nicht abschließend zu klären.
66 
b) Zutreffend hat das Landgericht seine Entscheidung, dass kein Verfügungsgrund vorliegt, auch auf den Umstand gestützt, dass die vorliegende Streitigkeit Teil einer umfassenden Auseinandersetzung ist, in deren Rahmen die Parteien Verhandlungen über den Abschluss eines Lizenzvertrages geführt haben. Ob auch das Klagepatent (vor seiner Erteilung) ausdrücklich Gegenstand der Verhandlungen war, ist dabei nicht von entscheidender Bedeutung. Aus dem Umstand, dass die Verfügungsklägerin Verhandlungen über den Abschluss einer Lizenzvereinbarung geführt hat, kann zwar für sich genommen nicht ohne weiteres gefolgert werden, dass ihr die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs unwichtig ist. Der bisherige Verlauf der Auseinandersetzung zeigt aber, dass eine sofortige Unterbindung von Vertriebshandlungen der Verfügungsbeklagten auch aus Sicht der Verfügungsklägerin nicht dringend geboten war. Diese Ausgangslage ist nach Auffassung des Senats durch die Erteilung des Klagepatents nicht wesentlich verändert worden. Das Klagepatent ist nur eines unter mehreren Rechten, auf die die Parteien ihre gegenseitigen Ansprüche stützen. Auch der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte nach der Darstellung der Verfügungsklägerin ihre Produkte schnell ändert, lässt sich eine besondere Dringlichkeit nach Auffassung des Senats nicht herleiten. Es ist schon unklar, ob sich solche Änderungen auf Teile beziehen, die für das Vorliegen einer Verletzung des Klagepatents von Bedeutung sein können. Zudem würden durch derartige Änderungen Ansprüche der Klägerin wegen Verletzung des Klagepatents nicht vereitelt. Es ist auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass sich die von der Klägerin behaupteten Markteinbußen auf die (geltend gemachte) Verletzung des Klagepatents zurückführen lassen. Von erheblicher Bedeutung ist bei der Abwägung schließlich der Umstand, dass das vorliegende Verfügungsverfahren und das Hauptsacheverfahren parallel betrieben werden. Angesichts des bereits angesetzten Termins zur mündlichen Verhandlung im Hauptsacheverfahren bleibt die Verfügungsklägerin, sofern sich ihr Begehren als begründet erweist, nur wenige Wochen ohne Vollstreckungsmöglichkeit. Angesichts der zeitlichen Dauer der Gesamtauseinandersetzung und auch angesichts der Dauer des Verfahrens von der ursprünglichen Anmeldung bis zur Erteilung des Klagepatents erscheint es vor dem aufgezeigten Hintergrund zumutbar, die Verfügungsklägerin auf diesen Weg zu verweisen. Hierdurch wird sie aus den genannten Gründen nicht rechtlos gestellt.
67 
3. Im Ergebnis erscheint das Bedürfnis der Verfügungsklägerin an einer vorläufigen Durchsetzung ihrer Rechte gerade aus diesem Patent nicht derart stark, dass dies die mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung verbundenen Nachteile für die Verfügungsbeklagte rechtfertigen würde. Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Gründe, auf die die Verfügungsbeklagte ihren Einspruch gegen das Klagepatent stützt, konkrete Zweifel an dessen Schutzfähigkeit zu begründen vermögen.
68 
4. Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 57/09
vom
10. Mai 2012
in dem Rechtsstreit
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
Die Anhörungsrüge gegen das Senatsurteil vom 17. August 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe:


1
Die gemäß § 321a ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge der Klägerin ist nicht begründet. Der Senat hat das gesamte Vorbringen der Revision zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, auch wenn er in seinem Urteil vom 17. August 2011 nicht zu sämtlichen Punkten ausdrücklich Stellung genommen hat. Der Senat hat zudem in der mündlichen Revisionsverhandlung die für die Entscheidung relevanten Umstände ausführlich mit den Parteien erörtert, insbesondere auch die Frage, ob im Streitfall von Erstbegehungsgefahr oder Wiederholungsgefahr ausgegangen werden kann.
2
I. Zu Unrecht rügt die Klägerin, der Senat habe sich nicht mit ihrem Vorbringen dazu befasst, dass die Beklagte auch als Gehilfe und als Täter hafte. Der Senat hat dieses Vorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen , jedoch auf eine nähere Begründung dafür verzichtet, dass eine Haftung der Beklagten als Täterin oder Teilnehmerin nicht in Betracht kommt. Eine solche Begründung war im Streitfall im Hinblick auf die gefestigte Senatsrechtsprechung nicht erforderlich.
3
1. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass bei den handlungsbezogenen Verletzungstatbeständen, wie sie etwa das Markenrecht und das Urheberrecht auszeichnen, als Täter einer Schutzrechtsverletzung nur derjenige haftet , der die Merkmale eines dieser Verletzungstatbestände selbst, in mittelbarer Täterschaft oder in Mittäterschaft erfüllt (vgl. zum Urheberrecht BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 13 - Sommer unseres Lebens; Urteil vom 22. Juni 2011 - I ZR 159/10, GRUR 2011, 1018 Rn. 18 = WRP 2011, 1469 - Automobil-Onlinebörse; zum Kennzeichenrecht inzwischen auch BGH, Urteil vom 9. November 2011 - I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Rn. 44 = WRP 2012, 330 - Basler Haar-Kosmetik). Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben , kommt - wie der Senat in den zitierten Entscheidungen ausgeführt hat - auch eine täterschaftliche Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 22 - Jugendgefährdende Medien bei eBay) nicht in Betracht.
4
2. Die Frage, ob derjenige, der als sogenannter Host-Provider Dritten eine Plattform zur Verfügung stellt, auf der sie in eigener Verantwortung Waren versteigern können, als Täter oder Teilnehmer einer Markenverletzung in Betracht kommt, wenn einer der Benutzer der Plattform dort Waren unter einer fremden Marke anbietet, war bereits Gegenstand mehrerer Senatsentscheidungen. Danach scheidet in derartigen Fällen eine täterschaftliche Haftung des Host-Providers aus, weil er die gefälschte Ware weder anbietet noch in Verkehr bringt und die fremde Marke auch nicht in der Werbung benutzt (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 2004 - I ZR 304/01, BGHZ 156, 236, 250 - Internet-Versteigerung I; Urteil vom 19. April 2007 - I ZR 35/04, BGHZ 172, 119 Rn. 28 - Internet -Versteigerung II; Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 31 = WRP 2011, 223 - Kinderhochstühle im Internet). Der Umstand, dass der Host-Provider, der eine Plattform für Fremdversteigerungen eröffnet, damit einen Beitrag zu Markenverletzungen leistet, die die Benutzer der Plattform dort begehen, indem sie gefälschte Produkte anbieten, reicht danach für eine täterschaftliche Haftung des Host-Providers nicht aus.
5
Die Haftung der Beklagten als Gehilfin kam im Streitfall - auch dies ist in der Senatsrechtsprechung geklärt - schon deswegen nicht in Betracht, weil das Berufungsgericht keine Feststellungen zum insoweit erforderlichen Gehilfenvorsatz getroffen hatte. Für die subjektive Tatseite einer Teilnahme wäre eine hinreichende Kenntnis der Beklagten von den hier konkret als rechtsverletzend beanstandeten Angeboten auf ihrer Handelsplattform erforderlich gewesen (BGHZ 158, 236, 250 - Internet-Versteigerung I; BGHZ 172, 119 Rn. 31 - Internet -Versteigerung II; BGH, GRUR 2011, 152 Rn. 30 - Kinderhochstühle im Internet ). Die Revision hat nicht geltend gemacht, dass entsprechender Vortrag der Klägerin vom Berufungsgericht unberücksichtigt gelassen worden wäre.
6
3. Der Senat hat ferner die durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 12. Juli 2011 (C-324/09, GRUR 2011, 1025 - L'Oréal/eBay) aufgestellten Grundsätze berücksichtigt (Rn. 22 bis 26) und auch in diesem Zusammenhang das Vorbringen der Klägerin zur aktiven Rolle der Beklagten als Verkaufsunterstützer für die eigenen Kunden zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen. Zu Unrecht meint die Anhörungsrüge, der Senat hätte aufgrund dieses Vortrags nach den Grundsätzen des Gerichtshofs an vorrangiger Stelle die Täterhaftung prüfen müssen. Der Gerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 12. Juli 2011 keine Aussage zu den in Betracht kommenden Haftungskategorien der Täterschaft und der Teilnahme sowie der Störerhaftung getroffen. Zudem hat der Gerichtshof es für die Bejahung der Verantwortlichkeit des Betreibers eines Online-Marktplatzes an der von der Anhörungsrüge zitierten Stelle (EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 118 - L'Oréal/eBay) nicht genügen lassen, dass der Betreiber allgemein eine aktive Rolle im Sinne der von der Re- vision geltend gemachten Umstände spielt. Notwendig ist vielmehr eine aktive Rolle gerade im Hinblick auf die konkret beanstandeten Angebote (EuGH, GRUR 2011, 1025 Rn. 116 - L'Oréal/eBay). Die Klägerin hat aber eine solche auf die konkret beanstandeten Angebote bezogene aktive Rolle nicht vorgetragen (so ausdrücklich Schriftsatz vom 27. September 2007 S. 5 = GA 84).
7
II. Die Klägerin macht weiter ohne Erfolg geltend, der Senat habe, soweit er die Abweisung des Auskunftsanspruchs durch das Berufungsgericht bestätigt habe, das Vorbringen der Klägerin in der Revisionsbegründung nicht ausgeschöpft.
8
Soweit die Anhörungsrüge den von der Revision zur Anwendbarkeit des § 19 Abs. 1 MarkenG in der Neufassung durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 7. Juli 2008 (nachfolgend: nF) gehaltenen Vortrag wiederholt, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit dieses Vorbringens. Der Senat hat ausgeführt, dass ein Anspruch aus § 19 Abs. 1 MarkenG eine bereits begangene Rechtsverletzung voraussetzt , an der es im Streitfall fehlt (Rn. 47).
9
Der Senat hat weiter bei seiner Beurteilung auch das Vorbringen der Klägerin zur Anwendung des § 19 Abs. 2 MarkenG nF in der Beschwerdebegründung vollständig zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Der Senat hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass die Revision nicht geltend gemacht habe, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Anspruch aus § 19 Abs. 2 MarkenG verneint habe (Rn. 47). Das Berufungsgericht hatte insoweit den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Auskunft über die bei der Beklagten hinterlegten Namen und Anschriften der Verkäufer mit den Ebay-Namen „gold-discount-darmstadt“ und „mein_Duft“ mit der Begründung verneint, ein solcher Anspruch lasse sich nicht aufgrund ei- ner richtlinienkonformen Auslegung von § 19 MarkenG aF begründen. Es fehle insoweit an einer für diese Form der Auslegung erforderlichen Eindeutigkeit des Art. 8 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (Durchsetzungsrichtlinie). Die Klägerin hat mit ihrer Revision die ausführliche Begründung des Berufungsgerichts zur fehlenden Eindeutigkeit der in Rede stehenden Bestimmungen nicht substantiiert angegriffen. Eine direkte Anwendung des mit Wirkung zum 1. September 2008 und damit erst nach den mit der Klage beanstandeten rechtsverletzenden Angeboten in Kraft getretenen Bestimmung des § 19 Abs. 2 MarkenG nF kam - wovon ersichtlich auch die Instanzgerichte ausgegangen sind - nicht in Betracht. Diese Vorschrift setzt nach ihrem klaren Wortlaut ebenfalls eine bereits begangene Rechtsverletzung voraus (vgl. auch Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 19 MarkenG Rn. 4, 10). Auf die weiteren Ausführungen der Beschwerdebegründung, in denen sie sich mit der Anwendbarkeit der Senatsentscheidung „Schweißmodulgenerator“ (Urteil vom 13. Dezember 2007 - I ZR 71/05, GRUR 2008, 727 Rn. 11 = WRP 2008, 1085) auseinandergesetzt hatte, kam es nicht an. Im Übrigen hat es die Revision selbst dahinstehen lassen, ob die zusätzlichen Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 MarkenG (nF) im Streitfall vorliegen (Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde , auf die die Revision verweist, unter VI 2).
10
III. Zu Unrecht meint die Anhörungsrüge ferner, das Senatsurteil stelle sich als gehörsverletzende Überraschungsentscheidung dar, soweit der Senat sowohl eine Erstbegehungsgefahr als auch eine Wiederholungsgefahr verneint habe.
11
Schon die Beschwerdeerwiderung hatte eine Erstbegehungsgefahr in Abrede gestellt (Schriftsatz vom 22. Januar 2010, S. 25). Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat dennoch zu diesem Gesichtspunkt weder im Schrift- satz vom 9. März 2010 noch in der Revisionsbegründung vom 24. Juni 2010 Vortrag gehalten. Die Zweifel am Vorliegen einer Erstbegehungs- und einer Wiederholungsgefahr waren sodann Gegenstand der ausführlichen Einführung des Senatsvorsitzenden in den Sach- und Streitstand in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Diese Fragen waren dementsprechend ein Schwerpunkt der Plädoyers sowohl der Prozessvertreter der Parteien in der Revisionsinstanz als auch der Beiträge der Rechtsanwälte aus den Vorinstanzen, denen jeweils vor allem zu diesen Gesichtspunkten das Wort erteilt worden war. Aus Anlass dieser Hinweise und Erörterungen hat der vorinstanzliche Prozessvertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass es nach den Beanstandungen vom April 2007 zu einem Angebot unter Verletzung der Dachmarke „Davidoff“ in Alleinstellung gekommen sei. Der Senat hat sich mit diesem - bestrittenen - Vorbringen auch ausdrücklich in seiner Entscheidung befasst (Rn. 41). Dass der erstinstanzliche Prozessvertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Gelegenheit zum weiteren Vortag zur Begehungsgefahr erhalten hatte, ergibt sich auch ausdrücklich aus dem Vorbringen in der Anhörungsrüge (S. 8 Nr. 3 Buchst. b: „über den entsprechenden Vortrag in der mündlichen Verhandlung hinaus“). Aufgrund der Revisionsverhandlung konnte für die Beteiligten kein Zweifel daran bestehen, dass der Senat die Begründung des Berufungsgerichts für die Klageabweisung zwar für bedenklich hielt, dass der Revision aber - vorbehaltlich der noch ausstehenden Senatsberatung - im Hinblick auf das Fehlen der Erstbegehungsgefahr gleichwohl der Erfolg versagt bleiben müsse.
12
IV. Die Anhörungsrüge macht schließlich geltend, der Senat habe den Anspruch der Klägerin auf den gesetzlichen Richter im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG wegen fehlender Prüfung einer Vorlage zum Gerichtshof der Europäischen Union verletzt. Nach Meinung der Anhörungsrüge hätte der Senat nicht ohne eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV an der Störerhaftung als al- leiniger Haftungsgrundlage im Internet festhalten dürfen. Er hätte zumindest die Frage vorlegen müssen, ob sich die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Störerhaftung tatsächlich in die Vorgaben des EuGH-Urteils vom 12. Juli 2011 einfüge.
13
Auch diese Rüge hat keinen Erfolg. Der Senat hat sich ausführlich mit den Grundsätzen des Urteils des Gerichtshofs vom 12. Juli 2011 auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Grundsätze im Einklang mit der bisherigen Senatsrechtsprechung zur Verantwortlichkeit des Betreibers einer Internet -Handelsplattform steht (Rn. 22-26). Der Senat hat eine Vorlage an den Gerichtshof in Erwägung gezogen, ist aber in seiner Entscheidung ersichtlich davon ausgegangen, dass die richtige Anwendung des Unionsrechts jedenfalls durch das Urteil des Gerichtshofs vom 12. Juli 2011 geklärt und die richtige Anwendung des Unionsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die von der Anhörungsrüge angesprochenen Gesichtspunkte der Verkaufsunterstützung und eigenen Markenbenutzung durch die Beklagte (vgl. zu den insoweit maßgebenden Anforderungen EuGH aaO Rn. 116). Der Gerichtshof hat ausdrücklich festgestellt, dass es nunmehr Sache der nationalen Gerichte ist zu prüfen, ob der Betreiber des Online-Marktplatzes in Bezug auf die fraglichen Verkaufsangebote eine vom Gerichtshof als haftungsbegründend herausgearbeitete „aktive Rolle“ übernommen hat (EuGH aaO Rn. 117).
Bornkamm Pokrant Büscher
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 13.02.2008 - 34 O 117/07 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 31.03.2009 - I-20 U 73/08 -

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 46/12 Verkündet am:
16. Mai 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Realität
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1
der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und
der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom
22.6.2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich
gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie
sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit
nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht
nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen
der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?
BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - I ZR 46/12 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?

Gründe:

1
I. Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war - nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung - auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar.
2
Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie Besuchern ihrer Internetseiten , den von der Klägerin in Auftrag gegebenen Film im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen elektronischen Verweis („Link“) wurde der Film vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.
3
Nach Ansicht der Klägerin haben die Beklagten den Film damit unberechtigt im Sinne des § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat von den Beklagten daher Unterlassung, Schadensersatz und die Freistellung von Abmahnkosten verlangt. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagten haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt.
4
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klä- gerin jeweils Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € zu zahlen und die Klägerin jeweils von Abmahnkosten in Höhe von je 555,60 € freizustellen; außerdem hat es den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage auferlegt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage hälftig zwischen den Parteien verteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
5
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (im Folgenden: Richtlinie 2001/29/EG) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
6
1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der in Rede stehende Film als Filmwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt ist. Die Klägerin verfügt - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - über die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Werk.
7
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wiedergabe des in Rede stehenden Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ nach der Rechtsprechung des Senats kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG darstellt.
8
Die Vorschrift des § 19a UrhG, die Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ins nationale Recht umsetzt, erfordert nach der Rechtsprechung des Senats, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet wird, das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindet (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Rn. 27 = WRP 2009, 1001 - Internet-Videorecorder I; Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 239/06, GRUR 2009, 864 Rn. 16 = WRP 2009, 1143 - CAD-Software; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, GRUR 2010, 628 Rn. 19 = WRP 2010, 916 - Vorschaubilder I; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 39/08, GRUR 2011, 56 Rn. 23 = WRP 2011, 88 - Session-ID).
9
Die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ stellt danach grundsätzlich kein öffentliches Zugänglichmachen dar, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es insoweit nicht darauf an, ob die Beklagten sich den Film durch Einbettung in ihre Webseiten zu eigen gemacht haben. Das Recht des öffentlichen Zugänglichmachens wird nicht verletzt, wenn der für einen Internetauftritt Verantwortliche nur den - tatsächlich unzutreffenden - Eindruck erweckt, er halte selbst das Werk zum Abruf bereit. Der Tatbestand einer urheberrechtlichen Nutzungshandlung wird allein durch die Vornahme der Nutzungshandlung erfüllt und nicht dadurch, dass deren Merkmale vorgetäuscht werden (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2013, 49 f.; v. Ungern-Sternberg in Schricker /Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 19a UrhG Rn. 46; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 19a UrhG Rn. 29; Ott, ZUM 2004, 357, 363 f.; ders., MMR 2007, 260, 263 f.; ders., ZUM 2008, 556, 559; Conrad, CR 2013, 305, 314; vgl. auch OLG Köln, MMR 2012, 552; aA OLG Düsseldorf, ZUM 2012, 327, 328; LG München I, ZUM 2007, 224, 225 ff.; ZUM 2013, 230, 234 f.; Schulze, ZUM 2011, 2, 10; Reinemann/Remmertz, ZUM 2012, 216, 222 f. und 226; vgl. auch v. Lewinski/Walter in Walter/v. Lewinski, European Copyright Law, 2010, Rn. 11.3.35).
10
3. Die Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ könnte jedoch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe verletzen (Ott, Urheber- und wettbewerbsrechtliche Probleme von Linking und Framing, 2004, S. 330 ff.; ders., ZUM 2004, 357, 364; ders., MMR 2007, 260, 264 f.; ders., ZUM 2008, 556, 560; aA v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim aaO § 15 UrhG Rn. 27; vgl. auch Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 16 Rn. 14; Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 16 UrhG Rn. 30; zur praktischen Relevanz des Problems siehe Ullrich, ZUM 2010, 853 ff.; zur Rechtslage im US-amerikanischen Recht vgl. Lunardi, 19 Fordham Intellectual Property Media & Entertainment Law Journal 1077 ff.).
11
a) Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Dieses Recht umfasst nach § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG insbesondere das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG), das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), das Senderecht (§ 20 UrhG), das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21 UrhG) sowie das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 22 UrhG). Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 UrhG enthält keine abschließende, sondern eine beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung der dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte und lässt daher die Anerkennung unbenannter Verwertungsrechte der öffentlichen Wiedergabe zu (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 13 = GRUR 2003, 958 - Paperboy; v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim aaO § 19a UrhG Rn. 22).
12
b) Soweit es sich bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 UrhG um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG das Recht der öffentlichen Wiedergabe vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. zum Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 247/03, GRUR 2009, 840 Rn. 19 f. = WRP 2009, 1127 - Le-Corbusier-Möbel II, mwN). Soweit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG weitergehende Rechte als die in § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe verlangt, ist daher in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe anzunehmen.
13
c) Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
14
aa) Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/EG). Es erfasst daher keine direkten Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit , die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet, die dieses Werk aufführt oder darbietet; solche direkten öffentlichen Aufführungen und Darbietungen sind vom Anwendungsbereich des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe im Rahmen der Richtlinie 2001/29/EG ausgeschlossen (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 - C-403/08 und C-429/08, GRUR 2012, 156 Rn. 200 bis 202 = WRP 2012, 434 - Football Association Premier League und Murphy; Urteil vom 24. November 2011 - C-283/10, GRUR Int. 2012, 150 Rn. 35 f. - UCMR-ADA/Zirkus Globus). Bei der hier zu beurteilenden Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten liegt eine Wiedergabe an eine Öffentlichkeit vor, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist, so dass die Wiedergabe in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG fällt.
15
bb) Die Frage, ob ein Sachverhalt die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe erfüllt, erfordert nach der Rechtsprechung desGerichtshofs eine individuelle Beurteilung, bei der die nachfolgend unter (1) bis (4) aufgeführten unselbständigen und miteinander verflochtenen Kriterien einzeln und in ihrem Zusammenwirken miteinander zu berücksichtigen sind, da sie - je nach Einzelfall - in sehr unterschiedlichem Maße vorliegen können (vgl. zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums und nunmehr Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums EuGH, Urteile vom 15. März 2012 - C-135/10, GRUR 2012, 593 Rn. 78 f. = WRP 2012, 689 - SCF/Del Corso und C-162/10, GRUR 2012, 597 Rn. 29 f. - PPL/Irland).
16
(1) Eine öffentliche Wiedergabe setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rn. 42 - SGAE/Rafael; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 593 Rn. 82 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 31 - PPL/Irland). Sie setzt ferner voraus, dass das Publikum für diese Wiedergabe aufnahmebereit ist und nicht nur zufällig „erreicht“ wird (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 91 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 37 - PPL/Irland).
17
(2) Der Begriff der „Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und einer ziemlich großen Zahl von Personen erfüllt (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 84 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 33 PPL/Irland; EuGH, Urteil vom 7. März 2013 - C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 32 - ITV Broadcasting /TVC). Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - C-89/04, Slg. 2005, I-4891 = ZUM 2005, 549 Rn. 30 - Mediakabel/Kommissariat für die Medien; Urteil vom 14. Juli 2005 - C-192/04, Slg. 2005, I-7199 = GRUR 2006, 50 Rn. 31 - Lagardère/SPRE und GVL; EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 37 - SGAE/Rafael; GRUR 2012, 593 Rn. 85 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 34 PPL/Irland). Mit dem Kriterium der „ziemlich großen Zahl von Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 38 - SGAE/Rafael; GRUR 2012, 593 Rn. 86 f. - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 35 - PPL/Irland; EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 33 - ITV Broadcasting /TVC).
18
(3) Eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG kann unter Umständen voraussetzen, dass ein Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, das der Urheber des Werkes nicht berücksichtigt hat, als er dessen Nutzung im Wege der öffentlichen Wiedergabe erlaubt hat (EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 40 f. - SGAE/ Rafael; EuGH, Beschluss vom 18. März 2010 - C-136/09, MR-Int 2010, 123 Rn. 38 - OSDD/Divani Akropolis; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 197 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 597 Rn. 49 - PPL/Irland; vgl. zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 93/83/EWG zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - C-431/09 und C-432/09, GRUR Int. 2011, 1058 Rn. 72 - Airfield und Canal Digitaal/Sabam). Diese Voraussetzung braucht allerdings nicht geprüft zu werden, wenn die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet; in solchen Fällen bedarf grundsätzlich jede Wiedergabe des Werkes der Erlaubnis des Urhebers (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 39 und 24 bis 26 - ITV Broadcasting/TVC).
19
(4) Für die Beurteilung, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, ist es schließlich nicht unerheblich, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken dient (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael; GRUR Int.
2011, 1058 Rn. 80 - Airfield und Canal Digitaal/Sabam; GRUR 2012, 156 Rn. 204 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 593 Rn. 88 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 36 - PPL/Irland). Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/ Rafael); er kann daher für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 42 f. - ITV Broadcasting/TVC).
20
cc) Es erscheint auch unter Berücksichtigung dieser Kriterien nicht hinreichend geklärt, ob bei der hier in Rede stehenden Einbettung eines fremden Werkes in eine eigene Internetseite im Wege des „Framing“ eine öffentliche Wiedergabe vorliegt.
21
(1) Die Beklagten werden bei der Einbindung des Films in ihre Internetseiten zwar in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig, um den Nutzern ihrer Internetseiten einen Zugang zu dem Film zu verschaffen, den sie ohne ihr Tätigwerden nicht hätten. Die Nutzer der Internetseite der Beklagten sind für die Wiedergabe des Films auch aufnahmebereit und werden nicht bloß zufällig „erreicht“, da sie sich durch Anklicken des elektronischen Verweises bewusst für die Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten entscheiden. Die Wiedergabe ist ferner öffentlich, da die Nutzung der Internetseite der Beklagten sämtlichen Internetnutzern und damit einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und einer ziemlich großen Zahl von Personen offensteht. Die Wiedergabe des Films dient schließlich Erwerbszwecken , da sie den Absatz der von den Beklagten vertriebenen Produkte fördern soll.
22
(2) Die Beklagten geben den Film jedoch nicht für ein neues Publikum wieder. Der Film ist bereits durch das Einstellen auf der Videoplattform „YouTube“ für alle Internetnutzer öffentlich zugänglich geworden. Durch die Verknüpfung des Films mit ihrer Internetseite erweitern die Beklagten den Kreis der potentiellen Adressaten nicht. Die Wiedergabe des Films über die Internetseite der Beklagten erfolgt auch nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet. Der Film wird bei einem Abruf über die Internetseiten der Beklagten technisch auf dieselbe Weise von der Plattform „YouTube“ an die Nutzer übermittelt , wie wenn diese Nutzer den Film über das Angebot von „YouTube“ abrufen würden.
23
dd) Es stellt sich daher die Frage, ob die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie hier vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt , das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet (vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen des schwedischen Svea hovrätt in der Rechtssache C-466/12, juris). Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu bejahen.
24
(1) Wer lediglich einen Hyperlink auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk setzt, greift nach der Rechtsprechung des Senats allerdings nicht in das Recht der öffentlichen Wiedergabe in Gestalt des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein. Wer einen solchen Link setzt, nimmt keine urheberrechtliche Nutzungshandlung vor, sondern verweist lediglich auf das Werk in einer Weise, die Nutzern den bereits eröffneten Zugang erleichtert. Er hält das geschützte Werk weder selbst öffentlich zum Abruf bereit, noch übermittelt er es selbst auf Abruf an Dritte. Nicht er, sondern derjenige, der das Werk ins Internet gestellt hat, entscheidet darüber, ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Wird die Webseite mit dem geschützten Werk nach dem Setzen des Hyperlinks gelöscht, geht dieser ins Leere (vgl. BGHZ 156, 1, 14 f. - Paperboy).
25
(2) Anders ist nach der Rechtsprechung des Senats jedoch das Setzen eines Hyperlink in der Form eines Deep Link zu beurteilen, wenn dabei eine vom Berechtigten eingerichtete technische Schutzvorrichtung umgangen wird. Bedient der Berechtigte sich technischer Schutzmaßnahmen, um den Zugang zu dem geschützten Werk beispielsweise nur bestimmten Nutzern zu eröffnen oder nur auf einem bestimmten Weg zu ermöglichen, macht er das Werk auch nur in dieser eingeschränkten Weise zugänglich. Wer einen Hyperlink setzt, der derartige Schutzmaßnahmen umgeht, eröffnet einen Zugang zum Werk, der ansonsten für diese Nutzer oder auf diesem Weg nicht bestünde. Er greift daher in das Recht der öffentlichen Wiedergabe in Gestalt des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein (vgl. BGH, GRUR 2011, 56Rn. 25 bis 27 - Session-ID).
26
(3) Auch derjenige, der - wie im vorliegenden Fall - ein auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachtes fremdes Werk im Wege des „Framing“ zum integralen Bestandteil seiner eigenen Internetseite macht, erleichtert Nutzern seiner Internetseite nicht nur den Zugang zu dem auf der ursprünglichen Internetseite vorgehaltenen Werk. Vielmehr macht er sich das fremde Werk durch eine solche Einbettung in seine eigene Internetseite zu eigen. Er erspart sich damit das eigene Bereithalten des Werkes, für das er die Zustimmung des Urhebers benötigte. Ein solches Verhalten ist nach Ansicht des Senats bei wertender Betrachtung als öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG einzustufen, die einer gesonderten Erlaubnis des Urhebers bedarf. Einem solchen Nutzer kommt - anders als demjenigen , der lediglich einen Hyperlink setzt, und ebenso wie demjenigen, der einen Deep Link setzt und dabei eine vom Berechtigten eingerichtete technische Schutzvorrichtung umgeht - die vom Gerichtshof hervorgehobene zentrale Rolle bei der Werkvermittlung zu (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 42 - SGAE/ Rafael; GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 593 Rn. 82 - SCF/Marco Del Corso). Dabei ist zu berücksichtigen , dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit zu ermöglichen, für die Nutzung ihrer Werke unter anderem bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten , weit zu verstehen ist und daher unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren jede Übertragung geschützter Werke umfasst (EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 186 und 193 - Football Association Premier League und Murphy; EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 20 und 23 - ITV Broadcasting/TVC).
27
Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der Betrachter des Internetangebots erkennt, dass der Betreiber der betrachteten Seite das geschützte Werk nicht selbst vorhält. Es ist wohl auch nicht ausschlaggebend, ob der Betreiber dieser Seite - wie im vorliegenden Fall - zu Erwerbszwecken handelt. Entscheidend ist vielmehr aus der Sicht des Senats, dass sich der Betreiber das geschützte Werk durch Einbetten in seine Internetseite zu eigen macht. Es ist auch nicht von Bedeutung, ob das Werk auf der ursprünglichen Internetseite mit Zustimmung des Berechtigten vorgehalten wird. Eine Zustimmung zu einer bestimmten Form einer öffentlichen Wiedergabe erschöpft nicht das Recht in Bezug auf davon zu unterscheidende selbständige Handlungen, die ebenfalls eine öffentliche Wiedergabe darstellen (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 23 - ITV Broadcasting /TVC).
Bornkamm Pokrant Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.02.2011 - 37 O 1577/10 -
OLG München, Entscheidung vom 16.02.2012 - 6 U 1092/11 -
27
Es kommt nicht darauf an, ob die Kunden, die die Vervielfältigung einer bestimmten Sendung aus dem Programm der Klägerin bestellt und erhalten haben, in ihrer Gesamtheit eine Öffentlichkeit im Sinne des § 15 Abs. 3 UrhG bilden. Auf die Gesamtheit dieser Kunden kann nicht abgestellt werden. Das in § 19a UrhG geregelte Recht der öffentlichen Zugänglichmachung bezieht sich auf die Bereithaltung eines Werkes zum Abruf durch Mitglieder der Öffentlichkeit von Orten und Zeiten ihrer Wahl (Schricker/v. Ungern-Sternberg, Urheber- recht, 3. Aufl., § 19a UrhG Rdn. 1 und 49; Dreier in Festschrift Ullmann, 2006, S. 37, 44). Daher kann in dem an jedermann gerichteten Angebot zur Aufzeichnung und zum Abruf künftig ausgestrahlter und gespeicherter Sendungen kein öffentliches Zugänglichmachen gesehen werden, weil sich das betreffende Werk zur Zeit des Angebots nicht in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindet (LG Braunschweig AfP 2006, 489, 490 f.; Braun, AfP 2007, 5, 6; a.A. OLG Köln GRUR-RR 2006, 5; LG München I ZUM 2006, 583, 585). Auch soweit die Beklagte zu 1 Sendungen der Klägerin unmittelbar an die „Persönlichen Videorecorder“ einzelner Kunden weiterleitet, hält sie diese nicht in ihrer Zugriffssphäre zum Abruf für eine Öffentlichkeit bereit (vgl. Dreier in Dreier/Schulze aaO § 19a Rdn. 7; Dreier in Festschrift Ullmann, 2006, S. 37, 44; a.A. Schack, GRUR 2007, 639, 642; Wiebe, CR 2007, 28, 33).
16
(1) Für die Beurteilung des hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruchs ist die Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt der ihm zugrunde gelegten Verhaltensweise am 14. Juni 1999 gegolten hat. Nach § 15 Abs. 2 UrhG a.F. hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben. In entsprechender Anwendung dieser Vorschrift hat der Urheber darüber hinaus ein Recht an der Bereithaltung seines Werkes zum Abruf durch eine Öffentlichkeit. Dieses Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist zwar erst mit Wirkung zum 13. September 2003 allgemein in § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 i.V. mit § 19a UrhG und speziell für Computerprogramme in § 69c Nr. 4 UrhG ausdrücklich geregelt worden; es hat aber schon zuvor bestanden (vgl. Schricker/v. Ungern-Sternberg, Urheberrecht, 3. Aufl., § 19a UrhG Rdn. 34 ff.; Schricker/Loewenheim aaO § 69c UrhG Rdn. 40; vgl. auch BGHZ 156, 1, 13 f. - Paperboy).
19
a) Das dem Urheber nach § 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2 UrhG vorbehaltene Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) ist das Recht, das Werk der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Ein Zugänglichmachen im Sinne dieser Vorschrift setzt nur voraus, dass Dritten der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende geschützte Werk eröffnet wird (vgl. BGH, Urt. v. 22.4.2009 - I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Tz. 27 = WRP 2009, 1001 - Internet-Videorecorder; Urt. v. 20.5.2009 - I ZR 239/06, GRUR 2009, 864 Tz. 16 = WRP 2009, 1143 - CAD-Software; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 3. Aufl., § 19a Rdn. 6; Schricker/v. UngernSternberg , Urheberrecht, 3. Aufl., § 19a UrhG Rdn. 43). Durch die Anzeige in Vorschaubildern der Trefferliste einer Suchmaschine macht der Suchmaschinenbetreiber , der diese Vorschaubilder auf einem eigenen Rechner vorhält, die abgebildeten Werke öffentlich zugänglich (Gey, Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i.S. des § 19a UrhG, 2009, S. 169; Nolte, Informationsmehrwertdienste und Urheberrecht, 2009, S. 246; Dreier in Dreier/Schulze aaO § 19a Rdn. 6; ders., Festschrift für Krämer, 2009, S. 225, 227; Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 19a UrhG Rdn. 22; Schricker/ v. Ungern-Sternberg aaO § 19a UrhG Rdn. 46; v. Ungern-Sternberg, GRUR 2009, 369, 372; Leistner/Stang, CR 2008, 499, 502; Ott, ZUM 2009, 345; Roggenkamp, K&R 2007, 328; Schack, MMR 2008, 414 f.).
23
b) Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin ihre Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatz wegen der beanstandeten Vorfälle im Jahr 2003 auf eine Verletzung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung stützt. Dieses Recht ist im am 13. September 2003 in Kraft getretenen § 19a UrhG gesetzlich geregelt und war zuvor in gleicher Weise als unbenanntes Recht der Verwertung des Werkes in unkörperlicher Form im umfassenden Verwertungsrecht des Urhebers aus § 15 UrhG a.F. enthalten (vgl. BGHZ 156, 1, 13 f. - Paperboy). Dabei geht es um das Recht, das Werk der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist. Ein Zugänglichmachen im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn Dritten der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende geschützte Werk eröffnet wird (vgl. BGH, Urt. v. 29.4.2010 - I ZR 69/08, GRUR 2010, 628 Tz. 19 = WRP 2010, 916 - Vorschaubilder, m.w.N.).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZR 46/12 Verkündet am:
16. Mai 2013
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Realität
Richtlinie 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1
Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1
der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und
der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom
22.6.2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich
gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie
sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit
nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht
nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen
der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?
BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - I ZR 46/12 - OLG München
LG München I
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm
und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Koch und Dr. Löffler

beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22.6.2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: Stellt die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie im Ausgangsverfahren vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet?

Gründe:

1
I. Die Klägerin, die Wasserfiltersysteme herstellt und vertreibt, ließ zu Werbezwecken einen etwa zwei Minuten langen Film mit dem Titel „Die Realität“ herstellen, der sich mit der Wasserverschmutzung befasst. Sie ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Film. Der Film war - nach dem Vorbringen der Klägerin ohne ihre Zustimmung - auf der Videoplattform „YouTube“ abrufbar.
2
Die beiden Beklagten sind als selbständige Handelsvertreter für ein mit der Klägerin im Wettbewerb stehendes Unternehmen tätig. Sie unterhalten jeweils eigene Internetseiten, auf denen sie für die von ihnen vertriebenen Produkte werben. Im Sommer 2010 ermöglichten sie Besuchern ihrer Internetseiten , den von der Klägerin in Auftrag gegebenen Film im Wege des „Framing“ abzurufen. Bei einem Klick auf einen elektronischen Verweis („Link“) wurde der Film vom Server der Videoplattform „YouTube“ abgerufen und in einem auf den Webseiten der Beklagten erscheinenden Rahmen („Frame“) abgespielt.
3
Nach Ansicht der Klägerin haben die Beklagten den Film damit unberechtigt im Sinne des § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht. Die Klägerin hat von den Beklagten daher Unterlassung, Schadensersatz und die Freistellung von Abmahnkosten verlangt. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagten haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens übereinstimmend für erledigt erklärt.
4
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt, an die Klä- gerin jeweils Schadensersatz in Höhe von je 1.000 € zu zahlen und die Klägerin jeweils von Abmahnkosten in Höhe von je 555,60 € freizustellen; außerdem hat es den Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auch hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage auferlegt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Kosten des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils der Klage hälftig zwischen den Parteien verteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
5
II. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (im Folgenden: Richtlinie 2001/29/EG) ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
6
1. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass der in Rede stehende Film als Filmwerk im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 UrhG urheberrechtlich geschützt ist. Die Klägerin verfügt - wie das Berufungsgericht festgestellt hat - über die ausschließlichen Nutzungsrechte an diesem Werk.
7
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Wiedergabe des in Rede stehenden Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ nach der Rechtsprechung des Senats kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG darstellt.
8
Die Vorschrift des § 19a UrhG, die Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ins nationale Recht umsetzt, erfordert nach der Rechtsprechung des Senats, dass Dritten der Zugriff auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk eröffnet wird, das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindet (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 216/06, GRUR 2009, 845 Rn. 27 = WRP 2009, 1001 - Internet-Videorecorder I; Urteil vom 20. Mai 2009 - I ZR 239/06, GRUR 2009, 864 Rn. 16 = WRP 2009, 1143 - CAD-Software; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, GRUR 2010, 628 Rn. 19 = WRP 2010, 916 - Vorschaubilder I; Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 39/08, GRUR 2011, 56 Rn. 23 = WRP 2011, 88 - Session-ID).
9
Die bloße Verknüpfung eines auf einer fremden Internetseite bereitgehaltenen Werkes mit der eigenen Internetseite im Wege des „Framing“ stellt danach grundsätzlich kein öffentliches Zugänglichmachen dar, weil allein der Inhaber der fremden Internetseite darüber entscheidet, ob das auf seiner Internetseite bereitgehaltene Werk für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Entgegen der Ansicht der Revision kommt es insoweit nicht darauf an, ob die Beklagten sich den Film durch Einbettung in ihre Webseiten zu eigen gemacht haben. Das Recht des öffentlichen Zugänglichmachens wird nicht verletzt, wenn der für einen Internetauftritt Verantwortliche nur den - tatsächlich unzutreffenden - Eindruck erweckt, er halte selbst das Werk zum Abruf bereit. Der Tatbestand einer urheberrechtlichen Nutzungshandlung wird allein durch die Vornahme der Nutzungshandlung erfüllt und nicht dadurch, dass deren Merkmale vorgetäuscht werden (vgl. OLG Köln, GRUR-RR 2013, 49 f.; v. Ungern-Sternberg in Schricker /Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 19a UrhG Rn. 46; Bullinger in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 19a UrhG Rn. 29; Ott, ZUM 2004, 357, 363 f.; ders., MMR 2007, 260, 263 f.; ders., ZUM 2008, 556, 559; Conrad, CR 2013, 305, 314; vgl. auch OLG Köln, MMR 2012, 552; aA OLG Düsseldorf, ZUM 2012, 327, 328; LG München I, ZUM 2007, 224, 225 ff.; ZUM 2013, 230, 234 f.; Schulze, ZUM 2011, 2, 10; Reinemann/Remmertz, ZUM 2012, 216, 222 f. und 226; vgl. auch v. Lewinski/Walter in Walter/v. Lewinski, European Copyright Law, 2010, Rn. 11.3.35).
10
3. Die Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten im Wege des „Framing“ könnte jedoch bei einer im Blick auf Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG gebotenen richtlinienkonformen Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Verwertungsrecht der öffentlichen Wiedergabe verletzen (Ott, Urheber- und wettbewerbsrechtliche Probleme von Linking und Framing, 2004, S. 330 ff.; ders., ZUM 2004, 357, 364; ders., MMR 2007, 260, 264 f.; ders., ZUM 2008, 556, 560; aA v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim aaO § 15 UrhG Rn. 27; vgl. auch Schulze in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 16 Rn. 14; Dustmann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 10. Aufl., § 16 UrhG Rn. 30; zur praktischen Relevanz des Problems siehe Ullrich, ZUM 2010, 853 ff.; zur Rechtslage im US-amerikanischen Recht vgl. Lunardi, 19 Fordham Intellectual Property Media & Entertainment Law Journal 1077 ff.).
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a) Gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 UrhG hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Dieses Recht umfasst nach § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG insbesondere das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG), das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), das Senderecht (§ 20 UrhG), das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21 UrhG) sowie das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 22 UrhG). Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 UrhG enthält keine abschließende, sondern eine beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung der dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte und lässt daher die Anerkennung unbenannter Verwertungsrechte der öffentlichen Wiedergabe zu (vgl. BGH, Urteil vom 17. Juli 2003 - I ZR 259/00, BGHZ 156, 1, 13 = GRUR 2003, 958 - Paperboy; v. Ungern-Sternberg in Schricker/Loewenheim aaO § 19a UrhG Rn. 22).
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b) Soweit es sich bei dem Recht der öffentlichen Wiedergabe im Sinne des § 15 Abs. 2 UrhG um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, ist die Bestimmung des § 15 Abs. 2 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG das Recht der öffentlichen Wiedergabe vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. zum Verbreitungsrecht nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG BGH, Urteil vom 22. Januar 2009 - I ZR 247/03, GRUR 2009, 840 Rn. 19 f. = WRP 2009, 1127 - Le-Corbusier-Möbel II, mwN). Soweit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG weitergehende Rechte als die in § 15 Abs. 2 Satz 2 UrhG benannten Rechte der öffentlichen Wiedergabe verlangt, ist daher in richtlinienkonformer Auslegung des § 15 Abs. 2 UrhG ein unbenanntes Recht der öffentlichen Wiedergabe anzunehmen.
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c) Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
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aa) Das Recht zur öffentlichen Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG umfasst nur die Wiedergabe an eine Öffentlichkeit, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist (vgl. Erwägungsgrund 23 Satz 2 der Richtlinie 2001/29/EG). Es erfasst daher keine direkten Aufführungen und Darbietungen von Werken vor einer Öffentlichkeit , die sich in unmittelbarem körperlichen Kontakt mit der Person befindet, die dieses Werk aufführt oder darbietet; solche direkten öffentlichen Aufführungen und Darbietungen sind vom Anwendungsbereich des Begriffs der öffentlichen Wiedergabe im Rahmen der Richtlinie 2001/29/EG ausgeschlossen (EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 - C-403/08 und C-429/08, GRUR 2012, 156 Rn. 200 bis 202 = WRP 2012, 434 - Football Association Premier League und Murphy; Urteil vom 24. November 2011 - C-283/10, GRUR Int. 2012, 150 Rn. 35 f. - UCMR-ADA/Zirkus Globus). Bei der hier zu beurteilenden Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten liegt eine Wiedergabe an eine Öffentlichkeit vor, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist, so dass die Wiedergabe in den Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG fällt.
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bb) Die Frage, ob ein Sachverhalt die Voraussetzungen einer öffentlichen Wiedergabe erfüllt, erfordert nach der Rechtsprechung desGerichtshofs eine individuelle Beurteilung, bei der die nachfolgend unter (1) bis (4) aufgeführten unselbständigen und miteinander verflochtenen Kriterien einzeln und in ihrem Zusammenwirken miteinander zu berücksichtigen sind, da sie - je nach Einzelfall - in sehr unterschiedlichem Maße vorliegen können (vgl. zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EWG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums und nunmehr Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums EuGH, Urteile vom 15. März 2012 - C-135/10, GRUR 2012, 593 Rn. 78 f. = WRP 2012, 689 - SCF/Del Corso und C-162/10, GRUR 2012, 597 Rn. 29 f. - PPL/Irland).
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(1) Eine öffentliche Wiedergabe setzt voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zum geschützten Werk zu verschaffen, den diese ohne sein Tätigwerden nicht hätten (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Dezember 2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225 Rn. 42 - SGAE/Rafael; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 593 Rn. 82 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 31 - PPL/Irland). Sie setzt ferner voraus, dass das Publikum für diese Wiedergabe aufnahmebereit ist und nicht nur zufällig „erreicht“ wird (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 91 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 37 - PPL/Irland).
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(2) Der Begriff der „Öffentlichkeit“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und einer ziemlich großen Zahl von Personen erfüllt (vgl. EuGH, GRUR 2012, 593 Rn. 84 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 33 PPL/Irland; EuGH, Urteil vom 7. März 2013 - C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 32 - ITV Broadcasting /TVC). Um eine „unbestimmte Zahl potentieller Adressaten“ handelt es sich, wenn die Wiedergabe für Personen allgemein erfolgt, also nicht auf besondere Personen beschränkt ist, die einer privaten Gruppe angehören (vgl. EuGH, Urteil vom 2. Juni 2005 - C-89/04, Slg. 2005, I-4891 = ZUM 2005, 549 Rn. 30 - Mediakabel/Kommissariat für die Medien; Urteil vom 14. Juli 2005 - C-192/04, Slg. 2005, I-7199 = GRUR 2006, 50 Rn. 31 - Lagardère/SPRE und GVL; EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 37 - SGAE/Rafael; GRUR 2012, 593 Rn. 85 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 34 PPL/Irland). Mit dem Kriterium der „ziemlich großen Zahl von Personen“ ist gemeint, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle enthält und eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt. Zur Bestimmung dieser Zahl von Personen ist die kumulative Wirkung zu beachten, die sich aus der Zugänglichmachung der Werke bei den potentiellen Adressaten ergibt. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, wie viele Personen gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 38 - SGAE/Rafael; GRUR 2012, 593 Rn. 86 f. - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 35 - PPL/Irland; EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 33 - ITV Broadcasting /TVC).
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(3) Eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG kann unter Umständen voraussetzen, dass ein Werk für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, das der Urheber des Werkes nicht berücksichtigt hat, als er dessen Nutzung im Wege der öffentlichen Wiedergabe erlaubt hat (EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 40 f. - SGAE/ Rafael; EuGH, Beschluss vom 18. März 2010 - C-136/09, MR-Int 2010, 123 Rn. 38 - OSDD/Divani Akropolis; EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 197 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 597 Rn. 49 - PPL/Irland; vgl. zum Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 2 der Richtlinie 93/83/EWG zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung EuGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - C-431/09 und C-432/09, GRUR Int. 2011, 1058 Rn. 72 - Airfield und Canal Digitaal/Sabam). Diese Voraussetzung braucht allerdings nicht geprüft zu werden, wenn die nachfolgende Wiedergabe nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet; in solchen Fällen bedarf grundsätzlich jede Wiedergabe des Werkes der Erlaubnis des Urhebers (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 39 und 24 bis 26 - ITV Broadcasting/TVC).
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(4) Für die Beurteilung, ob eine öffentliche Wiedergabe vorliegt, ist es schließlich nicht unerheblich, ob die betreffende Nutzungshandlung Erwerbszwecken dient (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/Rafael; GRUR Int.
2011, 1058 Rn. 80 - Airfield und Canal Digitaal/Sabam; GRUR 2012, 156 Rn. 204 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 593 Rn. 88 - SCF/Marco Del Corso; GRUR 2012, 597 Rn. 36 - PPL/Irland). Der Erwerbszweck ist allerdings keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 44 - SGAE/ Rafael); er kann daher für die Einstufung einer Weiterverbreitung als Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG unter Umständen auch unerheblich sein (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 42 f. - ITV Broadcasting/TVC).
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cc) Es erscheint auch unter Berücksichtigung dieser Kriterien nicht hinreichend geklärt, ob bei der hier in Rede stehenden Einbettung eines fremden Werkes in eine eigene Internetseite im Wege des „Framing“ eine öffentliche Wiedergabe vorliegt.
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(1) Die Beklagten werden bei der Einbindung des Films in ihre Internetseiten zwar in voller Kenntnis der Folgen ihres Verhaltens - also absichtlich und gezielt - tätig, um den Nutzern ihrer Internetseiten einen Zugang zu dem Film zu verschaffen, den sie ohne ihr Tätigwerden nicht hätten. Die Nutzer der Internetseite der Beklagten sind für die Wiedergabe des Films auch aufnahmebereit und werden nicht bloß zufällig „erreicht“, da sie sich durch Anklicken des elektronischen Verweises bewusst für die Wiedergabe des Films auf der Internetseite der Beklagten entscheiden. Die Wiedergabe ist ferner öffentlich, da die Nutzung der Internetseite der Beklagten sämtlichen Internetnutzern und damit einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und einer ziemlich großen Zahl von Personen offensteht. Die Wiedergabe des Films dient schließlich Erwerbszwecken , da sie den Absatz der von den Beklagten vertriebenen Produkte fördern soll.
22
(2) Die Beklagten geben den Film jedoch nicht für ein neues Publikum wieder. Der Film ist bereits durch das Einstellen auf der Videoplattform „YouTube“ für alle Internetnutzer öffentlich zugänglich geworden. Durch die Verknüpfung des Films mit ihrer Internetseite erweitern die Beklagten den Kreis der potentiellen Adressaten nicht. Die Wiedergabe des Films über die Internetseite der Beklagten erfolgt auch nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren, das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet. Der Film wird bei einem Abruf über die Internetseiten der Beklagten technisch auf dieselbe Weise von der Plattform „YouTube“ an die Nutzer übermittelt , wie wenn diese Nutzer den Film über das Angebot von „YouTube“ abrufen würden.
23
dd) Es stellt sich daher die Frage, ob die Einbettung eines auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachten fremden Werkes in eine eigene Internetseite unter Umständen, wie sie hier vorliegen, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, auch wenn das fremde Werk damit nicht für ein neues Publikum wiedergegeben wird und die Wiedergabe nicht nach einem spezifischen technischen Verfahren erfolgt , das sich von demjenigen der ursprünglichen Wiedergabe unterscheidet (vgl. auch das Vorabentscheidungsersuchen des schwedischen Svea hovrätt in der Rechtssache C-466/12, juris). Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu bejahen.
24
(1) Wer lediglich einen Hyperlink auf eine vom Berechtigten öffentlich zugänglich gemachte Webseite mit einem urheberrechtlich geschützten Werk setzt, greift nach der Rechtsprechung des Senats allerdings nicht in das Recht der öffentlichen Wiedergabe in Gestalt des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein. Wer einen solchen Link setzt, nimmt keine urheberrechtliche Nutzungshandlung vor, sondern verweist lediglich auf das Werk in einer Weise, die Nutzern den bereits eröffneten Zugang erleichtert. Er hält das geschützte Werk weder selbst öffentlich zum Abruf bereit, noch übermittelt er es selbst auf Abruf an Dritte. Nicht er, sondern derjenige, der das Werk ins Internet gestellt hat, entscheidet darüber, ob das Werk der Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Wird die Webseite mit dem geschützten Werk nach dem Setzen des Hyperlinks gelöscht, geht dieser ins Leere (vgl. BGHZ 156, 1, 14 f. - Paperboy).
25
(2) Anders ist nach der Rechtsprechung des Senats jedoch das Setzen eines Hyperlink in der Form eines Deep Link zu beurteilen, wenn dabei eine vom Berechtigten eingerichtete technische Schutzvorrichtung umgangen wird. Bedient der Berechtigte sich technischer Schutzmaßnahmen, um den Zugang zu dem geschützten Werk beispielsweise nur bestimmten Nutzern zu eröffnen oder nur auf einem bestimmten Weg zu ermöglichen, macht er das Werk auch nur in dieser eingeschränkten Weise zugänglich. Wer einen Hyperlink setzt, der derartige Schutzmaßnahmen umgeht, eröffnet einen Zugang zum Werk, der ansonsten für diese Nutzer oder auf diesem Weg nicht bestünde. Er greift daher in das Recht der öffentlichen Wiedergabe in Gestalt des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung des Werkes ein (vgl. BGH, GRUR 2011, 56Rn. 25 bis 27 - Session-ID).
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(3) Auch derjenige, der - wie im vorliegenden Fall - ein auf einer fremden Internetseite öffentlich zugänglich gemachtes fremdes Werk im Wege des „Framing“ zum integralen Bestandteil seiner eigenen Internetseite macht, erleichtert Nutzern seiner Internetseite nicht nur den Zugang zu dem auf der ursprünglichen Internetseite vorgehaltenen Werk. Vielmehr macht er sich das fremde Werk durch eine solche Einbettung in seine eigene Internetseite zu eigen. Er erspart sich damit das eigene Bereithalten des Werkes, für das er die Zustimmung des Urhebers benötigte. Ein solches Verhalten ist nach Ansicht des Senats bei wertender Betrachtung als öffentliche Wiedergabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG einzustufen, die einer gesonderten Erlaubnis des Urhebers bedarf. Einem solchen Nutzer kommt - anders als demjenigen , der lediglich einen Hyperlink setzt, und ebenso wie demjenigen, der einen Deep Link setzt und dabei eine vom Berechtigten eingerichtete technische Schutzvorrichtung umgeht - die vom Gerichtshof hervorgehobene zentrale Rolle bei der Werkvermittlung zu (vgl. EuGH, GRUR 2007, 225 Rn. 42 - SGAE/ Rafael; GRUR 2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2012, 593 Rn. 82 - SCF/Marco Del Corso). Dabei ist zu berücksichtigen , dass der Begriff der öffentlichen Wiedergabe im Blick auf das Hauptziel der Richtlinie 2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit zu ermöglichen, für die Nutzung ihrer Werke unter anderem bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten , weit zu verstehen ist und daher unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel oder Verfahren jede Übertragung geschützter Werke umfasst (EuGH, GRUR 2012, 156 Rn. 186 und 193 - Football Association Premier League und Murphy; EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 20 und 23 - ITV Broadcasting/TVC).
27
Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der Betrachter des Internetangebots erkennt, dass der Betreiber der betrachteten Seite das geschützte Werk nicht selbst vorhält. Es ist wohl auch nicht ausschlaggebend, ob der Betreiber dieser Seite - wie im vorliegenden Fall - zu Erwerbszwecken handelt. Entscheidend ist vielmehr aus der Sicht des Senats, dass sich der Betreiber das geschützte Werk durch Einbetten in seine Internetseite zu eigen macht. Es ist auch nicht von Bedeutung, ob das Werk auf der ursprünglichen Internetseite mit Zustimmung des Berechtigten vorgehalten wird. Eine Zustimmung zu einer bestimmten Form einer öffentlichen Wiedergabe erschöpft nicht das Recht in Bezug auf davon zu unterscheidende selbständige Handlungen, die ebenfalls eine öffentliche Wiedergabe darstellen (EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 23 - ITV Broadcasting /TVC).
Bornkamm Pokrant Schaffert
Koch Löffler
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 02.02.2011 - 37 O 1577/10 -
OLG München, Entscheidung vom 16.02.2012 - 6 U 1092/11 -

Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung ist das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.

(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.

(1) Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten; das Recht umfaßt insbesondere

1.
das Vervielfältigungsrecht (§ 16),
2.
das Verbreitungsrecht (§ 17),
3.
das Ausstellungsrecht (§ 18).

(2) Der Urheber hat ferner das ausschließliche Recht, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben (Recht der öffentlichen Wiedergabe). Das Recht der öffentlichen Wiedergabe umfasst insbesondere

1.
das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19),
2.
das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a),
3.
das Senderecht (§ 20),
4.
das Recht der Wiedergabe durch Bild- oder Tonträger (§ 21),
5.
das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22).

(3) Die Wiedergabe ist öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.

Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, sofern diese Regelung, insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

Ausschließliche und einfache Nutzungsrechte bleiben gegenüber später eingeräumten Nutzungsrechten wirksam. Gleiches gilt, wenn der Inhaber des Rechts, der das Nutzungsrecht eingeräumt hat, wechselt oder wenn er auf sein Recht verzichtet.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.