Landgericht Bochum Beschluss, 10. Aug. 2016 - 7 T 234/16
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 13.06.2016 i.V.m. dem Beschluss vom 13.07.2016 wird hinsichtlich der Unterbringungsanordnung aufgehoben.
Es wird bestimmt, dass der Betroffene längstens bis zum 12.09.2016 in der Fachklinik für Lungen- und Bronchialheilkunde im Bezirkskrankenhaus X in X unterzubringen ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
1
I.
2Der Betroffene bewohnt alleine eine Wohnung in X. Er ist Alkohol-, Nikotin- und Cannabisabhängig.
3Am 13.6.2016 stellte der Oberbürgermeister der Stadt X beim Amtsgericht Bochum einen Antrag auf geschlossene Unterbringung des Betroffenen in der Fachklinik für Lungen- und Bronchialheilkunde im Bezirkskrankenhaus X in X.
4Als Diagnosen wurden im Antrag angegeben:
51. Aktuell: Erneuter Nachweis von Mykobakterien im Sputum unter laufender 2-fach Therapie
62. Bekannte manische Depression, aktuell psychotische Eskalation, Zustand nach zweimaliger Zwangseinweisung in eine psychiatrische Abteilung
73. Offene Lungentuberkulose (ED 01/2016)
84. Belastungsabhängige Dyspnoe bei ausgedehnter Lungentuberkulose
95. Nikotin-, Alkohol- und Cannabisabusus
106. Chronische Hyponatriämie, unklarer Genese
117. Non-Compliance
12Ferner wurden die Arztbriefe des X vom 24.03.2016, 07.06.2016 und 13.06.2016 und der aktuelle Laborbefund vom 09.06.2016 vorgelegt.
13Der Krankheitsverlauf des Betroffenen stellte sich nach der Antragsbegründung der Frau Dr. X wie folgt dar:
14Der Betroffene befand sich vom 20.01.2016 bis zum 24.03.2016 und vom 15.05.2016 bis zum 17.05.2016 und seit dem 10.06.2016 in stationärer Behandlung des X.
15Die erste stationäre Aufnahme erfolgte in der HNO-Abteilung des X aufgrund von seit ca. drei Wochen bestehenden Halsschmerzen. Zu diesem Zeitpunkt stand der Betroffene bereits unter oraler antibiotischer Therapie. Darüber hinaus bestand Gewichtsverlust, Nachtschweiß, Fieber und Husten. Bei den Untersuchungen zeigte sich eine unklare Raumforderung des linken Hypopharynx- und larynx. Die weitere Diagnostik zeigte einen auffälligen Lungenbefund, so dass der Betroffene in die Infektiologische Abteilung des X verlegt wurde.
16Nachdem die Diagnose der Tuberkulose am 21.01.2016 durch das Institut für medizinische Laboratoriumsdiagnostik gesichert war, wurde am 23.01.2016 mit einer antituberkulostatischen 4-fach Therapie begonnen. Aufgrund des bestehenden Verdachtes einer Larynxraumforderung wurde ein CT des Hals/ Thorax durchgeführt. Auch hier konnte die offene Tuberkulose mit einer Kaverne mit Anschluss an den linken Lungenunterlappenbronchus im Sinne einer offenen Tuberkulose bestätigt werden. Bei klinischer Befundbesserung unter Therapie handelte es sich um eine weitere Manifestation der Tuberkulose im Bereich des Kehlkopfes. Am 19.02.2016 erfolgte nach 4-wöchiger Therapie die Kontrolle des Sputums. Hier zeigte sich weiterhin der Nachweis von säurefesten Stäbchen bei ausgedehnten Infiltrat mit Kavernen. Im weiteren Verlauf erfolgten14-tägige Sputumkontrollen. Erstmals vom 19.03.2016 bis 21.03.2016 zeigten sich drei negative Sputumproben. Aufgrund des Verlaufs wurde die Startphase der 4-fach Kombination auf insgesamt drei Monate verlängert, so dass die 4-fach Therapie bis zum 23.04.2016 festgelegt wurde. Die ambulante lungenfachärztliche Betreuung erfolgte in der Ambulanz des X. Am 19.05.2016 meldete sich Frau Dr. X vom X bei der Stadt X. Sie teilte mit, der Betroffene sei psychisch auffällig. Aktuell befindet er sich in einer depressiven Phase. Es bestünde die akute Gefahr, dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen mit seinem Mitbewohner komme.
17Am 10.06.2016 wurde der Betroffene notfallmäßig im X stationär aufgenommen. Einige Tage zuvor hatte er sich in einer Pulmologischen Praxis vorgestellt, und angegeben, er habe Kontakt zu einem Patienten mit Tuberkulose gehabt. Die eigene Erkrankung verschwieg der Betroffenen.
18Der stationäre Aufenthalt des Betroffenen im X ab dem 10.06.2016 gestaltete sich sehr schwierig. Der Betroffene war schlecht führbar, aggressiv und randalierte auf der Station. Er wirkte zunehmend psychotisch, lehnte aber eine psychiatrische Vorstellung ab. In dieser psychiatrischen Verfassung konnte eine adäquate tuberkulostatische Therapie nicht garantiert werden. Der Betroffene hatte sich mehrfach dahingehend geäußert, dass er die Klinik verlassen wolle und sich Geld auf kriminelle Weise beschaffen wolle.
19Das Amtsgericht Bochum hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 13.06.2016 die Absonderung (Quarantäne) durch Unterbringung des Betroffenen in einem Lungenfachkrankenhaus nämlich im Bezirkskrankenhaus X in X angeordnet. Zum berufsmäßigen Verfahrenspfleger wurde Herr X aus X bestellt. Darüber hinaus wurde die zeitweise Fixierung des Betroffenen für den Transport von X zur Klinik genehmigt. Zur Begründung hat sich das Amtsgericht im Wesentlichen auf die ärztliche Stellungnahme aus dem Antrag der Stadt X von der Frau Dr. X vom 13.06.2016 bezogen.
20Die zunächst von der Geschäftsstelle gefertigte Reinschrift des Beschlusses gab dem Beschlusstenor nicht vollständig wieder. Hierüber befindet sich auf Bl. 26 R ein Vermerk des zuständigen Amtsrichters. Die Geschäftsstelle des Amtsgerichts hat sodann ergänzte Ausfertigungen des Beschlusses gefertigt und diese an den Betroffenen, den Verfahrenspfleger, die Stadt X und das Lungenfachkrankenhaus im X übersandt. Statt –dem Original entsprechend- „X“ wurde in den Ausfertigungen jedoch „X“ als Sitz des Krankenhauses aufgenommen.
21Der Betroffene wurde am 14.06.2016 in der Klinik für Lungen- und Bronchialheilkunde in X stationär aufgenommen.
22Das Amtsgericht versandte die Verfahrensakte mit Verfügung vom 23.06.2016 an das AG Neumarkt i.d.OPf. mit der Bitte, den Betroffenen im Wege der Rechtshilfe zur dortigen Unterbringung anzuhören.
23Am 29.06.2016, beim Amtsgericht Bochum am 04.07.2016 eingegangen, hat der Betroffene schriftlich gegen den Beschluss vom 13.06.2016 Beschwerde eingelegt. Ferner beantragte er eine einstweilige Verfügung des Inhalts, ihn schnellstmöglich nach Hause zu entlassen, wenn ein günstige Prognose und entsprechende Vorkehrungen gegen eine weitere Ansteckungsgefahr dies zulassen sollten.
24Die Anhörung des Betroffenen erfolgte im Wege der Rechtshilfe durch den Direktor des Amtsgerichts Neumarkt i.d.OPf. Dr. X am 30.06.2016. Der Betroffene erklärte im Rahmen der Anhörung, er sei durchaus in der Lage, eine Ansteckungsgefahr auszuschließen, indem er sich selber absondere. Er erklärte weiter, er beantrage eine einstweilige Verfügung, sofort entlassen zu werden, oder in einem Krankenhaus behandelt zu werden oder hier behandelt zu werden. Er habe grundsätzlich keine Einwände dagegen, hier behandelt zu werden. Hinsichtlich der Behandlungsdauer erklärte der Betroffene durch Handzeichen: Vier Wochen.
25Der behandelnde Chefarzt der Klinik Dr. X sprach sich für eine Unterbringungsdauer von mindestens drei Monaten aus, bis sich der Betroffene alleine weiter behandeln könne.
26Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwalt X vom 12.07.2016 begründete der Betroffene die Beschwerde damit, dass im Beschluss des Amtsgerichts keine Höchstfrist für die Dauer der Freizeitentziehung angegeben sei. Der Betroffene sei nunmehr Behandlung bereit und werde an den ärztlich vorgeschriebenen Maßnahmen uneingeschränkt mitwirken.
27Das Amtsgericht Bochum hat der Beschwerde des Betroffenen insoweit abgeholfen, als die Unterbringungsfrist auf längstens bis zum 21.10.2016 bestimmt wurde.
28Die Kammer hat mit Verfügung vom 15.07.2016 einen Hinweis erteilt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 57 f.d.A. Bezug genommen wird.
29Mit Schriftsatz vom 26.07.2016 der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen Beschwerde weiter begründet. In Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 26.07.2016 Bezug genommen.
30Die Kammer hat mit Verfügung vom 08.08.2016 einen weiteren Hinweis erteilt, wegen dessen Einzelheiten auf Bl. 70d.A. Bezug genommen wird.
31II.
32Die Beschwerde des Betroffenen ist gemäß §§ 58 Abs.1, 59 Abs.1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere rechtzeitig beim Amtsgericht eingegangen. Der Beschluss des Amtsgerichts Bochum vom 13.06.2016 wurde dem Beteiligten nicht förmlich zugestellt.
33Die Beschwerde ist aber unbegründet.
34Der Antrag des Oberbürgermeisters der Stadt X ist jedenfalls jetzt zulässig und begründet.
35Der Antrag ist zulässig. Das Gesundheitsamt der Stadt X ist gem. §§ 30, 54 S.1 IfSG i.V.m. § 3 Abs.2 ZVI-IfSG, § 416 FamFG die für die Antragstellung zuständige Behörde. Zwar hatte die Antragstellerin entgegen § 417 Abs.2 Nr.4 FamFG die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung nicht im Antrag vom 13.06.2016 angegeben. Der Antrag zur Freiheitsentziehung ist gemäß § 417 FamFG von der Behörde zu begründen. Gemäß § 417 Abs. 2 FamFG hat die Begründung die Identität des Betroffenen, den gewöhnlichen Aufenthalts Ort des Betroffenen, die Erforderlichkeit Freiheitsentziehung, die erforderliche Dauer der Freizeitentziehung zu enthalten. Das Gericht kann die Frage nach dem Abklingen einer ansteckenden Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes nicht aus eigener Sachkunde beantworten, muss aber von Verfassung wegen die Dauer genau festlegen. Dabei hat die Behörde den voraussichtlich notwendigen Zeitraum der Freiheitsentziehung anzugeben und zu begründen. Ein Fehlen der Angaben führt schon für sich genommen zur Unzulässigkeit des Antrages. (Bahrenfuss, FamFG, 2.Auflage 2013. § 417, Rn.4b). Dieser Verstoß ist jedoch durch nachträgliche Benennung der Unterbringungsdauer durch Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt X vom 09.08.2016 geheilt worden. Werden die fehlenden oder unzureichenden Angaben im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ergänzt, so kann eine Heilung nur ex nunc mit der Folge eintreten, dass ab jenem Zeitpunkt erstmalig ein zulässiger Antrag vorliegt. Er muss allerdings die gleichen Voraussetzungen erfüllen wie ein Erstantrag. (Bahrenfuss, FamFG, 2.Auflage 2013. § 417, Rn.6; vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2011,V ZB 136/11 für Abschiebehaft). Dabei ist der ergänzte Antrag eine Fortschreibung des ursprünglichen Haftantrags, über den das Beschwerdegericht entscheiden muss, und kein neuer Haftantrag, der bei dem Amtsgericht in einem neuen gerichtlichen Verfahrens stellen werde (BGH, aaO).
36Dies ist vorliegend der Fall. Der Antragsteller hat nunmehr die voraussichtliche Dauer der Unterbringung unter Bezugnahme der Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. X angegeben und beantragt, die Unterbringung bis zum 12.09.2016 zu beschließen. Diese Unterbringungsfrist war antragsgemäß und entsprechend der Stellungnahme des Sachverständigen Arztes mit drei Monaten ab Beschlussdatum, also ab dem 13.06.2016, zu bemessen.
37Soweit der Betroffene einwendet, im sowohl im Originalbeschluss, Bl. 21 d.A., als auch auf den Ausfertigungen sei die nähere Bezeichnung der Freiheitsentziehung durch die Angabe des Ortes X falsch, ist darauf hinzuweisen, dass sowohl im Originalbeschluss, als auch in der von dem Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen übersandten Ausfertigung die Klinik, in der sich der Betroffene befindet, korrekt mit X bezeichnet ist. Sofern sich in der Akte weitere Ausfertigungen befinden, in denen die Klinik unter X bezeichnet ist, dürfte dies ein offensichtliches Schreibversehen sein, welches ohne weiteres berichtigt werden kann.
38Der Antrag ist auch begründet.
39Die Voraussetzungen der Absonderung gem. § 30 Abs.2 IfSG liegen vor. Der Betroffene leidet –neben anderen Krankheiten- an einer offenen Lungentuberkulose mit meldepflichtigen nachgewiesenen Krankheitserregern gem. § 7 Abs.1 S.1 Nr.34 IfSG und ist damit Kranker i.S.d. § 2 Nr.4 IfSG. Dies ergibt sich aus den mit dem Antrag eingereichten Arztbriefen über die stationären Behandlungen in der Zeit vom 20.01.2016 bis zum 13.06.2016. Der Sachverständige Dr. X hat im Rahmen der Anhörung am 30.06.2016 angegeben, der Betroffene habe auf beiden Seiten Löcher in der Lunge; der Betroffene sei erst in 3 Monaten so weit, dass er alleine die Erkrankung behandeln könne.
40Nach dem bisherigen Verhalten des Betroffenen ist anzunehmen, dass er Anordnungen zur Absonderung nicht ausreichend Folge leisten wird. Das bisherige Verhalten des Betroffenen und sein Umgang mit der hochansteckenden Krankheit zeugt von unzureichendem Verantwortungsbewusstsein gegenüber sich und seiner Umwelt. Der Betroffene stellte sich in Kenntnis der seit Monaten bestehenden Tuberkulose Anfang Juni 2016 in einer Pulmologischen Praxis vor und teilte dort wahrheitswidrig mit, er habe Kontakt zu einem Patienten mit Tuberkulose gehabt, ohne die eigene Erkrankung zu erwähnen. Der Betroffene hat darüber hinaus das Angebot des Gesundheitsamtes zur Überwachung der Tabletteneinnahme abgelehnt und diese selbstständig nicht ordnungsgemäß weitergeführt. Dies ergibt sich daraus, dass nach drei negativen Sputrumproben in dem Zeitraum vom 19.03.2016 bis 21.03.2016 die letzte Sputrumprobe vom 09.06.2016 wieder positiv war. Im Rahmen der letzten stationären Behandlung hat der Betroffene angekündigt, die Klinik verlassen zu wollen, was unter den Umständen einen Behandlungsabbruch darstellen würde. Herr Dr. X teilte auf fernmündliche Nachfrage am 15.07.2016 mit, dass eine freiwillige Behandlung aufgrund der schweren manischen Depression des Betroffenen nicht durchführbar sei. Eine Entlassung aus der Klinik sei für den Betroffenen lebensgefährlich. Soweit der Betroffene im Rahmen der Beschwerde vorträgt, sich an die vorgeschriebenen ärztlichen Maßnahmen im Rahmen der Behandlung halten zu wollen, erscheint diese Absicht im Hinblick auf die psychische Erkrankung –die der Betroffene nach Auskunft des Dr. X nicht behandeln lässt- nicht tragfähig. Dies wird auch durch die Angaben des Betroffenen im Rahmen der mündlichen Anhörung am 30.06.2016 bestätigt. Der Betroffene machte zu seiner weiteren Behandlung wechselhafte Angaben. Er beantragte zunächst, sofort entlassen zu werden, dann jedoch in einem Krankenhaus oder in dem Krankenhaus in X behandelt zu werden. In seiner Beschwerdebegründung vom 29.06.2016 beantragte er wiederum, schnellst möglich nach Hause entlassen zu werden, wenn eine günstige Prognose und entsprechende Vorkehrungen gegen eine weitere Ansteckungsgefahr dies zulassen sollten.
41Eine tragfähige Compliance des Betroffenen kann demnach nicht festgestellt werden.
42Demgemäß war der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung aufzuheben und in der Sache zu entscheiden.
43Von einer erneuten Anhörung des Betroffenen wurde gem. § 420 Abs.2 FamFG abgesehen.
44Die Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit folgt aus § 422 Abs.2 FamFG. Der Betroffene ist bereits geschlossen untergebracht.
45Kostenentscheidung und Wertfestsetzung sind nicht veranlasst.
46Rechtsmittelbelehrung:
47Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde statthaft.
48Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe in deutscher Sprache einzulegen. Die Rechtsbeschwerdeschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung (Datum des Beschlusses und Geschäftsnummer) sowie die Erklärung enthalten, dass Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt wird.
49Die Rechtsbeschwerde ist, sofern die Rechtsbeschwerdeschrift keine Begründung enthält, binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung zu begründen. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss enthalten:
501. die Erklärung, inwieweit die Entscheidung des Beschwerdegerichts angefochten und deren Aufhebung beantragt werde (Rechtsbeschwerdeanträge),
512. die Angabe der Rechtsbeschwerdegründe, und zwar
52a) die bestimmte Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt;
53b) soweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben.
54Die Parteien müssen sich vor dem Bundesgerichtshof durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Rechtsbeschwerdeschrift und die Begründung der Rechtsbeschwerde von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Rechtsbeschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der angefochtenen Entscheidung vorgelegt werden.
55Fällt das Ende der Rechtsbeschwerdefrist oder der Begründungsfrist auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen allgemeinen Feiertag, so endet die Frist mit dem Ablauf des nächsten Werktages.
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(1) Die Beschwerde findet gegen die im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen der Amtsgerichte und Landgerichte in Angelegenheiten nach diesem Gesetz statt, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.
(2) Der Beurteilung des Beschwerdegerichts unterliegen auch die nicht selbständig anfechtbaren Entscheidungen, die der Endentscheidung vorausgegangen sind.
(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.
(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.
(1) Die zuständige Behörde hat anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung abgesondert werden. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.
(2) Kommt der Betroffene den seine Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nach oder ist nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen, dass er solchen Anordnungen nicht ausreichend Folge leisten wird, so ist er zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abzusondern. Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können auch in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abgesondert werden. Das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) kann insoweit eingeschränkt werden. Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend.
(3) Der Abgesonderte hat die Anordnungen des Krankenhauses oder der sonstigen Absonderungseinrichtung zu befolgen und die Maßnahmen zu dulden, die der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Einrichtung oder der Sicherung des Unterbringungszwecks dienen. Insbesondere dürfen ihm Gegenstände, die unmittelbar oder mittelbar einem Entweichen dienen können, abgenommen und bis zu seiner Entlassung anderweitig verwahrt werden. Für ihn eingehende oder von ihm ausgehende Pakete und schriftliche Mitteilungen können in seinem Beisein geöffnet und zurückgehalten werden, soweit dies zur Sicherung des Unterbringungszwecks erforderlich ist. Die bei der Absonderung erhobenen personenbezogenen Daten sowie die über Pakete und schriftliche Mitteilungen gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur für Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet werden. Postsendungen von Gerichten, Behörden, gesetzlichen Vertretern, Rechtsanwälten, Notaren oder Seelsorgern dürfen weder geöffnet noch zurückgehalten werden; Postsendungen an solche Stellen oder Personen dürfen nur geöffnet und zurückgehalten werden, soweit dies zum Zwecke der Entseuchung notwendig ist. Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz), der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) und das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 Grundgesetz) werden insoweit eingeschränkt.
(4) Der behandelnde Arzt und die zur Pflege bestimmten Personen haben freien Zutritt zu abgesonderten Personen. Dem Seelsorger oder Urkundspersonen muss, anderen Personen kann der behandelnde Arzt den Zutritt unter Auferlegung der erforderlichen Verhaltensmaßregeln gestatten.
(5) Die Träger der Einrichtungen haben dafür zu sorgen, dass das eingesetzte Personal sowie die weiteren gefährdeten Personen den erforderlichen Impfschutz oder eine spezifische Prophylaxe erhalten.
(6) Die Länder haben dafür Sorge zu tragen, dass die nach Absatz 1 Satz 1 notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel zur Verfügung stehen.
(7) Die zuständigen Gebietskörperschaften haben dafür zu sorgen, dass die nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel sowie das erforderliche Personal zur Durchführung von Absonderungsmaßnahmen außerhalb der Wohnung zur Verfügung stehen. Die Räume und Einrichtungen zur Absonderung nach Absatz 2 sind nötigenfalls von den Ländern zu schaffen und zu unterhalten.
Die Landesregierungen bestimmen durch Rechtsverordnung die zuständigen Behörden im Sinne dieses Gesetzes, soweit eine landesrechtliche Regelung nicht besteht und dieses Gesetz durch die Länder vollzogen wird. Sie können ferner darin bestimmen, dass nach diesem Gesetz der obersten Landesgesundheitsbehörde oder der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde zugewiesene Aufgaben ganz oder im Einzelnen von einer diesen jeweils nachgeordneten Landesbehörde wahrgenommen werden und dass auf die Wahrnehmung von Zustimmungsvorbehalten der obersten Landesbehörden nach diesem Gesetz verzichtet wird.
Zuständig ist das Gericht, in dessen Bezirk die Person, der die Freiheit entzogen werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, sonst das Gericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis für die Freiheitsentziehung entsteht. Befindet sich die Person bereits in Verwahrung einer abgeschlossenen Einrichtung, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt.
(1) Die Freiheitsentziehung darf das Gericht nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde anordnen.
(2) Der Antrag ist zu begründen. Die Begründung hat folgende Tatsachen zu enthalten:
- 1.
die Identität des Betroffenen, - 2.
den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Betroffenen, - 3.
die Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung, - 4.
die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung sowie - 5.
in Verfahren der Abschiebungs-, Zurückschiebungs- und Zurückweisungshaft die Verlassenspflicht des Betroffenen sowie die Voraussetzungen und die Durchführbarkeit der Abschiebung, Zurückschiebung und Zurückweisung.
(3) Tatsachen nach Absatz 2 Satz 2 können bis zum Ende der letzten Tatsacheninstanz ergänzt werden.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden der Stadt K. auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.
Gründe:
I.
- 1
- Der Betroffene, ein eritreischer Staatsangehöriger, reiste nach Italien ein und stellte dort 2008 einen Asylantrag. Er verließ Italien und stellte in den Niederlanden zwei Asylanträge. Am 22. November 2010 reiste er aus Frankreich nach Deutschland ein, wurde dort festgenommen, in Zurückschiebungshaft genommen und nach Italien zurückgeschoben. Am 7. März 2011 wurde er im Hauptbahnhof in Koblenz ohne gültige Papiere angetroffen und von Beamten der Bundespolizei festgenommen.
- 2
- Die örtliche Polizeiinspektion der Bundespolizei hat Haft zur Sicherung der Zurückschiebung für die Dauer von drei Monaten beantragt, um "die Formalitäten mit dem zuständigen Partnerstaat Italien" zu klären. Das Amtsgericht hat dem Antrag entsprochen. Die Beteiligte zu 2 hat sich den Antrag der Bundespolizei zu eigen gemacht, ergänzt und darauf hingewiesen, die Zurückschiebung sei für den 10. Mai 2011 vorgesehen. Das Beschwerdegericht hat die Haft bis zum 10. Mai 2011 begrenzt und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, nach seiner Zurückschiebung am vorgesehenen Tag mit dem Antrag festzustellen, dass ihn die Entscheidungen der Vorinstanzen in seinen Rechten verletzt haben.
II.
- 3
- Das Beschwerdegericht hält die Anordnung der Zurückschiebungshaft für rechtswidrig. Ihr habe kein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Der Antrag der Bundespolizei habe zu den Gründen für die beantragte Haftdauer von drei Monaten nur auf "Formalitäten mit dem zuständigen Partnerland Italien" verwiesen. Das genüge den Anforderungen ebenso wenig wie der Hinweis auf den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AufenthG. Das bedeute aber nicht, dass die angeordnete Haft nunmehr aufzuheben sei. Der Antragsmangel könne für die Zukunft geheilt werden. Das sei hier eingetreten. Die Beteiligte zu 2 habe sich den Antrag der Bundespolizei zu eigen gemacht, ihn um wesentliche Angaben ergänzt und insbesondere darauf hingewiesen, dass die Abschiebung für den 10. Mai 2011 vorgesehenen und möglich sei. Bis zu diesem Tage sei die Zurückschiebungshaft zu begrenzen, aber auch aufrecht zu erhalten.
III.
- 4
- Diese Erwägung hält im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung nicht stand. Auf die mit dem gestellten Feststellungsantrag ohne Zulassung statthafte (vgl.
- 5
- 1. Das Amtsgericht durfte die Zurückschiebungshaft gegen den Betroffenen nicht anordnen, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte. Dazu wird auf die zutreffenden Gründe der Entscheidung des Beschwerdegerichts Bezug genommen.
- 6
- 2. Auch die Anordnung der Fortdauer der Haft bis zum 10. Mai 2011 durch das Beschwerdegericht verletzt den Betroffenen in seinen Rechten.
- 7
- a) Das ergibt sich allerdings entgegen der Ansicht des Betroffenen nicht schon daraus, dass der Verstoß gegen das Erfordernis eines zulässigen Haftantrags auch für die Zukunft nicht heilbar wäre.
- 8
- aa) Richtig daran ist, dass ein unzulässiger Haftantrag und die damit einhergehende Verletzung des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG in der Beschwerdeinstanz nicht rückwirkend geheilt werden kann (Senat, Beschlüsse vom 29. April 2010 - V ZB 218/09, FGPrax 2010, 210, 211 Rn. 19, vom 21. Oktober 2010 - V ZB 96/10, juris Rn. 14 und vom 7. April 2011 - V ZB 133/10, juris Rn. 7). Das bedeutet aber nicht, dass der Haftantrag nicht mehr ergänzt und auf der Grundlage eines ergänzten Haftantrags die Fortdauer der Haft angeordnet werden dürfte. Der Senat hat das für fehlende Darlegungen zum erforderlichen Einvernehmen der Staatsanwaltschaft entschieden. Dieser Begründungsmangel kann im Beschwerdeverfahren, allerdings nur für die Zukunft, das heißt für den Zeitraum von der Entscheidung des Beschwerdegerichts an, geheilt werden. Dazu muss die den Haftantrag stellende Behörde die Antragsbegründung um die Darlegungen zu dem vorliegenden Einvernehmen ergänzen; ferner muss der Betroffene hierzu in einer Anhörung vor dem Beschwerdegericht Stellung nehmen können (Senat, Beschluss vom 3. Mai 2011 - V ZA 10/11, juris Rn. 11). Das gilt nicht nur für fehlende Angaben zum Einvernehmen der Staatsanwaltschaft , sondern auch für andere Defizite der Antragsbegründung. Das hat das Beschwerdegericht in der Sache richtig gesehen.
- 9
- bb) Entgegen der Ansicht des Betroffenen stellt der so ergänzte Haftantrag keinen inhaltlich neuen Antrag dar, der bei dem Amtsgericht zu stellen wäre und zur Einleitung eines vollständig neuen gerichtlichen Verfahrens führte. Es handelt sich vielmehr um die Fortschreibung des ursprünglichen, wenn auch unzureichenden und darum unzulässigen Haftantrags. Veränderungen erfährt durch die Ergänzung nicht der Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, sondern die formelle und tatsächliche Grundlage der Beschwerdeentscheidung. Diese Veränderung hat das Beschwerdegericht nach §§ 26, 68 Abs. 3 FamFG zu berücksichtigen.
- 10
- b) Unzutreffend ist indessen die weitere Annahme des Beschwerdegerichts , der unzulässige Haftantrag sei durch die Ergänzung seitens der Beteiligten zu 2 nachträglich zulässig geworden. Das ist nicht der Fall. Der ergänzte Antrag ist zwar dem Vertreter des Betroffenen rechtzeitig vor der Anhörung des Betroffenen in Kopie zugeleitet worden, so dass dieser sich in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht dazu äußern konnte. Der Antrag war aber auch nach der Ergänzung nicht ausreichend. Er stammte jetzt von der Beteiligten zu 2 als der zuständigen Behörde. Diese hatte Angaben zur Erforderlichkeit der Freiheitsentziehung gemacht. Ihre Angabe, die "Abschiebung" sei für den 10. Mai 2011 terminiert, genügt indessen den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4, 5 FamFG weiterhin nicht. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Ergänzung eines bislang unzulässigen Antrags nur dann zur Zulässigkeit des Antrags führt, wenn die Ergänzung auch den zwischenzeitlichen Veränderungen des Sachverhalts Rechnung trägt. Denn der ergänzte Antrag bildet die Grundlage für die Anordnung der Fortdauer der Haft und muss nach § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG deren weiter bestehende Erforderlichkeit, Durchführbarkeit und Verhältnismäßigkeit darlegen. Dem genügt die Ergänzung der Beteiligten zu 2 nicht. Die Angabe zur Terminierung der Abschiebung lässt nicht erkennen, was die Kontakte mit den italienischen Behörden ergeben haben. Sie gibt auch keinerlei Aufschluss darüber, ob sich die Beteiligte zu 2 mit dem gebotenen Nachdruck um eine zügige Zurückschiebung bemüht hat. Das war aber nunmehr, nach Ablauf von sieben Wochen Zurückschiebungshaft, im Hinblick auf die Fristen nach Art. 20 der VO (EG) Nr. 343/2003 geboten. Der Betroffene und sein Verfahrensbevollmächtigter zweiter Instanz hatten auch nach der Ergänzung des Antrags durch die Beteiligte zu 2 in den entscheidenden Fragen keine ausreichende Grundlage für eine Stellungnahme.
IV.
- 11
- Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2 und § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog und § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO.
Vorinstanzen:
AG Koblenz, Entscheidung vom 07.03.2011 - 30 XIV 3/11 -
LG Koblenz, Entscheidung vom 09.05.2011 - 2 T 207/11 -
(1) Die zuständige Behörde hat anzuordnen, dass Personen, die an Lungenpest oder an von Mensch zu Mensch übertragbarem hämorrhagischem Fieber erkrankt oder dessen verdächtig sind, unverzüglich in einem Krankenhaus oder einer für diese Krankheiten geeigneten Einrichtung abgesondert werden. Bei sonstigen Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann angeordnet werden, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.
(2) Kommt der Betroffene den seine Absonderung betreffenden Anordnungen nicht nach oder ist nach seinem bisherigen Verhalten anzunehmen, dass er solchen Anordnungen nicht ausreichend Folge leisten wird, so ist er zwangsweise durch Unterbringung in einem abgeschlossenen Krankenhaus oder einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses abzusondern. Ansteckungsverdächtige und Ausscheider können auch in einer anderen geeigneten abgeschlossenen Einrichtung abgesondert werden. Das Grundrecht der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) kann insoweit eingeschränkt werden. Buch 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt entsprechend.
(3) Der Abgesonderte hat die Anordnungen des Krankenhauses oder der sonstigen Absonderungseinrichtung zu befolgen und die Maßnahmen zu dulden, die der Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Betriebs der Einrichtung oder der Sicherung des Unterbringungszwecks dienen. Insbesondere dürfen ihm Gegenstände, die unmittelbar oder mittelbar einem Entweichen dienen können, abgenommen und bis zu seiner Entlassung anderweitig verwahrt werden. Für ihn eingehende oder von ihm ausgehende Pakete und schriftliche Mitteilungen können in seinem Beisein geöffnet und zurückgehalten werden, soweit dies zur Sicherung des Unterbringungszwecks erforderlich ist. Die bei der Absonderung erhobenen personenbezogenen Daten sowie die über Pakete und schriftliche Mitteilungen gewonnenen Erkenntnisse dürfen nur für Zwecke dieses Gesetzes verarbeitet werden. Postsendungen von Gerichten, Behörden, gesetzlichen Vertretern, Rechtsanwälten, Notaren oder Seelsorgern dürfen weder geöffnet noch zurückgehalten werden; Postsendungen an solche Stellen oder Personen dürfen nur geöffnet und zurückgehalten werden, soweit dies zum Zwecke der Entseuchung notwendig ist. Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz), der Freiheit der Person (Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz) und das Grundrecht des Brief- und Postgeheimnisses (Artikel 10 Grundgesetz) werden insoweit eingeschränkt.
(4) Der behandelnde Arzt und die zur Pflege bestimmten Personen haben freien Zutritt zu abgesonderten Personen. Dem Seelsorger oder Urkundspersonen muss, anderen Personen kann der behandelnde Arzt den Zutritt unter Auferlegung der erforderlichen Verhaltensmaßregeln gestatten.
(5) Die Träger der Einrichtungen haben dafür zu sorgen, dass das eingesetzte Personal sowie die weiteren gefährdeten Personen den erforderlichen Impfschutz oder eine spezifische Prophylaxe erhalten.
(6) Die Länder haben dafür Sorge zu tragen, dass die nach Absatz 1 Satz 1 notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel zur Verfügung stehen.
(7) Die zuständigen Gebietskörperschaften haben dafür zu sorgen, dass die nach Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel sowie das erforderliche Personal zur Durchführung von Absonderungsmaßnahmen außerhalb der Wohnung zur Verfügung stehen. Die Räume und Einrichtungen zur Absonderung nach Absatz 2 sind nötigenfalls von den Ländern zu schaffen und zu unterhalten.
(1) Namentlich ist bei folgenden Krankheitserregern, soweit nicht anders bestimmt, der direkte oder indirekte Nachweis zu melden, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen:
- 1.
Adenoviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis im Konjunktivalabstrich - 2.
Bacillus anthracis - 3.
Bordetella pertussis, Bordetella parapertussis - 3a.
humanpathogene Bornaviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis - 4.
Borrelia recurrentis - 5.
Brucella sp. - 6.
Campylobacter sp., darmpathogen - 6a.
Candida auris; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut oder anderen normalerweise sterilen Substraten - 6b.
Chikungunya-Virus - 7.
Chlamydia psittaci - 8.
Clostridium botulinum oder Toxinnachweis - 9.
Corynebacterium spp., Toxin bildend - 10.
Coxiella burnetii - 10a.
Dengue-Virus - 11.
humanpathogene Cryptosporidium sp. - 12.
Ebolavirus - 13.
- a)
Escherichia coli, enterohämorrhagische Stämme (EHEC) - b)
Escherichia coli, sonstige darmpathogene Stämme
- 14.
Francisella tularensis - 15.
FSME-Virus - 16.
Gelbfiebervirus - 17.
Giardia lamblia - 18.
Haemophilus influenzae; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor oder Blut - 19.
Hantaviren - 20.
Hepatitis-A-Virus - 21.
Hepatitis-B-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise - 22.
Hepatitis-C-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise - 23.
Hepatitis-D-Virus; Meldepflicht für alle Nachweise - 24.
Hepatitis-E-Virus - 25.
Influenzaviren; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis - 26.
Lassavirus - 27.
Legionella sp. - 28.
humanpathogene Leptospira sp. - 29.
Listeria monocytogenes; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Blut, Liquor oder anderen normalerweise sterilen Substraten sowie aus Abstrichen von Neugeborenen - 30.
Marburgvirus - 31.
Masernvirus - 31a.
Middle-East-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (MERS-CoV) - 32.
Mumpsvirus - 33.
Mycobacterium leprae - 34.
Mycobacterium tuberculosis/africanum, Mycobacterium bovis; Meldepflicht für den direkten Erregernachweis sowie nachfolgend für das Ergebnis der Resistenzbestimmung; vorab auch für den Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum - 35.
Neisseria meningitidis; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, hämorrhagischen Hautinfiltraten oder anderen normalerweise sterilen Substraten - 36.
Norovirus - 36a.
Orthopockenviren - 36b.
Plasmodium spp. - 37.
Poliovirus - 38.
Rabiesvirus - 38a.
Respiratorische Synzytial Viren - 39.
Rickettsia prowazekii - 40.
Rotavirus - 41.
Rubellavirus - 42.
Salmonella Paratyphi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise - 43.
Salmonella Typhi; Meldepflicht für alle direkten Nachweise - 44.
Salmonella, sonstige - 44a.
Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus (SARS-CoV) und Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2
(SARS-CoV-2)- 45.
Shigella sp. - 45a.
Streptococcus pneumoniae; Meldepflicht nur für den direkten Nachweis aus Liquor, Blut, Gelenkpunktat oder anderen normalerweise sterilen Substraten - 46.
Trichinella spiralis - 47.
Varizella-Zoster-Virus - 48.
Vibrio spp., humanpathogen; soweit ausschließlich eine Ohrinfektion vorliegt, nur bei Vibrio cholerae - 48a.
West-Nil-Virus - 49.
Yersinia pestis - 50.
Yersinia spp., darmpathogen - 50a.
Zika-Virus und sonstige Arboviren - 51.
andere Erreger hämorrhagischer Fieber - 52.
der direkte Nachweis folgender Krankheitserreger: - a)
Staphylococcus aureus, Methicillin-resistente Stämme; Meldepflicht nur für den Nachweis aus Blut oder Liquor - b)
Enterobacterales bei Nachweis einer Carbapenemase-Determinante oder mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Carbapenemen außer bei natürlicher Resistenz; Meldepflicht nur bei Infektion oder Kolonisation - c)
Acinetobacter spp. bei Nachweis einer Carbapenemase-Determinante oder mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber Carbapenemen außer bei natürlicher Resistenz; Meldepflicht nur bei Infektion oder Kolonisation.
(2) Namentlich sind in Bezug auf Infektionen und Kolonisationen Nachweise von in dieser Vorschrift nicht genannten Krankheitserregern zu melden, wenn unter Berücksichtigung der Art der Krankheitserreger und der Häufigkeit ihres Nachweises Hinweise auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit bestehen. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 2, 3 oder Absatz 4, § 9 Absatz 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen.
(3) Nichtnamentlich ist bei folgenden Krankheitserregern der direkte oder indirekte Nachweis zu melden:
- 1.
Treponema pallidum - 2.
HIV - 3.
Echinococcus sp. - 4.
Toxoplasma gondii; Meldepflicht nur bei konnatalen Infektionen - 5.
Neisseria gonorrhoeae, - 6.
Chlamydia trachomatis, sofern es sich um einen der Serotypen L1 bis L3 handelt.
(4) Bei Untersuchungen zum direkten Nachweis des Severe-Acute-Respiratory-Syndrome-Coronavirus-2 (SARS-CoV-2) mittels Nukleinsäureamplifikationstechnik ist das Untersuchungsergebnis nichtnamentlich zu melden. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Absatz 1 Nummer 2, 3 oder Absatz 4, § 10 Absatz 3 zu erfolgen.
Im Sinne dieses Gesetzes ist
- 1.
Krankheitserreger ein vermehrungsfähiges Agens (Virus, Bakterium, Pilz, Parasit) oder ein sonstiges biologisches transmissibles Agens, das bei Menschen eine Infektion oder übertragbare Krankheit verursachen kann, - 2.
Infektion die Aufnahme eines Krankheitserregers und seine nachfolgende Entwicklung oder Vermehrung im menschlichen Organismus, - 3.
übertragbare Krankheit eine durch Krankheitserreger oder deren toxische Produkte, die unmittelbar oder mittelbar auf den Menschen übertragen werden, verursachte Krankheit, - 3a.
bedrohliche übertragbare Krankheit eine übertragbare Krankheit, die auf Grund klinisch schwerer Verlaufsformen oder ihrer Ausbreitungsweise eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit verursachen kann, - 4.
Kranker eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist, - 5.
Krankheitsverdächtiger eine Person, bei der Symptome bestehen, welche das Vorliegen einer bestimmten übertragbaren Krankheit vermuten lassen, - 6.
Ausscheider eine Person, die Krankheitserreger ausscheidet und dadurch eine Ansteckungsquelle für die Allgemeinheit sein kann, ohne krank oder krankheitsverdächtig zu sein, - 7.
Ansteckungsverdächtiger eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein, - 8.
nosokomiale Infektion eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer stationären oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits vorher bestand, - 9.
Schutzimpfung die Gabe eines Impfstoffes mit dem Ziel, vor einer übertragbaren Krankheit zu schützen, - 10.
andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe die Gabe von Antikörpern (passive Immunprophylaxe) oder die Gabe von Medikamenten (Chemoprophylaxe) zum Schutz vor Weiterverbreitung bestimmter übertragbarer Krankheiten, - 11.
Impfschaden die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung; ein Impfschaden liegt auch vor, wenn mit vermehrungsfähigen Erregern geimpft wurde und eine andere als die geimpfte Person geschädigt wurde, - 12.
Gesundheitsschädling ein Tier, durch das Krankheitserreger auf Menschen übertragen werden können, - 13.
Sentinel-Erhebung eine epidemiologische Methode zur stichprobenartigen Erfassung der Verbreitung bestimmter übertragbarer Krankheiten und der Immunität gegen bestimmte übertragbare Krankheiten in ausgewählten Bevölkerungsgruppen, - 14.
Gesundheitsamt die nach Landesrecht für die Durchführung dieses Gesetzes bestimmte und mit einem Amtsarzt besetzte Behörde, - 15.
Einrichtung oder Unternehmen eine juristische Person, eine Personengesellschaft oder eine natürliche Person, in deren unmittelbarem Verantwortungsbereich natürliche Personen behandelt, betreut, gepflegt oder untergebracht werden, - 15a.
Leitung der Einrichtung - a)
die natürliche Person oder die natürlichen Personen, die im Verantwortungsbereich einer Einrichtung durch diese mit den Aufgaben nach diesem Gesetz betraut ist oder sind, - b)
sofern eine Aufgabenübertragung nach Buchstabe a nicht erfolgt ist, die natürliche Person oder die natürlichen Personen, die für die Geschäftsführung zuständig ist oder sind, oder - c)
sofern die Einrichtung von einer einzelnen natürlichen Person betrieben wird, diese selbst,
- 15b.
Leitung des Unternehmens - a)
die natürliche Person oder die natürlichen Personen, die im Verantwortungsbereich eines Unternehmens durch dieses mit den Aufgaben nach diesem Gesetz betraut ist oder sind, - b)
sofern eine Aufgabenübertragung nach Buchstabe a nicht erfolgt ist, die natürliche Person oder die natürlichen Personen, die für die Geschäftsführung zuständig ist oder sind, oder - c)
sofern das Unternehmen von einer einzelnen natürlichen Person betrieben wird, diese selbst,
- 16.
personenbezogene Angabe Name und Vorname, Geschlecht, Geburtsdatum, Anschrift der Hauptwohnung oder des gewöhnlichen Aufenthaltsortes und, falls abweichend, Anschrift des derzeitigen Aufenthaltsortes der betroffenen Person sowie, soweit vorliegend, Telefonnummer und E-Mail-Adresse, - 17.
Risikogebiet ein Gebiet außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, für das vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit einer bestimmten bedrohlichen übertragbaren Krankheit festgestellt wurde; die Einstufung als Risikogebiet erfolgt erst mit Ablauf des ersten Tages nach Veröffentlichung der Feststellung durch das Robert Koch-Institut im Internet unter der Adresse https://www.rki.de/risikogebiete.
(1) Das Gericht hat den Betroffenen vor der Anordnung der Freiheitsentziehung persönlich anzuhören. Erscheint er zu dem Anhörungstermin nicht, kann abweichend von § 33 Abs. 3 seine sofortige Vorführung angeordnet werden. Das Gericht entscheidet hierüber durch nicht anfechtbaren Beschluss.
(2) Die persönliche Anhörung des Betroffenen kann unterbleiben, wenn nach ärztlichem Gutachten hiervon erhebliche Nachteile für seine Gesundheit zu besorgen sind oder wenn er an einer übertragbaren Krankheit im Sinne des Infektionsschutzgesetzes leidet.
(3) Das Gericht hat die sonstigen Beteiligten anzuhören. Die Anhörung kann unterbleiben, wenn sie nicht ohne erhebliche Verzögerung oder nicht ohne unverhältnismäßige Kosten möglich ist.
(4) Die Freiheitsentziehung in einem abgeschlossenen Teil eines Krankenhauses darf nur nach Anhörung eines ärztlichen Sachverständigen angeordnet werden. Die Verwaltungsbehörde, die den Antrag auf Freiheitsentziehung gestellt hat, soll ihrem Antrag ein ärztliches Gutachten beifügen.
(1) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird mit Rechtskraft wirksam.
(2) Das Gericht kann die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses anordnen. In diesem Fall wird er wirksam, wenn der Beschluss und die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit
- 1.
dem Betroffenen, der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem Verfahrenspfleger bekannt gegeben werden oder - 2.
der Geschäftsstelle des Gerichts zum Zweck der Bekanntgabe übergeben werden.
(3) Der Beschluss, durch den eine Freiheitsentziehung angeordnet wird, wird von der zuständigen Verwaltungsbehörde vollzogen.
(4) Wird Zurückweisungshaft (§ 15 des Aufenthaltsgesetzes) oder Abschiebungshaft (§ 62 des Aufenthaltsgesetzes) im Wege der Amtshilfe in Justizvollzugsanstalten vollzogen, gelten die §§ 171, 173 bis 175 und 178 Abs. 3 des Strafvollzugsgesetzes entsprechend, soweit in § 62a des Aufenthaltsgesetzes für die Abschiebungshaft nichts Abweichendes bestimmt ist.