Landgericht Arnsberg Urteil, 09. Juli 2014 - 2 Ks-412 Js 457/13-13/14
Gericht
Tenor
Die Angeklagte wird wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.
Sie trägt die Kosten des Verfahrens.
1
Gründe
2I.
3Die Angeklagte C. O. wurde am 00.00.1992 als jüngstes von vier Kindern in X. geboren. Ihr Vater N. O. ist Straßenbauer, ihre Mutter I. O. arbeitete damals in der Gastronomie.
4Die Angeklagte wuchs unter äußerst schwierigen Bedingungen auf. Ihre Mutter hatte bereits vor der Schwangerschaft eine schwere Alkoholabhängigkeit entwickelt. Während der Schwangerschaft mit der Angeklagten trank sie täglich bis zu drei Flaschen Weinbrand zu je 0,7 l. Es ist davon auszugehen, dass die Angeklagte aufgrund der erheblichen Trinkmengen im Mutterleib eine hirnorganische Schädigung im Sinne eines Fetalen Alkohol-Syndroms (FAS) erlitt.
5Der Vater der Angeklagten war damals ebenfalls alkoholabhängig.
6Einen Kindergarten hat die Angeklagte nicht besucht; sie ist jedoch im Alter von sechs Jahren regulär eingeschult worden. Die schulischen Leistungen entwickelten sich mittelmäßig bis schlecht. Sie bekam Probleme mit ihren Mitschülern. Die Angeklagte litt unter der mangelnden Fürsorge ihrer Eltern. Als sie sieben oder acht Jahre alt war, verbüßte ihr Vater etwa zwei Jahre Haft. In dieser Zeit zerbrach die Beziehung ihrer Eltern. Die Angeklagte und ihre etwa zwei Jahre ältere Schwester U. waren in dieser Zeit auf sich allein gestellt, da die ständig alkoholisierte Mutter nicht mehr für sie sorgte. Teilweise wurden sie von hilfsbereiten Nachbarn verpflegt. Die Angeklagte bediente sich an den Alkoholvorräten ihrer Eltern. Als sie ungefähr zehn Jahre alt war, lernte der Vater eine neue Partnerin kennen. Nach der Trennung ihrer Eltern lebte die Angeklagte noch für etwa ein Jahr im Haushalt ihrer Mutter, während ihre Schwester U. zum Vater zog. Die beiden älteren Geschwister B. und P. lebten damals bereits nicht mehr bei den Eltern. Nachdem sich die Mutter überhaupt nicht mehr um sie kümmerte, zog die Angeklagte, die nunmehr die Hauptschule besuchte, schließlich ebenfalls zum Vater. Dort kam es ebenfalls zu Problemen, weil die neue Lebensgefährtin des Vaters dessen Kinder nicht akzeptierte. Die Angeklagte und ihre Schwester bekamen oft Hausarrest und fühlten sich drangsaliert. Dieser Umstand bewog U. O., sich über das Jugendamt in eine Pflegefamilie vermitteln zu lassen, was die damals 13-jährige Angeklagte für sich noch ablehnte. Etwa ein Jahr später ging die neue Beziehung des Vaters ebenfalls auseinander und die Angeklagte lebte mit ihrem Vater allein. Das Verhältnis entwickelte sich jedoch schwierig, weil der Vater Halt im Alkohol suchte und infolgedessen seine Arbeitsstelle verlor. Es kam zu persönlichen Konflikten und wohl auch gewalttätigen Übergriffen. Der Vater beschränkte die Freiheit der Angeklagten massiv.
7Die Angeklagte wollte unter diesen Bedingungen nicht mehr mit ihrem Vater zusammenleben und wandte sich schließlich im Alter von 15 Jahren an die Schulsozialarbeiterin. Als Grund gab sie unter anderem wahrheitswidrig vor, sie sei von ihrem Vater sexuell missbraucht worden. Das Jugendamt vermittelte die Angeklagte in die Pflegefamilie V. Die Eingewöhnung in der Pflegefamilie fiel der Angeklagten schwer, weil sie lernen musste, sich einzufügen und an Regeln zu halten. Gleichwohl fühlte sie sich gut aufgehoben und erfuhr erstmals ein Interesse an ihrer Person. Als die Angeklagte 16 Jahre alt war, zog die Familie V. nach X1.-C1. in der Nähe von T. Die Angeklagte, welche die Wahl hatte, mit der Familie umzuziehen oder sich in eine andere Familie vermitteln zu lassen, blieb bei Familie V.
8Die Angeklagte zeigte Schwierigkeiten bei der Beziehungsgestaltung, Eigenverantwortung und Selbstständigkeit. Es fiel ihr schwer, eine Tagesstruktur einzuhalten. Sie suchte nach Beziehungen, in denen sie Anerkennung und Nähe erfuhr, die sie in ihrer Herkunftsfamilie nicht erlebt hatte. Sie neigte aus Verlustangst dazu, gegenüber Bezugspersonen zu „klammern“. Gleichzeitig war sie aufgrund eines noch nicht ausgeprägten Selbstbildes leicht durch andere beeinflussbar, da sie nicht zu einer kritischen Auseinandersetzung in der Lage war. Bis zum 17. Lebensjahr nässte die Angeklagte nachts ein, gelegentlich in Belastungssituationen auch tagsüber.
9Die Pflegefamilie stellte die Angeklagte Anfang 2009 erstmals in der kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis Dr. E. in T. vor, um einerseits die aufgetretenen Probleme anzugehen, andererseits eine therapeutische Aufarbeitung der problematische Vergangenheit (insbesondere Alkoholismus der Mutter, gewalttätige und vermeintlich sexuelle Übergriffe des Vaters) zu ermöglichen. Nach einer Untersuchung durch die Psychiaterin Dr. N1. bekam die Angeklagte eine Gesprächstherapie bei der Sachverständigen Zeugin L., die diese bis zum Erreichen des 21. Lebensjahres zweiwöchentlich fortführte. Zu Beginn der Behandlung erschien die damals 17jährige Angeklagte der Zeugin L. von der Reife und Persönlichkeitsentwicklung wie eine 14jährige. Diagnostiziert wurde auf der Grundlage der Angaben der Angeklagten eine posttraumatische Belastungsstörung nach sexuellem Missbrauch durch den Vater im Alter von 12 Jahren. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung wurde von der LWL-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in J., in welcher die Angeklagte vom 09.07.-30.09.2009 stationär behandelt wurde, und der Vestischen Kinder- und Jugendklinik E1., in der sie im Rahmen des Aufenthalts mit einer ausgeprägten traumaassoziierten Symptomatik und depressiven Verstimmungszuständen, Abgestumpftheit, Ängsten, und Einnässen vorgestellt worden war, bestätigt. Weil die dargestellten Schwierigkeiten in Alltagssituationen fortdauerten, erfolgte vom 25.11.2009 bis zum 24.02.2010 ein weiterer Aufenthalt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in J.
10In der Pflegefamilie gelang es der Angeklagten, Absprachen etwa hinsichtlich der häuslichen Aufgaben gut zu erledigen, weil ihr die soziale Kontrolle innerhalb des Familienverbundes bewusst war. Außerhalb eines engen kontrollierenden Rahmens zeigte sie sich häufig unzuverlässig. Schwierigkeiten hatte sie damit, Grenzen zu akzeptieren und verabredete Zeiten einzuhalten. Gegenüber den anderen Familienmitgliedern verhielt sie sich ambivalent. Mal trat sie warmherzig, liebevoll und feinsinnig auf, ein anderes Mal völlig respektlos. Die Angeklagte neigte dazu, unterschiedlichen Personen verschiedene Dinge zu erzählen, um sich dadurch Aufmerksamkeit oder eigene Vorteile zu verschaffen. Mehrfach erzählte sie unwahre Geschichten. Wenn sie darauf angesprochen wurde, räumte sie es nur ein, wenn sie keinen anderen Ausweg mehr sah. Der Familie V. war bekannt, dass die leibliche Mutter der Angeklagten ein massives Alkoholproblem hatte. Besonderes Augenmerk galt deswegen dem Alkoholgenuss der Angeklagten, weil die Familie V. sie selbst für stark gefährdet hielt.
11Die Angeklagte besuchte nach dem Umzug nach C1. die Hauptschule in X1. Ihre Leistungen dort lagen im durchschnittlichen Bereich. Nach dem Hauptschulabschluss absolvierte sie ein Berufsorientierungsjahr auf einem Berufskolleg, holte den Realschulabschluss nach und begann eine Fachoberschulausbildung zur Hauswirtschafterin.
12Im Alter von 19 Jahren bezog die Angeklagte gegen den Rat ihrer Pflegeeltern, die ein betreutes Wohnen befürworteten, ihre eigene Wohnung im T.er Norden. Ihren Lebensunterhalt finanzierte sie durch die Hilfe zum Lebensunterhalt und Kindergeld. Die Angeklagte nutzte die sich ihr bietende Freiheit. Sie begann wieder, Alkohol zu trinken, auch in größeren Mengen. Gelegentlich konsumierte sie Cannabis. Sie ging abends häufiger aus und traf sich mit ihren Freundinnen.
13Anfang des Jahres 2011 hatte die Angeklagte den Zeugen D. M. kennengelernt, mit dem sie bis zum Sommer 2012 eine feste Beziehung führte, unterbrochen von einer kurzen Trennung im November 2011. Kurz zuvor hatte der Zeuge M. ein Studium in N2. begonnen. Grund für die vorübergehende Trennung war, dass die Angeklagte, nachdem sie gemeinsam mit dem Zeugen M. ausgegangen war, im alkoholisierten Zustand mit einem anderen Mann nach Hause gefahren und mit diesem die Nacht verbracht hatte. Sie versuchte dies dem Zeugen M. wahrheitswidrig damit zu erklären, sie sei zum Geschlechtsverkehr genötigt worden. Weil sie sich erhoffte, den Zeugen M. wieder zurückzugewinnen, erzählte sie ihm bewusst wahrheitswidrig, ihre Mutter sei plötzlich verstorben; später redete sie sich damit heraus, ihr Vater habe sie über den Tod der Mutter getäuscht.
14Im zeitlichen Zusammenhang mit der Trennung wurde die Angeklagte vom 03.11.2011 bis zum 15.12.2011 in der LWL-Klinik M1.-C2. (Allgemeinpsychiatrie) wegen einer mittelgradigen depressiven Episode behandelt. Ein weiterer stationärer Aufenthalt dort fand vom 01.02.2012 bis zum 14.03.2012 auf freiwilliger Basis statt. Diagnostiziert wurde eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, nach Hinweisen auf Streitigkeiten mit dem Freund. Im Zentrum der therapeutischen Bearbeitung stand der Umgang mit stressgeladenen Situationen. Bei der Entlassung erhielt die Angeklagte neben der wegen einer leichten Schilddrüsenunterfunktion erfolgenden Medikation mit L-Thyroxin das Antidepressivum Venlafaxin (75 mg) und das mittelpotente Neuroleptikum Melperon (75 mg). Auf Anregung der Klinik wurde im März 2012 für die Angeklagte begleitend eine Betreuung eingerichtet und der Zeuge T1. zum Betreuer bestellt. Der Schwerpunkt lag neben der Gesundheitsfürsorge und Unterstützung bei Behördenangelegenheiten auf der Vermögensfürsorge, weil die Angeklagte nicht in der Lage war, mit dem ihr monatlich zur Verfügung stehenden Geld angemessen zu wirtschaften. Der Zeuge T1. teilte ihr deswegen anfangs wöchentlich, zuletzt alle zwei Wochen einen bestimmten Geldbetrag zu.
15Im Frühjahr 2012 brach die Angeklagte ihre Ausbildung ab, nachdem sie ihre Berichtshefte schon über einen längeren Zeitraum nicht mehr geführt hatte. Sie sah sich nicht im Stande, ihre Versäumnisse nachzuarbeiten, die sie mit ihrem mehrwöchigen Aufenthalt in der LWL-Klinik erklärte, wollte aber andererseits die Ausbildung nicht noch einmal ganz von vorne beginnen.
16Bei einem Kneipenbesuch ungefähr Mitte 2012 knüpfte sie Kontakt zu dem Zeugen K. I1. Es stellte sich heraus, dass dieser im Haus gegenüber wohnte. Zwischen ihnen entwickelte sich eine Freundschaft, die im Wesentlichen durch gelegentliche Sexualkontakte geprägt war.
17Im August 2012 trennte sich der Zeuge M. endgültig von der Angeklagten, da er sich von dieser zu stark eingeengt fühlte. Zu dieser Zeit erwartete die Angeklagte ein Kind von ihm. Gemeinsam entschieden sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch, den die Angeklagte am 20. September 2012 durchführen ließ.
18Die Angeklagte wurde bald darauf erneut – diesmal mit der getöteten G. – schwanger. Es ist ungewiss, wer der Vater von G. ist. Die Angeklagte entschied sich, das Kind auszutragen und freute sich auf ihre neue Rolle als Mutter. Zwischenzeitlich lebte sie einige Wochen mit einem anderen Mann, einem gewissen C3. H., zusammen, den sie in dem Glauben ließ, sie erwarte das Kind von ihm. Nachdem diese Beziehung im Januar 2013 beendet war, kam sie vorübergehend bei den Großeltern der Zeugin N3. E2. unter, bevor sie in ihre Wohnung zurückkehrte, die sie zu dieser Zeit aus Kostengründen mit einer Mitbewohnerin teilte, mit der sie nicht zurechtkam. Insofern kam es der Angeklagten gelegen, dass sie das Untermietverhältnis aufgrund der erneuten Schwangerschaft wegen Eigenbedarfs beenden konnte.
19Im Februar 2013 endete die Psychotherapie bei der Zeugin L., weil die Angeklagte das 21. Lebensjahr erreicht hatte. Eine weitere Therapie war nach den Maßstäben für erwachsene Patienten nicht mehr indiziert. Die Angeklagte wirkte stabiler, selbstständiger, reifer und eher altersangemessen.
20Die Angeklagte rauchte gelegentlich Cannabis. Anlässlich der M1.er Herbstwoche Anfang Oktober 2013 zog sie erstmals eine Nase Amphetamine. Ungefähr Mitte Oktober 2013 konsumierte sie erstmals Ecstasy. Eine Abhängigkeit bestand nicht.
21Die Angeklagte ist nicht vorbestraft.
22Die Angeklagte befindet sich in dieser Sache seit dem 19.11.2013 in Untersuchungshaft in der JVA H2., zunächst aufgrund des Haftbefehls des AG Soest vom 19.11.2013, Aktenzeichen, 10 Gs 349/13, seit dem 09.07.2014 aufgrund des durch die Kammer nach Maßgabe dieses Urteils neu gefassten Haftbefehls der Kammer.
23II.
241.
25Nachdem die Angeklagte von der erneuten Schwangerschaft erfahren hatte, suchte sie Hilfe beim Jugendamt in T. Sie bekam ab März 2013 Unterstützung bei den erforderlichen Behördengängen, der Einrichtung des Kinderzimmers und der Geburtsvorbereitung durch eine ambulante Familienhilfe im Umfang von zunächst vier Wochenstunden. Ihre Wohnung hielt die Angeklagte in einem akzeptablen Zustand. Im Rahmen der Unterstützung durch das Jugendamt hielt sie sich zunächst an die getroffenen Absprachen, wenngleich es ihr schwerfiel, die Kritik an der Haushaltsführung anzunehmen.
26Die Schwangerschaft verlief bis auf kurze stationäre Aufenthalte wegen Harnwegsbeschwerden problemlos. Am 21.07.2013 kam G. O. per Kaiserschnitt mit einem Geburtsgewicht von 3.045 g bei einer Körpergröße von 49 cm zur Welt. Anhaltspunkte für Fehlbildungen oder eine Erkrankung des Neugeborenen gab es nicht. Die Angeklagte und ihre Tochter wurden nach einem fünftägigen Krankenhausaufenthalt nach Hause entlassen. Bereits im Krankenhaus hatte die Angeklagte abgestillt. Sie sah sich wegen der wunden Brustwarzen nicht in der Lage, das Kind zu stillen und wollte es mit Fertignahrung aufziehen.
27Das Jugendamt der Stadt T. gewährte ihr eine weitere Betreuung durch eine ambulante Familienhilfe, die durch die Zeugin T2. vom Sozialwerk T3. wahrgenommen wurde. Der Umfang der Fachleistungsstunden wurde im Laufe der Betreuung angepasst. Zusätzlich bekam die Angeklagte Unterstützung durch die Zeugin C4., einer gelernten Kinderkrankenschwester, die anstelle der eigentlich vorgesehenen Nachsorgehebamme eingesprungen war, um die Angeklagte in der Säuglingspflege anzuleiten. Die Betreuung durch die Zeugin T2. erfolgte regelmäßig mittwochs und freitags. Die Hausbesuche bei der Angeklagten nahmen jeweils etwa 1 ½ Stunden in Anspruch, die restliche Zeit benötigte die Zeugin T2. für die Vor- und Nachbereitung der Termine.
28Die Angeklagte zeigte sich zunächst als fürsorgliche und um das Wohl ihres Kindes besorgte Mutter. Sie zeigte sich gegenüber der Zeugin C4. interessiert und aufgeschlossen und stellte viele Fragen zur Versorgung des Kindes. Auch ihre Bekannten und Verwandten hatten zunächst den Eindruck, die Angeklagte neige eher dazu, das Kind überzubehüten.
29Ungefähr zwei Wochen nach der Geburt reiste die Angeklagte mit G. zu ihrer Schwester U. nach F. Anlass war, dass die Angeklagte zwecks Ausstellung der Geburtsurkunde für G. einen Auszug aus dem Geburtenregister des Standesamtes in X. über ihre eigene Geburt benötigte. Die Angeklagte, die zunächst einen Aufenthalt von einer Woche plante, informierte weder ihren Betreuer T1. noch die Zeugin T2. oder die zuständige Mitarbeiterin des Jugendamtes, die Zeugin T4.
30Da es ihr bei ihrer Schwester, die ebenfalls ein kleines Kind hat, gut gefiel und sie sich familiär gut aufgehoben fühlte, beschloss sie, ihren Aufenthalt zu verlängern. Unter anderem verbrachte sie mit G. ein paar Tage bei ihrem Vater N. O. Nachdem sie ihrem Betreuer mitgeteilt habe, sie brauche Geld für die Rückreise, wurde ihr ein Betrag über das Konto ihrer Schwester zur Verfügung gestellt. U. O. und deren Lebensgefährte brachten die Angeklagte und G. mit dem Auto zurück nach T.
31Da durch die dreiwöchige Abwesenheit einige Dinge unerledigt geblieben waren, wurde für den Monat September ein Hilfebedarf von sechs statt vier Stunden wöchentlich für die Betreuerin T2. bewilligt. Am 19.09.2013 fand der letzte von insgesamt neun Hausbesuchen der Zeugin C4. statt.
32G. entwickelte sich in den folgenden Wochen altersgemäß. Bei der Vorsorgeuntersuchung U3 am 12.09.2013 wog G. 4.780 g bei einer Körpergröße von 53,5 cm, bei der U4 am 14.10.2013 5.500 g bei 56 cm. Bei beiden Untersuchungen zeigten sich keine Anhaltspunkte für Erkrankungen oder Fehlentwicklungen des Kindes.
33Kurz nach der U3-Vorsorge telefonierte die Angeklagte abends mit ihrer Schwester U., der das Telefonat aufgrund ihrer familiären Verrichtungen etwas ungelegen war. U. O. wies die Angeklagte darauf hin, dass sie gerade nicht viel Zeit habe. Die Angeklagte fühlte sich hierdurch schroff zurückgewiesen, was von U. O. weder beabsichtigt war, noch von ihr bemerkt wurde. Die Angeklagte begann deswegen, um die Aufmerksamkeit ihrer Schwester zu erhalten, am Telefon zu weinen und erklärte, der Kinderarzt habe bei G. einen Gehirntumor diagnostiziert, aufgrund dessen G. nur noch wenige Monate zu leben habe.
34Am 16.10.2013 gingen die Zeuginnen C4. und T2. als Abschluss der Betreuung durch die Kinderkrankenschwester mit der Angeklagten essen. Die Angeklagte verhielt sich der ebenfalls anwesenden G. gegenüber wie gewohnt; keiner der Zeuginnen fielen Veränderungen im Umgang mit dem Kind auf. Anschließend brachte die Zeugin C4. sie wieder zurück in ihre Wohnung.
352.
36Die Angeklagte wollte auch nach der Geburt ihrer Tochter ihren Lebenswandel, insbesondere das regelmäßige abendliche Ausgehen, nicht aufgeben, obwohl sie – auch in Gesprächen mit ihren Freundinnen F1. C5. und W. X2. – merkte, dass sich dieser mit ihren Pflichten als Mutter eigentlich nicht vereinbaren ließ. Gleichwohl traf sie sich abends weiter mit Freunden und Bekannten, denen gegenüber sie erklärte, G. sei in der Obhut eines Babysitters, etwa ihrer Freundin B1. U1., deren Mutter, oder bei ihren Pflegeeltern. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Angeklagte G. abends häufig alleine in der Wohnung zurückließ, nachdem diese eingeschlafen war.
37Am 31.08.2013 erklärte sich die zu diesem Zeitpunkt hochschwangere Zeugin F1. C5. anlässlich eines Besuchs der Angeklagten bei ihr bereit, auf G. aufzupassen, weil die Angeklagte noch in der Stadt ausgehen wollte. Die beiden verabredeten, dass sich die Zeugin C5. melden solle, falls etwas sei; die Angeklagte wollte dann ein Taxi nehmen und zurückkehren. Nachdem es der Zeugin C5. eine Stunde lang nicht gelungen war, die schreiende G. zu beruhigen, rief sie die Angeklagte an, die sie beschwichtigte, sie solle es noch eine halbe Stunde versuchen. Später teilte sie mit, sie werde um 22:30 Uhr gebracht. Nachdem die Angeklagte nun nicht mehr für die Zeugin C5. erreichbar war, erfuhr diese von gemeinsamen Bekannten, dass sich die Angeklagte vor einer T.er Kneipe aufhalte. Als die Angeklagte um 2 Uhr endlich in der Wohnung der Zeugin erschien, war G. soeben vor Müdigkeit eingeschlafen. Die Zeugin war so sauer, dass sie die Angeklagte nebst Kind nach Hause schickte, obwohl eine gemeinsame Übernachtung geplant war. Aufgrund dieser Erfahrung war sie nie wieder bereit, auf G. aufzupassen.
38Die Angeklagte hielt sich gelegentlich in der Kneipe Q. auf, wo sie zufällig auf ihre Bekannte N3. E2. traf. Bei einer dieser Begegnungen kamen die beiden miteinander ins Gespräch und verabredeten sich, am 19. Oktober 2013 gemeinsam dort auszugehen.
39Am Freitag, dem 18.10.2013, fuhr die Angeklagte abends für einige Stunden mit ihren Freundinnen von T. nach O1. in den Club D1., wo sie nach ihren Angaben erstmals Ecstasy konsumierte. Die Angeklagte erlebte hierdurch einen Zustand „künstlichen Glücks“, empfand sich als frei und das Leben als unbeschwert. Diesen hielt sie fortan für sehr erstrebenswert. Zudem lernte die Angeklagte den Zeugen U2. H1. kennen, der sie interessierte. Dieser sagte ihr, sie würde ihn zum weiteren Kontakt bei facebook unter dem Benutzername „V1.“ finden.
40Die Zeugin N3. E2. hatte die Verabredung mit der Angeklagten für den 19.10.2014 abgesagt, weil sie sich müde fühlte. Gegen Mitternacht entschloss sie sich jedoch spontan, doch noch auszugehen, und rief die Angeklagte an. Diese erschien kurz darauf im Q. Der Zeugin E2. teilte sie mit, sie habe kurzfristig doch wieder einen Babysitter gefunden. Nachdem die Angeklagte von der Toilette zurückkehrte, fiel der Zeugin E2. auf, dass sie wie verändert war. Die Angeklagte sagte, sie habe „etwas genommen“. Als die Zeugin E2. zwischen 2 und 3 Uhr nach Hause ging, blieb die Angeklagte noch in der Kneipe zurück, um weiter zu feiern.
41Die Angeklagte besuchte nunmehr fast täglich die Zeugin W. X2. in deren Wohnung. Ihr Kind hatte sie nur selten dabei.
423.
43Die Angeklagte fühlte sich als alleinerziehende Mutter trotz der ihr zuteilwerdenden Hilfe oftmals überfordert. Dies war ihr insbesondere während des Aufenthalts bei ihrer Schwester U. bewusst geworden, die Rückhalt und Hilfe von ihrem Lebensgefährten bekam. Die Angeklagte war jedoch nicht in der Lage, ihre Überforderung einzugestehen. Vielmehr versuchte sie, nach außen ein täuschendes Bild einer perfekten alleinerziehenden Mutter zu vermitteln. Hierauf legte sie großen Wert. Sie wollte beweisen, dass sie Herausforderungen trotzdem schaffen konnte, auch wenn sie eigentlich schon gescheitert war. Aus diesem Grund hatte die Angeklagte die von ihren Pflegeeltern angeratene Unterbringung in einer Mutter-Kind-Wohneinrichtung abgelehnt. Sie war der Ansicht, sie sei mit den dort lebenden Müttern nicht vergleichbar, gehöre dort nicht hin und wollte sich von diesen distanzieren.
44Ungefähr ab Mitte Oktober 2013 begann die Angeklagte, ihre Wohnung massiv zu vernachlässigen. Um den Haushalt kümmerte sie sich überhaupt nicht mehr. Die benutzten Einmalwindeln sammelte sie in „gelben Säcken“ in der Wohnung. Ungefähr in der letzten Dekade des Monats Oktober, spätestens ab dem 24.10.2013, versorgte die Angeklagte G. nicht mehr ausreichend mit Nahrung, ohne allerdings schon den Vorsatz gefasst zu haben, das Kind verhungern oder verdursten zu lassen. In dieser Zeit vermied die Angeklagte jeglichen Kontakt zur Familienhilfe. Für die Zeugin T2. war sie nicht mehr zu erreichen. Die Angeklagte sagte die Termine am 23. und 25.10.2013 jeweils mit der Begründung ab, sie sei erkrankt, und beschwichtigte die Zeugin T2., es sei alles vorhanden und dem Kind gehe es gut. Da die Zeugin T2. nicht angehalten war, die Angaben der Angeklagten, die sich als durchaus zuverlässig erwiesen hatte, zu kontrollieren, akzeptierte sie die Entschuldigung. Am 25.10.2013 schickte die Angeklagte eine sms, worauf die Zeugin T2. antwortete, sie komme dann am Mittwoch, dem 30.10.2013, vorbei. An diesem Tag traf die Zeugin die Angeklagte jedoch nicht in der Wohnung an. Weil sie die Angeklagte nicht telefonisch erreichte, hinterließ sie ihr eine Nachricht auf der Mailbox. Am 04. und 06.11.2013 fand die Zeugin T2. die Wohnung unverändert vor. Als die Zeugin C4. am 12.11.2013 im Auftrag des Jugendamtes einen „Begrüßungsbesuch“ machen wollte, traf sie niemanden an.
454.
46Zwischen Mitte September und Mitte Oktober 2013 hatte die Angeklagte nach und nach auch ihren Freundinnen F1. C5., W. X2. und N3. E2., ihrem Nachbarn K. I1. sowie ihrer Freundin B1. U1. und deren Mutter von dem vermeintlichen Hirntumor ihres Kindes erzählt, um so Mitleid und Aufmerksamkeit so erhalten. Auf weitere Nachfragen antwortete sie, die Diagnose sei bei einer Untersuchung in der Universitätsklinik O1. bestätigt worden. Die Zeugin C6. U1. wollte die Angeklagte mit dem angeblich in wenigen Wochen bevorstehenden Tod G.s nicht alleine lassen. Sie bot ihr deswegen an, sich schon einmal vorab mit ihr über die anstehende Bestattung zu informieren. Zu diesem Zweck vereinbarte die Zeugin C6. U1. einen Termin im Bestattungsinstitut G1. für den Nachmittag des 29.10.2013. Weil die Angeklagte nicht offenbaren wollte, dass sie sich die Erkrankung ihres Kindes nur ausgedacht hatte und ihr kein anderer Vorwand einfiel, nahm sie das Angebot an. G. blieb während des gut eine Stunde dauernden Termins bei der Zeugin B1. U1. Die Angeklagte und die Zeugin C6. U1. ließen sich von der Zeugin I2. insbesondere über die Möglichkeit einer Seebestattung beraten, für die sich die Angeklagte wegen ihrer Herkunft von der Nordseeküste interessierte.
47Anschließend verabredete sich die Angeklagte mit B1. für den Nachmittag des Sonntags, den 03.11.2013, um gemeinsam den Aufbau der T.er Allerheiligenkirmes anzuschauen. Als die Zeugin die Angeklagte an diesem Tag nicht antraf, dachte sie sich zunächst nichts dabei.
485.
49Die Angeklagte wusste, dass am Abend des Donnerstags, 31.10.2013, im Club D1. in O1. ein Partywochenende („Das lange Wochenende“) beginnen würde, bei dem Gelegenheit bestand, bis Sonntag durchzufeiern. Die Veranstaltungen werden unter anderem im Internet angekündigt. Sie wollte gerne dorthin fahren, um den Zeugen H1. wiederzusehen.
50Die finanziellen Mittel der Angeklagten waren jedoch knapp, da sie zuletzt bereits vor zehn Tagen Geld von ihrem Betreuer erhalten hatte. Sie entschloss sich deswegen am Mittwoch, dem 30.10.2013, den Zeugen T1. spontan aufzusuchen, um die eigentlich erst für den kommenden Montag geplante Geldübergabe vorzuziehen. Gegenüber dem Zeugen, den sie in seinem Büro antraf, gab sie wahrheitswidrig an, sie benötige neben den regulär zugeteilten 250,- Euro weitere 70,- Euro, weil ihr Kühlschrank überraschend ausgefallen sei und sie für diesen Betrag einen gebrauchten von einem Nachbarn kaufen könne. Der Zeuge T1. händigte ihr daraufhin 320,- Euro aus, mit denen sie bis zum 18.11.2013 - dem nächsten regulären Termin - auskommen sollte.
51Am nächsten Tag entdeckte sie auf der Seite des Clubs D1. auf der Internet-Plattform „facebook“ das Profil des Zeugen H1. in der Freundesliste, der unter dem Benutzernahmen „V1.“ registriert ist. Als der Zeuge H1. bemerkt hatte, dass die Angeklagte ihn als Freund hinzugefügt hatte, schrieb er sie um 13:56 Uhr über facebook an. In dem folgenden Chat teilte sie ihm mit, sie sei nach ihrer ersten GOA-Party sanft gelandet und sei einfach nur „geflasht“ und begeistert. So etwas habe sie noch nie erlebt, der absolute Wahnsinn. Sie freue sich sehr auf den heutigen Abend. Im weiteren Verlauf verabredeten die beiden, einander am Abend in der D1. zu treffen.
52Zudem sehnte sich die Angeklagte nach dem von ihr vor ungefähr zehn Tagen erstmals erlebten Zustands „künstlichen Glücks“, in dem sie ihre schwierige Lebensrealität hinter sich lassen und ihre Sorgen und Nöte vorübergehend vergessen konnte. Die Angeklagte dachte daran, dass ihr ein Aufenthalt in der D1. dieses Glücksgefühl ermöglichen werde.
53Ferner besuchte die Angeklagte im Laufe des Nachmittags ihre Freundin B1. U1. für etwa eine Stunde zum Kaffeetrinken. Die Angeklagte gab an, G. sei bei ihren Pflegeeltern. Sie wirkte auf B1. unruhig, aufgedreht und nervös, gab aber auf die Frage ihrer Freundin an, sie habe keine Drogen genommen.
54Gegen Abend schaute die Angeklagte noch kurz bei dem Zeugen I1. vorbei, dem sie erzählte, sie wolle über das Wochenende nach O1. fahren, um dort zu feiern und abzuschalten, während G. bei ihren Pflegeeltern bleiben solle.
55Anschließend kehrte die Angeklagte in ihre Wohnung zurück.
56Um 18:59 Uhr teilte sie dem Zeugen H1. in einem weiteren facebook-Chat mit, sie „hüpfe mal unter die Dusche“ und wisse gar nicht, was sie anziehen solle. Um 19:02 Uhr schrieb ihre Freundin W. X2., sie sei jetzt zu Hause, worauf die Angeklagte fragte, ob sie Bier mitbringen solle. Um 19:30 Uhr fragte die Zeugin X2. die Angeklagte: „Wann kommste?“ Die Angeklagte fütterte und wickelte währenddessen ihre Tochter G. ein letztes Mal und bekleidete den Säugling nur mit einem Babybody. Sie legte G. nicht in deren Kinderbett, sondern ohne eine Decke mittig auf ihr Bett im Schlafzimmer, obwohl in der Wohnung eine Raumtemperatur von lediglich um 16°C herrschte.
57Sodann verließ die Angeklagte ihre Wohnung, ohne jemanden darüber zu informieren, dass sie ihre Tochter alleine zurückgelassen hatte.
58Sie plante, am späten Abend in den Club D1. nach O1. zu fahren. Dort wollte die Angeklagte den Zeugen H1. treffen und sich durch die Einnahme von insbesondere Ecstasy in einen Rauschzustand versetzen. Sie erkannte, dass der von ihr gewünschte Rausch sie in ihrer Handlungsfähigkeit einschränken könnte. Aufgrund ihrer vorherigen Erfahrung wusste sie, dass unter dem Einfluss der Betäubungsmittel ihre Wahrnehmung und ihr Urteilsvermögen eingeschränkt sein würden und ihr alles leicht und unbeschwert vorkommen würde, was sie beabsichtigte. Sie nahm zumindest billigend in Kauf, dass sie möglicherweise nicht rechtzeitig nach T. zurückkehren würde, um sich um ihre Tochter G. zu kümmern. Dabei war ihr bewusst, dass die durch die vorherige mehrtägige Mangelversorgung bereits geschwächte G. eine mehrtägige Abwesenheit ohne anderweitige Versorgung nicht überleben, sondern qualvoll verhungern und verdursten würde. Beim Verlassen der Wohnung waren weder die Einsichts- noch die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten eingeschränkt. Sie war in der Lage, sowohl ihre eigenen Interessen als auch die Gefährdung des Lebens ihrer Tochter zu erkennen und angemessen gegeneinander abzuwägen, insbesondere war diese Fähigkeit nicht krankheitsbedingt beeinträchtigt. Etwaige Bedenken schob sie jedoch zur Seite. Für sie war es - auch um den von ihr als möglich erkannten Preis des Lebens ihres Kindes - wichtiger, den Zeugen H1. zu treffen, mit dem sie sich eine Beziehung erhoffte, und unter Drogeneinfluss unbeschwert möglicherweise tagelang eine Party zu feiern, anstatt ihren Pflichten als Mutter nachzukommen.
59Die Angeklagte begab sich zu Fuß in die ungefähr 20 Gehminuten entfernt liegende Wohnung der Zeugin X2., in der diese mit ihren Freunden „vorglühte“, um anschließend in der T.er Kneipenszene „Halloween“ zu feiern. Dort hielt sie sich etwa eine bis zwei Stunden lang auf. Die Kammer kann nicht ausschließen, dass die Angeklagte ebenfalls eine geringe Menge alkoholischer Getränke zu sich nahm, ohne jedoch in einen ihre Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigenden Rauschzustand zu geraten. Die Angeklagte erzählte der Zeugin X2., sie wolle sich mit „V1.“ treffen, den die Zeugin X2. ebenfalls am 18.10.2013 in der D1. kennengelernt hatte. Die Angeklagte verließ die in der Nähe des T.er Bahnhofs gelegene Wohnung der Zeugin gegen 23:30 Uhr und begab sich direkt zum Bahnhof, wo sie um 23:45 Uhr den Zug nach O1. bestieg.
60Auf der Zugfahrt schloss sie sich anderen Fahrgästen an, die ebenfalls in die D1. wollten, und fuhr mit diesen gemeinsam mit dem Nachtbus in den Club D1., wo sie zwischen 1:00 Uhr und 1:30 Uhr ankam. Bei einem Rundgang um die Tanzfläche fand sie dort den Zeugen H1. Im Laufe des Begrüßungsgesprächs fragte sie, von wem man Partydrogen kaufen könne. Die Angeklagte versorgte sich mit Ecstasy und Amphetaminen in nicht genau feststellbarer Menge, die sie alsbald zu konsumieren begann. Dem Zeugen H1. erzählte die Angeklagte, G. sei über das Wochenende bei ihrer Pflegemutter untergebracht.
61Im weiteren Verlauf der Nacht von Donnerstag auf Freitag, einer Goa-Party, hielt sich die Angeklagte viel in einem „Kreativraum“ auf, in dem bei Schwarzlichtbeleuchtung mit fluoreszierenden Farben gemalt werden konnte. Die Angeklagte nahm alles um sich herum als „so schön bunt“ wahr und war von den leuchtenden Farben fasziniert.
62Das Partywochenende in der D1. untergliederte sich in drei Veranstaltungen am Donnerstag, Freitag und Samstag. Die jeweils am späten Abend gegen 23 Uhr beginnenden, unterschiedlich musikalisch thematisierten Feiern dauerten jeweils bis in den Nachmittag des Folgetags. Einem harten Kern der Partygesellschaft war es jedoch möglich, auch zwischen den einzelnen Veranstaltungen auf dem Gelände des Clubs zu bleiben. Hierzu gehörte auch der Zeuge H1., der mit den Inhabern der Diskothek gut bekannt war. Es gab dort auch Ruhebereiche mit Matratzen sowie einen Biergarten, in dem Liegestühle aufgestellt waren.
63Die Angeklagte konsumierte während ihres Aufenthalts in der D1. regelmäßig jeweils eine halbe Tablette Ecstasy oder eine Einheit Amphetamine, um die gelöste Stimmung und einen Wachzustand aufrecht zu erhalten. Es lässt sich nicht im Einzelnen feststellen, welche Mengen sie in welchen zeitlichen Abständen genau einnahm. Nach ihrer Erinnerung erwarb die Angeklagte ca. 10 Tabletten Ecstasy, 7-10 g Amphetamine und 2-3 g Marihuana. Die Einnahmemengen bewegten sich jedoch im szenetypischen Rahmen. Lediglich in der Nacht vom Samstag auf Sonntag geriet die Angeklagte für etwa eine bis anderthalb Stunden in eine halluzinatorische Phase, in der sie etwa auf der Theke tanzende Einhörner und andere Wahnvorstellungen wahrzunehmen glaubte. Der in der Szene durchaus erfahrene Zeuge H1. empfand die Symptome, die relativ rasch wieder abklangen, jedoch als nicht sonderlich bedrohlich.
64Um sich zu beruhigen und „herunterzukommen“, rauchte die Angeklagte gelegentlich zwischendurch Cannabis. Alkoholische Getränke konsumierte sie in einer Größenordnung von etwa zwei Litern Bier und Biermischgetränken sowie bis zu zwei Schnapsgläsern Jägermeister pro Tag.
65Die Angeklagte geriet aufgrund der Mischintoxikation aus Ecstasy, Amphetaminen und Alkohol im Zusammenwirken mit ihrer hirnorganisch begründeten Verhaltensstörung aufgrund der FAS-Schädigung in den Zustand einer krankhaften seelischen Störung, der aufgrund des raschen Konsums der Betäubungsmittel nicht ausschließbar bereits kurz nach dem Eintreffen in der D1. eintrat und ebenfalls nicht ausschließbar bis zum Sonntagnachmittag andauerte. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass infolge der kombinierten Drogenwirkung und einer nachlassenden Fähigkeit zur Übersicht auch über zeitliche Dimensionen das Anliegen zur Versorgung der Tochter zunehmend aus dem gedanklichen Fokus der leicht ablenkbaren Angeklagten geriet.
66Die Angeklagte blieb mit dem Zeugen H1. bis zum Sonntag, dem 03.11.2013, im Club D1. Ungefähr gegen Mittag gingen sie in die Wohngemeinschaft des Zeugen, in der außerdem die Zeugin C7. B2. mit ihrem Freund lebt. Nach der Körperhygiene legten sich die Angeklagte und der Zeuge H1. für mehrere Stunden, möglicherweise bis zum Montagmorgen, schlafen.
67Am Montagvormittag sah die Angeklagte auf ihrem Smartphone, dass die Zeugin W. X2. im Laufe des Wochenendes versucht hatte, sie zu erreichen, und ihr am Samstag geschrieben hatte, sie finde es komisch, dass sie das ganze Wochenende Party mache, während ein Kind auf sie warte. Die Angeklagte antwortete ihr um 11:22 Uhr sinngemäß, das gehe sie nichts an. Es entwickelte sich ein von gegenseitigen Vorwürfen begleiteter facebook-Chat, in dessen Verlauf die Angeklagte schrieb, sie sei noch in O1., in der Wohnung schliefen noch alle, und sie könne nicht nach T. kommen, weil sie nicht wisse, wo der Bahnhof sei und kein Geld mehr habe. Mehrfach erwähnt sie, sie brauche dringend noch etwas „Gras“, müsse kiffen, um herunterzukommen.
68Am Montag unterhielt sich die Angeklagte mit der Zeugin C7. B2. Sie erzählte von ihrer Tochter G., die über das Wochenende bei der Oma oder bei ihrer Schwester sei. Sie zeigte der Zeugin auch ein oder zwei Fotos. Die Angeklagte berichtete davon, ihre Tochter habe einen tennisballgroßen Tumor im Gehirn und nur noch wenige Monate zu leben, wobei sie weinte.
69Spätestens am Montag, dem 04.11.2014, erkannte die Angeklagte, dass sie ihre Tochter G. über mehrere Tage unversorgt in T. zurückgelassen hatte. Sie rechnete nunmehr fest damit, dass G. gestorben sein müsse. Hierüber war die Angeklagte zunächst erschrocken. Weil sie sich jedoch nichts anmerken lassen wollte, zog sie sich für eine halbe bis dreiviertel Stunde ins Badezimmer zurück. Auf das Klopfen und die Frage des Zeugen H1., ob es ihr gut gehe, antwortete sie, es sei alles in Ordnung. Weiter unternahm die Angeklagte nichts. Erst am Vormittag des Dienstags, den 05.11.2013, kehrte sie nach T. zurück.
706.
71G. O. verstarb zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt zwischen dem Abend des Freitag, den 01.11.2013 und Sonntag, den 03.11.2013 an den Folgen einer Exsikkose nach Einstellung der Flüssigkeitszufuhr am Abend des 31.10.2013. Zur Vermeidung einer Dehydration ist für einen drei Monate alten Säugling mit einem Körpergewicht von zwischen 5 und 6 kg eine Flüssigkeitsaufnahme zwischen 600 ml und 900 ml täglich erforderlich. Spätestens am Morgen des 01.11.2013 erwachte G. aufgrund eines Hunger- bzw. Durstgefühls und begann zu schreien. Dieses Durstgefühl, das unbefriedigt blieb, verursachte im weiteren Verlauf erhebliche Qualen und starken, belastenden Hungerstress. Durch den gestörten Elektrolythaushalt lagerte sich nach mehreren Stunden des Leidens vermehrt Wasser im Gehirn ein, wodurch ein erhöhter Hirndruck entstand. Möglicherweise setzte hierdurch etwa eine Stunde vor Eintritt des Todes ein Zustand der tiefen Bewusstlosigkeit ein, in dem G. nichts mehr wahrnahm. Letztlich kam es zu einem Versagen des zentralen Nervensystems mit Ausfall der Vitalfunktionen.
727.
73Als die Angeklagte am Dienstag ihre Wohnung betrat, fand sie G. tot auf dem Bett liegend vor. Sie weinte über den Tod ihrer Tochter und sprach eine Weile mit deren Leichnam. Abends suchte sie den Zeugen I1. auf, mit dem sie einen Kaffee trank und einen Film anschaute. Die Angeklagte wirkte bedrückt, erwähnte den Tod ihrer Tochter allerdings nicht. Die Nacht verbrachte sie in ihrer Wohnung auf der Couch im Wohnzimmer.
74Am Mittwoch, den 06.11.2013 meldete sich mittags die Zeugen E2. über den Kurznachrichtendienst WhatsApp bei der Angeklagten, weil sie einen großen Teddybären hatte, den sie ihr gerne für G. gegeben hätte. Im Laufe des Chats antwortete die Angeklagte um 13:16 Uhr, G. sei am Freitag verstorben. Auf das Angebot der Zeugin E2., bei ihr vorbeizukommen, um ihr beizustehen, ging die Angeklagte nicht ein. Ungefähr eine Stunde später nahm die Angeklagte über facebook Kontakt zum Zeugen H1. auf. Es sei öde, sie sei lieber bei ihm. Sie vermisse ihn. G. sei über die T.er Kirmes bei ihrer Schwester. Die beiden verabredeten, dass er sie um 17:10 Uhr vom Bahnhof abholen solle, sie versuche, „etwas zum Rauchen“ mitzubringen.
75Auf dem Weg zum Bahnhof besuchte die Angeklagte ihre Freundin W. X2. Sie wirkte auf diese nervös, lief in deren Wohnung hin und her und konnte nicht ruhig sitzen bleiben. Die Angeklagte meinte, sie wolle ihre Brille nicht aufsetzen, das sei „zu viel Realität“. Im Laufe des Gesprächs berichtete sie, G. habe bei ihren Pflegeeltern am Wochenende aufgrund des Tumorleidens einen Anfall gehabt und sei daran verstorben. Ihre Pflegeeltern hätten sie darüber informiert, während sie in O1. gewesen sei.
76Die Angeklagte blieb bis zum 18.11.2013 in der Wohngemeinschaft des Zeugen H1. in O1. Da sie wiederum kaum Kleidung mitgenommen hatte und über kein Bargeld mehr verfügte, lieh sie sich Kleidung von der Zeugin C7. B2.
77Am 13.11.2014 kommunizierte die Zeugin X2. mit der Angeklagten über facebook. Die Angeklagte hatte erfahren, dass die Zeugin X2. weitererzählt hatte, G. sei ihrem Gehirntumor erlegen. Sie machte dieser deswegen Vorwürfe. Die Zeugin X2. äußerte ihr Unverständnis, dass die Angeklagte schon wieder feiern gehen könne, nachdem ihre Tochter verstorben sei. Die beiden verabredeten sich für den Abend in der D1., in der mittwochs der sogenannten „Lottermittwoch“ gefeiert wird. Im Club erzählte die Angeklagte der Zeugin wahrheitswidrig, G. sei am Wochenende bereits in Ostfriesland im Wege der Seebestattung beigesetzt. Sie solle V1. nichts sagen, der wisse noch nichts von G.s Tod. Die Angeklagte tanzte und feierte fröhlich, als sei nichts gewesen, weshalb der Zeugin X2. Zweifel an G.s Tod kamen.
78Aufgrund der Äußerungen der Angeklagten machten in T. Gerüchte die Runde, G. sei tot. Hiervon erlangte auch der Betreuer T1. Kenntnis. Nachdem die Angeklagte zum vereinbarten Termin am 18.11.2013 um 14 Uhr nicht in seinem Büro erscheinen war, rief er gegen 15:40 Uhr den Zeugen X3. vom Jugendamt der Stadt T. an. Dort wurde ein sofortiger Hausbesuch beschlossen. Als der Zeuge X3. gegen 16 Uhr zurückrief, war die Angeklagte gerade bei ihrem Betreuer eingetroffen und hatte auf dessen Frage angegeben, das Kind sei in der Wohnung, eine Freundin passe auf. Auf der Fahrt zur Wohnung räumte sie jedoch ein, dass G. verstorben sei. Hierzu gab sie an, G. sei eines Morgens nicht mehr aufgewacht und sie sei dann vor Schreck nach O1. gefahren. Nachdem der Zeuge T1. dem Zeugen X3. nach Ankunft an der Wohnanschrift der Angeklagten den Tod des Kindes mitgeteilt hatte, verständigte der Zeuge X3. die Polizei.
79Die Polizeibeamten fanden in der völlig verwahrlosten und vermüllten Wohnung auf dem Bett im Schlafzimmer die bereits stark verweste und mit Maden befallene Leiche der G. O. Der Leichnam wies ein Gewicht von 3.905 g bei einer Scheitel-Fersen-Länge von etwa 61 cm auf. Wegen der Einzelheiten des Zustands der Wohnung, der Auffindesituation und des Zustands der Leiche wird auf die Lichtbilder Bl. 67-69, 98-104, 147-168, 173-180 d.A. gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen.
80III.
811.
82Die Feststellungen zur Person beruhen im Wesentlichen auf den glaubhaften Angaben der Angeklagten hierzu in der Hauptverhandlung, die ihren Lebensweg wie unter I. dargestellt geschildert hat.
83Ergänzende Feststellungen hat die Kammer aufgrund der Aussagen der Zeugen U. und N. O. getroffen, die insbesondere nähere Angaben zum Alkoholkonsum der Mutter der Angeklagten während der Schwangerschaft und zur frühen Kindheit machen konnten.
84Die Zeugin V. hat in ihrer Vernehmung beschrieben, wie sich die Angeklagte nach ihrer Unterbringung in der Pflegefamilie entwickelte. Die Zeugin erläuterte, sie wolle die Bezeichnung „notorische Lügnerin“ aus der polizeilichen Vernehmung etwas revidieren. Es sei auffällig gewesen, dass C. oftmals eine eigene Wahrheit, eine eigene Wahrnehmung der Vorgänge gehabt habe. Es sei ihr wie eine „Wahrheitsverschiebung“ vorgekommen. Manches davon habe C. aber erkennbar bewusst gesteuert, um andere zu manipulieren. Im Nachhinein habe C. oft fassungslos dagestanden und es selbst nicht verstanden. Wenn man sie direkt auf ihre Lügen angesprochen habe, habe sie sie oft eingeräumt und bereut. Hierfür hätte man sie jedoch so in die Enge treiben müssen, dass ihr kein anderer Ausweg geblieben sei. Die Zeugin bekräftigte zudem, sie habe der Angeklagten schon vor der Schwangerschaft, nämlich anlässlich des Auszugs in die eigene Wohnung, ein betreutes Wohnen angeraten. Es habe sich im Alltag immer wieder gezeigt, dass C. eine vorgegebene Struktur und enge Kontrolle brauche. Die Kammer hat an der Richtigkeit der Aussage der Zeugin V. keine Zweifel. Sie hat Erfahrung im Umgang mit Pflegekindern und zeichnete ein durchaus ausgewogenes Bild der Angeklagten.
85Die Feststellungen zu den psychiatrischen Behandlungen und der psychotherapeutischen Begleitung stützt die Kammer ergänzend auf die Vernehmung der Zeugin L. und auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. N4., in das er die Vorbehandlungen einbezogen hat.
86Die Feststellungen zum Freizeitverhalten der Angeklagten ergeben sich aus den Aussagen der Zeugen W. X2., F1. C5., N3. E2. und K. I1.
87Die Angaben zum Drogenkonsum beruhen auf den Angaben der Angeklagten, soweit die Kammer diesen folgen konnte, sowie auf dem forensisch-toxikologischen Gutachten der Sachverständigen Dr. L1. Die Angeklagte hat den gelegentlichen Konsum von Cannabis eingeräumt. Ihre Einlassung, sie habe sowohl Ecstasy als auch Amphetamine erstmalig nach Mitte Oktober anlässlich des ersten Aufenthalts in der D1. konsumiert, ist durch die Ergebnisse der Sachverständigen, die eine Haarsträhne der Angeklagten auf den Konsum von Betäubungsmitteln für die Zeiträume von ca. Anfang Oktober bis Anfang November 2013 und von August bis Anfang Oktober 2013 untersucht hat, widerlegt. Die Sachverständige hat hierzu mitgeteilt, sie habe im Abschnitt II der Haare (etwa 1-3 cm von der Kopfhaut entfernt) annähernd dieselbe Verteilung der Betäubungsmittel-Metabolite gefunden wie im Abschnitt I (0-1 cm ab Kopfhaut). In beiden Abschnitten sei der Konsum sowohl von THC (des Wirkstoffs der Cannabiszubereitungen) als auch von Amphetaminen und Ecstasy nachzuweisen. Die Sachverständige hat die Grundlagen und Methodik des Nachweises von Betäubungsmitteln in einer Haarprobe anschaulich und nachvollziehbar erklärt. Sie hat ausgeführt, dass der Nachweis von THC in den Haaren einen nahezu täglichen Cannabiskonsum erfordert, während für den Nachweis von Amphetaminen oder Ecstasy bereits ein durchschnittlicher Wochenendkosum genügt. Darüber hinaus seien quantitative Angaben zum Konsum sowie eine nähere zeitliche Eingrenzung anhand der durchgeführten Haaranalyse nicht möglich. Die Kammer folgt den Ausführungen der Sachverständigen Dr. L1. nach eigener Bewertung. Die Sachverständige hat das Gutachten verständlich und nachvollziehbar erstattet. Zweifel an ihrer Sachkunde bestehen nicht.
88Die Zeugin W. X2. hat schließlich ergänzend angegeben, die Angeklagte habe bereits Anfang Oktober auf der M1.er Herbstwoche Amphetamine konsumiert. Diese Aussage ist glaubhaft, da sie im Einklang mit dem Ergebnis des Gutachtens des chemisch-toxikologischen Gutachtens der Sachverständigen Dr. L1. steht.
89Die Kammer hat ferner den Auszug aus dem Bundeszentral- und Erziehungsregister vom 19.11.2013 erörtert.
902.
91Die Feststellungen zur Sache beruhen auf der Einlassung der Angeklagten in der Hauptverhandlung, soweit die Kammer dieser zu folgen vermochte, sowie auf der durchgeführten Beweisaufnahme, wegen deren Umfang und Förmlichkeiten auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen wird.
92a)
93Die Angeklagte hat sich zur Sache wie folgt eingelassen:
94Sie habe von der zweiten Schwangerschaft relativ früh erfahren und sich auf das Kind gefreut. Sie habe nicht verhütet. Sie wisse nicht, wo der Unterschied zwischen den beiden Schwangerschaften gelegen habe. Sie habe sich plötzlich auf das Kind gefreut. Sie sei mit der Entscheidung, das erste Kind abzutreiben nachträglich nicht richtig glücklich gewesen. Sie habe den Zeugen M. für den Vater ihres Kindes gehalten und ihn nach ihrer Erinnerung im November 2012 informiert. Dieser habe von der ganzen Sache jedoch nichts wissen wollen. Er habe die Vaterschaft bestritten, weil sie zu dieser Zeit viel Zeit mit C3. H. verbracht habe. Sie habe mit C3. H. aber keinen Geschlechtsverkehr gehabt; D. M. habe das irrig angenommen. Auf ihre Anfragen habe er nicht geantwortet. Nach der Geburt habe er sich gemeldet, weil er feststellen lassen wollte, dass er nicht der Vater sei. Deswegen habe das Jugendamt eine Beistandschaft eingerichtet.
95Die Betreuung sei eingerichtet worden, weil sie Probleme im alltäglichen Leben gehabt habe; Finanzen und Gesundheitsfürsorge, in den Phasen, in denen es ihr sehr schlecht gegangen sei. Ihre Depressionen habe sie so erlebt, dass sie sich um nichts mehr gekümmert habe, sie habe kaum Kraft gehabt. Sie habe dann stark eingenässt. Sie habe keine Suizidgedanken gehabt. Solche Phasen habe sie auch in der Pflegefamilie gehabt. Da habe sie ihr Zimmer nicht aufgeräumt. Das komme einfach so, ohne dass sie das merke. Irgendwann stehe sie dann vor einem Haufen, den sie nicht mehr bewältigen könne. Es habe sehr gut geklappt, dass Herr T1. ihr das Geld eingeteilt habe. Kontakt zu Nachbarn habe sie kaum gehabt, sie habe hierfür keinen Bedarf. Gelegentlich sei sie den Nachbarn mal begegnet. In manchen Räumen habe sie die Jalousien halb heruntergelassen, so fühle sie sich am wohlsten. Eine Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung habe sie abgelehnt, weil sie sich vom Klientel dort abgrenzen wolle. Sie habe sich beim Jugendamt um Unterstützung bemüht und deswegen eine ambulante Familienhilfe bekommen. Die Schwangerschaft sei bis auf die kurzen Aufenthalte im Krankenhaus unproblematisch verlaufen.
96Am 21.07.2013 sei G. per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen, weil sich herausgestellt habe, dass ihr Becken zu eng gewesen sei. Sie habe leider abstillen müssen und sei nach fünf Tagen im Krankenhaus entlassen worden. Über Frau T2. sei dann der Kontakt zu Frau C4. hergestellt worden. Das Leben mit Kind sei schön gewesen. G. habe viel geschlafen.
97Zu ihrem Tagesablauf hat die Angeklagte angegeben, sie habe G. morgens, wenn sich diese gemeldet habe, gewickelt, ihr eine Flasche gemacht und sie gefüttert. Danach habe G. wieder geschlafen, in der Zeit habe sie selbst sich fertig gemacht. Anschließend sei sie mit G. spazieren oder einkaufen gegangen, auch mal zu den Pflegeeltern gefahren. Nachmittags habe G. viel geschlafen. Sie sei dann oft mit ihr im Kinderwagen mit dem Bus in die Stadt gefahren. Abends habe sie G. hin und wieder gebadet, nachts habe sie ihr einen Body oder Strampler angezogen, manchmal auch einen Schlafanzug oder Schlafsack. G. habe regelmäßig in ihrem Bett geschlafen, öfters nur mit einem Body bekleidet. Das habe sie von der Raumtemperatur abhängig gemacht. An der Heizung habe es keine Nachtabsenkung gegeben, es sei warm geblieben.
98Nach dem Baden habe sie G. immer wärmer angezogen. Sie habe auch mal Dinge erledigt, ohne G. mitzunehmen, etwa wenn sie zu Herrn T1. gegangen sei. Dann habe B1. auf G. aufgepasst. Sie sei gelegentlich abends mit W. feiern gegangen, wenn sie jemanden gehabt hätte, der auf G. aufpasste. Sie habe sich immer darum gekümmert. G. sei zuvor lediglich einmal alleine geblieben, als sie sich beim Müllherausbringen versehentlich ausgesperrt habe.
99Als G. zwei Wochen alt gewesen sei, habe ihre Schwester sie und das Kind abgeholt. Ihre Schwester habe sie eingeladen, um G. kennenzulernen und sie wiederzusehen. Sie habe Frau T2. und Herrn T1. informiert, dass sie zu ihrer Schwester fahre. Sie habe nur nicht gewusst, wie lange. Eigentlich habe sie eine Woche geplant, sei aber insgesamt drei Wochen dort geblieben. Das habe sie Frau T2. und Herrn T1. telefonisch mitgeteilt, bevor die Woche herum gewesen sei. Die beiden seien darüber nicht so erfreut gewesen. Die Wäsche habe ihre Schwester gewaschen, Nahrung und Windeln für G. habe sie ausreichend mitgenommen. Sie habe die Zeit mit ihrer Schwester und deren Sohn verbracht, zusammen mit G. Ein paar Tage sei sie bei ihrem leiblichen Vater gewesen, der habe vor einem Jahr aufgehört zu trinken. Abends habe sie mit dem Lebensgefährten ihrer Schwester zusammengesessen.
100Der Kinderarzt sei mit G.s Entwicklung zufrieden gewesen. Es sei mal über die Ernährung gesprochen worden; G. habe zu große Mengen getrunken. Ungefähr mit drei Monaten habe G. angefangen, länger durchzuschlafen. Sie selbst habe sich in letzter Zeit ziemlich alleine gefühlt. Ab und zu sei ihre Freundin B1. vorbeigekommen. Einmal sei sie von Freitag auf Samstag mit Freunden, darunter W. X2., in O1. unterwegs gewesen. Da habe sie das erste Mal Ecstasy genommen. Zuvor habe sie hier und da mal einen Joint geraucht. Amphetamine habe sie einmal ausprobiert. Bei ihrem ersten Besuch in der D1. seien ihr Ecstasy und Amphetamine angeboten worden. Sie habe sich im Rausch sehr gut gefühlt: glücklich, ausgelassen, unbeschwert. Sie habe dann auf W.s Empfehlung Marihuana zum Runterkommen geraucht. G. sei damals über Nacht bei B1. gewesen. Sie habe mit ihren Freunden durchgefeiert. Morgens seien sie mit dem Zug zurück.
101Sie habe in der Woche danach die Termine mit Frau T2. abgesagt, weil es ihr schlecht gegangen sei, nicht körperlich, sondern psychisch. Sie habe noch Nachwirkungen des Rausches gespürt, sich depressiv und abgestimmt gefühlt. Gesellschaft helfe ihr da nicht, sondern mache es noch schlechter. Das sei auch am Freitag noch so gewesen, ebenso am darauf folgenden Mittwoch, den 30.10.2013. Warum sie trotzdem zu Herrn T1. gegangen sei, wisse sie nicht.
102Über den Zustand ihrer Wohnung habe sich nie jemand beschwert, dort sei es unordentlich, aber nicht dreckig. Die Termine mit Frau T2. habe sie abgesagt, weil es ihr nach dem Wochenende, an dem sie die Designerdrogen genommen habe, nicht gut gegangen sei.
103Irgendwann sei sie auf der Internetseite des Clubs D1. gewesen, da habe sie U2., den sie gut gefunden hätte, auf der Freundesliste entdeckt. Er habe ihre Freundschaftsanfrage sofort angenommen und sie angeschrieben. Er habe gefragt, ob sie an Halloween auf die Party im Club komme. Sie habe geantwortet, sie müsse mal sehen, sie brauche ja jemanden, der sich um G. kümmere. Sie habe dann herumgefragt, etwa bei B1., deren Mutter oder ihrer Pflegeschwester, aber niemand habe Zeit gehabt. Sie habe aber trotzdem dorthin gewollt. Sie habe dann trotzdem zugesagt und sich schlau gemacht, wie die Züge fuhren. Da G. regelmäßig durchgeschlafen habe, habe sie gedacht, sie könne ja für ein paar Stunden nach O1. fahren. Dabei sei es dann geblieben. Abends habe sie G. noch ganz normal versorgt. Sie habe G. zwischen 19 und 22 Uhr gefüttert und gewickelt und ihr eine Windel und einen Body angezogen. Sie habe den Eindruck gehabt, in der Wohnung sei es warm genug. Deshalb habe sie dem Kind nur den Body angezogen. Dann habe sie G. auf ihr Bett gelegt, mit Kissen gesichert. Sie habe G. nicht zugedeckt. Sie wisse nicht, ob sie den Fernseher ausgeschaltet habe, bevor sie die Wohnung verlassen habe. Dann sei sie mit dem Zug um 23:45 Uhr gefahren. Sie könne sich nicht erinnern, dass sie zuvor noch bei W. gewesen sein solle. Das könne eigentlich nicht sein. Sie wisse gar nicht, was W. am 31.10. gemacht habe.
104Nachmittags habe sie noch B1. besucht. Da habe sie G. mitgenommen. Auch bei ihrem Nachbarn I1. sei sie noch auf einen Kaffee gewesen. Sie glaube, bevor sie bei B1. gewesen sei, meine aber, dass B1. in dieser Zeit auf G. aufgepasst habe.
105Ein paar Tage zuvor sei sie mit B1. Mutter im Bestattungsunternehmen G1. gewesen, habe sich beraten lassen. Das sei eine Idee von Frau U1. gewesen, die die Inhaberin gekannt habe. Weil ihr kein Ausweg eingefallen sei, sei sie halt mitgegangen. Sie habe dann mitgespielt und gesagt, sie wünsche eine Seebestattung. Anlass sei ihre Erzählung gewesen, G. leide an einem Gehirntumor.
106Sie könne nicht sagen, warum sie so etwas erfunden habe, das liege an ihrer psychiatrischen Vorerkrankung. Sie habe schon öfter Lügengeschichten erzählt, könne das nicht steuern. Meistens sei das in solchen Momenten passiert, als sie sich alleine gefühlt und jemanden gebraucht habe. Zwar sei ihr oft Hilfe angeboten worden. Wenn sie sich dann gemeldet habe, hätte es immer geheißen, keine Zeit. Die Geschichte mit dem Hirntumor habe sie ungefähr ab September erzählt. Zunächst habe sie ihrer Schwester davon berichtet. Warum, könne sie sich selbst nicht erklären, sie könne das nicht steuern. Es sei nicht das erste Mal gewesen, dass sie falsche Angaben gemacht habe. Etwa, als sie von ihrem Vater wegwollte, da habe sie einen sexuellen Missbrauch erfunden, oder als D. M. sie verlassen habe, da habe sie ihre Mutter sterben lassen. Sie habe sich keine Gedanken darum gemacht, was passieren solle, wenn G. entgegen ihren Angaben nicht in einigen Monaten versterben würde.
107Über den Gehirntumor habe sie noch mit F1., W., K. I1., B1. und deren Mutter gesprochen. Mit D. M. habe sie nicht über den Gesundheitszustand ihrer Tochter gesprochen.
108Als sie am 31.10.2013 zum Bahnhof gegangen sei, habe sie noch gedacht, in ein paar Stunden sei sie wieder da. Um kurz vor fünf hätte es einen Zug zurück nach T. gegeben. Dann sei sie hin, habe U2. getroffen. Sie hätten wieder konsumiert und gefeiert. Sie habe Drogen genommen, obwohl sie gewusst habe, dass es ihr danach schlecht gehe, weil sie sich wieder gut habe fühlen wollen, frei und unbeschwert. Sie habe U2. gesagt, das Kind sei bei den Großeltern. Sie seien dann mehrere Tage im Club geblieben. Sie wisse nicht genau, ob die Party länger als einen Tag dauern sollte. Im Internet habe Halloween-Party gestanden. Es habe schon Pausen gegeben, die Musik sei aber immer an gewesen. Sie sei zwischendurch draußen gewesen, habe sich mal hingesetzt und ausgeruht. Im Club habe man etwas zu essen kaufen können. Sie habe noch Geld dafür gehabt. Es sei „zeitlos“ gewesen. Sie habe nicht mehr an den Zug zurück gedacht. Es sei schön gewesen, alles sei bunt gewesen und habe geleuchtet. Sie sei ziemlich im Rausch gewesen. Sie habe Betäubungsmittel im Wert von ca. 300,-- Euro genommen. Sie habe sich zuvor Geld von ihrem Betreuer beschafft, dem sie erzählt habe, ihr Kühlschrank sei kaputt. Sie nehme generell immer ihr gesamtes Geld mit. Wie es nach dem 03.11.2013 ohne Geld weitergehen sollte, darüber habe sie sich keine Gedanken gemacht. Das sei ihr schon öfter passiert, dann sei sie zu ihren Pflegeeltern oder zu Freunden gegangen. Für G. habe sie aber immer alles da gehabt. Betäubungsmittel habe sie nur in O1. (und nicht schon in T.) gekauft. Sie habe ca. 10 Tabletten Ecstasy erworben, 7 - 10 g Amphetamine und etwa 2 - 3 g Marihuana. Sie habe das nicht alles auf einmal genommen, sondern hier und da immer mal wieder. U2. habe mitkonsumiert, er habe auch etwas getauscht. Teilweise hätten sie das zusammen genommen. Sie habe die Drogen nicht auf einmal gekauft, sondern immer mal wieder etwas nachgekauft. Innerhalb der drei Tage habe sie ihr komplettes Geld aufgebraucht. Sie habe dann auch selbst geglaubt, dass G. bei den Großeltern sei. Erst am Sonntagabend sei ihr klar geworden, dass G. alleine zurückgeblieben sei. Das habe sie vorher vergessen. Abends in der Wohngemeinschaft seien sie drauf zu sprechen gekommen. In ihrer Vorstellung sei es da immer noch Donnerstagnacht gewesen. Sie habe aber erst einmal sehen müssen, dass sie runterkomme. Sie habe in O1.-I3. keine Orientierung gehabt und U2. nichts sagen wollen. Am Montag sei sie morgens nach T. und direkt in ihre Wohnung gegangen. Wenn ihr vorgehalten werde, dass sie zunächst bei W. gewesen sein solle, so könne das sein. W. wohne ja direkt am Bahnhof. Sie sei sich sicher, dass es Montag und nicht schon Dienstag gewesen sei. Am Sonntag sei sie zu platt und erschöpft gewesen, habe Angst gehabt, zurückzufahren; Angst, dass G. etwas passiert sei. Sie habe nicht daran gedacht, dass sie etwas unternehmen und G. vielleicht noch gerettet werden könnte. Sie habe Angst vor der Realität gehabt, sei davon ausgegangen, dass G. nicht mehr lebe. Sie habe ihr Kind nicht umbringen wollen. Sie könne sich das nicht erklären.
109Als sie am Montag nach Hause gekommen sei, habe ihre Tochter nicht mehr gelebt. Sie sei dann zusammengebrochen. Sie habe sich danebengelegt und mit ihr gesprochen. Sie sei dann aufgestanden und wieder weggelaufen, habe die Tür nur zugezogen. Sie könne sich daran erinnern, nach dem Auffinden ihrer toten Tochter noch bei I1. gewesen zu sein. Sie sei wieder nach O1. zu U2. gefahren. Vorher habe sie ihm Smalltalk geschrieben. Er habe geantwortet, er vermisse sie. Sie habe ihm mitgeteilt, es sei Kirmes, und G. sei bei ihrer Schwester. Sie könne wieder zu ihm kommen. Sie habe die ganze Nacht neben G. gelegen und mit ihr gesprochen. In O1. habe sie sich dann wieder zugedröhnt. U2. habe ihr nichts angemerkt. Sie seien sich näher gekommen.
110Ursprünglich habe sie am 18.11.2013 gar nicht mehr nach T. zurückgewollt. Ihr habe der Mut gefehlt. Irgendwann habe sie gedacht, das gehe so nicht mehr. Sie sei dann doch zu ihrem Betreuer gefahren. Sie habe sich der Verantwortung stellen wollen. Sie habe ihre Tochter allein gelassen und vergessen. Sie habe auch einen Termin bei Herrn T1. gehabt. Sie sie zwei Stunden zu spät angekommen. Er habe gesagt, er hätte mit dem Jugendamt telefoniert. Alle würden sie suchen. Es gäbe Gerüchte, das Kind sei tot. Sie solle wohl im Rausch F1. und W. mitgeteilt haben, G. sei gestorben, woran sie sich nicht erinnern könne. Sie habe geantwortet, das stimme nicht. Auf dem Weg zur Wohnung habe sie dann Herrn T1. erzählt, was passiert sei. Dann sei die Polizei gekommen und habe sie festgenommen.
111Das Chaos in ihrer Wohnung sei erst die letzten Tage entstanden. Sie habe das gar nicht wahrgenommen. G. sei ihr nicht egal gewesen. Sie habe sie nicht umbringen wollen. Sie habe ihre Tochter geliebt und sich immer gut um sie gekümmert. Sie habe geplant, morgens wieder zurückzukommen. Über andere Hinderungsgründe habe sie gar nicht nachgedacht. Ihr sei von vorneherein klar gewesen, dass sie morgens wieder zurück sei.
112b)
113Die Kammer ist dieser Einlassung – wie aus den abweichenden Feststellungen ersichtlich – nicht vollumfänglich gefolgt. Die Angaben der Angeklagten sind durch das Ergebnis der Beweisaufnahme teilweise widerlegt.
114Soweit die Angeklagte angegeben hat, sie habe mit C3. H. keinen Geschlechtsverkehr gehabt, sondern M. müsse das nur gemutmaßt haben, steht dies nicht im Einklang mit der Aussage der Zeugin E2.
115Diese hat angegeben, die Angeklagte habe H. nach der Trennung vom Zeugen M. kennengelernt und sei mit diesem rasch zusammengekommen. Sie habe ungefähr drei Monate lang sogar mit ihm in dessen Wohnung zusammengelebt. H. sei damals davon ausgegangen, dass er der Vater sei. So habe er die Angeklagte unter anderem zu einer Ultraschalluntersuchung beim Frauenarzt begleitet und sich auf das Kind gefreut. Warum die Beziehung Anfang 2013 beendet worden sei, wisse sie nicht. Die Angeklagte habe ihr erzählt, es habe einen Streit gegeben, weil sie entgegen dem Willen H.s einen Energy-Drink zu sich genommen habe. Das habe sie, die Zeugin, nicht nachvollziehen können. Es sei jedenfalls so gewesen, dass C3. H. C.s Sachen auf die Straße gestellt habe. Weil die Angeklagte nicht in ihre Wohnung habe zurückkehren können (sie wolle ihren Schlüssel verloren haben und ihre Mitbewohnerin lasse sie nicht herein), sei sie für ein paar Wochen bei den Großeltern der Zeugin untergekommen. Gemeinsam hätten sie dann den Empfängnistermin ausgerechnet, mit dem Ergebnis, dass die Angeklagte C3. H. erst etwas später kennen gelernt habe.
116Die Kammer hat an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin E2. keinerlei Zweifel. Sie schilderte ihre Wahrnehmungen schlüssig und widerspruchsfrei. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Zeugin etwas erfunden haben sollte. Die Kammer hält es für naheliegend, dass die Angeklagte, sollte sie wirklich immer von einer Vaterschaft M.s ausgegangen sein, C3. H. zumindest im Glauben ließ, er sei der Vater ihres Kindes, um sich so die Unterkunft in seiner Wohnung zu sichern. Dies passt zum Persönlichkeitsbild der Angeklagten, unwahre Angaben zu machen, um daraus einen persönlichen Vorteil zu ziehen. Es ist plausibel, dass die Angeklagte nicht in ihrer Wohnung, die sie zu der Zeit mit einer Mitbewohnerin teilte, leben wollte. Die Angeklagte hat das Verhältnis zu ihrer Mitbewohnerin als zerrüttet beschrieben. Ihre Begründung, die Mitbewohnerin habe sich nicht um den Haushalt gekümmert, die Miete nicht gezahlt, Bekannte mitgebracht, die in der Küche Heroin konsumiert hätten, erscheint der Kammer unter Würdigung der gesamten Feststellungen als Ausrede.
117Die Schilderung der Angeklagten, sie sei mit G. häufiger nachmittags zu ihren Pflegeeltern gefahren, ist durch die glaubhafte Aussage der Zeugin V. widerlegt. Diese hat angegeben, die Angeklagte sei mit G. nur ein einziges Mal bei ihnen gewesen. Da sei G. ungefähr 2 ½ Monate alt gewesen. Sie hätten zusammen gefrühstückt. Von ihrem Angebot, G. doch einfach bei ihnen vorbeizubringen, wenn sie mal Zeit für sich brauche, habe C. keinen Gebrauch gemacht. G. sei nie allein bei ihnen zum Babysitten gewesen.
118Aus dem Gesamtbild der Aussagen der Zeugen W. X2., F1. C5., N3. E2. und K. I1. schließt die Kammer, dass die Angeklagte auch nach G.s Geburt ihren bisherigen Lebensstil fortsetzte und häufig ausging. Sowohl W. X2. als auch F1. C5. haben in ihren Vernehmungen ihren Eindruck geschildert, die Angeklagte habe eigentlich ein so freies, unabhängiges Leben wie W. X2. führen wollen. Beide Zeuginnen schilderten voneinander unabhängig, dass es über diesen Punkt immer wieder Diskussionen und Auseinandersetzungen mit C. gegeben habe, wenn sie sie auf ihre Pflichten als junge Mutter und die Unvereinbarkeit des Partylebens hiermit hingewiesen hätten. Es sei auffällig, dass C. eigentlich immer schnell einen Babysitter gefunden haben wolle.
119Die Zeugin C5. berichtete, letztlich sei ihre Freundschaft zur Angeklagten auch wegen dieses Punktes zerbrochen. Obwohl C. vorher gemeinsam mit ihr Pläne gemacht habe, dass es ihre Kinder doch einmal besser haben sollten als sie selbst, habe sie weitermachen wollen wie immer. Das habe sie, die Zeugin, für sich abgelehnt. Deutliche Distanz habe sie nach dem 31.08.2013 gesucht. Die Zeugin schilderte diesen Abend wie von der Kammer festgestellt, insbesondere ihre verzweifelten Versuche, die Angeklagte zur Rückkehr aus der Stadt zu bewegen. Die Aussage der Zeugin F1. C5., die von dem Geschehen sichtlich betroffen war, ist glaubhaft. Sie hat insbesondere ihre Gedanken und Gefühle an dem Abend wiedergegeben. Sie sei so sauer gewesen, dass sie die Angeklagte entgegen der vorherigen Verabredung nachts auf die Straße gesetzt habe. Eine überschießende Belastungstendenz konnte die Kammer nicht erkennen. Die Zeugin selbst ging sehr offen mit ihrer Enttäuschung und Wut um. Sie schilderte auch, wie positiv sie die vorherige Bekanntschaft mit der Angeklagten grundsätzlich empfunden hat. Die Einlassung der Angeklagten, es habe da ein Missverständnis gegeben und F1. habe gar nicht versucht, sie anzurufen, ist hingegen als Schutzbehauptung zu werten.
120Die Zeugin X2. führte aus, die Angeklagte sei häufig bei ihr gewesen, G. habe sie aber nur selten dabei gehabt. Eigentlich habe sie den Kontakt zur Angeklagten abbrechen wollen, hiervon aber wegen des vermeintlichen Hirntumors der Tochter abgesehen. Sie habe Mitleid gehabt. C. habe sonst wohl niemanden gehabt. Zuletzt sei sie fast täglich bei ihr zu Besuch gekommen, häufig spontan, weil sie gerade in der Innenstadt gewesen sei.
121Der Zeuge K. I1. hat angegeben, C. sei auch nach G.s Geburt teils zwei bis drei Mal wöchentlich bei ihm gewesen. Sie habe ihm gesagt, eine Freundin passe auf G. auf. Er könne sich daran erinnern, dass C. sogar einmal gesagt habe, sie könne erst später kommen, weil ihre Freundin noch nicht da sei.
122Die Zeugin E2. berichtete schließlich von ihren Begegnungen mit der Angeklagten in der T.er Szenekneipe Q. Sie habe die Angeklagte irgendwann nach G.s Geburt abends mit W. X2. vor dem Q. stehen sehe. C. habe erzählt, sie freue sich, einen Abend frei zu haben, und habe ein Treffen angeregt. Deshalb sei es zu der Verabredung für den 19.10.2013 gekommen. Sie, die Zeugin, habe sich an dem Tag aber zunächst müde gefühlt und das Treffen abgesagt. Nachdem sie sich später doch anders entschieden habe, sei die Angeklagte spontan gegen Mitternacht in der Kneipe erschienen. Sie habe ein Kleid mit Leopardenmuster getragen, das dem Anlass aber angemessen gewesen sei. C. habe erzählt, sie habe doch noch kurzfristig einen Babysitter gefunden. Im Laufe des Abends sei die Angeklagte auf die Toilette gegangen und wie verändert zurückgekehrt; sie habe ihr gesagt, sie hätte „etwas genommen“. Die Angeklagte sei noch geblieben, als sie selbst zwischen 2 und 3 Uhr das Lokal verlassen habe.
123Die Kammer folgt den Aussagen Zeugen X2., C5., E2. und I1. Die einzelnen Schilderungen fügen sich zu einem schlüssigen Gesamtbild im Sinne der Feststellungen zusammen. Die Zeugen kennen sich teilweise untereinander nicht. Jeder der Zeugen über individuell wahrgenommene Begebenheiten. Dabei kamen insbesondere die Zeuginnen X2. und E2. auf ihre innere Zerrissenheit im Umgang mit der Angeklagten zu sprechen. Einerseits wollten sie wegen der Auffälligkeiten in ihrem Verhalten nicht mehr viel zu tun haben; andererseits hielten sie gleichwohl aus Mitleid am Umgang mit ihr fest.
124Die Angeklagte hat ihre Tochter G. entgegen ihren Angaben bereits vor der Halloween-Party in der D1. häufig allein gelassen. Die Aussagen der Zeuginnen F1. C5., D2. V., B1. und C6. U1., die von der Angeklagten immer wieder als angebliche Babysitter genannt wurden, lassen eine Feststellung, sie habe sich stets um eine Betreuungsperson für G. bemüht, nicht zu. So hat die Zeugin D2. V. wie dargestellt angegeben, auf ihr Angebot, auch einmal auf G. aufzupassen, sei die Angeklagte nie eingegangen. Die Zeugin F1. C5. war nur einmal bereit, auf G. aufzupassen, nämlich am 31.08.2013, danach scheidet sie als Babysitter aus. Die Zeugin B1. U1. gab in ihrer Vernehmung an, gelegentlich auf G. aufgepasst zu haben. So sei G. zwei oder drei Mal bei ihr gewesen, als C. zu ihrem Betreuer gegangen sei. Als sie die Angeklagte mit ihrer Mutter bei Bestattungen G1. gewesen sei, habe sie sich um G. gekümmert. Ihr sei aber in Erinnerung, dass C., insbesondere in den letzten Wochen vor der Tat öfter alleine gekommen sei. Auf Frage habe die Angeklagte angegeben, G. sei bei einer Freundin oder bei den Pflegeeltern. Die andere Freundin hätte gemeint, dann könnten sie ungestört reden. Ein oder zwei Mal sei G. über Nacht bei ihr gewesen. Am Donnerstag, den 31.10.2013, sei C. ohne G. bei ihr gewesen. Die Aussage bestätigt sich in der Vernehmung ihrer Mutter, der Zeugin C6. U1. Diese hat ausgesagt, G. sei einmal über Nacht bei ihnen gewesen. Ansonsten habe die Angeklagte G. ab und zu spontan vorbeigebracht, weil sie gerade etwas erledigen wollte. Sie, die Zeugin, habe dann auf G. aufgepasst, weil sie Verständnis für die Situation der Angeklagten als alleinerziehende junge Mutter gehabt habe.
125Das Beweisergebnis vermittelt viel mehr das Bild, dass die Angeklagte die ihr insbesondere von der Pflegefamilie angebotene Hilfe nicht einmal in Anspruch genommen hat. Soweit sie ihrer Freundin B1. U1. gegenüber vorgab, eine „andere Freundin“ kümmere sich um G., schließt die Kammer die Existenz dieser Person aus. Eine andere Freundin, die auf G. aufgepasst haben soll, hat die Angeklagte in ihrer Einlassung nicht einmal erwähnt. Alle Zeugen, denen gegenüber die Angeklagte angab, G. sei bei einer Freundin, benannten diese immer als „B1.“ und erklärten zudem, manchmal sei G. auch in der Obhut deren Mutter gewesen.
126Auch im Hinblick auf eine Verabredung für den Abend des 31.10.2013 hat sich das Geschehen anders abgespielt, als von der Angeklagten behauptet. Sie hat dem Zeugen H1. gerade nicht geantwortet, sie müsse mal sehen, ob sie kommen könne, weil sie einen Babysitter für G. brauche.
127Der im Selbstleseverfahren eingeführte Chat nimmt einen ganz anderen Verlauf: Bereits auf die Frage, wie es ihr gehe, antwortet die Angeklagte nämlich: „ […] Und ich freu mir den arsch ab auf heut abend […]“, an ihrer Absicht, nach O1. zu fahren, besteht demnach offensichtlich kein Zweifel. Dies spiegelt der weitere Chat-Verlauf wieder: Auf die Reaktion von H1. „[…] also heißt das …. wir sehen uns heut abend?? Freu !!“ antwortet die Angeklagte: „Jap ich bin auf jeden fall in der D1. heut abend! Wär geil wenn wir und sehen ‚Faustdick hinter den Ohren‘“. G. kommt im Laufe des Gesprächs nur insofern vor, als dass die Angeklagte sich jetzt noch einmal um sie kümmern und deswegen den Chat beenden müsse. Hingegen macht sie ihre Fahrt nach O1. nicht davon abhängig, ob jemand auf G. aufpasst.
128Aufgrund der Aussage der Zeugin W. X2., die durch den Inhalt der eingeführten Facebook-Chats gestützt wird, geht die Kammer davon aus, dass die Angeklagte sich auf dem Weg zum Bahnhof zunächst noch in der Wohnung der Zeugin aufgehalten hat.
129Die Überzeugung der Angeklagten, sie sei bereits am Montag, den 04.11.2013 nach T. zurückgekehrt, beruht auf einem Irrtum. Die Angeklagte ist erst einen Tag später, am 05.11.2013 nach T. zurückgekehrt, was die Kammer auf folgende Erwägungen stützt:
130Der Zeuge H1. hat angegeben, nach der Rückkehr in die Wohngemeinschaft am Sonntag habe er sich mit der Angeklagten schlafen gelegt. Seine Erklärung, er habe dann über 24 Stunden geschlafen, ist aufgrund des Schlafbedürfnisses nach einer dreitägigen Feier mit nur kurzen Ruhephasen und dem Konsum aufputschender Mittel nachvollziehbar. Sowohl in seiner polizeilichen Vernehmung als auch in der Hauptverhandlung hat der Zeuge angegeben, die Angeklagte sei bis Dienstag bei ihm geblieben und am Mittwoch zurückgekommen. Aus der Vernehmung der Zeugin X2. ergibt sich, dass die Kommunikation zwischen ihr und der Angeklagten, welche die Angeklagte zeitlich auf den Sonntag einordnet, tatsächlich erst am Montag stattgefunden hat. Denn die Zeugin erinnerte sich an die Umstände des facebook-Chats. Sie habe im Berufsbildungszentrum am Computer gesessen, als sie den Chat geführt habe. Diese zeitliche Einordnung stimmt überein mit dem Ausdruck des Chats, wonach die Unterhaltung am 04.11.2013 um 11:22 Uhr beginnt. Schließlich chatten W. X2. und U2. H1. am späten Nachmittag des 04.11. miteinander. H1. schreibt um 17:11 Uhr, C. sitze mit ihm auf der Couch und es gehe ihr gut. Auch eine weitere Nachricht der Angeklagten an W. X2. stützt die Feststellung, dass sie sich erst vom 05. auf den 06.11.2013 in T. aufgehalten hat. Am 05.11.2013 um 22:06 Uhr schreibt sie: „Boah ich dreh durch hier in der bude…“ Dies bezieht sich auf die T.er Wohnung mit der toten G. Eine längere Unterhaltung kommt nicht zustande, weil die Zeugin X2. zu müde ist.
131Die Zeugin N3. E2. berichtete weiter wie von der Kammer festgestellt über die Kommunikation zwischen der Angeklagten und ihr am 06.11.2013 über den Teddybären, in deren Verlauf die Angeklagte ihr schrieb, G. sei verstorben. Der Zeuge KHK P1., der das Smartphone der Angeklagten im Ermittlungsverfahren ausgewertet hatte, konnte dort die am 06.11.2013 um 12:16 Uhr an eine „N3.“ gesendete Nachricht: „G. ist an freirag von uns gegnen“ feststellen.
132Die Angaben der Angeklagten zu ihrer Motivation, am 18.11.2013 nach T. zurückzufahren, sind ebenfalls widerlegt. Die Angeklagte ist nicht zu ihrem Betreuer gefahren, um den Tod G.s zu offenbaren. Denn dann hätte sie ihn nicht zunächst noch über den Zustand und Aufenthalt G.s belogen. Anlass für die Fahrt nach T. waren neben dem Termin mit dem Betreuer, bei dem die Angeklagte dringend benötigtes Geld erhalten würde, die Gerüchte über G.s Tod und die sich abzeichnende Eskalation der Lage. Die Angeklagte hat zudem weitere Ausflüchte gesucht, indem sie dem Zeugen T1. auf der Autofahrt zwar mitteilte, G. sei tot, jedoch angab, sie habe einfach eines Morgens tot im Bett gelegen.
133c)
134Die Feststellungen zum subjektiven Tatbestand, insbesondere zum Vorstellungsbild der Angeklagten bei Verlassen ihrer Wohnung und auf dem Weg in den Club D1. am Abend des 31.10.2013, beruhen auf folgenden Erwägungen:
135Aus der Einlassung der Angeklagten ergibt sich, dass sie im Internet nach der Halloween-Veranstaltung in der D1. gesucht hat. Dabei hatte sie auch erfahren, dass ein langes Party-Wochenende in dem Club geplant war. Dies ergibt sich aus der vom Zeugen I1. widergegebenen Äußerung der Angeklagten bei ihrem Besuch am 31.10., sie fahre „übers Wochenende“ nach O1.. Der Zeuge H1. hat ausgesagt, es sei schon bekannt gewesen, dass die Party drei Tage dauere. Allerdings habe vorher nicht festgestanden, wie lange sie dort bleiben wollten.
136Die Angeklagte hat ihre Motivation, nach O1. zu fahren, nämlich den Zeugen H1. wiederzutreffen und sich einem Zustand „künstlichen Glücks“ hinzugeben, in ihrer Einlassung - im Einklang mit den Angaben der Zeugen X2. und H1. und den eingeführten facebook-Chats - eingeräumt. Ein Anreiz dafür mag gewesen, der Realität, insbesondere dem Zustand ihrer Wohnung, der sich in den letzten zwei Wochen deutlich zugespitzt hatte, zu entfliehen. Die Angeklagte hatte die zielgerichtete Absicht, diesen Rauschzustand zu erreichen. Dabei waren ihr sowohl die positiven als auch die negativen Wirkungen der Rauschmittel bekannt. Denn bereits bei ihrem ersten Aufenthalt in der D1. hatte sie nach ihren eigenen Angaben zugleich Ecstasy und Amphetamine eingenommen. Ihr war daher bewusst, dass diese Kombination ihr Urteilsvermögen und Zeitgefühl beeinflussen würde und sie ihre Pflichten verdrängen würde. Die Angeklagte wusste, dass ihre Tochter ein Wochenende ohne Versorgung nicht überleben würde. Gleichwohl ließ die Angeklagte ihre Tochter allein in der Wohnung zurück. Sie traf keinerlei Vorsorgemaßnahmen für eine nicht rechtzeitige Rückkehr.
137Die Kammer hält die Einlassung der Angeklagten, sie habe von Anfang an vor gehabt, mit dem Zug um 4:59 Uhr aus O1. zurückzukehren, für eine Schutzbehauptung. Eine derartige Planung wäre nämlich keinesfalls mit dem Konsum der Partydrogen vereinbar gewesen. Die Angeklagte hätte in diesem Fall nämlich den Club D1. gegen 4:30 Uhr, also etwa drei Stunden nach ihrer Ankunft, verlassen müssen, um rechtzeitig zum Bahnhof zu gelangen.
138Dagegen, dass die Angeklagte beabsichtigte, morgens nach T. zurückzukehren, spricht auch ihr sonstiges Verhalten nach Ankunft in der D1. Sie erzählte dem Zeugen H1. nämlich nicht, sie müsse bald zurück nach T., sondern gab wahrheitswidrig an, G. sei bei ihrer Pflegemutter. Hätte die Angeklagte fest vorgehabt, den frühen Zug zurück zu nehmen, wäre nach Auffassung der Kammer zu erwarten gewesen, dass sie hierüber auch den Zeugen H1. informiert hätte.
139Auch die Aussage des Zeugen I1., wonach die Angeklagte schon am Nachmittag angegeben hatte, sie fahre „übers Wochenende“ nach O1., gewinnt für die Beurteilung der inneren Tatseite erhebliche Bedeutung. Die Kammer ist überzeugt, dass die Erinnerung des Zeugen zutreffend ist. Denn für den Zeugen I1. war es egal, ob die Angeklagte am Freitag früh oder erst nach dem Wochenende zurückkehren würde. Die Angeklagte hat den Zeugen zutreffend über die beabsichtigte Dauer ihres Aufenthalts in O1. informiert.
140Die Kammer verkennt nicht, dass die Angeklagte nur eine kleine Tasche und fast keinerlei Bekleidung zum Wechseln mitnahm. Es ist aber nicht zwingend, hierauf auf eine beabsichtigte Rückkehr am Freitag zu schließen. Eine mehrtägige Party ist nämlich auch ohne Kleiderwechsel möglich, zumal man in einer Diskothek außer den Toilettenräumen keine sanitären Anlagen erwartet. Nach der Aussage des Zeugen H1. nehme er allenfalls ein T-Shirt zum Wechseln mit; über die Körperhygiene sehe man hinweg.
141Die Kammer hält die Einlassung der Angeklagten, sie habe ihre Tochter nicht umbringen wollen, im Sinne eines direkten Vorsatzes oder gar einer dahin gehenden Absicht, durchaus für glaubhaft. Als weitere Vorsatzform ist jedoch der dolus eventualis anerkannt, bei welchem der Täter die Erfüllung des Tatbestandes nicht erstrebt oder als sicher voraussieht, sondern nur für möglich hält. Der Eventualvorsatz ist den beiden anderen Vorsatzformen grundsätzlich gleichgestellt, falls das Gesetz nicht Handeln „wider besseres Wissen“ oder direkten Vorsatz verlangt. Zur Verwirklichung eines vorsätzlichen Tötungsdeliktes, auch des Mordes gemäß § 211 StGB, reicht das Vorliegen von Eventualvorsatz aus.
142Bedingter Vorsatz liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und billigt. Die Annahme einer Billigung des Erfolges liegt beweisrechtlich nahe, wenn der Täter sein Vorhaben trotz äußerster Gefährlichkeit durchführt, ohne auf einen glücklichen Ausgang vertrauen zu können, oder wenn er es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht. Auch in solchen Fällen, in denen der Täter trotz Erkennens der Möglichkeit des Erfolgseintritts gleichwohl sein gefährliches Unternehmen aufnimmt oder sein Verhalten fortsetzt, liegt der Nachweis für eine Billigung des Erfolges nahe.
143Die Angeklagte fuhr nach O1. und versetzte sich in den Drogenrausch, obwohl sie erkannt hatte, dass hierin die Gefahr lag, dass sie erst nach einigen Tagen zurückkehren würde. Damit billigte sie den möglichen Tod ihrer Tochter G., denn ihr war bewusst, dass diese eine mehrtägige Abwesenheit nicht überleben würde. Da die Angeklagte keinerlei Vorkehrungen traf, um entweder ihre rechtzeitige Rückkehr oder eine anderweitige Versorgung G.s sicherzustellen, sind keine Anhaltspunkte gegeben, die ein Vertrauen der Angeklagten darauf, es werde schon alles gutgehen, rechtfertigen könnten. Vielmehr überließ sie es völlig dem Zufall, ob G. noch leben würde, wenn sie irgendwann aus O1. zurückkehren würde. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass hinsichtlich der Tötung des eigenen Kindes von einer höchsten Hemmschwelle auszugehen ist. Angesichts des völlig sorg- und rücksichtslosen Verhaltens der Angeklagten gegenüber ihrer Tochter hält die Kammer diese jedoch für überschritten. Der Angeklagten war das Schicksal ihres Kindes um des eigenen Vergnügen willens egal.
144Die Kammer konnte hingegen nicht feststellen, dass die Angeklagte die Hirntumorerkrankung ihrer Tochter schon deswegen erfand, um ihren späteren Tod zu erklären. Insoweit hält sie es für glaubhaft, dass es der Angeklagten darum ging, die Aufmerksamkeit ihrer Schwester und später ihrer Freunde und Bekannten mit dieser Geschichte für sich zu gewinnen. Ihre Erklärung gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. N4., sie hätte es wohl notfalls in Kauf genommen, wieder „blöd dazustehen“, ist plausibel. Sie steht im Einklang mit der Schilderung der Zeugin V., C. habe letztlich unter Tränen eingeräumt, Sachverhalte erfunden zu haben, wenn sie ihre Lügen nicht mehr habe aufrecht erhalten können.
145Die Kammer stützt die Annahme des Tötungsvorsatzes auch nicht auf die festgestellte mehrtägige Mangelernährung des Kindes. Insoweit sind zwei Dinge zu berücksichtigen, die einer Vorverlagerung des Tötungsvorsatzes auf diese Phase entgegenstehen. Zum einen hat sich die Einlassung der Angeklagten, sie habe mit dem Kinderarzt darüber gesprochen, dass G. zu viel trinke, in der Vernehmung des Zeugen Dr. Y. bestätigt. Dieser teilte mit, die laut seiner Dokumentation von der Angeklagten bei den Untersuchungen angegebenen Trinkmengen seien tatsächlich zu hoch für ein Kind in diesem Alter gewesen. Nicht ausschließbar beruhte die Mangelernährung auf einem Missverständnis. Andererseits muss berücksichtigt werden, dass die Angeklagte in dieser Zeit nicht nur ihr Kind, sondern auch die Wohnung vernachlässigte, so dass nicht von einem zielgerichteten Angriff auf ein Rechtsgut - das Leben ihres Kindes - ausgegangen werden kann.
146d)
147Im Übrigen ist die Einlassung der Angeklagten jedoch glaubhaft und sie steht im Einklang mit den weiteren Ermittlungsergebnissen.
148Die Angeklagte hat in der Hauptverhandlung nach der Konfrontation mit dem Zustand ihrer Wohnung durchaus eingeräumt, sich überfordert gefühlt zu haben. Aus den Aussagen ihrer Freundinnen und ihrer Betreuer ergibt sich, dass sie sich das jedoch nicht hat anmerken lassen. Es sei ihr gelungen, nach außen immer perfekt zu wirken. Die Zeugen schilderten die Angeklagte übereinstimmend als liebevolle und fürsorgliche Mutter, die auf ihr Kind reagiert habe. Für die Familienhilfe bestand kein Anlass zur Besorgnis. Die Entwicklung der Angeklagten wurde als eher positiv beschrieben. Es sei ein sinkender Hilfebedarf zu erwarten gewesen.
149e)
150Die Feststellungen zum Tod von G. O. beruhen im Wesentlichen auf den Gutachten der Sachverständigen Dr. A., Dr. L2., Dr. G2. und Dr. B3.
151Der Sachverständige Dr. A. hat die Leiche der G. O. am 19.11.2013 im Institut für Rechtsmedizin der Stadt E3. obduziert. Ferner sind Zusatzgutachten der weiteren genannten Sachverständigen eingeholt worden.
152Die Sachverständige Dr. L2. hat in ihrem toxikologischen Gutachten ausgeführt, sie habe die ihr zur Verfügung gestellten Proben auf Alkohol und andere toxische Substanzen untersucht. Zusammenfassend habe sie keine Anhaltspunkte für eine todesursächliche Vergiftung finden können. Das immunchemische Screening auf Amphetamin habe sich als falsch positiv erwiesen, was durch fäulnisbedingte Veränderungen der Leiche zu erklären sei. Die mittels Gaschromatographie festgestellten auffälligen Alkoholbefunde von etwas über 1,0 ‰ hätten sich in der Alkoholdifferenzierung durch die Universität G3. als Fäulnisalkohole gezeigt. Soweit im Herzblut Nikotin und Koffein nachgewiesen worden seien, bewege sich die Konzentration in einer unauffälligen Größenordnung, die etwa durch Passivrauchen und andere Umwelteinflüsse erklärbar sei.
153Die Kammer macht sich die nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Dr. L2. nach eigener Prüfung zu Eigen. Die Sachverständige ist der Kammer bereits aus mehreren Verfahren bekannt; sie hat keine Zweifel an deren Sachkunde.
154Der neuropathologische Sachverständige Dr. G2. war mit der Untersuchung des Gehirns einschließlich der harten Hirnhaut der verstorbenen G. O. beauftragt. Er berichtete, dass etwas schwerer als zu erwartende Gehirn habe bereits deutliche Fäulnisveränderungen aufgewiesen. Er habe weder Anhaltspunkte für eine tumoröse Erkrankung (insbesondere keine Raumforderungszeichen oder Strukturverschiebungen) noch für eine andere zentralnervöse Todesursache gefunden. In der harten Hirnhaut seien keine Blutungen feststellbar gewesen. Insgesamt habe er keine Hinweise auf eine pathologische Veränderung festgestellt.
155Die Kammer folgt den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G2. vollumfänglich. Sie sind plausibel und widerspruchsfrei. Sie bestätigen die Einlassung der Angeklagten, sie habe sich eine Tumorerkrankung ihres Kindes nur ausgedacht, um Aufmerksamkeit zu erhalten. Zweifel an der fachlichen Expertise des Sachverständigen hat die Kammer nicht.
156Der Sachverständige Dr. A. hat in seinem rechtsmedizinischen Gutachten die Obduktionsbefunde und die hieraus abzuleitenden Ergebnisse vorgestellt.
157Er habe an der Säuglingsleiche eine fortgeschrittene äußere und innere Leichenfäulnis mit Besatz von Maden und Fliegen festgestellt, welche die Erhebung und Interpretation der Befunde deutlich beeinträchtigt habe. Die inneren Organe seien gehörig angelegt gewesen, er habe keinen Anhalt für Missbildungen gefunden. Auffällig sei eine kleine Thymusdrüse gewesen. Hinweise auf eine grobe mechanische Gewalteinwirkung oder ein Schütteltrauma habe es nicht gegeben. Auf der Grundlage sämtlicher morphologischer Organbefunde könne der Tod des Säuglings abschließend nicht erklärt werden. Im Vordergrund der relevanten Befunde stehe der Nachweis einer Thymusdrüseninvolution neben den Zeichen einer Mangelernährung.
158Mädchen im Alter von drei Monaten wiesen ein durchschnittliches Gewicht zwischen 4,2 und 6,7 kg auf; ausweislich der Arztunterlagen habe G. am 14.10.2013 bei der kinderärztlichen Untersuchung 5.500 g gewogen, während ihr Leichnam nur noch ein Gewicht von 3.905 g aufgewiesen habe. Dieser Gewichtsverlust von annähernd 1.600 g sei nicht allein durch den fäulnisbedingten Abgang von Flüssigkeiten zu erklären, der eher in einer Größenordnung von 200 - 300 ml anzunehmen sei.
159Rückschlüsse erlaube das mit nur 5 g bestimmte Gewicht der Thymusdrüse. Diese wiege bei einem Neugeborenen im Durchschnitt 13,3 g (Schwankungsbreite 7,3 – 25,5 g). Die Thymusdrüse bilde sich erst nach der Pubertät im 16. - 18. Lebensjahr zurück. Die vorgefundene Involution des Thymus weise daher auf eine seit mindestens zehn bis vierzehn Tagen bestehende Mangelernährung hin. Die Thymusdrüse bilde sich durch chronischen Hungerstress zurück. Die Rückbildung sei nicht mit dem Zeitraum zwischen dem 31.10.2013 und dem Todeseintritt zu erklären. Eine kurzfristige Mangelernährung von 3 - 4 Tagen führe noch nicht zur Thymusinvolution. Nach dem Tod schrumpfe die Thymusdrüse nicht weiter.
160Der Untersuchungsbefund stehe im Einklang mit der vorgeworfenen kompletten Einstellung der Versorgung. Zu erwarten sei mangels Flüssigkeitszufuhr ein Todeseintritt durch Austrocknung. Der Organismus von G. O. sei auf die Zuführung von 600 – 900 ml Flüssigkeit täglich angewiesen, um die Verluste über Atmung, Haut und Ausscheidungen auszugleichen. Werde die notwendige Menge nicht zugeführt, seien rasch Störungen des Wasser- und Elektrolythaushalts zu erwarten. Unter Berücksichtigung der vorherigen Mangelernährung sei von einer Überlebensdauer nach Einstellung der Versorgung zwischen einem und drei Tagen auszugehen.
161Der Sachverständige Dr. A. hat sich in seinem Gutachten mit alternativen Todesursachen auseinandergesetzt. Er hat dabei einen sogenannten plötzlichen Kindstod (Sudden infant death syndrom SIDS) ausgeschlossen. Am plötzlichen Kindstod verstorbene Kinder wiesen nämlich in den Obduktionsbefunden ein normales Gewicht und eine normal große Thymusdrüse auf.
162Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, der Sterbevorgang sei nicht kurz verlaufen. Durst verursache bei einem Menschen keine Schmerzen im eigentlichen Sinne, sondern ein belastendes Gefühl. Dieses sei heftiger als etwa das Gefühl bei Hunger. Ein Mensch sei grundsätzlich in der Lage, länger ohne Nahrung auszukommen; nicht jedoch ohne Flüssigkeit. Ein selbstständiger Mensch würde aufgrund dieses quälenden Gefühls alles unternehmen, um an Flüssigkeit zu gelangen. Einem Säugling sei dies nicht möglich. Dieser müsse seine Bedürfnisse durch Schreien anzeigen. Es sei deswegen zu erwarten, dass ein drei Monate altes Kind nach dem Aufwachen schreie. Es sei schwierig einzugrenzen, wann eine Apathie oder eine tiefgreifende Bewusstlosigkeit einträten. Der Todeskampf ziehe sich jedoch über Stunden hin. Bewusstlosigkeit trete etwa eine Stunde vor dem Tod ein.
163Die Kammer folgt dem Gutachten des Sachverständigen Dr. A. nach eigener Bewertung. Der Sachverständige hat das Gutachten nachvollziehbar und verständlich erstattet. Er hat die Fragen der Prozessbeteiligten beantwortet. Er ist der Kammer aus zahlreichen Verfahren als verlässlicher rechtsmedizinischer Sachverständiger bekannt.
164Die Kammer schließt aufgrund des übrigen Beweisergebnisses aus, dass G. durch die vorangegangene Mangelernährung bereits so geschwächt war, dass sie am 31.10.2013 bereits apathisch gewesen oder schnell in eine tiefgreifende Bewusstlosigkeit gefallen wäre. Die Kammer hält die Schilderung der Angeklagten, sie habe ihr Kind vor dem Verlassen der Wohnung noch gefüttert, für glaubhaft. Die Zeuginnen B1. und C6. U1., die G. anlässlich des Beratungstermins im Bestattungsinstitut G1. am 29.10.2013 zuletzt gesehen hatten, haben in ihren Vernehmungen übereinstimmend bekundet, G. habe einen normalen Eindruck gemacht. Ihnen sei nichts Ungewöhnliches aufgefallen. Auch die Angeklagte berichtete nicht von Veränderungen in G.s Verhalten vor dem 31.10.2013.
165Mit dem Sachverständigen Dr. A. geht die Kammer davon aus, dass G.s Tod zwischen dem Abend des 01.11.2013 und dem 03.11.2013 eingetreten ist. Diese Feststellung steht im Einklang mit dem Entomologischen Gutachten des Sachverständigen Dr. B3., der für die Kammer nachvollziehbar einen Todeseintritt zwischen dem 01. und 06.11.2013 für wahrscheinlich hielt.
166Diese Überzeugung vermag die Aussage der Zeugin E4. T5., die G. am Nachmittag des 04.11.2013 noch habe schreien hören wollen, nicht zu erschüttern. Die Zeugin hat zwar bekundet, sie habe auf dem Weg zur Waschmaschine vor der Wohnungstür der Angeklagten deutlich Kindergeschrei gehört. Die Kammer hat jedoch nicht überwindbare Zweifel an der Richtigkeit der Aussage. Es erscheint merkwürdig, dass die Zeugin T5. die Schreie nur zu diesem Anlass bemerkt haben will, obwohl sie das Haus als sehr hellhörig beschrieb. Letztlich ist zu berücksichtigen, dass nicht ausschließbar während des Aufenthalts der Angeklagten in O1. der Fernseher in der Wohnung eingeschaltet war. Der Sachverständige A. hat nachvollziehbar dargelegt, dass er ein Überleben des Säuglings über drei Tage hinaus für sehr unwahrscheinlich halte. Zudem zeigte die Zeugin eine deutliche Tendenz, die Angeklagte zu belasten, indem sie sich über viele Dinge beschwerte, die ihr negativ aufgefallen waren. Die Kammer hatte außerdem Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Zeugin.
167IV.
168Die Angeklagte hat sich wegen Mordes durch Unterlassen gemäß §§ 211, 13 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Die Angeklagte hat ihre Tochter grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet.
1691.
170Sie war als Mutter und alleinige Sorgeberechtigte für das Wohl ihres Kindes verantwortlich im Sinne eines Beschützergaranten. Sie war aus der in § 1626 BGB normierten elterlichen Sorge rechtlich verpflichtet, ihr Kind zu versorgen und zu pflegen. Diese Pflicht hat sie durch ihre mehrtägige Abwesenheit verletzt. Die unterlassene Versorgung war für den Todeseintritt ursächlich.
1712.
172Grausam tötet, wer dem Opfer Schmerzen oder Qualen körperlicher oder seelischer Art zufügt, die nach Stärke oder Dauer über das für die Tötung erforderliche Maß hinausgehen. Subjektiv wird ein Handeln aus einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung verlangt, die jedoch regelmäßig schon anzunehmen ist, wenn der Täter die Schmerzen in Kenntnis ihrer Wirkung zufügt.
173Nach den Feststellungen der Kammer ist der Tod frühestens einen Tag nachdem die Angeklagte ihr Kind zurückgelassen hatte, eingetreten. Ein gut drei Monate alter Säugling ist auf regelmäßige Mahlzeiten, in diesem Lebensalter etwa alle fünf bis sechs Stunden, angewiesen und macht entsprechend durch Schreien auf sich aufmerksam. Da sich im dritten Lebensmonat der Schlafrhythmus allmählich an Tag und Nacht anpasst, kann eine Nachtschlafphase bis zu acht Stunden dauern. Selbst bei der Annahme einer ausreichenden Fütterung vor Verlassen der Wohnung, die spätestens um 22 Uhr stattgefunden hat, ist deswegen davon auszugehen, dass G. spätestens am nächsten Morgen aufgewacht ist und nach Nahrung verlangt hat. Akuter Durst verursacht zwar nach den sachverständigen Ausführungen des Rechtsmediziners Dr. A. und der allgemeinen Lebenserfahrung keine Schmerzen im eigentlichen Sinne. Er ist jedoch ein extrem belastendes und quälendes Gefühl. Dabei handelt es sich auch um ein Warnsignal des Körpers. Dieses Gefühl sorgt dafür, dass ein normaler Mensch alles unternehmen würde, um etwas zu trinken zu bekommen, um den gestörten Wasserhaushalt wieder auszugleichen. Demgegenüber ist ein Säugling dieser Lage völlig hilflos ausgesetzt, er kann seinen Durst nicht selbst stillen. Das Leiden des zurückgelassenen Säuglings zog sich mindestens über zwölf Stunden hin, in denen G. verzweifelt nach Nahrung schrie.
174Nach den Feststellungen ist Grausamkeit nicht deswegen zu verneinen, weil dem Opfer bereits jede Empfindungsfähigkeit fehlte. Die Kammer verkennt nicht, dass eine vorangegangene zehn- bis vierzehntägige Unterversorgung anzunehmen ist. Das Kind zeigte jedoch weder nach der Schilderung der Angeklagten, noch nach den Angaben der Zeuginnen B1. und C6. U1., die G. zuletzt am 29.10.2013 gesehen haben, Auffälligkeiten, die auf eine Beeinträchtigung des Bewusstseins oder eine Apathie hindeuten könnten. Zudem geht die Kammer davon aus, dass die Angeklagte ihr Kind tatsächlich irgendwann am Abend des 31.10.2014 noch gefüttert hat. Damit standen dem kindlichen Organismus sowohl Flüssigkeit als auch Nährstoffe zur Verfügung. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass G. bereits während des Nachtschlafs in einen Zustand tiefer und dauerhafter Bewusstlosigkeit bis zum Eintritt des Todes fiel.
175Die Angeklagte handelte subjektiv aus einer gefühllosen und unbarmherzigen Gesinnung ihrem Kind gegenüber. Sie wusste, dass G. auf die regelmäßige Fütterung angewiesen war und eine längere Abwesenheit der Mutter nicht überleben würde. Das Leiden ihres Kindes war ihr jedoch völlig gleichgültig. Hierauf schließt die Kammer, weil sich die Angeklagte gleichwohl entschied, nach O1. zu fahren, ohne Vorsorge dafür zu treffen, dass sie möglicherweise nicht rechtzeitig zurückkommen konnte, etwa indem sie eine Vertrauensperson informierte. Anlass zu Maßnahmen bestand für die Angeklagte schon deswegen, da es ihr gerade darauf ankam, sich in O1. in einen Rauschzustand zu versetzen. Hinzu kommen die Unwägbarkeiten einer Reise in eine 70 km entfernte Stadt und des Aufenthalts dort. Nach den Feststellungen nahm die Angeklagte zumindest billigend in Kauf, mehrere Tage nicht zurückzukehren. Sie fand sich damit ebenso wie mit dem daraus resultierenden qualvollen Tod ihrer Tochter ab.
176Die Kammer hat bei der Prüfung des Mordmerkmals die zuvor über zehn bis vierzehn Tage erfolgte Unterversorgung des Kindes außer Betracht gelassen. Denn es konnte nicht festgestellt werden, dass die Angeklagte bereits in diesem Zeitraum einen Tötungsvorsatz gefasst und die Ernährung des Kindes bereits zur Verwirklichung eines solchen Tatentschlusses reduziert hatte.
1773.
178Beweggründe zu einem Tötungsverbrechen sind „niedrig”, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb als besonders verachtenswert erscheinen; die Beurteilung dieser Frage hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu erfolgen (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, etwa Beschluss vom 22. 7. 2010, 4 StR 180/10, NStZ 2011, 35, m.w.N.).
179Das Tatverhalten der Angeklagten ist geprägt von krasser Eigensucht. Sie hat ihr Interesse, ein relativ sorgloses Leben ohne jedwede Verantwortung weiterführen zu können, über das Lebensrecht ihrer Tochter gestellt. Hauptmotiv für die Tat war der Wunsch der Angeklagten, nach O1. zu fahren, dort eine mehrtägige Party zu besuchen, sich in einen Drogenrausch zu versetzen und eine Liebesbeziehung zu dem Zeugen H1. aufzubauen. Es besteht ein krasses Missverhältnis der im Konflikt stehenden Rechtsgüter und Interessen, namentlich zwischen dem Interesse der Angeklagten, etwas erleben zu wollen, und dem Leben ihrer Tochter auf der anderen Seite. Glück bedeutete für die Angeklagte nicht das mit den alltäglichen Sorgen und Nöten einhergehende Mutterglück, sondern einen „künstlichen“ Zustand, in dem die Realität völlig verdrängt war. Die Angeklagte versetzte sich in den Rausch, um die Belastungen des Alltags als alleinerziehende Mutter hinter sich zu lassen, und die Realität samt ihrer auf sie angewiesenen Tochter auszublenden. G. hat der Angeklagten abgesehen von ihrer bloßen Existenz keinerlei Anlass zur Tat gegeben. Die Angeklagte erblickte jedoch allein in der Existenz ihres Kindes schon ein Hindernis. Sie war nicht bereit, Verantwortung zu übernehmen und ihre Interessen hinter dem Recht ihrer Tochter auf Leben zurückstehen zu lassen. Hierin liegt eine besondere Geringschätzung des fremden Lebensrechts, die auf tiefster Stufe steht und besonders verachtenswert erscheint.
180Dieser Wertung steht die Überforderung der Angeklagten als alleinerziehende Mutter nicht entgegen. Denn es bleibt festzuhalten, dass die Angeklagte leicht zugängliche Hilfsangebote nicht angenommen hat. Die Zeuginnen D2. V. und C6. U1. äußerten in ihren Vernehmungen nämlich durchaus Verständnis dafür, dass eine junge Mutter nicht immer zu Hause herumsitzen wolle, verbunden mit der Bereitschaft, auf G. aufzupassen.
181Die generelle gleichgültige Einstellung gegenüber ihrer Tochter ließ die Angeklagte vor der Tat bereits daran erkennen, dass sie ihr Kind wiederholt alleine in der Wohnung zurückließ.
182Die Umstände, welche der Bewertung der Beweggründe als niedrig zugrunde liegen, waren der Angeklagten auch bekannt. Das Verhalten der Angeklagten war in den letzten Wochen vor der Tat zudem bei ihren Freundinnen F1. C5. und W. X2. auf massives Unverständnis gestoßen. Der Angeklagten war bewusst, dass ihr Verhalten für eine alleinerziehende Mutter unangemessen war. Die Einsichtsfähigkeit der Angeklagten war nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. N4. auch unter Berücksichtigung ihrer Einschränkungen durch das Fetale Alkohol-Syndrom zu keiner Zeit eingeschränkt. Sie erkannte das Spannungsfeld zwischen ihrem Wunsch, das unbeschwerte Leben fortzusetzen und dem Leben ihres Kindes. Die Beurteilung ihres Motivs als sittlich besonders anstößig war ihrer Einsicht zugänglich. Sie war beim Verlassen der Wohnung am Abend des 31.10.2013, auf der Fahrt nach O1. und bei der Entscheidung im Club D1., sich Ecstasy und Amphetaminen hinzugeben, in der Lage, die betroffenen Rechtsgüter angemessen gegeneinander abzuwägen. Der Sachverständige Dr. N4. hat hierzu auf gezielte Nachfrage ausgeführt, dass die Abwägung nicht krankheitsbedingt verschoben gewesen sei. Etwas anderes ergebe sich erst durch die Mischintoxikation aus Ecstasy, Amphetaminen und Alkohol. Erst die kombinierte Wirkung dieser Substanzen führe zu einer Verminderung der Einschätzungs- und Urteilsfähigkeit, aufgrund derer das Anliegen zur Versorgung der Tochter nicht ausschließbar aus dem gedanklichen Fokus geraten sei.
183Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Angeklagte ihre Regungen gedanklich beherrscht und willensmäßig gesteuert. Das Fetale Alkohol-Syndrom ist bei ihr nicht im klinischen Vollbild ausgeprägt. Eine Persönlichkeitsstörung, die der Angeklagten die Einsicht in die Bewertung ihrer Motive als niedrig versperrt, liegt nicht vor.
184V.
1851.
186Gegen die Angeklagte war gemäß § 211 Abs. 1 StGB
187lebenslange Freiheitsstrafe
188zu verhängen.
189Gesetzlich vertypte Milderungsgründe, die über die Anwendung von § 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB die Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe ermöglicht hätten, liegen nicht vor.
190a)
191Die Angeklagte handelte voll schuldfähig. Zu diesem Schluss ist die Kammer aufgrund des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen Dr. N4. gelangt, der die Angeklagte zu diesem Zweck am 17.05.2014 und am 24.05.2014 in der Justizvollzugsanstalt H2. aufgesucht und exploriert hat.
192Besonderes Augenmerk der Kammer und des Sachverständigen galt dem bei der Angeklagten vorliegenden Fetalen Alkohol-Syndrom und dessen forensisch-psychiatrischer Relevanz.
193"Das Fetale Alkoholsyndrom ist ein durch mütterlichen Alkoholmissbrauch während der Schwangerschaft bedingtes, toxisches, polydystrophes Fehlbildungssyndrom beim Kind. Embryo und Fetus werden durch das leicht plazentagängige Zell- und Mitosegift Alkohol und seinen Metaboliten Acetaldehyd direkt geschädigt. Die Zellschädigung äußert sich in Hypotrophie, Dystrophie und Hypoplasie, die in der embryonalen Entwicklung der Organsysteme bereits beginnen und sich auch auf die spätere Histo- und Fetogenese auswirken. Körperliche, geistig-intellektuelle und Verhaltensstörungen treten mit variabler Expressivität auf.
194Das Gehirn ist im embryofetalen Organismus während der gesamten Schwangerschaft besonders empfindlich. Es ist in seinem Wachstum, seiner Ausdifferenzierung und seinen Funktionen das vorrangige Ziel der vorgeburtlichen toxischen Alkoholeinwirkung. Alkoholbedingte neurotoxisch-encephalopathische Veränderungen beim Kind sind damit weit häufiger als die sichtbaren körperlichen Merkmale. Diese hirnorganischen Schädigungen, die nicht oder nur geringfügig von sichtbaren Fehlbildungen begleitet werden, werden als partielles FAS oder als Fetale Alkoholeffekte bezeichnet. Sie erscheinen in der weiteren Entwicklung des Kindes als kognitive und emotionale Einschränkungen sowie Verhaltensauffälligkeiten in gleicher Ausprägung wie beim FAS. Das gesamte Spektrum der vorgeburtlichen Alkoholschädigung vom klinischen Vollbild des FAS bis hin zu dem sich überwiegend in Störungen der intellektuellen Leistung, des Erlebens und Verhaltens manifestierenden partiellen FAS wird heute unter dem Begriff Fetal Alcohol Spectrum Disorders (FASD) zusammengefasst."
195(Dr. Reinhold Feldmann, Forschungsstelle FAS der Universitätskliniken Münster, http://www.fetales-alkoholsyndrom.de/definition_einteilung.html)
196Der Sachverständige Dr. N4. gelangt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die in der Exploration und in der Hauptverhandlung gewonnenen Erkenntnisse hinreichend sicher das Vorliegen eines Fetalen Alkohol-Syndroms bei der Angeklagten bestätigen.
197Er hat diesen Befund wie folgt begründet:
198Aufgrund der verlässlichen Zeugenangaben zur Trinkmenge der Mutter sei von einer embryonalen Gewebeschädigung des Gehirns auszugehen, da Alkohol bei einem Ungeborenen die Blut-Hirn-Schranke passiere. Dabei bekomme der Fötus die von der Mutter aufgenommene Alkoholmenge ungefiltert ab.
199Gleichwohl hätten sich im psychischen Befund keine Hinweise auf eine psychische Störung nach den Kriterien der ICD-10 ergeben, was aber bei einem FAS nicht zwingend zu erwarten sei.
200Bei der morphologischen Gesamtbetrachtung falle insbesondere im Vergleich mit ihrer älteren Schwester U. auf, dass die Angeklagte deutlich kleiner und gedrungener sei. Die Angeklagte weise bei einer Körpergröße von 1,59 m und einem Gewicht von 59 kg eine stammbetonte Statur auf, während ihre Schwester schlank und leptosom wirke. Diese unspezifisch syndromale Veränderung lasse sich nicht genetisch durch unterschiedliche Anlagen der Eltern erklären. Vielmehr stelle die relative Kleinwüchsigkeit ein Argument für das Vorliegen des FAS dar. Hiergegen spreche auch nicht, dass sich die mit dem Vollbild eines FAS einhergehenden typischen Missbildungen des Gesichtsschädels bei der Angeklagten auch auf Kinderbildern nicht ausmachen ließen. Diese besäßen nämlich nicht mehr die ihnen früher zugemessene Relevanz. Inzwischen habe die Forschung erkannt, dass die kraniofaszialen Veränderungen eine breite Variabilität aufwiesen.
201Der bei einem der stationären Aufenthalt getestete Intelligenzquotient von 85 sei mit der Annahme eines FAS vereinbar, da nicht jeder Betroffene schwere intellektuelle Schädigungen aufweise.
202Zunehmende Bedeutung werde den Störungen auf der Ebene der Verhaltensauffälligkeiten zugemessen. Typischerweise sei das Verhalten von Betroffenen geprägt durch ein hohes Maß an Verleitbarkeit, Naivität und Arglosigkeit in sozialen Interaktionen mit Persistieren einer gewissen Gutgläubigkeit und Unbedarftheit. Das Verhaltensmuster der Angeklagten beinhalte eine leichte Ablenkbarkleit und Verführbarkeit, sie sei sehr abhängig von der Kontrolle externer Impuls- und Taktgeber. Der ergänzend als Fremdbeurteilungsinstrument herangezogene und von den Pflegeeltern V. ausgefüllte Fragebogen „Fetal Alcohol Syndrome Questionnaire (FASQ)“ habe zwar in der Auswertung nicht den verwertbaren Summenscore erbracht. Die Auswertung sie jedoch nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ zu betrachten. Dabei stächen einige Merkmale wie Lügen, Erfinden von Ausreden, Nichteinhaltung von Regeln und das Ausspielen anderer Menschen gegeneinander hervor, ebenso wie die Notwendigkeit einer vorgegebenen Tagesstruktur und einer permanenten Betreuung. Es schälten sich damit einige charakteristische Verhaltensweisen FAS-Geschädigter heraus.
203Die Tendenz der Angeklagten, durch drastische Mitteilungen ohne Wahrheitsgehalt manipulativ Zuwendung auszulösen, könne bis zu einem gewissen Maße als ein charakteristisches Verhaltensmoment FAS-Geschädigter aufgefasst werden. Es handele sich jedoch nicht um spezifische Verhaltensweisen. Menschen manipulierten aus vielen unterschiedlichen Ursachen und Beweggründen. Bei der Beschuldigten habe sich die Manipulationsbereitschaft wiederholt unter einem hohen emotionalen Mitteilungsdruck verfestigt und sei motivisch dem Bedürfnis entsprungen, Aufmerksamkeit und Zuwendung des Umfelds zu gewinnen. Die Erfahrungen, mit Falschbehauptungen in der Vergangenheit irgendwie durchgekommen zu sein, habe die Angeklagte in diesem Verhaltensstil bestärkt.
204Dass das Vorliegen eines FAS bei der Angeklagten bisher in den psychiatrischen Behandlungen, auch auf dem Gebiet der Jugendpsychiatrie, nicht festgestellt worden sei, sei möglicherweise damit zu erklären, dass aufgrund der stigmatisierenden Wirkung des Syndroms eine gewisse Zurückhaltung bestehe, um eine Etikettierung und Belastung der Patienten zu vermeiden.
205Da es sich bei FAS nicht um eine Diagnose im medizinischen Sinne, sondern um ein Syndrom, d.h. die charakteristische Konstellation mehrere Symptome handele, sei die forensisch-psychiatrische Relevanz im Einzelfall am Maßstab der §§ 20, 21 StGB zu prüfen. Die bei der Angeklagten aus dem FAS resultierende strukturell bedingte hirnorganische Verhaltensbeeinflussung mit Auffälligkeiten, die inkonstant aufträten und von der sozialen Norm abwichen, sei für sich genommen nicht geeignet, das Handeln im Zusammenhang mit dem Tatvorwurf zu erklären. Denn die Störung sei bei der Angeklagten nicht in der Weise ausgeprägt, dass sich als Bestandteil des Syndroms eine krankhafte seelische Störung, Schwachsinn oder eine schwere andere seelische Abartigkeit, etwa eine Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung mit Krankheitswert im Sinne der Eingangsmerkmale der §§ 20, 21 StGB diagnostizieren ließen.
206Auch in der zweiwöchigen Phase der Vernachlässigung der Wohnung verbunden mit der Mangelversorgung des Kindes sei aus forensisch-psychiatrischer Sicht nicht von dem Vorliegen eines Eingangskriteriums auszugehen. Insoweit habe die Exploration keine Hinweise auf eine endogene affektive oder schizophrene Psychose bzw. anderweitige psychische Störung nach ICD-10 oder vergleichbaren ärztlichen Leitlinien ergeben. Die Verwahrlosung der Wohnung könne mit der Charakteristik des FAS erklärt werden. Die Angeklagte habe in der Vergangenheit aber immer wieder gezeigt, dass sie sehr gut in der Lage sei, Hilfe anzufordern. Soweit der Cannabiskonsum der Angeklagten zu einer gewissen Gleichgültigkeit gegenüber den häuslichen und mütterlichen Pflichten geführt haben möge, bleibe festzustellen, dass die entspannende Wirkung und daraus folgende geminderte Kritikfähigkeit nicht die Erheblichkeitsschwelle des § 21 StGB erreiche. Die Kontaktvermeidung zur Familienhilfe sei normalpsychologisch als neutrales Verhalten zu bewerten und habe daher keine psychiatrische Relevanz.
207Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, er könne jedoch nicht ausschließen, dass die Steuerungsfähigkeit der Angeklagten während ihres Aufenthalts in der Diskothek D1. aufgrund der dort konsumierten Betäubungsmittel erheblich eingeschränkt im Sinne von § 21 StGB gewesen sei.
208Den Ausführungen der toxikologischen Sachverständigen Dr. L1. zu den Wirkungen von Ecstasy und Amphetaminen sei aus psychiatrischer Sicht zuzustimmen. Die klinische Substanzwirkung beinhalte neben dem Verlust der Körperschutzfunktionen auch eine mögliche Einbuße des Zeitgefühls, der Selbstkritik und der Erinnerungsfähigkeit. Während der Konsum von Amphetaminen eher zur Selbstüberschätzung führe, seien bei Ecstasy Wahrnehmungsstörungen und Verkennungen mögliche charakteristische Symptome infolge des Konsums. Die kombinierte Einnahme sei im Hinblick auf den Verlust der Kontrollfunktionen besonders kritisch zu bewerten. Der hierdurch ausgelöste Rauschzustand sei als krankhafte seelische Störung zu bewerten. Es treffe jedoch nicht zu, dass die Angeklagte jegliches Zeitgefühl verloren habe. Es sei in den groben Zügen erhalten geblieben. So sei sie in der Exploration in der Lage gewesen, die einzelnen Tage in der D1. durchzugehen und die Abläufe des zweieinhalbtägigen Aufenthalts zu reproduzieren. Mit Ausnahme der halluzinatorischen Phase in der Nacht von Samstag auf Sonntag, die möglicherweise auf ein ihr zugeführtes weiteres Halluzinogen zurückgehen, fehlten weitere Hinweise auf massive Intoxikationsanzeichen. Jedoch sei die Schwächung der Kritikfähigkeit zu berücksichtigen. Es erscheine möglich, dass die typischen klinischen Substanzwirkungen mit erhöhter Risikobereitschaft, nachlassender Fähigkeit zur Reflexion und ein vermindertes Urteilsvermögen zügig nach Beginn des Aufenthalts in der D1. bei der Angeklagten handlungsbestimmende Relevanz erlangten. Die leicht ablenkbare Angeklagte habe hierzu angegeben, durch die Intensität der auf sie einwirkenden Farben vereinnahmt worden zu sein. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Anliegen zur Versorgung ihrer Tochter zunehmend aus dem gedanklichen Fokus geraten sei.
209Die Kammer schließt sich dem verständlichen Gutachten des Sachverständigen nach eigener kritischer Überprüfung und Würdigung an. Der Sachverständige Dr. N4. hat sein Gutachten schlüssig und widerspruchsfrei vorgetragen sowie nachvollziehbar und anschaulich begründet. Er hat sein zunächst aufgrund der Weigerung der Angeklagten, sich explorieren zu lassen, nach Aktenlage erstattetes vorläufiges Gutachten revidiert, nach dem die Angeklagte in der Hauptverhandlung einer Untersuchung durch den Sachverständigen zugestimmt hat. Hierzu hat er sich ausführlich in die ihm bereits bekannte Thematik des Fetalen Alkohol-Syndroms eingearbeitet. Das Gutachten genügt allen Anforderungen, die an ein Schuldfähigkeitsgutachten nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu stellen sind. Der Sachverständige ist von zutreffenden Anknüpfungstatsachen ausgegangen. Er hat die an ihn gerichteten Fragen der Prozessbeteiligten vollständig beantwortet. Die Kammer hat keine Zweifel an der Fachkunde des Sachverständigen Dr. N4., der als stellvertretender Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik N5. über große fachliche Erfahrung verfügt. Er ist ihr aus zahlreichen Verfahren als zuverlässiger Gutachter bekannt.
210Die Kammer verkennt nicht, dass die Angeklagte aufgrund der Einnahme insbesondere von Ecstasy und Amphetaminen kurz nach ihrer Ankunft im Club D1. durch die Wirkung der konsumierten Betäubungsmittel in Kombination mit der bei ihr anzunehmenden hirnorganischen Vorschädigung in einen Zustand der krankhaften seelischen Störung geriet, in dem eine erhebliche Einschränkung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB nicht ausgeschlossen werden kann.
211Gemäß § 8 S. 1 StGB ist das Unterlassungsdelikt zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter hätte handeln müssen. Als der Zustand der nicht auszuschließenden eingeschränkten Schuldfähigkeit der Angeklagten eintrat, lebte G. noch. Zugunsten der Angeklagten ist davon auszugehen, dass sie sich noch in diesem Zustand befand, als das Leiden ihrer Tochter den Punkt erreichte, von dem an der tödliche Verlauf nicht mehr umkehrbar war.
212Eine Strafmilderung aus § 21 StGB bleibt der Angeklagten gleichwohl verwehrt.
213Gerät der Täter erst während der Tathandlung in einen Zustand völliger Schuldunfähigkeit, so sind ihm seine Handlungen auch dann zuzurechnen, wenn sie vom Vorsatz erfasst waren und der Tatablauf der Vorstellung entsprach, die er sich noch vor dem Eintritt der Schuldunfähigkeit von dem Tatgeschehen gemacht hatte, sog. actio bzw. omissio libera in causa. Der zwischenzeitliche Eintritt der Schuldunfähigkeit stellt sich dann als unwesentliche Abweichung im Kausalverlauf dar. In einem solchen Fall ist der Täter wegen vollendeter Tat, begangen im schuldfähigen Zustand, zu bestrafen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 30.04.2003, 2 StR 503/02, NStZ 2003, 535) kann für den Eintritt der erheblich verminderten Schuldfähigkeit während der Tatausführung nichts anderes gelten. Die Versagung einer Strafmilderung in diesem Fall steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung zum Vorverschulden und zur actio libera in causa, bei der jeweils an ein Verschulden oder Verhaltensweisen des Täters vor Tatbeginn angeknüpft und eine Strafmilderung trotz Tatbegehung im Zustand verminderter Schuldfähigkeit nicht gewährt wird. Hingegen hat der Täter, wenn er erst während der Tat – bei ansonsten planmäßiger Durchführung der Tat – erheblich vermindert schuldfähig geworden ist, seinen Tatentschluss nicht nur im voll schuldfähigen Zustand gefasst, sondern sogar noch in diesem Zustand über die Versuchsgrenze hinaus umgesetzt (BGH, aaO.).
214Der Tatablauf entsprach völlig dem Vorstellungsbild, dass sich die Angeklagte im voll schuldfähigen Zustand gemacht hatte, als sie ihre Tochter G. am Abend des 31.10.2013 das letzte Mal versorgte, die Wohnung verließ und sich auf den Weg zu ihrer Verabredung in O1. machte. Die Angeklagte fuhr gerade mit dem Ziel nach O1., im Laufe der Nacht einen Zustand zu erreichen, in dem sie jegliche Verpflichtungen vergessen würde. Dabei nahm sie ihre verspätete Rückkehr - wie in den Feststellungen dargelegt - billigend in Kauf. Es besteht für die Kammer auch kein vernünftiger Zweifel daran, dass der Angeklagten bei der Versorgung ihrer Tochter bewusst war, dass diese eine mehrtägige Abwesenheit nicht überleben würde. Es ist nicht lebensnah, dass die Angeklagte auf das Ausbleiben des für möglich gehaltenen Taterfolgs vertraute. Obwohl ihr nach ihren Angaben bereits am Sonntag bewusst wurde, dass sie ihre Tochter alleine in der Wohnung zurückgelassen hatte, setzte sie nicht alle Hebel in Bewegung, um den Tod eventuell noch abzuwenden; vielmehr ging sie selbst fest davon aus, G. sei schon verstorben.
215Die Angeklagte hat den Zustand der nicht ausschließbar erheblich verminderten Schuldfähigkeit daher bewusst wie zuvor von ihr geplant – und damit vorwerfbar - herbeigeführt.
216Die Kammer konnte hingegen nicht feststellen, dass sich die Angeklagte am Abend des 31.10.2013 bereits bei ihrem Aufbruch aus der Wohnung, auf dem Weg zum Bahnhof einschließlich des Besuchs bei der Zeugin X2. oder auf der Fahrt nach O1. aufgrund des Konsums berauschender Mittel in einem Zustand der krankhaften seelischen Störung im Sinne von §§ 20, 21 StGB mit einer einhergehenden erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit befunden hätte.
217b)
218Die Kammer hat von der in § 13 Abs. 2 StGB eröffneten Möglichkeit, den Strafrahmen aufgrund der Tatbegehung durch Unterlassen nach § 49 Abs. 1 StGB zu verschieben, keinen Gebrauch gemacht.
219Die fakultative Strafmilderung trägt nach der gesetzgeberischen Intention dem Umstand Rechnung, dass der Unrechts- und Schuldgehalt beim Unterlassen geringer sein kann als beim aktiven Tun, sodass ein Untätigbleiben als Fehlverhalten demgemäß vielfach weniger schwer wiegt als ein deliktisches Handeln.
220Die Frage, ob eine Strafrahmenmilderung nach § 13 Abs. 2 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB geboten ist, muss der Tatrichter in einer wertenden Gesamtwürdigung der wesentlichen unterlassungsbezogenen Gesichtspunkte prüfen. Zu berücksichtigen sind dabei vor allem diejenigen Momente, die etwas darüber besagen, ob das Unterlassen im Verhältnis zur entsprechenden Begehungstat weniger schwer wiegt oder nicht. Dabei kommt besondere Bedeutung der Frage zu, ob die gebotene Handlung von dem Unterlassungstäter mehr verlangt als den normalen Einsatz rechtstreuen Willens (BGH, Beschluss vom 16.10.1997 - 4 StR 487/97, NStZ 1998, 245; m.w.N.).
221Nach Auffassung der Kammer enthält die Tötung eines Säuglings durch Verdurstenlassen gravierende schulderhöhende Momente. Die Einstellung der Versorgung führt zu einem sich über längere Zeit hinziehenden Sterbeprozess. Die Angeklagte hat das Urvertrauen ihres völlig hilflosen Kindes auf mütterliche Zuwendung und Bedürfnisbefriedigung enttäuscht. Das Verhungern- oder Verdurstenlassen eines Kindes ist eine Tatbegehungsform, die ihrer Natur nach vorwiegend Unterlassungselemente enthält (vgl. BGH, Urteil vom 03.09.2008, 2 StR 305/08). Die gebotene Versorgung des Kindes hätte an die Angeklagte keine Anforderungen gestellt, denen sie nur erschwert hätte nachkommen können. Eine Handlungsalternative hätte nicht nur darin bestanden, auf die Fahrt nach O1. zu verzichten, sondern G. tatsächlich, wie von der Angeklagten wahrheitswidrig vorgegeben, bei der Familie V. unterzubringen, auf deren Hilfsangebote die Angeklagte jedoch nicht eingegangen war. Auch unter Berücksichtigung der festgestellten Überforderung der Angeklagten mit ihren häuslichen Pflichten und den Schwierigkeiten bei der Bewältigung des Alltags wiegt die Unterlassungstat keinesfalls weniger schwer als die Begehungstat und verdient keine niedrigere Strafe als die Tötung des Kindes durch aktives Tun.
2222.
223Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat bereits das erkennende Gericht bei der Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe in analoger Anwendung des § 57a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB die besondere Schwere der Schuld zu prüfen.
224Die Kammer vermag eine besonders schwere Schuld der Angeklagten, die deutlich das Maß an Schuld übersteigt, das zur Verhängung der lebenslangen Freiheitsstrafe erforderlich ist, nach der vorzunehmenden Gesamtabwägung nicht festzustellen.
225Zwar kann auch das Vorliegen mehrerer Mordmerkmale die Tatschuld erheblich steigern, jedoch ist dies nicht schlechthin der Fall. Den schuldsteigernden Faktoren stehen schuldmindernde Umstände gegenüber, wie sie bei der Zumessung einer zeitigen Freiheitsstrafe innerhalb eines (von § 211 StGB nicht eröffneten) Strafrahmens zu berücksichtigen wären.
226Die Persönlichkeit der Angeklagten ist geprägt von ihrer ungünstigen Sozialisation in ihrer Herkunftsfamilie. Es sind gravierende Reifeverzögerungen festzustellen. Zudem stellt die Beeinträchtigung durch das Fetale Alkoholsyndrom, die sich insbesondere in ihrem Verhalten zeigen, die Angeklagte vor besondere Herausforderungen, wenngleich auch nicht die zur Anwendung von § 21 StGB notwendige Erheblichkeitsschwelle überschritten worden ist. Bei der Bewertung der Schwere der Schuld der Angeklagten war insbesondere zu berücksichtigen, dass der Angeklagten der aufgrund der Einschränkungen durch das Fetale Alkohol-Syndrom erforderliche strukturierende, kontrollierende und beschützende Rahmen bislang nicht gewährt worden ist.
227VI.
228Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.
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Annotations
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.
(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Eine Tat ist zu der Zeit begangen, zu welcher der Täter oder der Teilnehmer gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen. Wann der Erfolg eintritt, ist nicht maßgebend.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Ohne Schuld handelt, wer bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen Störung, wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder wegen einer Intelligenzminderung oder einer schweren anderen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Das Gericht setzt die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus, wenn
- 1.
fünfzehn Jahre der Strafe verbüßt sind, - 2.
nicht die besondere Schwere der Schuld des Verurteilten die weitere Vollstreckung gebietet und - 3.
die Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 vorliegen.
(2) Als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 gilt jede Freiheitsentziehung, die der Verurteilte aus Anlaß der Tat erlitten hat.
(3) Die Dauer der Bewährungszeit beträgt fünf Jahre. § 56a Abs. 2 Satz 1 und die §§ 56b bis 56g, 57 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 gelten entsprechend.
(4) Das Gericht kann Fristen von höchstens zwei Jahren festsetzen, vor deren Ablauf ein Antrag des Verurteilten, den Strafrest zur Bewährung auszusetzen, unzulässig ist.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
(1) Die Kosten des Verfahrens hat der Angeklagte insoweit zu tragen, als sie durch das Verfahren wegen einer Tat entstanden sind, wegen derer er verurteilt oder eine Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn angeordnet wird. Eine Verurteilung im Sinne dieser Vorschrift liegt auch dann vor, wenn der Angeklagte mit Strafvorbehalt verwarnt wird oder das Gericht von Strafe absieht.
(2) Sind durch Untersuchungen zur Aufklärung bestimmter belastender oder entlastender Umstände besondere Auslagen entstanden und sind diese Untersuchungen zugunsten des Angeklagten ausgegangen, so hat das Gericht die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten. Dies gilt namentlich dann, wenn der Angeklagte wegen einzelner abtrennbarer Teile einer Tat oder wegen einzelner von mehreren Gesetzesverletzungen nicht verurteilt wird. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für die notwendigen Auslagen des Angeklagten. Das Gericht kann anordnen, dass die Erhöhung der Gerichtsgebühren im Falle der Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters ganz oder teilweise unterbleibt, wenn es unbillig wäre, den Angeklagten damit zu belasten.
(3) Stirbt ein Verurteilter vor eingetretener Rechtskraft des Urteils, so haftet sein Nachlaß nicht für die Kosten.