Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Beschluss, 30. Apr. 2018 - 5 Ta 28/18

ECLI:ECLI:DE:LARBGSH:2018:0430.5TA28.18.00
bei uns veröffentlicht am30.04.2018

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 30.01.2018, Az. 6 Ca 2122/17, aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

Der Antrag zu 1) wird abgetrennt.

Für den Antrag zu 1) wird der Rechtsweg der Gerichte für Arbeitssachen für zulässig erklärt.

Im Übrigen verbleibt es im Hinblick auf den Antrag zu 2) bei der Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Lübeck.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Im Beschwerdeverfahren wendet sich die Klägerin gegen die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Lübeck, wobei die Beschwerde beschränkt ist auf die mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Vergütungsansprüche.

2

Im Hauptsacheverfahren streiten die Parteien um Ansprüche der Klägerin auf Zahlung von Vergütung und Zahlungsansprüchen aus Miet-/Pachtverträgen. Die Klägerin war von November 2009 bis zum 28.03.2017 Fremdgeschäftsführerin der Beklagten. Eine Vergütung für die Geschäftsführertätigkeit erhielt die Klägerin unstreitig nicht. Bei der Beklagten war bis zum 31.03.2015 im Rahmen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses eine Bürokraft, die Zeugin O., angestellt. Am 01.04.2015 schloss die Klägerin als Geschäftsführerin der Beklagten mit sich selbst einen Arbeitsvertrag über die Anstellung als Bürokraft zu einer monatlichen Vergütung von 400,00 € bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von acht Stunden. Zur geschuldeten Tätigkeit enthält der „Arbeitsvertrag“ folgende Regelung:

3

§ 3 Tätigkeit

4

Die Arbeitnehmerin wird als Bürokraft, in Nebentätigkeit, eingestellt. Sie verpflichtet sich, auch andere Arbeiten auszuführen, die ihren Vorkenntnissen und Fähigkeiten entsprechen. Dies gilt, soweit dies bei Abwägung der Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers zumutbar und nicht mit einer Lohnminderung verbunden ist.

5

Unabhängig davon ist die Tätigkeit als Geschäftsführerin der T. H. GmbH zur Vertretung der T. H. GmbH im Außenverhältnis.“

6

Bis einschließlich März 2017 erhielt die Klägerin von der Beklagten monatlich 400,00 €. Am 28.03.2017 legte die Klägerin das Amt der Geschäftsführerin der Beklagten nieder.

7

Mit ihrer am 12.10.2017 vor dem Arbeitsgericht erhobenen Zahlungsklage hat die Klägerin u. a. die Vergütungsansprüche für die Zeit von April bis September 2017 (Antrag zu 1) geltend gemacht und folgende Anträge angekündigt:

8

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.400,00 € netto nebst Zinsen i. H. v. 5%-Punkten über dem Basiszins auf jeweils 400,00 € netto ab dem 02.05.2017, 01.06.2017, 01.07.2017, 01.08.2017, 01.09.2017 und 01.10.2017 zu zahlen.

9

2. die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 10.567,20 € zzgl. Zinsen i. H. v. 5%-Punkten über dem Basiszins auf jeweils 1.509,60 € ab dem 04.02.2017, 05.04.2017, 05.05.2017, 05.06.2017, 05.07.2017, 04.08.2017, 05.09.2017 zu zahlen.

10

Soweit für das Beschwerdeverfahren von Belang, hat die Klägerin zur Begründung der Vergütungsklage (Antrag zu 1) vorgetragen, dass sie die Stelle der ausgeschiedenen Mitarbeiterin O. übernommen habe. Ihr Arbeitsverhältnis sei zu keinem Zeitpunkt gekündigt worden.

11

Die Beklagte hat eingewandt, dass der vorgelegte Arbeitsvertrag unwirksam sei. Für den Abschluss eines Anstellungsvertrages mit einem Geschäftsführer sei - als Annex zur Bestellungs- und Abberufungsbefugnis nach § 46 Nr. 5 GmbH - ausschließlich die Gesellschafterversammlung zuständig. Jeder Verstoß gegen diese Zuständigkeit führe zur Unwirksamkeit des Geschäftsführer-Anstellungsvertrages. Ungeachtet dessen habe sie, die Beklagte, ihre Geschäftstätigkeit im Januar 2017 vollständig eingestellt, sodass auch keine Bürotätigkeiten mehr angefallen seien. Zwischenzeitlich sei der Sitz der Beklagten nach B. verlegt worden.

12

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30.01.2018 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen insgesamt für unzulässig erklärt und an das Landgericht Lübeck - Kammer für Handelssachen - verwiesen. Hinsichtlich des Antrages zu 2), d. h. die Zahlungsansprüche aufgrund der behaupteten Vermietung eines PKWs mit Anhänger und Geschäftsräumen sowie einer Halle, sei weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es sich hierbei um Ansprüche aus einem Arbeitsverhältnis handele. Dies gelte auch für die mit dem Antrag zu 1) geltend gemachten Vergütungsansprüche. Die Klägerin, die Geschäftsführerin der Beklagten gewesen sei, habe lediglich behauptet, einen Arbeitsvertrag abgeschlossen zu haben. Dieser sei jedoch nichtig. Er hätte auf Seiten der Beklagten von der Gesellschafterversammlung und nicht von der Klägerin als Geschäftsführerin unterzeichnet werden müssen. Dem Vertrag sei auch nicht zu entnehmen, dass es sich um Tätigkeiten außerhalb der Geschäftsführertätigkeit gehandelt habe. Die Klägerin habe auch nicht dargelegt, dass sie weisungsgebundene Tätigkeiten ausgeübt habe. Gerade bei kleineren GmbHs würden Geschäftsführer auch selbst Bürotätigkeiten erledigen. Als Geschäftsführerin habe die Klägerin zudem vielfältige Verpflichtungen im Innenverhältnis gehabt. Die Klägerin habe das Vorliegen ihrer Arbeitnehmereigenschaft nicht substantiiert darzulegen vermocht.

13

Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin am 06.02.2018 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie sei Fremdgeschäftsführerin gewesen und habe hierfür keine Vergütung erhalten. Sie habe dann nach Ausscheiden der Zeugin O. deren Stelle als Bürohilfskraft übernommen und die gleiche Vergütung erhalten wie diese. Die geschuldete Vergütung stehe mithin nicht in Zusammenhang mit der Geschäftsführertätigkeit.

14

Das Arbeitsgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 13.03.2018 nicht abgeholfen. Die Klägerin habe ihre persönliche Abhängigkeit (nicht nur von sich selbst als Geschäftsführerin) nicht näher dargelegt.

15

Die Klägerin trägt weiter vor, dass sie sämtliche Weisungen betreffend ihre Bürotätigkeit von ihrem Ehemann erhalten habe, der für die Beklagte als Vertriebsmitarbeiter tätig gewesen sei. Dieser habe die vollständige Kommunikation mit dem Treuhandgesellschafter, dem Gesellschafter und dem Steuerberater der Beklagten geführt.

II.

16

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie ist an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt, §§ 17a Abs. 2 u. 4 S. 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569, Abs. 1 u. 2 ZPO.

17

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst Erfolg.

18

1. Unstreitig handelt es sich bei den streitigen Vergütungsansprüchen um einen sogenannten aut-aut-Fall. Als Anspruchsgrundlage kommen vorliegend sowohl § 611 Abs. 1 BGB, i. V. m. § 4 des Arbeitsvertrages vom 01.04.2015 als auch ein freier Dienstvertrag in Betracht. Nur bei Vorliegen eines Arbeitsvertrages sind die Gerichte für Arbeitssachen sachlich zuständig. In einem aut-aut-Fall reicht es - anders als in dem sic-non-Fall - für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit nicht aus, dass die Klägerin schlicht behauptet, Arbeitnehmerin gewesen zu sein. Vielmehr muss sie die anspruchsbegründenden Tatsachen substantiiert darlegen und ggf. auch beweisen. Sie muss - bezogen auf den vorliegenden Fall - mithin im Einzelnen darlegen, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände sie als Arbeitnehmerin zu qualifizieren war/ist (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08. Juni 2016 - 5 Ta 47/16 -, Rn. 15, juris).

19

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) und b) ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich sachlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten.

20

a) Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG, Urt. v. 15.02.2012 - 10 AZR 301/10 - Rn. 13, juris). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Ob ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend (BAG, Urt. v. 21.07. 2015 - 9 AZR 484/14 - Rn. 20, juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 08.06. 2016 - 5 Ta 47/16 –, Rn. 16, juris).

21

b) In Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit gelten jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Sie soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen (BAG, Beschl. v. 20.08.2003 - 5 AZB 79/02 -, Rn. 14, juris). Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen, solange die Fiktion Wirkung entfaltet (BAG, Beschl. v. 03.12.2014 - 10 AZB 98/14 -, Rn. 15, juris; BAG, Beschl. v. 23.08.2011 - 10 AZB 51/10 - Rn. 15).

22

3. Hieran gemessen greift vorliegend nicht die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, obgleich die Klägerin den strittigen Arbeitsvertrag mit der Beklagten als sogenanntes In-Sich-Geschäft während der Zeit ihrer Geschäftsführertätigkeit geschlossen hat.

23

a) Die Klägerin macht vorliegend keine Ansprüche aus dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, sondern Ansprüche aus einem Arbeitsvertrag geltend. Dies ist dann der Fall, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrundeliegende Rechtsverhältnis betrifft, sondern eine weitere Rechtsbeziehung besteht. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Organvertreter Rechte mit der Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer habe sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis - wieder in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt (BAG, Beschluss v. 04.02.2013 - 10 AZB 78/12 -, Rn. 10, juris).

24

b) Streitgegenständlich sind Vergütungsansprüche der Klägerin für den Zeitraum von April 2017 bis Juni 2017. Die Klägerin hat nicht nur pauschal behauptet, sondern substantiiert und unbestritten vorgetragen, dass sie neben ihrer Geschäftsführertätigkeit nach dem Ausscheiden der Arbeitnehmerin O. deren Stelle als Bürokraft mit Abschluss des Arbeitsvertrages übernommen habe. Sie habe die Arbeitsaufträge und Weisungen von ihrem Ehemann, der die Funktion eines Vertriebsmitarbeiters innegehabt habe, erhalten. Zudem ist unstreitig, dass die Klägerin aufgrund ihrer Geschäftsführertätigkeit keine Vergütungsansprüche gegenüber der Beklagten hatte. Ein Geschäftsführer-Anstellungsvertrag existierte nicht oder ist zumindest von keiner der Parteien zur Akte gereicht worden. Die Organbestellung setzt auch nicht notwendigerweise den Abschluss eines Anstellungsvertrages voraus. Die Beklagte hat auch nicht behauptet, dass der Klägerin als Geschäftsführerin neben der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung der GmbH auch die innerbetriebliche Führung des Betriebs oblag. Nicht jeder Geschäftsführer ist zugleich Betriebsleiter der GmbH.

25

Die streitgegenständlichen Ansprüche betreffen nicht das Geschäftsführer-Anstellungsverhältnis, sondern ein daneben begründetes Arbeitsverhältnis, welches unstreitig zu keinem Zeitpunkt gekündigt worden ist. Zudem war die Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum (Juni bis September 2017) unstreitig nicht mehr Geschäftsführerin der beklagten GmbH. Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag können mithin nach Niederlegung der Organschaft durch die Klägerin und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden.

26

c) Für die Frage der Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit kommt es auch nicht darauf an, ob der strittige Arbeitsvertrag gemäß §§ 46 Nr. 5 GmbHG, 134 BGB nichtig war. Dies ist eine Frage der materiellen Begründetheit der streitgegenständlichen Vergütungsansprüche. Es kann vorliegend mithin dahingestellt bleiben, ob der von der Klägerin während ihrer Zeit als Geschäftsführerin begründete Arbeitsvertrag de facto ein Geschäftsführer-Anstellungsvertrag war und damit gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG als sogenanntes Annex-Geschäft zur Geschäftsführerbestellung in die alleinige Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung fiel.

27

4. Nach alledem war für den Antrag zu 1) der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben.

28

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte, § 91 ZPO.

29

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde liegt nicht vor, § 17 a Abs. 4 Satz 5 GVG.

30

Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 5 Begriff des Arbeitnehmers


(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14

Handelsgesetzbuch - HGB | § 84


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Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung - GmbHG | § 46 Aufgabenkreis der Gesellschafter


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(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 20.01.2016, Az. 5 Ca 2607/15, aufgehoben und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Im Beschwerdeverfahren ist streitgegenständlich die Rechtswegzuständigkeit.

2

Im Hauptsacheverfahren streiten die Parteien um Zahlungsansprüche (Vergütung, Urlaubsabgeltung) für eine Tätigkeit, die die Klägerin nach ihrer Auffassung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für die Beklagte erbrachte. Die Beklagte ist Physiotherapeutin und betrieb bis Ende Juni 2015 eine Physiotherapiepraxis in N./O.. Ab 01.08.2015 betreibt die Beklagte eine Physiotherapiepraxis in Bad S..

3

Am 27.10.2015 hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Klage auf Zahlung von Gehalt, Urlaubsabgeltung und Schadensersatz erhoben.

4

Die Klägerin hat behauptet,

5

vom 01.04.2015 bis 17.10.2015 bei der Beklagten als Rezeptionistin/Sprechstundenhilfe beschäftigt gewesen zu sein. Im März 2015 habe die Beklagte sie mehrfach gefragt, ob sie nicht ab 01.04.2015 in der Praxis an der Rezeption arbeiten wolle. Daraufhin habe sie im streitgegenständlichen Zeitraum von 29 Wochen an fünf Tagen pro Woche arbeitstäglich jeweils von 08:00 Uhr bis 16:00 Uhr abzüglich einer Stunde Pause für die Beklagte gearbeitet. Die Beklagte habe ihr für die Tätigkeit eine Vergütung für 700,00 € netto = 1.100,00 € brutto monatlich angeboten. Eine Vergütung habe sie indessen trotz diverser Nachfragen nicht erhalten. Ihr stehe der Mindestlohn von 8,50 € brutto pro Stunde zu. Auf Weisung der Beklagten habe sie Terminkalender führen, Telefonate annehmen und neue Termine vereinbaren, Patientenkarteikarten anlegen und mit den entsprechenden Rezepten verwalten und führen, die Rezepte in den PC eingeben, die Abrechnungen fertigen, Zuzahlungsbelege verwalten, das Geld einnehmen, den Patienten beim Ein- und Ausgang die Tür öffnen und die Praxisräume gemeinsam mit der Beklagten reinigen, feucht wischen, Staub fegen und spülen müssen. Zahlreiche Nachbarn und Patienten hätten auch wahrgenommen, dass sie bei der Beklagten die genannten Tätigkeiten ausgeübt habe. Darüber hinaus würden dies auch ihre handschriftlichen Eintragungen in den von der Beklagten vorzulegenden Praxis-Terminkalendern, Abrechnungen und Karteien belegen. Sie habe ebenfalls beim Umzug in die Praxisräume in Bad S. geholfen, indem sie Kissen, Decken, Therapiebälle und die Büroartikel durch mehrfache Fahrten mit ihrem privaten PKW dorthin gefahren habe. In Bad S. habe sie dann in demselben Aufgabenfeld ab 01.08.2015 während der dortigen Praxiszeiten regelmäßig am Montag, Dienstag und Donnerstag von 08:00 Uhr bis 15:30 Uhr, mittwochs und freitags nur bis 13:00 Uhr gearbeitet. Vor den Fahrten nach Bad S. hätten sich die Parteien allmorgendlich telefonisch kurzgeschlossen und die Abfahrtszeiten abgestimmt, damit beide etwa gleichzeitig bei den Praxisräumen ankämen. Erst auf intensives Drängen habe die Beklagte ihr am 30.10.2015 eine SMS geschickt mit u. a. dem Inhalt, dass ihr die „Abrechnung … zugeschickt“ werde (Bl. 24 d. A.). Die Klägerin sei mit Willen der Beklagten für diese tätig geworden. Die Klägerin habe auch Zuzahlungsbelege handschriftlich ausgefüllt, deren Durchschriften bei der Beklagten verblieben seien. Aus den unterschiedlichen Handschriften, mit denen die Eintragungen in der Zeit vom 01.04.2015 bis 17.10.2015 und in den übrigen Zeiten vorgenommen worden seien, sei zu entnehmen, dass diese nicht allein von der Beklagten stammen könnten. Nähere Angaben zum Vertragsabschluss seien entbehrlich, da die Parteien das Arbeitsvertragsverhältnis in Vollzug hätten. Gleiches gelte für die Entgeltvereinbarung, da der Klägerin jedenfalls der gesetzliche Mindestlohn zustünde.

6

Die Beklagte hat behauptet,

7

dass es zwischen den Parteien keine arbeitsvertraglichen Verbindungen gegeben habe. Die Klägerin sei zu keiner Zeit bei der Beklagten angestellt gewesen. Die Klägerin sei ihre Patientin gewesen und sie hätten sich dann angefreundet. Richtig sei, dass die Klägerin hin und wieder in der Praxis vorbeigeschaut habe, um sich mit ihr, der Beklagten, zu unterhalten oder Kaffee zu trinken. Bei diesen Gelegenheiten habe sie auch Patienten begrüßt und diesen die Tür auf und zu gemacht. Zu keiner Zeit habe die Klägerin jedoch die von ihr im Übrigen unsubstantiiert dargelegten Arbeiten erledigt. Insofern seien auch die angebotenen Zeugenbeweise ungeeignet. Unzutreffend seien auch schon die angegebenen Arbeitszeiten, die im Übrigen widersprüchlich zwischen der Klagschrift und dem weiteren Vorbringen der Klägerin seien. Die Tätigkeit in ihrer Praxis in Bad S. habe die Beklagte erst ab Mitte August fortgeführt. Auch dort sei die Klägerin von Zeit zu Zeit erschienen, ohne jedoch irgendwelche Tätigkeiten ausgeführt zu haben. Richtig sei allein, dass die Beklagte der Klägerin einmal angeboten habe, sie als geringfügig Beschäftigte in einem Umfang maximal 150,00 € pro Monat zu beschäftigen. Über diese Absichtserklärung hinaus habe es jedoch keine Einigung zwischen den Parteien dazu gegeben.

8

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20.01.2016 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Landgericht Lübeck verwiesen. Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass die Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet hätten. Sie habe den Sachvortrag zur angeblich vereinbarten Vergütung im Laufe des Verfahrens geändert. Ihr letzter Vortrag einer Vergütungsabrede über 700,00 € netto = 1.100,00 € brutto sei völlig praxisfern. Zudem habe sie weder substantiiert dargelegt, welche Tätigkeit die Beklagte ihr konkret mit welchem Inhalt angeboten habe noch die weiteren Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie Arbeitszeit, Urlaub und Pausen. Sie habe nicht dargelegt, dass sie die behauptete Tätigkeit als Rezeptionistin weisungsabhängig erbracht habe und inwieweit sie in die Arbeitsabläufe der Praxis eingegliedert gewesen sei. Der Vortrag der Klägerin sei widersprüchlich.

9

Gegen diesen ihr am 25.01.2016 zugestellten Beschluss hat die Klägerin beim Arbeitsgericht am 04.02.2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Zwar gebe es Tätigkeiten, die nach ihrer Art grundsätzlich in einem Arbeitsverhältnis oder aber auch in einem freien Dienstverhältnis erbrachten werden können. Auf die Tätigkeit einer Rezeptionistin und Sprechstundenhilfe treffe dies aber nicht zu. Sie habe in den Praxisräumen der Beklagten gearbeitet und habe deren Betriebsmittel verwendet. Sie habe ihre Tätigkeiten nach den Vorgaben der Beklagten verrichtet. Eigene Freiräume habe sie nicht gehabt. Ihre Tätigkeit sei ausnahmslos in die von der Beklagten vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert und von der Beklagten bestimmt gewesen. Die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte folge auch aus dem Umstand, dass sie neben Lohn auch Urlaubsabgeltung klageweise geltend mache. Es handele sich um einen sic-non-Fall.

10

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 14.04.2016 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Klägerin könne sich nicht auf einen sic-non-Fall wegen der geltend gemachten Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG berufen. § 2 Abs. 3 ArbGG sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass er keine Anwendung finde, wenn der Hauptklage ein sogenannter sic-non-Fall zugrunde liege. Insoweit solle die Gefahr einer Manipulation des gesetzlichen Richters ausgeschlossen werden.

II.

11

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie ist an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt, §§ 17a Abs. 2 u. 4 S. 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569, Abs. 1 u. 2 ZPO.

12

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst Erfolg, da sie begründet ist.

13

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist im vorliegenden Fall eröffnet. Die Klägerin war nach ihrem eigenen Vortrag weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Person der Beklagten (§ 5 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG). Das hat das Arbeitsgericht richtig erkannt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann auf die zutreffenden und sorgfältig begründeten Gründe des angefochtenen Beschlusses in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses verwiesen werden. Lediglich ergänzend und auf die Beschwerdebegründung eingehend wird noch auf Folgendes hingewiesen:

14

1. Für den Zahlungsantrag zu Ziff. 1 (Vergütung) sind die Gerichte für Arbeitssachen sachlich zuständig.

15

a) Unstreitig handelt es sich bei den streitigen Vergütungsansprüchen um einen sogenannten aut-aut-Fall. Als Anspruchsgrundlage kommen vorliegend sowohl §§ 611 Abs. 1 BGB, 1 Abs. 1 und 2 MiLoG als auch ein freier Dienstvertrag in Betracht. Nur bei Vorliegen eines Arbeitsvertrages sind die Gerichte für Arbeitssachen sachlich zuständig. In einem aut-aut-Fall reicht es - anders als in dem sic-non-Fall - für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit nicht aus, dass die Klägerin schlicht behauptet, Arbeitnehmerin gewesen zu sein. Vielmehr muss sie die anspruchsbegründenden Tatsachen substantiiert darlegen und ggf. auch beweisen. Sie muss - bezogen auf den vorliegenden Fall - mithin im Einzelnen darlegen, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände sie als Arbeitnehmerin zu qualifizieren ist.

16

aa) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern" aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG, Urt. v. 15.02.2012 - 10 AZR 301/10 - Rn. 13, juris). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Ob ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend (BAG, Urt. v. 21.07. 2015 - 9 AZR 484/14 - Rn. 20, juris).

17

b) Hieran gemessen hat die Klägerin - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - schlüssig dargelegt, dass sie Vergütung für erbrachte Arbeitsleistungen und nicht für Dienstleistungen beansprucht. Wenn die behaupteten Tätigkeiten typischerweise nur weisungsgebunden und innerhalb der Arbeitsorganisation der Beklagten erbracht werden, reicht es für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte aus, wenn die Klägerin behauptet, sie habe eben diese bestimmten Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Beklagten innerhalb einer konkret benannten Arbeitszeit erbracht. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte einen Vertragsschluss als auch jegliche erbrachte Arbeitsleistungen durch die Klägerin abstreitet.

18

Die Klägerin hat nicht nur vorgetragen, dass sie von der Beklagten als Rezeptionistin/Praxishelferin eingestellt worden sei, sondern auch die von ihr geschuldeten Tätigkeiten im Einzelnen aufgeführt. Zudem hat sie vorgetragen, dass sie diese Arbeiten in den Praxisräumen der Beklagten ausgeübt habe und die genauen Arbeitszeiten genannt. Die Tätigkeit einer Rezeptionistin/Praxishelferin ist typischerweise weisungsabhängig und erfolgt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hat auch weder in der Klagerwiderung noch dem weiteren Schriftsatz vom 15.12.2015 die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin gerügt, sondern insgesamt bestritten, dass die Klägerin irgendwelche vergütungspflichtigen Arbeiten für sie, die Beklagte, verrichtet habe. Die Beklagte hat auch nicht die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt und Verweisung ans Landgericht beantragt, sondern lediglich bestritten, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag zustande gekommen sei und die Klägerin für sie Arbeitsleistungen erbracht habe. Streitig ist vorliegend nicht die Art des Vertragsverhältnisses sondern der Vertragsabschluss bzw. das Zustandekommen eines vergütungspflichtigen Vertragsverhältnisses. Die von der Klägerin vorgetragenen Vertragsbedingungen beinhalten eine weisungsgebundene Tätigkeit, die in die Arbeitsabläufe der von der Beklagten betriebenen Physiotherapiepraxis integriert sind.

19

Ob die Parteien tatsächlich einen Arbeitsvertrag mündlich abgeschlossen haben und die Klägerin im behaupteten Umfang die genannten Tätigkeiten ausgeübt hat, ist sodann im Rahmen der Begründetheit der Lohnansprüche zu prüfen.

20

2. Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch sachlich zuständig für den Zahlungsantrag zu Ziff. 2 (Urlaubsabgeltung).

21

a) Bei der geltend gemachten Urlaubsabgeltung handelt es sich um einen sogenannten sic-non-Fall. Hierzu gehören die Fälle, in denen der Anspruch ausschließlich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, jedoch fraglich ist, ob deren Voraussetzungen vorliegen (sog. sic-non-Fall). Hauptbeispiel ist die auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage. Indessen gilt dies für alle Klageanträge, die nur dann Erfolg haben können, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist. In diesen Fällen genügt zur Bejahung des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen die alleinige Rechtsansicht des Klägers, Arbeitnehmer zu sein. Die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers und seine Rechtsansicht sind hier "doppelrelevant", also sowohl für die Rechtswegzuständigkeit, als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend (BAG, Beschl. v. 18.12.1996 - 5 AZB 25/96 - Rn. 38, juris).

22

Die Klägerin stützt den geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch ersichtlich allein auf die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes. Dieser gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch setzt zwingend voraus, dass die Klägerin entweder Arbeitnehmer §§ 7 Abs. 4, 1 BUrlG oder arbeitnehmerähnliche Person (§§ 7 Abs. 4, 2 BUrlG) ist. Wie § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG definiert § 2 BUrlG, dass als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes auch Personen gelten, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Es liegt mithin insofern ein sic-non Fall vor, so dass insoweit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist (LAG Köln, Beschl. v. 08.04.2013 - 4 Ta 11/13 - Rn. 5, juris).

23

3. Nach alledem waren der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Gerichte für Arbeitssachen für sachlich zuständig zu erklären.

24

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 91 ZPO zu tragen.

25

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde liegt nicht vor.


(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.

(2) Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.

(3) Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a des Handelsgesetzbuchs die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die in Satz 1 bestimmte Vergütungsgrenze durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen anpassen.

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. Januar 2010 - 5 Sa 627/09 - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Land steht.

2

Der Kläger wurde auf der Grundlage eines schriftlichen Vertrags mit Wirkung vom 29. Juni 1998 unbefristet als „nicht hauptamtliche Lehrkraft“ für die Unterrichtstätigkeit in der Justizvollzugsanstalt (JVA) I eingestellt.

3

Nach § 2 des Vertrags hat der Kläger als Lehrkraft in den Klassen der Untersuchungshaft durchschnittlich 13 Wochenstunden zu je 45 Minuten Aufbauunterricht zu erteilen und muss darüber hinaus nach Bedarf in den Ferien unterrichten. Weiter heißt es, dass er als Lehrkraft in den Stundenplan eingebunden ist. Nach § 3 des Vertrags erhält der Kläger für die Erteilung des Unterrichts für jede Einzelstunde den Vergütungssatz, der jeweils im Geschäftsbereich des Kultusministers des Landes Nordrhein-Westfalen für die Erteilung nebenamtlichen Unterrichts festgesetzt ist. Nach § 4 des Vertrags ist der Kläger sicherheitsüberprüft und unterliegt allen Bestimmungen über Datenschutz, Verschwiegenheit, Geschäftsverbot und anderen die Sicherheit und Ordnung betreffenden Vorschriften. Er hat insoweit den Weisungen der Justizbediensteten Folge zu leisten.

4

In der JVA wird unterschieden zwischen schulpflichtigen und nicht schulpflichtigen jungen Untersuchungsgefangenen. Der Kläger unterrichtet in der für die nicht schulpflichtigen Häftlinge eingerichteten „Unterrichtsgruppe“. Er soll die ihm zugewiesenen Schüler auf die Ausbildung in der Strafhaft vorbereiten und ihnen das dafür notwendige Vorwissen im Sinne einer Alphabetisierung und Vermittlung der Grundrechenarten nahebringen. Die von ihm betreute Gruppe umfasst zwischen einem und zehn Schülern im Alter von 14 bis 21 Jahren unterschiedlicher Nationalität. Aufgrund der besonderen Situation der Untersuchungshaft berücksichtigt der Unterrichtsinhalt die individuellen Gegebenheiten. Dies erfordert ein eher situatives Arbeiten, das der Kläger nach den Sprachfähigkeiten, der Vorbildung, dem Alter und auch nach den jeweiligen Charakteren der Schüler ausrichtet.

5

Zwei andere Vorklassen erhalten Unterricht durch beamtete Justizlehrer. Wenn, was gelegentlich vorkommt, in diesen für Schulpflichtige vorgesehenen Gruppen Erziehungsschwierigkeiten auftreten, werden die betreffenden Gefangenen ausgeschlossen und der Gruppe des Klägers zugewiesen. Der Kläger hat keine Lehramtsbefähigung. Die Anstaltsleitung schätzt seinen Umgang mit der ihm zugewiesenen Gruppe als „geschickt“ ein.

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei aufgrund der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als Arbeitnehmer anzusehen.

7

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass zwischen den Parteien seit dem 29. Juni 1998 ein Arbeitsverhältnis besteht.

8

Das beklagte Land hat Klageabweisung beantragt. Es hat die Auffassung vertreten, ein Arbeitsverhältnis sei nicht begründet worden. Die Tätigkeit des Klägers sei eher mit der eines Gastdozenten als derjenigen eines Lehrers zu vergleichen. Auch der geringe zeitliche Umfang der Tätigkeit des Klägers spreche gegen seine Arbeitnehmereigenschaft.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

11

I. Die Klage ist begründet. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um ein Arbeitsverhältnis handelt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

12

1. Das Landesarbeitsgericht ist von den Grundsätzen ausgegangen, die das Bundesarbeitsgericht zur Abgrenzung eines Arbeitsverhältnisses von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters aufgestellt hat.

13

a) Hiernach unterscheidet sich das Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in der sich der zur Dienstleistung Verpflichtete befindet. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - Rn. 13 mwN, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 10). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 HGB; BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - zu I der Gründe mwN, BAGE 115, 1). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Letztlich kommt es für die Beantwortung der Frage, welches Rechtsverhältnis im konkreten Fall vorliegt, auf eine Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls an. Der jeweilige Vertragstyp ergibt sich aus dem wirklichen Geschäftsinhalt. Die zwingenden gesetzlichen Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass die Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend (BAG 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 19 mwN, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 15).

14

b) Diese Grundsätze gelten auch für Unterrichtstätigkeiten. Entscheidend ist, wie intensiv die Lehrkraft in den Unterrichtsbetrieb eingebunden ist, in welchem Umfang sie den Unterrichtsinhalt, die Art und Weise der Unterrichtserteilung, ihre Arbeitszeit und die sonstigen Umstände der Dienstleistung mitgestaltet und inwieweit sie zu Nebenarbeiten herangezogen werden kann. Wer an einer allgemeinbildenden Schule unterrichtet, ist in der Regel Arbeitnehmer, auch wenn er seinen Beruf nebenberuflich ausübt. Dagegen können etwa Volkshochschuldozenten, die außerhalb schulischer Lehrgänge unterrichten, oder Lehrkräfte, die nur Zusatzunterricht erteilen, als freie Mitarbeiter beschäftigt werden (BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 19 mwN, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17).

15

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat die maßgeblichen rechtlichen Gesichtspunkte widerspruchsfrei und vollständig berücksichtigt. Es hat überdies eine Gesamtwürdigung der in Betracht kommenden Tatsachen vorgenommen.

16

a) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die von ihm bindend festgestellte zeitliche und organisatorische Einordnung des Klägers in den Unterrichtsbetrieb hervorgehoben. Es hat dabei zutreffend sowohl auf das durch den Vertrag der Parteien vermittelte rechtliche Band als auch auf dessen Bekräftigung durch die tatsächliche Gestaltung der Arbeitsbeziehung Bedacht genommen.

17

aa) Weisungsabhängigkeit in zeitlicher Hinsicht ist gegeben, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden (BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 21 ff., AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18; 20. Mai 2009 - 5 AZR 31/08 - Rn. 22, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 16 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 15). Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Insofern stellt die Einteilung eines Mitarbeiters in Stundenpläne ohne vorherige Absprache ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft dar (BAG 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 10: Einseitige Einteilung eines Sportredakteurs in Dienstpläne; 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 - zu B II 4 d der Gründe, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 59 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 44).

18

bb) Nach dem Vertrag der Parteien richtet sich der Unterrichtseinsatz des Klägers nach dem Stundenplan. Die jeweilige Lage der Arbeitszeit ist nicht vertraglich vereinbart, sondern wird vom Arbeitgeber durch Weisung einseitig festgelegt. Der Kläger ist damit im Kern seiner Arbeitstätigkeit durch die zeitliche und organisatorische Planung seines Arbeitgebers an dessen Weisungen gebunden.

19

(1) Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war nur die durchschnittliche wöchentliche Dauer der Arbeitszeit vertraglich vereinbart. Dies ergibt sich aus § 2 Satz 1 des Vertrags. Nur insoweit besteht kein Weisungsrecht des beklagten Landes. Über die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage als auch über Beginn und Ende der Arbeitszeit kann das beklagte Land nach dem Vertrag einseitig entscheiden. Das beklagte Land hat die Stundenpläne jeweils einseitig aufgestellt. Das Landesarbeitsgericht hat den Verweis in § 2 Satz 3 des Vertrags auf die Einbindung in den Stundenplan zu Recht nicht als statische, sondern als dynamische Verweisung ausgelegt im Sinne einer Einbindung in den „jeweiligen“ Stundenplan. Der Kläger ist bei der Gestaltung der Arbeitszeit somit in die Unterrichtsabläufe bei dem beklagten Land eingegliedert. Weder die Wochentage noch die zeitliche Lage am jeweiligen Tag kann der Kläger frei wählen (vgl. dazu BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 23, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17).

20

(2) Auch die Regelung des § 2 Satz 2 des Vertrags schränkt den Kläger in seiner Zeitsouveränität ein. Hiernach hat er in den Ferien Unterricht dem Bedarf entsprechend zu erteilen. Ob es sich bei der Teilnahme des Klägers an Ferienprojekten außerhalb der Schulzeit tatsächlich um eine Unterrichtstätigkeit handelt, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass vom Kläger ständige Dienstleistungsbereitschaft erwartet und er in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also auch insoweit die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden (vgl. BAG 14. März 2007 - 5 AZR 499/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Arbeitnehmerähnlichkeit Nr. 13 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 16).

21

(3) Außerdem ist der Kläger, wenn auch in geringem Umfang, zu Vertretungen herangezogen worden. Er hat im Rahmen seiner 13. Unterrichtsstunde, also zur Erfüllung seiner Arbeitspflicht, an Dienstbesprechungen teilgenommen. Auch dieser Umstand steht der selbstbestimmten Gestaltung der Arbeitszeit entgegen (vgl. BAG 20. Januar 2010 - 5 AZR 106/09 - Rn. 24, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 120 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 17). Es ist nicht festgestellt, dass die Justizlehrerdienstbesprechungen jeweils an einem bestimmten Wochentag stattfanden (vgl. BAG 9. Juni 2010 - 5 AZR 332/09 - Rn. 25, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 18).

22

cc) Der Kläger ist auch abgesehen von den zeitlichen Vorgaben in die Arbeitsorganisation des beklagten Landes eingebunden. Die Schüler werden ihm vom beklagten Land zugewiesen. Gemäß § 1 Satz 2 des Vertrags ist er hinsichtlich seiner Aufgaben, Rechte und Pflichten als Lehrkraft an die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften und die ergänzend ergangenen Bestimmungen sowie die allgemeinen Lehrplanrichtlinien des Kultusbereichs gebunden. Auch darin kommt seine persönliche Abhängigkeit aufgrund der fremdorganisierten Arbeit zum Ausdruck.

23

dd) Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, weicht die tatsächliche Gestaltung der Arbeitsbeziehung nicht von den rechtlichen Vorgaben ab. Der Kläger wird in der im Vertrag vorgesehenen Weise zur Unterrichtstätigkeit herangezogen. Der Kläger wird, so hat das beklagte Land eingeräumt, zum Unterricht „eingeteilt“. Wenn dies, wie das beklagte Land ausgeführt hat, „in der Natur der Sache“ liegt, weil der Gegenstand der Tätigkeit des Klägers, nämlich die Unterrichtserteilung, keine freie Zeiteinteilung erlaube, bestätigt eben dies die tatsächliche Einbindung des Klägers in die Arbeitsorganisation.

24

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass der Kläger an die vom beklagten Land vorgegebene Zielsetzung des Unterrichts gebunden ist. Der Arbeitnehmereigenschaft des Klägers steht nicht entgegen, dass er bei der inhaltlichen Ausgestaltung und Durchführung seiner Unterrichtserteilung im Wesentlichen frei von Weisungen ist. Da es sich bei den vom Kläger zu unterrichtenden Jugendlichen vielfach um nicht oder nur schwer sozialisierbare Menschen handelt, ist das Maß der inhaltlichen Gestaltungsfreiheit gemäß der Natur der Unterrichtsverpflichtung vorgegeben. Ihm kommt nach der zutreffenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts keine entscheidende Bedeutung zu.

25

c) Die Tätigkeit des Klägers ist nicht mit der eines Dozenten in einer Volkshochschule vergleichbar. Denn dafür ist charakteristisch, dass die Verbindung der Schüler oder Kursteilnehmer zum Unterrichtsträger deutlich lockerer ist, weil zB kein Schulzwang besteht und sich die Schüler leicht von der Schule lösen können und es regelmäßig keine förmlichen Abschlüsse gibt. An dem Unterricht der Klassen des Klägers nehmen hingegen bisweilen auch diejenigen Jugendlichen teil, die an sich der Schulpflicht unterliegen. Diese in Artikel 8 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen vorgesehene allgemeine Schulpflicht besteht auch in der Justizvollzugsanstalt fort. Der Unterricht der von ihm vornehmlich zu unterrichtenden nicht schulpflichtigen Untersuchungshäftlingen hat zum Ziel, dass diese später an anderen Unterrichtungsangeboten teilnehmen können. Der Kläger ist bei seiner Tätigkeit dem von dem beklagten Land bei der JVA I vorgegebenen Erziehungsauftrag unterworfen. Der Unterricht ist nicht als Weiterbildungsempfehlung zu verstehen, etwa um den Gefangenen eine Abwechslung anzubieten.

26

d) Der Einordnung des Vertrags vom 24. August 1998 als Arbeitsverhältnis steht nicht entgegen, dass die Parteien ihre Rechtsbeziehung nicht ausdrücklich als Arbeitsvertrag bezeichnet haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kommt es nicht darauf an, wie die Parteien das Vertragsverhältnis bezeichnen (seit BAG 8. Juni 1967 - 5 AZR 461/66 - zu 1 der Gründe, BAGE 19, 324; 13. November 1991 - 7 AZR 31/91 - zu III 1 der Gründe, BAGE 60, 62).

27

e) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, die Bezeichnung des Klägers in § 1 Satz 1 des Vertrags als „nicht hauptamtliche Lehrkraft“ schließe die Annahme eines Arbeitsverhältnisses jedenfalls nicht aus. Dem Hinweis des beklagten Landes, wonach maßgeblich für die Qualifizierung des Klägers als Honorarlehrkraft insbesondere der zeitliche Umfang der Tätigkeit sei, hat das Landesarbeitsgericht zu Recht keine Bedeutung beigemessen. Auch bei der Ausführung von Tätigkeiten in geringem zeitlichen Umfang kann ein ausreichend hohes Maß an Weisungsgebundenheit bestehen. Wenn eine hauptberufliche Vollzeitbeschäftigung auf eine für Arbeitsverhältnisse typische persönliche Abhängigkeit hindeuten sollte, bedeutet dies nicht, dass eine Nebenbeschäftigung mit geringer Arbeitszeit gegen ein Arbeitsverhältnis spricht (BAG 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 - zu B II 3 b der Gründe, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 59 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 44).

28

f) Das Landesarbeitsgericht hat es zu Recht für die Einstufung des Rechtsverhältnisses als unerheblich angesehen, dass nach § 3 Satz 4 des Vertrags der Vergütungssatz dem Steuerabzug nach allgemeinen Grundsätzen unterliegen soll. Die Art der Vergütung spielt schon deshalb keine nennenswerte Rolle, weil entscheidend die Eigenart der Dienstleistung ist, nicht aber die Abwicklung der Entgeltzahlung (BAG 30. Oktober 1991 - 7 ABR 19/91 - zu B II 3 a bb der Gründe, AP BGB § 611 Abhängigkeit Nr. 59 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerbegriff Nr. 44).

29

II. Als unterlegener Partei fallen dem beklagten Land nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zur Last.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Kay Ohl    

        

    Frese    

                 

(1) Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.

(2) Wer, ohne selbständig im Sinne des Absatzes 1 zu sein, ständig damit betraut ist, für einen Unternehmer Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen, gilt als Angestellter.

(3) Der Unternehmer kann auch ein Handelsvertreter sein.

(4) Die Vorschriften dieses Abschnittes finden auch Anwendung, wenn das Unternehmen des Handelsvertreters nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordert.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 22. Mai 2014 - 16 Sa 1221/13 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht.

2

Der am 5. Januar 1948 geborene Kläger war seit Juli 1991 aufgrund verschiedener Verträge für den Beklagten tätig. Bei diesem handelt es sich um einen von den gesetzlichen Krankenversicherungen gegründeten medizinischen Beratungs- und Begutachtungsdienst. Am 22. September 1994 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag für die Zeit vom 1. Dezember 1994 bis zum 31. Mai 1996. Am 17. Mai 1996 vereinbarten sie einen Werkvertrag. Danach schuldete der Kläger die Erstellung von Gutachten zur Prüfung von Pflegebedürftigkeit gemäß dem Pflegeversicherungsgesetz. Unter dem 16. August 2002 vereinbarten die Parteien einen Rahmenhonorarvertrag beginnend ab dem 1. Oktober 2002. In diesem Vertrag heißt es wie folgt:

        

§ 1   

        

Herr Dr. K wird im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit zur Durchführung allgemeinärztlicher Untersuchungen bei Bedarf im Einzelfall Gutachten erstellen. Der Gutachtenauftrag wird von dem Leiter der Begutachtungs- und Beratungsstelle bzw. eines von ihm dazu ermächtigten ärztlichen Gutachters erteilt. Herr Dr. K verpflichtet sich, beim möglichen Auftreten einer Interessenkollision von der Erstellung eines Gutachtens Abstand zu nehmen.

                 
        

§ 2     

        

Herr Dr. K wird im Falle der Beauftragung auf der Grundlage eines jeweiligen Einzelauftrages eine allgemeinmedizinische Untersuchung durchführen und handschriftlich protokollieren.

        

Ein Anspruch des Gutachters auf Heranziehung zu Untersuchungen in einem bestimmten Umfang besteht nicht.

        

Bei der Erstellung der Gutachten unterliegt der externe Gutachter keinen Weisungen des MDK WL.

                 
        

§ 3     

        

Der MDK stellt zu diesem Zweck die erforderlichen Akten und Unterlagen für die Dauer der Gutachtenerstellung zur Verfügung. Der Gutachter hat alle Schriftstücke und sonstigen Unterlagen einschließlich eigener Aufzeichnungen, die die gutachterliche Tätigkeit betreffen, sorgfältig aufzubewahren, vor jeder Einsichtnahme durch Dritte zu schützen und auf Verlangen jederzeit dem MDK zu übergeben.

                 
        

§ 4     

        

Herr Dr. K verpflichtet sich, die Untersuchungen aufgrund sorgfältiger medizinischer Prüfung nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen. Er berücksichtigt den Stand der medizinischen Wissenschaft, ist dies in dem vorgegebenen Zeitraum nicht möglich, soll eine sozial-medizinische Begutachtung veranlasst werden. Der Gutachter gewährleistet die Erstellung des Protokolls am Tage der Begutachtung.

                 
        

§ 5     

        

1)    

Herr Dr. K verpflichtet sich, über alle Angelegenheiten, die ihm im Rahmen der Gutachtenerstellung offenbart/bekannt werden ... insbesondere über Sozialdaten, Dritten gegenüber Stillschweigen zu bewahren. Dies gilt auch dann noch, wenn er keine Aufträge mehr vom MDK erhalten sollte.

        

2)    

Herrn Dr. K ist untersagt, die unter die Geheimhaltungspflicht der o. g. Gesetze fallenden Sozialdaten sowie sonstige unter die Geheimhaltungspflicht fallende Daten unbefugt zu einem anderen als dem zur jeweiligen rechtmäßigen Aufgabenerfüllung gehörenden Zwecke zu verarbeiten, zu nutzen oder zu übermitteln. Die Fertigung von Kopien zur persönlichen Aufbewahrung ist unzulässig.

                          
        

§ 6     

        

1)    

Herrn Dr. K wird ein Garantiebetrag in Höhe von 153,39 € je geleisteten Arbeitstag zugesichert. Die Bezahlung erfolgt zu dem in Nr. 2 genannten Termin.

        

2)    

Zusätzlich wird eine Vergütung für jedes Gutachten ab der 11. Kurzbegutachtung je Arbeitstag einschließlich Protokollerstellung in Höhe von 15,34 € gewährt. Dieser Betrag wird von Herrn Dr. K dem MDK zu Beginn des darauffolgenden Monats gesondert in Rechnung gestellt und zum 15. des Monats vergütet.

        

3)    

Mit dem Gesamthonorar sind alle Kosten einschließlich der Nebenkosten (z. B. Spesen, Fahrkosten, Auslagen), soweit sich die Untersuchungen auf den Einsatzbereich H und D beziehen, abgegolten.

        

4)    

Für die Gutachtenerstellung im Einzugsbereich B/G gilt übergangsweise vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2002 eine Honorarzusicherung von 414,18 € je Einsatztag auf Basis der durchschnittlichen Tagesuntersuchung und der aktuellen Werte für eine Einzeluntersuchung zuzüglich Fahrkostenersatz für die geleisteten Entfernungskilometer gemäß Reisekostenrecht.

                 

Damit sind alle Kosten für den Einsatz im Einzugsgebiet B/G abgegolten.

                 
        

§ 7     

        

1)    

Der Gutachter wird ein vollständiges Kurzgutachten (Werk) erstellen.

        

2)    

Der Gutachter erstellt monatlich eine spezifizierte Rechnung.

        

3)    

Möglicherweise anfallende Steuern und/oder Sozialversicherungsbeiträge sowie sonstige staatliche oder ähnliche Abgaben sind von dem Gutachter selbst abzuführen. Ebenso sind die Vorschriften hinsichtlich evtl. Anrechnungen auf Versorgungsleistungen u. Ä. von dem Gutachter selbst zu beachten und Beiträge gegebenenfalls selbst abzuführen.

                          
        

§ 8     

        

Das Honorar wird vom MDK jeweils gegen Vorlage einer von der Leitung der Begutachtungs- und Beratungsstelle bestätigten Rechnung überwiesen.

                 
        

§ 9     

        

Der MDK übernimmt keine Haftung für Schäden am Eigentum oder Vermögen sowie Personenschäden des Gutachters, die infolge der Gutachtertätigkeit entstehen.

        

Der Gutachter stellt den MDK von allen Schäden infolge der Gutachtenerstellung frei.

        

Der Abschluss einer erforderlichen Haftpflichtversicherung bzw. sonstiger Versicherungen (Unfall, Krankheit, etc.) für die Ausübung der Gutachtertätigkeit obliegt dem Gutachter.

                 
        

§ 10   

        

Bezüglich einer Rentenversicherungspflicht aufgrund des Werkvertrages weisen wir darauf hin, dass für Personen, die regelmäßig und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind und mit Ausnahme von Familienangehörigen keinen Arbeitnehmer beschäftigen ggf. Rentenversicherungspflicht besteht.

        

Wenn Sie noch nicht von der Rentenversicherungspflicht zugunsten der Ärzteversorgung befreit sind, sollten Sie sich mit Ihrem zuständigen Rentenversicherungsträger in Verbindung setzen und hier eine Klärung herbeiführen.

                 
        

§ 11   

        

Es besteht zwischen den Vertragsparteien Einigkeit, dass sich aus der Vereinbarung über diese gutachterliche Tätigkeit keine arbeitsrechtlichen Ansprüche ableiten lassen.

                 
        

§ 12   

        

1)    

Der Vertrag beginnt am 1. Oktober 2002.

        

2)    

Der Vertrag kann von beiden Vertragsparteien jederzeit schriftlich mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden.

        

3)    

Das Recht zur außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund bleibt unberührt.

        

4)    

Mit Einsetzen dieses Vertrages endet die Vereinbarung zur Aushilfstätigkeit „Paula“ vom 26. März 1997.

                 
        

§ 13   

        

Änderungen des Vertrages bedürfen der Schriftform.“

3

Die Vergütung für die Tätigkeit entsprechend diesem Rahmenhonorarvertrag wurde mit Schreiben vom 13. März 2012 auf einen Garantiebetrag in Höhe von 175,00 Euro je geleistetem Arbeitstag und in Höhe von 17,50 Euro ab dem „11. Kurzgutachten“ festgelegt. Der Rahmenhonorarvertrag ist beiderseits noch nicht gekündigt. In § 38 Abs. 1 des Manteltarifvertrags für die Beschäftigten (Arbeitnehmer/innen und Auszubildende) der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung (MDK) und des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) vom 15. Oktober 1991 (MDK-T) heißt es:

        

§ 38 

        

Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses durch Erreichen der Altersgrenze

        

(1)     

Mit Ablauf des Monats, in dem die Beschäftigten die gesetzliche Regelaltersgrenze erreichen, endet das Beschäftigungsverhältnis, ohne dass es einer Kündigung bedarf. …“

4

Der Kläger führte auf der Grundlage des geschlossenen Rahmenhonorarvertrags Begutachtungen bei Arbeitsunfähigkeit gemäß § 275 SGB V in den dafür von dem Beklagten eingerichteten Servicezentren durch. Bis Januar 2013 war er für einen Zeitraum von vier bis fünf Jahren in B und Dü eingesetzt. Während in B ausschließlich Begutachtungen bei Arbeitsunfähigkeit vorgenommen wurden, handelte es sich bei der Begutachtungs- und Beratungsstelle in Dü um eine Arbeitsunfähigkeitsbegutachtungsstelle, die mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung kombiniert ist. In der Beratungsstelle Dü sind auch angestellte Ärzte tätig. Ab Januar 2013 wurde der Kläger zu einem verringerten Umfang von drei Tagen ausschließlich in D eingesetzt. Seit 2002 erstellte der Kläger nur noch Arbeitsunfähigkeits-Kurzgutachten. Die Untersuchungen fanden ausschließlich in den Räumlichkeiten des Beklagten statt. Die Versicherten werden von den gesetzlichen Krankenversicherungen in dem zeitlichen Rahmen von 8:00 Uhr bis 13:00 Uhr bzw. bis 14:30 Uhr täglich zur Untersuchung eingeladen. Den einzelnen Krankenkassen stehen Zeitkontingente zur Verfügung, die ihnen von den Sekretärinnen, die in den einzelnen Servicezentren von dem Beklagten eingesetzt werden, mitgeteilt werden. Der Kläger war nicht verpflichtet, Gutachteraufträge anzunehmen. Er war ebenso nicht verpflichtet, täglich zu arbeiten. Die weiteren von dem Beklagten als selbstständig angesehenen Ärzte in diesen Zentren wurden gefragt, in welchem Umfang sie für die Begutachtung zur Verfügung stehen. Da der Kläger regelmäßig anwesend war, wurde seine Anwesenheit eingeplant. Wenn er nicht zur Verfügung stand, gab er dies an und wurde nicht eingesetzt. Der Kläger musste seinen Urlaub nicht genehmigen lassen. Er zeigte ihn lediglich an. Er trug während seiner Tätigkeit ein Namensschild des Beklagten und nutzte darüber hinaus dessen Briefbögen und Formulare. Viele von den zur Begutachtung durch die Krankenversicherung eingeladenen Versicherten nehmen den Termin nicht wahr. Das war nach Angaben des Beklagten der Grund dafür, dass eine Garantievergütung arbeitstäglich zugesagt wurde. Andernfalls wären Ärzte nicht bereit gewesen, die Tätigkeit zu übernehmen. Die Vergütung wurde dem Kläger unaufgefordert durch den Beklagten gezahlt, der den zu zahlenden Betrag auf der Grundlage der vorhandenen Tageslisten ermittelte.

5

Für die Tätigkeit in den „AU-Servicezentren“ gab es einen Ablaufplan, der ua. „Zielvorgaben“ zu den möglichen Ergebnissen der Begutachtung enthielt. Dort hieß es auf einem Schaubild zum Beispiel:

        

„…    

        

AU kann beendet werden.
Zielvorgabe 40 - 50 %
Ergebnis: 49

        

AU ist auf Grund eines noch bestehenden pathologischen Befundes plausibel.
Nachuntersuchung in X Wochen, weil dann bei normalem Heilungsverlauf die AU beendet werden kann. Möglichst nur eine Nachuntersuchung.
Zielvorgabe 20 - 25 %
Ergebnis: 51

        

…       

        

…       

                 
6

Über die Tätigkeit in den Servicezentren wurden Wochenstatistiken geführt.

7

Der Kläger nahm am 1. März 2012 an einer Schulung zum Thema „Aktuelle Sozialmedizinische Themen in der AU-Begutachtung“ teil. Solche Schulungen wurden für den Kläger und die übrigen externen Gutachter regelmäßig angeboten.

8

Aufgrund einer am 29. Dezember 2005 vom Finanzamt vorgenommenen Außenprüfung wurde der Kläger durch Bescheide in erheblichem Umfang zur Umsatzsteuer herangezogen.

9

Mit seiner am 12. Oktober 2012 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat er, soweit für die Revision maßgeblich, die Feststellung begehrt, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet wurde und dieses bis zum heutigen Tag fortbesteht. Außerdem hat er die Feststellung begehrt, dass der Beklagte schadensersatzpflichtig ist.

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei insgesamt bei dem Beklagten als Arbeitnehmer tätig gewesen. Der Ablaufplan sei ihm im März 2012 überreicht worden. Er sei durch den Dienststellenleiter des Beklagten angewiesen worden, die Anzahl der Wiedereinbestellungen auffälliger Patienten auf in der Regel maximal zwei bis drei zu begrenzen.

11

Der Kläger hat unter Klagerücknahme im Übrigen zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass zwischen den Parteien gemäß Vertrag vom 16. August 2002 ein abhängiges Arbeitsverhältnis begründet wurde und dieses bis zum heutigen Tag fortbesteht,

        

2.    

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm jeden Schaden zu ersetzen, der ihm dadurch entstanden ist und/oder künftig entstehen wird, weil er von dem Beklagten nicht als Arbeitnehmer geführt worden ist.

12

Der Beklagte hat beantragt,

        

die Klage abzuweisen,

        

hilfsweise widerklagend festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, dem Beklagten die ihm seit dem 31. Mai 1996 über eine übliche Vergütung hinaus gezahlte Vergütung zu erstatten.

13

Der Kläger hat beantragt, die hilfsweise Widerklage abzuweisen.

14

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, der Kläger sei nicht Arbeitnehmer. Hierzu fehle es an seiner persönlichen Abhängigkeit. Der Ablaufplan, den der Kläger vorgelegt hat, sei nicht für ihn bestimmt gewesen.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Der Kläger verfolgt mit der Revision seine Klageanträge für die Zeit ab dem 1. Oktober 2002 weiter.

Entscheidungsgründe

16

A. Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.

17

I. Die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gemäß Vertrag vom 16. August 2002 ist zulässig.

18

Entgegen der Auffassung des Beklagten begehrt der Kläger nicht die Feststellung eines vergangenen Rechtsverhältnisses (zur Unzulässigkeit einer vergangenheitsbezogenen Statusklage vgl. BAG 21. Juni 2000 - 5 AZR 782/98 - Rn. 17 ff., BAGE 95, 141). Das zwischen den Parteien mit dem Rahmenhonorarvertrag vom 16. August 2002 begründete Rechtsverhältnis ist nicht beendet. Der Beklagte beruft sich zu Unrecht auf § 38 Abs. 1 MDK-T. Danach endet das Beschäftigungsverhältnis „mit Ablauf des Monats, in dem die Beschäftigten die gesetzliche Regelaltersgrenze erreichen“. Der MDK-T ist auf das Rechtsverhältnis der Parteien nicht anzuwenden. Der Kläger ist nicht tarifgebunden (vgl. § 4 Abs. 1 TVG). Die Parteien haben die Anwendung des MDK-T nicht einzelvertraglich vereinbart.

19

II. Die Klage auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses ist jedoch unbegründet. Zwischen den Parteien besteht aufgrund des Rahmenhonorarvertrags vom 16. August 2002 kein Arbeitsverhältnis. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen.

20

1. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG 15. Februar 2012 - 10 AZR 301/10 - Rn. 13). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB ). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Ob ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend (BAG 25. September 2013 - 10 AZR 282/12 - Rn. 17; 29. August 2012 - 10 AZR 499/11  - Rn. 15 ). Abstrakte, für alle Arbeitsverhältnisse geltende Merkmale lassen sich nicht aufstellen (BAG 11. Oktober 2010 - 5 AZR 289/99 - zu I der Gründe).

21

2. Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben (BAG 25. September 2013 - 10 AZR 282/12 - Rn. 18; 5. Juli 2000 - 5 AZR 888/98 - zu B I 2 b der Gründe). Solche Rechtsfehler liegen nicht vor.

22

3. Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandener Weise angenommen, der Kläger sei bei der Gestaltung seiner Tätigkeit sowie der zeitlichen Festlegung seiner Arbeitszeit im Wesentlichen frei gewesen. Gegen eine persönliche Abhängigkeit spreche zudem, dass er Urlaub nicht genehmigen lassen musste, sondern nur anzuzeigen hatte.

23

a) Der Kläger war hinsichtlich seiner Arbeitszeit in einem für einen Selbstständigenstatus erforderlichen Maß frei von Weisungen.

24

aa) Zunächst weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass die Tätigkeit des ärztlichen Gutachters auch im Arbeitsverhältnis erbracht werden kann. Bei Tätigkeiten, die sowohl im Rahmen von Arbeitsverhältnissen als auch im Rahmen von freien Mitarbeiterverhältnissen ausgeübt werden können, spricht dieser Umstand jedoch nicht für das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 3. Juni 1998 - 5 AZR 656/97 - zu II 2 der Gründe).

25

bb) Der Kläger unterlag hinsichtlich des zeitlichen Umfangs und der zeitlichen Lage seiner Tätigkeit nicht dem für Arbeitnehmer typischen Weisungsrecht. Zwar war er wegen der Nutzung der Räumlichkeiten des Beklagten sowie der Tätigkeit der Sekretärinnen darauf angewiesen, bei der Gestaltung seiner Arbeitszeit auf die Öffnungszeiten der Servicezentren von 8:00 Uhr bis 13:00 Uhr bzw. bis 14:30 Uhr täglich Rücksicht zu nehmen. Er konnte jedoch selbst bestimmen, an welchen Tagen er eine Tätigkeit für den Beklagten durchführen wollte. Er wurde zwar, da er aufgrund eigener Entscheidung regelmäßig örtlich präsent war, eingesetzt, ohne im Einzelfall zuvor gefragt worden zu sein. Dies entsprach jedoch seinen eigenen Vorstellungen und Interessen. Der Kläger trägt nicht vor, dass er auch gegen seinen Willen herangezogen worden sei. Die organisatorische Bindung an die Öffnungszeiten der Servicezentren begründet kein ausreichendes zeitliches Weisungsrecht des Beklagten. Es ist auch für Selbstständige üblich, dass sie ihre Dienstleistungen im Rahmen der organisatorischen Gegebenheiten des Auftraggebers zu erbringen haben. Entscheidend ist, dass der Kläger entscheiden konnte, ob er überhaupt und gegebenenfalls an welchen Tagen er eine Tätigkeit erbringt. Dies ist für einen Arbeitnehmer unüblich. Der Kläger beruft sich ohne Erfolg darauf, er habe Einsätze nie abgelehnt, da er befürchtet habe, der Beklagte würde mit dem Abbruch der Vertragsbeziehungen reagieren. Das Landesarbeitsgericht weist zu Recht darauf hin, dass dies nicht Ausdruck einer persönlichen, sondern einer wirtschaftlichen Abhängigkeit des Auftragnehmers ist. Arbeitnehmer und Selbstständige unterscheiden sich nach dem Grad der persönlichen Abhängigkeit. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit kann beim Selbstständigen im Einzelfall zwar eine wirtschaftliche Abhängigkeit vom Vertragspartner treten, die den Selbstständigen als arbeitnehmerähnliche Person erscheinen lässt (BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 347/04 - zu II 6 der Gründe, BAGE 115, 1). Dies begründet aber keine Arbeitnehmereigenschaft.

26

b) Der Kläger war auch bei der Gestaltung seiner Tätigkeit im Wesentlichen frei.

27

Dies folgt zunächst aus § 275 Abs. 5 Satz 1 SGB V. Danach sind die Ärzte des Medizinischen Dienstes bei der Wahrnehmung ihrer medizinischen Aufgaben nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen. Diese Weisungsfreiheit wird auch in § 2 Abs. 3 des Rahmenhonorarvertrags der Parteien bestätigt. Danach unterliegt der externe Gutachter bei der Erstellung der Gutachten keinen Weisungen des Beklagten. Gemäß § 4 Satz 1 des Rahmenhonorarvertrags hatte der Kläger „die Untersuchungen aufgrund sorgfältiger medizinischer Prüfung nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen“. Der Kläger beruft sich insoweit ohne Erfolg auf den überreichten Ablaufplan. Hierzu hat er behauptet, dieser Ablaufplan für die Begutachtung der Arbeitsunfähigkeit der Patienten sei ihm im Rahmen einer Fortbildungsveranstaltung überreicht worden. Hierauf kommt es aber nicht an. Der Ablaufplan enthält schon keine Weisungen zur inhaltlichen Gestaltung der Gutachtertätigkeit des Arztes. Er regelt lediglich, ob und gegebenenfalls welche weiteren Untersuchungen abhängig von der Einschätzung des Arztes vorzunehmen sind. So soll beispielsweise eine Nachuntersuchung erst in „X Wochen“ erfolgen, wenn die Arbeitsunfähigkeit plausibel ist. Ob sie plausibel ist, bestimmt der Gutachter jedoch eigenständig. Die im Ablaufplan beschriebenen Abläufe kennzeichnen lediglich, in welchen Fallkon-stellationen Gutachten, Kurzgutachten oder ausführliche Gutachten zu erstellen sind. Da die Versicherten von den Krankenkassen zur Begutachtung bestellt werden und der Kläger nicht verpflichtet war, Gutachteraufträge anzunehmen, diente der Ablaufplan lediglich der Transparenz, wie regelmäßig Gutachteraufträge zustande kommen. Die weiter im Ablaufplan genannten „Zielvorgaben“ (zB „AU kann beendet werden. Zielvorgabe 40 - 50 %“) begründen ebenfalls kein Weisungsrecht des Beklagten. Wie das Landesarbeitsgericht festgestellt hat, folgten hieraus keine inhaltlichen Weisungen gegenüber dem Kläger.

28

c) Die persönliche Abhängigkeit des Klägers folgt nicht daraus, dass er während seines Einsatzes in Dü und B Vertretungstätigkeiten in dem D Servicezentrum des Beklagten wahrnahm. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu festgestellt, der Kläger habe keine Umstände vorgetragen, die insoweit eine Weisung des Beklagten erkennen ließen. Dasselbe gilt für die Tätigkeit des Klägers beim Aufbau einer Begutachtungsstelle in B. Diese Tätigkeit übernahm der Kläger nach § 6 Nr. 4 des Rahmenhonorarvertrags. Dort vereinbarten die Parteien eine Vergütung sowie die Übernahme der Kosten durch den Beklagten. Der Kläger übernahm diese Aufgabe deshalb nicht kraft Weisung des Beklagten, sondern wie ein Selbstständiger durch vertragliche Vereinbarung.

29

d) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht allerdings bei seiner Abwägung darauf abgestellt, die Zahlung der Vergütung entspreche dem Erscheinungsbild eines Arbeitsverhältnisses. Die Art der Vergütung spielt keine Rolle, da sich die persönliche Abhängigkeit danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Dienste weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Entgeltzahlung (BAG 11. März 1992 - 7 AZR 130/91 - zu I 4 b der Gründe).

30

e) Entgegen der Auffassung des Klägers ist es für seinen Rechtsstatus unerheblich, dass die Untersuchungen in den Räumlichkeiten des Beklagten stattfanden. Der Kläger hat schon nicht vorgetragen, dass er zur Nutzung dieser Räumlichkeiten angewiesen wurde. Auch der Rahmenhonorarvertrag enthält eine solche Pflicht nicht. Selbst wenn der Kläger an die Räumlichkeiten des Beklagten zur Erbringung seiner Gutachtertätigkeit gebunden wäre, weil die Patienten sämtlich dorthin bestellt wurden, besagt diese Bindung an einen Arbeitsort nichts über eine persönliche Abhängigkeit, wenn dieser Arbeitsort für die Tätigkeit typisch ist (vgl. BAG 11. März 1992 - 7 AZR 130/91 - zu II 6 der Gründe). Hiervon ist bei der Untersuchungstätigkeit auszugehen, da ansonsten die Patienten zu den unterschiedlichsten Orten, je nach zuständigem Gutachter bestellt werden müssten und die hygienischen Bedingungen der Untersuchungsräume möglicherweise nicht ausreichend wären. Zudem ist nicht festgestellt, dass der Kläger die nach der Untersuchung vorzunehmende Gutachtenerstellung auch in den Räumen des Beklagten durchführte.

31

III. Wegen fehlender Arbeitnehmereigenschaft ist der klägerische Antrag zu 2. ebenfalls unbegründet. Der hilfsweise gestellte Widerklageantrag des Beklagten ist dem Senat nicht zur Entscheidungangefallen. Er ist nur für den Fall gestellt, dass den klägerischen Anträgen stattgegeben wird.

32

B. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen. Soweit er in der Revisionsverhandlung die Klage teilweise zu-rückgenommen hat, hat er die Kosten des Rechtsstreits gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO zu tragen.

        

    Brühler    

        

    Suckow    

        

    Krasshöfer    

        

        

        

    Pielenz    

        

    M. Dipper    

                 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 20.01.2016, Az. 5 Ca 2607/15, aufgehoben und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beklagte.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Im Beschwerdeverfahren ist streitgegenständlich die Rechtswegzuständigkeit.

2

Im Hauptsacheverfahren streiten die Parteien um Zahlungsansprüche (Vergütung, Urlaubsabgeltung) für eine Tätigkeit, die die Klägerin nach ihrer Auffassung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für die Beklagte erbrachte. Die Beklagte ist Physiotherapeutin und betrieb bis Ende Juni 2015 eine Physiotherapiepraxis in N./O.. Ab 01.08.2015 betreibt die Beklagte eine Physiotherapiepraxis in Bad S..

3

Am 27.10.2015 hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Klage auf Zahlung von Gehalt, Urlaubsabgeltung und Schadensersatz erhoben.

4

Die Klägerin hat behauptet,

5

vom 01.04.2015 bis 17.10.2015 bei der Beklagten als Rezeptionistin/Sprechstundenhilfe beschäftigt gewesen zu sein. Im März 2015 habe die Beklagte sie mehrfach gefragt, ob sie nicht ab 01.04.2015 in der Praxis an der Rezeption arbeiten wolle. Daraufhin habe sie im streitgegenständlichen Zeitraum von 29 Wochen an fünf Tagen pro Woche arbeitstäglich jeweils von 08:00 Uhr bis 16:00 Uhr abzüglich einer Stunde Pause für die Beklagte gearbeitet. Die Beklagte habe ihr für die Tätigkeit eine Vergütung für 700,00 € netto = 1.100,00 € brutto monatlich angeboten. Eine Vergütung habe sie indessen trotz diverser Nachfragen nicht erhalten. Ihr stehe der Mindestlohn von 8,50 € brutto pro Stunde zu. Auf Weisung der Beklagten habe sie Terminkalender führen, Telefonate annehmen und neue Termine vereinbaren, Patientenkarteikarten anlegen und mit den entsprechenden Rezepten verwalten und führen, die Rezepte in den PC eingeben, die Abrechnungen fertigen, Zuzahlungsbelege verwalten, das Geld einnehmen, den Patienten beim Ein- und Ausgang die Tür öffnen und die Praxisräume gemeinsam mit der Beklagten reinigen, feucht wischen, Staub fegen und spülen müssen. Zahlreiche Nachbarn und Patienten hätten auch wahrgenommen, dass sie bei der Beklagten die genannten Tätigkeiten ausgeübt habe. Darüber hinaus würden dies auch ihre handschriftlichen Eintragungen in den von der Beklagten vorzulegenden Praxis-Terminkalendern, Abrechnungen und Karteien belegen. Sie habe ebenfalls beim Umzug in die Praxisräume in Bad S. geholfen, indem sie Kissen, Decken, Therapiebälle und die Büroartikel durch mehrfache Fahrten mit ihrem privaten PKW dorthin gefahren habe. In Bad S. habe sie dann in demselben Aufgabenfeld ab 01.08.2015 während der dortigen Praxiszeiten regelmäßig am Montag, Dienstag und Donnerstag von 08:00 Uhr bis 15:30 Uhr, mittwochs und freitags nur bis 13:00 Uhr gearbeitet. Vor den Fahrten nach Bad S. hätten sich die Parteien allmorgendlich telefonisch kurzgeschlossen und die Abfahrtszeiten abgestimmt, damit beide etwa gleichzeitig bei den Praxisräumen ankämen. Erst auf intensives Drängen habe die Beklagte ihr am 30.10.2015 eine SMS geschickt mit u. a. dem Inhalt, dass ihr die „Abrechnung … zugeschickt“ werde (Bl. 24 d. A.). Die Klägerin sei mit Willen der Beklagten für diese tätig geworden. Die Klägerin habe auch Zuzahlungsbelege handschriftlich ausgefüllt, deren Durchschriften bei der Beklagten verblieben seien. Aus den unterschiedlichen Handschriften, mit denen die Eintragungen in der Zeit vom 01.04.2015 bis 17.10.2015 und in den übrigen Zeiten vorgenommen worden seien, sei zu entnehmen, dass diese nicht allein von der Beklagten stammen könnten. Nähere Angaben zum Vertragsabschluss seien entbehrlich, da die Parteien das Arbeitsvertragsverhältnis in Vollzug hätten. Gleiches gelte für die Entgeltvereinbarung, da der Klägerin jedenfalls der gesetzliche Mindestlohn zustünde.

6

Die Beklagte hat behauptet,

7

dass es zwischen den Parteien keine arbeitsvertraglichen Verbindungen gegeben habe. Die Klägerin sei zu keiner Zeit bei der Beklagten angestellt gewesen. Die Klägerin sei ihre Patientin gewesen und sie hätten sich dann angefreundet. Richtig sei, dass die Klägerin hin und wieder in der Praxis vorbeigeschaut habe, um sich mit ihr, der Beklagten, zu unterhalten oder Kaffee zu trinken. Bei diesen Gelegenheiten habe sie auch Patienten begrüßt und diesen die Tür auf und zu gemacht. Zu keiner Zeit habe die Klägerin jedoch die von ihr im Übrigen unsubstantiiert dargelegten Arbeiten erledigt. Insofern seien auch die angebotenen Zeugenbeweise ungeeignet. Unzutreffend seien auch schon die angegebenen Arbeitszeiten, die im Übrigen widersprüchlich zwischen der Klagschrift und dem weiteren Vorbringen der Klägerin seien. Die Tätigkeit in ihrer Praxis in Bad S. habe die Beklagte erst ab Mitte August fortgeführt. Auch dort sei die Klägerin von Zeit zu Zeit erschienen, ohne jedoch irgendwelche Tätigkeiten ausgeführt zu haben. Richtig sei allein, dass die Beklagte der Klägerin einmal angeboten habe, sie als geringfügig Beschäftigte in einem Umfang maximal 150,00 € pro Monat zu beschäftigen. Über diese Absichtserklärung hinaus habe es jedoch keine Einigung zwischen den Parteien dazu gegeben.

8

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 20.01.2016 den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Landgericht Lübeck verwiesen. Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass die Parteien ein Arbeitsverhältnis begründet hätten. Sie habe den Sachvortrag zur angeblich vereinbarten Vergütung im Laufe des Verfahrens geändert. Ihr letzter Vortrag einer Vergütungsabrede über 700,00 € netto = 1.100,00 € brutto sei völlig praxisfern. Zudem habe sie weder substantiiert dargelegt, welche Tätigkeit die Beklagte ihr konkret mit welchem Inhalt angeboten habe noch die weiteren Umstände des Arbeitsverhältnisses, wie Arbeitszeit, Urlaub und Pausen. Sie habe nicht dargelegt, dass sie die behauptete Tätigkeit als Rezeptionistin weisungsabhängig erbracht habe und inwieweit sie in die Arbeitsabläufe der Praxis eingegliedert gewesen sei. Der Vortrag der Klägerin sei widersprüchlich.

9

Gegen diesen ihr am 25.01.2016 zugestellten Beschluss hat die Klägerin beim Arbeitsgericht am 04.02.2016 sofortige Beschwerde eingelegt. Zwar gebe es Tätigkeiten, die nach ihrer Art grundsätzlich in einem Arbeitsverhältnis oder aber auch in einem freien Dienstverhältnis erbrachten werden können. Auf die Tätigkeit einer Rezeptionistin und Sprechstundenhilfe treffe dies aber nicht zu. Sie habe in den Praxisräumen der Beklagten gearbeitet und habe deren Betriebsmittel verwendet. Sie habe ihre Tätigkeiten nach den Vorgaben der Beklagten verrichtet. Eigene Freiräume habe sie nicht gehabt. Ihre Tätigkeit sei ausnahmslos in die von der Beklagten vorgegebene Arbeitsorganisation eingegliedert und von der Beklagten bestimmt gewesen. Die sachliche Zuständigkeit der Arbeitsgerichte folge auch aus dem Umstand, dass sie neben Lohn auch Urlaubsabgeltung klageweise geltend mache. Es handele sich um einen sic-non-Fall.

10

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 14.04.2016 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Die Klägerin könne sich nicht auf einen sic-non-Fall wegen der geltend gemachten Urlaubsabgeltung gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG berufen. § 2 Abs. 3 ArbGG sei teleologisch dahin zu reduzieren, dass er keine Anwendung finde, wenn der Hauptklage ein sogenannter sic-non-Fall zugrunde liege. Insoweit solle die Gefahr einer Manipulation des gesetzlichen Richters ausgeschlossen werden.

II.

11

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, sie ist an sich statthaft und form- und fristgerecht eingelegt, §§ 17a Abs. 2 u. 4 S. 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569, Abs. 1 u. 2 ZPO.

12

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache selbst Erfolg, da sie begründet ist.

13

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist im vorliegenden Fall eröffnet. Die Klägerin war nach ihrem eigenen Vortrag weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Person der Beklagten (§ 5 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG). Das hat das Arbeitsgericht richtig erkannt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann auf die zutreffenden und sorgfältig begründeten Gründe des angefochtenen Beschlusses in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses verwiesen werden. Lediglich ergänzend und auf die Beschwerdebegründung eingehend wird noch auf Folgendes hingewiesen:

14

1. Für den Zahlungsantrag zu Ziff. 1 (Vergütung) sind die Gerichte für Arbeitssachen sachlich zuständig.

15

a) Unstreitig handelt es sich bei den streitigen Vergütungsansprüchen um einen sogenannten aut-aut-Fall. Als Anspruchsgrundlage kommen vorliegend sowohl §§ 611 Abs. 1 BGB, 1 Abs. 1 und 2 MiLoG als auch ein freier Dienstvertrag in Betracht. Nur bei Vorliegen eines Arbeitsvertrages sind die Gerichte für Arbeitssachen sachlich zuständig. In einem aut-aut-Fall reicht es - anders als in dem sic-non-Fall - für die Begründung der sachlichen Zuständigkeit nicht aus, dass die Klägerin schlicht behauptet, Arbeitnehmerin gewesen zu sein. Vielmehr muss sie die anspruchsbegründenden Tatsachen substantiiert darlegen und ggf. auch beweisen. Sie muss - bezogen auf den vorliegenden Fall - mithin im Einzelnen darlegen, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände sie als Arbeitnehmerin zu qualifizieren ist.

16

aa) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für "bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern" aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (BAG, Urt. v. 15.02.2012 - 10 AZR 301/10 - Rn. 13, juris). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Ob ein Dienst- oder Arbeitsverhältnis besteht, zeigt der wirkliche Geschäftsinhalt. Zwingende gesetzliche Regelungen für Arbeitsverhältnisse können nicht dadurch abbedungen werden, dass Parteien ihrem Arbeitsverhältnis eine andere Bezeichnung geben. Welches Rechtsverhältnis vorliegt, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu ermitteln, der objektive Geschäftsinhalt ist den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen und der praktischen Durchführung des Vertrags zu entnehmen. Widersprechen sich Vereinbarung und tatsächliche Durchführung, ist Letztere maßgebend (BAG, Urt. v. 21.07. 2015 - 9 AZR 484/14 - Rn. 20, juris).

17

b) Hieran gemessen hat die Klägerin - entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - schlüssig dargelegt, dass sie Vergütung für erbrachte Arbeitsleistungen und nicht für Dienstleistungen beansprucht. Wenn die behaupteten Tätigkeiten typischerweise nur weisungsgebunden und innerhalb der Arbeitsorganisation der Beklagten erbracht werden, reicht es für die Begründung der Rechtswegzuständigkeit der Arbeitsgerichte aus, wenn die Klägerin behauptet, sie habe eben diese bestimmten Tätigkeiten in den Geschäftsräumen der Beklagten innerhalb einer konkret benannten Arbeitszeit erbracht. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte einen Vertragsschluss als auch jegliche erbrachte Arbeitsleistungen durch die Klägerin abstreitet.

18

Die Klägerin hat nicht nur vorgetragen, dass sie von der Beklagten als Rezeptionistin/Praxishelferin eingestellt worden sei, sondern auch die von ihr geschuldeten Tätigkeiten im Einzelnen aufgeführt. Zudem hat sie vorgetragen, dass sie diese Arbeiten in den Praxisräumen der Beklagten ausgeübt habe und die genauen Arbeitszeiten genannt. Die Tätigkeit einer Rezeptionistin/Praxishelferin ist typischerweise weisungsabhängig und erfolgt im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hat auch weder in der Klagerwiderung noch dem weiteren Schriftsatz vom 15.12.2015 die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin gerügt, sondern insgesamt bestritten, dass die Klägerin irgendwelche vergütungspflichtigen Arbeiten für sie, die Beklagte, verrichtet habe. Die Beklagte hat auch nicht die sachliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts gerügt und Verweisung ans Landgericht beantragt, sondern lediglich bestritten, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag zustande gekommen sei und die Klägerin für sie Arbeitsleistungen erbracht habe. Streitig ist vorliegend nicht die Art des Vertragsverhältnisses sondern der Vertragsabschluss bzw. das Zustandekommen eines vergütungspflichtigen Vertragsverhältnisses. Die von der Klägerin vorgetragenen Vertragsbedingungen beinhalten eine weisungsgebundene Tätigkeit, die in die Arbeitsabläufe der von der Beklagten betriebenen Physiotherapiepraxis integriert sind.

19

Ob die Parteien tatsächlich einen Arbeitsvertrag mündlich abgeschlossen haben und die Klägerin im behaupteten Umfang die genannten Tätigkeiten ausgeübt hat, ist sodann im Rahmen der Begründetheit der Lohnansprüche zu prüfen.

20

2. Die Gerichte für Arbeitssachen sind auch sachlich zuständig für den Zahlungsantrag zu Ziff. 2 (Urlaubsabgeltung).

21

a) Bei der geltend gemachten Urlaubsabgeltung handelt es sich um einen sogenannten sic-non-Fall. Hierzu gehören die Fälle, in denen der Anspruch ausschließlich auf eine arbeitsrechtliche Anspruchsgrundlage gestützt werden kann, jedoch fraglich ist, ob deren Voraussetzungen vorliegen (sog. sic-non-Fall). Hauptbeispiel ist die auf Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses gerichtete Klage. Indessen gilt dies für alle Klageanträge, die nur dann Erfolg haben können, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist. In diesen Fällen genügt zur Bejahung des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen die alleinige Rechtsansicht des Klägers, Arbeitnehmer zu sein. Die entsprechenden Tatsachenbehauptungen des Klägers und seine Rechtsansicht sind hier "doppelrelevant", also sowohl für die Rechtswegzuständigkeit, als auch für die Begründetheit der Klage maßgebend (BAG, Beschl. v. 18.12.1996 - 5 AZB 25/96 - Rn. 38, juris).

22

Die Klägerin stützt den geltend gemachten Urlaubsabgeltungsanspruch ersichtlich allein auf die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes. Dieser gesetzliche Urlaubsabgeltungsanspruch setzt zwingend voraus, dass die Klägerin entweder Arbeitnehmer §§ 7 Abs. 4, 1 BUrlG oder arbeitnehmerähnliche Person (§§ 7 Abs. 4, 2 BUrlG) ist. Wie § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG definiert § 2 BUrlG, dass als Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes auch Personen gelten, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Es liegt mithin insofern ein sic-non Fall vor, so dass insoweit der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist (LAG Köln, Beschl. v. 08.04.2013 - 4 Ta 11/13 - Rn. 5, juris).

23

3. Nach alledem waren der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Gerichte für Arbeitssachen für sachlich zuständig zu erklären.

24

Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 91 ZPO zu tragen.

25

Ein gesetzlich begründbarer Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde liegt nicht vor.


(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.

(2) Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.

(3) Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a des Handelsgesetzbuchs die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die in Satz 1 bestimmte Vergütungsgrenze durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen anpassen.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. August 2014 - 21 Ta 1244/14 - aufgehoben.

2. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. Mai 2014 - 56 Ca 4123/14 - abgeändert:

Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 82.317,97 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

2

Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. April 1996 beschäftigt, zuletzt als „Executive Director“ auf Grundlage des Vertrags vom 26. November 2012 („Service Contract for Executive Directors“) nebst einer zeitgleich abgeschlossenen Ergänzungsvereinbarung. Seine durchschnittliche monatliche Vergütung betrug 30.869,24 Euro brutto zuzüglich Aktien-Optionsrechten. Am 18. Januar 2011 wurde der Kläger durch Gesellschafterbeschluss mit sofortiger Wirkung zum Geschäftsführer der Beklagten bestellt und am 15. Februar 2011 als solcher ins Handelsregister eingetragen.

3

Die Beklagte ist im Bereich Unternehmensberatung tätig und beschäftigt in Deutschland etwa 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Alleinige Gesellschafterin der Beklagten ist die A H GmbH & Co. KG, deren Geschäfte durch die A M GmbH geführt werden. Neben dem Kläger sind für die Beklagte 98 weitere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer bestellt, darunter auch sechs von sieben Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der A M GmbH. Die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer (seit Ende 2012 „Managing Directors“ genannt) sind, abhängig von ihrem konkreten Verantwortungs- und Tätigkeitsbereich, einem bestimmten „Career Level“ zugeordnet. Nach dem Gesellschaftsvertrag vom 9./22. Juli 2003 wird die Beklagte durch zwei Geschäftsführer oder durch einen Geschäftsführer gemeinschaftlich mit einem Prokuristen vertreten.

4

Bis Januar 2001 firmierte die Beklagte als An Unternehmensberatung GmbH und war bis zum geplanten Börsengang ihrer damaligen Konzernmutter im Mai 2001 partnerschaftlich organisiert. Die für die Beklagte tätigen deutschen Partnerinnen und Partner hielten die Geschäftsanteile zunächst als Gesellschafterinnen und Gesellschafter der „Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Partner von An Unternehmensberatung GmbH“ und später mittelbar als Gesellschafterinnen und Gesellschafter der AC Ho C.V. Gleichzeitig waren sie Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Beklagten und erhielten ihren Anteil am Gewinn als Geschäftsführergehalt ausbezahlt. Nach der Auflösung der partnerschaftlichen Struktur blieben die ehemaligen Partnerinnen und Partner weiterhin Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Beklagten. Es wurde ein neues „Career-Level-System“ eingeführt und die ehemaligen Partnerinnen und Partner wurden als „Senior Executives“ (jetzt: „Managing Director“) den Leveln 1 bis 3 zugeordnet. Seit Ende 2012 stellt die Beklagte jedenfalls „Managing Directors“ der Career Level 1 bis 3 nur als Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer ein. Der Kläger war dem Level 3 zugeordnet.

5

Mit Schreiben vom 25. Februar 2014 kündigte die Beklagte aufgrund Gesellschafterbeschlusses vom 24. Februar 2014 das Vertragsverhältnis mit dem Kläger zum 31. August 2014 und verzichtete auf das in der Ergänzungsvereinbarung vom 26. November 2012 vereinbarte Wettbewerbsverbot. Eine Abberufung des Klägers als Geschäftsführer erfolgte nicht.

6

Mit der am 20. März 2014 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen, der Beklagten am 3. April 2014 zugestellten Klage wendet sich der Kläger gegen die Kündigung vom 25. Februar 2014 und begehrt ua. die Feststellung, sich seit dem 1. Dezember 2012 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten zu befinden. Hilfsweise verlangt er Zahlung der vereinbarten Karenzentschädigung bis Ende Februar 2015.

7

Der Kläger ließ mit Schriftsatz vom 20. Juni 2014 im vorliegenden Rechtsstreit durch seine Prozessbevollmächtigten die Niederlegung seines Amtes als Geschäftsführer erklären. Mit Schreiben vom 27. August 2014, zugegangen am Folgetag, legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer der Beklagten gegenüber der A H GmbH & Co. KG, vertreten durch die A M GmbH, mit sofortiger Wirkung nieder. Daraufhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 12. September 2014 „vorsorglich erneut ein etwaig noch zwischen der A GmbH und Ihnen bestehendes Anstellungsverhältnis außerordentlich und fristlos sowie höchstvorsorglich und hilfsweise auch ordentlich und fristgerecht zum 31. März 2015“.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei gegeben. Er sei weisungsgebunden in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden gewesen. Zur organschaftlichen Vertretung im Innenverhältnis seien nur die Geschäftsführer der Level 1 und 2, nicht hingegen die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Level 3 und 4 befugt. Seine Bestellung zum Geschäftsführer sei offensichtlich rechtsmissbräuchlich erfolgt. Die Beklagte bestelle alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Managementebene (Level 3 und 4) zu Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern, um ua. die Anwendbarkeit des Arbeitsgerichtsgesetzes und des Kündigungsschutzgesetzes auszuschließen. Gleiches gelte für die unterbliebene Abberufung als Geschäftsführer. Das Interesse der Beklagten an der Beibehaltung seiner Geschäftsführerstellung bestehe allein in der Erschwerung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten. Abgesehen davon greife die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht mehr ein, weil er kein Organvertreter mehr sei. Schon seine schriftsätzliche Erklärung vom 20. Juni 2014 sei der Gesellschafterversammlung der Beklagten zugegangen. Jedenfalls habe er am 27. August 2014 sein Amt wirksam niedergelegt.

9

Der Kläger hat beantragt:

        

1.    

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien seit dem 1. Dezember 2012 ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.

        

2.    

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten durch die Kündigung vom 25. Februar 2014 nicht zum 31. August 2014 aufgelöst werden wird.

        

3.    

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 31. August 2014 hinaus fortbesteht.

        

Hilfsweise, für den Fall des Scheiterns der Klageanträge zu 2. und 3.:

        

4.    

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 28. Februar 2015 insgesamt 58.950,00 Euro brutto nebst Zinsen wie folgt zu zahlen:

                 

a)    

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 30. September 2014 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Oktober 2014 zu zahlen.

                 

b)    

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 31. Oktober 2014 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. November 2014 zu zahlen.

                 

c)    

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 30. November 2014 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Dezember 2014 zu zahlen.

                 

d)    

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 31. Dezember 2014 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Januar 2015 zu zahlen.

                 

e)    

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 31. Januar 2015 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. Februar 2015 zu zahlen.

                 

f)    

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger bis zum 28. Februar 2015 9.825,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 1. März 2015 zu zahlen.

        

5.    

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen als „Executive Director“ mit einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 30.869,24 Euro brutto bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiterzubeschäftigen.

10

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des eingeschlagenen Rechtswegs gerügt und die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Berlin, Kammer für Handelssachen, beantragt. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer; jedenfalls greife die Sperrwirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ein. Mit der Erklärung vom 20. Juni 2014 habe der Kläger sein Amt als Geschäftsführer nicht wirksam niedergelegt, weil er die Amtsniederlegung nicht gegenüber der zuständigen Gesellschafterversammlung erklärt habe. Außerdem berühre die nachträgliche Beendigung der Organstellung die einmal begründete Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht. Die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer sei auch nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt. Die hohe Anzahl der Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer erkläre sich vielmehr aus ihrer partnerschaftlich geprägten Historie und ihrer Kundenausrichtung als Beratungsunternehmen.

11

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Kläger weiterhin, den Rechtsweg zu dem Arbeitsgericht für zulässig zu erklären.

12

II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist zulässig.

13

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Buchst. b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.

14

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. In Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit gelten jedoch nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht zuständig.

15

b) Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Sie soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen (vgl. BAG 20. August 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 107, 165). Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen, solange die Fiktion Wirkung entfaltet (BAG 23. August 2011 - 10 AZB 51/10 - Rn. 12 mwN, BAGE 139, 63).

16

2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zulässig.

17

a) Die Klage enthält - soweit sie unbedingt erhoben ist - ausschließlich Klageanträge, die nur dann begründet sein können, wenn das Rechtsverhältnis als Arbeitsverhältnis einzuordnen ist und nach wirksamer Beendigung der Organstellung als solches fortbestand oder wieder auflebte. In diesen Fällen (sic-non-Fälle) eröffnet bei streitiger Tatsachengrundlage die bloße Rechtsansicht der Klagepartei, es handele sich um ein Arbeitsverhältnis, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten (BAG 15. November 2013 - 10 AZB 28/13 - Rn. 21 mwN).

18

aa) Mit dem Antrag zu 1. begehrt der Kläger die Feststellung, dass er sich seit einem bestimmten Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis befindet. Mit den Feststellungsanträgen zu 2. und 3. macht der Kläger den Fortbestand dieses Arbeitsverhältnisses geltend, mit dem Antrag zu 5. begehrt er seine vorläufige Weiterbeschäftigung.

19

bb) Der nur für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 2. und 3. angekündigte Klageantrag zu 4. kann hingegen unabhängig davon Erfolg haben, ob sich der Kläger in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten befunden hat oder ob zwischen den Parteien ein freies Dienstverhältnis bestand. Solange der Hauptantrag rechtshängig ist, muss die Rechtswegfrage aber einheitlich beantwortet werden, da sich das hilfsweise geltend gemachte Begehren nicht abtrennen lässt. Solange der Hauptantrag rechtshängig ist, bestimmt sich die Zuständigkeit für die gesamte Klage deshalb allein nach diesem (vgl. BAG 11. Juli 1975 - 5 AZR 546/74 - zu 4 der Gründe; BGH 8. Juli 1981 - IVb ARZ 532/81 - zu II 2 der Gründe [zum Bestimmungsverfahren nach § 36 Nr. 6 ZPO]; Düwell/Lipke/Krasshöfer 3. Aufl. § 2 Rn. 25; Musielak/Foerste ZPO 11. Aufl. § 281 Rn. 7). Kommt es zur Entscheidung über den Hilfsantrag, ist insoweit vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu entscheiden. Ein vorhergehender Beschluss über die Zulässigkeit des Rechtswegs für den Hauptantrag entfaltet keine Bindungswirkung (OVG Münster 30. November 1992 - 23 A 1471/90 - zu II der Gründe; Thomas/Putzo/Reichold 35. Aufl. § 260 Rn. 17; Zöller/Lückemann ZPO 30. Aufl. § 17a GVG Rn. 13a).

20

b) Nach der Beendigung der Organstellung und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen berufen, über diese arbeitsrechtlichen Streitgegenstände zu entscheiden.

21

aa) Wird ein zum Zeitpunkt der Klageerhebung vor dem Arbeitsgericht noch bestellter Geschäftsführer vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtswegzuständigkeit abberufen, begründet dies in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen. Gleiches gilt, wenn der Geschäftsführer bis zu diesem Zeitpunkt wirksam sein Amt niederlegt. Damit entfällt die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG(BAG 22. Oktober 2014 - 10 AZB 46/14 - Rn. 26 ff.).

22

(1) Nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen richtet sich die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs zunächst nach den tatsächlichen Umständen zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit (MüKoZPO/Zimmermann 4. Aufl. § 17a GVG Rn. 8; Kissel/Mayer GVG 7. Aufl. § 17 Rn. 9 f.). Nachträgliche Veränderungen führen grundsätzlich nicht zum Verlust des einmal gegebenen Rechtswegs. Dieser in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG enthaltene Grundsatz der perpetuatio fori gilt jedoch nur rechtswegerhaltend. Alle bis zur letzten Tatsachenverhandlung eintretenden Umstände, welche die zunächst bestehende Unzulässigkeit des Rechtswegs beseitigen, sind dagegen zu berücksichtigen, sofern nicht vorher ein (rechtskräftiger) Verweisungsbeschluss ergeht (Kissel NJW 1991, 945, 948 ff.; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 72. Aufl. § 17 GVG Rn. 3, § 261 ZPO Rn. 31; MüKoZPO/Zimmermann § 17 GVG Rn. 6; Musielak/Wittschier ZPO § 17 GVG Rn. 4; PG/Bitz 5. Aufl. § 17 GVG Rn. 7; Stein/Jonas/Jacobs 22. Aufl. § 17 GVG Rn. 12; Thomas/Putzo/Hüßtege § 17 GVG Rn. 3; Wieczorek/Schütze/Schreiber 3. Aufl. § 17 GVG Rn. 4; Zöller/Lückemann ZPO § 17 GVG Rn. 2). Wird vorab gemäß § 17a Abs. 3 GVG über die Rechtswegzuständigkeit entschieden, sind spätere zuständigkeitsbegründende Veränderungen auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 GVG zu berücksichtigen, wenn sie dort zulässigerweise eingeführt werden können(BGH 18. Mai 1995 - I ZB 22/94 - zu II 3 a der Gründe, BGHZ 130, 13; Zöller/Lückemann aaO). Dies dient vor allem der Prozessökonomie (Kissel NJW 1991, 945, 948; Wieczorek/Schütze/Schreiber aaO; Zöller/Lückemann aaO) und soll vermeiden, dass ein Rechtsstreit verwiesen wird, auch wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs die Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts begründet ist. Die veränderten zuständigkeitsrelevanten Umstände können damit dazu führen, dass ein ursprünglich begründeter Verweisungsantrag unbegründet wird (MüKoZPO/Becker-Eberhard § 261 Rn. 80; zur Möglichkeit der Erledigungserklärung in einem solchen Fall: BGH 11. Januar 2001 - V ZB 40/99 - zu II 1 der Gründe).

23

(2) Soweit der Senat die Auffassung vertreten hatte, es komme für das Eingreifen der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG ausschließlich auf die Umstände zum Zeitpunkt der Klageerhebung an(vgl. BAG 15. November 2013 - 10 AZB 28/13 - Rn. 23; 26. Oktober 2012 - 10 AZB 55/12 - Rn. 23), hat er hieran nicht mehr festgehalten (BAG 22. Oktober 2014 - 10 AZB 46/14 - Rn. 28). Zwar ist dieser Zeitpunkt zunächst entscheidend für die Bestimmung des zuständigen Gerichts und geeignet, rechtssicher festzustellen, ob § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG der Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen entgegensteht. Eine Durchbrechung der allgemeinen Grundsätze über die Berücksichtigung zuständigkeitsbegründender Umstände rechtfertigt dies jedoch nicht und eine solche gibt § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch nicht vor. Die Abberufung als Geschäftsführer oder dessen Amtsniederlegung lassen sich auch zu jedem späteren Zeitpunkt sicher feststellen. Das ausschließliche Abstellen auf den Zeitpunkt der Klageerhebung eröffnet dagegen die Möglichkeit einer Manipulation. Käme es allein auf diesen Zeitpunkt an, hätten es die Gesellschafter nach einer Kündigung in der Hand, durch ein Hinausschieben der Abberufungsentscheidung eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte auch in den Fällen auszuschließen, in denen unzweifelhaft ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Der Kläger hat nämlich in einem solchen Fall gemäß § 4 Satz 1 KSchG innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage zu erheben, um den Eintritt der Fiktionswirkung des § 7 KSchG zu verhindern. Die nachträgliche Berücksichtigung von Umständen, welche die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs erst begründen, verhindert im Übrigen bei mehreren nacheinander erklärten Kündigungen regelmäßig auch eine Aufspaltung der Zuständigkeit in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Abberufung des Geschäftsführers.

24

bb) Nach diesen Grundsätzen ist hinsichtlich der Hauptanträge der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig. Zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage am 3. April 2014 war der Kläger zwar noch Geschäftsführer der Beklagten. Er hat jedoch vor der Entscheidung über die Rechtsbeschwerde durch Erklärung vom 27. August 2014 mit deren Zugang am 28. August 2014 sein Amt niedergelegt.

25

(1) Bei der Amtsniederlegung handelt es sich um eine formfreie, einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die grundsätzlich jederzeit und fristlos erfolgen kann (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck GmbHG 20. Aufl. § 38 Rn. 86; Altmeppen in Roth/Altmeppen GmbHG 7. Aufl. § 38 Rn. 75). Unbeschadet möglicher abweichender (gesellschafts-)vertraglicher Regelungen genügt es für den Zugang der Amtsniederlegungserklärung, wenn die Erklärung einem der Gesellschafter oder im Fall einer juristischen Person einem der gesetzlichen Vertreter zugeht (BGH 17. September 2001 - II ZR 378/99 - zu 1 der Gründe, BGHZ 149, 28). Ob im Einzelfall ein wichtiger Grund für die Amtsniederlegung objektiv gegeben ist, spielt für deren sofortige Wirksamkeit keine Rolle (BGH 8. Februar 1993 - II ZR 58/92 - zu 2 b bb der Gründe, BGHZ 121, 257). Mit dem Zugang der Erklärung über die Amtsniederlegung bei den Gesellschaftern einer GmbH endet das Amt als Geschäftsführer, ohne dass es auf die Eintragung ins Handelsregister ankommt. Diese wirkt ebenso wie im Fall der Abberufung nur deklaratorisch (Altmeppen in Roth/Altmeppen aaO). Die fehlende Eintragung beeinträchtigt deshalb die Wirksamkeit der Niederlegung nicht (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck aaO und § 39 Rn. 24).

26

(2) Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts zutrifft, wonach die mit Schriftsatz vom 20. Juni 2014 erfolgte Amtsniederlegung mangels Zugang bei der Alleingesellschafterin der Beklagten keine Wirkung entfalten konnte, denn der Kläger hat jedenfalls durch seine Erklärung vom 27. August 2014, zugegangen am 28. August 2014, sein Amt gegenüber einem gesetzlichen Vertreter der Gesellschafterin der Beklagten mit sofortiger Wirkung niedergelegt. Diese Tatsache ist zwischen den Parteien unstreitig und kann deshalb auch im Rechtsbeschwerdeverfahren noch Berücksichtigung finden (zu den Grenzen: BAG 5. November 2003 - 10 AZB 59/03 - zu 2 c der Gründe; vgl. zum Revisionsverfahren zB BAG 12. November 2013 - 9 AZR 646/12 - Rn. 16; 27. Februar 2007 - 3 AZR 618/06 - Rn. 29, BAGE 121, 309 [zur Berücksichtigungsfähigkeit prozessualer Tatsachen im Revisionsverfahren]). Der Gesellschaftsvertrag vom 9./22. Juli 2003 enthält keine entgegenstehenden Bestimmungen. Damit kann die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht mehr greifen und die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben. Auf die weiteren von den Parteien und vom Landesarbeitsgericht aufgeworfenen Fragestellungen kommt es deshalb für die Zulässigkeit des Rechtswegs nicht mehr an.

27

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 63 GKG.

        

    Linck    

        

    Brune    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

        

        

        

                 

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers werden die Beschlüsse des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 11. Oktober 2010 - 17 Ta 312/10 - und des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juli 2010 - 10 Ca 3957/10 - aufgehoben.

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gegeben.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über Restvergütung, eine Abfindung, Gewinnbeteiligung, die Erstellung einer Arbeitsbescheinigung, die Erteilung eines Zeugnisses sowie über die Abrechnung des Vertragsverhältnisses und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs.

2

Die Beklagten sind Unternehmen einer Unternehmensgruppe der Softwarebranche. Die Beklagte zu 1. ist die alleinige Gesellschafterin der Beklagten zu 2. Sie ist ferner alleinige Gesellschafterin der m GmbH, über deren Vermögen am 22. Januar 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten zu 1. ist die m SA mit Sitz in Zug/Schweiz.

3

Der Kläger war auf der Grundlage eines in englischer Sprache abgefassten Arbeitsvertrags vom 29. Oktober 2007 für die Unternehmensgruppe tätig. Der Kläger erhielt für die Jahre 2007 und 2008 (bis 31. Mai 2008) Lohnsteuerbescheinigungen von der m GmbH, danach von der Beklagten zu 2.

4

Am 5. Juni 2008 bestellte die Beklagte zu 2. den Kläger zum Geschäftsführer. Eine Eintragung in das Handelsregister erfolgte am 14. August 2008. Am 7. Juli 2009 wurde er außerdem zum Geschäftsführer der Beklagten zu 1. bestellt und im Handelsregister am 31. August 2009 eingetragen.

5

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2009 teilten die beiden Beklagten dem Kläger seine Abberufung als Geschäftsführer der Unternehmen mit. Gleichzeitig kündigten sie mit Schreiben vom 4. Dezember 2009 das Anstellungsverhältnis des Klägers vorsorglich fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Abberufung als Geschäftsführer beider Unternehmen wurde am 16. Dezember 2009 in das Handelsregister eingetragen.

6

Mit seiner am 8. Juni 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger von den beiden Beklagten die Zahlung restlicher Vergütung für den Zeitraum vom 15. November 2007 bis zum 4. Dezember 2009 in Höhe von 124.336,98 Euro netto, die Zahlung einer Abfindung gemäß dem schriftlichen Vertrag vom 29. Oktober 2007, eine Abrechnung bis zum Vertragsende und die Feststellung eines Anspruchs auf Gewinnbeteiligung in Höhe von 1/3 von fünf Prozent des EBITDA-Betrags der Beklagten zu 1. sowie eine Arbeitsbescheinigung und ein Zeugnis von der Beklagten zu 1. begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei gegeben, Es lägen Streitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG vor. Seine gesellschaftsrechtliche Stellung als Geschäftsführer der Beklagten stehe dem nicht entgegen. Sein Arbeitsverhältnis sei zu keiner Zeit aufgehoben worden. Bei der Bestellung zum Geschäftsführer beider Beklagten sei der bestehende Arbeitsvertrag nicht geändert worden. An seiner persönlichen Abhängigkeit von den Weisungen des „faktischen Geschäftsführers“ der Mehrheitsgesellschafterin der Beklagten zu 1. habe sich nichts geändert. Jedenfalls für die Ansprüche, die er für die Zeit bis zum 5. Juni 2008 und nach seiner Abberufung als Geschäftsführer geltend mache, sei der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Nettobetrag in Höhe von 124.336,98 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2009 zu zahlen,

        

2.    

die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn einen Bruttobetrag in Höhe von 36.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. Dezember 2009 zu zahlen,

        

3.    

festzustellen, dass er für die Jahre 2008 und 2009 Anspruch auf eine Gewinnbeteiligung in Höhe von 1/3 von fünf Prozent des EBITDA-Betrags der Beklagten zu 1. hat,

        

4.    

die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, sein Arbeitsverhältnis bis zu dessen Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen,

        

5.    

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, ihm eine Arbeitsbescheinigung zu erstellen und

        

6.    

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, ihm ein wohlwollendes Zeugnis mit insgesamt „gute“ Beurteilung zu erteilen.

8

Die Beklagten halten den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für nicht gegeben. Sie haben die Ansicht vertreten, der als Geschäftsführer beider Unternehmen tätig gewordene Kläger sei nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG kein Arbeitnehmer.

9

Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht München I (Kammer für Handelssachen) verwiesen. Die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde hält der Kläger an dem eingeschlagenen Rechtsweg fest.

10

II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Vorinstanzen haben zu Unrecht die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint. Der Kläger macht Ansprüche aus einem - nicht aufgehobenen - Arbeitsverhältnis nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG geltend. Seine zeitweise erfolgte Bestellung zum Geschäftsführer der Beklagten ändert daran nichts.

11

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis, über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses sowie über Arbeitspapiere. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.

12

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht berufen. Die Fiktion der Norm gilt auch für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Sie greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als ein Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen (BAG 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 11, NZA 2011, 874; 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 20. August 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 2 bis 4 der Gründe, BAGE 107, 165; 23. August 2001 - 5 AZB 9/01 - zu II 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 54 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 36; 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 b der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33). An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert es nichts, dass zwischen den Prozessparteien streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 b der Gründe, aaO). § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift sogar ein, wenn objektiv feststeht, dass das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person selbst dann keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen, wenn die der Organstellung zugrunde liegende Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist(BAG 20. August 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Dies gilt auch dann, wenn der Geschäftsführer geltend macht, er sei wegen seiner eingeschränkten Kompetenz in Wirklichkeit Arbeitnehmer gewesen (BAG 14. Juni 2006 - 5 AZR 592/05 - Rn. 16, BAGE 118, 278; 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 bB I 2 der Gründe, aaO; Schwab/Weth/Kliemt ArbGG 3. Aufl. § 5 Rn. 271). Für Ansprüche des Klägers, die während der Zeit als Geschäftsführer entstanden sind, sind deshalb die ordentlichen Gerichte ohne Weiteres immer dann zuständig, wenn sie noch während der Geschäftsführerbestellung gerichtlich geltend gemacht werden (vgl. BAG 20. Mai 1998 - 5 AZB 3/98 - zu II 1 der Gründe, NZA 1998, 1247). Nur so kann dem Zweck der gesetzlichen Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG entsprochen und ein Arbeitsgerichtsprozess im „Arbeitgeberlager“ vermieden werden.

13

b) Etwas anderes kann sich jedoch dann ergeben, wenn dem Rechtsstreit zwischen dem Mitglied des Vertretungsorgans und der juristischen Person nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern eine weitere Rechtsbeziehung zugrunde liegt. In diesem Fall greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein(BAG 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 11,NZA 2011, 874; 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43;10. Juni 2006 - 5 AZR 592/05 - Rn. 16, BAGE 118, 278, aaO; 20. August 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 107, 165; 23. August 2001 - 5 AZB 9/01 - zu II 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 54 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 36; 11. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 c der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Organvertreter Rechte mit der Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer habe sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis - wieder - in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt (BAG 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 c der Gründe, aaO).

14

c) Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann ferner dann gegeben sein, wenn der Kläger Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach Abberufung als Organmitglied geltend macht. Zwar liegt der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als ein Geschäftsführer-Dienstvertrag zu qualifizieren ist und mit der das Arbeitsverhältnis grundsätzlich aufgehoben wird (vgl. bspw. BAG 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 5. Juni 2008 - 2 AZR 754/06 - Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 211; 19. Juli 2007 - 6 AZR 774/06 - Rn. 10, BAGE 123, 294). Zwingend ist dies aber nicht. Zum einen kann die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Zum anderen bleibt der Arbeitsvertrag bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer der GmbH bestellt wird, da eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB voraussetzt (vgl. BAG 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 12, NZA 2011, 874; 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, aaO). Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag können dann nach Abberufung aus der Organschaft und damit nach dem Wegfall der anwendbaren Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Dies gilt auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf dieser arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche.

15

2. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Beschwerde des Klägers begründet. Die Vorinstanzen haben für die geltend gemachten Ansprüche den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Unrecht verneint.

16

a) Der Kläger war als Geschäftsführer der beklagten Gesellschaften mit beschränkter Haftung nach § 35 Abs. 1 GmbHG deren gesetzlicher Vertreter und galt deshalb während der Zeit als bestellter Geschäftsführer der Beklagten nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des ArbGG(vgl. BAG 14. Juni 2006 - 5 AZR 592/05 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 118, 278). Während dieser Zeit konnte er nicht vor den Gerichten für Arbeitssachen gegen die Beklagten klagen.

17

b) Nach seiner Abberufung als Geschäftsführer der Beklagten erfasst die gesetzliche Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG den Streitfall und die vom Kläger geltend gemachten arbeitsvertraglichen Ansprüche nicht mehr. Zwar ist davon auszugehen, dass sich die Parteien vor der Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer der Beklagten hierüber verständigt haben. Allerdings ist nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts der Arbeitsvertrag des Klägers hierbei nicht formwirksam aufgehoben worden, sondern bestand vielmehr weiter fort. Damit basieren sämtliche Ansprüche auf einer einheitlichen, unveränderten arbeitsvertraglichen Grundlage. Dies gilt sowohl für die Forderungen, die vor und nach seiner Bestellung als Geschäftsführer entstanden sein könnten, als auch für jene, die er während seiner Tätigkeit als Geschäftsführer erworben hat.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Eylert    

        

        

        

        

        

        

                 

(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.

(2) Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.

(3) Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a des Handelsgesetzbuchs die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die in Satz 1 bestimmte Vergütungsgrenze durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen anpassen.

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. November 2012 - 15 Ta 398/12 - aufgehoben.

2. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Wuppertal vom 6. August 2012 - 1 Ca 1473/12 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde sowie der Rechtsbeschwerde zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 14.735,53 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung, über Gehaltsansprüche und vorab über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 2009 für die H & G GmbH (nachfolgend: Schuldnerin) tätig auf Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 18. August 2009 gegen eine monatliche Grundvergütung iHv. 7.500,00 Euro. Aufgrund formloser Abrede wurde er im Februar 2011 zum Geschäftsführer bestellt. Am 1. Februar 2012 hat das Amtsgericht Wuppertal (- IN 1112/11 -) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte hat das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 23. April 2012 zum 31. Mai 2012 gekündigt und den Kläger unwiderruflich bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt. Eine Abberufung als Geschäftsführer ist nicht erfolgt.

3

Mit der am 14. Mai 2012 beim Arbeitsgericht Wuppertal eingegangenen Kündigungsschutzklage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung, mit einer Klageerweiterung vom 20. Juni 2012 verfolgt er Gehaltsansprüche für die Monate April bis Juni 2012. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei eröffnet, weil er auf Grundlage des Arbeitsvertrags vom 18. August 2009 in einem Arbeitsverhältnis zur Schuldnerin stehe.

4

Der Kläger hat die Anträge angekündigt,

        

1.    

festzustellen, dass das Anstellungsverhältnis des Klägers durch die Kündigung des Beklagten vom 23. April 2012 zum 31. Mai 2012 nicht aufgelöst worden ist,

        

2.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern unverändert über den 31. Mai 2012 fortbesteht,

        

3.    

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger für April 2012 7.500,00 Euro brutto abzüglich bereits erhaltener 793,41 Euro netto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins aus 6.706,59 Euro seit dem 1. Mai 2012 zu zahlen, für Mai 2012 7.500,00 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins hierauf seit dem 1. Juni 2012 und für Juni 2012 7.500,00 Euro brutto nebst fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Juli 2012 zu zahlen.

5

Der Beklagte hat den Antrag angekündigt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen sei aufgrund der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht eröffnet.

6

Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landgericht Wuppertal verwiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Klägers hat das Landesarbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für eröffnet erklärt. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

7

II. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen zu Unrecht bejaht.

8

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und b ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen ausschließlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus dem Arbeitsverhältnis und über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses. Wer Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes ist, bestimmt § 5 ArbGG.

9

a) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 ArbGG sind Arbeitnehmer Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG gelten jedoch in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen nicht als Arbeitnehmer, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind. Für einen Rechtsstreit zwischen dem Vertretungsorgan und der juristischen Person sind nach dieser gesetzlichen Fiktion die Gerichte für Arbeitssachen nicht berufen. Die Fiktion der Norm gilt auch für das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Sie greift unabhängig davon ein, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis ausgestaltet ist. Auch wenn ein Anstellungsverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Mitglied des Vertretungsorgans wegen dessen starker interner Weisungsabhängigkeit als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist und deshalb materielles Arbeitsrecht zur Anwendung kommt, sind zur Entscheidung eines Rechtsstreits aus dieser Rechtsbeziehung die ordentlichen Gerichte berufen (BAG 26. Oktober 2012 - 10 AZB 60/12 - Rn. 16, NZA 2013, 54; 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 11, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 20. August 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 2 bis 4 der Gründe, BAGE 107, 165). An der Unzuständigkeit der Arbeitsgerichte ändert es nichts, wenn zwischen den Prozessparteien streitig ist, wie das Anstellungsverhältnis zu qualifizieren ist (BAG 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 b der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33). § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG greift sogar ein, wenn objektiv feststeht, dass das Anstellungsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG soll sicherstellen, dass die Mitglieder der Vertretungsorgane mit der juristischen Person selbst dann keinen Rechtsstreit im „Arbeitgeberlager“ vor dem Arbeitsgericht führen, wenn die der Organstellung zugrunde liegende Beziehung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist(BAG 20. August 2003 - 5 AZB 79/02 - zu B I 3 der Gründe, aaO). Für Ansprüche der Klagepartei aus dem der Geschäftsführertätigkeit zugrunde liegenden Vertrag sind deshalb die ordentlichen Gerichte ohne Weiteres zuständig (vgl. BAG 20. Mai 1998 - 5 AZB 3/98 - zu II 1 der Gründe, NZA 1998, 1247).

10

b) Anders kann es jedoch dann liegen, wenn und soweit der Rechtsstreit nicht das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis betrifft, sondern eine weitere Rechtsbeziehung besteht. Insoweit greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG nicht ein(BAG 23. August 2011 - 10 AZB 51/10 - Rn. 13, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 69 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 46; 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 11, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Organvertreter Rechte auch mit der Begründung geltend macht, nach der Abberufung als Geschäftsführer habe sich das nicht gekündigte Anstellungsverhältnis - wieder - in ein Arbeitsverhältnis umgewandelt (BAG 6. Mai 1999 - 5 AZB 22/98 - zu II 3 c der Gründe, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 46 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 33).

11

c) Eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte kann ferner dann gegeben sein, wenn die Klagepartei Ansprüche aus einem auch während der Zeit als Geschäftsführer nicht aufgehobenen Arbeitsverhältnis nach Abberufung als Organmitglied geltend macht. Zwar liegt der Berufung eines Arbeitnehmers zum Geschäftsführer einer GmbH eine vertragliche Abrede zugrunde, die regelmäßig als ein Geschäftsführerdienstvertrag zu qualifizieren ist und mit der das Arbeitsverhältnis grundsätzlich aufgehoben wird (vgl. bspw. BAG 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, AP ArbGG 1979 § 5 Nr. 66 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 43; 5. Juni 2008 - 2 AZR 754/06 - Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 211; 19. Juli 2007 - 6 AZR 774/06 - Rn. 10, BAGE 123, 294). Zwingend ist dies aber nicht. Zum einen kann die Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH auch auf einem Arbeitsvertrag beruhen. Zum anderen bleibt der Arbeitsvertrag bestehen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer formlosen Abrede zum Geschäftsführer der GmbH bestellt wird, da eine wirksame Aufhebung des früheren Arbeitsverhältnisses die Einhaltung der Schriftform des § 623 BGB voraussetzt(vgl. BAG 15. März 2011 - 10 AZB 32/10 - Rn. 12, AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 95 = EzA ArbGG 1979 § 5 Nr. 44; 3. Februar 2009 - 5 AZB 100/08 - Rn. 8, aaO). Ansprüche aus diesem Arbeitsvertrag können dann nach Abberufung aus der Organschaft und damit nach dem Wegfall der Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen geltend gemacht werden. Dies gilt auch für die während der Zeit der Geschäftsführerbestellung auf dieser arbeitsvertraglichen Basis entstandenen Ansprüche (BAG 29. Mai 2012 - 10 AZB 3/12 - Rn. 13).

12

2. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht eröffnet.

13

a) Den Kläger und die Schuldnerin bindet der Arbeitsvertrag vom 18. August 2009. Dieser Arbeitsvertrag ist bis zur Kündigung nicht aufgelöst worden, davon gehen beide Parteien aus. Der Kläger ist aufgrund formloser Abrede seit Februar 2011 zum Geschäftsführer der Schuldnerin bestellt worden. Damit haben Kläger und Schuldnerin zusätzlich die Übernahme der Geschäftsführung vereinbart, sie haben aber keinen zusätzlichen Geschäftsführerdienstvertrag abgeschlossen. Die bestehende schuldrechtliche Grundlage ihrer Vertragsbeziehung wurde stillschweigend - formlos - in Bezug auf die Übernahme der Geschäftsführung ergänzt. Im Übrigen ist der Arbeitsvertrag vom 18. August 2009 nach der Bestellung zum Geschäftsführer weiter Grundlage der Tätigkeit des Klägers geblieben; der Kläger verfolgt folgerichtig mit dem Antrag zu 3. die sich aus diesem Vertrag ergebenden Vergütungsansprüche (vgl. BAG 26. Oktober 2012 - 10 AZB 55/12 - Rn. 16 - 22).

14

b) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat an der organschaftlichen Stellung des Klägers nichts geändert, die Organstellung des Organs einer juristischen Person bleibt durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt (BGH 26. Januar 2006 - IX ZR 282/03 - Rn. 6, ZInsO 2006, 260; Uhlenbruck in Karsten Schmidt/Uhlenbruck Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz 4. Aufl. S. 707). Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens macht aus gesetzlichen Vertretern der Schuldnerin keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes (GMP/Germelmann/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 5 Rn. 45).

15

c) Der Kläger ist als Geschäftsführer nicht abberufen worden. Er war bei Klageerhebung und Klageerweiterung als Geschäftsführer der Schuldnerin im Handelsregister eingetragen; die Kündigungsschutzklage und die weiteren Anträge betreffen das der fortbestehenden Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis der Parteien. Damit greift die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG unabhängig davon, ob dieses Rechtsverhältnis materiellrechtlich ein Arbeitsverhältnis ist, sowohl für die Kündigungsschutzanträge als auch für den Zahlungsantrag(BAG 26. Oktober 2012 - 10 AZB 55/12 - Rn. 22, 23).

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

(1) Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte sowie die zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten (§ 1 des Heimarbeitsgesetzes vom 14. März 1951 - Bundesgesetzbl. I S. 191 -) sowie sonstige Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Als Arbeitnehmer gelten nicht in Betrieben einer juristischen Person oder einer Personengesamtheit Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrags allein oder als Mitglieder des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person oder der Personengesamtheit berufen sind.

(2) Beamte sind als solche keine Arbeitnehmer.

(3) Handelsvertreter gelten nur dann als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes, wenn sie zu dem Personenkreis gehören, für den nach § 92a des Handelsgesetzbuchs die untere Grenze der vertraglichen Leistungen des Unternehmers festgesetzt werden kann, und wenn sie während der letzten sechs Monate des Vertragsverhältnisses, bei kürzerer Vertragsdauer während dieser, im Durchschnitt monatlich nicht mehr als 1.000 Euro auf Grund des Vertragsverhältnisses an Vergütung einschließlich Provision und Ersatz für im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandene Aufwendungen bezogen haben. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz können im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie die in Satz 1 bestimmte Vergütungsgrenze durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den jeweiligen Lohn- und Preisverhältnissen anpassen.

Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen:

1.
die Feststellung des Jahresabschlusses und die Verwendung des Ergebnisses;
1a.
die Entscheidung über die Offenlegung eines Einzelabschlusses nach internationalen Rechnungslegungsstandards (§ 325 Abs. 2a des Handelsgesetzbuchs) und über die Billigung des von den Geschäftsführern aufgestellten Abschlusses;
1b.
die Billigung eines von den Geschäftsführern aufgestellten Konzernabschlusses;
2.
die Einforderung der Einlagen;
3.
die Rückzahlung von Nachschüssen;
4.
die Teilung, die Zusammenlegung sowie die Einziehung von Geschäftsanteilen;
5.
die Bestellung und die Abberufung von Geschäftsführern sowie die Entlastung derselben;
6.
die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung;
7.
die Bestellung von Prokuristen und von Handlungsbevollmächtigten zum gesamten Geschäftsbetrieb;
8.
die Geltendmachung von Ersatzansprüchen, welche der Gesellschaft aus der Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter zustehen, sowie die Vertretung der Gesellschaft in Prozessen, welche sie gegen die Geschäftsführer zu führen hat.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.