Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 21. März 2012 - 3 Sa 230/11

ECLI:ECLI:DE:LARBGSH:2012:0321.3SA230.11.0A
bei uns veröffentlicht am21.03.2012

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 30.03.2011 – 1 Ca 262/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen, allerdings mit der Maßgabe, dass Ziffer 1 des Tenors wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Sonderzahlung für das Jahr 2007 in Höhe von 2.450,42 EUR brutto abzgl. geleisteter 992,33 EUR brutto und für das Jahr 2008 in Höhe von 2.450,42 EUR brutto abzgl. geleisteter 645,58 EUR brutto gemäß TVöD zu zahlen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Höhe der tariflichen Sonderzahlung für 2007 und 2008 und in diesem Zusammenhang u.a. um die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel und deren Folgen.

2

Die Klägerin ist am ….1970 geboren. Mit Wirkung ab 01.05.2003 wurde sie von der M... GmbH (im Folgenden: M...-GmbH), die in kommunaler Trägerschaft geführt wurde, als Krankenschwester eingestellt. Die M...-GmbH war an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, also den BAT und ab 01.10.2005 den TVöD gebunden. Ab 2006 erwarb die nicht an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebundene D...-Gruppe sukzessive mehr und mehr Geschäftsanteile der M...-GmbH bzw. nach Umbenennung von deren Rechtsnachfolgerin, der heutigen Beklagten.

3

Bis 2009 war die Klägerin nicht Mitglied einer Gewerkschaft. Im Jahre 2009 trat sie der Gewerkschaft ver.di bei.

4

Ihr Arbeitsvertrag vom 1.4.2003 enthält in § 2 u. a. folgende Klausel:

5

„Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 in der jeweils geltenden Fassung und den sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen.“ (Anl. K1 – Bl. 7 d.A.)

6

Spätere Änderungsverträge bezogen sich nicht auf die oben genannte Klausel.

7

Bis 2006 erhielt die Klägerin die volle Jahressonderzahlung nach TVöD. Letztere belief sich 2006 auf 3.139,78 EUR brutto (Anl. K 14, Bl. 59 d.A.).

8

Mit Datum vom 25.3.2007 schlossen die Gewerkschaften ver.di und NGG mit der D... - Holding AG einen Firmen-„Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung" (im Folgenden: TV- Sonderzahlung). Danach erhalten die Arbeitnehmer mit Wirkung ab 2007 für jedes Wirtschaftsjahr eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung auf Basis eines bestimmten Faktors. Für die Mitglieder der Gewerkschaften ver.di und der NGG ergeben sich für die Jahre 2007 bis einschließlich 2010 gegenüber den übrigen Arbeitnehmern jeweils höhere Faktoren.

9

Dieser Sonderzuwendungstarifvertrag der D...-Holding ist durch Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus formellen Gründen für nicht anwendbar erklärt worden (BAG vom 18.11.2009 - 4 AZR 491/08 und BAG vom 07.07.2010 – 4 AZR 120/09). Im Anschluss daran haben die Tarifvertragsparteien mit Änderungstarifvertrag vom 02.03.2010, dem sogenannten Heilungstarifvertrag, den „Formfehler“ rückwirkend korrigiert und den alten Tarifvertrag inhaltlich wiederhergestellt.

10

Die Beklagte hat der Klägerin die Sonderzahlungen für 2007 und 2008 nach dem TV-Sonderzahlung ohne den Zuschlag für Gewerkschaftsmitglieder rechnerisch korrekt und insoweit unbeanstandet gezahlt. Für 2007 gewährte sie der Klägerin eine Sonderzahlung in Höhe von 992,33 EUR brutto und für 2008 in Höhe von 645,58 EUR brutto (Bl. 186 d.A.). 2009 erhielt die Klägerin infolge des Gewerkschaftsbeitritts dann eine Sonderzahlung in Höhe von 3.431,70 EUR brutto.

11

Die Klägerin hat stets die Auffassung vertreten, ihr Anspruch auf restliche Jahressonderzahlung für die Jahre 2007 und 2008 ergebe sich aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel aus § 20 Abs. 2 TVöD. Jedenfalls aber differenziere die Beklagte im TV- Sonderzahlung unzulässig zwischen Gewerkschafts- und Nichtgewerkschaftsmitgliedern. Sie habe daher hilfsweise mindestens einen Anspruch auf die Sonderzahlung, die Gewerkschaftsmitglieder in den streitigen Jahren bezogen haben.

12

Die Klägerin hat beantragt,

13

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
der Klägerin eine Jahressonderzahlung für die Jahre 2007 und 2008 gemäß TVöD zu zahlen,
hilfsweise
die Klägerin hinsichtlich der Jahressonderzahlung für die Jahre 2007 und 2008 einem verdi-/NGG-Mitglied gleichzustellen,
und zwar bei beiden Anträgen unter Berücksichtigung/Abzug der bisher in den Jahren 2007 und 2008 bereits ausgekehrten Teil-Jahressonderzahlungen.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie hat stets die Ansicht vertreten, die im Arbeitsvertrag vorgesehene Verweisungsklausel führe zur Anwendung des TV- Sonderzahlung. Die dort vorgenommene Differenzierung sei wirksam.

17

Das Arbeitsgericht hat der am 06.12.2007 eingegangenen Klage mit Urteil vom 30.03.2011 stattgegeben. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, der TVöD gelte vorliegend durch einzelvertragliche Einbeziehung. Die nach dem 01.01.2002 vereinbarte Bezugnahmeklausel sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen und deshalb weiterhin anwendbar. Eine Ablösung durch die Regelungen der Haustarifverträge sei nicht erfolgt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

18

Gegen dieses der Beklagten am 01.06.2011 zugestellte Urteil hat sie am 09.06.2011 Berufung eingelegt, die am 14.07.2011 begründet wurde.

19

Die Beklagte beruft sich darauf, dass der Klägerin ein über den bereits gezahlten Betrag hinausgehender Anspruch auf eine Sonderzahlung nicht zustehe. Die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag stelle eine Gleichstellungsabrede dar, mit der lediglich Nichtgewerkschaftsmitglieder den Gewerkschaftsmitgliedern gleichgestellt werden sollten. Deshalb sei der TV- Sonderzahlung anwendbar. Jedenfalls aber erfasse diese Klausel nicht nur den BAT und den TVöD, sondern erst Recht die speziell auf den Betrieb zugeschnittenen, vom Arbeitgeber abgeschlossenen Haus- bzw. Firmentarifverträge. Der TV- Sonderzahlung sei trotz seines rückwirkenden Inkrafttretens, der Stichtagsregelung und der Differenzierungsklausel wirksam.

20

Die Beklagte beantragt,

21

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 30.03.2011 – 1 Ca 262/10 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

22

Die Klägerin beantragt,

23

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

24

Hilfsweise beantragt sie,

25

die Beklagte zur Zahlung von 3.262,93 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2007 zu verurteilen.

26

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

27

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den mündlich vorgebrachten Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft, form- und fristgemäß eingelegt und auch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden.

29

II. Die Berufung ist aber unbegründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin für die Jahre 2007 und 2008 die Sonderzuwendung nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 TVöD zu gewähren. Das ergibt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Die Regelungen des TV- Sonderzahlung finden für den streitbefangenen Zeitraum 2007 und 2008 auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung.

30

1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz möglicher Leistungsklage ist hier das notwendige Feststellungsinteresse ausnahmsweise zu bejahen. Die Beklagte hat ausdrücklich zu Protokoll erklärt, auch auf ein Feststellungsurteil hin im Falle des Obsiegens der Klägerin die restlichen Sonderzuwendungsbeträge zu zahlen. Die Höhe der sich ergebenden Restforderung ist ausweislich der Erklärungen der Parteien in der Berufungsverhandlung unstreitig geworden. Damit kann eine erneute Inanspruchnahme der Gerichte zur Durchsetzung des Anspruchs ausgeschlossen werden.

31

2. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin findet der TVöD Anwendung.

32

a) Ein normativ aus dem TVöD begründeter Anspruch (§ 4 Abs. 1 TVG) besteht nicht. Die Klägerin war bei Abschluss des Arbeitsvertrages und bis einschließlich 2008 nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft.

33

b) Der Anspruch der Klägerin auf eine Jahressonderzahlung aus § 20 Abs. 2 TVöD ergibt sich aus der Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages. Diese Klausel erstreckt sich auch auf den TVöD.

34

aa) § 2 des Arbeitsvertrages legt zwar an sich nur fest, dass sich das Arbeitsverhältnis nach „dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 in der jeweils geltenden Fassung und den sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen richtet“. Damit ist der BAT dynamisch, in seiner jeweiligen durch die ändernden Tarifverträge bestimmten Fassung, in Bezug genommen worden. Die Bezugnahme erstreckt sich ihrem Wortlaut nach zunächst nicht auf den TVöD, aus dem die Klägerin ihren Anspruch herleitet.

35

bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist aber nicht mehr zweifelhaft, dass an die Stelle des dynamisch in Bezug genommenen BAT als dessen dynamische Nachfolgeregelung für einen Betrieb wie den der Beklagten der TVöD getreten ist (siehe BAG vom 07.07.2010 – 4 AZR 120/09 – Juris, Rz. 14). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die den Arbeitsvertrag 2003 geschlossen hat, war an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, also den BAT und später den TVöD gebunden. Die Klägerin hat von ihrer Ursprungsarbeitgeberin nicht nur stets die Sonderzahlung nach den das Tarifwerk BAT ergänzenden Regelungen des Zuwendungstarifvertrages erhalten, sondern nach Inkrafttreten des TVöD auch die sich aus § 20 Abs. 2 TVöD ergebenden Ansprüche. Die in den Arbeitsvertrag eingetretene Beklagte hat sodann noch im Jahre 2006 in Erfüllung des Arbeitsvertrages die Jahressonderzahlung nach dem TVöD gezahlt.

36

3. Bei Geltung des TVöD und dessen § 20 Abs. 2 hat die Klägerin einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für 2007 in Höhe von 2.911,07 EUR brutto, von der nach den Zahlungen der Beklagten nach Maßgabe des TV- Sonderzahlung in Höhe von 992,33 EUR noch 1.918,74 EUR brutto offenstehen. Für das Jahr 2008 hat die Klägerin bei Geltung des § 20 Abs. 2 TVöD einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe von 1.893,86 EUR brutto, von der nach den Zahlungen der Beklagten in Höhe von 645,58 EUR brutto noch 1.248,28 EUR offen sind. Diese Beträge sind rechnerisch außer Streit.

37

4. Der Firmen-TV- Sonderzahlung verdrängt diesen Anspruch der 2007 und 2008 nicht tarifgebundenen Klägerin aus § 20 TVöD nicht. Der Geltungsbereich der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bezieht den TV-Sonderzahlung nicht ein. Letzterer kann daher nicht den sich aus § 20 TVöD ergebenden Anspruch der Klägerin ablösen.

38

a) Bei der einzelvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklausel handelt es sich nicht um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Vielmehr beinhaltet sie eine konstitutive Bezugnahme auf den BAT in seiner jeweiligen Fassung und den sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen.

39

b) Der Arbeitsvertrag der Klägerin wurde nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform, nämlich am 1. April 2003 zum 1. Mai 2003 geschlossen. Das hat die Anwendung der maßgeblich mit Urteil vom 18.04.2007 – Az. 4 AZR 652/05 - geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Folge. Danach ist eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird. Die dynamische Anwendung des in Bezug genommenen Tarifvertrages ist vorliegend nicht von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers abhängig. Für sie ist auch die Tarifgebundenheit der Klägerin ohne Bedeutung.

40

c) Da es sich um einen sogenannten „Neuvertrag“ handelt, finden zu dessen Inhaltsbestimmung die allgemeinen Auslegungsregeln uneingeschränkt Anwendung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Formulararbeitsvertrag vorliegt.

41

aa) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen Das gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln (BAG vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 – zitiert nach Juris, Rz. 24; 18.03.2009 – 4 AZR 64/08 – zitiert nach Juris, Rz. 17 m. w. N.). Bei der Auslegung ist die für den Vertragspartner erkennbare jeweilige typische Interessenlage des anderen Teiles zu berücksichtigen (BAG vom 23.01.2008 - 4 AZR 602/06 – zitiert nach Juris, Rz. 24).

42

bb) Eine Auslegung von Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossen worden sind, hat sich daher in erster Linie am Wortlaut der Verweisungsklausel zu orientieren. Soweit ein Vertragspartner vom Wortlaut abweichende Regelungsziele oder Motive verfolgt, können diese danach nur in die Auslegung eingehen, wenn sie für den anderen Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen sind (BAG vom 24.02.2010 – 4 AZR 691/08 – zitiert nach Juris, Rz. 24 m.w.N.). Maßstab ist der objektivierte Empfängerhorizont (vgl. BAG vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05, Rz. 30 m.w.N.).

43

cc) Bei der arbeitsvertraglichen dynamischen Bezugnahme eines bestimmten Tarifvertrages oder eines Tarifwerkes in seiner jeweiligen Form ist der Wortlaut zunächst eindeutig. Es bedarf vorbehaltlich anderer Anhaltspunkte im Grundsatz keiner weiteren Heranziehung von Auslegungsfaktoren (Schaub-Treber, 14. Auflage, § 206 Rz. 46 m. w. N.).

44

d) Die Auslegung der vorliegenden Verweisungsklausel ergibt, dass nur der BAT bzw. TVöD, nicht jedoch etwaige weitere von einer Rechtsnachfolgerin der Ursprungsarbeitgeberin abgeschlossene Haustarifverträge anwendbar sind.

45

aa) Der Wortlaut der Klausel verweist lediglich auf den BAT in der jeweils geltenden Fassung und den sich „diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen“. Hieraus lässt sich unmittelbar keine Anwendbarkeit des Firmen-TV-Sonderzahlung entnehmen. Die Anwendbarkeit von spezielleren Firmentarifverträgen ist in diesem Wortlaut nicht erwähnt.

46

bb) Nach dem Wortlaut der Verweisungsklausel haben die Arbeitsvertragsparteien auf ein Tarifwerk einer bestimmten Branche, nämlich die Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes verwiesen. „Die sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträge“ sollten ebenfalls maßgeblich sein. Weitere tarifliche Veränderungsmöglichkeiten sind mit keinem Wort erwähnt.

47

cc) Die Arbeitsvertragsparteien haben explizit die Formulierung „sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen“ gewählt. Sie haben damit eine dynamische Verweisung auf einen konkret benannten Flächentarifvertrag und dessen Nachfolgetarifverträge festgelegt. Der Text enthält keinerlei Hinweis darauf, dass nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien weitere oder andere Tarifverträge als der BAT/TVöD Anwendung finden sollten.

48

dd) Der TV-Sonderzuwendung schließt sich nicht dem BAT/TVöD an. „Sich anschließen“ bedeutet nach Brockhaus „unmittelbar auf etwas folgen, aufeinanderfolgen“. Die Regelungen des TV-Sonderzuwendung folgen jedoch nicht unmittelbar auf den BAT/ TVöD, haben vielmehr ihren Ursprung in einer anderen Ursachenkette. Der TV-Sonderzuwendung ist von anderen TV-Parteien geschlossen worden. Allein die Gewerkschaft ver.di ist auch Partei des BAT/TVöD. Im Übrigen sind sowohl auf Arbeitgeberseite, als auch auf Gewerkschaftsseite mit der NGG andere Vertragspartner gegeben. Damit kann angesichts dieser gewählten Wortwahl schon nicht von einer „sich dem BAT/TVöD anschließenden Regelung“ ausgegangen werden. Anderenfalls würde die vorliegend existierende spezielle Vereinbarung eines Tarifvertrages einer bestimmten Branche überflüssig. Könnte ein Haustarifvertrag als sachnäherer Tarifvertrag per se ohne besondere Erkennbarkeit einen vereinbarten Branchentarifvertrag verdrängen, wäre der tatsächliche Wortlaut einer Verweisungsklausel letztendlich obsolet. Das vereinbarte Tarifwerk BAT/TVöD würde ohne sich aus dem Wortlaut ergebende entsprechende Anhaltspunkte schlicht ersetzt/ausgewechselt werden.

49

ee) Für die vereinbarte und gewollte Einbeziehung von den Flächentarifvertrag BAT/TVöD abändernden Haustarifverträgen gibt der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel hier keinerlei Anhaltspunkte.

50

(1) Grundsätzlich bestimmen die Arbeitsvertragsparteien mit ihrer vertraglichen Abrede den Umfang der Inbezugnahme. Vereinbaren sie die Einbeziehung der Tarifverträge der einschlägigen Branche, kann dazu zwar auch gehören, dass auch einschlägige Haustarifverträge Anwendung finden sollen. Dass muss aber für den Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt seines Empfängerhorizontes erkennbar sein, das heißt, es muss dieses Regelungsziel durch eine irgendwie geartete Formulierung deutlich gemacht worden sein (vgl. BAG vom 23.01.2008 – 4 AZR 602/06 – Rz. 24).

51

(2) Bei tarifgebundenen Arbeitnehmern verdrängt der Haustarifvertrag zwar als sachnähere Regelung regelmäßig einen Flächentarifvertrag nach dem Spezialitätsprinzip. Diese Fallkonstellation ist aber hier nicht gegeben. Handelt es sich bei der vertraglichen Vereinbarung um eine Gleichstellungsabrede, spricht selbst dieses nur dann für eine Inbezugnahme der Haustarifverträge, wenn entsprechende Anhaltspunkte vorhanden sind (Schaub-Treber, Rz. 39 m. w. N.). Selbst bei einer klassischen Gleichstellungsabrede bedarf es insoweit entsprechender, dem Wortlaut der Verweisungsklausel zu entnehmender Hinweise auf andere im Betrieb geltende kollektive Regelungen. (Schaub-Treber a. a. O.). Derartige Hinweise fehlen vorliegend jedoch völlig. Auch handelt es sich nicht um eine klassische Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die vorliegende Bezugnahmeklausel wurde im Jahre 2003 vereinbart.

52

(3) Der Wortlaut der Verweisungsklausel gibt nichts dafür her, dass auf die Geltung der jeweils konkret für den Betrieb einschlägigen Rechtsnormen abgestellt werden sollte. Der Wortlaut verweist vielmehr ausschließlich auf die flächendeckenden tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes.

53

ff) Bei der Auslegung ist vorliegend zudem zu beachten, dass die Vertragsparteien im Wortlaut des Arbeitsvertrages gerade nicht festgelegt haben, dass den BAT „ersetzende“ Tarifverträge Anwendung finden sollen. Ebenso wenig enthält der Wortlaut der Vertragsklausel irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass alle für den Arbeitgeber jeweils einschlägigen Tarifverträge maßgeblich sein sollen. Von einem derartigen übereinstimmenden Willen kann auch nicht schlicht ausgegangen werden. Denn eine Arbeitnehmerin, die – wie hier – eine Tätigkeit als Krankenschwester in einem ehemals vom kommunalen Arbeitgeber geführten Krankenhaus ausübt, kann sich gezielt erfolgreich um eine Anstellung im öffentlichen Dienst bemüht haben, um dessen gute tarifliche flächendeckende Arbeitsbedingungen zu erhalten (vgl. hierzu BAG vom 29.08.2007 – 4 AZR 767/06 – zitiert nach Juris, Rz. 17). Für die Klägerin war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nach dem Wortlaut ihres Arbeitsvertrages auch nicht ansatzweise vorhersehbar, dass etwaige Ansprüche aus dem Flächentarifvertrag BAT/TVöD von einem nur Teilbereiche des BAT/TVöD regelnden, von anderen Parteien abgeschlossenen Haustarifvertrag verdrängt werden könnten. Jedenfalls hat die Beklagte hierzu nichts vorgetragen.

54

5) Da es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Arbeitsvertragsparteien vom BAT/TVöD abweichende Haustarifverträge in den Geltungsbereich des Arbeitsvertrages einbeziehen wollten, richtet sich der Anspruch der Klägerin auf Sonderzuwendungen für die Jahre 2007 und 2008 nach wie vor nach § 20 TVöD. Es ist daher zu Recht festgestellt worden, dass die Beklagte eine entsprechende Zahlungsverpflichtung trifft. Die Berufung war zurückzuweisen.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

56

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Es ist eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen betroffen, die eine entsprechende Verweisungsklausel enthalten.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 133 Auslegung einer Willenserklärung


Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 157 Auslegung von Verträgen


Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 4 Wirkung der Rechtsnormen


(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen

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Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 14. Januar 2009 - 3 Sa 259/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für das Jahr 2007 eine Jahressonderzahlung nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 TVöD in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 2.326,13 Euro oder nur in Höhe von 737,99 Euro zusteht, welche die Beklagte auf der Grundlage eines Tarifvertrages über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung zwischen der D AG und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft sowie der NGG - Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten gezahlt hat. Der Differenzbetrag von 1.588,14 Euro ist zuletzt noch Gegenstand der Klage, nachdem die Beklagte zunächst 651,32 Euro und dann zwischen den Instanzen weitere 86,67 Euro gezahlt hat.

2

Die nicht gewerkschaftlich organisierte Klägerin ist seit dem 1. Januar 1995 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, der Klinik W Gesellschaft bürgerlichen Rechts, beschäftigt. In dem Formulararbeitsvertrag, den sie am 24. Dezember 1994 mit der ursprünglichen Arbeitgeberin abgeschlossen hatte, die keinem Arbeitgeberverband angehörte, hieß es in § 2 ua.:

        

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen.“

3

Die Beklagte als Betreiberin der Klinik W entstand nach verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Zwischenschritten und gehört seit dem Jahre 2000 als Konzernunternehmen zum Konzern der D AG.

4

Am 27. März 2007 schlossen die Gewerkschaften ver.di und NGG einerseits und die D AG andererseits den „Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung“ (TV-S). Darin heißt es ua.:

        

㤠1 Geltungsbereich

        

1.   

Der Geltungsbereich dieses Tarifvertrages umfasst alle Arbeitnehmer der

                 

…       

                 

O GmbH,

                 

…       

        

 § 6 Ersatz von Tarifverträgen

                 

Diese Vereinbarung ersetzt folgende Tarifverträge und tarifliche Regelungen:

                 

§ 20 TVöD/TVöD-Ost

                 

…“   

5

Nach dem TV-S erhalten die Arbeitnehmer für jedes Wirtschaftsjahr eine Sonderzahlung, deren Höhe sich nach der Entwicklung des Betriebsergebnisses des Konzerns der D AG (EBITDA) bestimmt. Die Berechnungsweise ist in § 5 TV-S geregelt. § 5 Nr. 4 bis 11 TV-S bestimmt für die Jahre von 2007 bis 2010 einen Sonderzahlungsfaktor auf Grundlage des jeweiligen EBITDA. Für die Mitglieder der Gewerkschaft ver.di und der NGG ergeben sich für die Jahre 2007 bis einschließlich 2010 gegenüber den übrigen Arbeitnehmern jeweils höhere Faktoren. Weiter heißt es in § 5 TV-S:

        

„12. Unabhängig von einer möglichen höheren Zahlung nach den Regelungen der Ziffern 4 bis 9 erhalten Mitglieder der Gewerkschaften ver.di sowie NGG in den Jahren 2007 bis 2009 mindestens eine garantierte Jahressonderzahlung in Abhängigkeit zu der am 31. Dezember 2006 jeweils gültigen tariflichen Regelung nach folgender Tabelle:

        

Am 31.12.2006 gültige Regelung

Garantierter Faktor

        

Sonderzahlung nach Haustarif

0,80

        

…       

        
        

13. Als Gewerkschaftsmitglied gilt, wer spätestens am 6. März 2007 in die Gewerkschaft eingetreten ist und dessen Mitgliedschaft am 30. November des jeweiligen Wirtschaftsjahres noch besteht und im Anspruchsjahr die Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht gekündigt wurde. Für die Jahre 2008 und folgende gilt jeweils der 1. Januar des Jahres als spätestes Eintrittsdatum.“

6

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 machte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung von 1.674,81 Euro als restliche Jahressonderzahlung für 2007 erfolglos schriftlich geltend, nachdem sie in Anwendung des TV-S zunächst nur 651,32 Euro erhalten hatte. Weitere 86,67 Euro wurden zwischen den Instanzen gezahlt.

7

Mit der am 4. März 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Zahlung von zunächst 1.674,81 Euro, zuletzt 1.588,14 Euro verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr Anspruch auf restliche Jahressonderzahlung ergebe sich aus § 20 Abs. 2 TVöD; auch auf diese Bestimmung beziehe sich die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel. Die Regelung im TV-S differenziere im Übrigen unzulässig zwischen Gewerkschafts- und Nichtgewerkschaftsmitgliedern.

8

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.674,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2008 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die im Arbeitsvertrag vorgesehene Gleichstellungsklausel führe zur Anwendung auch des TV-S. Die dort vorgenommene Differenzierung sei wirksam. Der Tarifvertrag verpflichte die Beklagte nicht, nicht organisierten Arbeitnehmern Sonderzahlung vorzuenthalten.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Danach hat die Beklagte die weiteren 86,67 Euro gezahlt und die Klägerin insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Berufung der Beklagten, die sich der Erledigterklärung nicht angeschlossen hat, hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Klageabweisung. Die Klägerin beantragt die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Zahlungsklage ist begründet. Die Klägerin kann den geltend gemachten und ihr von den Vorinstanzen zuerkannten Betrag verlangen. Sie hat Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 aus § 20 Abs. 2 TVöD. Der geltend gemachte Betrag ist rechnerisch unstreitig die Differenz zwischen der tatsächlich für 2007 von der Beklagten erbrachten Sonderzahlung und der Sonderzahlung, die der Klägerin nach § 20 Abs. 2 TVöD zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die arbeitsvertragliche Verweisung im Ergebnis auch auf den TVöD erstreckt. Ob die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages an sich geeignet wäre, einen Haustarifvertrag über eine Jahressonderzahlung zum die Anwendbarkeit des § 20 TVöD verdrängenden Vertragsgegenstand zu machen, kann dahinstehen. Selbst wenn man dies entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bejahen wollte, erstreckte sich die Verweisung doch nur auf einen Tarifvertrag im Rechtssinne, der im Betrieb der Beklagten gilt oder zumindest gelten könnte. Daran fehlt es beim TV-S. Auf die Wirksamkeit dieses Tarifvertrages und der dort enthaltenen Differenzierungsklausel kommt es daher auch im vorliegenden Fall nicht an(vgl. hierzu insgesamt auch BAG 18. November 2009 - 4 AZR 491/08 - NJW 2010, 888).

12

I. Die Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages vom 24. Dezember 1994 nimmt seit der Ablösung des BAT durch den TVöD auch diesen in seiner jeweiligen Fassung in Bezug und macht ihn zum Gegenstand des Arbeitsvertrages der Parteien.

13

1. § 2 des Arbeitsvertrages legt an sich nur fest, dass sich das Arbeitsverhältnis nach „dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen“ bestimmt. Damit ist zwar der BAT dynamisch, in seiner jeweiligen durch die ändernden Tarifverträge bestimmten Fassung, in Bezug genommen. Die Bezugnahme erstreckt sich ihrem Wortlaut nach zunächst aber nicht auf den TVöD, aus dem die Klägerin ihren Anspruch herleitet.

14

2. Das Landesarbeitsgericht hat unter A 1. der Entscheidungsgründe im Einzelnen begründet, warum eine Auslegung der vertraglichen Verweisungsbestimmung letztlich auch zur Geltung des TVöD im Arbeitsverhältnis der Parteien führt. Es kann dahinstehen, ob dies bereits das Ergebnis einer einfachen Vertragsauslegung ist, oder ob es insoweit - wegen des Fehlens einer Bezugnahme auch auf die den BAT ersetzenden Tarifverträge - einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf(so BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - im Anschluss an BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 12, NZA 2010, 401). Denn dass an die Stelle des dynamisch in Bezug genommenen BAT als dessen dynamische Nachfolgeregelung für einen Betrieb wie den der Beklagten, für die ein Bezug zu einer Tarifregelung für die Beschäftigten im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder nicht erkennbar ist, der TVöD getreten ist, kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr zweifelhaft sein. Die Beklagte, deren Rechtsvorgängerin das Arbeitsverhältnis zusammen mit der Klägerin der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut hat, hat die entsprechende Rechtsauffassung der Klägerin und des Arbeitsgerichts auch ebenso wenig angegriffen wie die Ausführungen im Urteil des Landesarbeitsgerichts hierzu. Sie zitiert insoweit stets „BAT/TVöD“ und widerspricht, wie auch in den Vorinstanzen, stets nur deren Annahme, es gebe keine Anhaltspunkte für eine Inbezugnahme auch des TV-S. Wenn sich die Arbeitsvertragsparteien mit der Bezugnahmeklausel schon der Verbandstarifvertragsentwicklung unterworfen hätten, auf die der Arbeitgeber als Partei des Arbeitsvertrags nur mittelbar Einfluss nehmen könne, dann unterwürfen sie sich erst recht der tarifvertraglichen Entwicklung, die der Arbeitgeber unmittelbar mit der für den Betrieb zuständigen Gewerkschaft vereinbart habe.

15

II. Bei Geltung des TVöD und dessen § 20 Abs. 2 hat die Klägerin einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe von 2.326,13 Euro brutto, von der nach den Zahlungen der Beklagten nach Maßgabe des TV-S in Höhe von 651,32 Euro und 86,67 Euro noch 1.588,14 Euro offenstehen. Dieser Differenzbetrag steht zwischen den Parteien rechnerisch außer Streit.

16

III. Dem darauf bezogenen Zahlungsanspruch der Klägerin stehen die Spezialregelungen des TV-S nicht nach dessen § 6 entgegen.

17

1. Dabei kann dahinstehen, ob dieser nicht kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltende Tarifvertrag bereits deshalb keine Anwendung findet, weil er als Firmentarifvertrag von der Verweisung im Arbeitsvertrag nicht mit umfasst ist. Gegenüber der dahingehenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte zumindest nachvollziehbare Einwände erhoben, denen der Senat indes nicht nachgehen muss. Denn ein den BAT und den an dessen Stelle getretenen TVöD ändernder Tarifvertrag kann jedenfalls nur ein Tarifvertrag sein, der diesen Tarifvertrag entweder als Flächentarifvertrag ganz oder in einem Regelungsausschnitt abändert, oder ein Haustarifvertrag mit entsprechendem Regelungsinhalt, der in der Lage ist, diesen Tarifvertrag mit Wirkung für die Klägerin und die Beklagte abzuändern. Ein Tarifvertrag, der wenn überhaupt dann nur in einem oder mehreren anderen Unternehmen als Haustarifvertrag gilt, also auch bei Tarifgebundenheit der Klägerin nicht im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten würde, kann bei verständiger Würdigung der vertraglichen Inbezugnahme von der Verweisungsklausel nicht mit umfasst sein.

18

2. Hiernach gilt der TV-S im Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls deshalb nicht, weil er nicht mit Wirkung für die Beklagte vereinbart worden ist. Die Beklagte ist nicht Vertragspartei des TV-S und daher nicht an diesen nach § 4 Abs. 1 TVG gebunden, so dass dieser auch über die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Klägerin nicht im Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung kommt. Damit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auch nicht darauf an, ob die Differenzierungsklausel im TV-S wirksam ist und ob - bei deren Unwirksamkeit - der sich dann aus dem TV-S für die Klägerin ergebende andere Differenzbetrag vom Klageantrag mit umfasster Streitgegenstand wäre.

19

a) Die Beklagte ist nicht Partei des TV-S. Sie ist bei Abschluss des Tarifvertrages durch die D AG von dieser nicht wirksam vertreten worden(entsprechend für ein anderes Unternehmen der Unternehmensgruppe BAG 18. November 2009 - 4 AZR 491/08 - NJW 2010, 888).

20

aa) Auf das Zustandekommen eines Tarifvertrages finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Abschluss von Verträgen Anwendung. Eine wirksame Vertretung setzt nach § 164 Abs. 1 BGB voraus, dass der Vertreter - neben der Bevollmächtigung zur Abgabe der Willenserklärung - erkennbar im Namen des Vertretenen gehandelt hat(s. nur BAG 29. Juni 2004 - 1 AZR 143/03 - zu III 2 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Nr. 36 = EzA TVG § 1 Nr. 46).

21

(1) Dabei kann sich der Wille, auch im Namen bestimmter anderer Unternehmen zu handeln - der Vertreter kann sowohl im eigenen als auch zusätzlich im Namen eines oder mehrerer Vertretener handeln (BAG 29. Juni 2004 - 1 AZR 143/03 - zu III 2 b a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Nr. 36 = EzA TVG § 1 Nr. 46) -, nach § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB aus den Umständen ergeben, wenn sie einen einer ausdrücklichen Nennung als Tarifvertragspartei gleichwertigen Grad an Klarheit und Eindeutigkeit erreichen(zu § 2 Abs. 2 TVG s. BAG 12. Februar 1997 - 4 AZR 419/95 - zu I 1.4.1 der Gründe, AP TVG § 2 Nr. 46 = EzA TVG § 2 Nr. 21: „zweifelsfrei aus dem Inhalt der Urkunde ergibt“)und in einer § 1 Abs. 2 TVG genügenden Form niedergelegt sind. Denn die Nennung der Vertragsparteien bedarf ebenso wie der gesamte Tarifvertrag der Schriftform (Wiedemann/Thüsing TVG 7. Aufl. § 1 Rn. 191; s. auch BAG 26. April 2000 - 4 AZR 170/99 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 94, 266, 272; so schon RAG 7. Oktober 1931 - RAG 713/30 - ARS 13, 229, 231). Die Schriftform nach § 1 Abs. 2 TVG dient der Klarstellung des Inhalts von Tarifverträgen(BAG 10. November 1982 - 4 AZR 1203/79 - BAGE 40, 327, 333). Neben dem Umstand, dass die Normunterworfenen sich über den Tarifvertragsinhalt unterrichten können sollen (BAG 19. Oktober 1976 - 1 AZR 611/75 - zu 3 der Gründe, BAGE 28, 225, 230), muss für sie auch ersichtlich sein, ob der Tarifvertrag überhaupt für sie gelten soll. Daher muss anhand der Vertragsurkunde auch hinreichend erkennbar sein, wer im Einzelnen den Tarifvertrag abgeschlossen hat.

22

(2) Diese Grundsätze gelten auch im Falle einer rechtsgeschäftlichen Vertretung eines abhängigen Unternehmens durch das herrschende innerhalb eines Konzerns beim Abschluss eines Tarifvertrages. Es bedarf - neben der konkreten Bestimmung oder Bestimmbarkeit der abhängigen Unternehmen für die der Tarifvertrag geschlossen werden soll - über die bloße Konzernzugehörigkeit hinaus weiterer Anhaltspunkte, aus denen mit für einen Tarifvertrag hinreichender Bestimmtheit der Wille erkennbar hervorgeht, für eine oder mehrere abhängige Unternehmen zu handeln(BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 26 mwN, BAGE 124, 240, 246; 12. Dezember 2007 - 4 AZR 1058/06 - Rn. 15; weiterhin BAG 26. April 2000 - 4 AZR 170/99 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 94, 266, 272).

23

bb) Nach diesen Maßstäben sind vorliegend keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich, dass der TV-S von der D AG auch im Namen der Beklagten geschlossen wurde.

24

In § 1 TV-S wird die Beklagte lediglich hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs aufgeführt. Die Angabe des Geltungsbereichs allein reicht jedoch noch nicht aus. Denn dadurch wird nicht erkennbar, dass der Tarifvertrag zugleich in rechtsgeschäftlicher Vertretung für die Beklagte geschlossen werden soll. Ein Unternehmen wird nicht allein dadurch zur Partei eines nicht von ihm abgeschlossenen Tarifvertrages, dass es in dessen Geltungsbereich einbezogen wird(BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 28, 30, BAGE 124, 240, 246; 12. Dezember 2007 - 4 AZR 1058/06 - Rn. 17, 19).

25

Dem Tarifvertrag sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, der TV-S solle von der D AG auch im Namen der Beklagten geschlossen werden. In dem Kopf des TV-S ist auf Arbeitgeberseite lediglich die D AG genannt. Ebenso ist den Unterschriften - „für die D AG“ - kein die Vertretung der Beklagten andeutender Hinweis beigefügt(s. auch BAG 26. April 2000 - 4 AZR 170/99 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 94, 266, 272).

26

c) Den Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts ist auch nicht zu entnehmen, dass die Beklagte Partei des TV-S auf der Arbeitgeberseite ist, wovon das Landesarbeitsgericht offenbar ohne weitere Begründung ausgeht. Soweit im Tatbestand des Berufungsurteils ausgeführt wird, die D AG habe den TV-S „mit Geltungsbereich für die Beklagte“ geschlossen, begründet dies nicht die Stellung der Beklagten als Tarifvertragspartei.

27

d) Die bloße Vorstellung der Beklagten, der Tarifvertrag wirke auch für sie, genügt angesichts der normativen Wirkung, die dem Tarifvertrag nach § 4 TVG zukommt, nicht(zum Konzerntarifvertrag BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 28 mwN, BAGE 124, 240, 246 f.; 12. Dezember 2007 - 4 AZR 1058/06 - Rn. 17). Das gilt auch dann, wenn die Gegenpartei im Prozess wie im vorliegenden Rechtsstreit gleichfalls davon ausgeht, der Tarifvertrag gelte für das Unternehmen der Beklagten. Die normative Gebundenheit an tarifvertragliche Normen kann nur durch einen Tarifvertrag selbst bewirkt werden.

28

e) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, die D AG habe den TV-S als herrschende Konzerngesellschaft geschlossen und die Beklagte sei abhängiges Unternehmen iSd. §§ 17, 18 AktG.

29

Das Landesarbeitsgericht hat zwar keine Feststellungen getroffen, bei der Beklagten handele es sich um ein abhängiges Unternehmen, dass unter der einheitlichen Leitung der D AG als herrschendem Unternehmen zusammengefasst ist. Aber selbst wenn die Beklagte ein abhängiges Tochterunternehmen der D AG sein sollte, ergibt sich allein hieraus nicht die Stellung als Partei eines Tarifvertrages, der nur von der herrschenden Konzerngesellschaft abgeschlossen worden ist. Das hat der Senat bereits ausführlich begründet(ausf. BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 26 mwN, BAGE 124, 240, 246; 12. Dezember 2007 - 4 AZR 1058/06 - Rn. 15; 2. Dezember 1992 - 4 AZR 277/92 - BAGE 72, 48, 56 f.; 11. September 1991 - 4 AZR 71/91 - BAGE 68, 261, 269; jew. mwN auch zu den abweichenden Auffassungen). Hieran hält der Senat ausdrücklich fest.

30

3. Da der TV-S im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht gilt, kann er dort auch nicht nach seinem § 6 die in Bezug genommene, den Klageantrag begründende Bestimmung des § 20 TVöD als Spezialregelung ersetzen. § 20 Abs. 2 TVöD bleibt damit die der Klägerin zur Seite stehende Anspruchsgrundlage.

31

IV. Den Zinsausspruch der Vorinstanzen hat die Beklagte nicht angegriffen.

32

V. Die Beklagte hat nach § 97 ZPO die Kosten ihres nach alledem erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hardebusch    

        

    Vorderwülbecke    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 14. Januar 2009 - 3 Sa 259/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für das Jahr 2007 eine Jahressonderzahlung nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 TVöD in der rechnerisch unstreitigen Höhe von 2.326,13 Euro oder nur in Höhe von 737,99 Euro zusteht, welche die Beklagte auf der Grundlage eines Tarifvertrages über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung zwischen der D AG und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft sowie der NGG - Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten gezahlt hat. Der Differenzbetrag von 1.588,14 Euro ist zuletzt noch Gegenstand der Klage, nachdem die Beklagte zunächst 651,32 Euro und dann zwischen den Instanzen weitere 86,67 Euro gezahlt hat.

2

Die nicht gewerkschaftlich organisierte Klägerin ist seit dem 1. Januar 1995 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin, der Klinik W Gesellschaft bürgerlichen Rechts, beschäftigt. In dem Formulararbeitsvertrag, den sie am 24. Dezember 1994 mit der ursprünglichen Arbeitgeberin abgeschlossen hatte, die keinem Arbeitgeberverband angehörte, hieß es in § 2 ua.:

        

„Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen.“

3

Die Beklagte als Betreiberin der Klinik W entstand nach verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Zwischenschritten und gehört seit dem Jahre 2000 als Konzernunternehmen zum Konzern der D AG.

4

Am 27. März 2007 schlossen die Gewerkschaften ver.di und NGG einerseits und die D AG andererseits den „Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung“ (TV-S). Darin heißt es ua.:

        

㤠1 Geltungsbereich

        

1.   

Der Geltungsbereich dieses Tarifvertrages umfasst alle Arbeitnehmer der

                 

…       

                 

O GmbH,

                 

…       

        

 § 6 Ersatz von Tarifverträgen

                 

Diese Vereinbarung ersetzt folgende Tarifverträge und tarifliche Regelungen:

                 

§ 20 TVöD/TVöD-Ost

                 

…“   

5

Nach dem TV-S erhalten die Arbeitnehmer für jedes Wirtschaftsjahr eine Sonderzahlung, deren Höhe sich nach der Entwicklung des Betriebsergebnisses des Konzerns der D AG (EBITDA) bestimmt. Die Berechnungsweise ist in § 5 TV-S geregelt. § 5 Nr. 4 bis 11 TV-S bestimmt für die Jahre von 2007 bis 2010 einen Sonderzahlungsfaktor auf Grundlage des jeweiligen EBITDA. Für die Mitglieder der Gewerkschaft ver.di und der NGG ergeben sich für die Jahre 2007 bis einschließlich 2010 gegenüber den übrigen Arbeitnehmern jeweils höhere Faktoren. Weiter heißt es in § 5 TV-S:

        

„12. Unabhängig von einer möglichen höheren Zahlung nach den Regelungen der Ziffern 4 bis 9 erhalten Mitglieder der Gewerkschaften ver.di sowie NGG in den Jahren 2007 bis 2009 mindestens eine garantierte Jahressonderzahlung in Abhängigkeit zu der am 31. Dezember 2006 jeweils gültigen tariflichen Regelung nach folgender Tabelle:

        

Am 31.12.2006 gültige Regelung

Garantierter Faktor

        

Sonderzahlung nach Haustarif

0,80

        

…       

        
        

13. Als Gewerkschaftsmitglied gilt, wer spätestens am 6. März 2007 in die Gewerkschaft eingetreten ist und dessen Mitgliedschaft am 30. November des jeweiligen Wirtschaftsjahres noch besteht und im Anspruchsjahr die Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht gekündigt wurde. Für die Jahre 2008 und folgende gilt jeweils der 1. Januar des Jahres als spätestes Eintrittsdatum.“

6

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2007 machte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung von 1.674,81 Euro als restliche Jahressonderzahlung für 2007 erfolglos schriftlich geltend, nachdem sie in Anwendung des TV-S zunächst nur 651,32 Euro erhalten hatte. Weitere 86,67 Euro wurden zwischen den Instanzen gezahlt.

7

Mit der am 4. März 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Zahlung von zunächst 1.674,81 Euro, zuletzt 1.588,14 Euro verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr Anspruch auf restliche Jahressonderzahlung ergebe sich aus § 20 Abs. 2 TVöD; auch auf diese Bestimmung beziehe sich die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel. Die Regelung im TV-S differenziere im Übrigen unzulässig zwischen Gewerkschafts- und Nichtgewerkschaftsmitgliedern.

8

Die Klägerin hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.674,81 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17. Januar 2008 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die im Arbeitsvertrag vorgesehene Gleichstellungsklausel führe zur Anwendung auch des TV-S. Die dort vorgenommene Differenzierung sei wirksam. Der Tarifvertrag verpflichte die Beklagte nicht, nicht organisierten Arbeitnehmern Sonderzahlung vorzuenthalten.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Danach hat die Beklagte die weiteren 86,67 Euro gezahlt und die Klägerin insoweit die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Berufung der Beklagten, die sich der Erledigterklärung nicht angeschlossen hat, hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Klageabweisung. Die Klägerin beantragt die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Zahlungsklage ist begründet. Die Klägerin kann den geltend gemachten und ihr von den Vorinstanzen zuerkannten Betrag verlangen. Sie hat Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für das Jahr 2007 aus § 20 Abs. 2 TVöD. Der geltend gemachte Betrag ist rechnerisch unstreitig die Differenz zwischen der tatsächlich für 2007 von der Beklagten erbrachten Sonderzahlung und der Sonderzahlung, die der Klägerin nach § 20 Abs. 2 TVöD zusteht. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass sich die arbeitsvertragliche Verweisung im Ergebnis auch auf den TVöD erstreckt. Ob die Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages an sich geeignet wäre, einen Haustarifvertrag über eine Jahressonderzahlung zum die Anwendbarkeit des § 20 TVöD verdrängenden Vertragsgegenstand zu machen, kann dahinstehen. Selbst wenn man dies entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bejahen wollte, erstreckte sich die Verweisung doch nur auf einen Tarifvertrag im Rechtssinne, der im Betrieb der Beklagten gilt oder zumindest gelten könnte. Daran fehlt es beim TV-S. Auf die Wirksamkeit dieses Tarifvertrages und der dort enthaltenen Differenzierungsklausel kommt es daher auch im vorliegenden Fall nicht an(vgl. hierzu insgesamt auch BAG 18. November 2009 - 4 AZR 491/08 - NJW 2010, 888).

12

I. Die Verweisung in § 2 des Arbeitsvertrages vom 24. Dezember 1994 nimmt seit der Ablösung des BAT durch den TVöD auch diesen in seiner jeweiligen Fassung in Bezug und macht ihn zum Gegenstand des Arbeitsvertrages der Parteien.

13

1. § 2 des Arbeitsvertrages legt an sich nur fest, dass sich das Arbeitsverhältnis nach „dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden und ändernden Tarifverträgen“ bestimmt. Damit ist zwar der BAT dynamisch, in seiner jeweiligen durch die ändernden Tarifverträge bestimmten Fassung, in Bezug genommen. Die Bezugnahme erstreckt sich ihrem Wortlaut nach zunächst aber nicht auf den TVöD, aus dem die Klägerin ihren Anspruch herleitet.

14

2. Das Landesarbeitsgericht hat unter A 1. der Entscheidungsgründe im Einzelnen begründet, warum eine Auslegung der vertraglichen Verweisungsbestimmung letztlich auch zur Geltung des TVöD im Arbeitsverhältnis der Parteien führt. Es kann dahinstehen, ob dies bereits das Ergebnis einer einfachen Vertragsauslegung ist, oder ob es insoweit - wegen des Fehlens einer Bezugnahme auch auf die den BAT ersetzenden Tarifverträge - einer ergänzenden Vertragsauslegung bedarf(so BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - im Anschluss an BAG 16. Dezember 2009 - 5 AZR 888/08 - Rn. 12, NZA 2010, 401). Denn dass an die Stelle des dynamisch in Bezug genommenen BAT als dessen dynamische Nachfolgeregelung für einen Betrieb wie den der Beklagten, für die ein Bezug zu einer Tarifregelung für die Beschäftigten im Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder nicht erkennbar ist, der TVöD getreten ist, kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht mehr zweifelhaft sein. Die Beklagte, deren Rechtsvorgängerin das Arbeitsverhältnis zusammen mit der Klägerin der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes anvertraut hat, hat die entsprechende Rechtsauffassung der Klägerin und des Arbeitsgerichts auch ebenso wenig angegriffen wie die Ausführungen im Urteil des Landesarbeitsgerichts hierzu. Sie zitiert insoweit stets „BAT/TVöD“ und widerspricht, wie auch in den Vorinstanzen, stets nur deren Annahme, es gebe keine Anhaltspunkte für eine Inbezugnahme auch des TV-S. Wenn sich die Arbeitsvertragsparteien mit der Bezugnahmeklausel schon der Verbandstarifvertragsentwicklung unterworfen hätten, auf die der Arbeitgeber als Partei des Arbeitsvertrags nur mittelbar Einfluss nehmen könne, dann unterwürfen sie sich erst recht der tarifvertraglichen Entwicklung, die der Arbeitgeber unmittelbar mit der für den Betrieb zuständigen Gewerkschaft vereinbart habe.

15

II. Bei Geltung des TVöD und dessen § 20 Abs. 2 hat die Klägerin einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe von 2.326,13 Euro brutto, von der nach den Zahlungen der Beklagten nach Maßgabe des TV-S in Höhe von 651,32 Euro und 86,67 Euro noch 1.588,14 Euro offenstehen. Dieser Differenzbetrag steht zwischen den Parteien rechnerisch außer Streit.

16

III. Dem darauf bezogenen Zahlungsanspruch der Klägerin stehen die Spezialregelungen des TV-S nicht nach dessen § 6 entgegen.

17

1. Dabei kann dahinstehen, ob dieser nicht kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltende Tarifvertrag bereits deshalb keine Anwendung findet, weil er als Firmentarifvertrag von der Verweisung im Arbeitsvertrag nicht mit umfasst ist. Gegenüber der dahingehenden Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte zumindest nachvollziehbare Einwände erhoben, denen der Senat indes nicht nachgehen muss. Denn ein den BAT und den an dessen Stelle getretenen TVöD ändernder Tarifvertrag kann jedenfalls nur ein Tarifvertrag sein, der diesen Tarifvertrag entweder als Flächentarifvertrag ganz oder in einem Regelungsausschnitt abändert, oder ein Haustarifvertrag mit entsprechendem Regelungsinhalt, der in der Lage ist, diesen Tarifvertrag mit Wirkung für die Klägerin und die Beklagte abzuändern. Ein Tarifvertrag, der wenn überhaupt dann nur in einem oder mehreren anderen Unternehmen als Haustarifvertrag gilt, also auch bei Tarifgebundenheit der Klägerin nicht im Arbeitsverhältnis der Parteien gelten würde, kann bei verständiger Würdigung der vertraglichen Inbezugnahme von der Verweisungsklausel nicht mit umfasst sein.

18

2. Hiernach gilt der TV-S im Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls deshalb nicht, weil er nicht mit Wirkung für die Beklagte vereinbart worden ist. Die Beklagte ist nicht Vertragspartei des TV-S und daher nicht an diesen nach § 4 Abs. 1 TVG gebunden, so dass dieser auch über die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag der Klägerin nicht im Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung kommt. Damit kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits auch nicht darauf an, ob die Differenzierungsklausel im TV-S wirksam ist und ob - bei deren Unwirksamkeit - der sich dann aus dem TV-S für die Klägerin ergebende andere Differenzbetrag vom Klageantrag mit umfasster Streitgegenstand wäre.

19

a) Die Beklagte ist nicht Partei des TV-S. Sie ist bei Abschluss des Tarifvertrages durch die D AG von dieser nicht wirksam vertreten worden(entsprechend für ein anderes Unternehmen der Unternehmensgruppe BAG 18. November 2009 - 4 AZR 491/08 - NJW 2010, 888).

20

aa) Auf das Zustandekommen eines Tarifvertrages finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über den Abschluss von Verträgen Anwendung. Eine wirksame Vertretung setzt nach § 164 Abs. 1 BGB voraus, dass der Vertreter - neben der Bevollmächtigung zur Abgabe der Willenserklärung - erkennbar im Namen des Vertretenen gehandelt hat(s. nur BAG 29. Juni 2004 - 1 AZR 143/03 - zu III 2 a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Nr. 36 = EzA TVG § 1 Nr. 46).

21

(1) Dabei kann sich der Wille, auch im Namen bestimmter anderer Unternehmen zu handeln - der Vertreter kann sowohl im eigenen als auch zusätzlich im Namen eines oder mehrerer Vertretener handeln (BAG 29. Juni 2004 - 1 AZR 143/03 - zu III 2 b a der Gründe mwN, AP TVG § 1 Nr. 36 = EzA TVG § 1 Nr. 46) -, nach § 164 Abs. 1 Satz 2 BGB aus den Umständen ergeben, wenn sie einen einer ausdrücklichen Nennung als Tarifvertragspartei gleichwertigen Grad an Klarheit und Eindeutigkeit erreichen(zu § 2 Abs. 2 TVG s. BAG 12. Februar 1997 - 4 AZR 419/95 - zu I 1.4.1 der Gründe, AP TVG § 2 Nr. 46 = EzA TVG § 2 Nr. 21: „zweifelsfrei aus dem Inhalt der Urkunde ergibt“)und in einer § 1 Abs. 2 TVG genügenden Form niedergelegt sind. Denn die Nennung der Vertragsparteien bedarf ebenso wie der gesamte Tarifvertrag der Schriftform (Wiedemann/Thüsing TVG 7. Aufl. § 1 Rn. 191; s. auch BAG 26. April 2000 - 4 AZR 170/99 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 94, 266, 272; so schon RAG 7. Oktober 1931 - RAG 713/30 - ARS 13, 229, 231). Die Schriftform nach § 1 Abs. 2 TVG dient der Klarstellung des Inhalts von Tarifverträgen(BAG 10. November 1982 - 4 AZR 1203/79 - BAGE 40, 327, 333). Neben dem Umstand, dass die Normunterworfenen sich über den Tarifvertragsinhalt unterrichten können sollen (BAG 19. Oktober 1976 - 1 AZR 611/75 - zu 3 der Gründe, BAGE 28, 225, 230), muss für sie auch ersichtlich sein, ob der Tarifvertrag überhaupt für sie gelten soll. Daher muss anhand der Vertragsurkunde auch hinreichend erkennbar sein, wer im Einzelnen den Tarifvertrag abgeschlossen hat.

22

(2) Diese Grundsätze gelten auch im Falle einer rechtsgeschäftlichen Vertretung eines abhängigen Unternehmens durch das herrschende innerhalb eines Konzerns beim Abschluss eines Tarifvertrages. Es bedarf - neben der konkreten Bestimmung oder Bestimmbarkeit der abhängigen Unternehmen für die der Tarifvertrag geschlossen werden soll - über die bloße Konzernzugehörigkeit hinaus weiterer Anhaltspunkte, aus denen mit für einen Tarifvertrag hinreichender Bestimmtheit der Wille erkennbar hervorgeht, für eine oder mehrere abhängige Unternehmen zu handeln(BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 26 mwN, BAGE 124, 240, 246; 12. Dezember 2007 - 4 AZR 1058/06 - Rn. 15; weiterhin BAG 26. April 2000 - 4 AZR 170/99 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 94, 266, 272).

23

bb) Nach diesen Maßstäben sind vorliegend keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich, dass der TV-S von der D AG auch im Namen der Beklagten geschlossen wurde.

24

In § 1 TV-S wird die Beklagte lediglich hinsichtlich des räumlichen Geltungsbereichs aufgeführt. Die Angabe des Geltungsbereichs allein reicht jedoch noch nicht aus. Denn dadurch wird nicht erkennbar, dass der Tarifvertrag zugleich in rechtsgeschäftlicher Vertretung für die Beklagte geschlossen werden soll. Ein Unternehmen wird nicht allein dadurch zur Partei eines nicht von ihm abgeschlossenen Tarifvertrages, dass es in dessen Geltungsbereich einbezogen wird(BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 28, 30, BAGE 124, 240, 246; 12. Dezember 2007 - 4 AZR 1058/06 - Rn. 17, 19).

25

Dem Tarifvertrag sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, der TV-S solle von der D AG auch im Namen der Beklagten geschlossen werden. In dem Kopf des TV-S ist auf Arbeitgeberseite lediglich die D AG genannt. Ebenso ist den Unterschriften - „für die D AG“ - kein die Vertretung der Beklagten andeutender Hinweis beigefügt(s. auch BAG 26. April 2000 - 4 AZR 170/99 - zu II 2 a aa der Gründe, BAGE 94, 266, 272).

26

c) Den Tatsachenfeststellungen des Landesarbeitsgerichts ist auch nicht zu entnehmen, dass die Beklagte Partei des TV-S auf der Arbeitgeberseite ist, wovon das Landesarbeitsgericht offenbar ohne weitere Begründung ausgeht. Soweit im Tatbestand des Berufungsurteils ausgeführt wird, die D AG habe den TV-S „mit Geltungsbereich für die Beklagte“ geschlossen, begründet dies nicht die Stellung der Beklagten als Tarifvertragspartei.

27

d) Die bloße Vorstellung der Beklagten, der Tarifvertrag wirke auch für sie, genügt angesichts der normativen Wirkung, die dem Tarifvertrag nach § 4 TVG zukommt, nicht(zum Konzerntarifvertrag BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 28 mwN, BAGE 124, 240, 246 f.; 12. Dezember 2007 - 4 AZR 1058/06 - Rn. 17). Das gilt auch dann, wenn die Gegenpartei im Prozess wie im vorliegenden Rechtsstreit gleichfalls davon ausgeht, der Tarifvertrag gelte für das Unternehmen der Beklagten. Die normative Gebundenheit an tarifvertragliche Normen kann nur durch einen Tarifvertrag selbst bewirkt werden.

28

e) Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch dann nicht, wenn man davon ausgeht, die D AG habe den TV-S als herrschende Konzerngesellschaft geschlossen und die Beklagte sei abhängiges Unternehmen iSd. §§ 17, 18 AktG.

29

Das Landesarbeitsgericht hat zwar keine Feststellungen getroffen, bei der Beklagten handele es sich um ein abhängiges Unternehmen, dass unter der einheitlichen Leitung der D AG als herrschendem Unternehmen zusammengefasst ist. Aber selbst wenn die Beklagte ein abhängiges Tochterunternehmen der D AG sein sollte, ergibt sich allein hieraus nicht die Stellung als Partei eines Tarifvertrages, der nur von der herrschenden Konzerngesellschaft abgeschlossen worden ist. Das hat der Senat bereits ausführlich begründet(ausf. BAG 17. Oktober 2007 - 4 AZR 1005/06 - Rn. 26 mwN, BAGE 124, 240, 246; 12. Dezember 2007 - 4 AZR 1058/06 - Rn. 15; 2. Dezember 1992 - 4 AZR 277/92 - BAGE 72, 48, 56 f.; 11. September 1991 - 4 AZR 71/91 - BAGE 68, 261, 269; jew. mwN auch zu den abweichenden Auffassungen). Hieran hält der Senat ausdrücklich fest.

30

3. Da der TV-S im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht gilt, kann er dort auch nicht nach seinem § 6 die in Bezug genommene, den Klageantrag begründende Bestimmung des § 20 TVöD als Spezialregelung ersetzen. § 20 Abs. 2 TVöD bleibt damit die der Klägerin zur Seite stehende Anspruchsgrundlage.

31

IV. Den Zinsausspruch der Vorinstanzen hat die Beklagte nicht angegriffen.

32

V. Die Beklagte hat nach § 97 ZPO die Kosten ihres nach alledem erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Creutzfeldt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hardebusch    

        

    Vorderwülbecke    

                 

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 17. Juli 2008 - 3 Sa 159/08 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Revision hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über tarifliche Ansprüche auf der Grundlage einer arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel nach einem Betriebsübergang.

2

Die Klägerin, Mitglied der IG-Metall, ist seit dem 18. Juni 1998 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Maschinenbedienerin mit einer Wochenarbeitszeit von zuletzt 30 Stunden tätig. Das monatliche Bruttoentgelt betrug zuletzt 1.437,43 Euro Grundentgelt zuzüglich einer Prämie von 503,10 Euro brutto.

3

Zunächst war die Klägerin bei der in der Metallindustrie tarifgebundenen D GmbH beschäftigt. Im Arbeitsvertrag aus dem Monat Juni 1998 heißt es unter Ziffer 7.2 wie folgt:

        

„Sonstige Regelungen

        

Im übrigen gelten für das Anstellungsverhältnis die Bestimmungen der gültigen Tarifverträge der Metallindustrie Schleswig-Holstein in der jeweils gültigen Fassung und alle betrieblichen Regelungen, Richtlinien, Betriebsvereinbarungen der D GmbH in ihrer jeweils gültigen Fassung, sofern Sie unter deren Geltungsbereich fallen.

        

…“   

4

Im Jahre 2003 ging das Arbeitsverhältnis auf die N GmbH über, die ebenfalls tarifgebunden war. Mit Wirkung vom 1. November 2005 schloss die Klägerin mit dieser aus Anlass einer Arbeitszeitreduzierung eine „Vereinbarung zum bestehenden und fortgeltenden Arbeitsvertrag“ (im Folgenden „Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005“). Darin heißt es unter anderem:

        

„Die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung sind Bestandteil dieser Vereinbarung.“

5

Die Beklagte, die mit Wirkung zum 1. Juli 2006 den Betrieb übernommen hat, ist nicht tarifgebunden.

6

Für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Metallindustrie in Schleswig-Holstein vereinbarten die Tarifvertragsparteien unter dem 7. Mai 2007 den „Lohntarifvertrag für die Metallindustrie Hamburg und Umgebung, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein“ sowie - für Betriebe nach Einführung des Entgeltrahmenabkommens(ERA) - den „Tarifvertrag über Entgelte und Ausbildungsvergütungen für die Metallindustrie Bezirk Küste“. Beide Tarifverträge sehen in § 2 eine Erhöhung der Tariflöhne bzw. Monatsgrundentgelte mit Wirkung ab 1. Juni 2007 um 4,1 % vor. Vorgesehen ist zudem die Zahlung eines Erhöhungsbetrags für die Monate April und Mai 2007 mit der Abrechnung für den Monat Mai 2007 in Höhe von 400,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung, basierend auf einer 35-Stunden-Woche, der bei Teilzeitbeschäftigung entsprechend der anteiligen Arbeitszeit zu berechnen ist.

7

Die Klägerin hat mit Schreiben vom 6. September 2007 für den Zeitraum vom 1. Juni bis zum 16. September 2007 Zahlung des rechnerisch unstreitigen Betrages von 623,96 Euro brutto verlangt. Er setzt sich zusammen aus der prozentualen Entgelterhöhung von 281,11 Euro brutto und der tariflichen Einmalzahlung von anteilig 342,85 Euro brutto bezogen auf eine 30-Stunden-Woche. Die Beklagte hat die Zahlung unter Hinweis auf ihre fehlende Tarifbindung verweigert, woraufhin die Klägerin am 6. Dezember 2007 Klage erhoben hat.

8

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die in ihrem Arbeitsvertrag enthaltene Verweisungsklausel die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein dynamisch in Bezug nehme. Jedenfalls nach Abschluss der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 könne nicht von einer Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung die Rede sein. Mit dem Betriebsübergang seien die Rechte aus der arbeitsvertraglichen Verweisung unverändert dynamisch auf die Beklagte übergegangen.

9

Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, 623,96 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 551,53 Euro ab dem 30. September 2007 sowie auf 42,43 Euro ab 11. Dezember 2007 an die Klägerin zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Mangels Tarifbindung schulde sie eine nach dem Betriebsübergang vereinbarte Tariflohnerhöhung nicht. Da das Arbeitsverhältnis vor dem letzten Betriebsübergang durch beiderseitige Tarifgebundenheit bestimmt gewesen sei, gelte der Tarifvertrag nach dem Betriebsübergang gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur noch statisch weiter. Auch aufgrund der individualvertraglichen Inbezugnahme des Tarifvertrags sei sie nicht zur Zahlung verpflichtet. Wegen der damaligen beiderseitigen Tarifgebundenheit seien die im Vertrag genannten Tarifverträge nicht rechtsbegründend in Bezug genommen worden. Auf die Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag aus dem Jahre 1998 sei im Übrigen aus Gründen des Vertrauensschutzes die Senatsrechtsprechung zur Gleichstellungsabrede anzuwenden. Die Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 enthalte nur eine Wiederholung der alten vertraglichen Klausel und sei kein „Neuvertrag“. Zudem müsse der Vertrauensschutz jedenfalls bis zum Bekanntwerden der beabsichtigten Rechtsprechungsänderung bestehen. Außerdem verstoße es gegen ihr Recht auf negative Koalitionsfreiheit, wenn sie mit Übergang des Arbeitsverhältnisses trotz fehlender Tarifgebundenheit die Tarifverträge der Metallindustrie Schleswig-Holstein weiterhin dynamisch anwenden müsse.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

I. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin aufgrund dynamischer Verweisung in der Änderungsvereinbarung vom 1. November 2005 auch Rechte aus den in Bezug genommenen tariflichen Regelungen geltend machen kann, die erst nach dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf die nicht tarifgebundene Beklagte vereinbart wurden.

13

1. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich nicht kraft normativer Geltung der Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein, da zwar die Klägerin, jedoch nicht die Beklagte tarifgebunden ist.

14

2. Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus der Fortgeltung der Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein im Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB.

15

Die beiderseitige Tarifgebundenheit vor dem Übergang des Beschäftigungsbetriebes auf die Beklagte führt zwar dazu, dass trotz der Tarifungebundenheit der Beklagten die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein seit diesem Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB im Arbeitsverhältnis der Parteien fortgelten. Aus dieser Fortgeltung kann die Klägerin jedoch ihre Forderung nicht herleiten. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht mit der Rechtsprechung des Senats davon ausgegangen, dass der Regelungsgehalt der Tarifvertragsnormen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nur statisch in das Arbeitsverhältnis übergeht, also mit dem tariflichen Regelungsbestand, den er zur Zeit des Betriebsübergangs hat(BAG 14. November 2007 - 4 AZR 828/06 - Rn. 16 mwN, AP BGB § 613a Nr. 334 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 81). Vorliegend fand der Betriebsübergang im Juli 2006 statt. Die Forderung der Klägerin bezieht sich jedoch auf die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein vom 7. Mai 2007, die also erst nach dem Betriebsübergang abgeschlossen und deshalb nicht in das Arbeitsverhältnis nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB transformiert worden sind.

16

3. Der Anspruch der Klägerin ergibt sich jedoch aus individualvertraglicher Inbezugnahme. Die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein vom 7. Mai 2007 finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien zwar nicht aufgrund der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag aus dem Monat Juni 1998, jedoch aufgrund derjenigen in der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 Anwendung.

17

a) Die Auslegung von typischen (Formular-)Vertragsklauseln - wie denen des Arbeitsvertrages aus dem Jahre 1998 und der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 - ist der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich(st. Rspr., zB BAG 19. März 2003 - 4 AZR 331/02 - mwN, BAGE 105, 284, 286).

18

b) Die Anwendbarkeit der streitgegenständlichen Vergütungsregelungen folgt allerdings nicht aus der Bezugnahmeklausel in Ziff. 7.2 des Arbeitsvertrages aus dem Jahre 1998. Diese Klausel ist als Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Senats auszulegen, weshalb tarifliche Neuregelungen nach Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite wie die vom 7. Mai 2007 von ihr nicht mit umfasst sind.

19

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats waren bei entsprechender Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Bezugnahmeklauseln wie die im Arbeitsvertrag der Parteien in aller Regel als sogenannte Gleichstellungsabreden auszulegen(vgl. nur BAG 10. Dezember 2008 - 4 AZR 881/07 - Rn. 18 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 68). Dies führt bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers dazu, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge nur noch statisch in der Fassung zum Zeitpunkt dieses Wegfalls anzuwenden sind. Diese Auslegungsregel wendet der Senat aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 18 mwN, NZA 2010, 170).

20

bb) Danach ist der im Jahre 1998 geschlossene Arbeitsvertrag nach der früheren Senatsrechtsprechung zu beurteilen. Die Bezugnahmeklausel in Ziff. 7.2 dieses Arbeitsvertrages ist als Gleichstellungsabrede zu behandeln, weil sie auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge verweist und der damalige Arbeitgeber, ein Rechtsvorgänger der Beklagten, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses tarifgebunden war.

21

Dabei kann es dahinstehen, welche Bedeutung dem Wort „Sie“ im Satzteil „sofern Sie unter deren Geltungsbereich fallen“ zukommt, ob also, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hat, damit über den Vertragswortlaut hinaus nicht nur auf den tariflichen Geltungsbereich, sondern auch auf die Tarifgebundenheit der Klägerin Bezug genommen worden ist. Darauf kommt es nach der früheren, für Arbeitsverträge aus dem Jahre 1998 weiterhin maßgeblichen Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede nicht an.

22

c) Die Anwendbarkeit der streitgegenständlichen tarifvertraglichen Vergütungsregelungen folgt jedoch aus der Bezugnahmeklausel in der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005, die als „Neuvertrag“ nicht mehr unter die aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterzuführende Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede fällt. Diese Klausel enthält eine konstitutive Bezugnahme auf die Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung, die nicht von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers abhängig und für die die Tarifgebundenheit der Klägerin ohne Bedeutung ist.

23

aa) Die Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung im Änderungsvertrag vom 1. November 2005 unterliegt nicht der widergegebenen, vom Senat nur noch aus Gründen des Vertrauensschutzes angewendeten Auslegungsregel zur Gleichstellungsabrede.

24

(1) Es handelt sich bei der Vereinbarung vom 1. November 2005 um einen „Neuvertrag“ aus der Zeit ab dem 1. Januar 2002, zu dessen Inhaltsbestimmung die allgemeinen Auslegungsregeln uneingeschränkt Anwendung finden. Es kommt danach in erster Linie auf den Wortlaut der übereinstimmenden Erklärung an. Vom Wortlaut abweichende Regelungsziele oder Motive können nur dann bei der Auslegung berücksichtigt werden, wenn sie im Vertrag selbst oder in den Begleitumständen bei Vertragsschluss mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen sind(BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 793/07 - Rn. 30 mwN, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 67 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40). Eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Verweisung auf einen bestimmten Tarifvertrag wird jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den in Bezug genommenen Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, durch einen Wegfall der arbeitgeberseitigen Tarifgebundenheit nicht berührt (- „unbedingte zeitdynamische Verweisung“ -, vgl. BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 22 mwN, NZA 2010, 170; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - mwN, BAGE 122, 74). Auch wenn die Arbeitsvertragsparteien der Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers besondere Bedeutung beimessen wollen, muss dies regelmäßig im Vertragstext Niederschlag finden oder auf sonstige Weise Gegenstand der arbeitsvertraglichen Einigung geworden sein.

25

(2) Der Anwendung der widergegebenen allgemeinen Auslegungsregeln auf die vertragliche Abrede vom 1. November 2005 steht nicht entgegen, dass es sich hier um die Änderung eines „Altvertrages“ aus der Zeit vor dem 1. Januar 2002 handelte, in dem sich ebenfalls eine dynamische Verweisung auf die einschlägigen Tarifverträge fand. Bei einer Änderung eines Altvertrags nach dem 1. Januar 2002 kommt es für die Beurteilung, ob die Auslegungsmaßstäbe für „Neu-“ oder für „Altverträge“ maßgeblich sind, darauf an, ob die Klausel im Änderungsvertrag zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der hieran beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist(BAG 18. November 2009 - 4 AZR 514/08 - Rn. 23 bis 25, NZA 2010, 170).

26

Danach ist die von der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der N GmbH, vereinbarte Arbeitsvertragsänderung, was die Bezugnahmeklausel angeht, als Neuvertragsabschluss einzustufen. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt. Mit der Bezugnahme auf die „jeweilige Fassung“ der „einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein“ wird in rechtsgeschäftlicher, vertragsändernder Willensbildung durch einen Wortlaut, der sich von der Vorgängerregelung im Altvertrag unterscheidet und ausdrücklich eine Vertragsumstellung weg von der Rechtslage bei der ursprünglichen Arbeitgeberin, der D GmbH, vornimmt, eine eigenständige Neuregelung getroffen und nicht lediglich die ursprünglich getroffene Vereinbarung ohne eigenen Rechtsgestaltungswillen wiederholt.

27

(3) Entgegen der Auffassung der Revision gibt es keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der danach in einem „Neuvertrag“ im Sinne der Senatsrechtsprechung vereinbarten Bezugnahmeklausel im Falle der - tatsächlich gegebenen - Mitgliedschaft der Klägerin in der tarifschließenden Gewerkschaft um eine lediglich deklaratorische, die Rechtslage beschreibende Wissenserklärung handeln sollte. Es fehlt schon an Tatsachenvortrag dazu, dass der an der Vertragsänderung beteiligten Arbeitgeberin die Tarifgebundenheit der Klägerin bekannt war und dass diese zum Thema des Vertragsschlusses gemacht worden ist.

28

(4) Ebenso wenig kann aus dem Wortlaut der Bezugnahmeklausel im Änderungsvertrag oder aus vorgetragenen Begleitumständen beim damaligen Vertragsschluss irgendein Anhaltspunkt dafür entnommen werden, dass die vereinbarte dynamische Bezugnahme des Tarifrechts der Metallindustrie Schleswig-Holsteins bei einem Wegfall der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite nur noch als statische Verweisung weiter gelten sollte.

29

Auch für die Annahme der Revision, beide Parteien seien noch im November 2005 vor dem Hintergrund, dass auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts ergingen, die die bisherige Auslegung entsprechender Bezugnahmeklauseln als Gleichstellungsabrede bestätigten und die Ankündigung der Rechtsprechungsänderung erst am 14. Dezember 2005(- 4 AZR 536/04 -) erfolgte, davon ausgegangen, dass die Bezugnahme im Arbeitsvertrag nur der Gleichstellung der organisierten Arbeitnehmer mit den nichtorganisierten Arbeitnehmern diene, gibt es weder im Vertragswortlaut noch in konkret vorgetragenen Umständen bei Vertragsschluss irgendeinen Anhaltspunkt.

30

bb) Der Senat hält an seiner neueren Rechtsprechung zur Auslegung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmen auf einschlägige Tarifverträge oder Tarifwerke, die zu dem vorgenannten Ergebnis führt, auch in Anbetracht der von der Revision vorgebrachten Gesichtspunkte fest. Dies hat der Senat bereits in verschiedenen Entscheidungen - in Auseinandersetzung mit der zwischenzeitlich geäußerten Kritik an dieser Rechtsprechung - ausführlich begründet(vgl. ua. 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 42 ff., Rn. 46 bis 58 mwN, BAGE 122, 74, 87 ff.; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 793/07 - Rn. 31 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 67 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40).

31

(1) Es verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip und damit gegen Art. 20 Abs. 3 GG, dass der Senat die Auslegungsregel der Gleichstellungsabrede nicht aus Gründen des Vertrauensschutzes auf alle Bezugnahmeklauseln anwendet, die in der Zeit bis zur Ankündigung der Rechtsprechungsänderung in der Entscheidung vom 14. Dezember 2005(- 4 AZR 536/04 - BAGE 116, 326) vereinbart worden sind.

32

(a) Entgegen der Revision liegt hierin keine nach dem Vertrauensschutzprinzip verbotene echte Rückwirkung(vgl. hierzu etwa BVerfG 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 - BVerfGE 101, 239, 263 f.). Es wird nicht nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingegriffen. Die streitgegenständliche Klausel wurde zwar in der Vergangenheit vereinbart, das Arbeitsverhältnis, auf das sich ihre Wirkung bezieht, ist jedoch weder abgeschlossen noch abgewickelt. In die in der Vergangenheit bereits abgewickelten Teile des Arbeitsverhältnisses greift die auf die allgemeinen Grundsätze zurückgeführte Auslegungsregel nicht ein.

33

(b) Die Festlegung eines Stichtages, mit dem die Anwendbarkeit einer geänderten Rechtsprechung in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt wird, ist ein geeignetes Mittel, um eventuell bestehendem Vertrauen in eine gefestigte Rechtsprechung auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen der gegnerischen Partei Rechnung zu tragen(BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - zu B III 2 a der Gründe, NJW 2009, 1469). Die Festlegung des Datums des Stichtags ist entgegen der Auffassung der Revision auch nicht willkürlich. Vorrangig von Bedeutung für die Festlegung des Stichtags ist der vom Gesetzgeber mit der Schuldrechtsnovelle deutlich gemachte Wertewandel, wovon auch eine deutlich verstärkte Aufforderung an die Verwender von Formularverträgen ausging, das von ihnen Gewollte auch in der entsprechenden verständlichen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) Form eindeutig zum Ausdruck zu bringen (BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 793/07 - Rn. 34, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 67 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40).

34

Durch die von der Beklagten angeführten Entscheidungen des Senats vom 19. März 2003(- 4 AZR 331/02 - BAGE 105, 284) und vom 1. Dezember 2004 (- 4 AZR 50/04 - BAGE 113, 40) wird der Stichtag nicht in Frage gestellt. Gegenstand der Entscheidung vom 19. März 2003 war ein sog. Altvertrag aus dem Jahr 1997. Für solche Verträge wendet der Senat die Grundsätze der früheren Rechtsprechung nach wie vor an. In der Entscheidung vom 1. Dezember 2004 kam die Rechtsprechung zur Gleichstellungsabrede gar nicht zur Anwendung, da die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Vereinbarung der Bezugnahme auf den Tarifvertrag nicht vorlag. Beiden Entscheidungen kommt aber auch unabhängig davon bei der typisierten Interessenabwägung und bei der Beurteilung der maßgebende Faktoren für die Festlegung des Stichtags (dazu ua. BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 42 ff., Rn. 46 bis 58 mwN, BAGE 122, 74, 87 ff.; 22. Oktober 2008 - 4 AZR 793/07 - Rn. 31 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 67 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 40)keine Bedeutung zu. Das trifft auch für die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 22. März 2005 (- 1 ABR 64/03 - BAGE 114, 162) zu.

35

Im Übrigen hat das Bundesverfassungsgericht mehrere von Arbeitgeberseite gegen die neuere Senatsrechtsprechung zur Gleichstellungsabrede erhobene Verfassungsbeschwerden mit dem Ziel einer Ausweitung des Vertrauensschutzes nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorlagen( BVerfG 8. Oktober 2008 - 1 BvR 946/08 und 1 BvR 947/08 - ; 21. April 2009 - 1 BvR 769/09 -). Es hat ausgeführt, dass ein Gericht grundsätzlich von einer früheren Rechtsprechung abweichen kann und dass darin kein Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes zu sehen ist, wenn sich die Rechtsprechungsänderung im Rahmen einer vorhersagbaren Entwicklung hält (BVerfG 8. Oktober 2008 - 1 BvR 946/08 und 1 BvR 947/08 -).

36

(2) Entgegen der Auffassung der Revision führt auch die Regelung des § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB zu keinem anderen Ergebnis. Der angeführte Wert des Vertrauens in eine gefestigte Rechtsprechung ist keine „im Arbeitsrecht geltende Besonderheit“, sondern ein allgemeiner Umstand, den der Senat in seiner Rechtsprechung bei seiner Abwägung der beteiligten Interessen - unter Einbeziehung der Situation im Arbeitsrecht - bereits berücksichtigt hat(dazu BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 46 ff., BAGE 122, 74).

37

cc) Nach alledem ist die von der Klägerin und der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der N GmbH, vereinbarte Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005, was die Auslegung der dort vereinbarten Bezugnahme angeht, mit dem Landesarbeitsgericht als „Neuvertrag“ einzustufen, der eine von der Tarifgebundenheit der Vertragsparteien unabhängige unbedingte zeitdynamische Verweisung auf die darin genannten Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung zum Inhalt hat und deshalb auch tarifvertragliche Regelungen zum Gegenstand des Arbeitsvertrages macht, die nach einem Ende der Tarifgebundenheit auf Arbeitgeberseite getroffen worden sind.

38

d) Der Betriebsübergang von der N GmbH auf die Beklagte am 1. Juli 2006 hat an dieser vertragsrechtlichen Lage nichts geändert. Die Klausel gilt auch im Arbeitsverhältnis der Parteien dynamisch. Die sich aus dieser Vertragsklausel ergebende Pflicht, die einschlägigen Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden, gehört zu den Rechten und Pflichten, in die die Beklagte als Erwerberin des Betriebs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eingetreten ist. Dementsprechend ist sie an die Verweisungsklausel aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin mit ihrem Rechtsvorgänger unter Einbeziehung von deren Dynamik gebunden.

39

Der sich von Rechts wegen und unabhängig vom „Gutdünken“ des Veräußerers und Erwerbers(vgl. ua. EuGH 26. Mai 2005 - C-478/03 [Celtec] - ua. Rn. 38 mwN, Slg. 2005, I-4389 und 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - Rn. 26, Slg. 2006, I-2397) nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB vollziehende Eintritt des Erwerbers eines Betriebes oder Betriebsteils in die Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse bezieht sich auf alle arbeitsvertraglich begründeten Rechte und Pflichten und umfasst mithin auch solche aus Verweisungsklauseln auf einen Tarifvertrag.

40

§ 613a Abs. 1 BGB regelt die Rechtsfolgen eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs für die davon betroffenen Arbeitsverhältnisse. Dabei ist in Satz 1 der Vorschrift allgemein geregelt, dass das Arbeitsverhältnis mit demjenigen Inhalt auf den Erwerber übergeht, den es zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs hat. Dazu gehören nicht nur die aktuell realisierten Rechte und Pflichten, sondern alle, auf die sich eine der Vertragsparteien bei unveränderter Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses berufen könnte. Dabei tritt der Erwerber an die Stelle des Veräußerers und nimmt dessen Rechtsstellung ohne inhaltliche Veränderung ein(BAG 19. September 2007 - 4 AZR 711/06 - BAGE 124, 123, 127). Hiervon sind auch Rechtspositionen umfasst, die erst in der Zukunft Wirkung entfalten, etwa bereits fest vereinbarte Änderungen der Rechtslage, die zu einem späteren Zeitpunkt eintreten sollen. Soweit arbeitsvertraglich eine Dynamik bei der Anwendung in Bezug genommenen Rechts vereinbart ist, geht auch sie als solche über. Der Erwerber ist an sie gebunden wie der Veräußerer, der sich darüber mit dem Arbeitnehmer geeinigt hat. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB stellt ihn bezüglich der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen so, als habe er sie selbst abgeschlossen(BAG 23. September 2009 - 4 AZR 331/08 - ZIP 2010, 748).

41

Dieses Ergebnis ergibt sich ebenfalls aus der Betriebsübergangsrichtlinie, derzeit in der Fassung der Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001(ABl. 2001, L 82/16), zu deren Umsetzung in das nationale Recht § 613a BGB dient, der richtlinienkonform auszulegen ist. Die Richtlinie soll die Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens dadurch gewährleisten, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren (vgl. ua. EuGH 10. Februar 1988 - C-324/86 [Tellerup oder „Daddy’s Dance Hall“] - Rn. 9, Slg. 1988, I-739; 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - Rn. 25, Slg. 2006, I-2397). Ziel dieser Richtlinie ist es, die am Tag des Übergangs bestehenden Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer zu wahren (EuGH 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - Rn. 29, Slg. 2006, I-2397) und damit sicherzustellen, dass der betroffene Arbeitnehmer in seinen Rechtsbeziehungen zum Erwerber in gleicher Weise geschützt ist, wie er es nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats in seinen Beziehungen zum Veräußerer war (EuGH 6. November 2003 - C-4/01 [Martin ua.] - Rn. 41, Slg. 2003, I-12859). Daraus folgt, dass eine am Tag des Übergangs bestehende individualvertragliche dynamische Inbezugnahme eines Tarifvertrages, die unabhängig von beiderseitiger Tarifgebundenheit ist, als Solche auf den Betriebserwerber übergeht. Anzunehmen, sie wandle ihren Charakter infolge des Übergangs von „dynamisch“ zu „statisch“, wäre eine Minderung der bestehenden Rechte.

42

e) Entgegen der Auffassung der Revision wurde die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel vom 1. November 2005 weder durch die frühere beiderseitige Tarifgebundenheit verdrängt, noch wird sie durch eine nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierte Tarifnorm verdrängt. Eine ggf. entstehende Regelkollision ist in beiden Fällen nach dem gesetzlichen Kollisionslösungsprinzip des Günstigkeitsvergleichs gemäß § 4 Abs. 3 TVG aufzulösen.

43

aa) Das Arbeitsverhältnis der Klägerin war vor dem Betriebsübergang auf die Beklagte nicht allein durch kollektivvertragliche Regelungen bestimmt, sondern durch kollektive und individualvertragliche Regelungen. Zu letzteren gehört die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel auf die „gültigen Tarifverträge der Metallindustrie Schleswig-Holstein in der jeweils gültigen Fassung“. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht unter Bezug auf die Senatsrechtsprechung(BAG 29. August 2007 - 4 AZR 767/06 - BAGE 124, 34, 37) ausgeführt, dass die Wirkung einer Bezugnahmeklausel nicht dadurch berührt wird, dass der in Bezug genommene Tarifvertrag noch aus einem weiteren rechtlichen Grund für das Arbeitsverhältnis der Parteien maßgebend ist. Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, nach § 4 Abs. 1 TVG trete eine vertragliche Inbezugnahme hinter einer normativen Geltung zurück, verkennt sie, dass eine normative Geltung und eine vertragliche Inbezugnahme als zwei unterschiedliche Rechtsgrundlagen nebeneinander bestehen bleiben. Eine ggf. entstandene Regelkollision war vor dem Betriebsübergang nach dem gesetzlichen Kollisionslösungsprinzip des Günstigkeitsvergleichs gemäß § 4 Abs. 3 TVG aufzulösen.

44

Auch wenn auf diese Weise eine der beiden Regelungen im Arbeitsverhältnis - zeitweise - keine praktische Wirkung entfaltet, so bleibt sie entgegen der Auffassung der Revision, die meint, es könne nur übergehen, was zuvor Wirkung entfaltet habe, jedoch bestehen und ist demgemäß Teil des bei einem Betriebsübergang mit übergehenden Regelungsbestands(vgl. hierzu auch BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - AP BGB § 613a Nr. 371 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 110).

45

bb) Daran, dass die Anwendung eines Tarifvertrags auf zwei Rechtsgründen beruht, ändert sich nichts durch die Feststellung, dass einer von ihnen, nämlich die bisherige kollektive Wirkungsweise, nach dem Betriebsübergang mangels Tarifgebundenheit der Beklagten in nun „statischer“ Form in den Bestand des Arbeitsverhältnisses eingegangen ist. Prinzipiell unterliegt auch eine nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierte Tarifnorm dem Günstigkeitsprinzip nach § 4 Abs. 3 TVG. Insbesondere kann den nunmehr als Inhalt des Arbeitsverhältnisses fortwirkenden früheren Tarifnormen keine größere Wirkungstiefe zukommen als unmittelbar wirkenden Tarifnormen(näher BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 27 bis 32, AP BGB § 613a Nr. 371 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 110). Deshalb sind auch die nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierten Tarifnormen nicht in der Lage, günstigere Abmachungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien zu verdrängen. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ist eine im Hinblick auf § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB ergänzende, keine konkurrierende Regelung. Auch nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB in das Arbeitsverhältnis transformierte Tarifnormen treten nach § 4 Abs. 3 TVG gegenüber einzelvertraglichen Vereinbarungen, soweit diese für die jeweiligen Arbeitnehmer günstigere Bedingungen enthalten, zurück (näher BAG 22. April 2009 - 4 AZR 100/08 - Rn. 27 ff., aaO).

46

f) Durch die Anordnung des Übergangs einer mit dem Veräußerer des Betriebes arbeitsvertraglich vereinbarten dynamischen Verweisung auf einen Tarifvertrag auf die Beklagte als Erwerberin dieses Betriebes wird diese entgegen der Revision nicht in ihrem Grundrecht auf - negative - Koalitionsfreiheit verletzt.

47

aa) Wie der Senat bereits mehrfach begründet hat, berührt die Auslegung und die Wirksamkeit der individualrechtlichen Inbezugnahme von Tarifverträgen in ihrer jeweiligen Fassung als Ausdruck privatautonomer Gestaltungsmacht weder die negative Koalitionsfreiheit dessen, der das Arbeitsverhältnis vertraglich der einschlägigen tarifvertraglichen Ordnung unterstellen wollte und dies auch durch die Zustimmung des Arbeitnehmers erreicht hat, noch diejenige der Personen, die aufgrund privatautonomer Entschließung in diese Rechtsposition eingetreten sind(BAG 23. September 2009 - 4 AZR 331/08 - Rn. 21 mwN, ZIP 2010, 748). Die negative Koalitionsfreiheit kann schon begrifflich nicht durch einen Arbeitsvertrag berührt sein (ebenso zum Verhältnis der negativen Koalitionsfreiheit zu einem Sozialplan BVerfG 23. April 1986 - 2 BvR 487/80 - AP GG Art. 2 Nr. 2).

48

bb) Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Einwände der Revision fest.

49

Ein Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit kommt nur dann in Betracht, wenn es um die von arbeitsvertraglichen Vereinbarungen unabhängige kollektiv-rechtliche Wirkungsweise von tariflichen Normen geht. Denn nur in diesem Bereich lässt sich die Verbindlichkeit von Rechten und Pflichten mit der Wahrnehmung von negativer oder positiver Koalitionsfreiheit begründen. Soweit bei der Begründung der Rechte und Pflichten, die bei einem Betriebsübergang auf den Erwerber übergehen, weder die Mitgliedschaft in einer tarifschließenden Koalition noch die Position als Tarifvertragspartei, etwa bei einem Firmentarifvertrag, eine Rolle spielen, sondern diese unmittelbar auf der Abgabe einer privatautonomen Willenserklärung gegenüber dem Arbeitsvertragspartner beruhen, kann weder die negative Koalitionsfreiheit des Veräußerers noch diejenige des Erwerbers betroffen sein. Der arbeitsvertragliche Charakter einer dynamischen Verweisung auf ein fremdes Regelwerk wird durch die Herkunft des Bezugsobjekts nicht geändert; das gilt für eine etwaige Einbeziehung des jeweiligen statistischen Lebenshaltungsindexes ebenso wie für die Einbeziehung der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der Sozialversicherung wie die der jeweiligen Fassung eines Tarifvertrages(vgl. im Einzelnen BAG 23. September 2009 - 4 AZR 331/08 - Rn. 23 bis 27 mwN, ZIP 2010, 748).

50

Auch in ihren Folgewirkungen bleibt dieser individualvertragliche Charakter erhalten. Anders als nach der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB, die zu einem kollektivrechtlichen Inhaltsschutz mit zwingender Wirkung für ein Jahr führt, können nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangene Vereinbarungen jederzeit einvernehmlich und privatautonom abgeändert werden. Es herrscht grundsätzlich die gleiche Vertragsfreiheit, wie sie im Veräußererbetrieb bestanden hat(vgl. BAG 7. November 2007 - 5 AZR 1007/06 - BAGE 124, 345, 347). Im Übrigen ist - entgegen den Annahmen der Revision - weder in die Auslegung des Arbeitsvertrags der Parteien noch in die Feststellung der Folgen des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB einzubeziehen, ob aus der Sicht einer Vertragspartei im Einzelfall eine konkrete Möglichkeit der einvernehmlichen Vertragsänderung gesehen wird oder wie die Existenz von dynamisch wirkenden individualvertraglichen Bezugnahmen auf Tarifverträge sich bei Kaufvertragsverhandlungen im Rahmen von Betriebsübergängen auswirkt. Die Überlegung der Revision, eine nur noch statische Fortgeltung von Tarifverträgen sei im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG sachlich gerechtfertigt, da dies in der Regel Gegenstand der Kaufverhandlungen sei und eine dynamische Fortgeltung von Tarifverträgen nicht überschaubar wäre, ist in ihrem rechtlichen Gehalt schwer zu erschließen. Gegenstand von Kaufverhandlungen kann nur die tatsächlich im zu erwerbenden Betrieb bestehende Rechtslage sein, nicht eine vom Käufer oder Verkäufer gewünschte. Die hinter dieser Überlegung stehende Auffassung widerspricht § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB. Sie bedeutet nichts anderes, als dass sich der Arbeitsvertragsinhalt entgegen der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung allein durch den Betriebsübergang ändern soll.

51

cc) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Revision auch nicht im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang aus dem Urteil „Werhof“ des EuGH vom 9. März 2006(- C-499/04 - Slg. 2006, I-2397).

52

Die Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG soll die Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Wechsel des Inhabers des Unternehmens dadurch gewährleisten, dass sie ihnen die Möglichkeit gibt, ihr Beschäftigungsverhältnis mit dem neuen Arbeitgeber zu eben den Bedingungen fortzusetzen, die mit dem Veräußerer vereinbart waren(vgl. ua. EuGH 27. November 2008 - C-396/07 [Juuri] - Rn. 28 mwN, AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 97). Aus der Richtlinie ergibt sich nicht, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Erwerber durch andere Kollektivverträge als die zum Zeitpunkt des Übergangs geltenden binden und demnach verpflichten wollte, die Arbeitsbedingungen später durch die Anwendung eines neuen, nach dem Übergang geschlossenen Kollektivvertrags zu ändern (EuGH 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - Rn. 29, Slg. 2006, I-2397), was im Übrigen gegen das im Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts zu beachtende Recht auf negative Vereinigungsfreiheit verstoßen würde (ebenda, Rn. 32 bis 35). Mit der Werhof-Entscheidung schließt es der EuGH aus, eine vertragliche Verweisung auf Tarifverträge im Falle eines Betriebsüberganges nach Art. 3 Abs. 1 der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG zwingend, also unabhängig vom übereinstimmend gebildeten Willen der Arbeitsvertragsparteien, stets so zu verstehen, dass der Erwerber an die betreffenden Tarifverträge auch in den Fassungen gebunden ist, die erst nach dem Betriebsübergang vereinbart wurden. Diese Auffassung teilt der Senat (vgl. näher BAG 23. September 2009 - 4 AZR 331/08 - Rn. 35 bis 38 mwN, in Auseinandersetzung mit EuGH 9. März 2006 - C-499/04 [Werhof] - aaO). Die gegenteilige Auffassung der Revision, die im Ergebnis dahin geht, dass zwingend und unabhängig vom privatautonom zwischen den Arbeitsvertragsparteien Vereinbarten jegliche Bezugnahme auf Tarifverträge in Einzelarbeitsverträgen im Fall des Betriebsüberganges „statisch“ wird, lässt sich nicht mit der Werhof-Entscheidung des EuGH begründen.

53

4. Insgesamt führt die individualvertragliche Inbezugnahme in der Arbeitsvertragsänderung vom 1. November 2005 zu einer dynamischen Anwendung der Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein und damit zu den streitgegenständlichen Tarifverträgen vom 7. Mai 2007. Diese enthalten im Verhältnis zu der statischen Anwendung der Tarifverträge der Metallindustrie in Schleswig-Holstein, vorliegend in der Fassung zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs zum tarifungebundenen Betriebserwerber, eine finanziell günstigere Regelung im Sinne des Günstigkeitsprinzips nach § 4 Abs. 3 TVG. Der auf dieser Grundlage von der Klägerin geltend gemachte Betrag ist der Höhe nach unstreitig.

54

5. Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

55

II. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision nach § 97 ZPO zu tragen.

        

    Bepler    

        

    Treber    

        

    Winter    

        

        

        

    Vorderwülbecke    

        

    Bredendiek    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.