Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 21. März 2012 - 3 Sa 230/11

ECLI: ECLI:DE:LARBGSH:2012:0321.3SA230.11.0A
published on 21/03/2012 00:00
Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 21. März 2012 - 3 Sa 230/11
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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 30.03.2011 – 1 Ca 262/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen, allerdings mit der Maßgabe, dass Ziffer 1 des Tenors wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin eine Sonderzahlung für das Jahr 2007 in Höhe von 2.450,42 EUR brutto abzgl. geleisteter 992,33 EUR brutto und für das Jahr 2008 in Höhe von 2.450,42 EUR brutto abzgl. geleisteter 645,58 EUR brutto gemäß TVöD zu zahlen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Höhe der tariflichen Sonderzahlung für 2007 und 2008 und in diesem Zusammenhang u.a. um die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel und deren Folgen.

2

Die Klägerin ist am ….1970 geboren. Mit Wirkung ab 01.05.2003 wurde sie von der M... GmbH (im Folgenden: M...-GmbH), die in kommunaler Trägerschaft geführt wurde, als Krankenschwester eingestellt. Die M...-GmbH war an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, also den BAT und ab 01.10.2005 den TVöD gebunden. Ab 2006 erwarb die nicht an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gebundene D...-Gruppe sukzessive mehr und mehr Geschäftsanteile der M...-GmbH bzw. nach Umbenennung von deren Rechtsnachfolgerin, der heutigen Beklagten.

3

Bis 2009 war die Klägerin nicht Mitglied einer Gewerkschaft. Im Jahre 2009 trat sie der Gewerkschaft ver.di bei.

4

Ihr Arbeitsvertrag vom 1.4.2003 enthält in § 2 u. a. folgende Klausel:

5

„Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 in der jeweils geltenden Fassung und den sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen.“ (Anl. K1 – Bl. 7 d.A.)

6

Spätere Änderungsverträge bezogen sich nicht auf die oben genannte Klausel.

7

Bis 2006 erhielt die Klägerin die volle Jahressonderzahlung nach TVöD. Letztere belief sich 2006 auf 3.139,78 EUR brutto (Anl. K 14, Bl. 59 d.A.).

8

Mit Datum vom 25.3.2007 schlossen die Gewerkschaften ver.di und NGG mit der D... - Holding AG einen Firmen-„Tarifvertrag über die Gewährung einer jährlichen Sonderzahlung" (im Folgenden: TV- Sonderzahlung). Danach erhalten die Arbeitnehmer mit Wirkung ab 2007 für jedes Wirtschaftsjahr eine vom Betriebsergebnis abhängige Sonderzahlung auf Basis eines bestimmten Faktors. Für die Mitglieder der Gewerkschaften ver.di und der NGG ergeben sich für die Jahre 2007 bis einschließlich 2010 gegenüber den übrigen Arbeitnehmern jeweils höhere Faktoren.

9

Dieser Sonderzuwendungstarifvertrag der D...-Holding ist durch Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus formellen Gründen für nicht anwendbar erklärt worden (BAG vom 18.11.2009 - 4 AZR 491/08 und BAG vom 07.07.2010 – 4 AZR 120/09). Im Anschluss daran haben die Tarifvertragsparteien mit Änderungstarifvertrag vom 02.03.2010, dem sogenannten Heilungstarifvertrag, den „Formfehler“ rückwirkend korrigiert und den alten Tarifvertrag inhaltlich wiederhergestellt.

10

Die Beklagte hat der Klägerin die Sonderzahlungen für 2007 und 2008 nach dem TV-Sonderzahlung ohne den Zuschlag für Gewerkschaftsmitglieder rechnerisch korrekt und insoweit unbeanstandet gezahlt. Für 2007 gewährte sie der Klägerin eine Sonderzahlung in Höhe von 992,33 EUR brutto und für 2008 in Höhe von 645,58 EUR brutto (Bl. 186 d.A.). 2009 erhielt die Klägerin infolge des Gewerkschaftsbeitritts dann eine Sonderzahlung in Höhe von 3.431,70 EUR brutto.

11

Die Klägerin hat stets die Auffassung vertreten, ihr Anspruch auf restliche Jahressonderzahlung für die Jahre 2007 und 2008 ergebe sich aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel aus § 20 Abs. 2 TVöD. Jedenfalls aber differenziere die Beklagte im TV- Sonderzahlung unzulässig zwischen Gewerkschafts- und Nichtgewerkschaftsmitgliedern. Sie habe daher hilfsweise mindestens einen Anspruch auf die Sonderzahlung, die Gewerkschaftsmitglieder in den streitigen Jahren bezogen haben.

12

Die Klägerin hat beantragt,

13

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist,
der Klägerin eine Jahressonderzahlung für die Jahre 2007 und 2008 gemäß TVöD zu zahlen,
hilfsweise
die Klägerin hinsichtlich der Jahressonderzahlung für die Jahre 2007 und 2008 einem verdi-/NGG-Mitglied gleichzustellen,
und zwar bei beiden Anträgen unter Berücksichtigung/Abzug der bisher in den Jahren 2007 und 2008 bereits ausgekehrten Teil-Jahressonderzahlungen.

14

Die Beklagte hat beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie hat stets die Ansicht vertreten, die im Arbeitsvertrag vorgesehene Verweisungsklausel führe zur Anwendung des TV- Sonderzahlung. Die dort vorgenommene Differenzierung sei wirksam.

17

Das Arbeitsgericht hat der am 06.12.2007 eingegangenen Klage mit Urteil vom 30.03.2011 stattgegeben. Das ist im Wesentlichen mit der Begründung geschehen, der TVöD gelte vorliegend durch einzelvertragliche Einbeziehung. Die nach dem 01.01.2002 vereinbarte Bezugnahmeklausel sei nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen und deshalb weiterhin anwendbar. Eine Ablösung durch die Regelungen der Haustarifverträge sei nicht erfolgt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

18

Gegen dieses der Beklagten am 01.06.2011 zugestellte Urteil hat sie am 09.06.2011 Berufung eingelegt, die am 14.07.2011 begründet wurde.

19

Die Beklagte beruft sich darauf, dass der Klägerin ein über den bereits gezahlten Betrag hinausgehender Anspruch auf eine Sonderzahlung nicht zustehe. Die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag stelle eine Gleichstellungsabrede dar, mit der lediglich Nichtgewerkschaftsmitglieder den Gewerkschaftsmitgliedern gleichgestellt werden sollten. Deshalb sei der TV- Sonderzahlung anwendbar. Jedenfalls aber erfasse diese Klausel nicht nur den BAT und den TVöD, sondern erst Recht die speziell auf den Betrieb zugeschnittenen, vom Arbeitgeber abgeschlossenen Haus- bzw. Firmentarifverträge. Der TV- Sonderzahlung sei trotz seines rückwirkenden Inkrafttretens, der Stichtagsregelung und der Differenzierungsklausel wirksam.

20

Die Beklagte beantragt,

21

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 30.03.2011 – 1 Ca 262/10 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Berufungsbeklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

22

Die Klägerin beantragt,

23

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

24

Hilfsweise beantragt sie,

25

die Beklagte zur Zahlung von 3.262,93 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 01.12.2007 zu verurteilen.

26

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend.

27

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den mündlich vorgebrachten Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

28

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist der Beschwer nach statthaft, form- und fristgemäß eingelegt und auch innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet worden.

29

II. Die Berufung ist aber unbegründet. Die Beklagte ist verpflichtet, der Klägerin für die Jahre 2007 und 2008 die Sonderzuwendung nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 TVöD zu gewähren. Das ergibt die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Die Regelungen des TV- Sonderzahlung finden für den streitbefangenen Zeitraum 2007 und 2008 auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin keine Anwendung.

30

1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Trotz möglicher Leistungsklage ist hier das notwendige Feststellungsinteresse ausnahmsweise zu bejahen. Die Beklagte hat ausdrücklich zu Protokoll erklärt, auch auf ein Feststellungsurteil hin im Falle des Obsiegens der Klägerin die restlichen Sonderzuwendungsbeträge zu zahlen. Die Höhe der sich ergebenden Restforderung ist ausweislich der Erklärungen der Parteien in der Berufungsverhandlung unstreitig geworden. Damit kann eine erneute Inanspruchnahme der Gerichte zur Durchsetzung des Anspruchs ausgeschlossen werden.

31

2. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin findet der TVöD Anwendung.

32

a) Ein normativ aus dem TVöD begründeter Anspruch (§ 4 Abs. 1 TVG) besteht nicht. Die Klägerin war bei Abschluss des Arbeitsvertrages und bis einschließlich 2008 nicht Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft.

33

b) Der Anspruch der Klägerin auf eine Jahressonderzahlung aus § 20 Abs. 2 TVöD ergibt sich aus der Verweisungsklausel in § 2 des Arbeitsvertrages. Diese Klausel erstreckt sich auch auf den TVöD.

34

aa) § 2 des Arbeitsvertrages legt zwar an sich nur fest, dass sich das Arbeitsverhältnis nach „dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 in der jeweils geltenden Fassung und den sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen richtet“. Damit ist der BAT dynamisch, in seiner jeweiligen durch die ändernden Tarifverträge bestimmten Fassung, in Bezug genommen worden. Die Bezugnahme erstreckt sich ihrem Wortlaut nach zunächst nicht auf den TVöD, aus dem die Klägerin ihren Anspruch herleitet.

35

bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist aber nicht mehr zweifelhaft, dass an die Stelle des dynamisch in Bezug genommenen BAT als dessen dynamische Nachfolgeregelung für einen Betrieb wie den der Beklagten der TVöD getreten ist (siehe BAG vom 07.07.2010 – 4 AZR 120/09 – Juris, Rz. 14). Die Rechtsvorgängerin der Beklagten, die den Arbeitsvertrag 2003 geschlossen hat, war an die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, also den BAT und später den TVöD gebunden. Die Klägerin hat von ihrer Ursprungsarbeitgeberin nicht nur stets die Sonderzahlung nach den das Tarifwerk BAT ergänzenden Regelungen des Zuwendungstarifvertrages erhalten, sondern nach Inkrafttreten des TVöD auch die sich aus § 20 Abs. 2 TVöD ergebenden Ansprüche. Die in den Arbeitsvertrag eingetretene Beklagte hat sodann noch im Jahre 2006 in Erfüllung des Arbeitsvertrages die Jahressonderzahlung nach dem TVöD gezahlt.

36

3. Bei Geltung des TVöD und dessen § 20 Abs. 2 hat die Klägerin einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für 2007 in Höhe von 2.911,07 EUR brutto, von der nach den Zahlungen der Beklagten nach Maßgabe des TV- Sonderzahlung in Höhe von 992,33 EUR noch 1.918,74 EUR brutto offenstehen. Für das Jahr 2008 hat die Klägerin bei Geltung des § 20 Abs. 2 TVöD einen Anspruch auf eine Jahressonderzahlung in Höhe von 1.893,86 EUR brutto, von der nach den Zahlungen der Beklagten in Höhe von 645,58 EUR brutto noch 1.248,28 EUR offen sind. Diese Beträge sind rechnerisch außer Streit.

37

4. Der Firmen-TV- Sonderzahlung verdrängt diesen Anspruch der 2007 und 2008 nicht tarifgebundenen Klägerin aus § 20 TVöD nicht. Der Geltungsbereich der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel bezieht den TV-Sonderzahlung nicht ein. Letzterer kann daher nicht den sich aus § 20 TVöD ergebenden Anspruch der Klägerin ablösen.

38

a) Bei der einzelvertraglich vereinbarten Bezugnahmeklausel handelt es sich nicht um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Vielmehr beinhaltet sie eine konstitutive Bezugnahme auf den BAT in seiner jeweiligen Fassung und den sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen.

39

b) Der Arbeitsvertrag der Klägerin wurde nach Inkrafttreten der Schuldrechtsreform, nämlich am 1. April 2003 zum 1. Mai 2003 geschlossen. Das hat die Anwendung der maßgeblich mit Urteil vom 18.04.2007 – Az. 4 AZR 652/05 - geänderten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Folge. Danach ist eine einzelvertraglich vereinbarte dynamische Bezugnahme auf einen bestimmten Tarifvertrag jedenfalls dann, wenn eine Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an den im Arbeitsvertrag genannten Tarifvertrag nicht in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist, eine konstitutive Verweisungsklausel, die durch einen Verbandsaustritt oder einen sonstigen Wegfall seiner Tarifgebundenheit nicht berührt wird. Die dynamische Anwendung des in Bezug genommenen Tarifvertrages ist vorliegend nicht von der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers abhängig. Für sie ist auch die Tarifgebundenheit der Klägerin ohne Bedeutung.

40

c) Da es sich um einen sogenannten „Neuvertrag“ handelt, finden zu dessen Inhaltsbestimmung die allgemeinen Auslegungsregeln uneingeschränkt Anwendung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Formulararbeitsvertrag vorliegt.

41

aa) Nach §§ 133, 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist vom Wortlaut auszugehen, aber zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen Das gilt auch für dynamische Verweisungsklauseln (BAG vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 – zitiert nach Juris, Rz. 24; 18.03.2009 – 4 AZR 64/08 – zitiert nach Juris, Rz. 17 m. w. N.). Bei der Auslegung ist die für den Vertragspartner erkennbare jeweilige typische Interessenlage des anderen Teiles zu berücksichtigen (BAG vom 23.01.2008 - 4 AZR 602/06 – zitiert nach Juris, Rz. 24).

42

bb) Eine Auslegung von Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossen worden sind, hat sich daher in erster Linie am Wortlaut der Verweisungsklausel zu orientieren. Soweit ein Vertragspartner vom Wortlaut abweichende Regelungsziele oder Motive verfolgt, können diese danach nur in die Auslegung eingehen, wenn sie für den anderen Vertragspartner mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gekommen sind (BAG vom 24.02.2010 – 4 AZR 691/08 – zitiert nach Juris, Rz. 24 m.w.N.). Maßstab ist der objektivierte Empfängerhorizont (vgl. BAG vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05, Rz. 30 m.w.N.).

43

cc) Bei der arbeitsvertraglichen dynamischen Bezugnahme eines bestimmten Tarifvertrages oder eines Tarifwerkes in seiner jeweiligen Form ist der Wortlaut zunächst eindeutig. Es bedarf vorbehaltlich anderer Anhaltspunkte im Grundsatz keiner weiteren Heranziehung von Auslegungsfaktoren (Schaub-Treber, 14. Auflage, § 206 Rz. 46 m. w. N.).

44

d) Die Auslegung der vorliegenden Verweisungsklausel ergibt, dass nur der BAT bzw. TVöD, nicht jedoch etwaige weitere von einer Rechtsnachfolgerin der Ursprungsarbeitgeberin abgeschlossene Haustarifverträge anwendbar sind.

45

aa) Der Wortlaut der Klausel verweist lediglich auf den BAT in der jeweils geltenden Fassung und den sich „diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen“. Hieraus lässt sich unmittelbar keine Anwendbarkeit des Firmen-TV-Sonderzahlung entnehmen. Die Anwendbarkeit von spezielleren Firmentarifverträgen ist in diesem Wortlaut nicht erwähnt.

46

bb) Nach dem Wortlaut der Verweisungsklausel haben die Arbeitsvertragsparteien auf ein Tarifwerk einer bestimmten Branche, nämlich die Flächentarifverträge des öffentlichen Dienstes verwiesen. „Die sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträge“ sollten ebenfalls maßgeblich sein. Weitere tarifliche Veränderungsmöglichkeiten sind mit keinem Wort erwähnt.

47

cc) Die Arbeitsvertragsparteien haben explizit die Formulierung „sich diesem Tarifvertrag anschließenden Tarifverträgen“ gewählt. Sie haben damit eine dynamische Verweisung auf einen konkret benannten Flächentarifvertrag und dessen Nachfolgetarifverträge festgelegt. Der Text enthält keinerlei Hinweis darauf, dass nach dem Willen der Arbeitsvertragsparteien weitere oder andere Tarifverträge als der BAT/TVöD Anwendung finden sollten.

48

dd) Der TV-Sonderzuwendung schließt sich nicht dem BAT/TVöD an. „Sich anschließen“ bedeutet nach Brockhaus „unmittelbar auf etwas folgen, aufeinanderfolgen“. Die Regelungen des TV-Sonderzuwendung folgen jedoch nicht unmittelbar auf den BAT/ TVöD, haben vielmehr ihren Ursprung in einer anderen Ursachenkette. Der TV-Sonderzuwendung ist von anderen TV-Parteien geschlossen worden. Allein die Gewerkschaft ver.di ist auch Partei des BAT/TVöD. Im Übrigen sind sowohl auf Arbeitgeberseite, als auch auf Gewerkschaftsseite mit der NGG andere Vertragspartner gegeben. Damit kann angesichts dieser gewählten Wortwahl schon nicht von einer „sich dem BAT/TVöD anschließenden Regelung“ ausgegangen werden. Anderenfalls würde die vorliegend existierende spezielle Vereinbarung eines Tarifvertrages einer bestimmten Branche überflüssig. Könnte ein Haustarifvertrag als sachnäherer Tarifvertrag per se ohne besondere Erkennbarkeit einen vereinbarten Branchentarifvertrag verdrängen, wäre der tatsächliche Wortlaut einer Verweisungsklausel letztendlich obsolet. Das vereinbarte Tarifwerk BAT/TVöD würde ohne sich aus dem Wortlaut ergebende entsprechende Anhaltspunkte schlicht ersetzt/ausgewechselt werden.

49

ee) Für die vereinbarte und gewollte Einbeziehung von den Flächentarifvertrag BAT/TVöD abändernden Haustarifverträgen gibt der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel hier keinerlei Anhaltspunkte.

50

(1) Grundsätzlich bestimmen die Arbeitsvertragsparteien mit ihrer vertraglichen Abrede den Umfang der Inbezugnahme. Vereinbaren sie die Einbeziehung der Tarifverträge der einschlägigen Branche, kann dazu zwar auch gehören, dass auch einschlägige Haustarifverträge Anwendung finden sollen. Dass muss aber für den Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt seines Empfängerhorizontes erkennbar sein, das heißt, es muss dieses Regelungsziel durch eine irgendwie geartete Formulierung deutlich gemacht worden sein (vgl. BAG vom 23.01.2008 – 4 AZR 602/06 – Rz. 24).

51

(2) Bei tarifgebundenen Arbeitnehmern verdrängt der Haustarifvertrag zwar als sachnähere Regelung regelmäßig einen Flächentarifvertrag nach dem Spezialitätsprinzip. Diese Fallkonstellation ist aber hier nicht gegeben. Handelt es sich bei der vertraglichen Vereinbarung um eine Gleichstellungsabrede, spricht selbst dieses nur dann für eine Inbezugnahme der Haustarifverträge, wenn entsprechende Anhaltspunkte vorhanden sind (Schaub-Treber, Rz. 39 m. w. N.). Selbst bei einer klassischen Gleichstellungsabrede bedarf es insoweit entsprechender, dem Wortlaut der Verweisungsklausel zu entnehmender Hinweise auf andere im Betrieb geltende kollektive Regelungen. (Schaub-Treber a. a. O.). Derartige Hinweise fehlen vorliegend jedoch völlig. Auch handelt es sich nicht um eine klassische Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die vorliegende Bezugnahmeklausel wurde im Jahre 2003 vereinbart.

52

(3) Der Wortlaut der Verweisungsklausel gibt nichts dafür her, dass auf die Geltung der jeweils konkret für den Betrieb einschlägigen Rechtsnormen abgestellt werden sollte. Der Wortlaut verweist vielmehr ausschließlich auf die flächendeckenden tariflichen Regelungen des öffentlichen Dienstes.

53

ff) Bei der Auslegung ist vorliegend zudem zu beachten, dass die Vertragsparteien im Wortlaut des Arbeitsvertrages gerade nicht festgelegt haben, dass den BAT „ersetzende“ Tarifverträge Anwendung finden sollen. Ebenso wenig enthält der Wortlaut der Vertragsklausel irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass alle für den Arbeitgeber jeweils einschlägigen Tarifverträge maßgeblich sein sollen. Von einem derartigen übereinstimmenden Willen kann auch nicht schlicht ausgegangen werden. Denn eine Arbeitnehmerin, die – wie hier – eine Tätigkeit als Krankenschwester in einem ehemals vom kommunalen Arbeitgeber geführten Krankenhaus ausübt, kann sich gezielt erfolgreich um eine Anstellung im öffentlichen Dienst bemüht haben, um dessen gute tarifliche flächendeckende Arbeitsbedingungen zu erhalten (vgl. hierzu BAG vom 29.08.2007 – 4 AZR 767/06 – zitiert nach Juris, Rz. 17). Für die Klägerin war zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nach dem Wortlaut ihres Arbeitsvertrages auch nicht ansatzweise vorhersehbar, dass etwaige Ansprüche aus dem Flächentarifvertrag BAT/TVöD von einem nur Teilbereiche des BAT/TVöD regelnden, von anderen Parteien abgeschlossenen Haustarifvertrag verdrängt werden könnten. Jedenfalls hat die Beklagte hierzu nichts vorgetragen.

54

5) Da es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Arbeitsvertragsparteien vom BAT/TVöD abweichende Haustarifverträge in den Geltungsbereich des Arbeitsvertrages einbeziehen wollten, richtet sich der Anspruch der Klägerin auf Sonderzuwendungen für die Jahre 2007 und 2008 nach wie vor nach § 20 TVöD. Es ist daher zu Recht festgestellt worden, dass die Beklagte eine entsprechende Zahlungsverpflichtung trifft. Die Berufung war zurückzuweisen.

55

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

56

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Es ist eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen betroffen, die eine entsprechende Verweisungsklausel enthalten.


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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.
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published on 07/07/2010 00:00

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 14. Januar 2009 - 3 Sa 259/08 - wird zurückgewiesen.
published on 24/02/2010 00:00

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 17. Juli 2008 - 3 Sa 159/08 - wird zurückgewiesen.
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published on 31/08/2016 00:00

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 08. Dezember 2015 – 11 Ca 26/15 – abgeändert: Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der kirchliche Arbeitnehmerinnentarifvertrag
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Annotations

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.