Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08.08.2016 – 2 Ca 187/16 HBS – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die klagende Partei trotz des bestehenden Haustarifvertrages nach wie vor dynamisch Entgelterhöhungen gemäß den Entgelttabellen des TVöD weiterzugeben.

2

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08. August 2016 – 2 Ca 293/16 HBS – auf den Seiten 2 bis 8 Bezug genommen.

3

Das Arbeitsgericht Magdeburg hat der Klage durch sein vorgenanntes Urteil vom 08.08.2016 stattgegeben. Wegen des Tenors und der Gründe der vorgenannten Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08. August 2016 wird auf dessen Seiten 1 bis 2 und auf dessen Seiten 8 bis 15 verwiesen.

4

Das vollständig abgefasste und mit Rechtsmittelbelehrung versehene vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg wurde der Beklagten am 26. August 2016 zugestellt. Deren Berufungsschrift ist am 30. August 2016 und deren Berufungsbegründung – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. November 2016 – am 28. November 2016 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen.

5

Die Beklagte hat in der Berufungsinstanz vorgetragen, das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg sei rechtsfehlerhaft. Das Arbeitsgericht Magdeburg habe zu Unrecht angenommen, auf das Arbeitsverhältnis seien die aktuellen Entgelttabellen des TVöD gemäß § 15 TVöD anzuwenden. Dies habe das Arbeitsgericht Magdeburg mit einer betrieblichen Übung begründet. Diese Entscheidung halte einer Überprüfung nicht stand und sei zu korrigieren. Der maßgebliche Sachverhalt sei unstreitig. Die Beklagte habe mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di am 31. Januar 2006 einen Haustarifvertrag abgeschlossen, der vom TVöD in verschiedenen Bereichen abweiche. Insbesondere sehe dieser Tarifvertrag besondere – und damit gegenüber dem TVöD speziellere und diesen verdrängende – Regelungen bezüglich der Vergütung vor. Die Tarifvertragsparteien hätten sich dabei auf eine statische Geltung der Entgelttabellen verständigt, die dem Haustarifvertrag als Anlage beigefügt und integraler Bestandteil dieses Tarifwerkes sei.

6

Die hier maßgebliche Tabelle 1 ("Tabelle TVöD") bestehe aus drei Seiten, die jeweils Entgeltbeträge konkret definieren würde. Die Entgelttabelle auf Seite 3 sei mit den Worten "gültig ab 01. Juli 2007" überschrieben. Nach Wortlaut und Systematik des Haustarifvertrages seien die Vergütungssteigerungen abschließend im Haustarifvertrag normiert; eine automatische dynamische Geltung des TVöD sei hiernach ausgeschlossen. Das bestätige auch die Protokollnotiz zum Tarifvertrag. Diese bringe deutlich zum Ausdruck, dass künftige Veränderungen neue Verhandlungen erfordern.

7

Daraus folge, dass eine dynamische Anpassung wie im öffentlichen Dienst gerade nicht gewollt und auch nicht vereinbart worden sei. Deshalb habe die Beklagte auch den Flächentarifvertrag durch Abschluss eines Haustarifvertrages verlassen. Lediglich in schlichter Verkennung des Regelungsgehaltes des Tarifvertrages habe sie, die Beklagte, in der Folgezeit gleichwohl Anpassungen an Tarifsteigerungen des TVöD vorgenommen, nämlich – und das ist unstreitig – acht Tarifsteigerungen in sechs Jahren. Dazu hat die Beklagte ausgeführt, in den Verdienstabrechnungen der Mitarbeiter/innen sei dabei stets ausdrücklich vermerkt worden, dass die Beklagte das Entgelt nach dem Tarifvertrag abrechne und zur Auszahlung bringe. Von (freiwilligen) übertariflichen Leistungen, auf die kein Anspruch bestehe, sei nie die Rede gewesen. Sie habe die klagende Partei auch nicht unterstellen können. Im Gegenteil: In Ermangelung abweichender Anhaltspunkte sei stets davon auszugehen, dass sie, die Beklagte, mit ihren Zahlungen "nur" die bestehenden Ansprüche ihrer Mitarbeiter/innen erfüllen wolle.

8

Das Arbeitsgericht Magdeburg habe sich dagegen auf den Standpunkt gestellt, auf das Arbeitsverhältnis sei die jeweils aktuelle Entgelttabelle des TVöD anzuwenden. Dabei gehe dieses von einer Dynamik der Entgelttabelle aus. Dieses Ergebnis wolle das Gericht aus einer betrieblichen Übung ableiten. Es verkenne insoweit, dass für eine betriebliche Übung kein Raum sei, da hier ein Fall eines reinen Normenvollzuges (Tarifvertrag) vorliege. Die Beklagte sei lediglich einer schlichten Fehlvorstellung über den Normeninhalt unterlegen gewesen. Sie habe stets alleine gemäß Tariflohn leisten wollen, den sie aufgrund der Geltung des sie bindenden Tarifvertrages schulde. Sie habe den Regelungsgehalt des Tarifvertrages schlicht und einfach verkannt. Der Umstand, dass dies erst Jahre später aufgefallen sei, stehe dem nicht entgegen. Auch hierdurch sei keine Grundlage für eine "Vertrauenshaftung" der Arbeitgeberin und eine zukünftige Fortsetzung einer fehlenden Normenanwendung geschaffen worden.

9

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf deren Berufungsbegründung vom 28. November 2016 und deren Schriftsatz vom 19. Oktober 2017 Bezug genommen.

10

Hinsichtlich der von den Parteien in der Berufungsverhandlung am 23. Oktober 2017 gestellten Anträge wird auf die Seite 2 des diesbezüglichen Protokolls verwiesen.

11

Bezüglich des zweitinstanzlichen Vorbringens der klagenden Partei wird auf deren Berufungserwiderung vom 06. Januar 2017 Bezug genommen. Dort wird u. a. ausgeführt, zwischen den Parteien sei unstreitig, dass der Haustarif auf das hier in Rede stehende Arbeitsverhältnis Anwendung finde. Wenn für die Entlohnung dieser Haustarif Bezug nehme auf den TVöD-VKA, so richte sich die Entlohnung nach den Regelungen dieses Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst. Das Grundgehalt werde mit "Entgelt-TVöD" bezeichnet. Das beziehe sich zwar lediglich auf das Grundgehalt, sei aber sinnvoll, da gerade im Krankenhausbetrieb der Beklagten diverse weitere Zulagen gezahlt würden. Der Haustarifvertrag sei so auszulegen, dass sich der Anspruch auf die geltend gemachten Gehaltserhöhungen unmittelbar aus diesem ergeben.

12

Nach § 3 Abs. 1 Ziffer c) Haustarifvertrag diene die Inbezugnahme auf die Anlage 1 "Tabelle TVöD" und die Anlage 2 "Kr-Anwendungstabelle" einzig und alleine dem Zweck, dass sowohl für den Allgemeinen Teil als auch für die Krankenhäuser die entsprechenden Tabellen Anwendung finden sollen. Diese Inbezugnahme habe nur klarstellenden Charakter, welche Tabellen grundsätzlich gemeint seien. Es sei dagegen völlig falsch, dass seinerzeit gerade wegen einer gewollten statischen Verweisung ein Haustarif geschlossen worden sei. Dem sei nicht so gewesen. Der Tarifvertrag habe den Sinn gehabt, das gesamte Niveau der Gehälter prozentual herabzusenken und einen Kündigungsschutz einzubauen. Des Weiteren sei es darum gegangen, die Arbeitszeit auf 35 Stunden herabzusenken. Zu keinem Zeitpunkt sei bei den Tarifvertragsverhandlungen darüber gesprochen worden, dass es eine statische Gehaltstabelle geben solle. Wenn dem so gewesen wäre, so hätte die Beklagte doch sofort – weil es ja angeblich darum ging – die nächste anstehende Tariferhöhung bereits ausgesetzt. Aber gleich am 01.01.2008, also weniger als zwei Jahre später, sei die Tariferhöhung an die Mitarbeiter der Beklagten weitergegeben worden.

13

Auch die Regelung des § 3 Abs. 4 des Haustarifvertrages lasse auf eine dynamische Verweisung schließen. In dieser Regelung werde ausdrücklich auf die jeweiligen Tarifvorschriften für Beschäftigte des Regelungsbereiches West Bezug genommen. Insoweit bezieht sich die klagende Partei auf das Urteil des BAG vom 18. Mai 2011 – 5 AZR 250/10. Die Regelungen des § 3 Abs. 4 des Haustarifvertrages würden somit – so die klagende Partei weiter – die Auslegung des § Abs. 1 Ziffer c) des Haustarifvertrages klarstellen. Ansonsten hätte es in § 3 Abs. 4 des Haustarifvertrages heißen müssen, dass die jeweiligen Prozentsätze auf die Anlage 1 bzw. Anlage 2 nach § 3 Abs. 1 Ziffer c) Haustarif anzuwenden wären. Genau dieses hätten die Tarifvertragsparteien jedoch nicht vereinbart und damit zum Ausdruck gebracht, dass sie in § 3 Abs. 1 Ziffer c) Haustarifvertrag keine statische Verweisung schaffen, sondern lediglich eine Klarstellung erreichen wollten, welche Entgelttabellen heranzuziehen sind.

14

Im Übrigen laute hier die betriebliche Übung, dass obligatorisch die Gehaltsanpassungen nach den jeweiligen Tarifabschlüssen für den Tarifbereich TVöD-VKA an die Beschäftigten der Beklagten weitergegeben werden. Ohne jede Bedingung und ohne jede Einschränkungen seien diese Gehaltsanpassungen von der Beklagten an ihre Beschäftigten weitergegeben worden. Im Rahmen dieser betrieblichen Übung komme es einzig auf den Horizont auf Arbeitnehmerseite an, wie diese das Verhalten des Arbeitgebers verstehen durften. Sofern also die Beklagte behaupte, sie habe lediglich rechtsirrig den Haustarifvertrag vollzogen, so werde dieses ausdrücklich bestritten. Darauf komme es jedoch nicht an, weil zwischen den Parteien keine Geltung des Tarifvertrages nach § 4 Abs. 1 TVG bestehen würde. Die Klägerin sei keinem Zeitpunkt Gewerkschaftsmitglied gewesen. Der Haustarifvertrag gelte deshalb zwischen den Parteien lediglich durch einzelvertragliche Inbezugnahme bzw. gerade aufgrund der betrieblichen Übung. Der hier streitgegenständliche Haustarifvertrag sei seit seinem Bestehen im Jahre 2006 auf das hier vorliegende Arbeitsverhältnis ständig angewendet worden. Für die klagende Partei gehe es also nicht um die Frage der Auslegung des Haustarifvertrages, sondern vielmehr um die Frage der Auslegung ihres Arbeitsvertrages.

15

In einem Zeitraum von gut zehn Jahren habe es zwei Arten von Anpassungen für die gesamte Belegschaft, also für über 600 Beschäftigte, bei der Beklagten gegeben, nämlich zum einen an das Westgehalt und zum anderen acht Gehaltstabellenerhöhungen. Die klagende Partei habe das Verhalten der Beklagten ungeachtet der bestehenden Anspruchsgrundlagen immer so gedeutet, dass diese sich zukünftig auch entsprechend verpflichten wollte, Gehaltserhöhungen zu leisten. Der Arbeitsvertrag sei nur geändert worden, weil sich die Regelungen des Haustarifvertrages alleine auf der individual-arbeitsvertraglichen Ebene befinden würden. Es sei bereits hervorgehoben und deshalb ausdrücklich bestritten worden, dass die Behauptung der Beklagten richtig sei, der Haustarifvertrag sei nur geschlossen worden, um gerade den Erhöhungen des TVöD zu "entfliehen". Wäre dem tatsächlich so gewesen, hätten die damaligen Akteure auf Arbeitgeberseite sicherlich darauf geachtet, dass eine nach ihrer Rechtsauffassung nicht geschuldete Gehaltserhöhung auch nicht ausbezahlt wird. Die nunmehr in der Berufungsbegründung aufgestellte Behauptung der Beklagten könne nur eine Schutzbehauptung sein.

16

Nach der Rechtsprechung des BAG (z. B. Urteil vom 19.10.2011 – 5 AZR 359/10) betreffend tarifliche Lohnerhöhungen durch betriebliche Übung eines nicht tarifgebundenen Arbeitgebers würden deutliche Anhaltspunkte in deren Verhalten verlangt, wonach diese auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariflohnerhöhungen übernehmen wollen. Dieses Erfordernis liege hier vor. Die Weitergabe von acht aufeinander folgenden Tariflohnerhöhungen sei dafür ein deutliches Anzeichen, zumal insoweit an die gesamte Belegschaft geleistet worden sei.

17

Es liege auch keine Schlechterstellung der Beklagten gegenüber einem Arbeitgeber vor, der Mitglied des VKA sei. Letzterer könne durch Austritt aus dem Arbeitgeberverband zumindest zukünftige Gehaltserhöhungen umgehen, was einer Arbeitgeberin, die die Tarifdynamik durch betriebliche Übung übernommen habe, nicht möglich sei. Die Beklagte sei hier durch den Abschluss des Haustarifvertrages nicht schlechter gestellt. Wäre die Tarifdynamik Bestandteil des Haustarifvertrages, könne sie diesem ebenfalls nicht durch Austritt entkommen bzw. entfliehen. Die Beklagte sei die einzige Tarifvertragspartei auf Arbeitgeberseite. Der Tarifvertrag könne lediglich gekündigt werden, das habe allerdings die Folge der Nachwirkung.

18

Schließlich setzte sich die Beklagte in keiner Weise mit der Frage des Mitbestimmungsrechts auseinander. Gerade weil die Erhöhung der Tabellenentgelte tariflich nicht geregelt sein solle, bestünden keine betrieblichen Tarifregelungen über die Frage von Gehaltserhöhungen. Für eine Vielzahl von Beschäftigten, nämlich über 600 Personen, sei ein Gesamtvolumen bei jeder Gehaltserhöhung ausgeschüttet worden. Der hierfür gefundene Schlüssel, nämlich die Anwendung der prozentualen Erhöhung der Tabellenentgelte entsprechend der Regelung der Tarifvertragsparteien des TVöD-VKA, stelle mithin einen Entlohnungsgrundsatz dar. Es gehe nicht um die Frage, dass überhaupt eine Gehaltserhöhung in einer bestimmten Höhe gezahlt werde. Von mitbestimmungsrechtlicher Relevanz sei lediglich die Frage, mit welchem Schlüssel das allmonatliche Gesamtvolumen der Gehaltserhöhung auf die einzelnen Mitarbeiter verteilt werde. Dieser Schlüssel sei von der Beklagten alleine, ohne Beteiligung des bei ihr bestehenden Betriebsrates, aufgestellt worden. Die Frage, ob eine Gehaltserhöhung bezahlt werde, habe alleine bei der Beklagten gelegen. Wie dieses Gesamtvolumen allerdings verteilt werde, wäre mitbestimmungspflichtig gewesen. Mithin sei die Abänderung dieses Entlohnungsgrundsatzes auch mitbestimmungspflichtig. Diese Zustimmung sei seitens der Beklagten nicht vorgetragen worden und liege auch nicht vor.

19

Zu diesem Schriftsatz der klagenden Partei vom 06.01.2017 hat die Beklagte nochmals mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2017 Stellung genommen. Dort hat sich die Beklagte u. a. auf den Standpunkt gestellt, die dem Haustarifvertrag beigefügten Tabellen seien nicht lediglich klarstellend, sondern hätten vielmehr konstitutiven Charakter. Die vorgesehenen – zeitlich befristeten – Gehaltsentwicklungen seien im Haustarifvertrag bzw. in dessen Tabellen im Einzelnen abschließend geregelt worden. Richtig sei, dass die Beklagte bzw. die Krankenhausleitung entgegen den Regelungen des Haustarifvertrages im Jahr 2008 Erhöhungen des TVöD an die Mitarbeiter der Beklagten weitergegeben habe. Aus diesem Umstand – die bei ihr verantwortlichen Personen seien an den Haustarifvertragsverhandlungen nicht beteiligt gewesen und hätten sich nicht die Mühe gemacht, den Inhalt des Haustarifvertrages nachzuvollziehen – folge indes keine Änderung des Haustarifvertrages. Die Beklagte sei schlicht und ergreifend einem Irrtum unterlegen und habe demzufolge rechtsirrig Zahlungen geleistet. § 3 Abs. 1 Ziffer c) des Haustarifvertrages sei eindeutig. § 3 Abs. 4 des Haustarifvertrages regele die Ermittlung des Bemessungssatz und bestimme auch sehr klar, dass dieser seit dem 01. Juli 2007 97 Prozent betrage. Dies beziehe sich selbstverständlich auf die dem Haustarifvertrag beigefügten Tabellen, die konkrete (fixe) Beträge aufweisen würden.

20

Auch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BAG habe es hier eines ausdrücklichen Ausschlusses weiterer Steigerungen des Bemessungssatzes während der Laufzeit des Haustarifvertrages nicht bedurft. Es genüge, dass weitere Steigerungen während der Laufzeit dieses Haustarifvertrages nicht vorgesehen seien. Sowohl der Prozentsatz als auch die Steigerungen der konkreten Vergütung seien in § 3 des Haustarifvertrages als Ausnahme genannt und abschließend. In den Tabellen werde neben dem Prozentsatz auch ausdrücklich – insoweit klarstellend und zum Zweck der Transparenz – der sich aus dem maßgeblichen Prozentsatz für die jeweilige Entgeltgruppe ergebende Wert ausgeführt.

21

Die klagende Partei könne ihr Begehren nicht auf eine betriebliche Übung stützen. Es sei einem irrtumsbedingten Verhalten wie hier im streitigen Falle immanent, dass die Gehaltsanpassungen ohne Einschränkungen erfolgt seien. Die Beklagte sei ja gerade von einer bestehenden Verpflichtung ausgegangen. Für den verständigen Beschäftigten – auf dessen Sichtweise abzustellen sei – sei aufgrund der Gehaltsmitteilungen ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die Beklagte nicht einen vermeintlichen vertraglichen Anspruch erfüllen und keine weitergehenden Leistungen "on top" erbringen wollte. Es sei auch völlig unerheblich, über welchen Zeitraum hinweg respektive gegenüber welcher Mitarbeiterzahl die rechtsirrigen Anpassungen vorgenommen worden seien. Deutliche Anhaltspunkte im Verhalten der Arbeitgeberin dahingehend, ohne vertragliche Verpflichtung – mithin freiwillig – Gehaltsanpassungen vorzunehmen, würden offenkundig nicht vorliegen.

22

Im Übrigen bezieht sich die Beklagte auf das Urteil des BAG vom 24. Februar 2016 – 4 AZR 992/13 – zur betrieblichen Übung. Mithin – so die Beklagte weiter – seien in dem Haustarifvertrag aus dem Jahre 2006 die Vergütung der Beschäftigten sowie deren (befristete) Entwicklung abschließend geregelt worden. Diese ergebe sich aus den angefügten Tabellen, die bereits in ihrer Überschrift den zeitlichen Geltungsbereich definieren. Ein Rückgriff auf das Tarifrecht des Flächentarifvertrages (hier TVöD) scheide nach alledem aus. Die Beklagte habe sich von dieser Entwicklung gerade abkoppeln wollen und sich nicht den Verhandlungsergebnissen Dritter unterwerfen wollen.

23

Dass sich die Beklagte nicht mit Fragen des Mitbestimmungsrechts auseinandergesetzt habe, liege darin begründet, dass die Ausführungen der klagenden Partei insoweit - vorsichtig formuliert – einigermaßen skurril seien. Für ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates – die klagende Partei meine wohl § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG – bestehe kein Raum. Die Beklagte habe selbstredend keine Entgeltordnung jenseits des Tarifvertrages eingeführt, sondern – wenn auch auf fehlerhafte Art und Weise – den Tarifvertrag angewendet.

24

In dieser und den 15 parallelen Berufungsverhandlungen am 23. Oktober 2017 ergab sich, dass es insgesamt rund 400 Gerichtsverfahren gibt, die vom Ausgang der an diesem Tage entschiedenen Rechtsstreite abhängen. Die Arbeitgeberin hat dort ausgeführt, es sei seinerzeit beabsichtigt gewesen, für immer eine Abkoppelung vom TVöD herbeizuführen und nicht dauerhaft unter Bezug auf diesen eine Anpassung vorzunehmen. Die acht Erhöhungen über mindestens sechs Jahre beruhten auf einem Irrtum der Lohnbuchhaltung im Zusammenhang mit einer falschen Anwendung des Lohnprogrammes. Dies sei erst durch den Rechtskonsulenten Dr. S in der Konzernzentrale in Z festgestellt bzw. erkannt worden. Auf Befragen des Gerichts ergab sich, dass es zwar ein Controlling gibt, aber auch dieses die fehlerhafte Umsetzung aufgrund der falschen Programmierung nicht habe feststellen können.

25

Die Prozessbevollmächtigten der klagenden Parteien haben am 23. Oktober 2017 jeweils ausgeführt, es sei nicht erkennbar (gewesen), dass hier mit dem Abschluss des Haustarifvertrages keine dynamische Erhöhung verbunden gewesen sei. Im Übrigen sei der Haustarifvertrag als Basis bzw. Grund der vorgenommenen Zahlungen auf Seiten der Beschäftigten überhaupt nicht erkennbar gewesen. Es sei schon erstaunlich, dass bei so vielen Beschäftigten sozusagen Unsummen ohne Rechtsgrund über Jahre zu viel gezahlt worden seien und dies seitens der Arbeitgeberin trotz deren punktgenauen Zahlungen plötzlich als angebliche irrtümliche Leistung qualifiziert werde. Somit sei es zweifelhaft bzw. rechtsmissbräuchlich, wenn sich die Arbeitgeberin nunmehr auf einen Irrtum berufe.

26

Abgesehen stehe der Haustarifvertrag mit den vorgenommenen Zahlungen in Einklang. Selbst wenn das jedoch nicht der Fall sei, habe die Arbeitgeberin jahrelang wiederholt freiwillig über den Haustarifvertrag hinaus geleistet und könne sich deshalb nicht mehr darauf berufen, dass ihr insoweit aufgrund eines Irrtums der notwendige Rechtsbindungswille fehle bzw. den jahrelangen Zahlungen lediglich eine falsche Programmierung innerhalb der Lohnbuchhaltung zugrunde liege. Auch das sei wenig glaubhaft. Ebenso wenig könne davon ausgegangen werden, dass diese Zahlungen dem bei Privatkliniken stets sehr präzisen Controlling tatsächlich über viele Jahre tatsächlich entgangen seien.

Entscheidungsgründe

I.

27

Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist ohne weiteres zulässig.

II.

28

Die Berufung der Beklagten gegen das oben im Tenor näher bezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08. August 2016 ist jedoch unbegründet und war demgemäß kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Klage ist begründet. Auch unter Berücksichtigung des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien beruht diese Entscheidung kurz zusammengefasst in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf folgenden Erwägungen:

1.

29

Unter Beteiligung von A-Kliniken im Lande Sachsen-Anhalt ist es in letzter Zeit bereits zu Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt gekommen, bei denen es um verschiedene Tarifwerke, deren Geltung und deren jeweilige Auslegung ging, nämlich u.a. die Urteile des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt

30

- vom 17. Mai 2016 – 6 Sa 66/15

31

- vom 17. Januar 2017 – 3 Sa 270/14

32

- vom 14. August 2017 – 6 Sa 216/15 und

33

- vom 14. August 2017 – 6 Sa 221/15.

34

Im vorliegenden Streitfall geht es aufgrund streitiger Auslegung des Haustarifvertrages um die Frage, ob eine dynamische Erhöhung der Vergütung vorzunehmen ist.

35

Die klagende Partei ist beschäftigt im früheren "St-Krankenhauses H", danach im "A Klinikum St H" und nunmehr bei der beklagten "A Klinikum H GmbH".

2.

36

Die klagende Partei hat zunächst eine Vergütung gemäß dem BAT und anschließend nach dem TVöD erhalten. Dementsprechend ist das vorliegende Arbeitsverhältnis jedenfalls zuletzt auf die A Klinikum H GmbH übergegangen. Mit einer Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 35 Stunden und einer dementsprechenden Gehaltsreduzierung hat sich die klagende Partei einverstanden erklärt. Darüber hinaus ist es nicht zu einer individualrechtlichen einvernehmlichen Änderung des Arbeitsverhältnisses oder einer diesbezüglichen Änderungskündigung gekommen.

a)

37

In der Lohn-/Gehaltsabrechnung für den Monat Oktober 2014 heißt es u. a.:

38

Bezeichnung

 Lohnart

SSZA   

        

TVVR   

        

Sonderzahlung

1002   

 LLJB 

Strukturausgleich

1004   

 LLJB 

Entgelt TVöD

1006   

LLJB   

Infektionszulage BAT

 2040 

LLJB   

Gesamtbruttobetrag

                 

39

Auf den Haustarifvertrag vom 31. Januar 2006 wird in dieser Lohn-/Gehaltsabrechnung nicht erkennbar Bezug genommen.

b)

40

Nach Abschluss dieses Haustarifvertrages am 31. Januar 2006 hat die Beklagte unstreitig über einen Zeitraum von mindestens sechs Jahren bei der klagenden Partei mindestens acht Anpassungen des Arbeitsentgeltes an die entsprechenden Tarifsteigerungen des TVöD jeweils pünktlich vorgenommen.

3.

41

Zu diesen Anpassungen der Arbeitsvergütung der klagenden Partei an die Tarifsteigerungen des TVöD ist die Beklagte auch unter Berücksichtigung des Haustarifvertrages vom 31. Januar 2006 weiterhin verpflichtet. Die Berufungskammer vermag der Auffassung der Beklagten nicht zu folgen, wonach es nach diesem Haustarifvertrag nicht dauerhaft zu einer dynamischen Anpassung der Vergütung der klagenden Partei kommen sollte. Im Einzelnen:

a)

42

Der normative Teil eines Tarifvertrages ist nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil diese Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages und gegebenenfalls die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt der derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (ständige Rechtsprechung des BAG; vgl. BAG vom 12. August 2015 – 7 AZR 592/13 – Rn. 15 und LAG Sachsen-Anhalt vom 17. Mai 2016 – 6 Sa 66/15 auf den Seiten 10 und 11).

b)

43

In § 3 des Haustarifvertrages vom 31. Januar 2006 heißt es unter "Besondere Regelung" in Abs. (1) c):

44

"Die Beschäftigten erhalten abweichend von § 15 Abs. 2 Entgelt nach der Anlage 1 "Tabelle TVöD" oder Anlage 2 "Kr-Anwendungstabelle".

45

In diesem Zusammenhang nimmt die Beklagte Bezug auf Blatt 3 der Anlage 1 zu diesem Haustarifvertrag vom 31. Januar 2006. Dort heißt es als Überschrift (auf Seite 8 des vorgenannten Haustarifvertrages vom 31. Januar 2006):

46

Tabelle TVöD

47

- Bemessungssatz Tarifgebiet Ost 97 v. H. – (gültig ab 1. Juli 2007)

48

Aus dieser Formulierung … (gültig ab 01. Juli 2007) leitet die Beklagte ab, dass Anpassungen an mögliche Entgeltentwicklungen des TVöD nach dem 01. Juli 2007, welche hier von der klagenden Partei geltend gemacht werden, gemäß dem Wortlaut des vorgenannten Haustarifvertrages vom 31. Januar 2006 nicht vorgesehen sind.

c)

49

Nach Auffassung der Berufungskammer gibt diese Entgelttabelle jedoch lediglich deklaratorisch wieder, welchen Stand die Entgelttabelle des TVöD mit einem Bemessungssatz Tarifgebiet Ost von 97 Prozent mit Gültigkeit ab 01. Juli 2007 hat. Dieser Tabelle kann dagegen nicht entnommen werden, dass es bei diesem Grundentgelt und dessen Entwicklungsstufen statisch bis zum Abschluss eines neuen Haustarifvertrages oder gar zum Eintritt in das Rentenalter verbleiben soll. Vielmehr wird im vorgenannten Haustarifvertrag vom 31. Januar 2006 zunächst in § 2 auf die anzuwendenden Tarifverträge Bezug genommen. Die Anlage 1 Blatt 3 zum Haustarifvertrag vom 31. Januar 2006 macht im Rahmen der besonderen Regelungen des § 3 dieses Haustarifvertrages in erster Linie deshalb Sinn, weil die Arbeitszeit auf 35 Stunden wöchentlich abgesenkt wurde und damit auch eine Absenkung der Arbeitsvergütung einherging. In dem gesamten Haustarifvertrag vom 31. Januar 2006 gibt es dagegen keinerlei Hinweise darauf, dass die Tarifvertragsparteien durch den Abschluss dieses Haustarifvertrages am 31. Januar 2006 für die Zukunft jedwede dynamische Vergütungsanpassungen überhaupt behandeln und sodann als Ergebnis dieser Verhandlungen als künftig statisch festlegen wollten.

aa)

50

Vielmehr ging es A seinerzeit bei der Übernahme verschiedener Kliniken in Sachsen-Anhalt vordringlich darum, eine Arbeitszeit- und Vergütungskürzung zu erreichen. Dieses Ziel ist seinerzeit mit Regelungsabreden erreicht worden, die A mit den einzelnen Betriebsräten geschlossen hat. Mit den Beschäftigten wurden anschließend auf der Grundlage dieser Regelungsabreden nicht nur befristet, sondern weitgehend unbefristet Reduzierungen der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart, wobei gleichzeitig die Vergütung abgesenkt wurde. Dafür erhielten die Beschäftigten befristet Sonderkündigungsschutz und zusätzlich freie Tage pro Jahr (vgl. dazu den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 01. Juli 2015 – 4 TaBV 32/13, der vom Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 07. Juni 2017 – 1 ABR 32/15 – abgeändert wurde, weil es – so das BAG – an der Wiederholungsgefahr in Bezug auf die getroffenen Regelungsabreden fehlt). Diese Regelungsabreden bezogen sich auf die Änderung bestehender Arbeitsverträge (vgl. dazu die Seiten 5 bis 8 des abgeänderten Beschlusses des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 01.07.2015 – 4 TaBV 32/13). Den dortigen Texten ist jedoch zu entnehmen, dass es den dort beteiligten A Kliniken in Sachsen-Anhalt seinerzeit auch darum ging, eine Anpassung der Arbeitsvergütungen an mögliche Entgeltentwicklungen des TVöD nach dem 01. Juli 2007 ganz zu verhindern oder einzuschränken.

bb)

51

Wenn die Tarifvertragsparteien dies hier zu einem späteren Zeitpunkt durch den Haustarifvertrag vom 31. Januar 2006 beabsichtigt hätten, so hätten sie sich sicher nicht darauf beschränkt, dieses nur in seiner Entgelttabelle zu dokumentieren. Vielmehr sind solch bedeutsame Regelungen regelmäßig im Text eines diesbezüglichen Tarifvertrages ausdrücklich zu finden. Nach alledem stellt sich die diesbezügliche Tabelle (Anlage 1, Blatt 3 zum Haustarifvertrag vom 31. Januar 2006) lediglich als deklaratorisch dar, um zu erkennen, welchen Stand die Grundentgelte in den verschiedenen Entgeltgruppen nebst den verschiedenen Entgeltstufen mit Stand 01. Juli 2007 haben. Demgegenüber ist dieser Tabelle nicht zu entnehmen, dass es im Geltungsbereich des Haustarifvertrages vom 31. Januar 2006 erst dann zu weiteren künftigen Entgelterhöhungen nach dem 01. Juli 2007 kommen soll, wenn die Tarifvertragsparteien dieses Haustarifvertrages das künftig jeweils vereinbaren.

cc)

52

Außerdem findet sich hier die eindeutig formulierte Absicht der Tarifvertragsparteien, das Vergütungsniveau auf ratierlichem Wege an das West-Niveau anzupassen. Dazu sind hier entsprechende Anhebungen vorgesehen worden. Diese Anhebungen würden aber zunichte gemacht, wenn die Tarifvertragsparteien die Absicht gehabt hätten, im Geltungsbereich des Haustarifvertrages vom 31. Januar 2006 keine dynamischen Anpassungen an weitere Entgeltentwicklungen des TVöD nach dem 01. Juli 2007 vorzunehmen, während dieses demgegenüber im Tarifgebiet West weiterhin erfolgt. Eine nur statische Erhöhung des Bemessungssatzes auf 97 Prozent aufgrund des Haustarifvertrages gegenüber dynamischen Regelungen im Tarifgebiet West würde nach kürzester Zeit dazu führen, dass die Vergütungen im Geltungsbereich dieses Haustarifvertrages vom 31. Januar 2006 im Vergleich zu den aktuellen dynamisch erhöhten Arbeitsvergütungen im Tarifgebiet West alsbald mehr als deutlich auf unter 97 Prozent absinken würden.

d)

53

Alledem entspricht auch die mehr als sechs Jahre lange betriebliche Praxis durch die Beklagte. In einem Zeitraum von rund sechs Jahren hat sie acht Tariflohnerhöhungen gemäß dem TVöD jeweils pünktlich an die Beschäftigten ihres Klinikums in H weitergegeben. Diese praktische Handhabung spricht klare Worte. Es ist nur schwerlich anzunehmen, dass diese klare Handhabung nach dem Vortrag der Beklagten lediglich auf einem "Rechtsirrtum" beruhte, der erst dadurch beseitigt wurde, dass sich der Rechtskonsulent Dr. S aus der A-Zentrale in Z eingeschaltet und nach einer juristischen Überprüfung des Haustarifvertrages vom 31. Januar 2006 zu dem Ergebnis gelangt ist, dass hier eine fehlerhafte Handhabung vorgelegen hat. Dessen Sicht der Dinge vermag sich die Berufungskammer – wie dargelegt – ohnehin nicht anzuschließen. Im Übrigen ist es für die Berufungskammer nur schwer nachvollziehbar, dass das Controlling der Beklagten über sechs Jahre diesbezüglich gänzlich versagt haben sollte bzw. die acht Tariflohnerhöhungen in sechs Jahren nur infolge einer fehlerhaften Handhabung des Computerprogramms erfolgt sind. Kliniken verfügen in der Regel über gut funktionierende Controlling-Systeme, die gegebenenfalls auch unzutreffende EDV-Programme erkennen, soweit dadurch nicht notwendige finanzielle Ausgaben veranlasst werden. Letztendlich verbleibt der Befund, dass sich offenbar die A Konzernzentrale in Z erst viele Jahre nach dem Inkrafttreten des Haustarifvertrages im Jahre 2006 aufgrund einer späteren rechtlichen Prüfung durch ihren Rechtskonsulenten Dr. S auf den Standpunkt gestellt hat, aus den Vergütungstabellen des Tarifvertrages vom 31. Januar 2006 sei herzuleiten, dass die dort festgelegte Vergütung konkret beziffert und damit statisch festgelegt sei, weshalb eine Anpassung an mögliche Entgeltentwicklungen des TVöD nach dem 01. Juli 2007 nicht vorgesehen sei. Diese neuerliche Auslegung entspricht zum einen nicht der mindestens sechs Jahre gehandhabten betrieblichen Praxis mit acht – jeweils pünktlich erfolgten - Tariflohnerhöhungen. Zum anderen vermag die Berufungskammer dieser Auslegung – wie im Einzelnen dargestellt – nicht beizutreten.

4.

54

Dementsprechend ist hier jedenfalls auch eine entsprechende Anpassungspraxis aufgrund betrieblicher Übung gegeben. Auch unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG vom 19.10. 2011 – 5 AZR 359/10 – ist hiervon auszugehen. Es gibt hier nämlich im Verhalten der beklagten Arbeitgeberin jedenfalls hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass diese in Bezug auf die klagende Partei die Tariflohnerhöhungen des TVöD dauerhaft übernehmen wollte. Acht Vergütungsanpassungen in sechs Jahren ohne jeden Vorbehalt zeigen dieses mehr als deutlich. Sie zeugen von einer eindeutig gelebten und geübten entsprechenden Vertragspraxis. Hierbei sind jeweils keinerlei Vorbehalte gemacht worden und auch jeweils keinerlei Bezugnahmen auf den Haustarifvertrag vom 31. Januar 2006 erfolgt. Der Inhalt dieser betrieblichen Übung lautet, dass die jeweilige Vertragsvergütung nach dem 01. Juli 2007 jeweils entsprechend den Vergütungssteigerungen nach dem TVöD angepasst wird. Gemäß § 151 BGB war es dabei nicht erforderlich, dass die klagende Partei sich damit jeweils ausdrücklich einverstanden erklärt. Aufgrund dieser ganz einvernehmlichen betrieblichen Übung ist der einzelvertragliche Inhalt des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses jedenfalls dementsprechend angepasst worden, soweit ein diesbezüglicher Anpassungsanspruch der klagenden Partei – wie dargelegt - nicht ohnehin bereits bestanden hat.

5.

55

Somit kann dahinstehen, ob die Parteien sich hier aufgrund der ganz einvernehmlichen Anpassungspraxis (über sechs Jahre mit acht Erhöhungen) außerdem bei verständiger Würdigung durch entsprechende rechtsgeschäftliche Vertragsänderung darauf verständigt haben, dass diese regelmäßigen Vergütungsanpassungen entsprechend dem TVöD auch jeweils individueller Bestandteil des dahingehend geänderten Arbeitsvertrages werden.

56

Nach alledem war wie erkannt zu entscheiden.

III.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

58

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 23. Okt. 2017 - 4 Sa 293/16

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Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 28. Januar 2010 - 7 Sa 166/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Bemessungssatz der tariflichen Vergütung.

2

Die Klägerin ist seit 1977 als Krankenschwester bei der Beklagten bzw. früheren Trägern des Krankenhauses beschäftigt. Seit dem 1. Januar 2008 ist sie Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di).

3

Die Beklagte schloss mit ver.di am 31. Januar 2006 mit Wirkung zum 1. März 2006 einen erstmals zum 31. Dezember 2010 kündbaren Haustarifvertrag (im Folgenden: HausTV). Dieser lautet auszugsweise:

        

㤠1

        

Geltungsbereich

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeits- bzw. Berufsausbildungsverhältnisse der

                 

a)    

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - nachfolgend Beschäftigte genannt -, die im A Klinikum S tätig sind,

        

...     

                 
        

§ 2

        

Anzuwendende Tarifverträge

        

(1)     

Folgende zwischen der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und der ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) - Bundesvorstand - abgeschlossene Tarifverträge des öffentlichen Dienstes in der jeweils geltenden Fassung finden Anwendung auf die Arbeits- bzw. Berufsausbildungsverhältnisse der von § 1 Abs. 1 erfassten Personen unter Beachtung der in § 3 vereinbarten Maßgaben:

                 

a)    

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) vom 13. September 2005,

                 

b)    

Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) - Besonderer Teil Krankenhäuser - (BT-K) vom 13. September 2005,

                 

c)    

Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13. September 2005,

                 

...     

        
        

(2)     

Wird in den im Absatz 1 genannten Tarifverträgen auf Vorschriften anderer Tarifverträge verwiesen, gelten diese, soweit in diesem Tarifvertrag keine abweichenden Regelungen vereinbart sind.

        

...     

        
        

§ 3

        

Besondere Regelungen

        

(1)     

Der Tarifvertrag nach § 2 Abs. 1 Buchstabe a (TVöD) gilt mit folgenden Maßgaben:

                 

a)    

Die regelmäßige Arbeitszeit nach § 6 Abs. 1 Buchstabe b beträgt 35 Stunden wöchentlich.

                 

...     

        
                 

c)    

Die Beschäftigten erhalten abweichend von § 15 Abs. 2 Entgelt nach der Anlage 1 ‚Tabelle TVöD’ oder Anlage 2 ‚Kr-Anwendungstabelle’.

                 

...     

        
        

(2)     

Der Tarifvertrag nach § 2 Abs. 1 Buchstabe b (BT-K) gilt mit folgenden Maßgaben …

        

(3)     

Der Tarifvertrag nach § 2 Abs. 1 Buchstabe c (TVÜ-VKA) gilt mit folgenden Maßgaben:

                 

...     

        
        

(4)     

Für die Beschäftigten gemäß § 1 Abs. 1 beträgt der Bemessungssatz für das Tabellenentgelt und den sonstigen Entgeltbestandteilen der unter § 2 Abs. 1 genannten Tarifverträge 94 v. H. der nach den jeweiligen Tarifvorschriften für Beschäftigte im Bereich der VKA für die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung findenden Beträge.

                 

Dieser Bemessungssatz erhöht sich zum 01. Juli 2006 auf 95,5 v. H. und zum 01. Juli 2007 auf 97 v. H.

        

...“   

4

Dem HausTV sind als Anlage drei „Tabellen TVöD“ angefügt. Die letzte Tabelle weist für die Zeit ab 1. Juli 2007 das Entgelt bei einer 35-Stunden-Woche nach einem „Bemessungssatz Tarifgebiet Ost 9 v.H.“ aus.

5

Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr stehe seit dem 1. Januar 2008 Vergütung nach einem Bemessungssatz von 100 % des Tarifentgelts West zu. § 3 Abs. 4 HausTV habe deklaratorischen Charakter. Er wiederhole nur den Tarifstand bei Abschluss des HausTV und schließe weitere Anhebungen des Bemessungssatzes aufgrund der nach § 2 HausTV anzuwendenden Tarifverträge nicht aus.

6

Die Klägerin hat sinngemäß beantragt

        

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab dem 1. Januar 2008 nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 5 entsprechend der Anlage B zu § 52 Abs. 1 TVöD-BT-K auf der Basis einer 35-Stunden-Woche zu vergüten und die anfallenden monatlichen Bruttonachzahlungsbeträge ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz zu verzinsen.

7

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, § 3 Abs. 4 HausTV sei eine konstitutive, die Bezugnahmen in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 HausTV einschränkende Regelung. Damit werde der Bemessungssatz für die restliche Laufzeit des HausTV in bewusster Abkopplung von der allgemeinen Tariflage abschließend auf 97 % des Tarifniveaus West festgeschrieben.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren („hilfsweise“ erst für die Zeit ab dem 1. April 2008) weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

10

I. Die Feststellungsklage ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend angenommen, dass § 3 Abs. 4 HausTV den Bemessungssatz für das Tabellenentgelt (und sonstige Entgeltbestandteile) für die restliche Laufzeit des HausTV ab dem 1. Juli 2007 auf 97 % der für das Tarifgebiet West geltenden Beträge festschreibt. Damit hat die Klägerin keinen tariflichen Anspruch auf Vergütung nach einem Bemessungssatz von 100 % des Tarifentgelts West weder seit dem 1. Januar noch seit dem 1. April 2008.

11

1. Dieses Ergebnis kann bereits aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 4 HausTV geschlossen werden, denn ein Bemessungssatz von 100 % ist darin nicht geregelt. Nach § 3 Abs. 4 HausTV betrug für die Beschäftigten iSd. § 1 Abs. 1 HausTV der Bemessungssatz für das Tabellenentgelt (und die sonstigen Entgeltbestandteile der unter § 2 Abs. 1 HausTV genannten Tarifverträge) zunächst 94 % der nach den jeweiligen Tarifvorschriften für Beschäftigte im Bereich der VKA, für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, geltenden Beträge. Dieser Bemessungssatz erhöhte sich zum 1. Juli 2006 auf 95,5 % und zum 1. Juli 2007 auf 97 %. Weitere Steigerungen des Bemessungssatzes, wie sie ein tarifvertraglicher Anspruch vorausgesetzt hätte, sieht § 3 Abs. 4 HausTV nicht vor.

12

2. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang folgt, dass § 3 Abs. 4 HausTV den Bemessungssatz für die restliche Laufzeit des HausTV ab dem 1. Juli 2007 abweichend von der allgemeinen Tariflage auf 97 % der für das Tarifgebiet West geltenden Beträge festschreibt. Ansonsten wäre § 3 Abs. 4 HausTV systematisch falsch eingeordnet, überflüssig und unvollständig. Seine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Gestaltung erklärt sich (allein) daraus, dass er eine umfassende, allen unmittelbar (§ 2 Abs. 1 HausTV) und mittelbar (§ 2 Abs. 2 HausTV) in Bezug genommenen Tarifverträgen vorgehende Regelung enthält.

13

a) § 3 Abs. 4 HausTV beinhaltet eine konstitutive, von der allgemeinen Tariflage abweichende Regelung. Das folgt zum einen aus seiner Einordnung in den mit „Besondere Regelungen“ überschriebenen § 3 HausTV. Zum anderen ergibt sich dies aus § 2 Abs. 1 HausTV. Danach finden die dort in Bezug genommenen Tarifverträge nur „unter Beachtung der in § 3 vereinbarten Maßgaben“ Anwendung. Es wird auf § 3 HausTV in Gänze und nicht bloß auf dessen Absätze 1 bis 3 verwiesen. Damit muss auch § 3 Abs. 4 HausTV eine „Maßgabe“ enthalten. Dem entspricht es, dass sich auch sonst an keiner Stelle des HausTV eine reine Wiedergabe der allgemeinen Tariflage findet.

14

b) Die „Maßgabe“ bzw. von der allgemeinen Tariflage abweichende und damit - im Sinne der Überschrift - „besondere“ Regelung in § 3 Abs. 4 HausTV kann nur in einer Festschreibung des Bemessungssatzes für die restliche Laufzeit des HausTV ab dem 1. Juli 2007 auf 97 % der für das Tarifgebiet West geltenden Beträge liegen. Denn für die Zeit bis zum 1. Juli 2007 erschöpft sich § 3 Abs. 4 HausTV in einer - als solche überflüssigen und nahezu wortgleichen - Wiedergabe der über § 2 Abs. 1 Buchst. a HausTV ohnehin in Bezug genommenen Protokollnotiz Nr. 2 zu § 15 Abs. 1 TVöD in der bei Abschluss des HausTV geltenden Fassung. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass die inhaltlich und formal (vgl. BAG 27. Mai 2008 - 3 AZR 893/06 - Rn. 27 mwN) einer Tarifregelung entsprechende Protokollnotiz „vollwertiger“ Bestandteil des TVöD war. Sie lautete:

        

„Für Beschäftigte im Bereich der VKA, für die die Regelungen des Tarifgebiets Ost Anwendung finden, beträgt der Bemessungssatz für das Tabellenentgelt und die sonstigen Entgeltbestandteile in diesem Tarifvertrag sowie in den diesen Tarifvertrag ergänzenden Tarifverträgen und -regelungen 94 v.H. der nach den jeweiligen Tarifvorschriften für Beschäftigte im Bereich der VKA, für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, geltenden Beträge. Dieser Bemessungssatz erhöht sich zum 1. Juli 2006 auf 95,5 v.H. und zum 1. Juli 2007 auf 97 v. H.“

15

Diese Steigerungen des Bemessungssatzes liegen auch den Faktoren in § 6 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-VKA aF für die Stufenzuordnung der Angestellten und in der Protokollerklärung zu § 7 Abs. 2 bis Abs. 4 TVÜ-VKA aF für die Stufenzuordnung der Arbeiterinnen und Arbeiter zugrunde. Die dort geregelten Erhöhungen des Entgelts der individuellen Zwischenstufe am 1. Juli 2006 um den Faktor 1,01596 sowie am 1. Juli 2007 um den Faktor 1,01571 entsprechen den Anstiegen von 94 % auf 95,5 % bzw. von 95,5 % auf 97 %.

16

c) Gegen die Lesart der Revision spricht weiter, dass § 3 Abs. 4 HausTV als bloß beschreibende Regelung nicht lediglich unter der falschen Überschrift eingeordnet und überflüssig, sondern auch unvollständig wäre. Bei Abschluss des HausTV stand bereits fest, dass der Bemessungssatz nach den dort in Bezug genommenen Tarifverträgen noch während der Mindestlaufzeit des HausTV auf 100 % des Tarifentgelts West anzuheben sein würde. § 2 Abs. 1 Buchst. c HausTV verweist auf den TVÜ-VKA. § 29 TVÜ-VKA aF stellte klar, dass § 3 Abs. 1 Satz 2 des Vergütungstarifvertrags Nr. 7 zum BAT-O für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände(VKA) vom 31. Januar 2003 (im Folgenden: VTV Nr. 7) und § 3 Abs. 1 Satz 2 des Monatslohntarifvertrags Nr. 7 zum BMT-G-O vom 31. Januar 2003 (im Folgenden: LTV Nr. 7) durch das Inkrafttreten des TVÜ-VKA unberührt blieben. Tarifverträge, auf die im TVÜ-VKA verwiesen wird, gelten über § 2 Abs. 2 HausTV auch für Arbeitnehmer der Beklagten, soweit im HausTV keine abweichende Regelung vereinbart ist.

17

§ 3 Abs. 1 Satz 2 VTV Nr. 7 lautete:

        

„Die Anpassung des Bemessungssatzes wird für die Angestellten der Vergütungsgruppen X bis V b und Kr. I bis Kr. VIII bis zum 31. Dezember 2007 und für die übrigen Angestellten bis zum 31. Dezember 2009 abgeschlossen.“

18

§ 3 Abs. 1 Satz 2 LTV Nr. 7 lautete:

        

„Die Anpassung des Bemessungssatzes Ost wird für alle Arbeiter bis zum 31. Dezember 2007 abgeschlossen.“

19

Hätte § 3 Abs. 4 HausTV die schon bei Abschluss des HausTV geltende allgemeine Tariflage beschreiben sollen, hätte er auch die in diesen Bestimmungen niedergelegte, jedenfalls schuldrechtlich wirkende Regelung als „Fahrplan“ iSd. „Spätestens-Regelung“ wiedergeben müssen. In eben diesem beredten Schweigen liegt die - von der Revision vermisste - „abweichende Regelung“ iSv. § 2 Abs. 2 HausTV. Eines ausdrücklichen Ausschlusses weiterer Steigerungen des Bemessungssatzes während der Laufzeit des HausTV bedurfte es nicht. Es genügte, dass keine weitere Steigerung während der Laufzeit des HausTV vorgesehen ist.

20

d) Nach alledem beinhaltet § 3 Abs. 4 HausTV mit der Festschreibung des Bemessungssatzes auf 97 % zugleich eine „Maßgabe“ iSv. § 2 Abs. 1 HausTV für künftige „umsetzende“ Fassungen der dort in Bezug genommenen „Haupttarifverträge“ und eine „abweichende Regelung“ iSv. § 2 Abs. 2 HausTV von dem hiernach sonst als Verweisungstarifverträge Anwendung findenden § 3 Abs. 1 Satz 2 VTV/LTV Nr. 7. Diese Doppelfunktion erklärt, warum die Regelung am Ende des § 3 HausTV eingeordnet worden ist und - anders als die drei vorherigen Absätze - nicht ausdrücklich (nur) eine „Maßgabe“ für einen in der in § 2 Abs. 1 HausTV in Bezug genommenen Tarifverträge vorsieht.

21

II. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Heyn    

        

    Mandrossa    

                 

(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 14. Januar 2010 - 7 Sa 851/09 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, die Vergütung des Klägers entsprechend den Tariflohnerhöhungen des Baugewerbes anzupassen.

2

Der Kläger ist seit 1971 in dem Bauunternehmen der Beklagten als Spezialbaufacharbeiter beschäftigt. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Die Beklagte gehört keiner Tarifvertragspartei an. Sie zahlt dem Kläger einen Stundenlohn von 15,01 Euro brutto, den sie in den Lohnabrechnungen als „TARIFL. + FREIW. ZULAGE“ ausgewiesen hat. Die freiwillige Zulage belief sich in der Zeit von Februar bis Juli 2008 auf 0,00 Euro.

3

Als Ergebnis der Tarifrunde 2005 wurden am 29. Juli 2005 der allgemeinverbindliche Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe (im Folgenden: BRTV-Bau) neu gefasst sowie ein neuer Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme der fünf neuen Länder und des Landes Berlin (Lohntarifvertrag 2005) abgeschlossen. Gemäß § 3 Nr. 1.1 BRTV-Bau verlängerte sich die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit zum 1. Januar 2006 von 39 auf 40 Wochenstunden. Korrespondierend wurden die Tarifstundenlöhne nach § 2 Abs. 2 Lohntarifvertrag 2005 zunächst um 2,5 % herabgesetzt und zum 1. April 2006 wieder um 1,0 % erhöht. Gemäß § 7 Abs. 1 Lohntarifvertrag 2005 war für die Monate September 2005 bis März 2006 ein Festbetrag von jeweils 30,00 Euro zu zahlen.

4

Diese Regelungen setzte auch die Beklagte in ihrem Unternehmen um und informierte die Beschäftigten mit einem undatierten Aushang.

5

§ 2 Abs. 2 des Lohntarifvertrags vom 20. August 2007 (Lohntarifvertrag 2007) sah Lohnerhöhungen mit Wirkung zum 1. Juni 2007 um 3,1 %, zum 1. April 2008 um 1,5 % sowie zum 1. September 2008 um 1,6 % vor. Nach Lohngruppe 4 betrug der Tarifstundenlohn ab dem 1. Juni 2007 14,18 Euro zuzüglich eines Bauzuschlags von 0,83 Euro, mithin 15,01 Euro.

6

Der Kläger hat Vergütungsdifferenzen aus der Nichtweitergabe der zweiten Tariflohnerhöhung für April bis Juli 2008 geltend gemacht und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, ihn nach dem jeweils geltenden Lohntarifvertrag zu vergüten. Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe eine betriebliche Übung begründet, dass sie die im Baugewerbe jeweils vereinbarten Erhöhungen der Tarifentgelte schulde.

7

Der Kläger hat - sinngemäß - beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 166,20 Euro brutto nebst Zinsen zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn nach dem jeweiligen Tarifvertrag zur Regelung der Löhne und Ausbildungsvergütungen im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu entlohnen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie habe zu keiner Zeit zum Ausdruck gebracht, dass sie trotz fehlender Tarifbindung auch die künftige Tariflohnentwicklung übernehmen werde.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Vergütung nach den jeweils gültigen Lohntarifverträgen des Baugewerbes.

11

1. Ein solcher Anspruch besteht nicht aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG), denn die Beklagte ist weder Mitglied des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes e. V. noch des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie e. V. Der Lohntarifvertrag 2007 wurde zudem nicht für allgemeinverbindlich erklärt (§ 5 Abs. 4 TVG) oder kraft Rechtsverordnung (§ 1 Abs. 3a AEntG 2007 bzw. § 7 Abs. 1 AEntG 2009)erstreckt.

12

2. Die Parteien haben eine Anwendung des Lohntarifvertrags 2007 und zukünftiger Lohntarifverträge des Baugewerbes weder vertraglich ausdrücklich vereinbart, noch ist eine betriebliche Übung entstanden, die vertragliche Vergütung jeweils an diesen Lohntarifverträgen auszurichten.

13

a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob der Arbeitnehmer davon ausgehen musste, die Leistung werde nur unter bestimmten Voraussetzungen oder nur für eine bestimmte Zeit gewährt (st. Rspr., vgl. nur BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - zu I 1 der Gründe, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; 13. März 2002 - 5 AZR 755/00 - zu II 1 der Gründe, EzA ZPO § 259 Nr. 1; 3. November 2004 - 5 AZR 73/04 - zu III 1 a der Gründe). Entstehung und Inhalt einer betrieblichen Übung unterliegen der unbeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BAG 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 39, BAGE 118, 360).

14

b) Bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber - wie der Beklagten - wird eine betriebliche Übung der Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet nur entstehen, wenn es deutliche Anhaltspunkte im Verhalten des Arbeitgebers dafür gibt, dass er auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien ausgehandelten Tariflohnerhöhungen übernehmen will (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 -).

15

aa) Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber will sich grundsätzlich nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen. Dies ist gerade Sinn des nicht erfolgten Beitritts zu einem Arbeitgeberverband. Die fehlende Tarifbindung verdeutlicht den Willen des Arbeitgebers, die Erhöhung der Löhne und Gehälter zukünftig nicht ohne Beitrittsprüfung entsprechend der Tarifentwicklung vorzunehmen. Die nicht vorhersehbare Dynamik der Lohnentwicklung und die hierdurch verursachten Personalkosten sprechen grundsätzlich gegen einen objektiv erkennbaren rechtsgeschäftlichen Willen des Arbeitgebers für eine dauerhafte Entgeltanhebung entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet. Mit den in Anlehnung an Tariflohnerhöhungen erfolgenden freiwilligen Lohnsteigerungen entsteht lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Lohns, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Tariflohnerhöhungen weiterzugeben. Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber will seine Entscheidungsfreiheit über die künftige Lohn- und Gehaltsentwicklung behalten. Darin unterscheidet sich dieser Sachverhalt von der betrieblichen Übung bei der Gewährung von Zulagen oder Jahressonderzahlungen. Hierbei entstehen zwar auch weitere Kosten. Diese sind aber statisch und damit vorhersehbar und nicht unüberschaubar dynamisch ausgestaltet (vgl. BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - zu I 2 der Gründe, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37; 13. März 2002 - 5 AZR 755/00 - zu II 2 der Gründe, EzA ZPO § 259 Nr. 1; 3. November 2004 - 5 AZR 73/04 - zu III 1 b der Gründe; 9. Februar 2005 - 5 AZR 284/04 - zu III 3 b der Gründe).

16

bb) Es kommt hinzu, dass der tarifgebundene Arbeitgeber durch Austritt aus dem tarifschließenden Verband die Anwendbarkeit künftiger Tariflohnerhöhungen vermeiden kann (§ 3 Abs. 3 TVG). Eine betriebliche Übung wird bei Tarifbindung des Arbeitgebers allein aufgrund regelmäßiger Erhöhungen nicht entstehen können. Denn es ist anzunehmen, der Arbeitgeber wolle nur den gesetzlichen Verpflichtungen des Tarifvertragsgesetzes Rechnung tragen und seine Arbeitnehmer gleich behandeln. Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber, der sich (zeitweise) wie ein tarifgebundener Arbeitgeber verhält, darf deswegen nicht schlechter stehen als dieser, nämlich auf Dauer ohne Austrittsmöglichkeit (vertraglich) gebunden sein. Das muss der Arbeitnehmer erkennen, falls die Frage der Tarifbindung seines Arbeitgebers überhaupt eine Rolle für ihn spielt. Deshalb darf er in keinem Falle von einer dauerhaften Bindung des Arbeitgebers ausgehen (vgl. BAG 3. November 2004 - 5 AZR 622/03 - zu II 5 der Gründe, AP BGB § 611 Lohnanspruch Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 4; 9. Februar 2005 - 5 AZR 284/04 - zu III 3 b der Gründe).

17

c) Die danach erforderlichen deutlichen Anhaltspunkte für eine dauerhafte Unterwerfung der Beklagten unter die Regelungsmacht der Parteien der Lohntarifverträge fehlen, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat.

18

aa) Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Lohnabrechnungen keine Bedeutung beigemessen.

19

(1) Es ist unerheblich, dass die Beklagte den Stundenlohn in den Lohnabrechnungen als „Tariflohn“ ausgewiesen hat. Lohnabrechnungen geben nur die Höhe der aktuellen Vergütung wieder. Sie dokumentieren lediglich den konkret abgerechneten Lohn, bestimmen aber nicht den Anspruch. Ein weitergehender Erklärungswert über zukünftige Ansprüche kommt ihnen allein aufgrund der Angabe „Tariflohn“ nicht zu (vgl. BAG 3. November 2004 - 5 AZR 622/03 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Lohnanspruch Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 242 Betriebliche Übung Nr. 4; 9. Februar 2005 - 5 AZR 284/04 - zu III 3 c cc der Gründe).

20

(2) Die von der Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen einem „Tariflohn“ und einer „freiwilligen Zulage“ (iHv. 0,00 Euro) spricht ebenfalls nicht für eine betriebliche Übung der Lohnerhöhung gemäß der Tarifentwicklung im Baugewerbe. Diese Unterscheidung macht zwar wegen der fehlenden Tarifbindung der Beklagten wenig Sinn. Sie stellt jedoch kein hinreichendes Indiz für einen entsprechenden objektiv erkennbaren rechtsgeschäftlichen Willen der Beklagten dar, die Vergütung stets am Tariflohn auszurichten (vgl. BAG 16. Januar 2002 - 5 AZR 715/00 - zu I 4 b der Gründe, AP BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 56 = EzA TVG § 4 Tariflohnerhöhung Nr. 37).

21

bb) Es kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass die Beklagte in der Vergangenheit regelmäßig Lohnerhöhungen entsprechend der Tarifentwicklung vorgenommen hat. Die einzelnen Lohnerhöhungen bezogen sich im Zweifel jedoch nur auf den konkreten Fall und waren nicht geeignet, ein Vertrauen darauf zu begründen, die Beklagte würde „für alle Zeiten“ weiter so verfahren. Der Kläger konnte ohne besonderen Hinweis lediglich davon ausgehen, die Beklagte habe sich nach Prüfung aller Umstände lediglich anlässlich der konkreten Lohnerhöhung für eine Übernahme der Tariflohnerhöhungen entschieden.

22

cc) Damit hätte es neben den regelmäßigen Erhöhungen zusätzlicher Anhaltspunkte bedurft, um eine betriebliche Übung annehmen zu können. Das Landesarbeitsgericht hat derartige Umstände im Zusammenhang mit Lohnveränderungen vor 2006 nicht festgestellt. Das vom Kläger angeführte Verhalten der Beklagten nach Ende der Tarifrunde 2005 ergibt ebenfalls keine deutlichen Anhaltspunkte für eine betriebliche Übung auf zukünftige Lohnerhöhungen entsprechend der Tariflohnentwicklung.

23

(1) Mit § 3 Nr. 1.1 des allgemeinverbindlichen BRTV-Bau wurde der Beklagten zum 1. Januar 2006 tariflich eine Arbeitszeiterhöhung von 39 auf 40 Wochenstunden vorgegeben. Wenn sie sich in dieser speziellen Situation „zur Abfederung“ an dem damals aktuellen Lohntarifvertrag 2005 orientierte, kann dem kein weitergehender Erklärungswert beigemessen werden als vorherigen Tariflohnerhöhungen. Die Beklagte hat lediglich - nach Prüfung „auch diesmal wieder“ - eine Entscheidung für den Einzelfall getroffen. Es kommt hinzu, dass es sich um eine für die Beklagte günstige Entwicklung des Lohntarifvertrags handelte. Eine Lohnsenkung entsprechend tariflichen Regelungen besagt gerade nichts über einen Willen zu dauerhaften automatischen Lohnerhöhungen, ungeachtet der Frage, ob die einseitige Lohnsenkung in dieser Form gegenüber dem Kläger rechtlich wirksam durchgeführt werden konnte.

24

(2) Die Beklagte hat auch nicht dadurch deutliche Anhaltspunkte für einen Willen zur dauerhaften automatischen Weitergabe von Tariflohnerhöhungen gesetzt, dass sie in ihrem Aushang sogleich nach der Lohnsenkung zum 1. Januar 2006 um 2,5 % eine Lohnerhöhung zum 1. April 2006 um 1,0 % avisierte. Zum einen handelte es sich um eine prozentual bereits feststehende Lohnerhöhung nach nur drei Monaten. Zum anderen und vor allem ging es nur um eine teilweise Wiedererhöhung nach vorheriger Lohnsenkung im Rahmen eines Gesamtpakets. Sie glich lediglich die kurz zuvor erfolgte Lohnkürzung teilweise wieder aus. Auch die Formulierung des Aushangs „Tarifänderungen ab 2006“ ergibt keine Hinweise darauf, dass die Beklagte von einer bereits zuvor begründeten betrieblichen Übung iS einer dynamischen Verweisung auf den jeweils geltenden Lohntarifvertrag (vgl. BAG 20. Juni 2001 - 4 AZR 290/00 - zu A II 4 c bb der Gründe, EzA BGB § 242 Betriebliche Übung Nr. 45)ausging. Die Beklagte hat weder erklärt, dass die Absenkung des Tarifstundenlohns für sie in Wahrheit nicht „verbindlich“ sei, noch dass sie sich aufgrund einer bereits erfolgten dynamischen Bezugnahme auf den Lohntarifvertrag ohne weiteres für berechtigt hielt, den Stundenlohn abzusenken.

25

d) Eine allgemeine Bezugnahme auf tarifvertragliche Regelungen durch betriebliche Übung (vgl. BAG 17. April 2002 - 5 AZR 89/01 - zu I 1 der Gründe, BAGE 101, 75) besteht nicht. Selbst wenn die Beklagte gemäß dem pauschalen Klägervortrag stets „in sämtlichen Bereichen eine Bindung an die“ Tariflage gewünscht haben sollte, bedeutete dies zunächst nur, dass sie die jeweils aktuellen und ihr bereits bekannten Tarifregelungen in ihrem Unternehmen anwenden wollte. Ohne weitere Anhaltspunkte, die der Kläger nicht benannt hat, besagte eine solche Verfahrensweise wiederum nichts darüber, dass sie auch künftige, ihr noch unbekannte und daher in ihrer Tragweite nicht absehbare Tarifentwicklungen auf Dauer übernehmen wollte. Auch das vom Kläger gegen die Beklagte erstrittene Urteil des Zehnten Senats vom 18. März 2009 (- 10 AZR 281/08 - BAGE 130, 21) bestätigt keine entsprechende betriebliche Übung. Der Zehnte Senat hat nicht erkannt, dass dem Kläger ein „Weihnachtsgeld“ - geschweige denn ein Stundenlohn - stets in der jeweiligen tariflichen Höhe zustehe. Der Aushang der Beklagten zur Winterbeschäftigungs-Umlage hat ebenfalls keine Bedeutung. Er verhielt sich ausschließlich zu normativ wirkenden gesetzlichen und bundesrahmentarifvertraglichen Vorgaben und ließ keine Rückschlüsse auf einen Willen der Beklagten zur Weitergabe künftiger Tarifrechtsänderungen zu.

26

Die Parteien haben nicht aufgrund betrieblicher Übung eine Gleichstellungsabrede getroffen. Es kann dahinstehen, ob an der Entscheidung des Ersten Senats vom 19. Januar 1999 (- 1 AZR 606/98 - AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 9 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 10) nach der neueren Rechtsprechung des Vierten Senats zu Gleichstellungsabreden (BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 25 ff., BAGE 122, 74; 17. November 2010 - 4 AZR 391/09 - AP BGB § 613a Nr. 391 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 51) noch festzuhalten ist, denn die Beklagte ist nicht kraft Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband an Entgelttarifverträge gebunden, so dass die vom Ersten Senat zugrunde gelegten Voraussetzungen einer Gleichstellungsabrede kraft betrieblicher Übung weder vor noch nach dem 1. Januar 2002 vorlagen.

27

3. Die Beklagte hat sich durch die Weitergabe der ersten Lohnerhöhung zum 1. Juni 2007 um 3,1 % gemäß § 2 Abs. 2 Lohntarifvertrag 2007 nicht dazu verpflichtet, wenigstens die beiden weiteren in dieser Tarifnorm vorgesehenen Lohnsteigerungen an den Kläger weiterzugeben. Auch insoweit hat die Beklagte erneut nur eine freiwillige Lohnerhöhung in Anlehnung an eine Tariflohnerhöhung vorgenommen und nicht etwa eine Tarifregelung insgesamt in Bezug genommen. Sie hat auch keinen Aushang zu „mehrschrittigen“ Tarifänderungen verfasst.

28

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    W. Hinrichs    

        

    Dombrowsky    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 20. September 2013 - 9 Sa 56/13 - aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 13. November 2012 - 6 Ca 512/12 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in seiner jeweils geltenden Fassung sowie hieraus resultierende Zahlungsansprüche für die Zeit von März bis September 2012.

2

Die Klägerin ist seit 1993 in den von der Beklagten betriebenen Kliniken für Rheumatologie als Krankenschwester beschäftigt. In ihrem im Jahr 1993 abgeschlossenen Arbeitsvertrag heißt es:

        

§ 2   

        

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestellten-Tarifvertrag (BAT) sowie den jeweils ergänzenden, ändernden, ersetzenden und sonstigen für die Art der Tätigkeit des Beschäftigten einschlägigen Tarifvereinbarungen.“

3

Die Klägerin war zuletzt in VergGr. Kr. Va, Stufe 9 BAT eingruppiert. Seit März 2004 erhält sie eine monatliche Vergütung in Höhe von insgesamt 2.564,74 Euro brutto.

4

Die Beklagte war zunächst mehrheitlich im Besitz öffentlicher Anteilseigner, namentlich der Stadt B und des Landes Rheinland-Pfalz. Mit Wirkung zum 1. Januar 1999 erwarb die S Kliniken GmbH insgesamt 75,09 vH der Aktien.

5

In § 5 II Nr. 5 des zwischen der S Kliniken GmbH auf der einen und der Stadt B sowie dem Land Rheinland-Pfalz auf der anderen Seite geschlossenen Aktienkaufvertrags heißt es:

        

„Die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandenen Mitarbeiter werden weiterhin nach BAT-BMT-G entlohnt und deren Zusatzversorgung nach dem einschlägigen Tarifvertrag gewährleistet.“

6

Die Beklagte war zunächst Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Rheinland-Pfalz. Mit Ablauf des 31. März 1999 wurde sie aufgrund der neuen Eigentumsverhältnisse aus dem Verband ausgeschlossen, da die satzungsmäßigen Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft nicht mehr gegeben waren.

7

Die Beklagte gab die zum 1. April 1999, 1. August 2000, 1. September 2001, 1. März 2003 und 1. März 2004 für den öffentlichen Dienst vereinbarten tariflichen Entgelterhöhungen an ihre Arbeitnehmer weiter.

8

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, sie nach der Entgeltgruppe 7a, Stufe 5 TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) zu vergüten. Der Anspruch ergebe sich aus § 2 des Arbeitsvertrags. Zudem enthalte § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags einen echten Vertrag zugunsten Dritter. Die mehrfache Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen in den Jahren 1999 bis 2004 habe schließlich in Ansehung der genannten Erklärung im Aktienkaufvertrag zu einer Vertragsänderung geführt, jedenfalls aber eine betriebliche Übung begründet.

9

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie 998,06 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 142,58 Euro brutto seit dem 1. Mai 2012, 1. Juni 2012, 1. Juli 2012, 1. August 2012, 1. September 2012 und 1. Oktober 2012 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie ab Oktober 2012 nach der Entgeltgruppe 7a, Stufe 5 TVöD-K zu vergüten.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel handele es sich um eine Gleichstellungsabrede im Sinne der ehemaligen Senatsrechtsprechung. Nach ihrem Ausscheiden aus dem Arbeitgeberverband wirkten die in Bezug genommenen Tarifverträge deshalb nur noch statisch fort. Aus dem Aktienkaufvertrag folge nichts anderes. Dieser Vertrag binde sie nicht. Sie sei nicht Vertragspartei, sondern vielmehr nur Gegenstand des Vertrags gewesen. § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags enthalte keine Pflicht zur Gewährung künftiger Tarifentgelterhöhungen an Dritte. Allein die mehrmalige Weitergabe von Tarifentgelterhöhungen führe überdies nicht zu einer betrieblichen Übung und damit einer entsprechenden Verpflichtung für die Zukunft.

11

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist zulässig und begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage nicht mit der von ihm gegebenen Begründung stattgeben. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Das führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Klageabweisung (§ 563 Abs. 3 ZPO).

13

I. Die Revision ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden. Die Beschwer der Beklagten ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht durch die Zahlung der titulierten Entgeltforderung (teilweise) entfallen.

14

1. Die Beschwer einer zur Zahlung verurteilten Partei entfällt, wenn sie den titulierten Betrag nicht nur zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil zahlt, sondern den Klageanspruch aus freien Stücken ohne Vorbehalt (endgültig) erfüllen will. Ob das eine oder andere anzunehmen ist, richtet sich nach den dem Zahlungsempfänger erkennbaren Umständen des Einzelfalls (BAG 21. März 2012 - 5 AZR 320/11 - Rn. 12).

15

2. Im Streitfall war die Beklagte von der Klägerin nach Bestätigung der erstinstanzlichen Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht unter Fristsetzung zur Zahlung der vom Arbeitsgericht titulierten Forderung aufgefordert worden. Das der Klage stattgebende, vom Berufungsgericht bestätigte erstinstanzliche Urteil war auch vorläufig vollstreckbar (§ 62 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Die Beklagte konnte daher das Schreiben der Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) auch ohne ausdrücklichen Hinweis als Inaussichtstellung der Zwangsvollstreckung verstehen. Anders als in der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts hat die Beklagte nicht im Zusammenhang mit der Zahlung zum Ausdruck gebracht, die Klägerin könne das Geld unabhängig vom Ausgang eines Revisionsverfahrens behalten (vgl. BAG 21. März 2012 - 5 AZR 320/11 - Rn. 14).

16

II. Die Revision der Beklagten ist begründet. Die geltend gemachten Ansprüche stehen der Klägerin unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 7a, Stufe 5 TVöD-K und die Zahlung der entsprechenden Vergütungsdifferenzen für den Zeitraum von März bis September 2012.

17

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, durch die Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen in den Jahren 1999 bis 2004 sei eine - die Beklagte für die Zukunft bindende - betriebliche Übung entstanden.

18

a) Die Beurteilung, ob die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen die Annahme einer betrieblichen Übung hinsichtlich der Gewährung von Leistungen rechtfertigen oder nicht, unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl. nur BAG 19. August 2015 - 5 AZR 450/14 - Rn. 20; 5. Mai 2015 - 1 AZR 806/13 - Rn. 26; 31. Juli 2007 - 3 AZR 189/06 - Rn. 17; 18. April 2007 - 4 AZR 653/05 - Rn. 45; grundlegend 28. Juni 2006 - 10 AZR 385/05 - Rn. 39 mwN, BAGE 118, 360).

19

b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist unter einer betrieblichen Übung die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (BAG 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 59).

20

aa) Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat. Die Wirkung einer Willenserklärung im Rechtsverkehr setzt ein, wenn aus der Sicht des Erklärungsempfängers der Erklärende einen auf eine bestimmte Rechtswirkung gerichteten Willen geäußert hat (sh. nur BAG 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 60; 17. März 2010 - 5 AZR 317/09 - Rn. 20, BAGE 133, 337).

21

bb) Gewährt ein Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern wiederholt eine Erhöhung der Löhne und Gehälter entsprechend der Tarifentwicklung in einem bestimmten Tarifgebiet, kann eine betriebliche Übung dann entstehen, wenn deutliche Anhaltspunkte in seinem Verhalten dafür sprechen, dass er die Erhöhungen - auch ohne das Bestehen einer tarifvertraglichen Verpflichtung - künftig, dh. auf Dauer übernehmen will (BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 14; 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 61 mwN).

22

(1) Ist der Arbeitgeber nicht tarifgebunden, entsteht regelmäßig lediglich ein Anspruch der Arbeitnehmer auf Fortzahlung dieses erhöhten Entgelts, nicht aber zugleich eine Verpflichtung des Arbeitgebers, auch künftige Tarifentgelterhöhungen weiterzugeben (BAG 20. Juni 2001 - 4 AZR 290/00 - zu A II 4 c bb der Gründe). Ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber will sich grundsätzlich nicht für die Zukunft der Regelungsmacht der Verbände unterwerfen. Dies ist gerade Sinn des nicht erfolgten Beitritts zu einem Arbeitgeberverband. Die fehlende Tarifgebundenheit verdeutlicht - für die Arbeitnehmer erkennbar - den Willen des Arbeitgebers, die Erhöhung der Löhne und Gehälter zukünftig nicht ohne Beitrittsprüfung entsprechend der Tarifentwicklung vorzunehmen (BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 15; 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 61 mwN).

23

(2) Auch ein tarifgebundener Arbeitgeber, der die Tarifentgelterhöhungen - ungeachtet der Tarifgebundenheit des einzelnen Arbeitnehmers - an alle Arbeitnehmer weitergibt, will sich - auch insoweit für die Arbeitnehmer erkennbar - im Regelfall nicht über die Zeit seiner Tarifgebundenheit hinaus ohne die Möglichkeit einer Kündigung des Tarifvertrags oder eines Verbandsaustritts dauerhaft (vertraglich) binden (vgl. BAG 19. Oktober 2011 - 5 AZR 359/10 - Rn. 16 mwN).

24

c) Danach hat die Beklagte mit der Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen in den Jahren 1999 bis 2004 keine betriebliche Übung begründet, auf die die Klägerin ihren Klageanspruch stützen könnte. Es fehlt an den erforderlichen - über die bloße Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen hinausgehenden - deutlichen Anhaltspunkten im Verhalten der Beklagten, aus denen sich für die Klägerin erkennbar der Wille ergäbe, sie wolle auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien jeweils ausgehandelten Erhöhungen ohne Weiteres übernehmen. Dabei kann dahinstehen, ob § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags zugunsten der im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiter eine dynamische Bindung an die künftigen Tarifentwicklungen vorgeben wollte. Dafür könnte der Wortlaut („weiterhin“; „dem einschlägigen Tarifvertrag“) sprechen. Die Vertragsklausel beruht jedoch weder auf einem Verhalten der Beklagten noch enthält sie eine an die Arbeitnehmer gerichtete Erklärung (vgl. dazu BAG 23. März 2011 - 4 AZR 268/09 - Rn. 66).

25

aa) Die Beklagte war nicht Partei, sondern vielmehr Gegenstand des Aktienkaufvertrags. Es fehlt bereits an einem eigenen Verhalten der Arbeitgeberin, das ein Vertrauen der Klägerin begründen könnte, die - bloße - Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen erfolge mit Rechtsbindungswillen auch hinsichtlich künftiger Erhöhungen. Allein aus der Zahlung der erhöhten Tariflöhne ergeben sich noch keine deutlichen Anhaltspunkte dafür, die Beklagte habe einer von der Erwerberin der Aktien möglicherweise übernommenen schuldrechtlichen Verpflichtung nachkommen wollen.

26

bb) Die Vertragsklausel war überdies nicht an die Arbeitnehmer der Beklagten gerichtet. Sie entfaltete lediglich schuldrechtliche Wirkung zwischen den Parteien des Aktienkaufvertrags. Selbst wenn die Arbeitnehmer - möglicherweise sogar trotz einer in demselben Vertrag enthaltenen Verschwiegenheitspflicht - von der Klausel Kenntnis gehabt haben sollten, wäre diese aus Sicht eines objektiven Empfängers auch aus diesem Grund nicht geeignet gewesen, dem Verhalten der Beklagten einen über die Weitergabe der jeweiligen Entgelterhöhung hinausgehenden vertraglichen Erklärungsgehalt beizumessen.

27

2. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als richtig (§ 561 ZPO).

28

a) Ein Anspruch auf die Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen folgt nicht aus § 2 des Arbeitsvertrags. Die dort enthaltene Bezugnahmeregelung ist als sog. Gleichstellungsabrede auszulegen. Ihre Dynamik endete daher mit dem Verbandsausschluss der Beklagten zum 31. März 1999.

29

aa) Nach der früheren Rechtsprechung des Senats galt die - widerlegbare - Vermutung, es gehe einem an arbeitsvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge gebundenen Arbeitgeber nur darum, durch die Bezugnahme die nicht organisierten Arbeitnehmer mit den organisierten Beschäftigten hinsichtlich der Geltung des in Bezug genommenen Tarifwerks gleichzustellen. Der Senat ging davon aus, mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklausel sollte lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrags für alle Beschäftigten zu kommen. Daraus hat der Senat die Konsequenz gezogen, ohne weitere Anhaltspunkte im Vertragstext oder aus den Begleitumständen bei Vertragsschluss seien im Falle der normativen Gebundenheit des Arbeitgebers an die in Bezug genommenen Tarifverträge Bezugnahmeklauseln in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen. Die Verweisung auf einen Tarifvertrag oder ein Tarifwerk in der jeweils geltenden Fassung wurde deshalb einschränkend dahin ausgelegt, die auf diese Weise zum Ausdruck gebrachte Dynamik gehe nur so weit, wie sie bei einem tarifgebundenen Arbeitnehmer reiche, sie ende also dann, wenn der Arbeitgeber wegen Wegfalls der eigenen Tarifgebundenheit nicht mehr normativ an künftige Tarifentwicklungen gebunden sei (st. Rspr., sh. nur BAG 23. Februar 2011 - 4 AZR 536/09 - Rn. 17 f. mwN).

30

bb) Diese Rechtsprechung hat der Senat für vertragliche Bezugnahmeklauseln, die nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind, aufgegeben. Er wendet die Auslegungsregel lediglich aus Gründen des Vertrauensschutzes weiterhin auf Bezugnahmeklauseln an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform am 1. Januar 2002 vereinbart worden sind (BAG 14. Dezember 2005 - 4 AZR 536/04 - Rn. 24 ff., BAGE 116, 326; 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 29 ff., BAGE 122, 74; bestätigt durch BVerfG 26. März 2009 - 1 BvR 3564/08 - und 21. April 2009 - 1 BvR 784/09 -).

31

cc) In Anwendung dieser Grundsätze verweist § 2 des Arbeitsvertrags lediglich statisch auf den am 31. März 1999 geltenden BAT.

32

(1) Die Beklagte war bei Abschluss des Arbeitsvertrags im Jahr 1993 nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG aufgrund ihrer Verbandsmitgliedschaft im Kommunalen Arbeitgeberverband an den BAT gebunden. Ihre Tarifgebundenheit endete durch den Verbandsausschluss zum 31. März 1999. Die nach diesem Zeitpunkt vorgenommenen Tarifänderungen einschließlich der in den Jahren 2005 und 2006 erfolgten Ablösung des BAT durch den TVöD und den TV-L werden von der Bezugnahmeklausel nicht mehr erfasst.

33

(2) Aus der Bezugnahmeklausel oder den Begleitumständen ergeben sich im Entscheidungsfall keine Anhaltspunkte für ein abweichendes Verständnis der vertraglichen Regelung. Insbesondere rechtfertigt die - bloße - Weitergabe mehrerer Tarifentgelterhöhungen nicht die Annahme, die Beklagte habe eine unbedingte dynamische Bezugnahme vertraglich vereinbaren wollen (so allerdings LAG Rheinland-Pfalz 9. September 2011 - 9 Sa 147/11 - zu B II 1 c der Gründe). Zwar kann die tatsächliche Praxis des Vollzugs einer vertraglichen Regelung durch die Arbeitsvertragsparteien Anhaltspunkte für deren tatsächlichen Willen enthalten und somit für die Auslegung von Bedeutung sein. Der bei Vertragsschluss zum Ausdruck gebrachte objektive Gehalt der wechselseitigen Willenserklärungen kann aber durch die spätere tatsächliche Handhabung nicht mehr beeinflusst werden (BAG 7. Juni 2006 - 4 AZR 272/05 - Rn. 43).

34

(3) Die Arbeitsvertragsparteien haben nach dem 31. Dezember 2001 keinen „Neuvertrag“ abgeschlossen.

35

(a) Der von der Rechtsprechung gewährte Vertrauensschutz für „Altverträge“ entfällt, wenn die Bezugnahmeklausel nach dem 31. Dezember 2001 erneut vereinbart wird. Bei der Änderung eines von einem Arbeitgeber geschlossenen „Altvertrags“ ist dies der Fall, wenn die vertragliche Bezugnahmeregelung in der nachfolgenden Vertragsänderung zum Gegenstand der rechtsgeschäftlichen Willensbildung der beteiligten Vertragsparteien gemacht worden ist (BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 - Rn. 26; 13. Mai 2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 26; 24. Februar 2010 - 4 AZR 691/08 - Rn. 25 mwN).

36

(b) Eine ausdrückliche Vertragsänderung nach dem 31. Dezember 2001, in der die Parteien § 2 des Arbeitsvertrags erneut zum Gegenstand ihrer rechtsgeschäftlichen Willensbildung gemacht hätten, ist nicht ersichtlich. Anhaltspunkte für eine konkludente Vertragsänderung sind ebenfalls nicht gegeben. Allein die Weitergabe der Tarifentgelterhöhungen lässt nicht auf einen entsprechenden vertraglichen Erklärungswillen schließen.

37

b) Ein Anspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht - wie von ihr geltend gemacht - aus § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags iVm. §§ 328 ff. BGB. Die Vertragserklärung stellt keinen (echten) Vertrag zugunsten Dritter dar. Schon der Wortlaut der Regelung bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Auslegung, es handele sich um einen Vertrag iSv. § 328 BGB, der unmittelbare Rechte zugunsten der Klägerin und der anderen Arbeitnehmer begründe. In § 5 II Nr. 5 des Aktienkaufvertrags heißt es lediglich, die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandenen Mitarbeiter würden weiterhin nach BAT-BMT-G entlohnt. Daraus ergibt sich allenfalls die Verpflichtung der Anteilskäuferin gegenüber den Verkäuferinnen, die Beschäftigten trotz des Übergangs der Kliniken weiterhin nach dem BAT oder dem BMT-G zu vergüten. Darüber hinausgehende Verpflichtungen der Beklagten gegenüber den Arbeitnehmern, die innerhalb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden sollten, enthält dieser Passus nicht (ebenso hinsichtlich derselben Klausel BAG 29. November 2007 - 2 AZR 789/06 - Rn. 21).

38

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Treber    

        

    Rinck     

        

        

        

    Drechsler    

        

    Th. Hess     

                 

(1) Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen:

1.
Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb;
2.
Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;
3.
vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit;
4.
Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte;
5.
Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie die Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer, wenn zwischen dem Arbeitgeber und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird;
6.
Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen;
7.
Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften;
8.
Form, Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist;
9.
Zuweisung und Kündigung von Wohnräumen, die den Arbeitnehmern mit Rücksicht auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses vermietet werden, sowie die allgemeine Festlegung der Nutzungsbedingungen;
10.
Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung;
11.
Festsetzung der Akkord- und Prämiensätze und vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte, einschließlich der Geldfaktoren;
12.
Grundsätze über das betriebliche Vorschlagswesen;
13.
Grundsätze über die Durchführung von Gruppenarbeit; Gruppenarbeit im Sinne dieser Vorschrift liegt vor, wenn im Rahmen des betrieblichen Arbeitsablaufs eine Gruppe von Arbeitnehmern eine ihr übertragene Gesamtaufgabe im Wesentlichen eigenverantwortlich erledigt;
14.
Ausgestaltung von mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.

(2) Kommt eine Einigung über eine Angelegenheit nach Absatz 1 nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 20.01.2015 - 9 Ca 1504/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten (noch) über die Frage, welche Tarifwerke auf ihr Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen und damit im Zusammenhang stehend über die Frage, ob die Beklagte der Klägerin (weitere) Arbeitsvergütung schuldet.

2

Die Klägerin ist seit 01.09.1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Krankenschwester in dem nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes zunächst von dem O bzw. dem diesen nachfolgenden B als Eigenbetrieb geführten Krankenhauses „O“ in H, K, tätig.

3

Das Klinikum ging im Wege des Betriebsüberganges im Jahr 2007 an die S über.

4

Aufgrund eines weiteren Betriebsübergangs wechselte die Inhaberschaft auf die Beklagte, damals firmierend unter „A“ mit Wirkung zum 01.11.2013.

5

Die Klägerin ist seit 2007 Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

6

Sie hat mit den Rechtsvorgängern der Beklagten die vertragliche Grundlage für das Arbeitsverhältnis mehrfach im Wege des Änderungsvertrages angefasst. Der Arbeitsvertrag vom 30.04.1992 (Bl. 115 d. A.) enthält in § 2 eine Verweisungsklausel auf den BAT-O sowie auf die für den Arbeitgeber jeweils weitergeltenden Tarifverträge. § 2 des Änderungsvertrages vom 17.05.2010 (Bl. 48 d. A.) enthält demgegenüber die folgende Bezugnahmeklausel:

7
        

 ...   

        

 § 2 wird wie folgt ersetzt:

        

 Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Besonderen Teil Stand 31.12.2006

        

 ( ) Verwaltung

        

 (x) Krankenhäuser Stand 31.12.2006

        

 Außerdem gilt weiterhin der Tarifvertrag zur Überleitung und Beschäftigungssicherung in der S vom 05. März 2007.

        

 Dieser Änderungsvertrag tritt am 17.05.2010 in Kraft.

        

 H, den 17.05.2010
(Ort, Datum)

        

 D
Geschäftsführer
(Für den Arbeitgeber)

 (Datum/Beschäftigte)

8

Dementsprechend kamen auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der S zunächst weiter die Bestimmungen des TVöD zur Anwendung. Mit Schreiben vom 28.10.2010 (Bl. 162 fd. A.) teilte die S der Klägerin mit, dass rückwirkend zum 01.01.2010 nunmehr die Tarifverträge des S zur Anwendung kommen. Danach (Tarifvertrag O 2012 vom 25.02.2013 - abgeschlossen mit ver.di) beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Klägerin 35 Stunden.

9

Die Beklagte betrieb (und betreibt noch) vor der Übernahme des O in H, K, eine medizinische Einrichtung, nämlich ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Sie hatte bereits am 28.03.2006 mit ver.di einen Haustarifvertrag abgeschlossen, dessen Rubrum wie folgt lautet:

10

Haustarifvertrag
(mit weitergeltenden Regelungen aus dem BAT-O)

11

zwischen dem

A

12

vertreten durch die

13

Trägerschaft A H, diese vertreten durch die Geschäftsführerin, Frau M...

14

- einerseits -

15

und der

16

Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di,
vertreten durch die Landesbezirksleitung Sachsen-Anhalt,
Nachtweide 82, 39124 Magdeburg

17

- andererseits -

...

18

Weiter heißt es in diesem Tarifvertrag -(im Folgenden A HTV) in § 1:

19

§ 1 Allgemeiner Geltungsbereich

20

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Beschäftigte des A in H, die Mitglieder der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sind.

21

(2) Ausgenommen sind leitende Mitarbeiterinnen im Sinne des § 5 (3) BetrVG und Beschäftigte, die im Sinne des § 8 SGB IV - unter Berücksichtigung des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV - geringfügig beschäftigt oder als Studierende nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V versicherungsfrei sind oder die nebenberuflich tätig sind.

22

§ 1a Anwendung von Tarifverträgen

23

(1) Für die in § 1 (1) genannten Beschäftigten gelten die für die Angestellten der Länder zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und diese ändernden und ergänzenden Vorschriften einschließlich der Vergütungsregelung in der jeweils geltenden Fassung (für den Bereich Bund/Land) samt der z. Zt. (Stand Juni 2005) geltenden Sonderregelungen, Anlagen, Anhänge und sonstigen tariflichen Regelungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes abgeschlossen werden, soweit in diesem Tarifwerk nicht Abweichendes bestimmt wird.

...

24

Die Tarifvertragsparteien waren sich darüber einig, dass die Regelungen des A-HTV auch die Mitarbeiter der von der Beklagten betriebenen Tagesklinik in O erfassen.

25

Die Beklagte wendet die Bestimmungen dieses Tarifvertrages, insbesondere die dort geregelte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden auch auf die Mitarbeiter des von ihr im Wege des Asset-Deal erworbenen O in der K an.

26

Hingegen ist die Klägerin der Ansicht, dass sich die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien weiter nach den sich für den S-Konzern geltenden Tarifverträgen (S-TVe) bestimmen. Sie hat hierzu erstinstanzlich - basierend auf dem Vorbringen, die Klägerin sei kein Mitglied der Gewerkschaft ver.di - die Rechtsauffassung vertreten, die zwischen ihr und den Rechtsvorgängern der Beklagten getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen seien nicht dahin auszulegen, dass im Wege einer sog.

27

Tarifwechselklausel seit 01.11.2013 der A-HTV zur Anwendung komme. im Hinblick auf die mithin geltende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden einerseits und ihrem Einsatz im Umfang von 38 Stunden wöchentlich andererseits sei die Beklagte verpflichtet, ihr für die zusätzlich geleisteten 3 Stunden pro Woche eine Überstundenvergütung zu gewähren.

28

Erstinstanzlich hat die Klägerin weiterhin die teilweise Rückabwicklung der von der Beklagten zu ihrem Gunsten bei der D. U. K. e. V. abgeschlossenen betrieblichen Altersversorgung begehrt.

29

Sie hat beantragt,

30

1. festzustellen, dass der Haustarifvertrag der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung findet und zwischen den Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden als vereinbart gilt. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin ab sofort für 35 Stunden wöchentlich im Dienstplan einzusetzen.

31

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum November 2013 bis August 2014 einen Betrag in Höhe von 2.193,60 € brutto zu zahlen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Beklagte für jeden weiteren Monat ab September 2014, in dem sie die Klägerin 38 Stunden wöchentlich beschäftigt, verpflichtet ist, monatlich an die Klägerin eine Vergütung von 219,36 € brutto zu zahlen.

32

3. festzustellen, dass die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge ab November 2013 weiterhin an die ZVK Sachsen-Anhalt zu zahlen sind. Die Beklagte wird verpflichtet, für November 2013 einen Betrag von 52,29 €, für Dezember 2013 einen Betrag von 52,04 €, für Januar 2014 einen Betrag von 51,89 €, für Februar 2014 einen Betrag von 61,45 €, für März 2014 einen Betrag von 51,85 €, für April 2014 einen Betrag von 51,92 €, für Mai 2014 einen Betrag von 51,85 €, für Juni 2014 einen Betrag von 51,96 € und für Juli 2014 einen Betrag von 51,85 € auf den bestehenden Altersvorsorgevertrag der Klägerin bei der ZVK Sachsen-Anhalt zu zahlen.

33

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die vorgenannten Beträge für November 2013 bis Juli 2014 an die Klägerin zu zahlen.

34

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die im September 2014 einbehaltenen Auszahlungen für die Monate November 2013 bis August 2014 in Höhe von insgesamt 220,45 € netto an die Klägerin zu zahlen.

35

5. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, einen Abschlag von 50,-- € monatlich hinsichtlich der zu zahlenden betrieblichen Altersvorsorge vom Nettolohn der Klägerin in Abzug zu bringen.

36

Die Beklagte hat beantragt,

37

die Klage abzuweisen.

38

Sie hat - ebenfalls davon ausgehend, die Klägerin sei nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di - die Auffassung vertreten, die in § 2 des Arbeitsvertrages vom 30.04.1992 enthaltene Verweisungsklausel sei als Tarifwechselklausel auszulegen. Damit bestimme sich das Arbeitsverhältnis der Parteien seit 01.11.2013 nach Maßgabe des A-ATV.

39

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.01.2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Überstundenvergütung zu, weil die für sie geltende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden betrage. Aufgrund der Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag vom 30.04.1992 finde seit 01.11.2013 der A-HTV auf die Rechtsbeziehungen der Parteien Anwendung. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 131 bis 141 der Akte verwiesen.

40

Die Beklagte hat gegen die ihr am 03.02.2015 zugestellte Entscheidung am 18.02.2015 Berufung eingelegt und diese am 17.03.2015 begründet.

41

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie - nach teilweiser Berufungsrücknahme im Termin am 17.05.2016 - ihre Klaganträge zu Ziffer 1 und 2 - den Feststellungsantrag zu Ziffer 1 in veränderter Form - weiter.

42

Zwar sei der erstinstanzliche Sachvortrag dahin zu korrigieren, dass die Klägerin seit 2007 Mitglied der Gewerkschaft ver.di. war. Dennoch finde der A-HTV auf die Rechtsbeziehungen der Parteien keine Anwendung, weil dieser nach seinen persönlichen Geltungsbereich nicht die Mitarbeiter des ehemaligen O, K, erfasse. Ausweislich des Rubrums und des § 1 des A-HTV sei dieser räumlich auf das in der K gelegene Fachklinikum für Psychiatrie und Neurologie begrenzt.

43

Die Klägerin beantragt,

44

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 20.01.2015 abzuändern und

45

1. festzustellen, dass der Konzern-Mantel-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach- und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (M-TVM/W/I S), der Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach- und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TVM/W/I S), der Konzern-Überleitungs-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach- und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (Ü-TVM/W/I S), der Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach- und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (TV-EUmwM/w/I S, die Niederschrift zu den Konzern-Tarif-Verhandlungen zwischen der vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der S, dem Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (BFG-TVM/W/I S) Inhalt des zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses ist und zwischen den Parteien demnach eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden gilt. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin ab sofort für 35 Stunden wöchentlich im Dienstplan einzusetzen,

46

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum November 2013 bis August 2014 einen Betrag in Höhe von 2.193,60 Euro brutto zu zahlen, und darüber hinaus festzustellen, dass die Beklagte für jeden weiteren Monat ab September 2014, in dem sie die Klägerin 38 Stunden wöchentlich beschäftigt, verpflichtet ist, monatlich an die Klägerin eine Vergütung von 219,36 Euro brutto zu zahlen.

47

Die Beklagte beantragt,

48

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

49

Die Beklagte hält an ihrem Rechtsstandpunkt, das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimme sich seit 01.11.2013 nach dem A-HTV fest. Im Hinblick auf die nunmehr unstreitige Mitgliedschaft der Klägerin in der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di ergebe sich dies aus § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB. Der A-HTV erfasse entgegen der Ansicht der Klägerin auch die Mitarbeiter des ehemaligen O. Ungeachtet der im Rubrum und § 1 verwendeten Bezeichnung „Fachkrankenhaus“ sei der Geltungsbereich des Tarifvertrages dahin auszulegen, dass er das gesamte Unternehmen der Beklagten abdecken solle.

50

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

51

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

I.

52

Die von ihr vorgenommene Klagänderung in Form des Antrages zu Ziffer 1 gemäß Schriftsatz vom 21.03.2016 ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich. Hierüber kann auch auf Grundlage des gemäß § 67 ArbGG zu berücksichtigenden Tatsachenstoffs entschieden werden.

II.

53

Der (geänderte) Feststellungsantrag betreffend die Anwendbarkeit der S-TVe ist in der veränderten Form zwar zulässig, aber nicht begründet.

1.

54

Die Feststellungsklage ist als sog. Elementenfeststellungsklage zulässig (BAG 26.08.2015 - 4 AZR 719/13).

2.

55

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien finden nicht die S-TVe, sondern der A-HTV Anwendung.

a)

56

Dieser hat die S-TVe zum 01.11.2013 gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst.

57

Voraussetzung für das Eingreifen des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB ist, dass hinsichtlich des maßgeblichen Tarifvertrages eine konkruente Tarifbindung des Arbeitnehmers und des Betriebserwerbers besteht (BAG 09.04.2008 - 4 AZR 164/07 - Rn. 19. Das ist vorliegend der Fall.

aa)

58

Grundsätzlich wird das Arbeitsverhältnis der Parteien von Tarifverträgen, die die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di schließt, gemäß § 4 Abs. 1 TVG erfasst, weil - wie nunmehr unstreitig ist - die Klägerin Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist.

bb)

59

Vorliegend unterfällt die Klägerin auch dem persönlichen Geltungsbereichs des A-HTV. Dies ergibt eine Auslegung des § 1 jenes Tarifvertrages.

60

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (BAG 16.12.2014 - 6 AZR 658/13) ist der normative Teil eines Tarifvertrages nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können (st. Rspr. des BAG, vgl. 28. Mai 1998 - 6 AZR 349/96 - AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5, zu II 2 a der Gründe; 26. April 2001 - 6 AZR 2/00 - AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 37, zu 1 a der Gründe; 29. August 2001 - 4 AZR 337/00 - BAGE 99, 24, 28; 22. Oktober 2002 - 3 AZR 664/01 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 185, zu II 1 a der Gründe). Lässt eine Tarifnorm mehrere Auslegungen zu, von denen die eine zu einem gesetzeswidrigen, die andere zu einem gesetzesgemäßen Ergebnis führt, ist die Tarif norm so anzuwenden, dass sie zu einem gesetzesgemäßen Ergebnis führt. Dies gilt nicht nur für eine Kollision der Tarifnorm mit Verfassungsrecht (dazu: BAG 21. Januar 1987 - 4 AZR 547/86 - BAGE 54, 113), sondern auch für eine solche mit einfachem Gesetzesrecht (ErfK/Schaub 5. Aufl. § 1 TVG Rn. 20; Wank in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 802). Die Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem höherrangigen Recht in Einklang stehen und damit auch Bestand haben (BAG 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - BAGE 73, 364, 369).

61

Bei Anwendung dieser Auslegungskriterien ergibt sich, dass der A-HTV nicht auf Arbeitnehmer beschränkt sein soll, die in dem Fachkrankenhaus K zum Einsatz kommen. Er erfasst vielmehr auch die Arbeitnehmer der Beklagten, die in anderen medizinischen Einrichtungen, die von ihr unterhalten, tätig sind.

62

Zwar spricht der reine Wortlaut des § 1 für eine Beschränkung des Geltungsbereiches auf das Fachkrankenhaus. Bei systematischer Betrachtung ergibt sich aber, dass die Tarifvertragsparteien die tariflichen Vereinbarungen auch auf Arbeitnehmer zur Anwendung bringen wollten, die in anderen medizinischen Einrichtungen der Beklagten tätig sind. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des A-HTV war das vorgenannte Fachkrankenhaus einzige medizinische Einrichtung, die die Beklagte in H betrieben hat. Dies lässt sich bereits aus der Formulierung des Rubrums des Tarifvertrages „A Fachkrankenhaus ..., vertreten durch...“ ableiten. Die wenn auch juristisch ungenaue Formulierung lässt hinreichend deutlich erkennen, dass die Beklagte unter der damaligen Firma „insgesamt“ und nicht nur beschränkte auf die damals in H betriebene konkrete Einrichtung den nachfolgenden Regelungen des Tarifvertrages unterfallen sollte. Dieses Ergebnis wird durch § 2 A-HTV gestützt, der „Sonderregelung“ für Beschäftigte, die in Einrichtungen der Krankenpflege oder in Anstalten und Heimen beschäftigt sind, enthält. Die Bestimmung erfasst mithin auch die medizinische/pflegerische Einrichtung, die die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt in H nicht betrieben hat. Auch der weitere Inhalt des A-HTV spricht für eine Erstreckung auf sämtliche Arbeitnehmer der Beklagten. Der Haustarifvertrag zeichnet in weiten Bereichen den BAT-O nach und eignet sich daher als „Grundlage“ auch für solche Arbeitsverhältnisse, die nicht der Klinik für Psychiatrie und Neurologie, K organisatorisch zugeordnet sind. Andererseits enthält der Tarifvertrag gerade keine speziell auf ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie zugeschnittenen Spezialregelungen.

63

Letztendlich wird eine räumliche Beschränkung des Haustarifvertrages auf diese Einrichtung nicht dem Regelungszweck entsprechen. Dieser liegt darin, sämtliche mit dem vertragsschließenden Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisse einer tariflichen Grundlage zuzuführen. Dem würde es nicht gerecht werden, wenn bei nach Abschluss des Haustarifvertrages erfolgenden Veränderungen organisatorischer Art dem Unternehmen der Beklagten ein tariffreier Raum entstehen würde. Beispielsweise wäre hier zu nennen eine bauliche Erweiterung des Fachkrankenhauses und damit verbunden die Schaffung von neuen Abteilungen. Die für diese Abteilungen eingestellten Arbeitnehmer, aber auch „Alt-Arbeitnehmer“, die per Direktionsrecht in die neue Abteilung versetzt werden würden, obwohl sie gleichartige Tätigkeiten ausüben wie die im Bereich Psychiatrie/Neurologie tätigen Kollegen, von den tariflichen Regelungen nicht (mehr) erfasst.

64

Wäre von den Tarifvertragsparteien ein - Stichtag 28.03.2006 - einrichtungsbezogener und nicht ein unternehmensbezogener Geltungsbereich gewollt gewesen, wogegen im Übrigen auch die tatsächliche Handhabung - die Tarifvertragsparteien beziehen die in der von der Beklagten in O betriebenen Tagesklinik beschäftigten Arbeitnehmer in den Haustarifvertrag ein - spricht, so hätte dies seinen eindeutigen Niederschlag im Tarifvertrag finden müssen.

b)

65

Schlussendlich ergibt sich eine Anwendbarkeit der S TVe nicht auf individualrechtlicher Grundlage gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 4 Abs. 3 TVG Günstigkeitsprinzip. Voraussetzung hierfür wäre, dass die arbeitsvertraglichen Abreden eine konstitutiv wirkende dynamische Bezugnahmeklausel auf die S-TVe enthalten (vgl. grundlegend 14.12.2005 - 4 AZR 536/04). Eine solche Vereinbarung ist dem Sachvortrag der Parteien nicht zu entnehmen. Dabei kann dahinstehen, welche Bedeutung der in § 2 des Arbeitsvertrages vom 30.04.1992 enthaltenen Bezugnahmeklausel zukommt, da die (damaligen) Vertragsparteien hinsichtlich der Bezugnahme von Tarifverträgen im Änderungstarifvertrag vom 17.05.2010 eine Neuregelung getroffen haben. Gemäß § 2 des Änderungsvertrages soll sich das Arbeitsverhältnis nach dem TVöD - Stand 31.12.2006 - und dem Tarifvertrag zur Überleitung und Beschäftigungssicherung vom 05.03.2007 bestimmen. Aus dieser in Bezug auf den TVöD statischen Bezugnahmeklausel ergibt sich gerade keine konstitutiv wirkende Einbeziehung der S-TVe. Aus dem Vorbringen kann auch nicht abgeleitet werden, dass die damaligen Vertragsparteien eine solche Klausel konkludent vereinbart haben. Das zur Akte gereichte Schreiben der Betriebsveräußerin vom 28.10.2010 enthält kein diesbezügliches Vertrags-Angebot. Nach seinem Gesamtinhalt erfolgt hierin lediglich eine Information über den bereits vollzogenen Tarifwechsel.

III.

66

Nach alledem konnte das Rechtsmittel - soweit hierüber nach Teilrücknahme noch zu entscheiden war - der Klägerin keinen Erfolg haben.

B.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 519 ZPO.

C.

68

Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen die Revision für die Klägerin zuzulassen.


Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 18.02.2015 – 7 Ca 1216/14 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, welches Tarifwerk auf ihr Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt und darüber, ob die Beklagte der Klägerin deshalb weitere Arbeitsvergütung schuldet.

2

Die Klägerin, welche nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di ist, ist seit dem 01.09.1994 in dem zunächst von dem O bzw. dem diesen nachfolgenden Landkreis B als Eigenbetrieb geführten Kreiskrankenhaus in H, K, tätig. In § 2 des Arbeitsvertrages vom 28.08.1995 (Anl. B1, Bl. 45 f der Akte) ist folgendes vereinbart:

3

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.“

4

Mit Schreiben vom 15.11.2005 (Anl. K5, Bl. 10 f der Akte) teilte das damalige O-klinikum der Klägerin die Überleitung ihres Beschäftigungsverhältnisses in den TVöD mit.

5

Das Klinikum ging im Wege des Betriebsüberganges im Jahr 2007 an die S-O-Klinikum GmbH über.

6

Zunächst kamen auf die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der S-O-Klinikum GmbH die Bestimmungen des TVöD zur Anwendung. Mit Schreiben vom 20.08.2010 (Anl. K6, Bl. 12 der Akte) teilte das S-O-Klinikum GmbH der Klägerin mit, dass ihr Beschäftigungsverhältnis rückwirkend ab dem 01.01.2010 in den Konzern-Manteltarifvertrag (M-TV M/W/I S) übergeleitet werde und rückwirkend ab dem 01.07.2010 der Konzern-Entgelt-Tarifvertrag sowie damit verbundene haustarifliche Sonderregelungen wirksam würden. Mit weiterem Schreiben vom Oktober 2010 (Anl. K7, Bl. 13 der Akte) teilte die S-O-Klinikum GmbH der Klägerin nochmals mit, dass das Beschäftigungsverhältnis rückwirkend zum 01.01.2010 in die Tarifverträge des S-Konzerns übergeleitet werde, und führte in dem Schreiben nachfolgende Tarifverträge auf:

7

- Konzern-Mantel-Tarifvertrag (M-TV M/W/I S)

8

- Konzern-Entgelt-Tarifvertrag (E-TV M/W/I S)

9

- Konzern-Überleitung-Tarifvertrag (Ü-TV M/W/I S)

10

- Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung (TV-EUmw M/W/I S)

11

- Konzern-Tarifvertrag für Auszubildende (A-TV M/W/I S) bei Auszubildenden

12

- Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung (BFG-TV M/W/I S)

13

Seitdem richtete sich das Arbeitsverhältnis nach diesen Tarifverträgen.

14

Aufgrund eines Asset Deals fand mit Wirkung zum 01.11.2013 ein weiterer Betriebsübergang statt, diesmal auf die Beklagte, welche damals unter "A Krankenhausgesellschaft B mbH firmierte.

15

Die Beklagte betrieb bereits vor der Übernahme des „Oklinikums“ in H, K, eine medizinische Einrichtung, nämlich ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Sie hatte am 28.03.2006 mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen Haustarifvertrag abgeschlossen, dessen Rubrum wie folgt lautet:

16

"Haustarifvertrag

17

(mit weitergeltenden Regelungen aus dem BAT-O)

18

zwischen dem

19

A Fachkrankenhaus H, K,  H

20

vertreten durch die

21

Trägerschaft A Kliniken GmbH, K, H, diese vertreten durch die Geschäftsführerin, Frau M M

22

- einerseits -

23

und der

24

Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di,

25

vertreten durch die Landesbezirksleitung Sachsen-Anhalt,

26

N, M

27

- andererseits -

28

29

Weiter heißt es in diesem Tarifvertrag (im Folgenden A Haus-TV):

30

§ 1 Allgemeiner Geltungsbereich

31

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Beschäftigte des A Fachkrankenhauses H in H, die Mitglieder der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sind.

32

(2) Ausgenommen sind leitende Mitarbeiter/-innen im Sinne des § 5 (3) BetrVG und Beschäftigte, die im Sinne des § 8 SGB IV – unter Berücksichtigung des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV – geringfügig beschäftigt oder als Studierende nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V versicherungsfrei sind oder die nebenberuflich tätig sind.

33

§ 1 a Anwendung von Tarifverträgen

34

(1) Für die in § 1 (1) genannten Beschäftigten gelten die für die Angestellten der Länder zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und diese ändernden und ergänzenden Vorschriften einschließlich der Vergütungsregelung in der jeweils geltenden Fassung (für den Bereich Bund/Land) samt der z. Zt. (Stand Juni 2005) geltenden Sonderregelungen, Anlagen, Anhänge und sonstigen tariflichen Regelungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes abgeschlossen werden, soweit in diesem Tarifwerk nicht Abweichendes bestimmt wird.

35

…"

36

Mit Schreiben vom 07.11.2013 (Anlage K8, Bl. 16 ff. der Akte) informierte die Beklagte gemäß § 613a Abs. 5 BGB die Klägerin über den Betriebsübergang. Auf den Seiten 4 und 5 dieses Schreibens führte die Beklagte aus, dass bei den tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen und den Arbeitsverhältnissen mit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das jeweils anwendbare Tarifrecht "die bisherigen tariflichen Regelungen von S … durch den Tarifvertrag von A abgelöst" würden. Mit Schreiben vom 11.12.2013 (Anl. K9, Bl. 22 der Akte) widersprach die Klägerin der Anwendung des A Haus-TV und verlangte auch für die Zeit nach dem 01.11.2013 die Anwendung der S-Tarifverträge. Für den Monat November 2013 rechnete die Beklagte ein Gesamtbrutto in Höhe von es 2.717,85 € ab. Beim Betriebsveräußerer hätte sie in diesem Monat eine Vergütung i.H.v. 2768,73 € brutto erhalten.

37

Die Klägerin hat vorgetragen,

38

sie sei der Rechtsansicht, dass sich die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien weiter nach den für den S-Konzern geltenden Tarifverträgen (S-TVe) bestimmen würden. Sie hat hierzu ausgeführt, da sie nicht Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft sei und lediglich im Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag verwiesen werde, würde vorliegend ausschließlich die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB Anwendung finden. Eine Transformation nach der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB scheide ebenso aus wie eine Ablösung von Tarifverträgen nach der Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB. Da die vertragliche Bezugnahme auf tarifliche Regelungen nicht an eine Form gebunden sei, könne sie sich auch aus betrieblicher Übung oder konkludentem Verhalten der Arbeitsvertragsparteien ergeben. Auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin seien seit dem Jahr 2010 die tariflichen Regelung angewandt worden, deren dynamische Fortgeltung die Klägerin mit vorliegender Klage festgestellt wissen möchte.

39

Die Klägerin hat beantragt,

40

1. festzustellen, dass der Mantel-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (M-TV MHFH/W/I S),

41

der Entgelt-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TV MHFH/W/I S),

42

der Überleitungs-Konzern-Tarifvertrag (Ü-TV S) für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur,

43

der Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (TV-Eumw M/W/I S),

44

die Niederschrift zu den Konzerntarif-Verhandlungen zwischen der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der S Kliniken AG,

45

der Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (BFG-TV M/W/I S)

46

Inhalt des zwischen der Klägern und der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses ist.

47

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 50,88 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2013 zu zahlen.

48

Die Beklagte hat beantragt,

49

die Klage abzuweisen.

50

Die Beklagte hat vorgetragen,

51

der Feststellungsantrag unter Ziffer 1. sei bereits unzulässig, da ihm das notwendige Feststellungsinteresse fehle und er gegenüber einer Leistungsklage stets subsidiär sei. Der A Haus-TV finde zumindest aufgrund der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel Anwendung. Unter § 2 des Arbeitsvertrages vom 28.08.1995 sei eine sogenannte Tarifwechselklausel vereinbart.

52

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 18.02.2015 der Klage stattgegeben. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, die arbeitsvertragliche Vereinbarung sei als so genannte Gleichstellungsabrede auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts könne eine Klausel, die ausdrücke, dass das Verweisungsobjekt ergänzende, ändernde oder ersetzende Tarifverträge in Bezug nehme, wie dies typischerweise für die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes gelte, nicht als Bezugnahme auf den jeweils für den Betrieb fachlich/betrieblich geltenden Tarifvertrag (so genannte große dynamische Verweisungsklausel) ausgelegt werden. Das S-Tarifwerk finde aufgrund stillschweigender Vereinbarung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Denn wenn ein Arbeitgeber, der tarifgebunden sei, zur Gleichstellung der Außenseiter mit Gewerkschaftsmitgliedern einheitlich tarifliche Vorschriften anwende, sei dieses Verhalten regelmäßig als Angebot an die Außenseiter zu verstehen, dass auch auf Ihre Arbeitsverhältnisse die für den Arbeitgeber einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung Anwendung finden sollten. Dieses Angebot würden die Arbeitnehmer regelmäßig im Sinne des § 151 BGB stillschweigend annehmen.

53

Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 144 bis 152 der Akte verwiesen.

54

Die Beklagte hat gegen die ihr am 03.07.2015 zugestellte Entscheidung am 03.07.2015 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung auf den 05.10.2015 - am 05.10.2015 begründet.

55

Die Beklagte trägt vor,

56

entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Magdeburg sei die Klage hinsichtlich des Feststellungsantrages unzulässig und jedenfalls unbegründet. Das Arbeitsgericht befasse sich mit keinem Wort mit der Ablösungswirkung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB, der nicht nur für einschlägig gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter gelte, sondern auch Außenseiter erfasse. Außerdem finde der A Haus-TV wegen der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel Anwendung, es handele sich entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts um eine so genannte Tarifwechselklausel. Da die Beklagte am 20.02.2015 eine tarifliche Vereinbarung hinsichtlich einer Einmalzahlung i.H.v. 400 € mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen und im Monat März 2015 auch gegenüber der klagenden Partei zur Auszahlung gebracht habe, sei zumindest seit dem 01.04.2015 der A Haus-TV infolge konkludenter Vertragsänderung maßgeblich.

57

Die Beklagte beantragt,

58

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 18. Februar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

59

Die Klägerin beantragt,

60

die Berufung zurückzuweisen.

61

Die Klägerin trägt vor,

62

die nationale Regelung des § 613a BGB diene der Umsetzung der Richtlinie 77/187 EWG und der in Art. 3 gleichlautenden RL 2001/23. Die Beklagte habe aufgrund einer vertraglich vereinbarten Verweisungsklausel tarifvertragliche Regelungen mit übernommen. Hierbei würde eine privatautonom vereinbarte Verweisungsklausel nicht die normative Wirkung von Kollektivregelungen begründen. Die Klägerin habe daher ein Anspruch auf ungeschmälerte Fortzahlung des vor dem Betriebsinhaberwechsel geschuldeten Arbeitsentgelts.

63

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

64

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

I.

65

Der Feststellungsantrag (Ziffer 1) betreffend die Anwendbarkeit der S-TVe ist zulässig.

1.

66

Die Feststellungsklage ist als sog. Elementenfeststellungsklage zulässig (BAG 26.08.2015 – 4 AZR 719/13, Orientierungssatz Ziff. 1). Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die im Feststellungsantrag aufgeführten Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Die entsprechende Feststellung ist geeignet, eine Vielzahl von Einzelfragen zu klären, die sich an deren Anwendbarkeit knüpfen.

2.

67

Die Feststellungsklage ist auch begründet. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien finden die vor dem Betriebsinhaberwechsel im November 2013 geltenden S-TVe gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB weiter Anwendung.

a)

68

Der von der Klägerin mit der Feststellungsklage verfolgte Anspruch auf die Anwendung der S TVe ergibt sich nicht aus der Bezugnahmeklausel in § 2 des Arbeitsvertrages vom 28.08.1995 (Anl. B1, Bl. 45 f der Akte). Die dortige Vereinbarung

69

"Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung. Außerdem finden die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung.“

70

ist identisch mit der Vertragsklausel, welche der oben genannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.08.2015 (4 AZR 719/13) zu Grunde lag. Das Bundesarbeitsgericht kommt in seiner Entscheidung zu dem Ergebnis, dass die Abrede eine zeitdynamische Bezugnahme enthält, die die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst (VKA) in ihrer jeweils geltenden Fassung erfasst. Weder bei den S TVe noch bei dem A Haus-TV handelt es sich um ergänzende, ändernde oder ersetzende Tarifverträge im Sinne von § 2 des Arbeitsvertrages (BAG 26.08.2015 - 4 AZR 719/13, Rn. 15). Vielmehr ist der BAT (VKA) nach Abschluss des Arbeitsvertrages vom 28.8.1995 durch den TVöD (VKA) ersetzt worden.

71

Eine Bezugnahme auf die S TVe oder den A Haus-TV ergibt sich auch nicht aus dem zweiten Satz des § 2 des Arbeitsvertrages, wonach "außerdem... die für den Arbeitgeber jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung" finden. Der Begriff „außerdem" bedeutet "daneben", "des Weiteren", "im Übrigen", "zusätzlich". Aus der Wortwahl ergibt sich, dass mit dieser ergänzenden Bezugnahmeregelung Tarifverträge erfasst werden sollten, die "neben" dem BAT(VKA) oder "zusätzlich" zu diesem in die Anwendung kommen können. Dabei kann es sich allerdings nur um Tarifverträge handeln, deren inhaltliche Regelungsbereiche sich nicht mit denen des BAT(VKA) oder dessen Nachfolger, dem TVöD (VKA), überschneiden. Anderenfalls wären sie nicht "neben" dem, sondern vielmehr "anstelle" des BAT(VKA) anwendbar (BAG 26.08.2015 - 4 AZR 719/13, Rn. 16, 17).

b)

72

Der von der Klägerin mit der Feststellungsklage verfolgte Anspruch auf die Anwendung der S TVe ergibt sich vielmehr durch eine betriebliche Übung, die die vertragliche Regelung in § 2 des Arbeitsvertrages vom 28.08.1995 abgelöst hat.

73

Dies folgt aus der Auslegung des beiderseitigen Verhaltens der Klägerin und der S-O-Klinikum GmbH gemäß §§ 133, 157 BGB. Eine ausdrückliche Vereinbarung hinsichtlich der Anwendung der S TVe haben die Parteien im Arbeitsvertrag nicht getroffen. Gleichwohl leitete die Rechtsvorgängerin der Beklagten das zwischen ihr und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 01.01.2010 in die S TVe über und teilte dies mit Schreiben vom 20.08.2010 und mit weiterem Schreiben vom Oktober 2010 der Klägerin schriftlich mit. Es entsprach dem objektiv erkennbaren Willen der S-O-Klinikum GmbH, unabhängig von ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin die S TVe zur Anwendung zu bringen. Sie wollte erkennbar sämtliche Arbeitnehmer in ihrem Betrieb allgemein nach den für sie geltenden tariflichen Vorschriften einheitlich behandeln. Wendet ein Arbeitgeber, ohne hierzu aus anderen rechtlichen Gründen verpflichtet zu sein, über Jahre hinweg regelmäßig und ohne Vorbehalt der Freiwilligkeit die im Übrigen in seinem Betrieb geltenden tariflichen Vorschriften im gleichen Maße auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer an, so erwächst diesen ein Anspruch auf künftige Anwendung der Tarifnormen aus betrieblicher Übung. Aus dem Verhalten der Beklagten ist ein Rechtsbindungswille zu ermitteln, über die schriftliche Vereinbarung hinaus der Klägerin gegenüber die S TVe zur Anwendung zu bringen. Dieses konkludente Angebot der Beklagten hat die Klägerin gemäß § 151 BGB angenommen (BAG 14.11.2001 - 10 AZR 698/00, Rn. 63).

c)

74

Aus der im Wege der betrieblichen Übung begründeten Gleichstellungsabrede hinsichtlich der Anwendung der S TVe folgt nicht, dass ab dem Zeitpunkt des Betriebsüberganges im November 2013 nunmehr der A Haus-TV zur Anwendung kommt.

75

Zwar ergibt sich im vorliegenden Fall, dass der Arbeitgeber zur Gleichstellung der Außenseiter mit Gewerkschaftsmitgliedern einheitlich tarifliche Vorschriften anwendet, weiterhin, dass mit den Außenseitern im Zweifel keine statische Inbezugnahme der Tarifverträge in einer bestimmten Fassung beabsichtigt ist, sondern eine Verweisung auf den entsprechenden Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung. Die Gleichstellung umfasst daher auch eine Tarifänderung (BAG 14.11.2001 - 10 AZR 698/00, Rn. 64). Die Gleichstellung kann jedoch nicht als Tarifwechselklausel ausgelegt werden, es handelt sich bei dem A Haus-TV nicht um "einen entsprechenden Tarifvertrag in seiner jeweils geltenden Fassung" (S TVe), sondern um einen anderen Tarifvertrag.

d)

76

Eine im Wege der betrieblichen Übung vereinbarte Gleichstellungsabrede hinsichtlich der Anwendung des A Haus-TV ist auch nicht im März 2015 begründet worden, weil die Beklagte an die Klägerin nach einer im Februar 2015 abgeschlossenen tariflichen Vereinbarung eine Einmalzahlung i.H.v. 400 € brutto zur Auszahlung gebracht hat. Es fehlt hierzu an einer konkludenten Annahme eines entsprechenden Vertragsangebotes durch die Klägerin. Vielmehr hat die Klägerin bereits zuvor mit Schreiben vom 11.12.2013 (Anl. K9, Bl. 22 der Akte) ausdrücklich der Anwendung des A Haus-TV widersprochen. Die bloße Hinnahme einer Einmalzahlung kann daher unter Berücksichtigung des Schreibens der Klägerin vom 11.12.2013 und des schon zum Zeitpunkt der Erbringung der Einmalzahlung durch die Klägerin hier geführten Rechtsstreits über die Frage der Anwendung der S TVe nicht als konkludentes Einverständnis gewertet werden, zukünftig den A Haus-TV zur Anwendung zu bringen.

e)

77

Letztlich sind die S TVe auch nicht gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB von dem A Haus-TV abgelöst worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt die Ablösung eines vor dem Betriebsübergang normativ geltenden Tarifvertrages durch einen anderen Tarifvertrag nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB die kongruente Tarifgebundenheit des neuen Inhabers und des Arbeitnehmers voraus (so BAG 09.04.2008 - 4 AZR 164/07, Rn. 19). Die Vorschrift ist nicht dazu bestimmt, auf beim Veräußerer vertraglich begründete Rechte und Pflichten Einfluss zu nehmen (BAG 17.11.2010 - 4 AZR 391/09, Rn. 23). Vorliegend fehlt es zumindest an der normativen Tarifbindung der Klägerin (§ 3 Abs. 1 TVG).

78

Es war daher nach dem Feststellungsantrag der Klägerin zu entscheiden.

II.

79

Die erstinstanzliche Entscheidung bleibt auch hinsichtlich des Leistungsantrages der Klägerin (Ziffer 2.) bestehen. Die Klägerin hat einen Anspruch auf ungeschmälerte Fortzahlung des vor dem Betriebsinhaberwechsel geschuldeten Arbeitsentgelts für den Monat November 2013.

B.

80

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Kosten der von der Beklagten ohne Erfolg eingelegten Berufung fallen dieser zur Last.

C.

81

Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen die Revision für die Beklagte zuzulassen.


Tenor

1. Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 18.02.2015 – 7 Ca 1672/14 – werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten der ersten und der zweiten Instanz tragen die Klägerin zu 74 % und die Beklagte zu 26 %.

3. ´Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Frage, welches Tarifwerk auf ihr Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommt und darüber, ob die Beklagte der Klägerin deshalb weitere Arbeitsvergütung schuldet.

2

Die Klägerin, welche seit dem 01.12.2009 Mitglied der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di ist, ist seit 1981 als Krankenschwester im Kreiskrankenhaus H tätig (Bl. 6 f Akte). Unter dem Datum 01.04.1991 vereinbarte die Klägerin mit dem Kreiskrankenhaus H Folgendes (Bl. 9 der Akte):

3

"Für das bereits bestehende Arbeitsverhältnis gilt der Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) Ost in der jeweilig gültigen Fassung ab 01.04.1991.“

4

Unter dem Datum 01.07.1991 / 10.07.1991 schlossen die Parteien einen weiteren Arbeitsvertrag (Bl. 17 f der Akte), der in den für die Entscheidung des Rechtsstreits wesentlichen Passagen folgenden Wortlaut hat:

5

"…

§ 3

6

Für das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge in der z. Zeit geltenden Fassung und den dieses ergänzenden rechtlichen Bestimmungen Anwendung. Weiterhin sind die Bestimmungen des Einigungsvertrages und seiner Anlagen vom 31.08.1990 i.V.m. Art. 1 des Einigungsvertragsgesetzes vom 23.09.1990 anzuwenden.

7

§ 5

8

Die Angestellte ist gemäß § 22 BAT-O in Vergütungsgruppe Kr IV eingruppiert.

9

§ 7

10

Änderungen und Ergänzungen dieses Arbeitsvertrages einschließlich der Nebenabreden sind gem. § 4 BAT-O nur wirksam, wenn Sie schriftlich vereinbart werden.

11

…"

12

Die Klägerin ist seitdem in dem zunächst von dem Landkreis H, dem O und nachfolgend dem Landkreis B geführten Kreiskrankenhaus in H, K, tätig. Mit Schreiben vom 15.11.2005 (Bl. 309 der Akte) teilte das O-klinikum der Klägerin mit, dass ab dem 01.10.2005 der BAT-O durch den TVöD-VKA ersetzt worden ist und führte aus:

13

 "…

14

Aus diesem Grund ist es erforderlich, ihr Arbeitsverhältnis in dieses neue Tarifrechts überzuleiten. Eine Änderung ihres Arbeitsvertrages bedarf es nicht.

15

 …"

16

Im Monat März 2007 bezog die Klägerin bei einer Arbeitszeit von 38,5 von 40 Tarifstunden eine Vergütung i.H.v. 2.421,14 € brutto (Abrechnungen Bl. 311 der Akte), bestehend aus der Vergütung nach der Entgeltgruppe 8A, der Zulage nach § 52 TVöD-BT-K und vermögenswirksamen Leistungen.

17

Das Klinikum ging im Wege des Betriebsüberganges im Jahr 2007 an die S-Ohre-Klinikum GmbH über.

18

Zunächst kamen auf die Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und der S-Ohre-Klinikum GmbH die Bestimmungen des TVöD weiter zur Anwendung. Die S-Ohre-Klinikum GmbH und die Gewerkschaft ver.di schlossen unter dem 24.04.2010 mit Rückwirkung zum 01.01.2010 eine "Vereinbarung tariflicher Eckpunkte" sowie unter dem 25.02.2013 mit Rückwirkung zum 01.07.2012 einen "Tarifvertrag O-Klinikum 2012". Nach den vorgenannten tariflichen Regelungen erfolgte die Einbeziehung der S-O-Klinikum GmbH in die Konzerntarifverträge, die die S AG mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen hatte, insbesondere den Konzern-Manteltarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur und den Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für diese Funktionsbereiche.

19

Mit Schreiben vom Oktober 2010 (Bl. 216 der Akte) teilte die S-O-Klinikum GmbH der Klägerin mit, dass das Beschäftigungsverhältnis rückwirkend zum 01.01.2010 in die Tarifverträge des S-Konzerns übergeleitet werde, und führte in dem Schreiben nachfolgende Tarifverträge auf:

20

- Konzern-Mantel-Tarifvertrag (M-TV M/W/I S)

21

- Konzern-Entgelt-Tarifvertrag (E-TV M/W/I S)

22

- Konzern-Überleitung-Tarifvertrag (Ü-TV M/W/I S)

23

- Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung (TV-EUmw M/W/I S)

24

- Konzern-Tarifvertrag für Auszubildende (A-TV M/W/I S) bei Auszubildenden

25

- Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung (BFG-TV M/W/I S)

26

Seitdem richtete sich das Arbeitsverhältnis nach diesen Tarifverträgen. Gemäß § 2 Ziff. 5 S. 2 des Tarifvertrages O-Klinikum 2012 (Bl. 155, 156 der Akte) arbeitete die Klägerin in Vollzeit 35 Wochenstunden.

27

Aufgrund eines Asset Deals fand mit Wirkung zum 01.11.2013 ein weiterer Betriebsüber-gang statt, diesmal auf die Beklagte, welche zunächst unter "A Kliniken GmbH", seit dem Jahr 2010 unter „A Krankenhausgesellschaft B mbH" und seit 2014 unter „A Klinikum H GmbH“ firmiert.

28

Die Beklagte betrieb bereits vor der Übernahme des „O-klinikums“ in H, K, eine medizinische Einrichtung, nämlich ein Fachkrankenhaus für Psy-chiatrie und Neurologie. Sie hatte am 28.03.2006 mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di einen Haustarifvertrag abgeschlossen (Bl. 183 ff. der Akte), dessen Rubrum wie folgt lautet:

29

"Haustarifvertrag

30

(mit weitergeltenden Regelungen aus dem BAT-O)

31

zwischen dem

32

A Fachkrankenhaus H, K, H

33

vertreten durch die

34

Trägerschaft A Kliniken GmbH, K, H, diese vertreten durch die Geschäftsführerin, Frau M M

35

    - einerseits -

36

und der

37

Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di,

38

vertreten durch die Landesbezirksleitung Sachsen-Anhalt,

39

N, M

40

    - andererseits -

41

42

Weiter heißt es in diesem Tarifvertrag (im Folgenden A Haus-TV):

43

§ 1 Allgemeiner Geltungsbereich

44

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Beschäftigte des A Fachkranken-hauses H in H, die Mitglieder der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sind.

45

(2) Ausgenommen sind leitende Mitarbeiter/-innen im Sinne des § 5 (3) BetrVG und Beschäftigte, die im Sinne des § 8 SGB IV – unter Berücksichtigung des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV – geringfügig beschäftigt oder als Studierende nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V versicherungsfrei sind oder die nebenberuflich tätig sind.

46

 § 1 a Anwendung von Tarifverträgen

47

(1) Für die in § 1 (1) genannten Beschäftigten gelten die für die Angestellten der Länder zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und diese ändernden und ergänzenden Vorschriften einschließlich der Vergütungsregelung in der jeweils geltenden Fassung (für den Bereich Bund/Land) samt der z. Zt. (Stand Juni 2005) geltenden Sonderregelungen, Anlagen, Anhänge und sonstigen tariflichen Regelungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes abgeschlossen werden, soweit in diesem Tarifwerk nicht Abweichendes bestimmt wird.

48

49

§ 15 regelmäßige Arbeitszeit

50

Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen durchschnittlich 38 Stunden wöchentlich. …

51

52

§ 75 Sonderzahlung

53

Zuwendung und Urlaubsgeld werden durch folgende sonder Zahlungsregelung abgelöst:

54

(1) Höhe der Sonderzahlung:

55

Ab dem Jahr 2006 wird eine Sonderzahlung i.H.v. 30 % der vormaligen Zuwendung zur Auszahlung kommen.

56

…"

57

Am 23.11.2007 wurde die Abspaltung der Einrichtungen "A Pflegehaus am W" und "A psychiatrische Wohnhäuser im P" auf die "A Pflege und Eingliederungshilfe GmbH" ins Handelsregister des Amtsgerichts Stendal eingetragen.

58

Der A Haus-TV wurde durch die Gewerkschaft ver.di zum 31.12.2010 gekündigt (Bestätigung der Beklagten vom 22.07.2010, Bl. 467 der Akte). Unter dem Datum 20.06.2012 schlossen die Beklagte und die Gewerkschaft ver.di einen "Änderungstarifvertrag (Bereich "Klinikum“)" mit einer Laufzeit bis zum 31.12.2013 ab, der insbesondere eine Entgelterhöhung um 8 % nebst einer Einmalzahlung zum Gegenstand hatte (Bl. 75 f der Akte). Für den Bereich "Pflege und Eingliederung" wurde ein separater Änderungstarifvertrag abgeschlossen.

59

Mit Schreiben vom 07.11.2013 (Bl. 302 ff. der Akte) informierte die Beklagte gemeinsam mit der S-O-Klinikum GmbH gemäß § 613a Abs. 5 BGB die Klägerin über den Betriebsübergang auf die Beklagte. Auf den Seiten 4 und 5 dieses Schreibens führte die Beklagte aus, dass bei den tarifgebundenen Arbeitsverhältnissen und den Arbeitsverhältnissen mit einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel auf das jeweils anwendbare Tarifrecht "die bisherigen tariflichen Regelungen von S … durch den Tarifvertrag von A abgelöst" würden.

60

Für den Monat Februar 2014 bezog die Klägerin bei der Beklagten ein Gehalt in Höhe von 2.371,28 € brutto, bestehend aus Grundgehalt, Ortszuschlag, allgemeiner Zulage und VWL AG Anteil und zusätzlich eine Zuwendung i.H.v. 437,53 € brutto für das Jahr 2013 (Abrechnung Bl. 77 der Akte).

61

Mit Schreiben vom 28.04.2014 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Eingruppierung gemäß dem S Tarifwerk, Differenzen zum Grundgehalt und die Zahlung aller entsprechenden Vergütungsbestandteile sowie Erfolgsbeteiligung für das Jahr 2013 geltend. Mit der am 18.06.2014 erhobenen und am 24.06.2014 der Beklagten zugestellten Klage verfolgt sie diese Ansprüche gerichtlich.

62

Die Klägerin hat vorgetragen,

63

sie habe Anspruch auf Vergütung nach den S TVe, diese hätten das Arbeitsverhältnis zwischen ihr und der S-O-Klinikum GmbH kraft beiderseitiger Tarifbindung bestimmt. Diese Rechte und Pflichten aus den Tarifverträgen sei gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB zum Inhalt des Arbeitsvertrages zwischen den Parteien geworden. Der A Haus-TV habe keine Ablösungswirkung gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB erzeugen können, da es an einer beiderseitigen (kongruenten) Tarifbindung nach dem Betriebsübergang mangele. Der A Haus-TV erfasse nicht die Einrichtung, in der die Klägerin tätig sei, sondern sei nur für das A-Fachkrankenhaus in H abgeschlossen worden. Bei der Vertragsklausel in § 3 des Arbeitsvertrages vom 01.07.1991 / 10.07.1991 handelt es sich um eine zeitdynamische (kleine dynamische) Bezugnahme auf den BAT und den diesen ergänzenden Tarifverträgen. Ihr stehe daher ein Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzahlung gemäß § 20 TVöD-K zu.

64

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

65

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat November 2013 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

66

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat Dezember 2013 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

67

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat Januar 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

68

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat Februar 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

69

5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat März 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

70

6. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat April 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

71

7. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat Mai 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

72

8. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat Juni 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

73

9. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat Juli 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

74

10. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat August 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

75

11. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat September 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

76

12. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin restliches Gehalt für den Monat Oktober 2014 in Höhe von 30,79 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

77

13. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über das bei ihr für das Jahr 2013 geplante Betriebsergebnis vor Zinsen, Abschreibung Steuern (EBITDA), berechnet nach IFRS (International Financial Reporting Standards) oder - falls die Beklagte nicht nach IFRS Rechnung legt - nach HGB und das im Jahre 2013 erzielte Betriebsergebnis vor Zinsen, Abschreibung Steuern (EBITDA), berechnet nach IFRS (International Financial Reporting Standards) oder - falls die Beklagte nicht nach IFRS Rechnung legt - nach HGB.

78

Nach erteilter Auskunft:

79

14. Die Beklagte wird verurteilt, durch ihre Geschäftsführer Herrn K S oder durch ihre Geschäftsführerin Frau M M die Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern.

80

15. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine noch der Höhe nach zu beziffernde Erfolgsbeteiligung gem. § 7 des Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der S Kliniken AG vom 01.09.2009 in der Fassung des 1. Änderungstarifvertrages vom 20.07.2009 zu zahlen.

81

16. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 01.11.2013 folgende Tarifverträge Anwendung finden:

82

a. Vereinbarung tariflicher Eckpunkte vom 24.04.2010, abgeschlossen zwischen der S O-Klinikum GmbH und der Gewerkschaft ver.di,

83

b. Tarifvertrag O-Klinikum 2012vom 25.02.2013, abgeschlossen zwischen der S O-Klinikum GmbH und der Gewerkschaft ver.di,

84

c. Konzern-Manteltarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (M-TV MAA//I S) in Einrichtungen der S Kliniken AG in der Fassung des 1. Änderungs-TV vom 16.08.2011, abgeschlossen zwischen der S Kliniken AG und der Gewerkschaft ver.di,

85

d. Konzern-Entgelt-Tarifvertag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TV M/W/l S) in Einrichtungen der S Kliniken AG in der Fassung dess 1. Änderungs-TV vom 20.07.2009, abgeschlossen zwischen der S Kliniken AG und der Gewerkschaft ver.di.

86

17. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.513,96 € brutto Überstundenvergütung für 59,4 in der Zeit vom 03.03. bis 29.08.2014 geleistete Überstunden sowie Differenzentgeltfortzahlung für Feiertage und Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 03.03. bis 29.08.2014 sowie Differenzurlaubsentgelt für in der Zeit vom 03.03. bis 29.08.2014 genommenen Urlaub (insgesamt weitere 18,6 Stunden) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

87

18. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Jahressonderzuwendung für das Jahr 2014 in Höhe von 1.613,05 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.11.2014 zu zahlen.

88

Die Beklagte hat beantragt,

89

die Klage abzuweisen.

90

Die Beklagte hat vorgetragen,

91

die S TVe seien gemäß § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB durch den A Haus-TV abgelöst worden. Der A Haus-TV beziehe sich auf die Beklagte insgesamt und sehe keine Beschränkung des Geltungsbereiches vor. Auch aus dem Änderungstarifvertrag aus dem Jahre 2012 ergebe sich nichts anderes. Im Jahr 2012 habe die Beklagte Verhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di über die Erhöhung der Vergütung aller Mitarbeiter geführt. Zwischen den Tarifvertragsparteien habe stets Einigkeit bestanden, dass die Lohnrunde für alle Arbeitnehmer der Beklagten gelte. Es sei letztlich zwei separate Tarifverträge für den Bereich "Klinikum" und den Bereich "Pflege und Eingliederung" abgeschlossen worden. Die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag führe nicht zu einem Anspruch gemäß § 20 TVöD-K.

92

Soweit die Klägerin die Jahressonderzuwendung gemäß § 20 TVöD-K begehrt, hat das Arbeitsgericht mit Urteil vom 18.02.2015 der Klage stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt, es habe keine Transformation gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB dahingehend stattgefunden, dass die bis zum Betriebsübergang am 01.11.2013 zwischen der Klägerin und der S-O-Klinikum GmbH geltenden S TVe Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten geworden seien. Die Regelung des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB sei durch die Regelung § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB verdrängt worden. Zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs seien nämlich die Rechte und Pflichten durch Rechtsnormen eines anderen Tarifvertrages geregelt worden, nämlich den A Änderungs-TV vom 20.06.2012 zum A Haus-TV vom 28.03.2006. An diesen A Änderungs-TV seien beide Parteien zum Zeitpunkt des Betriebsüberganges gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden gewesen. Die Klägerin habe jedoch einen Anspruch auf Zahlung der Jahressonderzuwendung für das Jahr 2014, die Anwendung des § 20 TVöD-K folge aus der Gleichstellungsabrede im Arbeitsvertrag vom 01.07.1991/10.07.1991. Ein Günstigkeitsvergleich gemäß § 4 Abs. 3 TVG ergebe, dass hier der Anspruch § 20 TVöD-K vorgehe. Eine Anrechnung der von der Beklagten erbrachten Sondervergütung i.H.v. 437,53 € finde nicht statt, da es sich hier um eine Leistung für das Jahr 2013 gehandelt habe.

93

Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 144 bis 152 der Akte verwiesen.

94

Die Klägerin hat gegen die ihr am 06.07.2015 zugestellter Entscheidung am 09.07.2015 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20.10.2015 - am 19.10.2015 begründet.

95

Die Beklagte hat gegen die ihr am 07.07.2015 zugestellte Entscheidung am 05.08.2015 Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung auf den 07.10.2015 - am 06.10.2015 begründet.

96

Die Klägerin trägt vor,

97

die S TVe seien nicht durch den A Haus-TV verdrängt worden. Der A Haus-TV gelte nicht für alle Mitarbeiter. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass weder der A Haus-TV noch der A Änderungs-TV für die Arbeitnehmer der Einrichtung A Eingliederung H und der Einrichtung A Pflegehaus am W gelte. Diametral im Widerspruch stehe hierzu die Wertung des Arbeitsgerichts, deswegen sei nicht die Annahme gerechtfertigt, dass nach dem Willen der Tarifvertragsparteien sich der Geltungsbereich nicht auf sämtliche Arbeitnehmer der Beklagten erstrecken solle. Im Übrigen fehle es an einer kongruenten Tarifbindung zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 01.11.2013. Dies nicht nur deshalb, weil weder der A Haus-TV noch der A Änderungs-TV auf die übernommene Einrichtung Anwendung finden würden, sondern auch deshalb, weil der A Haus-TV zum 31.12.2010 gekündigt worden sei und nur noch in der Nachwirkung gegolten habe. Diese Situation habe sich auch nicht durch den Abschluss des A Änderungs-TV verändert, da mit diesem Tarifvertrag nicht der gesamte A Haus-TV wieder in Kraft gesetzt worden sei, lediglich die Entgeltregelungen des A Haus-TV seien fortgeführt worden. Im Übrigen ergebe sich aus der Scattolon-Entscheidung des EUGH, dass eine sofortige Anwendung eines beim Erwerber geltenden Kollektivvertrages nach einem Betriebsübergang nicht dazu führen dürfe, dass den übergegangenen Arbeitnehmern insgesamt schlechtere Arbeitsbedingungen als vor dem Übergang auferlegt werden könnten. Der Klägerin würden die Ansprüche nach den S TVe angesichts der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts auch auf arbeitsvertraglicher Grundlage zustehen. Das Arbeitgeberschreiben vom 15.11.2005 mit der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD habe den Altvertrag in Bezug genommen, dieser sei daher nunmehr als echte dynamische Verweisung auszulegen.

98

Die Klägerin beantragt,

99

Das Urteil des Arbeitsgerichtes Magdeburg vom 18.02.2015 (7 Ca 1672/14) wird teilweise abgeändert und beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin nachfolgende Beträge zu zahlen:

100

1. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat November 2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

101

2. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat Dezember 2013 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

102

3. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat Januar 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

103

4. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat Februar 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

104

5. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat März 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

105

6. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat April 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

106

7. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat Mai 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

107

8. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat Juni 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

108

9. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat Juli 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

109

10. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat August 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

110

11. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat September 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

111

12. 30,79 € brutto restliches Gehalt für den Monat Oktober 2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,

112

13. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft zu erteilen über das bei ihr für das Jahr 2013 geplante Betriebsergebnis vor Zinsen, Abschreibung Steuern (EBITDA), berechnet nach IFRS (International Financial Reporting Standards) oder - falls die Beklagte nicht nach IFRS Rechnung legt - nach HGB und das im Jahre 2013 erzielte Betriebsergebnis vor Zinsen, Abschreibung Steuern (EBITDA), berechnet nach IFRS (International Financial Reporting Standards) oder - falls die Beklagte nicht nach IFRS Rechnung legt - nach HGB.

113

Nach erteilter Auskunft:

114

14. Die Beklagte wird verurteilt, durch ihre Geschäftsführer Herrn K S oder durch ihre Geschäftsführerin Frau M M die Richtigkeit der erteilten Auskunft an Eides statt zu versichern.

115

15. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine noch der Höhe nach zu beziffernde Erfolgsbeteiligung gem. § 7 des Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der S Kliniken AG vom 30.01.2009 in der Fassung des 1. Änderungstarifvertrages vom 20.07.2009 zu zahlen.

116

16. Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 01.11.2013 folgende Tarifverträge Anwendung finden:

117

a. Vereinbarung tariflicher Eckpunkte vom 24.04.2010, abgeschlossen zwischen der S O-Klinikum GmbH und der Gewerkschaft ver.di,

118

b. Tarifvertrag O-Klinikum 2012 vom 25.02.2013, abgeschlossen zwischen der S O-Klinikum GmbH und der Gewerkschaft ver.di,

119

c. Konzern-Manteltarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (M-TV MAA//I S) in Einrichtungen der S Kliniken AG in der Fassung des 1. Änderungs-TV vom 16.08.2011, abgeschlossen zwischen der S Kliniken AG und der Gewerkschaft ver.di,

120

d. Konzern-Entgelt-Tarifvertag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TV M/W/l S) in Einrichtungen der S Kliniken AG in der Fassung dess 1. Änderungs-TV vom 20.07.2009, abgeschlossen zwischen der S Kliniken AG und der Gewerkschaft ver.di.

121

17. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.513,96 € brutto Überstundenvergütung für 59,4 in der Zeit vom 03.03. bis 29.08.2014 geleistete Überstunden sowie Differenzentgeltfortzahlung für Feiertage und Arbeitsunfähigkeit in der Zeit vom 03.03. bis 29.08.2014 sowie Differenzurlaubsentgelt für in der Zeit vom 03.03. bis 29.08.2014 genommenen Urlaub (insgesamt weitere 18,6 Stunden) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

122

Die Beklagte beantragt,

123

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

124

Die Beklagte beantragt weiter,

125

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 18.02.2015 abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

126

Die Klägerin beantragt.

127

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

128

Die Beklagte trägt vor,

129

entgegen der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts Magdeburg stehe der Klägerin keine Jahressonderzahlung gemäß § 20 TVöD-K zu. Der A Haus-TV habe die alten Tarifverträge in jeder Hinsicht abgelöst. Die arbeitsvertragliche Regelung im Arbeitsvertrag vom 01.07.1991/10.07.1991 verweise auf die für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge, dies sei der A Haus-TV. Im Übrigen sei die arbeitsvertragliche Regelung allenfalls als Gleichstellungsabrede zu qualifizieren, welche nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer mit gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmern gleichstellen wolle. Da die klagende Partei aber ver.di Mitglied sei, komme ihr keine Bedeutung zu.

130

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

131

Die Berufung der Klägerin ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 66 Abs. 1 ArbGG), sie ist jedoch unbegründet.

1.

132

Gegen die Zulässigkeit der Leistungsantrage (Ziff. 1 – 12 und 17) und der Stufenklage gemäß § 254 ZPO (Ziff. 13 – 15) bestehen keine Bedenken. Der Feststellungsantrag der Klägerin (Ziff. 16) ist als sog. Elementenfeststellungsklage zulässig. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass die im Feststellungsantrag aufgeführten Tarifverträge auf ihr Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Die entsprechende Feststellung ist geeignet, eine Vielzahl von Einzelfragen zu klären, die sich an deren Anwendbarkeit knüpfen (BAG 26.08.2015 – 4 AZR 719/13, Orientierungssatz Ziff. 1).

2.

133

Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien finden nicht die S-TVe, sondern der A-HTV in der Form des A Änderungs-TV Anwendung.

a)

134

Der A Haus-TV in der Fassung des A Änderungs-TV hat die S-TVe zum 01.11.2013 gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst, weshalb sowohl die Leistungsklageanträge, die Stufenklage und die Elementenfeststellungsklage - und damit die Berufungsanträge der Klägerin insgesamt - keinen Erfolg haben können.

135

Voraussetzung für das Eingreifen des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB ist, dass hinsichtlich des maßgeblichen Tarifvertrages eine kongruente Tarifbindung des Arbeitnehmers und des Betriebserwerbers besteht (BAG 09.04.2008 – 4 AZR 164/07 – Rn. 19. Das ist vorliegend der Fall.

aa)

136

Grundsätzlich wird das Arbeitsverhältnis der Parteien von Tarifverträgen, die die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di schließt, gemäß § 4 Abs. 1 TVG erfasst, weil die Klägerin seit dem 01.12.2009 Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist.

bb)

137

Weiterhin unterfällt die Klägerin dem Geltungsbereich des A Haus-TV in der Fassung des A Änderungs-TV. Der Tarifvertrag erfasst auch die im „O-klinikum“ vor dem 01.11.2013 tätigen Arbeitnehmer. Dies ergibt eine Auslegung des § 1 des A Haus-TV.

138

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG 12.08.2015 – 7 AZR 592/13 – Rn. 15) ist der normative Teil eines Tarifvertrages nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinne der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen: Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

139

Bei Anwendung dieser Auslegungskriterien ergibt sich, dass der A Haus-TV nicht auf Arbeitnehmer beschränkt sein soll, die in dem Fachkrankenhaus K zum Einsatz kommen. Er erfasst vielmehr auch die Arbeitnehmer der Beklagten, die in anderen medizinischen Einrichtungen, die von ihr unterhalten werden, tätig sind.

140

Zwar spricht der reine Wortlaut des § 1 für eine Beschränkung des Geltungsbereiches auf das Fachkrankenhaus. Bei systematischer Betrachtung ergibt sich aber, dass die Tarifvertragsparteien die tariflichen Vereinbarungen auch auf Arbeitnehmer zur Anwendung bringen wollten, die in anderen medizinischen Einrichtungen der Beklagten tätig sind. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des A Haus-TV war das vorgenannte Fachkrankenhaus die einzige medizinische Einrichtung, die die Beklagte in H betrieben hat. Dies lässt sich bereits aus der Formulierung des Rubrums des Tarifvertrages "A Fachkrankenhaus …, vertreten durch …" ableiten. Die – wenn auch juristisch ungenaue – Formulierung lässt hinreichend deutlich erkennen, dass die Beklagte (unter der damaligen Firma) "insgesamt" und nicht nur beschränkt auf die damals in Haldensleben betriebene konkrete Einrichtung den nachfolgenden Regelungen des Tarifvertrages unterfallen sollte. Dieses Ergebnis wird durch § 2 A Haus-TV gestützt, der "Sonderregelungen" für Beschäftigte, die in Einrichtungen der Krankenpflege oder in Anstalten und Heimen beschäftigt sind, enthält. Die Bestimmung erfasst mithin medizinische/pflegerische Einrichtungen, die die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt in H nicht betrieben hat. Auch der weitere Inhalt des A Haus-TV spricht für eine Erstreckung auf sämtliche Arbeitnehmer der Beklagten. Der Haustarifvertrag zeichnet in weiten Bereichen den BAT-O nach und eignet sich daher als "Grundlage" auch für solche Arbeitsverhältnisse, die nicht der Klinik für Psychiatrie und Neurologie, K organisatorisch zugeordnet sind. Andererseits enthält der Tarifvertrag gerade keine speziell auf ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie zugeschnittenen Spezialregelungen.

141

Letztendlich würde eine räumliche Beschränkung des Haustarifvertrages auf die vorgenannte Einrichtung nicht dem Regelungszweck entsprechen. Dieser liegt darin, für sämtliche mit dem vertragsschließenden Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisse eine tarifliche Grundlage zu schaffen. Dem würde es nicht gerecht werden, wenn bei nach Abschluss des Haustarifvertrages erfolgenden Veränderungen organisatorischer Art in dem Unternehmen der Beklagten ein tariffreier Raum entstehen würde. Beispielhaft wäre hier zu nennen eine bauliche Erweiterung des Fachkrankenhauses und damit verbunden die Schaffung von neuen Abteilungen. Die für diese Abteilungen eingestellten Arbeitnehmer, aber auch "Alt-Arbeitnehmer", die per Direktionsrecht in die neue Abteilung versetzt werden, würden, obwohl sie gleichartige Tätigkeiten ausüben wie die im Bereich Psychiatrie/Neurologie tätigen Kollegen, von den tariflichen Regelungen nicht (mehr) erfasst.

142

Wäre von den Tarifvertragsparteien ein – Stichtag 28.03.2006 – einrichtungsbezogener und nicht ein unternehmensbezogener Geltungsbereich gewollt gewesen, wogegen im Übrigen auch die tatsächliche Handhabung spricht – die Tarifvertragsparteien beziehen die in der von der Beklagten in O betriebenen Tagesklinik beschäftigten Arbeitnehmer in den Haustarifvertrag ein - so hätte dies seinen eindeutigen Niederschlag im Tarifvertrag finden müssen.

cc)

143

An einer kongruenten Tarifbindung fehlt es nicht deshalb, weil der zum 31.12.2010 gekündigte A Haus-TV zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs am 01.11.2013 nur noch im Wege der Nachwirkung galt und daher für das am 01.11.2013 durch den Betriebsübergang von der Beklagten mit der Klägerin neu begründete Arbeitsverhältnis keine Anwendung mehr finden konnte. Vielmehr ist der A Haus-TV insgesamt durch den A Änderungs-TV vom 20.06.2012 ersetzt worden, der eine Laufzeit bis zum 31.12.2013 hatte und daher zum Zeitpunkt der Betriebsübergangs am 01.11.2013 gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend galt.

144

Nach dem Rubrum galt der Tarifvertrag für Beschäftigte des „Klinikums“ und nicht nur für die Beschäftigten des Fachkrankenhauses. Der festgelegte Geltungsbereich „Klinikum“ grenzt, wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.12.2015 nachvollziehbar dargelegt hat, den Geltungsbereich zu dem Beschäftigten der beiden Einrichtungen „A Pflegehaus am Wald“ und „A psychiatrische Wohnhäuser im P“ ab. Dass diese nicht zum Anwendungsbereich des A Änderungs-TV gehören ist, im Übrigen nicht widersprüchlich, sondern nachvollziehbar, denn schon am 23.11.2007, rund ein Jahr nach Abschluss des A Haus-TV, wurde die Abspaltung der beiden Einrichtungen „A Pflegehaus am W“ und „A psychiatrische Wohnhäuser im P“ zur „A Pflege- und Eingliederungshilfe GmbH“ in das Handelsregister eingetragen. Diese beiden Einrichtungen haben daher rechtlich mit der Beklagten nichts mehr zu tun, die dort Beschäftigten haben seitdem einen anderen Arbeitgeber. Für sie wurde daher im Jahr 2012 ein anderer Tarifvertrag abgeschlossen.

145

Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist mit dem A Änderungs-TV nicht nur eine neue Entgeltregelung abgeschlossen worden, vielmehr wurde mit diesem Tarifvertrag nach seinem Sinn und Zweck der bisherige A Haus-TV hinsichtlich der Höhe des Entgelts überschrieben und im Übrigen wieder in Kraft gesetzt. Dies ergibt sich ohne weiteres bereits aus seiner Überschrift „Änderungstarifvertrag“. Nur etwas, was fortbestehen soll, kann geändert werden, ansonsten wird ein Tarifvertrag durch einen neuen Tarifvertrag ersetzt. Im bisherigen A Haus-TV ist neben manteltariflichen Vorschriften in § 77 und in den Anlagen die Vergütung geregelt. Dieser Teil soll hinsichtlich der Vergütungshöhe mit dem A Änderungs-TV geändert werden. Eine „Änderung“ der Vergütung, vorliegend ua. eine Erhöhung der Grundvergütung in zwei Stufen um insgesamt 8 % in § 2 des A Änderungs-TV, macht nur Sinn, wenn das Gerüst des A Haus-TV im Übrigen weitergelten soll. Denn nur aus diesem und nicht aus dem Änderungs-TV ergeben sich „die jeweiligen Vergütungsgruppen“, auf die etwa in § 2 Abs. 1 und 3 des A Änderungs-TV Bezug genommen wird.

dd)

146

Die Ablösung der S-TVe durch den A Haus-TV in der Fassung des A Änderungs-TV verstößt auch nicht gegen europarechtliche Regelungen, insbesondere nicht gegen Art. 3 der EWGRL 77/187. Auch Art. 3 Abs. 2 der EWGRL 77/187 sieht wie § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB vor, dass die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen nur bis zu der Anwendung eines anderen Kollektivvertrages des Veräußerers aufrecht erhalten bleiben, sieht also grundsätzlich die oben skizzierte Ablösung des Veräußerertarifvertrages durch den Erwerbertarifvertrag vor. Die von der Klägerin zitierte Scattalon-Entscheidung des EUGH (06.09.2011 – C-108/10) ist nicht einschlägig. Diese Entscheidung will nicht grundsätzlich verhindern, dass nach einem Betriebsübergang schlechtere kollektivrechtliche Regelungen gelten. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Artikel 3 der EWGRL 77/187 nicht zulässt, dass Arbeitnehmer erhebliche Kürzungen ihres Entgelts im Vergleich zu ihrer Lage unmittelbar vor dem Übergang hinnehmen müssen, weil ihr Dienstalter, dass sie beim Veräußerer erreicht haben und das dem Dienstalter entspricht, das beim Erwerber beschäftigte Arbeitnehmer erreicht haben, bei der Bestimmung ihres Anfangsgehalts nicht berücksichtigt worden ist. Die Klägerin behauptet nicht, dass ihre Vergütung deshalb geringer ist, weil ihr Dienstalter für die Zeit vor dem Betriebsübergang am 01.11.2013 nicht berücksichtigt worden ist.

b)

147

Schlussendlich ergibt sich eine Anwendung der S-TVe nicht auf individualrechtlicher Grundlage gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 3 TVG (Günstigkeitsprinzip).

aa)

148

Der von der Klägerin mit ihren Berufungsanträgen verfolgte Anspruch auf die Anwendung der S TVe ergibt sich nicht aus der Vereinbarung vom 01.04.1991 (Bl. 9 der Akte). Die dortige Vereinbarung

149

"Für das bereits bestehende Arbeitsverhältnis gilt der Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) Ost in der jeweilig gültigen Fassung ab 01.04.1991.“

150

stellt eine Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des 4. Senats des Bundesarbeitsgerichts dar und bezweckt die Gleichstellung der nicht tarifgebunden mit tarifgebundenen Arbeitnehmern. Nach dieser Rechtsprechung waren bei Tarifgebundenheit des Arbeitgebers Verweisungsklauseln wie diejenige in dem Arbeitsvertrag vom 01.04.1991 in aller Regel als so genannte Gleichstellungsabreden auszulegen. Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber gestellten Vertragsklauseln lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden soll, um jedenfalls zu einer vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit - bei deren genereller Verwendung - zu dessen Geltung für alle Beschäftigten (BAG 06.07.2011 – 4 AZR 706/09, Rn. 18). Diese Auslegungsregel hält der 4. Senat nicht mehr aufrecht. Er wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf die Verweisungsklauseln in Arbeitsverträgen an, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossen worden sind. Da die im Arbeitsvertrag enthaltene Verweisung auf den BAT-O in der jeweils geltenden Fassung im Jahr 1991 vereinbart worden ist, kommt bei dessen Auslegung weiterhin die frühere Senatsrechtsprechung zum Tragen. Danach ist die Bezugnahmeklausel des Arbeitsvertrages eine Gleichstellungsabrede. Sie verweist auf die fachlich einschlägigen Tarifverträge, an die der damalige Arbeitgeber, der Landkreis H, tarifgebunden war. Auf diese Weise sind deren Regelungen mit der sich aus dem Charakter als Gleichstellungsabrede ergebenden Maßgabe Inhalt des Arbeitsvertrages der Klägerin geworden (BAG 06.07.2011 – 4 AZR 706/09, Rn. 19).

151

Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt sich um einen Formularvertrag, dessen Inhalt als allgemeine Geschäftsbedingung nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen ist, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgten Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 06.07.2011 – 4 AZR 706/09, Rn. 21). Danach enthält der Arbeitsvertrag eine zeitdynamische Bezugnahme auf die jeweiligen Regelungen des BAT-O, die aber nicht inhaltsdynamisch ausgestaltet ist (BAG 06.07.2011 – 4 AZR 706/09, Rn. 22).

152

Diese Gleichstellungsabrede ist anders formuliert als die Gleichstellungsabrede in der von der Beklagten zitierten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.10.2002 zur Tarifwechselklausel (4 AZR 467/01, dort Rn. 8). In der von der Beklagten angeführten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur Tarifwechselklausel hatten die dortigen Arbeitsvertragsparteien "die Bedingungen des jeweils gültigen Tarifvertrages" vereinbart, woraus das Bundesarbeitsgericht letztendlich schloss, dass im Falle des Tarifwechsels des Arbeitgebers der Arbeitnehmer an den neuen Tarifvertrag gebunden ist. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin mit ihrem Arbeitgeber jedoch nicht "die Bedingungen des jeweils gültigen Tarifvertrages" vereinbart, sondern eindeutig und abschließend den BAT (Ost). Es liegt daher keine Tarifwechselklausel vor.

153

Auch dem unter dem Datum 01.07.1991/10.07.1991 (Bl. 17-19 der Akte) abgeschlossene Arbeitsvertrag ist keine Tarifwechselklausel zu entnehmen. In § 3 ist die folgende Formulierung enthalten:

154

"Für das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen der für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge in der z. Zeit geltenden Fassung und den dieses ergänzenden rechtlichen Bestimmungen Anwendung."

155

Diese außergewöhnliche und sprachlich etwas verunglückte Klausel stellt nicht wie üblich auf die jeweils "im Betrieb geltenden Tarifverträge", sondern auf die "für den Angestellten jeweils geltenden Tarifverträge" ab. Nach dem reinen Wortlaut könnte ein Wechsel der Gewerkschaftszugehörigkeit seitens der Klägerin dazu führen, dass der Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden würde, den diese Gewerkschaft abgeschlossen hat. Diese Wortauslegung würde den Sinn der Gleichstellungsabrede, nämlich die Gleichbehandlung aller Beschäftigten, seien sie Gewerkschaftsmitglied oder nicht, ins Gegenteil verkehren und war so von den Parteien nicht gewollt, sie verstößt gegen die erkennbare Interessenlage der Beteiligten (BAG 06.07.2011 – 4 AZR 706/09, Rn. 21).

156

Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt zu dem Ergebnis, dass eine sogenannte Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts gewollt war, dies folgt aus den weiteren vertraglichen Regelungen und unter Berücksichtigung der unter dem 01.04.1991 abgeschlossenen Vereinbarung.

157

Anders als in dem von dem Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 21.11.2012 zu beurteilenden Fall (4 AZR 85/11, Rn. 3, 30), bei dem im Vertrag weder auf einen konkreten Tarifvertrag oder auf Tarifverträge eines bestimmten Arbeitgebers verwiesen wurde, noch eine bestimmte Branche, Fläche oder Region genannt war, ist hier aus den §§ 5 und 7 des Vertrages vom 01.07.1991/10.07.1991 und aus der vorher am 01.04.1991 abgeschlossen Regelung ein klarer Bezug auf den BAT-O zu erkennen. In § 5 des Arbeitsvertrages vom 01.07.1991/10.07.1991 haben die Parteien vereinbart, dass die Klägerin gemäß § 22 BAT-O "in Vergütungsgruppe Kr. IV eingruppiert" ist. In § 7 des Arbeitsvertrages haben die Parteien auf die Regelung des § 4 BAT-O Bezug genommen. Nach der Vereinbarung vom 01.04.1991 (Bl. 9 der Akte) gilt "für das bereits bestehende Arbeitsverhältnis der Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) Ost in der jeweilig gültigen Fassung ab 01.04.1991". Zwar ist in der Regel davon auszugehen, dass Arbeitsvertragsparteien durch Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages damit die vorherige Vereinbarung ablösen wollen, da im hier zu entscheidenden Fall jedoch kein Anlass zu der Auffassung besteht, dass die damaligen Arbeitsvertragsparteien die im Vertrag vom 01.04.1991 vereinbarte zeitdynamische Gleichstellungsabrede hinsichtlich des BAT-O mit Vertrag vom 01.07.1991/10.07.1991 abändern wollten - hiergegen sprechen die Regelungen der §§ 5 und 7 des Arbeitsvertrages vom 01.07.1991/10.07.1991 - ist die Vereinbarung vom 01.04.1991 zur ergänzenden Vertragsauslegung heranzuziehen. Es ist davon auszugehen, dass die damaligen Arbeitsvertragsparteien im Arbeitsvertrag vom 01.07.1991/10.07.1991 in § 3 die Bezugnahmeklausel deshalb nur rudimentär geregelt haben, weil beide Seiten davon ausgingen, dass eine zeitdynamische Gleichstellungsabrede hinsichtlich des BAT-O bereits Gegenstand der weitergeltenden Vereinbarung vom 01.04.1991 war und diese Frage daher nicht erneut regelungsbedürftig war, sondern sich der Vertrag vom 01.07.1991/10.07.1991 insbesondere der Eingruppierung der Klägerin annehmen wollte. Die Verträge vom 01.04.1991 und vom 01.07.1991/10.07.1991 müssen daher zusammen betrachtet werden: Im ersten Vertrag ist eine zeitdynamische Gleichstellungsabrede vereinbart, im zweiten Vertrag insbesondere die Eingruppierung geregelt. In diesem Gesamtzusammenhang kann daher der Arbeitsvertrag vom 01.04.1991 i.V.m. der Vereinbarung vom 01.07.1991/10.07.1991 nur als Gleichstellungsabrede verstanden werden, die die fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers hinsichtlich des in Bezug genommen Tarifvertrages, an den der alte Arbeitgeber gebunden war, ersetzen sollte. Die Gleichstellungsabrede soll auch zeitdynamisch gelten, dies ergibt sich einerseits aus der eindeutigen Formulierung in der Vereinbarung vom 01.04.1991, andererseits auch aus der unglücklich gewählten Formulierung im Arbeitsvertrag vom 01.07.1991/10.07.1991, wonach die "jeweils geltenden Tarifverträge in der z. Zeit geltenden Fassung … Anwendung" finden sollten. Auch wenn der Wortlaut "z Zeit" eine bloße statische Verweisung möglich erscheinen lässt, ergibt sich die Zeitdynamik deutlich aus den weiteren Worten "jeweils geltenden Tarifverträge".

bb)

158

Weder die Anwendung der S TVe noch des A Haus-TV kann mit den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen aus dem Jahre 1991 begründet werden, da es sich bei beiden Tarifwerken nicht um den BAT-O in der jeweiligen Fassung handelt und die Gleichstellungsabrede, wie oben dargelegt, zeitdynamisch aber nicht inhaltsdynamisch auszulegen, also auf den BAT-O in der jeweiligen Fassung begrenzt ist.

159

Dieser Einschätzung gilt im Übrigen unabhängig davon, ob die einzelvertragliche Vereinbarung unter Berücksichtigung der von der Klägerin im Schriftsatz vom 19.10.2015 zitierten Entscheidung des BAG vom 13.05.2015 (4 AZR 246/14) als "Neu-" oder "Altvertrag" eingeordnet wird. Diese Unterscheidung betrifft im Wesentlichen die Frage, ob eine arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel nach Beendigung der arbeitgeberseitigen Tarifbindung dynamisch oder statisch weitergilt. Im vorliegenden Fall ist jedoch nach der oben dargestellten Auslegung der Arbeitsverträge vom 01.04.1991 und vom 01.07.1991/01.10.1991 nur die Anwendung des "Bundes-Angestellten-Tarif (BAT)-Ost in der jeweilig gültigen Fassung ab 01.04.1991"vereinbart, es liegt also nur eine zeitdynamische Bezugnahmeklausel auf den BAT-Ost vor, die einen Wechsel zu den von der Klägerin gewünschten S TVe nicht begründen kann.

cc)

160

Der von der Klägerin verfolgte Anspruch auf die Anwendung der S TVe ergibt sich auch nicht durch eine betriebliche Übung, die die Vereinbarungen aus dem Jahr 1991 abgelöst hat.

161

Seit Dezember 2009 ist die Klägerin Mitglied der die S-TVe abschließenden Gewerkschaft ver.di, die Anwendung der S-TVe ab dem Jahr 2010 beruhte daher nicht auf einer betrieblichen Übung, die dadurch begründet sein könnte, dass die damalige Arbeitgeberin, die S O-klinikum GmbH, sämtliche Arbeitnehmer in Ihrem Betrieb allgemein nach den für Sie geltenden tariflichen Vorschriften, nämlich den S-TVe, einheitlich behandelt und dies mit Schreiben vom Oktober 2010 der Klägerin auch mitgeteilt hat (Bl. 216 der Akte). Die Möglichkeit durch dieses konkludente Verhalten der Arbeitgeberin und einer möglichen entsprechenden Annahme durch die Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB einen Vertragsanspruch zu begründen (BAG 14.11.2001 - 10 AZR 698/00, Rn. 63) scheidet vorliegend aus, da sich ein mögliches konkludentes Angebot der S O-klinikum GmbH nur an die Außenseiter, die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer, richten konnte. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bereits Gewerkschaftsmitglied, die S-TVe fanden normativ gemäß §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 TVG Anwendung. Für die Entstehung eines Anspruchs aus betrieblicher Übung ist daher kein Raum.

162

Der Berufung der Klägerin ist daher insgesamt kein Erfolg beschieden.

B.

163

Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässig (§ 66 Abs. 1 ArbGG), sie ist jedoch ebenfalls unbegründet.

1.

164

Gegen die Zulässigkeit des auf die Erbringung der Jahressonderzahlung 2014 gerichteten Leistungsantrages der Klägerin bestehen keine Bedenken.

2.

165

Der Klägerin steht die erstinstanzlich zugesprochene Sonderzahlung nach § 20 TVöD (VKA) gemäß § 613a Abs., 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 4 Abs. 3 TVG zu.

a)

166

Aus den Verträgen vom 01.04.1991 und vom 01.07.1991/10.07.1991 kann Klägerin ihren Anspruch auf Erbringung der Jahressonderzahlung für das Jahr 2014 gemäß § 20 TVöD (VKA) nicht begründen.

167

Wie oben ausgeführt, handelt es sich bei der Bezugnahmeklausel aus dem Jahr 1991 lediglich um eine zeitdynamische Verweisung auf den BAT-Ost in seiner jeweiligen Fassung. Bei dem TVöD handelt es sich nicht um den BAT in seiner jeweiligen Fassung, sondern um einen Tarifvertrag, der den BAT ersetzt hat. Die hier zwischen den Parteien geltende Bezugnahmeklausel ist enger als etwa die Bezugnahmeklausel, welche der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 26.08.2015 (4 AZR 719/13, dort Rn. 2) zu Grunde lag und eigentlich üblich für Formulararbeitsverträge im öffentlichen Dienst ist. Die Ersetzung des BAT durch den TVöD ist von der Klausel nicht mehr gedeckt.

b)

168

Der von der Klägerin verfolgte Anspruch auf die Erbringung der Jahressonderzahlung gemäß § 20 TVöD (VKA) ergibt sich vielmehr durch eine betriebliche Übung, die die Vereinbarungen aus dem Jahr 1991 abgelöst hat.

aa)

169

Dies folgt aus der Auslegung des beiderseitigen Verhaltens der Klägerin und des damaligen O-kreisklinikums H gemäß §§ 133, 157 BGB. Eine ausdrückliche Vereinbarung hinsichtlich der Anwendung des TVöD haben die Parteien im Arbeitsvertrag nicht getroffen. Gleichwohl leitete der Rechtsvorgänger der Beklagten das zwischen ihr und der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis mit Wirkung ab dem 01.10.2005 in den TVöD über und teilte dies der Klägerin mit Schreiben vom 15.11.2005 (Bl. 309 der Akte), die zu diesem Zeitpunkt noch nicht Mitglied in der Gewerkschaft ver.di war, schriftlich mit. Es entsprach dem objektiv erkennbaren Willen des O-kreisklinikums H - unabhängig von ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarungen - auf das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin den TVöD zur Anwendung zu bringen. Es wollte erkennbar sämtliche Arbeitnehmer im Betrieb allgemein nach den für sie geltenden tariflichen Vorschriften einheitlich behandeln. Wendet ein Arbeitgeber, ohne hierzu aus anderen rechtlichen Gründen verpflichtet zu sein, über Jahre hinweg regelmäßig und ohne Vorbehalt der Freiwilligkeit die im Übrigen in seinem Betrieb geltenden tariflichen Vorschriften im gleichen Maße auf nicht tarifgebundene Arbeitnehmer an, so erwächst diesen ein Anspruch auf künftige Anwendung der Tarifnormen aus betrieblicher Übung. Aus dem Verhalten der Beklagten ist ein Rechtsbindungswille zu ermitteln, über die schriftliche Vereinbarung hinaus der Klägerin gegenüber den TVöD zur Anwendung zu bringen. Dieses konkludente Angebot der Beklagten hat die Klägerin gemäß § 151 BGB angenommen (BAG 14.11.2001 - 10 AZR 698/00, Rn. 63).

bb)

170

Aus dem Ergebnis, dass im Jahr 2005 mit der Klägerin im Wege der betrieblichen Übung ein Anspruch hinsichtlich der Anwendung des TVöD begründet worden ist, folgt nicht, dass ab Inkrafttreten der S TVe im Jahr 2010 diese bzw. ab dem Zeitpunkt des Betriebsüberganges im November 2013 nunmehr der A Haus-TV zur Anwendung kommt. Seit dem Jahr 2009 war die Klägerin Mitglied der jeweils tarifabschließenden Gewerkschaft ver.di, so dass die S TVe und der A Haus-TV in der Fassung des A Änderungs-TV jeweils normativ auf das Arbeitsverhältnis gemäß §§ 3 Abs.1, 4 Abs. 1 TVG Anwendung fanden. Für einen Anspruch aus einer betrieblichen Übung bestand daher ab dem Jahr 2009 kein Raum mehr.

cc)

171

Die dadurch vorliegende Kollision zwischen den Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit für das Arbeitsverhältnis der Parteien normativ geltenden und den aufgrund betrieblicher Übung anwendbaren Tarifvorschriften ist nach dem Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TV G) zu lösen (BAG 15.04.2015 - 4 AZR 587/13, Rn. 27). Hiernach treten unmittelbar und zwingend geltende Tarifbestimmung hinter einzelvertraglichen Vereinbarungen mit für den Arbeitnehmer günstigeren Bedingungen zurück. Ob ein Arbeitsvertrag abweichende günstigere Regelung gegenüber dem Tarifvertrag hält, ergibt ein Vergleich zwischen der tarifvertraglichen und der arbeitsvertraglichen Regelung.

172

Zu vergleichen sind dabei die durch Auslegung zu ermittelnden Teilkomplexe der unterschiedlichen Regelungen, die in einem inneren Zusammenhang stehen, wobei die abstrakten Regelungen maßgebend sind, nicht das Ergebnis ihrer Anwendung im Einzelfall. Maßgebend ist die Einschätzung eines verständigen Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung (BAG 15.04.2015 - 4 AZR 587/13, Rn. 28-30).

173

Folgt man der Auffassung der Klägerin und vergleicht die Sachgruppe "Jahressonderzahlungen", so ist § 20 TVöD (VKA) günstiger als die normativ geltende Regelung des § 75 des A Haus-TV, der eine Reduzierung auf 30 % der vormaligen Zuwendung festlegte und nachdem die Klägerin für das Jahr 2013 eine Zuwendung in Höhe von lediglich 437,53 € brutto erhielt.

174

Nimmt man den Bereich der Vergütung insgesamt, kommt man ebenfalls zu dem Ergebnis dass die Regelungen des TVöD günstiger sind. Im Monat März 2007 erhielt die Klägerin bei einer Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden ein Bruttomonatsentgelt i.H.v. 2.421,14 €, im Monat Februar 2014 erhielt die Klägerin bei 38 Wochenstunden ein Bruttomonatsentgelt i.H.v. 2.371,28 €. Selbst wenn man diese von der beklagten gewährte Vergütung auf 38,5 Stunden hochrechnet, erreichte die Klägerin im Februar 2014 ein Gehalt in Höhe von 2.402,48 € brutto, immer noch geringer als 2007 nach dem TVöD. Auch wenn man hier noch die jeweilige Sonderzahlung hinzurechnet, bleibt es dabei, dass die Vergütungsregelung des TVöD günstiger ist als die Regelung des A Haus-TV und diesem vorgeht.

175

Der Klägerin steht daher die erstinstanzlich zugesprochene Jahressonderzahlung in Höhe von 1.513,05 € brutto zu, bezüglich deren Höhe kein Streit zwischen den Parteien besteht.

176

Die Berufung der Beklagten war daher ebenfalls erfolglos.

C.

177

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

D.

178

Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen die Revision für die Klägerin und die Beklagte zuzulassen.


Tenor

Die Revision des beklagten Landes und die Anschlussrevision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 13. November 2012 - 6 Sa 99/11 - werden zurückgewiesen.

Das beklagte Land hat 2/5, der Kläger hat 3/5 der Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung am 22. Januar 2010 geendet hat.

2

Der Kläger ist bei dem beklagten Land und dessen Rechtsvorgänger seit 1988 als Forstarbeiter (Vorarbeiter) beschäftigt, zuletzt im Bereich des Betreuungsforstamts D. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Länder aus dem Geltungsbereich des MTW / MTW-O in den TV-Forst und zur Regelung des Übergangsrechts vom 18. Dezember 2007 (TVÜ-Forst) Anwendung. Dieser Tarifvertrag enthält folgende Regelung zur sog. Winterruhe:

        

㤠19

        

Beendigung des Arbeitsverhältnisses

        

ohne Kündigung wegen winterlicher Arbeitsunterbrechung

        

in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt

                 
        

(1)     

1Das Arbeitsverhältnis gilt in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Ausnahme des Nationalparks Harz ohne besondere Kündigung als beendet, wenn infolge außerordentlicher Witterungseinflüsse oder anderer nicht vorherzusehender Umstände im Bereich der forstwirtschaftlichen Verwaltungen und Betriebe der Länder die Weiterführung der Arbeiten unmöglich wird. 2Sobald die Arbeit wieder aufgenommen werden kann, ist der/die Beschäftigte wieder einzustellen. 3Diese Verpflichtung entfällt, wenn der/die Beschäftigte die Arbeit nach Aufforderung nicht unverzüglich wieder aufnimmt; die Verpflichtung entfällt auch, wenn während der Unterbrechung ein Sachverhalt eintritt, der den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt hätte. 4Die tariflichen Rechte, die bis zur Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses erworben wurden, leben nach der Wiedereinstellung wieder auf. …

        

(2)     

1Die Beschäftigten in den Ländern Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Ausnahme des Nationalparks Harz, deren Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 16. November bis 15. April geendet hat und die bei Wiederaufnahme der Arbeit nach Absatz 1 Satz 2 wieder eingestellt worden sind, erhalten nach einer Wartezeit von 14 Kalendertagen, gerechnet vom Beginn der ersten Arbeitsunterbrechung an, für jeden folgenden Kalendertag in dem Zeitraum, für den ihnen während der Arbeitsunterbrechung Arbeitslosengeld, Krankengeld nach dem Sozialgesetzbuch III und V, Verletztengeld nach dem Sozialgesetzbuch VII zustehen, einen Zuschuss in Höhe von 0,82 Euro.

                 

…“    

3

Mit Schreiben vom 14. Januar 2010, das dem Kläger nach Beendigung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 23. Januar 2010 ausgehändigt wurde, teilte das beklagte Land dem Kläger mit, dass sein Arbeitsverhältnis wegen außerordentlicher winterlicher Witterungseinflüsse gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst mit Ablauf des 22. Januar 2010 vorübergehend beendet werde. Der Kläger war zu dieser Zeit Mitglied des Personalrats. Nachdem er Anfang Februar 2010 erfahren hatte, dass von der Anordnung der Winterruhe einige im Bereich des Betreuungsforstamts beschäftigte Kollegen ausgenommen waren, erhob er die vorliegende, am 24. Februar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangene Klage. Mit Wirkung zum 1. März 2010 stellte das beklagte Land den Kläger nach § 19 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Forst wieder ein.

4

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, sein Arbeitsverhältnis sei nicht aufgrund Bedingungseintritts am 22. Januar 2010 beendet worden. Die in § 19 TVÜ-Forst vorgesehene (fristlose) Beendigung von Arbeitsverhältnissen sei mit höherrangigem Recht nicht vereinbar. Der ihm als Personalratsmitglied zustehende Sonderkündigungsschutz werde umgangen. Auch hätten die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst nicht vorgelegen. Außerdem sei die von dem beklagten Land getroffene Auswahlentscheidung hinsichtlich der von der Winterruhe nicht betroffenen Arbeitnehmer ermessensfehlerhaft. Die Klage sei nicht wegen Versäumung der Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG unbegründet. Die Klagefrist sei gewahrt, da sie erst mit seiner Kenntnisnahme von der ermessensfehlerhaften Auswahlentscheidung in Lauf gesetzt worden sei. Die Ermessensfehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung könne außerhalb der Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG im Rahmen einer allgemeinen Feststellungsklage geltend gemacht werden.

5

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis nicht wegen Winterruhe vom 22. Januar 2010 bis zum 28. Februar 2010 beendet war.

6

Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat behauptet, die extreme Schneelage habe ein Arbeiten in den betroffenen Waldgebieten aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen unmöglich gemacht. Lediglich einige Arbeitnehmer seien im Rahmen eines Notdienstes beschäftigt worden. Ein Einsatz des Klägers im Rahmen der Notdienstarbeiten sei nach Abwägung der betrieblichen und persönlichen Interessen nicht in Betracht gekommen.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der Beendigungsmitteilung des beklagten Landes vom 14. Januar 2010 nicht bereits zum 22. Januar 2010, sondern erst zum 6. Februar 2010 beendet worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt das beklagte Land die vollständige Abweisung der Klage. Der Kläger begehrt mit seiner Anschlussrevision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des beklagten Landes und die Anschlussrevision des Klägers sind unbegründet. Die Klage ist zulässig, aber nur zum Teil begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund der auflösenden Bedingung in § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst geendet hat, allerdings nicht bereits am 22. Januar 2010, sondern nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG erst zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Klägers durch das beklagte Land über den Zeitpunkt des Eintritts der Winterruhe und damit am 6. Februar 2010.

9

I. Die Klage ist zulässig.

10

1. Es handelt sich entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts um eine Bedingungskontrollklage nach §§ 21, 17 TzBfG, auch wenn der Antragswortlaut sich nicht an § 17 Satz 1 TzBfG orientiert. Dies ergibt die Auslegung der Prozesserklärungen des Klägers.

11

a) Das Revisionsgericht hat prozessuale Willenserklärungen selbständig auszulegen. Maßgebend sind die für Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts entwickelten Grundsätze. Entsprechend § 133 BGB ist nicht am buchstäblichen Sinn des in der Prozesserklärung gewählten Ausdrucks zu haften, vielmehr ist der in der Erklärung verkörperte Wille zu ermitteln. Im Zweifel sind Prozesserklärungen dahin auszulegen, dass das gewollt ist, was aus Sicht der Prozesspartei nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. Dabei sind die schutzwürdigen Belange des Prozessgegners zu berücksichtigen (vgl. etwa BAG 12. November 2013 - 3 AZR 92/12 - Rn. 27 mwN).

12

b) Danach ist das Klagebegehren nicht als allgemeine Feststellungsklage iSv. § 256 Abs. 1 ZPO, sondern als Bedingungskontrollklage iSv. §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG zu verstehen. Dies entspricht dem Klageziel und der wohlverstandenen Interessenlage des Klägers. Der Kläger macht geltend, sein Arbeitsverhältnis sei nicht durch den Eintritt der Winterruhe gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst am 22. Januar 2010 beendet worden, da die in § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst bestimmte auflösende Bedingung mit höherrangigem Recht nicht vereinbar sei und zudem die in der Regelung genannten Voraussetzungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht vorgelegen hätten. Damit beruft sich der Kläger auf die Unwirksamkeit und den Nichteintritt der auflösenden Bedingung. Beides ist nicht mit einer allgemeinen Feststellungsklage, sondern mit einer Bedingungskontrollklage geltend zu machen. Die Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG ist auch dann einzuhalten, wenn nicht die Wirksamkeit der Bedingung, sondern deren tatsächlicher Eintritt im Streit steht. Ob die auflösende Bedingung eingetreten ist, hängt regelmäßig von der Auslegung der tariflichen oder einzelvertraglichen Bedingungsabrede ab. Die Frage des Eintritts der auflösenden Bedingung ist deswegen häufig mit der Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Bedingungsabrede verknüpft. Die Auslegung der Bedingungsabrede ist maßgeblich dafür, ob die Bedingung eingetreten ist. Wegen des fast untrennbaren Zusammenhangs der Wirksamkeit und des Eintritts der auflösenden Bedingung sind beide Fragen Gegenstand der Bedingungskontrollklage (st. Rspr. seit BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - Rn. 18 ff., 21, BAGE 137, 292; 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 23; 10. Oktober 2012 - 7 AZR 602/11 - Rn. 12 f.; 23. Juli 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 18, BAGE 148, 357; 14. Januar 2015 - 7 AZR 880/13 - Rn. 13). Hierunter fällt auch der Einwand des Klägers, das beklagte Land habe eine fehlerhafte Auswahlentscheidung hinsichtlich der nicht von der Winterruhe betroffenen Arbeitnehmer getroffen. Damit rügt der Kläger, die auflösende Bedingung sei nicht eingetreten, da § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst die getroffene Auswahlentscheidung nicht zulasse.

13

2. Die Bedingungskontrollklage ist zulässig. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Er bezeichnet die zur gerichtlichen Überprüfung gestellte Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch auflösende Bedingung hinreichend genau. Für eine Bedingungskontrollklage bedarf es keines besonderen Feststellungsinteresses (vgl. BAG 15. Mai 2012 - 7 AZR 6/11 - Rn. 10 zur Befristungskontrollklage).

14

II. Die Klage ist überwiegend unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat aufgrund der auflösenden Bedingung in § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst am 6. Februar 2010 geendet. Die auflösende Bedingung der Winterruhe gilt als wirksam und eingetreten, da der Kläger nicht rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist gemäß §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG nach Zugang der Beendigungsmitteilung des beklagten Landes am 23. Januar 2010 Klage erhoben hat. Allerdings ist das Arbeitsverhältnis nicht bereits mit Ablauf des 22. Januar 2010, sondern erst zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Mitteilung des beklagten Landes über den Zeitpunkt des Bedingungseintritts beendet worden.

15

1. § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst regelt eine auflösende Bedingung für das Arbeitsverhältnis. Danach wird das Arbeitsverhältnis bei witterungsbedingter Unmöglichkeit der Arbeitsleistung nicht suspendiert, sondern rechtlich beendet. Dies ergibt die Auslegung der tarifvertraglichen Bestimmung.

16

a) Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an die Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, gegebenenfalls auch die praktische Tarifübung ergänzend heranziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse gilt es zu berücksichtigen; im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., vgl. etwa BAG 10. Februar 2015 - 3 AZR 904/13 - Rn. 27; 22. Januar 2014 - 7 AZR 243/12 - Rn. 28).

17

b) Bereits die Formulierung in § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst, das Arbeitsverhältnis gelte „ohne besondere Kündigung als beendet“, spricht - ebenso wie die Überschrift von § 19 TVÜ-Forst „Beendigung des Arbeitsverhältnisses ohne Kündigung wegen winterlicher Arbeitsunterbrechung in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt“ - dafür, dass das Arbeitsverhältnis bei Vorliegen der in der Vorschrift genannten Voraussetzungen rechtlich beendet ist und nicht nur ruht. Dieses Verständnis wird durch den Gesamtzusammenhang der tarifvertraglichen Regelung bestätigt. § 19 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Forst sieht einen Wiedereinstellungsanspruch vor und § 19 Abs. 1 Satz 3 TVÜ-Forst regelt die Voraussetzungen für die Wiedereinstellung. Bei einer Wiedereinstellung geht es um die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses und nicht nur um die Wiederaufnahme der Arbeit nach einer Suspendierung der Hauptleistungspflichten. Von diesem Verständnis des Begriffs der Wiedereinstellung geht auch § 19 Abs. 1 TVÜ-Forst aus. Das zeigt die Unterscheidung zwischen der Wiederaufnahme der Arbeit und der Wiedereinstellung in § 19 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1 TVÜ-Forst. Zudem hat die Regelung zum Erhalt der tariflichen Rechte in § 19 Abs. 1 Satz 4 TVÜ-Forst nur dann einen Anwendungsbereich, wenn die Winterruhe zur rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt. Schließlich entspricht diesem Verständnis auch der mit dieser Bestimmung von den Tarifvertragsparteien verfolgte Zweck, den Arbeitgeber von den witterungsbedingten Vergütungsrisiken zu entlasten und den Arbeitnehmern den Bezug von Arbeitslosengeld zu ermöglichen. Dieser Normzweck schlägt sich in der Wintergeldregelung in § 19 Abs. 2 TVÜ-Forst nieder(vgl. BAG 28. August 1987 - 7 AZR 249/86 - zu I 2 b der Gründe, zu § 62 MTW).

18

2. Die auflösende Bedingung der Winterruhe gilt nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam und eingetreten.

19

a) Nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG gilt eine auflösende Bedingung als wirksam und eingetreten, wenn der Arbeitnehmer die Rechtsunwirksamkeit der auflösenden Bedingung und den fehlenden Eintritt der Bedingung nicht innerhalb der Dreiwochenfrist nach §§ 21, 17 Sätze 1 und 3, § 15 Abs. 2 TzBfG gerichtlich geltend gemacht hat.

20

Die dreiwöchige Klagefrist nach §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG beginnt bei Bedingungskontrollklagen grundsätzlich mit dem Tag, an dem die auflösende Bedingung eingetreten ist. Allerdings endet der auflösend bedingte Arbeitsvertrag nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Eintritt der auflösenden Bedingung. Deshalb wird gemäß §§ 21, 17 Sätze 1 und 3, § 15 Abs. 2 TzBfG die Klagefrist erst mit dem Zugang der schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis sei aufgrund des Eintritts der auflösenden Bedingung beendet, in Lauf gesetzt, wenn die Bedingung bereits vor Ablauf der Zweiwochenfrist eingetreten ist(grundlegend BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - Rn. 22, BAGE 137, 292; 10. Oktober 2012 - 7 AZR 602/11 - Rn. 14; 23. Juli 2014 - 7 AZR 771/12 - Rn. 19, BAGE 148, 357).

21

b) Der Kläger hat die vorliegende Bedingungskontrollklage nicht rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist der §§ 21, 17 Sätze 1 und 3, § 15 Abs. 2 TzBfG nach Zugang der Beendigungsmitteilung des beklagten Landes erhoben. Die Klagefrist begann mit Zugang der Beendigungsmitteilung des beklagten Landes vom 14. Januar 2010 beim Kläger am 23. Januar 2010 und endete nach Ablauf von drei Wochen am Montag, dem 15. Februar 2010 (§ 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB, § 222 Abs. 2 ZPO). Die Klage ist erst am 24. Februar 2010 beim Arbeitsgericht eingegangen.

22

c) Die Voraussetzungen für eine nachträgliche Zulassung der Bedingungskontrollklage liegen nicht vor.

23

aa) War ein Arbeitnehmer trotz Anwendung aller ihm nach Lage der Umstände zuzumutenden Sorgfalt verhindert, die Bedingungskontrollklage innerhalb von drei Wochen zu erheben, so ist nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 1 Satz 1 KSchG auf seinen Antrag die Klage nachträglich zuzulassen. Nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 KSchG ist mit dem Antrag auf nachträgliche Klagezulassung die Klageerhebung zu verbinden. Der Antrag kann gemäß §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG nach Ablauf von sechs Monaten, vom Ende der versäumten Frist an gerechnet, nicht mehr gestellt werden.

24

bb) Danach kommt eine nachträgliche Zulassung der Bedingungskontrollklage nicht in Betracht. Der Kläger hat keinen Antrag auf nachträgliche Zulassung der Bedingungskontrollklage gestellt. Selbst wenn seine Erklärung im Schriftsatz vom 1. August 2012, ihm müsse schon von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, als ein solcher Antrag auszulegen wäre, hätte der Antrag zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gestellt werden können. Die Frist nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 5 Abs. 3 Satz 2 KSchG war bereits am 15. August 2010 abgelaufen. Die Frist des § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG ist eine absolute Frist, in die der Säumige auch nach § 233 ZPO nicht wieder eingesetzt werden kann(BAG 28. Januar 2010 - 2 AZR 985/08 - Rn. 24, BAGE 133, 149).

25

d) Der Grundsatz des Vertrauensschutzes verbietet es nicht, die auflösende Bedingung als eingetreten anzusehen. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Vertrauensschutz (vgl. dazu BVerfG 15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07 - Rn. 85, BVerfGE 122, 248; 2. Mai 2012 - 2 BvL 5/10 - Rn. 81, BVerfGE 131, 20; 14. Januar 1987 - 1 BvR 1052/79 - BVerfGE 74, 129, 154; BAG 23. März 2006 - 2 AZR 343/05 - Rn. 33, BAGE 117, 281; 18. Januar 2001 - 2 AZR 616/99 - zu II 3 d der Gründe) liegen nicht vor. Die Klagefrist und die Fiktion der §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG galten zwar nach der früheren Rechtsprechung des Senats (BAG 23. Juni 2004 - 7 AZR 440/03 - zu I 2 der Gründe, BAGE 111, 148; 19. Januar 2005 - 7 AZR 113/04 - zu II 2 b bb der Gründe; 18. Oktober 2006 - 7 AZR 662/05 - Rn. 20; 21. Januar 2009 - 7 AZR 843/07 - Rn. 12, 15) nicht für Streitigkeiten über den Eintritt auflösender Bedingungen. Diese Rechtsprechung hat der Senat durch Urteil vom 6. April 2011 (- 7 AZR 704/09 - BAGE 137, 292) und damit nach dem hier streitigen Eintritt der auflösenden Bedingung geändert. Es kann dahinstehen, ob überhaupt ein schützenswertes Vertrauen in den Fortbestand der früheren Rechtsprechung des Senats entstehen konnte. Jedenfalls hat der Kläger nicht geltend gemacht, die Klagefrist im Vertrauen auf diese Rechtsprechung versäumt zu haben. Davon kann auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Kläger sich nicht nur auf den Nichteintritt der auflösenden Bedingung, sondern auch auf deren Unwirksamkeit berufen hat.

26

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat entgegen der Auffassung des beklagten Landes nicht schon mit Ablauf des 22. Januar 2010, sondern erst am 6. Februar 2010 geendet.

27

a) Nach §§ 21, 15 Abs. 2 TzBfG endet das Arbeitsverhältnis frühestens zwei Wochen nach Zugang der schriftlichen Unterrichtung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber über den Zeitpunkt des Bedingungseintritts. Tritt die Bedingung vor dem Ende dieses Zweiwochenzeitraums ein, endet das Arbeitsverhältnis deshalb erst mit Ablauf der Zweiwochenfrist. Das Arbeitsverhältnis wird bis dahin fortgesetzt, ohne dass ein Fall von §§ 21, 15 Abs. 5 TzBfG gegeben wäre(vgl. BAG 6. April 2011 - 7 AZR 704/09 - Rn. 22, BAGE 137, 292; 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 67).

28

b) Dies gilt entgegen der Ansicht des beklagten Landes auch für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Eintritt der Winterruhe nach § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst.

29

aa) § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst sieht zwar vor, dass das Arbeitsverhältnis bereits dann als beendet gilt, wenn infolge außerordentlicher Witterungseinflüsse oder anderer nicht vorherzusehender Umstände im Bereich der forstwirtschaftlichen Verwaltungen und Betriebe der Länder die Weiterführung der Arbeiten unmöglich wird. Die Vorschrift des § 15 Abs. 2 TzBfG ist jedoch nach § 22 TzBfG zwingend. Zu Ungunsten des Arbeitnehmers darf von dieser Vorschrift auch durch Tarifvertrag nicht abgewichen werden.

30

bb) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes ist eine Abweichung von § 15 Abs. 2 TzBfG zu Ungunsten des Arbeitnehmers auch dann nicht zulässig, wenn das Arbeitsverhältnis nur vorübergehend beendet wird, weil der Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt die Wiedereinstellung verlangen kann. Die Vorschrift unterscheidet nicht zwischen der dauerhaften und der vorübergehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Gesetzeszweck. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/4374 S. 20) soll die Auslauffrist dem Arbeitnehmer Zeit geben, sich auf das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses einzustellen, insbesondere einen neuen Arbeitsplatz zu suchen. Dieser Gesetzeszweck kommt auch dann zum Tragen, wenn dem Arbeitnehmer - wie nach § 19 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Forst - zu einem späteren Zeitpunkt ein Wiedereinstellungsanspruch zusteht. Auch in diesem Fall ermöglicht es die Auslauffrist dem Arbeitnehmer, sich auf das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses einzustellen, indem er sich arbeitslos meldet oder zur Sicherung seines Lebensunterhalts einen anderen Arbeitsplatz für die Dauer der Winterruhe sucht.

31

cc) Das beklagte Land beruft sich ohne Erfolg auf den Normzweck des § 19 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Forst. Die Regelung dient vorrangig dazu, den Arbeitgeber von dem Risiko zu entlasten, Arbeitnehmer vergüten zu müssen, die er witterungsbedingt nicht einsetzen kann. Dieser Zweck wird auch bei Einhaltung der Frist des § 15 Abs. 2 TzBfG erreicht. Den Arbeitgeber trifft lediglich für die Dauer von zwei Wochen das Risiko der Entgeltzahlung ohne Gegenleistung; für die darüber hinausgehende Zeit ist er von diesem Risiko befreit.

32

dd) Aus der Entscheidung des Senats vom 28. August 1987 (- 7 AZR 249/86 -) kann das beklagte Land nichts zu seinen Gunsten herleiten. Diese Entscheidung erging vor dem Inkrafttreten des TzBfG.

33

c) Danach endete das Arbeitsverhältnis nicht schon mit Ablauf des 22. Januar 2010, sondern erst zwei Wochen nach Zugang der Beendigungsmitteilung des beklagten Landes beim Kläger. Die Mitteilung des beklagten Landes ging dem Kläger am 23. Januar 2010 zu. Das Arbeitsverhältnis endete daher mit Ablauf des 6. Februar 2010. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht rechtzeitig innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist der §§ 21, 17 Satz 1 TzBfG nach Zugang der Beendigungsmitteilung des beklagten Landes Bedingungskontrollklage erhoben hat. Die Klagefrist und die Fiktion nach §§ 21, 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG gelten nicht für die Einhaltung der Auslauffrist des § 15 Abs. 2 TzBfG(BAG 19. Januar 2005 - 7 AZR 113/04 - zu II 2 b bb der Gründe). § 15 Abs. 2 TzBfG regelt keinen Unwirksamkeitsgrund für die auflösende Bedingung, vielmehr wird das vereinbarte Vertragsende durch die gesetzliche Anordnung modifiziert.

34

III. Wegen der Erfolglosigkeit der Revision und der Anschlussrevision sind die Kosten des Revisionsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO verhältnismäßig zu teilen.

        

    Gräfl    

        

    Kiel    

        

    M. Rennpferdt    

        

        

        

    Holzhausen    

        

    Jacobi    

                 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 20.01.2015 - 9 Ca 1504/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten (noch) über die Frage, welche Tarifwerke auf ihr Arbeitsverhältnis zur Anwendung kommen und damit im Zusammenhang stehend über die Frage, ob die Beklagte der Klägerin (weitere) Arbeitsvergütung schuldet.

2

Die Klägerin ist seit 01.09.1989 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Krankenschwester in dem nach dem Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes zunächst von dem O bzw. dem diesen nachfolgenden B als Eigenbetrieb geführten Krankenhauses „O“ in H, K, tätig.

3

Das Klinikum ging im Wege des Betriebsüberganges im Jahr 2007 an die S über.

4

Aufgrund eines weiteren Betriebsübergangs wechselte die Inhaberschaft auf die Beklagte, damals firmierend unter „A“ mit Wirkung zum 01.11.2013.

5

Die Klägerin ist seit 2007 Mitglied der Gewerkschaft ver.di.

6

Sie hat mit den Rechtsvorgängern der Beklagten die vertragliche Grundlage für das Arbeitsverhältnis mehrfach im Wege des Änderungsvertrages angefasst. Der Arbeitsvertrag vom 30.04.1992 (Bl. 115 d. A.) enthält in § 2 eine Verweisungsklausel auf den BAT-O sowie auf die für den Arbeitgeber jeweils weitergeltenden Tarifverträge. § 2 des Änderungsvertrages vom 17.05.2010 (Bl. 48 d. A.) enthält demgegenüber die folgende Bezugnahmeklausel:

7
        

 ...   

        

 § 2 wird wie folgt ersetzt:

        

 Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) und dem Besonderen Teil Stand 31.12.2006

        

 ( ) Verwaltung

        

 (x) Krankenhäuser Stand 31.12.2006

        

 Außerdem gilt weiterhin der Tarifvertrag zur Überleitung und Beschäftigungssicherung in der S vom 05. März 2007.

        

 Dieser Änderungsvertrag tritt am 17.05.2010 in Kraft.

        

 H, den 17.05.2010
(Ort, Datum)

        

 D
Geschäftsführer
(Für den Arbeitgeber)

 (Datum/Beschäftigte)

8

Dementsprechend kamen auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Klägerin und der S zunächst weiter die Bestimmungen des TVöD zur Anwendung. Mit Schreiben vom 28.10.2010 (Bl. 162 fd. A.) teilte die S der Klägerin mit, dass rückwirkend zum 01.01.2010 nunmehr die Tarifverträge des S zur Anwendung kommen. Danach (Tarifvertrag O 2012 vom 25.02.2013 - abgeschlossen mit ver.di) beträgt die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für die Klägerin 35 Stunden.

9

Die Beklagte betrieb (und betreibt noch) vor der Übernahme des O in H, K, eine medizinische Einrichtung, nämlich ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie. Sie hatte bereits am 28.03.2006 mit ver.di einen Haustarifvertrag abgeschlossen, dessen Rubrum wie folgt lautet:

10

Haustarifvertrag
(mit weitergeltenden Regelungen aus dem BAT-O)

11

zwischen dem

A

12

vertreten durch die

13

Trägerschaft A H, diese vertreten durch die Geschäftsführerin, Frau M...

14

- einerseits -

15

und der

16

Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di,
vertreten durch die Landesbezirksleitung Sachsen-Anhalt,
Nachtweide 82, 39124 Magdeburg

17

- andererseits -

...

18

Weiter heißt es in diesem Tarifvertrag -(im Folgenden A HTV) in § 1:

19

§ 1 Allgemeiner Geltungsbereich

20

(1) Dieser Tarifvertrag gilt für alle Beschäftigte des A in H, die Mitglieder der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) sind.

21

(2) Ausgenommen sind leitende Mitarbeiterinnen im Sinne des § 5 (3) BetrVG und Beschäftigte, die im Sinne des § 8 SGB IV - unter Berücksichtigung des § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IV - geringfügig beschäftigt oder als Studierende nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 SGB V versicherungsfrei sind oder die nebenberuflich tätig sind.

22

§ 1a Anwendung von Tarifverträgen

23

(1) Für die in § 1 (1) genannten Beschäftigten gelten die für die Angestellten der Länder zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbarten Bestimmungen des Bundesangestelltentarifvertrages Ost (BAT-O) vom 10. Dezember 1990 und diese ändernden und ergänzenden Vorschriften einschließlich der Vergütungsregelung in der jeweils geltenden Fassung (für den Bereich Bund/Land) samt der z. Zt. (Stand Juni 2005) geltenden Sonderregelungen, Anlagen, Anhänge und sonstigen tariflichen Regelungen, die für den Bereich des öffentlichen Dienstes abgeschlossen werden, soweit in diesem Tarifwerk nicht Abweichendes bestimmt wird.

...

24

Die Tarifvertragsparteien waren sich darüber einig, dass die Regelungen des A-HTV auch die Mitarbeiter der von der Beklagten betriebenen Tagesklinik in O erfassen.

25

Die Beklagte wendet die Bestimmungen dieses Tarifvertrages, insbesondere die dort geregelte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden auch auf die Mitarbeiter des von ihr im Wege des Asset-Deal erworbenen O in der K an.

26

Hingegen ist die Klägerin der Ansicht, dass sich die arbeitsvertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien weiter nach den sich für den S-Konzern geltenden Tarifverträgen (S-TVe) bestimmen. Sie hat hierzu erstinstanzlich - basierend auf dem Vorbringen, die Klägerin sei kein Mitglied der Gewerkschaft ver.di - die Rechtsauffassung vertreten, die zwischen ihr und den Rechtsvorgängern der Beklagten getroffenen arbeitsvertraglichen Vereinbarungen seien nicht dahin auszulegen, dass im Wege einer sog.

27

Tarifwechselklausel seit 01.11.2013 der A-HTV zur Anwendung komme. im Hinblick auf die mithin geltende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden einerseits und ihrem Einsatz im Umfang von 38 Stunden wöchentlich andererseits sei die Beklagte verpflichtet, ihr für die zusätzlich geleisteten 3 Stunden pro Woche eine Überstundenvergütung zu gewähren.

28

Erstinstanzlich hat die Klägerin weiterhin die teilweise Rückabwicklung der von der Beklagten zu ihrem Gunsten bei der D. U. K. e. V. abgeschlossenen betrieblichen Altersversorgung begehrt.

29

Sie hat beantragt,

30

1. festzustellen, dass der Haustarifvertrag der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung findet und zwischen den Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden als vereinbart gilt. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin ab sofort für 35 Stunden wöchentlich im Dienstplan einzusetzen.

31

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum November 2013 bis August 2014 einen Betrag in Höhe von 2.193,60 € brutto zu zahlen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass die Beklagte für jeden weiteren Monat ab September 2014, in dem sie die Klägerin 38 Stunden wöchentlich beschäftigt, verpflichtet ist, monatlich an die Klägerin eine Vergütung von 219,36 € brutto zu zahlen.

32

3. festzustellen, dass die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge ab November 2013 weiterhin an die ZVK Sachsen-Anhalt zu zahlen sind. Die Beklagte wird verpflichtet, für November 2013 einen Betrag von 52,29 €, für Dezember 2013 einen Betrag von 52,04 €, für Januar 2014 einen Betrag von 51,89 €, für Februar 2014 einen Betrag von 61,45 €, für März 2014 einen Betrag von 51,85 €, für April 2014 einen Betrag von 51,92 €, für Mai 2014 einen Betrag von 51,85 €, für Juni 2014 einen Betrag von 51,96 € und für Juli 2014 einen Betrag von 51,85 € auf den bestehenden Altersvorsorgevertrag der Klägerin bei der ZVK Sachsen-Anhalt zu zahlen.

33

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, die vorgenannten Beträge für November 2013 bis Juli 2014 an die Klägerin zu zahlen.

34

4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die im September 2014 einbehaltenen Auszahlungen für die Monate November 2013 bis August 2014 in Höhe von insgesamt 220,45 € netto an die Klägerin zu zahlen.

35

5. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, einen Abschlag von 50,-- € monatlich hinsichtlich der zu zahlenden betrieblichen Altersvorsorge vom Nettolohn der Klägerin in Abzug zu bringen.

36

Die Beklagte hat beantragt,

37

die Klage abzuweisen.

38

Sie hat - ebenfalls davon ausgehend, die Klägerin sei nicht Mitglied der Gewerkschaft ver.di - die Auffassung vertreten, die in § 2 des Arbeitsvertrages vom 30.04.1992 enthaltene Verweisungsklausel sei als Tarifwechselklausel auszulegen. Damit bestimme sich das Arbeitsverhältnis der Parteien seit 01.11.2013 nach Maßgabe des A-ATV.

39

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 20.01.2015 die Klage abgewiesen und zur Begründung u. a. ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Überstundenvergütung zu, weil die für sie geltende regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38 Stunden betrage. Aufgrund der Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag vom 30.04.1992 finde seit 01.11.2013 der A-HTV auf die Rechtsbeziehungen der Parteien Anwendung. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Blatt 131 bis 141 der Akte verwiesen.

40

Die Beklagte hat gegen die ihr am 03.02.2015 zugestellte Entscheidung am 18.02.2015 Berufung eingelegt und diese am 17.03.2015 begründet.

41

Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt sie - nach teilweiser Berufungsrücknahme im Termin am 17.05.2016 - ihre Klaganträge zu Ziffer 1 und 2 - den Feststellungsantrag zu Ziffer 1 in veränderter Form - weiter.

42

Zwar sei der erstinstanzliche Sachvortrag dahin zu korrigieren, dass die Klägerin seit 2007 Mitglied der Gewerkschaft ver.di. war. Dennoch finde der A-HTV auf die Rechtsbeziehungen der Parteien keine Anwendung, weil dieser nach seinen persönlichen Geltungsbereich nicht die Mitarbeiter des ehemaligen O, K, erfasse. Ausweislich des Rubrums und des § 1 des A-HTV sei dieser räumlich auf das in der K gelegene Fachklinikum für Psychiatrie und Neurologie begrenzt.

43

Die Klägerin beantragt,

44

das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 20.01.2015 abzuändern und

45

1. festzustellen, dass der Konzern-Mantel-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach- und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (M-TVM/W/I S), der Konzern-Entgelt-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach- und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TVM/W/I S), der Konzern-Überleitungs-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach- und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (Ü-TVM/W/I S), der Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach- und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (TV-EUmwM/w/I S, die Niederschrift zu den Konzern-Tarif-Verhandlungen zwischen der vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der S, dem Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung für die Funktionsbereiche medizinischer Heil-, Fach und Heilberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (BFG-TVM/W/I S) Inhalt des zwischen der Klägerin und der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses ist und zwischen den Parteien demnach eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden gilt. Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin ab sofort für 35 Stunden wöchentlich im Dienstplan einzusetzen,

46

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum November 2013 bis August 2014 einen Betrag in Höhe von 2.193,60 Euro brutto zu zahlen, und darüber hinaus festzustellen, dass die Beklagte für jeden weiteren Monat ab September 2014, in dem sie die Klägerin 38 Stunden wöchentlich beschäftigt, verpflichtet ist, monatlich an die Klägerin eine Vergütung von 219,36 Euro brutto zu zahlen.

47

Die Beklagte beantragt,

48

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

49

Die Beklagte hält an ihrem Rechtsstandpunkt, das Arbeitsverhältnis der Parteien bestimme sich seit 01.11.2013 nach dem A-HTV fest. Im Hinblick auf die nunmehr unstreitige Mitgliedschaft der Klägerin in der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di ergebe sich dies aus § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB. Der A-HTV erfasse entgegen der Ansicht der Klägerin auch die Mitarbeiter des ehemaligen O. Ungeachtet der im Rubrum und § 1 verwendeten Bezeichnung „Fachkrankenhaus“ sei der Geltungsbereich des Tarifvertrages dahin auszulegen, dass er das gesamte Unternehmen der Beklagten abdecken solle.

50

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

51

Die an sich statthafte (§§ 8 Abs. 2, 64 ArbGG) und auch im Übrigen zulässige (§ 66 Abs. 1 ArbGG) Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

I.

52

Die von ihr vorgenommene Klagänderung in Form des Antrages zu Ziffer 1 gemäß Schriftsatz vom 21.03.2016 ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Sie ist sachdienlich. Hierüber kann auch auf Grundlage des gemäß § 67 ArbGG zu berücksichtigenden Tatsachenstoffs entschieden werden.

II.

53

Der (geänderte) Feststellungsantrag betreffend die Anwendbarkeit der S-TVe ist in der veränderten Form zwar zulässig, aber nicht begründet.

1.

54

Die Feststellungsklage ist als sog. Elementenfeststellungsklage zulässig (BAG 26.08.2015 - 4 AZR 719/13).

2.

55

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Auf die Rechtsbeziehungen der Parteien finden nicht die S-TVe, sondern der A-HTV Anwendung.

a)

56

Dieser hat die S-TVe zum 01.11.2013 gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB abgelöst.

57

Voraussetzung für das Eingreifen des § 613 a Abs. 1 Satz 3 BGB ist, dass hinsichtlich des maßgeblichen Tarifvertrages eine konkruente Tarifbindung des Arbeitnehmers und des Betriebserwerbers besteht (BAG 09.04.2008 - 4 AZR 164/07 - Rn. 19. Das ist vorliegend der Fall.

aa)

58

Grundsätzlich wird das Arbeitsverhältnis der Parteien von Tarifverträgen, die die Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di schließt, gemäß § 4 Abs. 1 TVG erfasst, weil - wie nunmehr unstreitig ist - die Klägerin Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist.

bb)

59

Vorliegend unterfällt die Klägerin auch dem persönlichen Geltungsbereichs des A-HTV. Dies ergibt eine Auslegung des § 1 jenes Tarifvertrages.

60

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG (BAG 16.12.2014 - 6 AZR 658/13) ist der normative Teil eines Tarifvertrages nach den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln auszulegen. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu ermitteln ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können (st. Rspr. des BAG, vgl. 28. Mai 1998 - 6 AZR 349/96 - AP BGB § 611 Bühnenengagementvertrag Nr. 52 = EzA TVG § 4 Bühnen Nr. 5, zu II 2 a der Gründe; 26. April 2001 - 6 AZR 2/00 - AP TVG § 4 Rationalisierungsschutz Nr. 37, zu 1 a der Gründe; 29. August 2001 - 4 AZR 337/00 - BAGE 99, 24, 28; 22. Oktober 2002 - 3 AZR 664/01 - AP TVG § 1 Auslegung Nr. 185, zu II 1 a der Gründe). Lässt eine Tarifnorm mehrere Auslegungen zu, von denen die eine zu einem gesetzeswidrigen, die andere zu einem gesetzesgemäßen Ergebnis führt, ist die Tarif norm so anzuwenden, dass sie zu einem gesetzesgemäßen Ergebnis führt. Dies gilt nicht nur für eine Kollision der Tarifnorm mit Verfassungsrecht (dazu: BAG 21. Januar 1987 - 4 AZR 547/86 - BAGE 54, 113), sondern auch für eine solche mit einfachem Gesetzesrecht (ErfK/Schaub 5. Aufl. § 1 TVG Rn. 20; Wank in Wiedemann TVG 6. Aufl. § 1 Rn. 802). Die Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem höherrangigen Recht in Einklang stehen und damit auch Bestand haben (BAG 21. Juli 1993 - 4 AZR 468/92 - BAGE 73, 364, 369).

61

Bei Anwendung dieser Auslegungskriterien ergibt sich, dass der A-HTV nicht auf Arbeitnehmer beschränkt sein soll, die in dem Fachkrankenhaus K zum Einsatz kommen. Er erfasst vielmehr auch die Arbeitnehmer der Beklagten, die in anderen medizinischen Einrichtungen, die von ihr unterhalten, tätig sind.

62

Zwar spricht der reine Wortlaut des § 1 für eine Beschränkung des Geltungsbereiches auf das Fachkrankenhaus. Bei systematischer Betrachtung ergibt sich aber, dass die Tarifvertragsparteien die tariflichen Vereinbarungen auch auf Arbeitnehmer zur Anwendung bringen wollten, die in anderen medizinischen Einrichtungen der Beklagten tätig sind. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des A-HTV war das vorgenannte Fachkrankenhaus einzige medizinische Einrichtung, die die Beklagte in H betrieben hat. Dies lässt sich bereits aus der Formulierung des Rubrums des Tarifvertrages „A Fachkrankenhaus ..., vertreten durch...“ ableiten. Die wenn auch juristisch ungenaue Formulierung lässt hinreichend deutlich erkennen, dass die Beklagte unter der damaligen Firma „insgesamt“ und nicht nur beschränkte auf die damals in H betriebene konkrete Einrichtung den nachfolgenden Regelungen des Tarifvertrages unterfallen sollte. Dieses Ergebnis wird durch § 2 A-HTV gestützt, der „Sonderregelung“ für Beschäftigte, die in Einrichtungen der Krankenpflege oder in Anstalten und Heimen beschäftigt sind, enthält. Die Bestimmung erfasst mithin auch die medizinische/pflegerische Einrichtung, die die Beklagte zum damaligen Zeitpunkt in H nicht betrieben hat. Auch der weitere Inhalt des A-HTV spricht für eine Erstreckung auf sämtliche Arbeitnehmer der Beklagten. Der Haustarifvertrag zeichnet in weiten Bereichen den BAT-O nach und eignet sich daher als „Grundlage“ auch für solche Arbeitsverhältnisse, die nicht der Klinik für Psychiatrie und Neurologie, K organisatorisch zugeordnet sind. Andererseits enthält der Tarifvertrag gerade keine speziell auf ein Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie zugeschnittenen Spezialregelungen.

63

Letztendlich wird eine räumliche Beschränkung des Haustarifvertrages auf diese Einrichtung nicht dem Regelungszweck entsprechen. Dieser liegt darin, sämtliche mit dem vertragsschließenden Arbeitgeber bestehenden Arbeitsverhältnisse einer tariflichen Grundlage zuzuführen. Dem würde es nicht gerecht werden, wenn bei nach Abschluss des Haustarifvertrages erfolgenden Veränderungen organisatorischer Art dem Unternehmen der Beklagten ein tariffreier Raum entstehen würde. Beispielsweise wäre hier zu nennen eine bauliche Erweiterung des Fachkrankenhauses und damit verbunden die Schaffung von neuen Abteilungen. Die für diese Abteilungen eingestellten Arbeitnehmer, aber auch „Alt-Arbeitnehmer“, die per Direktionsrecht in die neue Abteilung versetzt werden würden, obwohl sie gleichartige Tätigkeiten ausüben wie die im Bereich Psychiatrie/Neurologie tätigen Kollegen, von den tariflichen Regelungen nicht (mehr) erfasst.

64

Wäre von den Tarifvertragsparteien ein - Stichtag 28.03.2006 - einrichtungsbezogener und nicht ein unternehmensbezogener Geltungsbereich gewollt gewesen, wogegen im Übrigen auch die tatsächliche Handhabung - die Tarifvertragsparteien beziehen die in der von der Beklagten in O betriebenen Tagesklinik beschäftigten Arbeitnehmer in den Haustarifvertrag ein - spricht, so hätte dies seinen eindeutigen Niederschlag im Tarifvertrag finden müssen.

b)

65

Schlussendlich ergibt sich eine Anwendbarkeit der S TVe nicht auf individualrechtlicher Grundlage gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB i. V. m. § 4 Abs. 3 TVG Günstigkeitsprinzip. Voraussetzung hierfür wäre, dass die arbeitsvertraglichen Abreden eine konstitutiv wirkende dynamische Bezugnahmeklausel auf die S-TVe enthalten (vgl. grundlegend 14.12.2005 - 4 AZR 536/04). Eine solche Vereinbarung ist dem Sachvortrag der Parteien nicht zu entnehmen. Dabei kann dahinstehen, welche Bedeutung der in § 2 des Arbeitsvertrages vom 30.04.1992 enthaltenen Bezugnahmeklausel zukommt, da die (damaligen) Vertragsparteien hinsichtlich der Bezugnahme von Tarifverträgen im Änderungstarifvertrag vom 17.05.2010 eine Neuregelung getroffen haben. Gemäß § 2 des Änderungsvertrages soll sich das Arbeitsverhältnis nach dem TVöD - Stand 31.12.2006 - und dem Tarifvertrag zur Überleitung und Beschäftigungssicherung vom 05.03.2007 bestimmen. Aus dieser in Bezug auf den TVöD statischen Bezugnahmeklausel ergibt sich gerade keine konstitutiv wirkende Einbeziehung der S-TVe. Aus dem Vorbringen kann auch nicht abgeleitet werden, dass die damaligen Vertragsparteien eine solche Klausel konkludent vereinbart haben. Das zur Akte gereichte Schreiben der Betriebsveräußerin vom 28.10.2010 enthält kein diesbezügliches Vertrags-Angebot. Nach seinem Gesamtinhalt erfolgt hierin lediglich eine Information über den bereits vollzogenen Tarifwechsel.

III.

66

Nach alledem konnte das Rechtsmittel - soweit hierüber nach Teilrücknahme noch zu entscheiden war - der Klägerin keinen Erfolg haben.

B.

67

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 519 ZPO.

C.

68

Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen die Revision für die Klägerin zuzulassen.


Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und unter deren Zurückweisung im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 04. Dezember 2013 – 11 BV 18/13 – teilweise abgeändert. Den Beteiligten zu 2. bis 4. wird jeweils aufgegeben,

a. es zu unterlassen,

aa. die in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede mit dem Betriebsrat am 03.01.2013 vereinbarte Reduzierung der jeweils gültigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % sowie

bb. die aufgrund dessen i. V. m. § 2 Abs. 3 (Muster in der Anlage) abgeschlossenen Änderungsverträge für Beschäftigte nach dem TVöD, Ziffer 1. mit Wirkung ab 01.01.2013 vereinbarten Teilzeitbeschäftigungen mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden bzw. mit einem vereinbarten Prozentsatz der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten bzw. mit einer Reduzierung der jeweiligen individuellen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % anzuwenden;

b. es zu unterlassen, die Klausel unter Ziffer 1. des Änderungsvertrages anzuwenden, nach der der Beschäftigte im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht und Schichtarbeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet ist;

c. es zu unterlassen,

aa. den in § 2 Abs. 1, 2. Spiegelstrich Regelungsabrede vom 03.01.2013 geregelten Verzicht auf die Leistungen gemäß § 18 TVöD und

bb. in Ziffer 2.1 Änderungsvertrag i. V. m. § 2 Abs. 3 der Regelungsabrede (Muster in der Anlage) vereinbarten Verzicht auf die Leistungen gemäß § 18 TVöD jeweils mit dem Inhalt, dass die Leistungszulage nach § 18 TVöD nicht gezahlt wird, anzuwenden;

d. es zu unterlassen,

aa. den in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede vom 03.01.2013 geregelten Verzicht auf die Leistungen gem. § 20 TVöD (Jahressonderzahlung)

bb. sowie die gem. § 2 Abs. 3 auf § 2 Abs. 1 basierende einzelvertragliche Regelung unter Ziffer 2.1 des Änderungsvertrages jeweils mit dem Inhalt, dass die Sonderzahlung nicht gezahlt wird, anzuwenden,

soweit und solange zu den einzelnen Gegenstandsbereiche zu a. bis d. der Anträge mit der Antragstellerin kein Tarifvertrag in Kraft getreten ist, der die dortigen Regelungsbereiche regelt oder diese durch  eine andere Abmachung ersetzt werden.

2. Den Beteiligten zu 2. bis 4. wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen unter Ziffer 1. a. bis d. ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,- € angedroht.

3. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerin begehrt von den Beteiligten 2. bis 4. die Unterlassung der Anwendung und Umsetzung betrieblicher Regelungen, die diese mit ihren jeweiligen Betriebsräten, den Beteiligten 5. bis 7., abgeschlossen haben.

2

Antragstellerin ist die V-gewerkschaft. Die Beteiligten zu 2. bis 4. sind Kliniken, welche der A -Gruppe angehören. Bei der Beteiligten zu 2. (Klinikum S) sind von 432 Vollzeitkräften (VK) 60,8 VK im ärztlichen Dienst tätig, bei der Beteiligten zu 3. (Klinikum B) sind von 451,6 VK insgesamt 53,7 VK im ärztlichen Dienst beschäftigt und bei der Beteiligten zu 4. (Klinikum A) sind von 659,4 VK insgesamt 88 VK im ärztlichen Dienst eingesetzt. Wie viele Arbeitnehmer genau bei der Antragstellerin Mitglied sind, ist nicht bekannt. Fest steht jedoch, dass die Antragstellerin in allen drei Kliniken vertreten ist. Die Beteiligten zu 2. bis 4. waren Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). Durch ihre Mitgliedschaft fanden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, darunter der TVöD-K und der TVöD, Anwendung.

3

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 kündigten die Beteiligten zu 2. bis 4. ihre Mitgliedschaften im KAV und schieden zum 31. Dezember 2012 aus. Zum Zeitpunkt der Kündigung befanden sich die Beteiligten zu 2. bis 4. in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Bereits mit Schreiben vom 21. Mai 2012 hatten die Beteiligten zu 2. bis 4. die Antragstellerin zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über Haustarifverträge, darunter auch Sanierungstarifverträge, aufgefordert. Tarifverhandlungen kamen nicht zu Stande. Zwischen der Antragstellerin und den Beteiligten zu 2. bis 4. besteht ausweislich Seite 3 des Protokolls über die mündliche Anhörung vom 29. April 2015 die Absicht, alsbald miteinander in Verhandlungen einzutreten.

4

Im Herbst 2012 fanden Betriebsversammlungen statt. Am 27. und 29. Dezember 2012 wurden Vereinbarungen zwischen den Beteiligten zu 2. bis 4. und ihren jeweiligen Betriebsräten geschlossen. Am 03. Januar 2013 erfolgte die Bekanntgabe der Resultate an deren Belegschaften. Die als "Regelungsabreden" bezeichneten Vereinbarungen lauten im Wesentlichen wie folgt:

5

"§ 2 Änderung der bestehenden Arbeitsverträge

6

(1) Die Parteien sind zu der Überzeugung gelangt, dass sich die vorgenannte Zielsetzung in der Weise als "Bündnis für Arbeit" umsetzen lässt, dass die Beschäftigten – mit Ausnahme der Ärzte und der Beschäftigten in leitender Funktion – folgende Beiträge zur Sanierung der Gesellschaft leisten:

7

o Reduzierung der jeweils gültigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 %;

8

o Verzicht auf Leistungen gem. §§ 18 und 20 TVöD;

9

(2) Die Gesellschaft gewährt den Beschäftigten als Anerkennung für geleistete Sanierungsbeiträge

10

o Sonderkündigungsschutz mit der Maßgabe, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen sind; ebenfalls ausgeschlossen sind solche betriebsbedingten Änderungskündigungen, die auf eine weitere Absenkung der Arbeitszeit gerichtet oder mit finanziellen Nachteilen verbunden sind;

11

o Drei freie Tage pro Kalenderjahr zum Zweck des Gesundheitsschutzes, von denen zwei Tage nur gegen Nachweis der Teilnahme an gesundheitsschützenden Maßnahmen gewährt werden.

12

Vorstehende Regelungen sind befristet bis zum 31. Dezember 2017.

13

(3) Den Parteien ist bewusst, dass eine Umsetzung dieser Vorgaben einer individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Beschäftigten bedarf (= Abschluss von Änderungsverträgen). Die Parteien vereinbaren vor diesem Hintergrund, dass die Gesellschaft den Beschäftigten Änderungsvertragsangebote gemäß anliegendem Muster unterbreiten und die Beschäftigten sodann eine Frist zur Annahme der Änderungsvertragsangebote bis zum 14. Januar 2013 ("Stichtag") – bei der Personalabteilung eingehend – einräumen wird.

14

(4) Der Betriebsrat wird sich gegenüber den Beschäftigten dafür einsetzen, dass diese die Änderungsvertragsangebote annehmen werden; die Parteien werden den Beschäftigten die Beweggründe für die Änderungsvertragsangebote im Einzelnen erläutern."

15

Wegen der weiteren diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Bl. 68-70, 71-73 sowie 74-76 d. A. verwiesen.

16

Allen Vereinbarungen war eine Anlage beigefügt, die ein Arbeitsvertragsmuster mit im Wesentlichen folgendem Inhalt enthielt:

17

"Änderungsvertrag

18

für Beschäftigte nach dem TVöD

19

Zwischen der A- Klinikum A GmbH

20

vertreten durch die Geschäftsführung

21

Arbeitgeber

22

und Herrn Max Mustermann 09.09.1979

23

Beschäftigte(r)  geb. am.

24

wohnhaft in Krankenhausweg, 06499 Aschersleben

25

wird

26

□ vorbehaltlich ______________________________________________

27

□ in Abänderung des Arbeitsvertrages vom 01.01.2001

28

□ i. d. F. des Änderungsvertrages vom  03.03.2003

29

folgender Änderungsvertrag geschlossen:

30

§ 1 des Arbeitsvertrages wird

31

□ mit Wirkung vom ____________ wie folgt geändert:

32

□ für den Zeitraum vom ___________ bis ____________ wie folgt geändert:

33

Herr Max Mustermann

34

wird

35

□ als Vollbeschäftigte(r)

36

□ als Teilzeitbeschäftigte(r)

37

o mit der Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten

38

o mit _______ v. H. der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten

39

o  mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von ____ Stunden

40

o auf   unbestimmte   Zeit

41

o für die Zeit bis zum _____________ weiter beschäftigt.

42

Die/der Beschäftigte (Voll- und Teilzeitbeschäftigte) ist im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet.

43

Änderungsvertrag (Seite 2)

44

2. 1 Der Beschäftigte verzichtet auf die Leistungen gem. § 18 und § 20 TVöD.

45

2. 2 Die Gesellschaft gewährt dem Beschäftigten als Anerkennung für die o. g. und erbrachten Sanierungsbeiträge

46

o Sonderkündigungsschutz mit der Maßgabe, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen sind; ebenfalls ausgeschlossen sind solche betriebsbedingten Änderungskündigungen, die auf eine weitere Absenkung der Arbeitszeit gerichtet oder mit finanziellen Nachteilen verbunden sind;

47

o Drei freie Tage pro Kalenderjahr zum Zwecke des Gesundheitsschutzes, von denen zwei Tage nur gegen Nachweis der Teilnahme an gesundheitsschützenden Maßnahmen gewährt werden.

48

Vorstehende Regelungen sind befristet bis zum 31. Dezember 2017.

49

2. 3 Im Übrigen bleiben die Regelungen des Arbeitsvertrages unberührt.

50

2. 4 Dieser Änderungsvertrag endet, sobald ein entsprechender neuer mit der Gewerkschaft ver.di geschlossener Haustarifvertrag, der eine Absenkung der Arbeitszeit vorsieht, in Kraft tritt, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

51

________, den _________   ___________________, den ______________

52

Diese Änderungsvereinbarung wird nur wirksam, wenn der Beschäftigte sie bis zum 14. Januar 2013 annimmt."

53

Wegen der weiteren diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Bl. 306 - 307 d. A. verwiesen.

54

Anschließend unterzeichneten nach Angaben der Beteiligten zu 2. bis 4. ca. 96 % der Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2. bis 4. Änderungsverträge auf der Basis des o.g. Arbeitsvertragsmusters.

55

Mit den beim Arbeitsgericht am 21. Februar 2013 eingegangenen und den Beteiligten zu 2. bis 7. jeweils am 28. Februar 2013 zugestellten Anträgen begehrt die Antragstellerin von den Beteiligten zu 2 bis 4. die Anwendung der vorgenannten Regelungsabreden und deren arbeitsvertragliche Umsetzung zu unterlassen.

56

Sie meint, die Abreden der Kliniken mit den jeweiligen Betriebsräten seien unwirksam. Zwar seien dies keine Betriebsvereinbarungen, mithin greife die Sperrwirkung von § 77 Abs. 3 BetrVG nicht. Die Abreden seien jedoch kollektive Regelungsabreden, die von den Inhalten der Tarifverträge, an deren Inhalt die Beteiligten zu 2. bis 4. auch nach Verbandsaustritt gebunden seien, abweichen würden. Folglich verletzte das Vorgehen der Betriebspartner ihre Rechte aus Art. 9 Abs. (3) GG.

57

Die Antragstellerin hat beantragt, die Beteiligten 2. bis 4. jeweils zu verurteilen,

58

1. es zu unterlassen,

59

a. die in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede mit dem Betriebsrat am 03.01. 2013 vereinbarte Reduzierung der jeweils gültigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % sowie

60

b. die aufgrund dessen i. V. m. § 2 Abs. 3 (Muster in der Anlage) abgeschlossenen Änderungsverträge für Beschäftigte nach dem TVöD, Ziffer 1. mit Wirkung ab 01.01.2013 vereinbarten Teilzeitbeschäftigungen mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden bzw. mit einem vereinbarten Prozentsatz der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten bzw. mit einer Reduzierung der jeweiligen individuellen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % anzuwenden;

61

2. es zu unterlassen, die Klausel unter Ziffer 1. des Änderungsvertrages anzuwenden, nach der der Beschäftigte im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht und Schichtarbeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet ist;

62

3. es zu unterlassen,

63

a. den in § 2 Abs. 1, 2. Spiegelstrich Regelungsabrede vom 03.01.2013 geregelten Verzicht auf die Leistungen gemäß § 18 TVöD und

64

b. in Ziffer 2.1 Änderungsvertrag i. V. m. § 2 Abs. 3 der Regelungsabrede (Muster in der Anlage) vereinbarten Verzicht auf die Leistungen gemäß § 18 TVöD jeweils mit dem Inhalt, dass die Leistungszulage nach § 18 TVöD nicht gezahlt wird, anzuwenden;

65

4. es zu unterlassen,

66

a. den in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede vom 03.01.2013 geregelten Verzicht auf die Leistungen gem. § 20 TVöD (Jahressonderzahlung)

67

b. sowie die gem. § 2 Abs. 3 auf § 2 Abs. 1 basierende einzelvertragliche Regelung unter Ziffer 2.1 des Änderungsvertrages jeweils mit dem Inhalt, dass die Sonderzahlung nicht gezahlt wird, anzuwenden,

68

soweit und solange zu jedem der Gegenstandsbereiche zu 1. bis 4. der Klageanträge mit der Antragstellerin kein Tarifvertrag in Kraft getreten ist, der die dortigen Regelungsbereiche regelt.

69

5. Weiter die Beteiligten zu 2. bis 4. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen jede der Verpflichtungen gemäß Ziffer 1. bis 4. ein Ordnungsgeld anzudrohen, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

70

Die Beteiligten zu 2. bis 4. haben jeweils beantragt,

71

die Anträge zurückzuweisen.

72

Sie halten das Urteilsverfahren und nicht das Beschlussverfahren für die richtige Verfahrensart. Zudem seien die Anträge zu unbestimmt und daher unzulässig. Die Regelungsabreden seien rechtlich zulässig, da nicht in Rechte der Antragstellerin eingegriffen werde. Es fehle an einer betrieblichen Konkurrenzordnung zur tarifvertraglichen Lage. Die Antragstellerin sei nicht mit ausreichender Mächtigkeit in den Betrieben der Beteiligten zu 2. bis 4. vertreten. Dies ergebe sich aus der Tarifinfo "Auf ein Wort", wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 208 bis 210 der Akte verwiesen wird.

73

Die Beteiligten zu 5. bis 7. haben keine Anträge gestellt.

74

Der Beteiligte zu 5. hält die Anträge der Beteiligten zu 1. für unzulässig und unbegründet. Weder die Regelungsabreden noch die Änderungsverträge seien tarifwidrig.

75

Die Beteiligten zu 6. und 7. halten die Anträge der Beteiligten zu 1. gegenüber den Beteiligten zu 2. bis 4. jeweils unter den Ziffern 3 a, 3 b, 4 a und 4 b (Verzicht auf §§ 18, 20 TVöD) für begründet, im Übrigen für unbegründet.

76

Mit Beschluss vom 04. Dezember 2013 – 11 BV 18/13 –  hat das Arbeitsgericht Magdeburg die Anträge der Antragstellerin vollumfänglich zurückgewiesen. Die Anträge seien zulässig, aber nicht begründet. Obwohl ein Anspruch der Antragstellerin nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich anzuerkennen sei, fehle es mangels tariflicher Konkurrenzsituation der Regelungsabreden bzw. der Änderungsvereinbarungen  mit den tariflichen Regelungen am Tatbestandsmerkmal der "Störung". Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses wird auf Blatt 362-386 der Akte Bezug genommen, welcher der Antragstellerin am 09. Dezember 2013 zugestellt worden ist. Deren Beschwerde ist am 20. Dezember 2013 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen. Mit dem dort am 03. Februar 2014 eingegangenem Schriftsatz vom 03. Februar 2014 hat die Antragstellerin ihre Beschwerde begründet.

77

Sie ist der Auffassung, die Regelungsabrede sei als Gesamtwerk zu begutachten und stelle daher wegen des unmittelbaren und zwingenden Charakters der Verpflichtung zur Sonderarbeit zumindest diesbezüglich eine Betriebsvereinbarung dar. Mithin gelte vorliegend der Tarifvorrang gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG, da die streitbefangenen Regelungen im Einzelnen tarifwidrig seien. Zudem verlange die Störung einer kollektiven Ordnung nicht das Erreichen einer Grenze entsprechend § 17 KSchG. Vielmehr komme es lediglich darauf an, dass mittels Tarifgebundenheit eine kollektive Ordnung in den jeweiligen Betrieben bestanden habe, welche verdrängt werden sollte.

78

Wegen weiterer Einzelheiten dieser Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 03. Februar 2014 Blatt 446 – 466 der Akte verwiesen.

79

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt,

80

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 04. Dezember 2013 – 11 BV 18/13 – gemäß dem Antrag in erster Instanz vom 21. Februar 2013 zu erkennen.

81

Die Beteiligten zu 2. bis 4. beantragen jeweils,

82

die Beschwerde zurückzuweisen.

83

Sie meinen, die Antragstellerin sei nicht mehr antragsbefugt. Mit dem "Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 01. April 2014 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) – vom 01. August 2006", wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 621 bis 627 der Akte verwiesen wird, entfalle mit Inkrafttreten am 01. März 2014 die Tarifbindung der Beteiligte zu 2. bis 4.. Letztlich stünde ohnehin die Regelungsabrede und deren Umsetzung durch die abgeschlossenen Änderungsverträge dem Tarifrecht nicht entgegen. § 11 TVöD-K erlaube eine einvernehmliche Arbeitszeitabsenkung mit linearer Lohnabsenkung. Ferner werde der Verzicht auf die §§ 18, 20 TVöD-K durch die Gewährung von Sonderkündigungsschutz und drei zusätzlicher Gesundheitsurlaubstage bis Ende 2017 kompensiert.

84

Der Beteiligte zu 5. beantragt,

85

die Beschwerde zurückzuweisen.

86

Er ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es mangels tariflicher Konkurrenzsituation an einer "Störung" fehle. Ein Tarifvertrag könne nur dann in Frage gestellt werden, wenn erhebliche Teile der tarifgebundenen Arbeitnehmer betroffen seien. Demnach komme es auf den tatsächlichen Organisationsgrad des betreffenden Betriebes an, zu dessen Orientierung § 17 KSchG diene. Außerdem ergebe bereits die Bezeichnung der streitbefangenen Regelungen, dass es sich um Regelungsabreden und nicht um Betriebsvereinbarungen handele. Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 3 BetrVG scheide demnach aus.

87

Die Beteiligten zu 6. und 7. stellen keine Anträge.

88

Sie halten den Beschluss des Arbeitsgerichts teilweise für rechtsfehlerhaft. Die Orientierung eines notwendigen Organisationsgrades an § 17 KSchG gefährde die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG. Der Antragstellerin stehe ungeachtet deren Organisationsgrades in den Betrieben gegenüber den Beteiligten zu 2. bis 4. jeweils unter den Ziffern 3 a, 3 b, 4 a und 4 b ein Unterlassungsanspruch zu. Es bestehe weiterhin eine Tarifbindung der Beteiligten zu 2. bis 4., da lediglich die Entgelttabellen des TVöD-K geändert bzw. gekündigt wurden, jedoch nicht die dem vorliegenden Verfahren im Hinblick auf die Tarifbindung zugrunde liegenden "Mantelbestandteile" des TVöD.

89

Mit Schreiben vom 17. April 2014 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 6. und 7. mit, dass die an der Regelungsabrede Beteiligten sich durchaus bewusst waren, dass die unter den Ziffern 3. a, 3. b, 4. a und 4. b der Regelungsabrede enthaltenen Vereinbarungen aus den Gründen des § 3 Abs. 3 TVG und des § 77 Abs. 3 BetrVG rechtswidrig seien. Die Beteiligten zu 2. bis 5. erklärten jedoch übereinstimmend, stets von der Wirksamkeit der Regelungsabreden ausgegangen zu sein.

90

Auf den Beschluss der Beschwerdekammer vom 11. Februar 2015, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 636 der Akte verwiesen wird, erklärte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10. März 2015, sie habe die Betreuung der drei betroffenen Belegschaften nicht von einem bestimmten Organisationsgrad abhängig gemacht.

91

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die zweitinstanzlichen Sitzungsniederschriften vom 21.01.2015 und vom 29.04.2015 ergänzend Bezug genommen.

B.

92

Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.

93

I. Die Beschwerde ist zulässig.

94

Ihre Statthaftigkeit ergibt sich aus § 87 Abs. 1 ArbGG.

95

Die einzuhaltenden Fristen sind gewahrt. Die formell beschwerte Antragstellerin hat durch einen postulationsfähigen Vertreter (§§ 89 Abs. 1, 11 Abs. 4 ArbGG) innerhalb der Fristen der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG die Beschwerde eingelegt und ordnungsgemäß (§ 89 Abs. 2 ArbGG) begründet.

96

II. Die Beteiligtenfähigkeit der Antragstellerin – einer Gewerkschaft – ist ohne Weiteres gegeben. Die Beteiligten zu 2. bis 4. sind als Arbeitgeberinnen nach § 83 Abs. 3 ArbGG beteiligtenfähig. Die Beteiligten 5. bis 7. sind als Betriebsräte der Beteiligten 2. bis 4. gemäß §§ 83 Abs. 3, 10 Satz 1 ArbGG beteiligtenfähig und auch zu Recht beteiligt worden. Die richtige Verfahrensart ist vorliegend das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren nach den §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, 80 ff. ArbGG. Streitbefangen ist das Verhältnis von Betriebs- und Tarifautonomie im Sinne des     § 77 Abs. 3 BetrVG. Ferner sind die die Beteiligten 2. bis 7. materiell betroffen, da sie jeweils an der Geltung und arbeitsvertraglicher Umsetzung der zwischen ihnen vereinbarten, streitbefangenen Regelungen festhalten. Im Übrigen kommt hier in der II. Instanz eine Prüfung der richtigen Verfahrensart nicht mehr in Betracht, § 65 ArbGG.

97

III. Die Beschwerde ist  teilweise begründet.

98

1. Die Anträge sind zulässig.

99

a. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie macht eigene Rechte geltend. Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass der Antragstellerin als Gewerkschaft ein Unterlassungsanspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG zusteht. Dieser könnte aus einer groben Verletzung des in § 77 Abs. 3 BetrVG normierten Tarifvorbehalts entstanden sein. Auch die Möglichkeit eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 1004, 823 BGB ist nicht von vornherein auszuschließen. Denn die Antragstellerin unterfällt dem Schutzbereich der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG, da sie in allen drei Kliniken vertreten ist. Auch ändert sich hieran nichts, dass die Beteiligten zu 2. bis 4. der Auffassung sind, mit dem "Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 01. April 2014 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) – vom 01. August 2006" entfalle ihre Tarifbindung. Dies zu klären, obliegt der Begründetheit.

100

b. Die Anträge sind bestimmt genug gefasst. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gilt auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Für die hinreichende Bestimmtheit von Anträgen einer Gewerkschaft ist die namentliche Benennung der Gewerkschaftsmitglieder jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn die Betriebspartner eine vertragliche Einheitsregelung bei sämtlichen Beschäftigten, also sowohl bei den bei den gewerkschaftlich organisierten als auch bei den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern, zur Anwendung bringen wollten (LAG Hamm v. 29. Juli 2011 – 10 TaBV 91/10 = juris Rn. 75; LAG Baden-Württemberg 07.Dezember 2007 – 20 TaBV 7/06 = AuR 2008, 185; Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 18. Juni 2009 – 2 Sa 176/08 =  juris Rn. 76f.). So liegt es hier. Der Anwendungsbereich der Regelungsabreden vom 27./29. Dezember 2012 bezieht sich auf die Gesamtbelegschaft der Beteiligten 2. bis 4. mit Ausnahme der in § 1 der Regelungsabrede angesprochenen Personenkreise. Ferner schlossen ca. 96 % der Gesamtbelegschaft einen der Regelungsabrede entsprechenden Änderungsvertrag ab. Genau hierauf beziehen sich die Anträge der zu 1. beteiligten Gewerkschaft mit hinreichender Deutlichkeit.

101

Prozessual entwertet würde der gewerkschaftliche Unterlassungsanspruch, wenn mit dem 4. Senat des BAG (Urteil vom 19. März 2003 – 4 AZR 271/02 = BAGE 105, 275-283)  für die Bestimmtheit des Klageantrags im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verlangt würde, die Gewerkschaft habe bei der Geltendmachung ihres eigenen Anspruchs, nämlich der Anwendung untertariflicher Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die Namen der betroffenen Mitglieder bekannt zu geben (vgl. Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 254 mwN). Müssten alle Gewerkschaftsmitglieder benannt werden, so würde der Streitgegenstand ungerechtfertigt verkürzt, da weder die Gewerkschaft noch der Arbeitgeberverband praktisch in der Lage sind, die aktuellen und potentiellen tarifgebundenen Arbeitnehmer namentlich zu benennen (vgl. Dieterich, AuR 2005, 121 (128)). Insbesondere Wechsel in den Beschäftigungs- und Mitgliedschaftsverhältnissen wären stets zu berücksichtigen und die Anträge dementsprechend umzustellen (vgl. Kocher, NZA 2005, 140 (141)). Gemäß dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ist zudem der den Anträgen zugrunde liegende Lebenssachverhalt zu berücksichtigen. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Antragstellerin vor einer Aushöhlung ihrer Tarifautonomie schützen will. Daher sind die Anträge nicht nur am Wortlaut, sondern auch anhand des Lebenssachverhalts auszulegen.

102

2. Die Anträge sind teilweise begründet.

103

a. Ein Unterlassungsanspruch der antragstellenden Gewerkschaft aus § 23 Abs. 3 BetrVG wegen eines groben Verstoßes der Beteiligten 2. bis 4. gegen Bestimmungen des BetrVG besteht nicht.

104

§ 77 Abs. 3 BetrVG findet keine Anwendung. Die Vereinbarungen der Beteiligten zu 2. bis  4. mit ihren Betriebsräten vom 27./29. Dezember 2012 stellen Regelungsabreden und keine Betriebsvereinbarungen dar. Grundsätzlich steht es den Betriebspartnern innerhalb der durch das Betriebsverfassungsgesetz vermittelten Regelungsbefugnis frei, ob sie eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit durch den Abschluss einer förmlichen Betriebsvereinbarung oder formlos durch Regelungsabrede regeln wollen (vgl. BAG vom   14. Aug. 2001 - 1 AZR 744/00 = juris Rn. 55 m. w. N.). Entscheidend für die rechtliche Einordnung sind die Umstände des Zustandekommens und der Inhalt der abgeschlossenen Vereinbarungen (vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht vom 13. März 2014 – 9 TaBV 172/13 = juris Rn. 26). Während eine Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend auf die betrieblichen Arbeitsverhältnisse einwirkt, bedarf die rechtstechnische Umsetzung einer Regelungsabrede stets einer individuellen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Betriebspartner waren sich vorliegend einig, dass eine normative Wirkung nicht bestehen soll. Dies ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 3 der Vereinbarungen vom 27./29. Dezember 2012, wonach "den Parteien […] bewusst [ist], dass eine Umsetzung dieser Vorgaben einer individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Beschäftigten bedarf (= Abschluss von Änderungsverträgen)". Anschließend schlossen ca. 96% der Gesamtbelegschaft entsprechende Änderungsverträge ab. Zudem manifestierten die Betriebsparteien ihren Willen zum Abschluss einer Regelungsabrede bereits durch die entsprechende Bezeichnung der Vereinbarungen. Zwar ist der Antragstellerin zuzustimmen, dass die bloße Bezeichnung eines Regelungswerks keinen Aufschluss über die rechtliche Einordnung desselben gibt. Jedoch führt auch die inhaltliche Betrachtung der streitbefangenen Regelungsabreden nicht zur Einordnung als Betriebsvereinbarung. So verpflichten sich die Betriebsräte nach § 2 Abs. 4 der Vereinbarung, "sich gegenüber den Beschäftigten dafür einzusetzen, dass diese die Änderungsangebote annehmen werden; die Parteien werden den Beschäftigten die Beweggründe für die Änderungsvertragsangebote im Einzelnen erläutern". Hierdurch soll der vertraglichen Abschlussfreiheit der Arbeitnehmer gemäß Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber der normativen Regelungsbefugnis der Betriebspartner der Vorrang eingeräumt werden.

105

b. Ein Anspruch der antragstellenden Gewerkschaft auf Unterlassung der Anwendung der hier streitgegenständlichen Regelungsabreden nebst deren arbeitsvertraglichen Umsetzungen ergibt sich jedoch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG.

106

Treffen die Betriebspartner tarifwidrige Vereinbarungen oder Maßnahmen, steht den   Gewerkschaften neben dem Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG ein allgemeiner Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 9 Abs. 3 GG zu, wenn die kollektive Ordnung des Tarifvertrags im Betrieb verdrängt werden soll (vgl. Jacobs/Krause/Oetker/Schubert, Tarifvertragsrecht, 2. Auflage, § 7 Rn. 96 m. w. N).

107

aa. Art. 9 Abs. 3 GG ist ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB (vgl. BAG 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 = AP GG Art. 9 Nr. 89, 119). Wird in dieses rechtswidrig eingegriffen, besteht hiergegen sowohl ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB als auch ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, nicht jedoch ein Anspruch auf Folgenbeseitigung (Landesarbeitsgericht Hamburg vom 18. Juni 2009   – 2 Sa 176/08 = juris, Rn. 87).

108

bb. Die Koalitionsfreiheit haben die Beteiligten zu 2. bis 4. gestört, indem sie die Regelungsabreden abschlossen und den Abschluss von Änderungsverträgen veranlasst haben.

109

Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ist somit tangiert. Er erstreckt sich auf die Regelungsbefugnis der antragstellenden Gewerkschaft zur Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Hierzu gehören vor allem das Arbeitsentgelt und die Arbeitszeit (vgl. BAG vom 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 = AP GG Art. 9 Nr. 89, 119). Abreden, die dieses Recht einschränken oder behindern, sind nichtig Hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig, Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG.

110

(1) Die Regelungsabreden sind nicht bereits gemäß § 116 Satz 2 BGB nichtig. Obwohl der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 6. und 7. in Kenntnis der etwaig entgegenstehenden Tarifautonomie auf einen Abschluss der Regelungsabreden hinwirkte und somit einen Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG billigend in Kauf nahm, konnte die Kammer nicht zu dem Schluss gelangen, dass das Wissen des Verfahrensbevollmächtigen der Beteiligten zu 6. und 7. nach außen gelangte. Vielmehr erklärten die Beteiligten zu 2. bis 5. übereinstimmend, stets von der Wirksamkeit der Regelungsabreden ausgegangen zu sein.

111

(2) Gleichwohl greifen die Regelungsabreden der Betriebspartner nebst deren arbeitsvertraglichen Umsetzungen ungerechtfertigt in die Koalitionsfreiheit der Antragstellerin ein. Es sollte die kollektive Ordnung des TVöD in den Betrieben der Beteiligten zu 2. bis 4. verdrängt werden.

112

Eine Störung der Tarifautonomie liegt vor.

113

Es besteht eine tarifrechtliche Konkurrenzsituation. Hierfür reicht es aus, dass die antragstellende Gewerkschaft in allen der zu 2. bis 4. beteiligten Unternehmen vertreten ist. Eine nominale Vertretung in Anlehnung an § 17 KSchG ist nicht erforderlich. Das Vorliegen einer tarifrechtlichen Konkurrenzsituation hängt nicht von der Zahl der durch Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmeranzahl ab. Für den Eintritt einer Sperrwirkung zugunsten der Tarifautonomie kommt es nicht darauf an, für wie viele Arbeitnehmer der Branche die betreffende tarifliche Regelung normativ oder wegen vertraglicher Inbezugnahme gilt. Maßgeblich ist    allein der Umstand, dass eine Tarifregelung besteht (vgl. BAG vom 20. November 2001   – 1 AZR 12/01 = juris Rn. 36). Daher ist es auch unerheblich, ob die Antragstellerin durch die "Tarifinfo" vom 16. Juli 2012 zugestand, keine ausreichende "Mächtigkeit" in den Betrieben der Beteiligten zu 2. bis 4. zu besitzen. Eine fehlende Aktivität der antragstellenden Gewerkschaft liegt ebenfalls nicht vor. Diese hat die Betreuung der hier betroffenen Belegschaften nicht von einem bestimmten Organisationsgrad abhängig gemacht.

114

Zwar werden die Beteiligten zu 2. bis 4. nicht mehr nach § 3 Abs. 3 TVG vom TVöD durch "Nachbindung" erfasst. Denn durch den "Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 01. April 2014 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) – vom 01. August 2006" wurde der TVöD inhaltlich geändert. Für die Beendigung der Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG genügt es, wenn sich die durch den fraglichen Tarifvertrag normierte Rechtslage ändert, eine konkrete Norm des Tarifvertrags muss nicht geändert werden. Wenn die Beteiligten zu 6. und 7. vorliegend meinen, die inhaltliche Änderung der Normen des BT-K lasse die Nachbindung der Beteiligten zu 2. bis 4. an den TVöD unberührt, so steht dem entgegen, dass die Beteiligten zu 2. bis 4. als Kliniken stets in den sachlichen Geltungsbereich des TVöD BT-K fallen. Unabhängig davon, ob die inhaltliche Änderung des besonderen Teils (hier des BT-K) den Bestand des zugrunde liegenden allgemeinen Teils (hier den TVöD) berührt – wofür nach Auffassung der Beschwerdekammer keine systematischen Gründe ersichtlich sind –, fehlt es den Beteiligten zu 2. bis 4. nach dem Austritt aus dem KVA nunmehr bereits an der erforderlichen mitgliedschaftlichen Legitimation zum Abschluss des geänderten Tarifvertrages. Den bisherigen Tarifvertrag halten die Tarifvertragspartner nicht mehr für einen angemessenen Interessenausgleich, da sie ihn sonst nicht geändert hätten; konsequenterweise steht damit jede inhaltliche Änderung eines Tarifvertrags der Beendigung gleich, sodass die Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG ebenfalls endet (vgl. ErfKomm, 15. Auflage, § 3 TVG Rn. 26). Die Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG soll die Vertragstreue der Tarifpartner sichern (ErfKomm, aaO, § 3 TVG Rn. 27). Dieses Ziel kann hier nicht mehr erreicht werden.

115

Jedoch wirken die streitbefangenen Regelungen des TVöD zu Lasten der Beteiligten zu 2. bis 4. nach, § 4 Abs. 5 TVG. Sie wurden bislang nicht durch entsprechende Abmachungen ersetzt. Die inhaltsändernden Regelungsabreden vom 27./29. Dezember 2012 schlossen die Betriebspartner zeitlich vor Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages und damit noch in einem Zeitraum ab, in dem eine Nachbindung der Beteiligten zu 2. bis 4. gemäß § 3 Abs. 3 TVG bestand. Ebenso verhält es sich  hinsichtlich der Änderungsverträge. Stichtag für deren Zustandekommen war der 14. Januar 2013. Erfolgt keine ändernde Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG, besteht der gewerkschaftliche Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG zum Schutze der Tarifautonomie auch im Nachwirkungszeitraum fort (vgl. Kempen/Zachert, a. a. O, § 4 Rn. 253; Umkehrschluss zu BAG vom 25. Februar 2009 – 4 AZR 986/07 = juris Rn. 47 f).

116

Schließlich sind die Regelungsabreden sowie deren arbeitsvertraglichen Umsetzungen jeweils tarifwidrig erfolgt. Sie unterschreiten das Niveau tarifüblicher Regelungen.

117

Dies ergibt sich auch bereits daraus, dass die Tarifparteien überein gekommen sind, alsbald in Tarifverhandlungen einzutreten (vgl. BAG 22. März 2005 AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 26 mit Anm. Wiese = NZA 2006, 383; Lieb/Jacobs Rn. 775). Weiter unterschreiten die Arbeitszeitverkürzung, der Verzicht auf die §§ 18, 20 TVöD und die Vereinbarung der Sonderarbeit, welche allesamt Gegenstand der Regelungsabrede der Betriebspartner waren und bei ca. 96 % der Gesamtbelegschaft arbeitsvertraglich umgesetzt wurden, jeweils das Tarifniveau des nachwirkenden TVöD.

118

Die pauschale Reduzierung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % durch die Regelungsabreden ist tarifwidrig. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) TVöD beträgt die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich. Soweit hier von der Regelarbeitszeit durch die Regelungsabrede und deren arbeitsvertraglicher Umsetzung abgewichen wird, bedeutet dies eine Abweichung von der  tarifvertraglich regelmäßig nur befristet vereinbarten Teilzeitarbeit. Aufgrund der Befristung nach § 2 Abs. 2 der Regelungsabrede bis zum 31.12.2017, die sich lediglich auf die Gewährung von Gesundheitsurlaub und Sonderkündigungsschutz bezieht, kommt es sogar zu einer unbefristeten Teilzeit.

119

Ferner ist die arbeitsvertragliche Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung auch nicht von § 11 TVöD gedeckt. Die Regelungsabrede berücksichtigt nicht ausreichend die Vertragsfreiheit der Beschäftigten. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TVöD soll eine Arbeitszeitverkürzung lediglich auf Antrag vereinbart werden, wobei die Teilzeitbeschäftigung zunächst auf bis zu fünf Jahre zu befristen ist. Eine Verlängerung der Teilzeitbeschäftigung ist wiederum von einem Antrag des Beschäftigten abhängig.

120

Zudem verneint der Verzicht auf die §§ 18, 20 TVöD das entsprechende Schutzkonzept des TVöD und unterschreitet insoweit bereits aus sich heraus das zu berücksichtigende Tarifniveau. Ein kollektiver Vergleich nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG liegt nicht vor. § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG gilt nicht im Nachwirkungszeitraum (vgl. ErfKomm, aaO, § 4 TVG Rn. 1). Auch ein zivilrechtlicher Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB verbunden mit einem negativem Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Abs. 2 BGB liegt ebenso wenig wie eine Ausgleichsquittung vor. Denn es fehlt an einem Sachzusammenhang zwischen dem Verzicht auf die Leistungen nach §§ 18, 20 TVöD (§ 2 Abs. 1 der Regelungsabrede) und der Gewährung von Gesundheitsurlaub und Sonderkündigungsschutz (§ 2 Abs. 2 der Regelungsabrede). Die Befristung hinsichtlich § 2 Abs. 2 der Regelungsabrede kann den dauerhaften Verzicht nicht ausgleichen.

121

Auch die Vereinbarung von Sonderarbeit unterläuft das Tarifniveau des TVöD. § 2 Abs. 3 TVöD i. V. m. Ziffer 1. letzter Absatz des Musters vom Änderungsvertrag negiert die tarifrechtlichen Regelungen der §§ 6 bis 9 TVöD. Denn die übergreifende Vereinbarung von Sonderarbeit "im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten" belastet die betroffene Gesamtbelegschaft über die Regelungen des TVöD hinaus.

122

Die Anordnung von Bereitschaftsdienst nach dem TVöD ist stärker als die Einschränkung im Rahmen der Änderungsverträge. Gemäß § 7.1 Abs. 1 Satz 2 TVöD darf Bereitschaftsdienst lediglich angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt, nicht bereits wenn begründete betriebliche/dienstliche Notwendigkeiten bestehen.

123

Zudem darf der Arbeitgeber nach § 7. 1 Abs. 8 Satz 1 TVöD nur dann Rufbereitschaft anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Auch die Beschränkungen der Rufbereitschaft nach dem TVöD gehen damit weiter als die in den Änderungsverträgen vereinbarte Zulassungsvoraussetzung.

124

Gemäß § 6 Abs. 5 TVöD sind die Beschäftigten im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Schichtarbeit sowie – bei Teilzeitbeschäftigung aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung oder mit ihrer Zustimmung – zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet. Die Ermächtigung der Arbeitsvertragspartner hinsichtlich der Verpflichtung von Teilzeitbeschäftigten wird im Rahmen der Änderungsverträge negiert. Zum einen ist bereits das Angebot zum Abschluss des Änderungsvertrags hinsichtlich der Verpflichtung des Teilzeitbeschäftigten zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit tarifwidrig, da es auf Verhandlungen der Betriebs- und nicht der Arbeitsvertragspartner beruht. Zum anderen wird in Abweichung von § 6 Abs. 5 TVöD der Zustimmungsvorbehalt des Teilzeitbeschäftigten gestrichen. Soweit die abgeschlossenen Änderungsverträge im Übrigen § 6 Abs. 5 TVöD sowohl hinsichtlich der Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigten wiederholen, ist ebenfalls eine Störung der Tarifautonomie gegeben. Die Erstreckung tariflicher Regelung mit normativer Wirkung soll allein der hierfür vorgesehenen Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach § 5 TVG vorbehalten bleiben (vgl. Fitting, BetrVG, 27. Auflage, § 77 Rn. 98 mwN). Dass § 77 BetrVG auf Regelungsabreden keine Anwendung findet, ist hierbei unerheblich. Der Normzweck des Tarifvorbehalts, eine betriebliche Konkurrenzordnung zum Tarifvertragssystem zu verhindern, darf durch eine Erstreckung tarifvertraglicher Normen, gleich durch welche rechtliche Konstruktion, nicht gefährdet werden (vgl. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, 14. Auflage, § 77 Rn. 158).

125

Die antragstellende Gewerkschaft hat die Anwendung der Regelungsabreden sowie die Anwendung ihrer arbeitsvertraglichen Umsetzungen in Form von Änderungsverträgen nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Eine Regelungsabrede, die ein tarifwidriges Ziel verfolgt, ist rechtswidrig (vgl. Fitting, aaO, § 77 Rn. 102). Ihre rechtstechnische Umsetzung ebenso.

126

Die teilweise Zurückweisung der Beschwerde der Beteiligten zu 1. beruht darauf, dass es aufgrund der in Wegfall geratenen Nachbindung nur noch um die Nachwirkung geht. Deshalb war der Antragstellung der Beteiligten zu 1. nur zum Teil zu entsprechen.

127

IV. Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 23 Abs. 3 Satz 2, 4, 5 BetrVG. § 23 Abs. 3 BetrVG gilt auch dann, wenn der gewerkschaftliche Unterlassungsanspruch auf §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB iV mit Art. 9 Abs. 3 GG gestützt wird (vgl. BAG  vom 13. März 2001 – 1 AZB 19/00 = BAGE 97, 167-176, Rn. 27; ErfKomm, a. a. O, § 23 BetrVG Rn. 17).

C.

128

Gegen den das Verfahren beendenden Beschluss eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nur statt, wenn sie in dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts zugelassen wird. Zuzulassen ist die Rechtsbeschwerde nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Beschluss von einer Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Entscheidung beruht (vgl. §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG). Liegen diese Voraussetzungen (grundsätzliche Bedeutung oder Abweichung) vor, so ist das Landesarbeitsgericht zur Zulassung verpflichtet. Das vorliegende Verfahren hat nicht nur für die Beteiligten, sondern auch inhaltlich grundsätzliche Bedeutung.


Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der zu 2. bis 4. beteiligten Arbeitgeberinnen wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 1. Juli 2015 - 4 TaBV 32/13 - teilweise aufgehoben.

Die Beschwerde der Gewerkschaft gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 4. Dezember 2013 - 11 BV 18/13 - wird auch im Übrigen zurückgewiesen.

2. Die Anschlussrechtsbeschwerde des zu 5. beteiligten Betriebsrats gegen den genannten Beschluss des Landesarbeitsgerichts wird als unzulässig verworfen.

Gründe

1

A. Die Beteiligten streiten über Unterlassungsansprüche der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di.

2

Die Arbeitgeberinnen (Beteiligte zu 2. bis 4.) betreiben jeweils eine Klinik. Sie waren Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband Sachsen-Anhalt e.V. (KAV) und wurden vom Geltungsbereich des § 40 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst - Besonderer Teil Krankenhäuser - im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-BT-K) erfasst. Die Arbeitgeberinnen kündigten ihre Mitgliedschaften im KAV jeweils zum Ablauf des Jahres 2012. Jede von ihnen traf mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat (Beteiligte zu 5. bis 7.) am 29. Dezember 2012 eine Vereinbarung, die ua. wie folgt lautet:

        

Regelungsabrede

        
        

…       

        
        

Präambel

        
        

…       

        
        

Die Gesellschaft war bestrebt, dem Personalüberhang (z.T.) durch eine tarifvertragliche Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5% (auf 35 Stunden bei Vollzeittätigkeit) zu begegnen. Verhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di konnten indes zielführend innerhalb eines vertretbaren Zeithorizonts (7 Monate) nicht geführt werden. Es ist das gemeinsame Verständnis der Parteien, dass nunmehr kurzfristig auf betrieblicher Ebene im Rahmen eines ‚Bündnisses für Arbeit‘ Maßnahmen umgesetzt werden müssen, um betriebsbedingte Kündigungen nach Möglichkeit zu vermeiden, die Gesellschaft zu sanieren und den Standort nachhaltig zu sichern.

        
        

…       

        
        

§ 2 Änderungen der bestehenden Arbeitsverträge

        
        

(1)     

Die Parteien sind zu der Überzeugung gelangt, dass sich die vorgenannte Zielsetzung in der Weise als ‚Bündnis für Arbeit‘ umsetzen lässt, dass die Beschäftigten - mit Ausnahme der Ärzte und der Beschäftigten in leitender Funktion - folgende Beiträge zur Sanierung der Gesellschaft leisten:

        
                 

•       

Reduzierung der jeweils gültigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 %;

        
                 

•       

Verzicht auf Leistungen gem. § 18 und § 20 TVöD;

        
        

(2)     

Die Gesellschaft gewährt den Beschäftigten als Anerkennung für geleistete Sanierungsbeiträge

        
                 

•       

Sonderkündigungsschutz mit der Maßgabe, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen sind; ebenfalls ausgeschlossen sind solche betriebsbedingten Änderungskündigungen, die auf eine weitere Absenkung der Arbeitszeit gerichtet oder mit finanziellen Nachteilen verbunden sind;

        
                 

•       

Drei freie Tage pro Kalenderjahr zum Zwecke des Gesundheitsschutzes, von denen zwei Tage nur gegen Nachweis der Teilnahme an gesundheitsschützenden Maßnahmen gewährt werden.

        
                 

Vorstehende Regelungen sind befristet bis zum 31. Dezember 2017.

        
        

(3)     

Den Parteien ist bewusst, dass eine Umsetzung dieser Vorgaben einer individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Beschäftigten bedarf (= Abschluss von Änderungsverträgen). Die Parteien vereinbaren vor diesem Hintergrund, dass die Gesellschaft den Beschäftigten Änderungsvertragsangebote gemäß anliegendem Muster unterbreiten und Beschäftigten sodann eine Frist zur Annahme der Änderungsvertragsangebote bis zum 14. Januar 2013 (‚Stichtag‘) - bei der Personalabteilung eingehend - einräumen wird.

        
        

(4)     

Der Betriebsrat wird sich gegenüber den Beschäftigten dafür einsetzen, dass diese die Änderungsvertragsangebote annehmen werden; die Parteien werden den Beschäftigten die Beweggründe für die Änderungsvertragsangebote im Einzelnen erläutern.

        
        

§ 3 Personelle Einzelmaßnahmen gem. § 99 BetrVG innerhalb der S

        
        

…       

        
        

§ 4 Weitergehende Maßnahmen

        
        

…       

        
        

Änderungsvertrag

        
        

für Beschäftigte nach dem TVöD

        
                          
        

Zwischen

der A Klinikum …

        
        

vertreten durch

die Geschäftsführung

        
                 

Arbeitgeber

        
        

und Herrn

Max Mustermann

        

09.09.1979

        
                 

Beschäftigte/r

geb. am

        
        

wohnhaft in

…       

        
        

wird   

        
        

☐ vorbehaltlich

                 
        

☒ in Abänderung des Arbeitsvertrages vom

01.01.2001

        
        

☒ i. d. F. des Änderungsvertrages vom

03.03.2003

        
        

folgender Änderungsvertrag geschlossen:

        
                          
        

§ 1

§ 1 des Arbeitsvertrages wird

                 
                 

☐       

mit Wirkung vom _____ wie folgt geändert:

                 
                 

☐       

für den Zeitraum vom ___bis___ wie folgt geändert:

                 

Herr   

Max Mustermann

                 
                 

wird   

                 
                 

☐       

als Vollbeschäftigte(r)

                 
                 

☒       

als Teilzeitbeschäftigte(r)

                 
                          

☐       

mit der Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten

                 
                          

☐       

mit ____ v.H. der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten

                 
                                                              
                          

☒       

mit einer durchschnittl. regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von ______ Stunden

                 
                 

☐       

auf unbestimmte Zeit

                 
                 

☐       

für die Zeit bis zum_____________________

                 
                 

weiter beschäftigt.

                 
                 

Die/Der Beschäftigte (Voll- und Teilzeitbeschäftigte) ist im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet.

                 
        

2.1     

Der Beschäftigte verzichtet auf die Leistungen gem. § 18 und § 20 TVöD.

        
        

2.2     

Die Gesellschaft gewährt dem Beschäftigten als Anerkennung für die o. g. und erbrachten Sanierungsbeiträge

        
                 

-       

Sonderkündigungsschutz mit der Maßgabe, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen sind; ebenfalls ausgeschlossen sind solche betriebsbedingten Änderungskündigungen, die auf eine weitere Absenkung der Arbeitszeit gerichtet oder mit finanziellen Nachteilen verbunden sind;

        
                 

-       

drei freie Tage pro Kalenderjahr zum Zwecke des Gesundheitsschutzes, von denen zwei Tage nur gegen Nachweis der Teilnahme an gesundheitsschützenden Maßnahmen gewährt werden.

        
                 

Vorstehende Regelungen sind befristet bis zum 31. Dezember 2017.

        
        

2.3     

Im Übrigen bleiben die Regelungen des Arbeitsvertrages unberührt.

        
        

2.4     

Dieser Änderungsvertrag endet, sobald ein entsprechender neuer mit der Gewerkschaft ver.di geschlossener Haustarifvertrag, der eine Absenkung der Arbeitszeit vorsieht, in Kraft tritt, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

        
        

______, den ______

________, den ______

        
                                   
        

Diese Änderungsvereinbarung wird nur wirksam, wenn der Beschäftigte sie bis zum 14. Januar 2013 annimmt.

        
3

Nachdem die Ergebnisse der Regelungsabreden auf Beschäftigtenversammlungen am 3. Januar 2013 vorgestellt wurden, unterzeichneten ca. 96 vH der von ihnen erfassten Arbeitnehmer entsprechende Änderungsverträge.

4

Mit ihren Anträgen hat die Gewerkschaft, die in allen Kliniken vertreten ist, von den drei Arbeitgeberinnen verlangt, die weitere Anwendung einzelner Bestimmungen der Regelungsabreden und der geschlossenen Änderungsverträge zu unterlassen. Ihre Ansprüche folgten sowohl aus § 23 Abs. 3 BetrVG als auch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG. Die generelle Reduzierung der bisherigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 vH, die Vereinbarung über zu erbringende Arbeitsleistungen bei betrieblichen Notwendigkeiten sowie der vereinbarte Verzicht auf ein Leistungsentgelt und auf eine Jahressonderzahlung seien tarifwidrig. Zwar enthielten die hier streitigen Vereinbarungen der Regelungsabrede keinen unmittelbaren und zwingenden Inhalt iSd. § 77 Abs. 4 BetrVG. Etwas anderes gelte aber für die §§ 3, 4 der Regelungsabrede, so dass insgesamt eine Betriebsvereinbarung vorliege. Die Arbeitgeberinnen seien nach ihrem Austritt aus dem KAV jedenfalls nach § 3 Abs. 3 TVG tarifgebunden. Nach dem 31. Dezember 2012 erfolgte Änderungen des TVöD-BT-K seien für die Nachbindung an dem hier maßgebenden TVöD-AT ohne Auswirkungen.

5

Die Gewerkschaft hat beantragt,

        

I. den zu 2. bis 4. beteiligten Arbeitgeberinnen,

                 

jeweils aufzugeben

                 

1.    

es zu unterlassen

                          

a.    

die in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede mit dem Betriebsrat am 29.12.2012 vereinbarte Reduzierung der jeweils gültigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % sowie

                          

b.    

die aufgrund dessen iVm. § 2 Abs. 3 (Muster in der Anlage) abgeschlossenen Änderungsverträge für Beschäftigte nach dem TVöD, Ziffer 1. mit Wirkung ab 01.01.2013 vereinbarten Teilzeitbeschäftigungen mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden bzw. mit einem vereinbarten Prozentsatz der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten bzw. mit einer Reduzierung der jeweiligen individuellen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 %

                          

anzuwenden,

                 

2.    

es zu unterlassen, die Klausel unter Ziffer 1. des Änderungsvertrages anzuwenden, nach der der Beschäftigte im Rahmen begründeter betrieblicher / dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet ist,

                 

3.    

es zu unterlassen

                          

a.    

den in § 2 Abs. 1, 2. Spiegelstrich Regelungsabrede vom 29.12.2012 geregelten Verzicht auf die Leistungen gem. § 18 TVöD

                          

b.    

in Ziffer 2.1 Änderungsvertrag iVm. § 2 Abs. 3 Regelungsabrede (Muster in Anlage) vereinbarten Verzicht auf die Leistungen gem. § 18 TVöD jeweils mit dem Inhalt, dass die Leistungszulage nach § 18 TVöD nicht gezahlt wird,

                          

anzuwenden,

                 

4.    

es zu unterlassen

                          

a.    

den in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede vom 29.12.2012 geregelten Verzicht auf die Leistungen gem. § 20 TVöD (Jahressonderzahlung)

                          

b.    

sowie die gem. § 2 Abs. 3 auf § 2 Abs. 1 basierende einzelvertragliche Regelung unter Ziffer 2.1 des Änderungsvertrages jeweils mit dem Inhalt, dass die Sonderzahlung nicht gezahlt wird, anzuwenden,

                 

soweit und solange zu jedem der Gegenstandsbereiche zu 1. bis 4. der Anträge mit der Antragstellerin kein Tarifvertrag in Kraft getreten ist, der die dortigen Regelungsbereiche regelt.

        

II.     

den zu 2. bis 4. beteiligten Arbeitgeberinnen für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen jede der Verpflichtungen gemäß Nr. 1. bis 4. ein Ordnungsgeld anzudrohen, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

6

Die zu 2. bis 4. beteiligten Arbeitgeberinnen sowie der zu 5. beteiligte Betriebsrat haben beantragt, die Anträge abzuweisen. Das Urteilsverfahren sei die zutreffende Verfahrensart. Auch fehle der Gewerkschaft die Antragsbefugnis. Es sei nicht erkennbar, dass sie einen erheblichen Teil der Beschäftigten organisiere. Die Änderungsverträge enthielten keine wesentlichen Abweichungen von zwingenden tarifvertraglichen Regelungen. Zudem seien die Regelungsabreden zwischenzeitlich erledigt, weil Anträge auf Abschluss eines Änderungsvertrags nicht mehr abgegeben würden. Schließlich wirkten die Tarifbestimmungen nur noch iSd. § 4 Abs. 5 TVG nach. Die zu 6. und 7. beteiligten Betriebsräte haben gemeint, eine Nachbindung der Arbeitgeberinnen sei nicht beendet worden, weil der TVöD-AT als „Mantelbestandteil“ des „TVöD“ unverändert geblieben sei.

7

Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Auf die Beschwerde der Gewerkschaft hat das Landesarbeitsgericht den Anträgen im Wesentlichen stattgegeben. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Arbeitgeberinnen ebenso wie der zu 5. beteiligte Betriebsrat mit seiner Anschlussrechtsbeschwerde die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

8

B. Die Rechtsbeschwerden der Arbeitgeberinnen - an deren Zulassung durch das Landesarbeitsgericht der Senat nach § 92 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden ist, obwohl diese auf den bereits zum 31. Dezember 2004 außer Kraft getretenen Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung einer „Rechtssache“ gestützt wurde - sind begründet. Die Anschlussrechtsbeschwerde des zu 5. beteiligten Betriebsrats ist unzulässig.

9

I. Die Rechtsmittel der Arbeitgeberinnen sind erfolgreich.

10

1. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist allerdings nicht bereits deshalb aufzuheben, weil das Arbeitsgericht das Verfahren nicht in das Urteilsverfahren überführt hat. Zwar hat es trotz einer Rüge der Arbeitgeberinnen nicht vorab über die zutreffende Verfahrensart entschieden, so dass der Senat nicht nach § 93 Abs. 2, § 65 ArbGG an die vorliegende Verfahrensart gebunden ist. Das Beschlussverfahren nach § 2a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG ist aber für den Anspruch einer Gewerkschaft auf die Unterlassung tarifwidriger Betriebsvereinbarungen oder Regelungsabreden, die dazu bestimmt sind, eine tarifliche Ordnung zu verdrängen, die zutreffende Verfahrensart(BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 138, 68). Gleiches gilt, wenn die individualvertragliche Umsetzung vereinbarter Regelungsabreden angegriffen wird. Denn auch insoweit geht die behauptete Rechtsverletzung von einem gemeinsamen Handeln der Betriebsparteien aus (BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 91, 210).

11

2. Die Anträge sind nach gebotener Auslegung zulässig.

12

a) Die Anträge bedürfen der Auslegung.

13

aa) Die Gewerkschaft verlangt mit den Anträgen zu I. 1. a., 3. a. und 4. a. von den Arbeitgeberinnen die weitere Durchführung bestimmter von den Betriebsparteien getroffener Vereinbarungen - zeitlich befristet auf den Abschluss von entsprechenden tariflichen Regelungen mit ihr - zu unterlassen. Mit diesem Unterlassungsbegehren werden keine Beseitigungsansprüche geltend gemacht. Vielmehr ist der Antrag darauf gerichtet, dass sich die Arbeitgeberinnen bei ihrem weiteren betrieblichen Handeln - ungeachtet der Rechtsnatur der „Regelungsabreden“ und ihrer Wirksamkeit - nicht auf die von der Gewerkschaft als tarifwidrig angesehenen einzelnen, in den Anträgen näher bezeichneten Abreden stützen.

14

bb) Die mit den Anträgen zu I. 1. b., 2., 3. b. und 4. b. begehrte Verpflichtung ist - gleichfalls zeitlich befristet - darauf gerichtet, zukünftig die Nichtanwendung der geschlossenen Änderungsverträge insoweit zu unterlassen, als diese nach Auffassung der Gewerkschaft tarifwidrige Abreden beinhalten. Damit werden die Grenzen des negatorischen Rechtsschutzes gewahrt. Die Beeinträchtigung der kollektiven Koalitionsfreiheit, der hier mit dem Unterlassungsanspruch begegnet werden soll, liegt in der Vereinbarung tarifwidriger betrieblicher Regelungen und deren Umsetzung in den Änderungsverträgen (vgl. BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 42, BAGE 138, 68).

15

b) Mit diesem Inhalt sind die Anträge hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die begehrten Unterlassungspflichten sind so konkretisiert, dass die Arbeitgeberinnen erkennen können, was von ihnen für welchen Zeitraum verlangt wird. Es ist nicht erforderlich, dass die Gewerkschaft diejenigen Arbeitnehmer namentlich benennt, hinsichtlich derer sie von den Arbeitgeberinnen verlangt, es zu unterlassen, die geänderten vertraglichen Abreden anzuwenden. Anders als in dem der Entscheidung des Vierten Senats vom 19. März 2003 (- 4 AZR 271/02 - zu II 2 der Gründe, BAGE 105, 275) zu Grunde liegenden Sachverhalt hat die Gewerkschaft die Anträge nicht auf ihre Mitglieder beschränkt (vgl. BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 25, BAGE 138, 68).

16

3. Die Gewerkschaft ist entgegen der Auffassung der Arbeitgeberinnen antragsbefugt. Sie macht geltend, durch deren Maßnahmen in ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitionsfreiheit verletzt worden zu sein. Auf solche Rechtsverletzungen gestützte Unterlassungsbegehren erscheinen nicht von vornherein als aussichtslos (vgl. BAG 17. Februar 2015 - 1 ABR 41/13 - Rn. 16 mwN).

17

4. Neben den Arbeitgeberinnen sind nach § 83 Abs. 3 ArbGG die einzelnen Betriebsräte beteiligt. Durch die begehrte Entscheidung, die sich gegen ihre mit der jeweiligen Arbeitgeberin getroffene Vereinbarung richtet, werden sie in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen.

18

5. Die Anträge der Gewerkschaft sind entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts im Umfang der erfolgten Stattgabe unbegründet. Hinsichtlich der Unterlassungsanträge zu I. 1. a., 3. a. und 4. a. fehlt es an einer Wiederholungsgefahr (unter b). In Bezug auf die weiteren Anträge zu I. 1. b., 2., 3. b. und 4. b. ist eine fortbestehende Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft aufgrund des Wegfalls der Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 3 TVG jedenfalls am 1. April 2014 entfallen (unter c). Der als unechter Hilfsantrag gestellte Antrag zu II. fällt daher nicht zur Entscheidung an.

19

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steht einer Gewerkschaft bei einer Verletzung ihrer Koalitionsfreiheit durch tarifwidrige Regelungsabreden und deren einzelvertragliche Umsetzung ein Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG zu.

20

aa) Art. 9 Abs. 3 GG schützt eine Koalition in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen. Der Schutz erstreckt sich auf alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen. Dazu gehören sämtliche Betätigungen, die dem Zweck der Koalitionen dienen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern (BVerfG 6. Februar 2007 - 1 BvR 978/05 - zu II 2 a der Gründe). Die so geschützte Koalitionsfreiheit wird nicht erst dann beeinträchtigt, wenn eine Koalition daran gehindert wird, Tarifrecht zu schaffen. Eine Einschränkung oder Behinderung dieses Freiheitsrechts liegt nach der Senatsrechtsprechung bereits in Abreden oder Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, die Wirkung des von Koalitionen geschaffenen Tarifrechts zu vereiteln oder leerlaufen zu lassen. Unschädlich ist, ob entsprechende Abreden nach Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG nichtig sind, also die tarifliche Ordnung nicht in rechtlich erzwingbarer Weise ersetzen können. Die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit liegt bereits in der Eignung solcher Absprachen, aufgrund ihres erklärten Geltungsanspruchs faktisch an die Stelle der tariflichen Regelung zu treten. Darauf zielen tarifwidrige Regelungsabreden und auf deren Grundlage erfolgte arbeitsvertragliche Änderungsregelungen mit einem vom Tarifvertrag abweichenden Inhalt ab. Ihr offenkundiger Zweck ist es, Tarifnormen als kollektive Ordnung zu verdrängen und sie damit ihrer zentralen Funktion zu berauben (BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 35, BAGE 138, 68).

21

bb) Geltendes Tarifrecht wird allerdings nur dann verdrängt, wenn der betreffende Tarifvertrag im Anwendungsbereich der fraglichen betrieblichen Regelung normativ gilt, sei es nach § 3 Abs. 1 TVG oder § 3 Abs. 3 TVG. Soweit es daran fehlt, besteht kein Geltungsanspruch des Tarifvertrags und der Arbeitgeber ist frei, mit seinen Arbeitnehmern untertarifliche Arbeitsbedingungen zu vereinbaren (vgl. BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - zu B II 2 b bb und B III 2 der Gründe, BAGE 91, 210). Dies ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bereits dann der Fall, wenn der Tarifvertrag lediglich nachwirkt. Inhalt des Koalitionsschutzes ist die Sicherung der Wirkung von Tarifverträgen. Im Nachwirkungszeitraum kommt den Tarifvertragsparteien keine ausschließliche Regelungsmacht mehr zu (DKKW-Berg BetrVG 15. Aufl. § 77 Rn. 210; Berg/Platow DB 1999, 2362, 2365; Fitting BetrVG 28. Aufl. § 77 Rn. 236 mwN; Däubler TVG/Ahrendt 4. Aufl. § 1 Rn. 1259; Kreutz GK-BetrVG 10. Aufl. § 77 Rn. 463; Rieble ZTR 1999, 483, 485; aA Stein in: Kempen/Zachert/Stein TVG 5. Aufl. § 4 Rn. 253). Die Tarifnormen „gelten“ nach § 4 Abs. 5 TVG im Nachwirkungszeitraum zwar weiter. Sie wirken damit kraft Gesetzes für die bisher tarifgebundenen Arbeitsverhältnisse nach wie vor unmittelbar, sie sind aber nicht mehr zwingend (st. Rspr., etwa BAG 30. Januar 2013 - 4 AZR 306/11 - Rn. 19). Nach Beendigung der Tarifgebundenheit kann das Recht auf koalitionsgemäße Betätigung durch von den tariflichen Inhalten abweichende betriebliche Regelungen nicht mehr beeinträchtigt werden. Es fehlen zwingende Tarifregelungen. Dann entfällt zugleich die Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit als Voraussetzung eines negatorischen Unterlassungsanspruchs, der auf die Abwehr zukünftiger Störungen gerichtet ist.

22

b) Die gegen die weitere Durchführung der in § 2 Abs. 1 Spiegelstrich 1 und 2 der Regelungsabrede gerichteten Unterlassungsanträge zu I. 1. a., 3. a. und 4. a. sind mangels einer Wiederholungsgefahr unbegründet.

23

aa) Dabei kann es vorliegend dahinstehen, ob sich die Gewerkschaft für ihr Begehren neben § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG auch auf einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 iVm. § 77 Abs. 3 BetrVG stützen kann. Der Senat muss nicht darüber befinden, ob die Auffassung der Gewerkschaft, die jeweiligen Betriebsparteien hätten am 29. Dezember 2012 namentlich im Hinblick auf § 2 Abs. 3 der Vereinbarungen nicht nur eine Regelungsabrede, sondern eine Betriebsvereinbarung iSd. § 77 Abs. 3 BetrVG geschlossen, zutreffend ist. Dies unterstellt, ist auch nicht zu entscheiden, ob § 77 Abs. 3 BetrVG Grundnorm der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung ist, die einen gewerkschaftlichen Unterlassungsanspruch gegen tarifwidrige Betriebsvereinbarungen trägt(vgl. BAG 13. März 2001 - 1 AZB 19/00 - zu C I 2 a der Gründe, BAGE 97, 167). Für einen auf § 23 Abs. 3 iVm. § 77 Abs. 3 BetrVG gestützten Unterlassungsanspruch fehlt es an einer Wiederholungsgefahr.

24

bb) Die Besorgnis weiterer Beeinträchtigungen (§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB) ist Tatbestandsmerkmal des auf §§ 1004, 823 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG gestützten Unterlassungsanspruchs und damit materielle Anspruchsvoraussetzung(BAG 20. November 2012 - 1 AZR 179/11 - Rn. 82 mwN, BAGE 143, 354). Künftige Beeinträchtigungen eines geschützten Rechts sind grundsätzlich zu besorgen, wenn sie auf einer Verletzungshandlung beruhen (Wiederholungsgefahr) oder eine solche ernsthaft zu befürchten ist (Erstbegehungsgefahr). Wiederholungsgefahr ist die objektive Gefahr der erneuten Begehung einer konkreten Verletzungshandlung. Sie ist nicht auf die identische Verletzungsform beschränkt, sondern umfasst alle im Kern gleichartigen Verletzungsformen (BAG 18. November 2014 - 1 AZR 257/13 - Rn. 39 mwN, BAGE 150, 50). Für sie besteht eine tatsächliche Vermutung, wenn es bereits zu einer Verletzung des geschützten Rechts gekommen ist. Auch bei einem Unterlassungsbegehren nach § 23 Abs. 3 iVm. § 77 Abs. 3 BetrVG indiziert bereits eine grobe Pflichtverletzung die erforderliche Wiederholungsgefahr(BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 77/10 - Rn. 15 mwN). Diese ist im Rahmen beider Anspruchsgrundlagen allerdings dann ausgeschlossen, wenn aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen keine erneute Verletzungshandlung zu erwarten ist (zu § 23 Abs. 3 BetrVG BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 77/10 - Rn. 15; zu § 1004 BGB BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 31/12 - Rn. 32, BAGE 146, 189).

25

cc) Indem die Gewerkschaft ihre Unterlassungsbegehren auf konkrete Vereinbarungen der Regelungsabreden beschränkt, legt sie zugleich den Bezugspunkt für die Wiederholungsgefahr fest. Eine Auslegung der Unterlassungsanträge auf eine von den konkreten Vereinbarungen in den Regelungsabreden abstrahierte Verletzungsform ist angesichts des gesamten Vorbringens der Gewerkschaft, sie wolle die „Unterlassung der weiteren Durchführung“ der geschlossenen Regelungsabreden erreichen, ohne Verstoß gegen § 308 ZPO nicht möglich. Daher besteht keine Wiederholungsgefahr, die Arbeitgeberinnen würden sich bei ihrem weiteren betrieblichen Handeln auf die in den Anträgen genannten Vereinbarungen in den Regelungsabreden beziehen. Diese sind - jedenfalls in Bezug auf die in den Anträgen genannten Regelungsgegenstände - auf den Abschluss von Änderungsverträgen „bis zum 14. Januar 2013“ ausgerichtet. In dem anliegenden Muster für die Änderungsverträge ist für deren Wirksamkeit eine Annahmefrist für das Vertragsangebot bis gleichfalls zu diesem Datum vorgesehen. Zukünftige Vertragsangebote gemäß § 2 Abs. 1 der Regelungsabreden kommen schon nach dem Inhalt der Regelungsabreden nicht mehr in Betracht. Auch die Arbeitgeberinnen haben im Verfahren unwidersprochen vorgebracht, die Regelungsabreden hätten sich zwischenzeitlich erledigt, weil Änderungsverträge nicht mehr angeboten würden.

26

c) Die Gewerkschaft kann sich für ihr Begehren nach den Anträgen zu I. 1. b., 2., 3. b. und 4. b. nicht auf §§ 1004, 823 BGB iVm. Art. 9 Abs. 3 GG stützen. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass die Arbeitgeberinnen schon zum Zeitpunkt der Anhörung vor dem Landesarbeitsgericht nicht mehr an den TVöD-AT und den TVöD-BT-K nach § 3 Abs. 3 TVG gebunden waren. Der TVöD-AT und der TVöD-BT-K befanden sich ab dem 1. April 2014 in der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG. Bereits aus diesem Grund scheiden zukunftsbezogene Unterlassungsansprüche aus.

27

aa) Es bedarf deshalb vorliegend keiner Entscheidung, ob neben dem in den Änderungsverträgen vereinbarten Verzicht auf eine Jahressonderzahlung (§ 20 TVöD-AT) und das Leistungsentgelt (§ 18 TVöD-AT) die weiteren angegriffenen Regelungen über eine Reduzierung der bisherigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 vH und die Verpflichtung zu weiteren Arbeitsleistungen im Rahmen betrieblicher Notwendigkeiten, die § 6 Abs. 5 TVöD-K entspricht, einen tarifwidrigen Inhalt haben. Soweit die Arbeitgeberinnen meinen, der Verzicht auf die Leistungen nach §§ 18, 20 TVöD-AT sei unter Berücksichtigung der befristeten Regelungen in Nr. 2.2 der Änderungsverträge und § 2 Abs. 2 der Regelungsabreden günstiger, trifft dies nicht zu. Bei einem Günstigkeitsvergleich können nur diejenigen Regelungen miteinander verglichen werden, die in einem sachlichen Zusammenhang stehen („Sachgruppenvergleich“). Arbeitsentgeltbestandteile einerseits sowie eine befristete Beschäftigungssicherung durch den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und „freie Tage“ andererseits (Nr. 2.2 der Änderungsvertragsmuster) sind unterschiedlich geartete Regelungsgegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt (st. Rspr. BAG 6. November 2007 - 1 AZR 862/06 - Rn. 24 mwN, BAGE 124, 323).

28

bb) Eine (etwaige) Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft durch tarifwidrige Abreden in den geschlossenen Änderungsverträgen hat mit Eintritt der Nachwirkung des TVöD-BT-K bei den Arbeitgeberinnen ab dem 1. April 2014 geendet.

29

(1) Mit dem Austritt der Arbeitgeberinnen aus dem KAV zum Ende des Jahres 2012 endete deren unmittelbare Tarifgebundenheit nach § 3 Abs. 1 TVG. Das bedingt den Eintritt der Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG ab dem 1. Januar 2013.

30

(2) Bereits nachfolgende Änderungen des TVöD-BT-K wie der von den Arbeitgeberinnen angeführte Änderungsvertrag Nr. 6 zum TVöD-BT-K, der zum 1. April 2014 § 42 Abs. 2 Satz 2 (Einsatzzuschlag), § 51 (Funktionszulagen für Ärztinnen und Ärzte) sowie der Anlage C und G (Tabellenentgelte) änderte, führten zur Beendigung der Nachbindung iSd. § 3 Abs. 3 TVG sowohl an den TVöD-BT-K als auch an den TVöD-AT. Weitere Änderungen erfolgten zudem durch die nachfolgenden Änderungstarifverträge Nr. 7 und Nr. 8 zum TVöD-BT-K vom 29. April 2016.

31

(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führt jede Änderung eines Tarifvertrags zu dessen Ende iSd. § 3 Abs. 3 TVG. Das ergibt sich aus der für die geänderten Tarifregelungen nunmehr fehlenden mitgliedschaftlichen Legitimation des Verbandshandelns für das ehemalige Mitglied. Ein Arbeitgeber, der aus dem tarifschließenden Arbeitgeberverband ausgetreten ist, kann nicht mehr zwingend an Tarifregelungen gebunden sein, die für die mit ihm konkurrierenden, im Verband verbliebenen Arbeitgeber nicht mehr mit dem gleichen Inhalt gelten (BAG 25. Februar 2009 - 4 AZR 986/07 - Rn. 39 f. mwN). Dafür kommt es nicht darauf an, ob die nicht geänderten Teile eines Tarifvertrags noch eine sinnvolle Ordnung ergeben. Es trifft weiterhin nicht zu, wenn die Gewerkschaft vorbringt, die „bloße Anpassung von Zahlenwerten“ sei in gesonderten Entgelttarifverträgen erfolgt. Die Änderung von Entgelttabellen ist in den genannten Änderungstarifverträgen zum TVöD-BT-K geregelt.

32

(b) Entgegen der Auffassung der Gewerkschaft und der zu 6. und zu 7. beteiligten Betriebsräte führt zudem jede Änderung des TVöD-BT-K zu einer Beendigung der Nachbindung in Bezug auf die Regelungen des TVöD-AT im Geltungsbereich des TVöD-BT-K. Das folgt aus der Regelungstechnik des allgemeinen Teils und der besonderen Teile des TVöD. Der TVöD setzt sich in seinem jeweiligen Geltungsbereich nach dem ausdrücklichen Willen der Tarifvertragsparteien aus zwei tarifvertraglichen Regelungen zusammen und bildet insoweit eine Einheit. Der TVöD-AT mit seinen Reglungen in den §§ 1 bis 39 gilt für alle Bereiche. Die einzelnen besonderen Teile, die nur für den jeweiligen fachlichen Geltungsbereich eine unmittelbare und zwingende Geltung beanspruchen, enthalten sowohl Vorschriften, die von den Regelungen des allgemeinen Teils abweichen und deshalb als speziellere Normen den Regelungen des TVöD-AT vorgehen. Daher bilden nach Nr. 1 der Vorbemerkungen zu den besonderen Teilen „Der TVöD - Allgemeiner Teil - und der jeweilige Besondere Teil … Krankenhäuser (BT-K) … im Zusammenhang das Tarifrecht für den jeweiligen Dienstleistungsbereich“, auch wenn sie rechtlich selbstständige Tarifverträge blieben (Nr. 4 der Vorbemerkungen). Dementsprechend haben die Tarifvertragsparteien nach der Vorbemerkung Nr. 2 „Zur besseren Übersicht und Lesbarkeit … aus dem Allgemeinen Teil des TVöD und dem jeweiligen Besonderen Teil … durchgeschriebene Fassungen für die sechs Dienstleistungsbereiche erstellt.“

33

(c) Darüber hinaus wurden durch die Änderungstarifverträge Nr. 10 (vom 1. April 2014) sowie Nr. 11 und Nr. 12 (jeweils vom 29. April 2016) zum TVöD-AT tarifliche Regelungen des TVöD-AT im Geltungsbereich des TVöD-BT-K geändert.

34

(3) Mit dem Eintritt der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG ist die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft nicht mehr betroffen(BAG 17. Mai 2011 - 1 AZR 473/09 - Rn. 37, BAGE 138, 68, sh. auch oben B I 5 a bb). Der Umstand, dass es sich bei den bereits im Januar 2013 geschlossenen Änderungsverträgen nicht um andere Abmachungen iSd. § 4 Abs. 5 TVG handelt, führt zu keinem anderen Ergebnis.

35

(a) Nach § 4 Abs. 5 TVG gelten nach Ablauf eines Tarifvertrags seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden, die denselben Regelungsbereich erfasst. Für die Annahme einer solchen Abmachung zur Ablösung eines nachwirkenden Tarifvertrags ist es zwar nicht erforderlich, dass diese erst nach Eintritt der Nachwirkung geschlossen wird. Die Abrede muss aber vom Regelungswillen der Parteien darauf gerichtet sein, eine bestimmte bestehende Tarifregelung in Anbetracht ihrer absehbar bevorstehenden Beendigung und des darauffolgenden Eintritts der Nachwirkung abzuändern (ausf. BAG 1. Juli 2009 - 4 AZR 261/08 - Rn. 61 ff. mwN, BAGE 131, 176).

36

(b) Danach handelt es sich bei den Änderungsverträgen nach dem Muster in den Regelungsabreden nicht um andere Abmachungen iSd. § 4 Abs. 5 TVG. Die Abreden sind von ihrem Regelungsgehalt nicht darauf gerichtet, eine bestimmte bestehende Tarifregelung in Anbetracht ihrer bevorstehenden Beendigung und des darauffolgenden Eintritts abzuändern. Vielmehr sollte - jedenfalls bezogen auf §§ 18, 20 TVöD-AT - unmittelbar und nicht erst zum Zeitpunkt des Eintritts einer Nachwirkung eine von tariflichen Bestimmungen abweichende vertragliche Regelung geschaffen werden.

37

(c) Für die Begründetheit der Unterlassungsanträge der Gewerkschaft kommt es vorliegend nicht darauf an, wann etwaige untertarifliche individuelle Absprachen getroffen wurden und ob sie als einen nachwirkenden Tarifvertrag ersetzende andere Abmachungen iSd. § 4 Abs. 5 TVG anzusehen sind. Der gewerkschaftliche Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1, § 823 Abs. 1 BGB iVm. Art. 9 GG dient dem Schutz der kollektiven Koalitionsfreiheit. Er soll die zwingende und unmittelbare Geltung des von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Tarifrechts sichern. Die koalitionsmäßige Betätigung der Gewerkschaft wird aber ab dem Ende der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers nicht mehr beeinträchtigt. Die Gewerkschaft kann daher nicht die fehlende Ablösung nachwirkenden Tarifrechts aufgrund unzureichender individualrechtlicher Vereinbarungen geltend machen. Hierzu fehlt ihr die Legitimation. Dies wird bestätigt durch Sinn und Zweck der Nachwirkung. Sie soll eine Überbrückungsregelung schaffen, die eine zwischenzeitliche Bestimmung der bisher tarifvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen nach anderen Regelungen entbehrlich macht (BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 789/07 - Rn. 27, BAGE 128, 175).

38

II. Die Anschlussrechtsbeschwerde des zu 5. beteiligten Betriebsrats ist unzulässig.

39

1. Eine Anschlussrechtsbeschwerde muss nach § 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO bis zum Ablauf eines Monats nach der Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründung erklärt werden. Sie kann - anders als eine Anschlussbeschwerde, weil § 90 ArbGG keine Frist für die Beschwerdeerwiderung kennt - nicht bis zum Anhörungstermin eingelegt werden. Maßgebend sind nach § 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Revision und damit die Frist von einem Monat nach § 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

40

2. Danach ist die Anschlussrechtsbeschwerde nicht innerhalb der gesetzlichen Frist eingelegt worden. Die Rechtsbeschwerdebegründung der Beteiligten zu 1. bis 3. wurde dem zu 5. beteiligten Betriebsrat am 20. Oktober 2015 zugestellt; die Anschlussrechtsbeschwerdeschrift ging erst am 25. November 2015 und damit nach Ablauf der Monatsfrist beim Bundesarbeitsgericht ein.

        

    Schmidt    

        

   K. Schmidt    

        

    Treber    

        

        

        

    Hromadka    

        

    D. Wege    

                 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und unter deren Zurückweisung im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 04. Dezember 2013 – 11 BV 18/13 – teilweise abgeändert. Den Beteiligten zu 2. bis 4. wird jeweils aufgegeben,

a. es zu unterlassen,

aa. die in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede mit dem Betriebsrat am 03.01.2013 vereinbarte Reduzierung der jeweils gültigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % sowie

bb. die aufgrund dessen i. V. m. § 2 Abs. 3 (Muster in der Anlage) abgeschlossenen Änderungsverträge für Beschäftigte nach dem TVöD, Ziffer 1. mit Wirkung ab 01.01.2013 vereinbarten Teilzeitbeschäftigungen mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden bzw. mit einem vereinbarten Prozentsatz der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten bzw. mit einer Reduzierung der jeweiligen individuellen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % anzuwenden;

b. es zu unterlassen, die Klausel unter Ziffer 1. des Änderungsvertrages anzuwenden, nach der der Beschäftigte im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht und Schichtarbeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet ist;

c. es zu unterlassen,

aa. den in § 2 Abs. 1, 2. Spiegelstrich Regelungsabrede vom 03.01.2013 geregelten Verzicht auf die Leistungen gemäß § 18 TVöD und

bb. in Ziffer 2.1 Änderungsvertrag i. V. m. § 2 Abs. 3 der Regelungsabrede (Muster in der Anlage) vereinbarten Verzicht auf die Leistungen gemäß § 18 TVöD jeweils mit dem Inhalt, dass die Leistungszulage nach § 18 TVöD nicht gezahlt wird, anzuwenden;

d. es zu unterlassen,

aa. den in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede vom 03.01.2013 geregelten Verzicht auf die Leistungen gem. § 20 TVöD (Jahressonderzahlung)

bb. sowie die gem. § 2 Abs. 3 auf § 2 Abs. 1 basierende einzelvertragliche Regelung unter Ziffer 2.1 des Änderungsvertrages jeweils mit dem Inhalt, dass die Sonderzahlung nicht gezahlt wird, anzuwenden,

soweit und solange zu den einzelnen Gegenstandsbereiche zu a. bis d. der Anträge mit der Antragstellerin kein Tarifvertrag in Kraft getreten ist, der die dortigen Regelungsbereiche regelt oder diese durch  eine andere Abmachung ersetzt werden.

2. Den Beteiligten zu 2. bis 4. wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen unter Ziffer 1. a. bis d. ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 10.000,- € angedroht.

3. Die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

Gründe

A.

1

Die Antragstellerin begehrt von den Beteiligten 2. bis 4. die Unterlassung der Anwendung und Umsetzung betrieblicher Regelungen, die diese mit ihren jeweiligen Betriebsräten, den Beteiligten 5. bis 7., abgeschlossen haben.

2

Antragstellerin ist die V-gewerkschaft. Die Beteiligten zu 2. bis 4. sind Kliniken, welche der A -Gruppe angehören. Bei der Beteiligten zu 2. (Klinikum S) sind von 432 Vollzeitkräften (VK) 60,8 VK im ärztlichen Dienst tätig, bei der Beteiligten zu 3. (Klinikum B) sind von 451,6 VK insgesamt 53,7 VK im ärztlichen Dienst beschäftigt und bei der Beteiligten zu 4. (Klinikum A) sind von 659,4 VK insgesamt 88 VK im ärztlichen Dienst eingesetzt. Wie viele Arbeitnehmer genau bei der Antragstellerin Mitglied sind, ist nicht bekannt. Fest steht jedoch, dass die Antragstellerin in allen drei Kliniken vertreten ist. Die Beteiligten zu 2. bis 4. waren Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV). Durch ihre Mitgliedschaft fanden die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes, darunter der TVöD-K und der TVöD, Anwendung.

3

Mit Schreiben vom 25. Juni 2012 kündigten die Beteiligten zu 2. bis 4. ihre Mitgliedschaften im KAV und schieden zum 31. Dezember 2012 aus. Zum Zeitpunkt der Kündigung befanden sich die Beteiligten zu 2. bis 4. in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Bereits mit Schreiben vom 21. Mai 2012 hatten die Beteiligten zu 2. bis 4. die Antragstellerin zur Aufnahme von Tarifverhandlungen über Haustarifverträge, darunter auch Sanierungstarifverträge, aufgefordert. Tarifverhandlungen kamen nicht zu Stande. Zwischen der Antragstellerin und den Beteiligten zu 2. bis 4. besteht ausweislich Seite 3 des Protokolls über die mündliche Anhörung vom 29. April 2015 die Absicht, alsbald miteinander in Verhandlungen einzutreten.

4

Im Herbst 2012 fanden Betriebsversammlungen statt. Am 27. und 29. Dezember 2012 wurden Vereinbarungen zwischen den Beteiligten zu 2. bis 4. und ihren jeweiligen Betriebsräten geschlossen. Am 03. Januar 2013 erfolgte die Bekanntgabe der Resultate an deren Belegschaften. Die als "Regelungsabreden" bezeichneten Vereinbarungen lauten im Wesentlichen wie folgt:

5

"§ 2 Änderung der bestehenden Arbeitsverträge

6

(1) Die Parteien sind zu der Überzeugung gelangt, dass sich die vorgenannte Zielsetzung in der Weise als "Bündnis für Arbeit" umsetzen lässt, dass die Beschäftigten – mit Ausnahme der Ärzte und der Beschäftigten in leitender Funktion – folgende Beiträge zur Sanierung der Gesellschaft leisten:

7

o Reduzierung der jeweils gültigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 %;

8

o Verzicht auf Leistungen gem. §§ 18 und 20 TVöD;

9

(2) Die Gesellschaft gewährt den Beschäftigten als Anerkennung für geleistete Sanierungsbeiträge

10

o Sonderkündigungsschutz mit der Maßgabe, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen sind; ebenfalls ausgeschlossen sind solche betriebsbedingten Änderungskündigungen, die auf eine weitere Absenkung der Arbeitszeit gerichtet oder mit finanziellen Nachteilen verbunden sind;

11

o Drei freie Tage pro Kalenderjahr zum Zweck des Gesundheitsschutzes, von denen zwei Tage nur gegen Nachweis der Teilnahme an gesundheitsschützenden Maßnahmen gewährt werden.

12

Vorstehende Regelungen sind befristet bis zum 31. Dezember 2017.

13

(3) Den Parteien ist bewusst, dass eine Umsetzung dieser Vorgaben einer individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Beschäftigten bedarf (= Abschluss von Änderungsverträgen). Die Parteien vereinbaren vor diesem Hintergrund, dass die Gesellschaft den Beschäftigten Änderungsvertragsangebote gemäß anliegendem Muster unterbreiten und die Beschäftigten sodann eine Frist zur Annahme der Änderungsvertragsangebote bis zum 14. Januar 2013 ("Stichtag") – bei der Personalabteilung eingehend – einräumen wird.

14

(4) Der Betriebsrat wird sich gegenüber den Beschäftigten dafür einsetzen, dass diese die Änderungsvertragsangebote annehmen werden; die Parteien werden den Beschäftigten die Beweggründe für die Änderungsvertragsangebote im Einzelnen erläutern."

15

Wegen der weiteren diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Bl. 68-70, 71-73 sowie 74-76 d. A. verwiesen.

16

Allen Vereinbarungen war eine Anlage beigefügt, die ein Arbeitsvertragsmuster mit im Wesentlichen folgendem Inhalt enthielt:

17

"Änderungsvertrag

18

für Beschäftigte nach dem TVöD

19

Zwischen der A- Klinikum A GmbH

20

vertreten durch die Geschäftsführung

21

Arbeitgeber

22

und Herrn Max Mustermann 09.09.1979

23

Beschäftigte(r)  geb. am.

24

wohnhaft in Krankenhausweg, 06499 Aschersleben

25

wird

26

□ vorbehaltlich ______________________________________________

27

□ in Abänderung des Arbeitsvertrages vom 01.01.2001

28

□ i. d. F. des Änderungsvertrages vom  03.03.2003

29

folgender Änderungsvertrag geschlossen:

30

§ 1 des Arbeitsvertrages wird

31

□ mit Wirkung vom ____________ wie folgt geändert:

32

□ für den Zeitraum vom ___________ bis ____________ wie folgt geändert:

33

Herr Max Mustermann

34

wird

35

□ als Vollbeschäftigte(r)

36

□ als Teilzeitbeschäftigte(r)

37

o mit der Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten

38

o mit _______ v. H. der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten

39

o  mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von ____ Stunden

40

o auf   unbestimmte   Zeit

41

o für die Zeit bis zum _____________ weiter beschäftigt.

42

Die/der Beschäftigte (Voll- und Teilzeitbeschäftigte) ist im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht- und Schichtarbeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet.

43

Änderungsvertrag (Seite 2)

44

2. 1 Der Beschäftigte verzichtet auf die Leistungen gem. § 18 und § 20 TVöD.

45

2. 2 Die Gesellschaft gewährt dem Beschäftigten als Anerkennung für die o. g. und erbrachten Sanierungsbeiträge

46

o Sonderkündigungsschutz mit der Maßgabe, dass betriebsbedingte Beendigungskündigungen ausgeschlossen sind; ebenfalls ausgeschlossen sind solche betriebsbedingten Änderungskündigungen, die auf eine weitere Absenkung der Arbeitszeit gerichtet oder mit finanziellen Nachteilen verbunden sind;

47

o Drei freie Tage pro Kalenderjahr zum Zwecke des Gesundheitsschutzes, von denen zwei Tage nur gegen Nachweis der Teilnahme an gesundheitsschützenden Maßnahmen gewährt werden.

48

Vorstehende Regelungen sind befristet bis zum 31. Dezember 2017.

49

2. 3 Im Übrigen bleiben die Regelungen des Arbeitsvertrages unberührt.

50

2. 4 Dieser Änderungsvertrag endet, sobald ein entsprechender neuer mit der Gewerkschaft ver.di geschlossener Haustarifvertrag, der eine Absenkung der Arbeitszeit vorsieht, in Kraft tritt, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet.

51

________, den _________   ___________________, den ______________

52

Diese Änderungsvereinbarung wird nur wirksam, wenn der Beschäftigte sie bis zum 14. Januar 2013 annimmt."

53

Wegen der weiteren diesbezüglichen Einzelheiten wird auf Bl. 306 - 307 d. A. verwiesen.

54

Anschließend unterzeichneten nach Angaben der Beteiligten zu 2. bis 4. ca. 96 % der Arbeitnehmer der Beteiligten zu 2. bis 4. Änderungsverträge auf der Basis des o.g. Arbeitsvertragsmusters.

55

Mit den beim Arbeitsgericht am 21. Februar 2013 eingegangenen und den Beteiligten zu 2. bis 7. jeweils am 28. Februar 2013 zugestellten Anträgen begehrt die Antragstellerin von den Beteiligten zu 2 bis 4. die Anwendung der vorgenannten Regelungsabreden und deren arbeitsvertragliche Umsetzung zu unterlassen.

56

Sie meint, die Abreden der Kliniken mit den jeweiligen Betriebsräten seien unwirksam. Zwar seien dies keine Betriebsvereinbarungen, mithin greife die Sperrwirkung von § 77 Abs. 3 BetrVG nicht. Die Abreden seien jedoch kollektive Regelungsabreden, die von den Inhalten der Tarifverträge, an deren Inhalt die Beteiligten zu 2. bis 4. auch nach Verbandsaustritt gebunden seien, abweichen würden. Folglich verletzte das Vorgehen der Betriebspartner ihre Rechte aus Art. 9 Abs. (3) GG.

57

Die Antragstellerin hat beantragt, die Beteiligten 2. bis 4. jeweils zu verurteilen,

58

1. es zu unterlassen,

59

a. die in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede mit dem Betriebsrat am 03.01. 2013 vereinbarte Reduzierung der jeweils gültigen individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % sowie

60

b. die aufgrund dessen i. V. m. § 2 Abs. 3 (Muster in der Anlage) abgeschlossenen Änderungsverträge für Beschäftigte nach dem TVöD, Ziffer 1. mit Wirkung ab 01.01.2013 vereinbarten Teilzeitbeschäftigungen mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden bzw. mit einem vereinbarten Prozentsatz der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschäftigten bzw. mit einer Reduzierung der jeweiligen individuellen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % anzuwenden;

61

2. es zu unterlassen, die Klausel unter Ziffer 1. des Änderungsvertrages anzuwenden, nach der der Beschäftigte im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht und Schichtarbeit sowie Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet ist;

62

3. es zu unterlassen,

63

a. den in § 2 Abs. 1, 2. Spiegelstrich Regelungsabrede vom 03.01.2013 geregelten Verzicht auf die Leistungen gemäß § 18 TVöD und

64

b. in Ziffer 2.1 Änderungsvertrag i. V. m. § 2 Abs. 3 der Regelungsabrede (Muster in der Anlage) vereinbarten Verzicht auf die Leistungen gemäß § 18 TVöD jeweils mit dem Inhalt, dass die Leistungszulage nach § 18 TVöD nicht gezahlt wird, anzuwenden;

65

4. es zu unterlassen,

66

a. den in § 2 Abs. 1 der Regelungsabrede vom 03.01.2013 geregelten Verzicht auf die Leistungen gem. § 20 TVöD (Jahressonderzahlung)

67

b. sowie die gem. § 2 Abs. 3 auf § 2 Abs. 1 basierende einzelvertragliche Regelung unter Ziffer 2.1 des Änderungsvertrages jeweils mit dem Inhalt, dass die Sonderzahlung nicht gezahlt wird, anzuwenden,

68

soweit und solange zu jedem der Gegenstandsbereiche zu 1. bis 4. der Klageanträge mit der Antragstellerin kein Tarifvertrag in Kraft getreten ist, der die dortigen Regelungsbereiche regelt.

69

5. Weiter die Beteiligten zu 2. bis 4. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen jede der Verpflichtungen gemäß Ziffer 1. bis 4. ein Ordnungsgeld anzudrohen, das der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.

70

Die Beteiligten zu 2. bis 4. haben jeweils beantragt,

71

die Anträge zurückzuweisen.

72

Sie halten das Urteilsverfahren und nicht das Beschlussverfahren für die richtige Verfahrensart. Zudem seien die Anträge zu unbestimmt und daher unzulässig. Die Regelungsabreden seien rechtlich zulässig, da nicht in Rechte der Antragstellerin eingegriffen werde. Es fehle an einer betrieblichen Konkurrenzordnung zur tarifvertraglichen Lage. Die Antragstellerin sei nicht mit ausreichender Mächtigkeit in den Betrieben der Beteiligten zu 2. bis 4. vertreten. Dies ergebe sich aus der Tarifinfo "Auf ein Wort", wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 208 bis 210 der Akte verwiesen wird.

73

Die Beteiligten zu 5. bis 7. haben keine Anträge gestellt.

74

Der Beteiligte zu 5. hält die Anträge der Beteiligten zu 1. für unzulässig und unbegründet. Weder die Regelungsabreden noch die Änderungsverträge seien tarifwidrig.

75

Die Beteiligten zu 6. und 7. halten die Anträge der Beteiligten zu 1. gegenüber den Beteiligten zu 2. bis 4. jeweils unter den Ziffern 3 a, 3 b, 4 a und 4 b (Verzicht auf §§ 18, 20 TVöD) für begründet, im Übrigen für unbegründet.

76

Mit Beschluss vom 04. Dezember 2013 – 11 BV 18/13 –  hat das Arbeitsgericht Magdeburg die Anträge der Antragstellerin vollumfänglich zurückgewiesen. Die Anträge seien zulässig, aber nicht begründet. Obwohl ein Anspruch der Antragstellerin nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich anzuerkennen sei, fehle es mangels tariflicher Konkurrenzsituation der Regelungsabreden bzw. der Änderungsvereinbarungen  mit den tariflichen Regelungen am Tatbestandsmerkmal der "Störung". Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschlusses wird auf Blatt 362-386 der Akte Bezug genommen, welcher der Antragstellerin am 09. Dezember 2013 zugestellt worden ist. Deren Beschwerde ist am 20. Dezember 2013 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen. Mit dem dort am 03. Februar 2014 eingegangenem Schriftsatz vom 03. Februar 2014 hat die Antragstellerin ihre Beschwerde begründet.

77

Sie ist der Auffassung, die Regelungsabrede sei als Gesamtwerk zu begutachten und stelle daher wegen des unmittelbaren und zwingenden Charakters der Verpflichtung zur Sonderarbeit zumindest diesbezüglich eine Betriebsvereinbarung dar. Mithin gelte vorliegend der Tarifvorrang gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG, da die streitbefangenen Regelungen im Einzelnen tarifwidrig seien. Zudem verlange die Störung einer kollektiven Ordnung nicht das Erreichen einer Grenze entsprechend § 17 KSchG. Vielmehr komme es lediglich darauf an, dass mittels Tarifgebundenheit eine kollektive Ordnung in den jeweiligen Betrieben bestanden habe, welche verdrängt werden sollte.

78

Wegen weiterer Einzelheiten dieser Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 03. Februar 2014 Blatt 446 – 466 der Akte verwiesen.

79

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt,

80

unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 04. Dezember 2013 – 11 BV 18/13 – gemäß dem Antrag in erster Instanz vom 21. Februar 2013 zu erkennen.

81

Die Beteiligten zu 2. bis 4. beantragen jeweils,

82

die Beschwerde zurückzuweisen.

83

Sie meinen, die Antragstellerin sei nicht mehr antragsbefugt. Mit dem "Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 01. April 2014 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) – vom 01. August 2006", wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 621 bis 627 der Akte verwiesen wird, entfalle mit Inkrafttreten am 01. März 2014 die Tarifbindung der Beteiligte zu 2. bis 4.. Letztlich stünde ohnehin die Regelungsabrede und deren Umsetzung durch die abgeschlossenen Änderungsverträge dem Tarifrecht nicht entgegen. § 11 TVöD-K erlaube eine einvernehmliche Arbeitszeitabsenkung mit linearer Lohnabsenkung. Ferner werde der Verzicht auf die §§ 18, 20 TVöD-K durch die Gewährung von Sonderkündigungsschutz und drei zusätzlicher Gesundheitsurlaubstage bis Ende 2017 kompensiert.

84

Der Beteiligte zu 5. beantragt,

85

die Beschwerde zurückzuweisen.

86

Er ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es mangels tariflicher Konkurrenzsituation an einer "Störung" fehle. Ein Tarifvertrag könne nur dann in Frage gestellt werden, wenn erhebliche Teile der tarifgebundenen Arbeitnehmer betroffen seien. Demnach komme es auf den tatsächlichen Organisationsgrad des betreffenden Betriebes an, zu dessen Orientierung § 17 KSchG diene. Außerdem ergebe bereits die Bezeichnung der streitbefangenen Regelungen, dass es sich um Regelungsabreden und nicht um Betriebsvereinbarungen handele. Ein Verstoß gegen § 23 Abs. 3 BetrVG scheide demnach aus.

87

Die Beteiligten zu 6. und 7. stellen keine Anträge.

88

Sie halten den Beschluss des Arbeitsgerichts teilweise für rechtsfehlerhaft. Die Orientierung eines notwendigen Organisationsgrades an § 17 KSchG gefährde die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG. Der Antragstellerin stehe ungeachtet deren Organisationsgrades in den Betrieben gegenüber den Beteiligten zu 2. bis 4. jeweils unter den Ziffern 3 a, 3 b, 4 a und 4 b ein Unterlassungsanspruch zu. Es bestehe weiterhin eine Tarifbindung der Beteiligten zu 2. bis 4., da lediglich die Entgelttabellen des TVöD-K geändert bzw. gekündigt wurden, jedoch nicht die dem vorliegenden Verfahren im Hinblick auf die Tarifbindung zugrunde liegenden "Mantelbestandteile" des TVöD.

89

Mit Schreiben vom 17. April 2014 teilte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 6. und 7. mit, dass die an der Regelungsabrede Beteiligten sich durchaus bewusst waren, dass die unter den Ziffern 3. a, 3. b, 4. a und 4. b der Regelungsabrede enthaltenen Vereinbarungen aus den Gründen des § 3 Abs. 3 TVG und des § 77 Abs. 3 BetrVG rechtswidrig seien. Die Beteiligten zu 2. bis 5. erklärten jedoch übereinstimmend, stets von der Wirksamkeit der Regelungsabreden ausgegangen zu sein.

90

Auf den Beschluss der Beschwerdekammer vom 11. Februar 2015, wegen dessen Einzelheiten auf Blatt 636 der Akte verwiesen wird, erklärte die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 10. März 2015, sie habe die Betreuung der drei betroffenen Belegschaften nicht von einem bestimmten Organisationsgrad abhängig gemacht.

91

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die zweitinstanzlichen Sitzungsniederschriften vom 21.01.2015 und vom 29.04.2015 ergänzend Bezug genommen.

B.

92

Die zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet.

93

I. Die Beschwerde ist zulässig.

94

Ihre Statthaftigkeit ergibt sich aus § 87 Abs. 1 ArbGG.

95

Die einzuhaltenden Fristen sind gewahrt. Die formell beschwerte Antragstellerin hat durch einen postulationsfähigen Vertreter (§§ 89 Abs. 1, 11 Abs. 4 ArbGG) innerhalb der Fristen der §§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG die Beschwerde eingelegt und ordnungsgemäß (§ 89 Abs. 2 ArbGG) begründet.

96

II. Die Beteiligtenfähigkeit der Antragstellerin – einer Gewerkschaft – ist ohne Weiteres gegeben. Die Beteiligten zu 2. bis 4. sind als Arbeitgeberinnen nach § 83 Abs. 3 ArbGG beteiligtenfähig. Die Beteiligten 5. bis 7. sind als Betriebsräte der Beteiligten 2. bis 4. gemäß §§ 83 Abs. 3, 10 Satz 1 ArbGG beteiligtenfähig und auch zu Recht beteiligt worden. Die richtige Verfahrensart ist vorliegend das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren nach den §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, 80 ff. ArbGG. Streitbefangen ist das Verhältnis von Betriebs- und Tarifautonomie im Sinne des     § 77 Abs. 3 BetrVG. Ferner sind die die Beteiligten 2. bis 7. materiell betroffen, da sie jeweils an der Geltung und arbeitsvertraglicher Umsetzung der zwischen ihnen vereinbarten, streitbefangenen Regelungen festhalten. Im Übrigen kommt hier in der II. Instanz eine Prüfung der richtigen Verfahrensart nicht mehr in Betracht, § 65 ArbGG.

97

III. Die Beschwerde ist  teilweise begründet.

98

1. Die Anträge sind zulässig.

99

a. Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Sie macht eigene Rechte geltend. Es besteht zumindest die Möglichkeit, dass der Antragstellerin als Gewerkschaft ein Unterlassungsanspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG zusteht. Dieser könnte aus einer groben Verletzung des in § 77 Abs. 3 BetrVG normierten Tarifvorbehalts entstanden sein. Auch die Möglichkeit eines zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 1004, 823 BGB ist nicht von vornherein auszuschließen. Denn die Antragstellerin unterfällt dem Schutzbereich der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG, da sie in allen drei Kliniken vertreten ist. Auch ändert sich hieran nichts, dass die Beteiligten zu 2. bis 4. der Auffassung sind, mit dem "Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 01. April 2014 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) – vom 01. August 2006" entfalle ihre Tarifbindung. Dies zu klären, obliegt der Begründetheit.

100

b. Die Anträge sind bestimmt genug gefasst. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO gilt auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren. Für die hinreichende Bestimmtheit von Anträgen einer Gewerkschaft ist die namentliche Benennung der Gewerkschaftsmitglieder jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn die Betriebspartner eine vertragliche Einheitsregelung bei sämtlichen Beschäftigten, also sowohl bei den bei den gewerkschaftlich organisierten als auch bei den nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern, zur Anwendung bringen wollten (LAG Hamm v. 29. Juli 2011 – 10 TaBV 91/10 = juris Rn. 75; LAG Baden-Württemberg 07.Dezember 2007 – 20 TaBV 7/06 = AuR 2008, 185; Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 18. Juni 2009 – 2 Sa 176/08 =  juris Rn. 76f.). So liegt es hier. Der Anwendungsbereich der Regelungsabreden vom 27./29. Dezember 2012 bezieht sich auf die Gesamtbelegschaft der Beteiligten 2. bis 4. mit Ausnahme der in § 1 der Regelungsabrede angesprochenen Personenkreise. Ferner schlossen ca. 96 % der Gesamtbelegschaft einen der Regelungsabrede entsprechenden Änderungsvertrag ab. Genau hierauf beziehen sich die Anträge der zu 1. beteiligten Gewerkschaft mit hinreichender Deutlichkeit.

101

Prozessual entwertet würde der gewerkschaftliche Unterlassungsanspruch, wenn mit dem 4. Senat des BAG (Urteil vom 19. März 2003 – 4 AZR 271/02 = BAGE 105, 275-283)  für die Bestimmtheit des Klageantrags im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verlangt würde, die Gewerkschaft habe bei der Geltendmachung ihres eigenen Anspruchs, nämlich der Anwendung untertariflicher Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die Namen der betroffenen Mitglieder bekannt zu geben (vgl. Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 254 mwN). Müssten alle Gewerkschaftsmitglieder benannt werden, so würde der Streitgegenstand ungerechtfertigt verkürzt, da weder die Gewerkschaft noch der Arbeitgeberverband praktisch in der Lage sind, die aktuellen und potentiellen tarifgebundenen Arbeitnehmer namentlich zu benennen (vgl. Dieterich, AuR 2005, 121 (128)). Insbesondere Wechsel in den Beschäftigungs- und Mitgliedschaftsverhältnissen wären stets zu berücksichtigen und die Anträge dementsprechend umzustellen (vgl. Kocher, NZA 2005, 140 (141)). Gemäß dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff ist zudem der den Anträgen zugrunde liegende Lebenssachverhalt zu berücksichtigen. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Antragstellerin vor einer Aushöhlung ihrer Tarifautonomie schützen will. Daher sind die Anträge nicht nur am Wortlaut, sondern auch anhand des Lebenssachverhalts auszulegen.

102

2. Die Anträge sind teilweise begründet.

103

a. Ein Unterlassungsanspruch der antragstellenden Gewerkschaft aus § 23 Abs. 3 BetrVG wegen eines groben Verstoßes der Beteiligten 2. bis 4. gegen Bestimmungen des BetrVG besteht nicht.

104

§ 77 Abs. 3 BetrVG findet keine Anwendung. Die Vereinbarungen der Beteiligten zu 2. bis  4. mit ihren Betriebsräten vom 27./29. Dezember 2012 stellen Regelungsabreden und keine Betriebsvereinbarungen dar. Grundsätzlich steht es den Betriebspartnern innerhalb der durch das Betriebsverfassungsgesetz vermittelten Regelungsbefugnis frei, ob sie eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit durch den Abschluss einer förmlichen Betriebsvereinbarung oder formlos durch Regelungsabrede regeln wollen (vgl. BAG vom   14. Aug. 2001 - 1 AZR 744/00 = juris Rn. 55 m. w. N.). Entscheidend für die rechtliche Einordnung sind die Umstände des Zustandekommens und der Inhalt der abgeschlossenen Vereinbarungen (vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht vom 13. März 2014 – 9 TaBV 172/13 = juris Rn. 26). Während eine Betriebsvereinbarung gemäß § 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG unmittelbar und zwingend auf die betrieblichen Arbeitsverhältnisse einwirkt, bedarf die rechtstechnische Umsetzung einer Regelungsabrede stets einer individuellen Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Die Betriebspartner waren sich vorliegend einig, dass eine normative Wirkung nicht bestehen soll. Dies ergibt sich bereits aus § 2 Abs. 3 der Vereinbarungen vom 27./29. Dezember 2012, wonach "den Parteien […] bewusst [ist], dass eine Umsetzung dieser Vorgaben einer individualvertraglichen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Beschäftigten bedarf (= Abschluss von Änderungsverträgen)". Anschließend schlossen ca. 96% der Gesamtbelegschaft entsprechende Änderungsverträge ab. Zudem manifestierten die Betriebsparteien ihren Willen zum Abschluss einer Regelungsabrede bereits durch die entsprechende Bezeichnung der Vereinbarungen. Zwar ist der Antragstellerin zuzustimmen, dass die bloße Bezeichnung eines Regelungswerks keinen Aufschluss über die rechtliche Einordnung desselben gibt. Jedoch führt auch die inhaltliche Betrachtung der streitbefangenen Regelungsabreden nicht zur Einordnung als Betriebsvereinbarung. So verpflichten sich die Betriebsräte nach § 2 Abs. 4 der Vereinbarung, "sich gegenüber den Beschäftigten dafür einzusetzen, dass diese die Änderungsangebote annehmen werden; die Parteien werden den Beschäftigten die Beweggründe für die Änderungsvertragsangebote im Einzelnen erläutern". Hierdurch soll der vertraglichen Abschlussfreiheit der Arbeitnehmer gemäß Art. 2 Abs. 1 GG gegenüber der normativen Regelungsbefugnis der Betriebspartner der Vorrang eingeräumt werden.

105

b. Ein Anspruch der antragstellenden Gewerkschaft auf Unterlassung der Anwendung der hier streitgegenständlichen Regelungsabreden nebst deren arbeitsvertraglichen Umsetzungen ergibt sich jedoch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG.

106

Treffen die Betriebspartner tarifwidrige Vereinbarungen oder Maßnahmen, steht den   Gewerkschaften neben dem Anspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG ein allgemeiner Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 9 Abs. 3 GG zu, wenn die kollektive Ordnung des Tarifvertrags im Betrieb verdrängt werden soll (vgl. Jacobs/Krause/Oetker/Schubert, Tarifvertragsrecht, 2. Auflage, § 7 Rn. 96 m. w. N).

107

aa. Art. 9 Abs. 3 GG ist ein absolutes Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB (vgl. BAG 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 = AP GG Art. 9 Nr. 89, 119). Wird in dieses rechtswidrig eingegriffen, besteht hiergegen sowohl ein Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB als auch ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB, nicht jedoch ein Anspruch auf Folgenbeseitigung (Landesarbeitsgericht Hamburg vom 18. Juni 2009   – 2 Sa 176/08 = juris, Rn. 87).

108

bb. Die Koalitionsfreiheit haben die Beteiligten zu 2. bis 4. gestört, indem sie die Regelungsabreden abschlossen und den Abschluss von Änderungsverträgen veranlasst haben.

109

Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG ist somit tangiert. Er erstreckt sich auf die Regelungsbefugnis der antragstellenden Gewerkschaft zur Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Hierzu gehören vor allem das Arbeitsentgelt und die Arbeitszeit (vgl. BAG vom 20. April 1999 – 1 ABR 72/98 = AP GG Art. 9 Nr. 89, 119). Abreden, die dieses Recht einschränken oder behindern, sind nichtig Hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig, Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG.

110

(1) Die Regelungsabreden sind nicht bereits gemäß § 116 Satz 2 BGB nichtig. Obwohl der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten zu 6. und 7. in Kenntnis der etwaig entgegenstehenden Tarifautonomie auf einen Abschluss der Regelungsabreden hinwirkte und somit einen Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG billigend in Kauf nahm, konnte die Kammer nicht zu dem Schluss gelangen, dass das Wissen des Verfahrensbevollmächtigen der Beteiligten zu 6. und 7. nach außen gelangte. Vielmehr erklärten die Beteiligten zu 2. bis 5. übereinstimmend, stets von der Wirksamkeit der Regelungsabreden ausgegangen zu sein.

111

(2) Gleichwohl greifen die Regelungsabreden der Betriebspartner nebst deren arbeitsvertraglichen Umsetzungen ungerechtfertigt in die Koalitionsfreiheit der Antragstellerin ein. Es sollte die kollektive Ordnung des TVöD in den Betrieben der Beteiligten zu 2. bis 4. verdrängt werden.

112

Eine Störung der Tarifautonomie liegt vor.

113

Es besteht eine tarifrechtliche Konkurrenzsituation. Hierfür reicht es aus, dass die antragstellende Gewerkschaft in allen der zu 2. bis 4. beteiligten Unternehmen vertreten ist. Eine nominale Vertretung in Anlehnung an § 17 KSchG ist nicht erforderlich. Das Vorliegen einer tarifrechtlichen Konkurrenzsituation hängt nicht von der Zahl der durch Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmeranzahl ab. Für den Eintritt einer Sperrwirkung zugunsten der Tarifautonomie kommt es nicht darauf an, für wie viele Arbeitnehmer der Branche die betreffende tarifliche Regelung normativ oder wegen vertraglicher Inbezugnahme gilt. Maßgeblich ist    allein der Umstand, dass eine Tarifregelung besteht (vgl. BAG vom 20. November 2001   – 1 AZR 12/01 = juris Rn. 36). Daher ist es auch unerheblich, ob die Antragstellerin durch die "Tarifinfo" vom 16. Juli 2012 zugestand, keine ausreichende "Mächtigkeit" in den Betrieben der Beteiligten zu 2. bis 4. zu besitzen. Eine fehlende Aktivität der antragstellenden Gewerkschaft liegt ebenfalls nicht vor. Diese hat die Betreuung der hier betroffenen Belegschaften nicht von einem bestimmten Organisationsgrad abhängig gemacht.

114

Zwar werden die Beteiligten zu 2. bis 4. nicht mehr nach § 3 Abs. 3 TVG vom TVöD durch "Nachbindung" erfasst. Denn durch den "Änderungstarifvertrag Nr. 6 vom 01. April 2014 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) – vom 01. August 2006" wurde der TVöD inhaltlich geändert. Für die Beendigung der Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG genügt es, wenn sich die durch den fraglichen Tarifvertrag normierte Rechtslage ändert, eine konkrete Norm des Tarifvertrags muss nicht geändert werden. Wenn die Beteiligten zu 6. und 7. vorliegend meinen, die inhaltliche Änderung der Normen des BT-K lasse die Nachbindung der Beteiligten zu 2. bis 4. an den TVöD unberührt, so steht dem entgegen, dass die Beteiligten zu 2. bis 4. als Kliniken stets in den sachlichen Geltungsbereich des TVöD BT-K fallen. Unabhängig davon, ob die inhaltliche Änderung des besonderen Teils (hier des BT-K) den Bestand des zugrunde liegenden allgemeinen Teils (hier den TVöD) berührt – wofür nach Auffassung der Beschwerdekammer keine systematischen Gründe ersichtlich sind –, fehlt es den Beteiligten zu 2. bis 4. nach dem Austritt aus dem KVA nunmehr bereits an der erforderlichen mitgliedschaftlichen Legitimation zum Abschluss des geänderten Tarifvertrages. Den bisherigen Tarifvertrag halten die Tarifvertragspartner nicht mehr für einen angemessenen Interessenausgleich, da sie ihn sonst nicht geändert hätten; konsequenterweise steht damit jede inhaltliche Änderung eines Tarifvertrags der Beendigung gleich, sodass die Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG ebenfalls endet (vgl. ErfKomm, 15. Auflage, § 3 TVG Rn. 26). Die Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG soll die Vertragstreue der Tarifpartner sichern (ErfKomm, aaO, § 3 TVG Rn. 27). Dieses Ziel kann hier nicht mehr erreicht werden.

115

Jedoch wirken die streitbefangenen Regelungen des TVöD zu Lasten der Beteiligten zu 2. bis 4. nach, § 4 Abs. 5 TVG. Sie wurden bislang nicht durch entsprechende Abmachungen ersetzt. Die inhaltsändernden Regelungsabreden vom 27./29. Dezember 2012 schlossen die Betriebspartner zeitlich vor Inkrafttreten des Änderungstarifvertrages und damit noch in einem Zeitraum ab, in dem eine Nachbindung der Beteiligten zu 2. bis 4. gemäß § 3 Abs. 3 TVG bestand. Ebenso verhält es sich  hinsichtlich der Änderungsverträge. Stichtag für deren Zustandekommen war der 14. Januar 2013. Erfolgt keine ändernde Abmachung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG, besteht der gewerkschaftliche Unterlassungsanspruch nach §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB, Art. 9 Abs. 3 GG zum Schutze der Tarifautonomie auch im Nachwirkungszeitraum fort (vgl. Kempen/Zachert, a. a. O, § 4 Rn. 253; Umkehrschluss zu BAG vom 25. Februar 2009 – 4 AZR 986/07 = juris Rn. 47 f).

116

Schließlich sind die Regelungsabreden sowie deren arbeitsvertraglichen Umsetzungen jeweils tarifwidrig erfolgt. Sie unterschreiten das Niveau tarifüblicher Regelungen.

117

Dies ergibt sich auch bereits daraus, dass die Tarifparteien überein gekommen sind, alsbald in Tarifverhandlungen einzutreten (vgl. BAG 22. März 2005 AP TVG § 4 Geltungsbereich Nr. 26 mit Anm. Wiese = NZA 2006, 383; Lieb/Jacobs Rn. 775). Weiter unterschreiten die Arbeitszeitverkürzung, der Verzicht auf die §§ 18, 20 TVöD und die Vereinbarung der Sonderarbeit, welche allesamt Gegenstand der Regelungsabrede der Betriebspartner waren und bei ca. 96 % der Gesamtbelegschaft arbeitsvertraglich umgesetzt wurden, jeweils das Tarifniveau des nachwirkenden TVöD.

118

Die pauschale Reduzierung der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit um 12,5 % durch die Regelungsabreden ist tarifwidrig. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b) TVöD beträgt die regelmäßige Arbeitszeit ausschließlich der Pausen im Tarifgebiet Ost durchschnittlich 40 Stunden wöchentlich. Soweit hier von der Regelarbeitszeit durch die Regelungsabrede und deren arbeitsvertraglicher Umsetzung abgewichen wird, bedeutet dies eine Abweichung von der  tarifvertraglich regelmäßig nur befristet vereinbarten Teilzeitarbeit. Aufgrund der Befristung nach § 2 Abs. 2 der Regelungsabrede bis zum 31.12.2017, die sich lediglich auf die Gewährung von Gesundheitsurlaub und Sonderkündigungsschutz bezieht, kommt es sogar zu einer unbefristeten Teilzeit.

119

Ferner ist die arbeitsvertragliche Umsetzung der Arbeitszeitverkürzung auch nicht von § 11 TVöD gedeckt. Die Regelungsabrede berücksichtigt nicht ausreichend die Vertragsfreiheit der Beschäftigten. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 TVöD soll eine Arbeitszeitverkürzung lediglich auf Antrag vereinbart werden, wobei die Teilzeitbeschäftigung zunächst auf bis zu fünf Jahre zu befristen ist. Eine Verlängerung der Teilzeitbeschäftigung ist wiederum von einem Antrag des Beschäftigten abhängig.

120

Zudem verneint der Verzicht auf die §§ 18, 20 TVöD das entsprechende Schutzkonzept des TVöD und unterschreitet insoweit bereits aus sich heraus das zu berücksichtigende Tarifniveau. Ein kollektiver Vergleich nach § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG liegt nicht vor. § 4 Abs. 4 Satz 1 TVG gilt nicht im Nachwirkungszeitraum (vgl. ErfKomm, aaO, § 4 TVG Rn. 1). Auch ein zivilrechtlicher Erlassvertrag nach § 397 Abs. 1 BGB verbunden mit einem negativem Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Abs. 2 BGB liegt ebenso wenig wie eine Ausgleichsquittung vor. Denn es fehlt an einem Sachzusammenhang zwischen dem Verzicht auf die Leistungen nach §§ 18, 20 TVöD (§ 2 Abs. 1 der Regelungsabrede) und der Gewährung von Gesundheitsurlaub und Sonderkündigungsschutz (§ 2 Abs. 2 der Regelungsabrede). Die Befristung hinsichtlich § 2 Abs. 2 der Regelungsabrede kann den dauerhaften Verzicht nicht ausgleichen.

121

Auch die Vereinbarung von Sonderarbeit unterläuft das Tarifniveau des TVöD. § 2 Abs. 3 TVöD i. V. m. Ziffer 1. letzter Absatz des Musters vom Änderungsvertrag negiert die tarifrechtlichen Regelungen der §§ 6 bis 9 TVöD. Denn die übergreifende Vereinbarung von Sonderarbeit "im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten" belastet die betroffene Gesamtbelegschaft über die Regelungen des TVöD hinaus.

122

Die Anordnung von Bereitschaftsdienst nach dem TVöD ist stärker als die Einschränkung im Rahmen der Änderungsverträge. Gemäß § 7.1 Abs. 1 Satz 2 TVöD darf Bereitschaftsdienst lediglich angeordnet werden, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt, nicht bereits wenn begründete betriebliche/dienstliche Notwendigkeiten bestehen.

123

Zudem darf der Arbeitgeber nach § 7. 1 Abs. 8 Satz 1 TVöD nur dann Rufbereitschaft anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Auch die Beschränkungen der Rufbereitschaft nach dem TVöD gehen damit weiter als die in den Änderungsverträgen vereinbarte Zulassungsvoraussetzung.

124

Gemäß § 6 Abs. 5 TVöD sind die Beschäftigten im Rahmen begründeter betrieblicher/dienstlicher Notwendigkeiten zur Leistung von Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Schichtarbeit sowie – bei Teilzeitbeschäftigung aufgrund arbeitsvertraglicher Regelung oder mit ihrer Zustimmung – zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit verpflichtet. Die Ermächtigung der Arbeitsvertragspartner hinsichtlich der Verpflichtung von Teilzeitbeschäftigten wird im Rahmen der Änderungsverträge negiert. Zum einen ist bereits das Angebot zum Abschluss des Änderungsvertrags hinsichtlich der Verpflichtung des Teilzeitbeschäftigten zu Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und Mehrarbeit tarifwidrig, da es auf Verhandlungen der Betriebs- und nicht der Arbeitsvertragspartner beruht. Zum anderen wird in Abweichung von § 6 Abs. 5 TVöD der Zustimmungsvorbehalt des Teilzeitbeschäftigten gestrichen. Soweit die abgeschlossenen Änderungsverträge im Übrigen § 6 Abs. 5 TVöD sowohl hinsichtlich der Vollzeit- als auch Teilzeitbeschäftigten wiederholen, ist ebenfalls eine Störung der Tarifautonomie gegeben. Die Erstreckung tariflicher Regelung mit normativer Wirkung soll allein der hierfür vorgesehenen Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach § 5 TVG vorbehalten bleiben (vgl. Fitting, BetrVG, 27. Auflage, § 77 Rn. 98 mwN). Dass § 77 BetrVG auf Regelungsabreden keine Anwendung findet, ist hierbei unerheblich. Der Normzweck des Tarifvorbehalts, eine betriebliche Konkurrenzordnung zum Tarifvertragssystem zu verhindern, darf durch eine Erstreckung tarifvertraglicher Normen, gleich durch welche rechtliche Konstruktion, nicht gefährdet werden (vgl. Däubler/Kittner/Klebe/Wedde, BetrVG, 14. Auflage, § 77 Rn. 158).

125

Die antragstellende Gewerkschaft hat die Anwendung der Regelungsabreden sowie die Anwendung ihrer arbeitsvertraglichen Umsetzungen in Form von Änderungsverträgen nicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden. Eine Regelungsabrede, die ein tarifwidriges Ziel verfolgt, ist rechtswidrig (vgl. Fitting, aaO, § 77 Rn. 102). Ihre rechtstechnische Umsetzung ebenso.

126

Die teilweise Zurückweisung der Beschwerde der Beteiligten zu 1. beruht darauf, dass es aufgrund der in Wegfall geratenen Nachbindung nur noch um die Nachwirkung geht. Deshalb war der Antragstellung der Beteiligten zu 1. nur zum Teil zu entsprechen.

127

IV. Die Androhung des Ordnungsgeldes beruht auf § 23 Abs. 3 Satz 2, 4, 5 BetrVG. § 23 Abs. 3 BetrVG gilt auch dann, wenn der gewerkschaftliche Unterlassungsanspruch auf §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB iV mit Art. 9 Abs. 3 GG gestützt wird (vgl. BAG  vom 13. März 2001 – 1 AZB 19/00 = BAGE 97, 167-176, Rn. 27; ErfKomm, a. a. O, § 23 BetrVG Rn. 17).

C.

128

Gegen den das Verfahren beendenden Beschluss eines Landesarbeitsgerichts findet die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht nur statt, wenn sie in dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts zugelassen wird. Zuzulassen ist die Rechtsbeschwerde nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder der Beschluss von einer Entscheidung der in § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Entscheidung beruht (vgl. §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG). Liegen diese Voraussetzungen (grundsätzliche Bedeutung oder Abweichung) vor, so ist das Landesarbeitsgericht zur Zulassung verpflichtet. Das vorliegende Verfahren hat nicht nur für die Beteiligten, sondern auch inhaltlich grundsätzliche Bedeutung.


Der Vertrag kommt durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat. Der Zeitpunkt, in welchem der Antrag erlischt, bestimmt sich nach dem aus dem Antrag oder den Umständen zu entnehmenden Willen des Antragenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)