Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. Apr. 2018 - 7 Sa 477/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2018:0425.7Sa477.17.00
bei uns veröffentlicht am25.04.2018

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 18. Oktober 2017, Az. 4 Ca 299/17, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen personenbedingten Kündigung wegen häufiger Krankheitszeiten.

2

Der 1956 geborene, verheiratete Kläger ist aufgrund Arbeitsvertrags vom 12. Dezember 1996 (Bl. 4 d. A.) seit dem 18. November 1996 bei der Beklagten tätig. Gemäß Ziffer 2 des Arbeitsvertrags gelten für das Arbeitsverhältnis „die Mantel-(Rahmen-)Tarifverträge und die diese ergänzenden Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung des Landesverbandes Gartenbau Rheinland-Pfalz“.

3

Die Beklagte beschäftigt mehr als 10 Arbeitnehmer mit Ausnahme der zur Berufsausbildung Beschäftigten. Ab dem 1. Februar 2014 wurde die Arbeitszeit des Klägers einvernehmlich von 39 auf 31 Stunden reduziert. Er erzielt eine Vergütung in Höhe von zuletzt 1,467,69 € brutto monatlich.

4

Der Kläger war wie folgt arbeitsunfähig: Im Jahr 2012 an 49 Arbeitstagen, 2013 an 74 Arbeitstagen, 2014 an 178 Arbeitstagen, 2015 an 29 Arbeitstagen, 2016 an  70 Arbeitstagen und in der Zeit vom 1. Januar bis 31. August 2017 an 59 Arbeitstagen. Er legte der Beklagten ein Ärztliches Attest des Dr. med. Z. Y., X.-Stadt vom 15. Mai 2017 (Bl. 27 d. A.) vor, wonach aufgrund der vorliegenden Erkrankung „möglichst Überkopfarbeiten bzw. Arbeiten in längerer Zwangshaltung vermieden werden“ sollten. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) führte die Beklagte nicht durch.

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Die Beklagte hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 22. Juni 2017 „aus personenbedingten Gründen“ „fristgerecht zum 30.09.2017“ gekündigt. Gegen diese dem Kläger am 26. Juni 2017 zugegangene Kündigung wendet sich dieser mit seiner am 6. Juli 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

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Der Kläger war der Ansicht,

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Kündigungsgründe im Sinn des § 1 KSchG lägen nicht vor. Die Kündigungsfrist sei nicht eingehalten.

8

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

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1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22. Juni 2017 nicht aufgelöst  worden ist,

10

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände aufgelöst wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie hat vorgetragen,

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die konkreten Krankheitsursachen seien ihr nicht bekannt. Eine negative Gesundheitsprognose im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung sei gegeben. Der Kläger sei als Lagerhelfer im Versand tätig gewesen und zuletzt in der Hausmeisterei. Da es sich dabei um eine körperliche Arbeit handele, müsse zukünftig weiterhin mit erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten gerechnet werden. Aus der Abwesenheitsliste des Klägers auch nach Zugang der Kündigung ergebe sich, dass die krankheitsbedingten Ausfallzeiten nicht abnähmen.

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Diese krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Klägers hätten geführt und führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung ihrer betrieblichen und auch wirtschaftlichen Interessen. Die insbesondere wirtschaftlichen Belastungen ergäben sich gerade durch die dauerhafte und sich wiederholende Störung des Austauschverhältnisses infolge erheblicher Entgeltfortzahlungskosten. Durch die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers seien ihr Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 4.155,47 € im Jahr 2012, 4.076,34 € im Jahr 2013, 2.417,22 € im Jahr 2014, 114,86 € im Jahr 2015, 3.997,22 € im Jahr 2016 und 3.593,93 € in der Zeit vom 1. Januar bis 25. August 2017 entstanden. Nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung sei der Kläger im September 2017 an 15 Tagen mit Entgeltfortzahlung erkrankt gewesen, im November 2017 an 19 Tagen mit Entgeltfortzahlung. Insgesamt seien im Jahr 2017 von ihr rund 4.700,00 € Entgeltfortzahlung zu leisten gewesen. Die erheb-lichen Entgeltfortzahlungskosten entstünden dadurch, dass der Kläger teilweise 6 Wochen aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und damit die Entgeltfortzahlung grundsätzlich geendet habe. Teilweise sei es dann vorgekommen, dass der Kläger nochmals aufgrund einer anderen Erkrankung wiederum arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und sie habe weitere Entgeltfortzahlung leisten müssen.

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Sie müsse bei den häufigen Fehlzeiten des Klägers immer wieder umdisponieren. Eine sichere Planung sei mit diesen erheblichen Fehlzeiten des Klägers auch zukünftig nicht mehr möglich. Sie müsse immer davon ausgehen, dass der Kläger nach einer Erkrankung entweder Urlaub nehme oder nur ein, zwei Tage arbeite und dann wiederum krank sei.

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Andere leidensgerechtere und zumutbarere Arbeitsplätze gebe es bei ihr nicht. Auch die Tätigkeit im Versand sei körperlich anstrengend, so dass sie davon ausgehe, dass der Kläger diese Anforderungen aufgrund seiner Erkrankungen nicht mehr gewachsen sei.

18

Der Kläger hat erwidert,

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seine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung im Jahr 2014 habe auf einem Unfallereignis (Achillessehnenruptur) beruht. Diese Verletzung sei erfolgreich behandelt und ausgeheilt. Entsprechendes gelte hinsichtlich der Erkrankung im Jahr 2017. Diese sei erfolgreich operativ behandelt und ausgeheilt.

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Es erschließe sich nicht, inwiefern in den letzten drei Jahren Entgeltfortzahlungskosten höher gewesen sein sollten als dem Arbeitgeber nach Maßgabe der §§ 1 ff. EFZG ohnehin grundsätzlich zumutbar.

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Er war der Ansicht, die Beklagte sei ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, dass keine milderen Mittel zur Überwindung einer krankheitsbedingten Störung des Arbeitsverhältnisses als eine Beendigungskündigung offen gestanden hätten. Er hat vorgetragen, im Versand sei der Arbeitsplatz des Kommissionierers von Aquarienzubehör vorhanden.

22

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 18. Oktober 2017 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 22. Juni 2017 nicht aufgelöst wird. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

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Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt, die Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, da sie nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG sozial ungerechtfertigt sei. Sie sei insbesondere nicht durch in der Person des Klägers liegende Gründe bedingt. Jedenfalls ergäbe die Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände, dass keine unzumutbare Belastung der Beklagten vorliege. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung kein bEM durchgeführt habe. Zudem seien bei der Interessenabwägung auch die übrigen Umstände, insbesondere das Lebensalter des Klägers und seine über 20jährige Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 56 ff. d. A.) Bezug genommen.

24

Das genannte Urteil ist der Beklagten am 7. November 2017 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 14. November 2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese mit am 5. Januar 2018 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet.

25

Zur Begründung der Berufung macht die Beklagte nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie des Schriftsatzes vom 18. April 2018, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 80 ff., 107 f. d. A.), zusammengefasst geltend,

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aus der Abwesenheitsübersicht für das Jahr 2017 sei ersichtlich, dass der Kläger insbesondere im Mai und Juni längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Dann habe er 3 Wochen Urlaub genommen. Im Anschluss daran sei er dann wieder einen längeren Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt. Dieses Verhalten habe der Kläger bereits in der Vergangenheit des Öfteren gezeigt. Die konkreten Ursachen der jeweiligen Arbeitsunfähigkeitszeiten seien ihr nicht bekannt. Aus dem vom Kläger vorgelegten Attest ergebe sich, dass sich der Kläger in orthopädischer Behandlung befinde und dass aufgrund der vorliegenden Erkrankung Überkopf-arbeiten bzw. Arbeiten in längerer Zwangshaltung vermieden werden sollten.

27

Zuletzt sei der Kläger in der Hausmeisterei tätig gewesen. Im Rahmen dieser Tätigkeit seien Zuarbeiten für den Versand, Malerarbeiten, Winterdienst, Büromöbel umziehen, Straßen- und Hofreinigung sowie Hilfsarbeiten angefallen.

28

Ein bEM wäre im vorliegenden Fall zu keinem anderen Ergebnis gekommen, als dass für den Kläger aufgrund seiner krankheitsbedingten Einschränkungen kein geeigneter leidensgerechter Arbeitsplatz mehr vorhanden sei. Neben der Tätigkeit in der Hausmeisterei und in der Logistik und in dem Versand, welches körperlich sehr belastende Arbeiten, verbunden auch mit Überkopfarbeiten, seien, seien noch Tätigkeiten im Kaufmännischen, in der EDV, in der Forschung und Entwicklung, im Produktmanagement sowie in der Produktion der Pflanzen gegeben. Für die Tätigkeiten im kaufmännischen Bereich fehlten dem Kläger zum einen die Fachkenntnisse und zum anderen auch die Ausbildung. Ebenso sei dies bei der EDV, der Forschung und Entwicklung sowie dem Produktmanagement gegeben. Der Kläger könne in diesen Tätigkeitsfeldern nicht eingesetzt werden. Gerade im Hinblick auf die orthopädischen Erkrankungen des Klägers sei im Rahmen der negativen Prognose zu erwarten, dass auch zukünftig mit erheblichen Fehlzeiten aufgrund dieser Beschwerden zu rechnen sei. Es sei kein leidensgerechter Arbeitsplatz für den Kläger mehr vorhanden.

29

Die Tätigkeiten in der Produktion der Pflanzenaufzucht (unter anderem Pikieren und Putzen der Pflanzen, Verräumen der Pflanzen, allgemeiner Umgang mit Pflanzen) erforderten ein spezielles fachliches Wissen im Hinblick auf den Umgang mit Pflanzen. Auch hier lägen eine fehlende Ausbildung bzw. fehlende Fachkenntnisse vor. Hinzu komme, dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine ganz-tägige, stehende Tätigkeit handele, die für die Beschwerden und Einschränkungen des Klägers nicht förderlich wäre. Auch im Rahmen dieser Tätigkeiten fielen Zwangshaltungen an.

30

Im Hinblick auf die Kommissioniertätigkeit sei gerade das Herbeiholen von Waren im Hinblick auf die orthopädischen Erkrankungen des Klägers bedenklich. Denn es handele sich nicht nur um leichte Pakete, sondern auch um schwere Waren und Pakete. Auch dort sei auf Dauer damit zu rechnen, dass beim Kläger wieder erhebliche Fehlzeiten anfielen.

31

Die Beklagte beantragt,

32

das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern – Auswärtige Kammern Primasens – vom 18. Oktober 2017, Az. 4 Ca 299/17, abzuändern und die Klage abzuweisen.

33

Der Kläger beantragt,

34

die Berufung zurückzuweisen.

35

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe seines Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 9. Februar 2018, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 95 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend. Sowohl im Versand wie aber auch in der Pflanzenzucht stehe ein Arbeitsplatz zur Verfügung. Die Arbeit in der Pflanzenaufzucht bedürfe auch keiner speziellen gärtnerischen Vorkenntnisse. Die dortigen Tätigkeiten, angefangen vom Pikieren des Saatgutes, dem Putzen der Pflanzen, der Entfernung verwelkter Triebe sowie von Unkraut würden ausnahmslos von angelernten Mitarbeitern ausgeführt. Wieso er diese Arbeiten nicht aus-führen können solle, erschließe sich nicht. Er sei im Übrigen auch teilweise schon in diesem Bereich der Pflanzenaufzucht eigesetzt gewesen unter anderem mit Auswechslung defekter Berieselungsdüsen, Verlegen von Rohrzuleitungen und dem Aufbau von Folienzelten über den Pflanzen. Arbeiten in Zwangshaltungen seien bei diesen Tätigkeiten so gut wie ausgeschlossen. Auch zu unzuträglichen und ihn gesundheitlich beeinträchtigenden Überkopfarbeiten komme es in diesem Bereich nicht.

36

Auch im Rahmen der Tätigkeit eines Kommissionierers fielen keine dauerhaften Arbeiten in längerer Zwangshaltung an, die in gesundheitlicher Hinsicht von ihm nicht ausgeführt werden könnten. Das in diesem Rahmen anfallende Herbeiholen von Waren aus den Regalen stelle keine Arbeit dar, die bei länger andauernder körperlicher Zwangshaltung verrichtet werden müsse.

37

Angesichts dieser Umstände könne keine Rede davon sein, auf die Durchführung des bEM habe verzichtet werden können.

38

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Sitzung vom 25. April 2018 (Bl. 115 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

39

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

40

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die vom Kläger fristgerecht nach § 4 Satz 1 KSchG binnen drei Wochen erhobene Kündigungsschutzklage zu Recht abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die ordentliche, krankheitsbedingte Kündigung der Beklagten vom 22. Juni 2017 nicht beendet worden, da sie nach § 1 Abs. 2 KSchG, der aufgrund Betriebsgröße und Beschäftigungsdauer des Klägers nach §§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 3 KSchG Anwendung findet, sozial ungerechtfertigt ist. Die krankheitsbedingte Kündigung ist weder aufgrund einer lang anhaltenden Erkrankung noch aufgrund häufiger (Kurz-)Erkrankungen sozial gerechtfertigt.

I.

41

Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussicht-lichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 53 Rz. 13; vom 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - NZA 2011, 39 Rz. 11, jeweils m. w. N.). Eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes des erkrankten Arbeitnehmers liegt vor, wenn - abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit - objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Liegt - bereits - eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit vor, ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustandes indiziert. Steht fest, dass der Arbeitnehmer die (vertraglich) geschuldete Arbeitsleistung überhaupt nicht mehr er-bringen kann oder ist die Wiederherstellung seiner Arbeitskraft völlig ungewiss, ist eine solche negative Prognose gerechtfertigt (vgl. insgesamt BAG, Urteil vom 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - NZA 2008, 173, 174 Rz. 27 m. w. N.). Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (BAG, Urteil vom 30. September 2009 - 2 AZR 88/09 - NZA 2011, 39, 40 Rn. 23).

42

 Gemessen hieran rechtfertigen die Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs bereits keine negative Gesundheitsprognose dahingehend, dass der Kläger dauerhaft oder zumindest für die nächsten 24 Monate nicht in der Lage sein wird, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich nicht, dass der Kläger an einer längeren Erkrankung gelitten hat oder leidet, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigt. Auch dann, wenn sich einzelne Krankheitsphasen über längere Zeiträume erstreckt haben sollten, liegt angesichts des Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor (vgl. BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - NZA 2015, 612, 613 Rz. 15).

43

 Aus der von der Beklagten für die Jahre 2012 bis 2016 nur summarisch angegebenen Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage lässt sich in Zusammenschau mit der von der Beklagten behaupteten Höhe der Entgeltfortzahlungskosten und § 3 Abs. 1 S. 2 EFZG lediglich entnehmen, dass der Kläger wegen einzelner Krankheiten länger als sechs Wochen erkrankt war, dass verschiedene Krankheitsursachen vorgelegen haben und Zeiten der Arbeitsfähigkeit mit solchen der Arbeitsunfähigkeit gewechselt haben müssen. Um welche genauen Zeiträume es sich handelte, lässt sich dem Vortrag der Beklagten jedoch für die Jahre bis einschließlich 2016 nicht entnehmen. Ebenso wenig ergibt sich aus dem ärztlichen Attest vom 15. Mai 2017, dass der Kläger in Zukunft wegen orthopädischer Behandlung länger erkrankt sein wird. Aus dem Attest ergibt sich lediglich, dass "aufgrund der vorliegenden Erkrankung (…) möglichst Überkopfarbeiten bzw. Arbeiten in längerer Zwangshaltung vermieden werden sollten". Ob hieraus Fehlzeiten in der Vergangenheit resultierten oder in Zukunft zu erwarten sind, bleibt offen.

II.

44

 Anhand der - von der Beklagten lediglich summarisch angegebenen - Fehlzeiten des Klägers vermag die Berufungskammer auch nicht von einer negativen Gesundheitsprognose wegen häufiger Kurzerkrankungen im Sinn des § 1Abs. 2KSchG auszugehen.

45

Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial recht-  fertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Sind während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen aufgetreten, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen. Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - NZA 2015, 612, 613 Rz.16 m. w. N.). Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn die Krankheiten sind ausgeheilt. Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten. Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - NZA 2015, 612, 613 Rz.17 m. w. N.).
Nach diesen Grundsätzen rechtfertigen die - von der Beklagten nur summarisch vorgetragenen - Fehlzeiten des Klägers aus den vergangenen Jahren als solche nicht die Annahme, dass er in den Folgejahren jährlich unter mehreren (Kurz-) Erkrankungen leiden wird. Die Beklagte hat bereits die Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers nicht nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen, sondern sich für die Jahre vor 2017 darauf beschränkt, summarisch die Anzahl der Krankheitstage im Kalenderjahr anzugeben. Auf dieser Grundlage ist eine Prognose hinsichtlich der in Zukunft zu erwartenden Fehlzeiten nach Auffassung der Kammer nicht möglich.
III.

46

 Ungeachtet dessen ist die Kündigung vom 22. Juni 2017 selbst bei unterstellter negativer Zukunftsprognose auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil sie nicht „ultima ratio“ und damit unverhältnismäßig ist. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, dass ihr im Kündigungszeitpunkt mildere Mittel als der Kündigungsausspruch zur Vermeidung  künftiger Fehlzeiten nicht zur Verfügung standen.

47

1. Eine Kündigung ist nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten. Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - NZA 2015, 612, 614 Rz. 24 m. w. N.). Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, hat eine Erkrankung des Arbeitnehmers keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zur Folge (BAG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 – NZA 2014, 602, 604 f. Rz. 29 m. w. N.). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“. Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 53 Rz. 15 m. w. N.).
Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, gegebenenfalls spezifische Behandlungsmaßnahmen zu er-greifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen. Denkbar kann auch sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen (vgl. BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - NZA 2015, 612, 614 Rz. 24 m. w. N.).
2. Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast (§ 1 Abs. 2 S. 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 53 Rz. 18 m. w. N.).
Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, führt dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist aber kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie zum Beispiel die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 53 Rz. 20; vom 20. November 2014 – 2 AZR 755/13 – NZA 2015, 612, 615 Rz. 38; vom 20. März 2014 – 2 AZR 565/12 – NZA 2014, 602, 605 Rz. 34, jeweils m. w. N.).

        
48

Bei dem bEM handelt es sich nach der gesetzgeberischen Vorstellung um ein ergebnisoffenes Klärungsverfahren, welches dazu dient, durch geeignete Maß-nahmen zur Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft zu erhalten und krankheitsbedingte Kündigungen soweit wie möglich zu vermeiden. Die Verpflichtung zur Durchführung des bEM gilt unabhängig davon, ob der betroffene Arbeitnehmer schwerbehinderter Mensch ist, ist unabhängig von der Betriebsgröße und auch unabhängig davon, ob in dem betreffenden Betrieb ein Betriebsrat (oder eine sonstige Interessenvertretung im Sinn des § 84 SGB IX) besteht (vgl. BAG, Urteil vom 13. Mai 2015 – 2 AZR 565/14 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 54 Rz. 25 m. w. N.). Sie ist weiter unabhängig von der Art und den Ursachen der Erkrankung. Auch wenn krankheitsbedingte Fehlzeiten auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich aus ihnen eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 755/13 – NZA 2015, 612, 616 Rz. 42).

        
49

Möglich ist, dass selbst ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines bEM kein Nachteil entstehen. Ist es hingegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr die objektive Nutzlosigkeit des bEM darlegen. Hierzu hat er umfassend und detailliert vorzutragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen wären und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können (BAG, Urteil vom 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 53 Rz. 21; vom 20. November 2014 – 2 AZR 755/13 – NZA 2015, 612, 615 Rz. 39; vom 20. März 2014 – 2 AZR 565/12 – NZA 2014, 602, 605 Rz. 34, m. w. N.), warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten bzw. der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten. Hat der Arbeitgeber ein gebotenes bEM unterlassen, muss er ebenfalls dartun, dass auch durch die gesetzlich vorge-sehenen Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 755/13 – NZA 2015, 612, 615 ff. Rz. 32, 48 f.).
Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten bzw. zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt (BAG vom 20. November 2014 – 2 AZR 755/13 – NZA 2015, 612, 616 f. Rz. 40).
3. Ausgehend hiervon ist die Beklagte der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast in Bezug auf das Fehlen milderer Mittel zur Vermeidung des Kündigungsausspruchs nicht nachgekommen.
Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor, da der Kläger unstreitig innerhalb eines Jahres vor Kündigungsausspruch länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG, Urteil vom 20. November 2014 – 2 AZR 664/13 – AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 53 Rz. 38 m. w. N.). Dies hat die Beklagte unstreitig nicht getan.
Die Beklagte hat nicht ausreichend dargelegt, dass ein bEM objektiv nutzlos war. Da denkbar ist, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht und Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten Erfolg gehabt hätten, erweist sich der Ausspruch der Kündigung als „vorschnell“ und damit unverhältnismäßig. Die Beklagte hat nicht dargetan und unter Beweis gestellt, dass aufgrund eines bEM keine Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder eine Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbe-dingungen auf einem anderen Arbeitsplatz erkannt oder entwickelt worden wäre. Aufgrund des Vortrags der Beklagten erschließt sich der Kammer nicht, wie viele Arbeitnehmer in den einzelnen Bereichen wie Hausmeisterei, Pflanzenaufzucht, Kommissioniertätigkeit und Versand tätig sind und inwieweit eine Umverteilung körperlich schwererer Tätigkeiten oder Überkopfarbeiten auf andere Arbeitnehmer möglich wäre. Ebenfalls nicht beurteilt werden kann, ob und auf welche Art und Weise körperlich schwere Tätigkeiten durch Hilfsmittel erleichtert werden könnten.

50

Die Beklagte hat auch nicht ausreichend zu der von dem Kläger genannte Alternative der Tätigkeit in der Pflanzenaufzucht vorgetragen. So hat sie nicht zum Vortrag des Klägers Stellung genommen, er sei im Bereich der Pflanzenaufzucht bereits tätig gewesen und habe defekte Berieselungsdüsen ausgewechselt, Rohrzuleitungen verlegt und Folienzelte über den Pflanzen aufgebaut. Zum Vortrag des Klägers, in der Pflanzenaufzucht seien ausnahmslos angelernte Mitarbeiter tätig, hat die Beklagte nicht substantiiert Stellung genommen. So hat sie auch nicht dargelegt, welche konkreten erforderlichen Kenntnisse der Pflanzenaufsucht beim Kläger nicht vorhanden sind und aus welchen Gründen er sich diese nicht innerhalb einer zumutbaren Zeitspanne aneignen kann.

51

Auch zur Kommissioniertätigkeit hat die Beklagte, die kein bEM durchgeführt hat, nicht dargelegt, welche konkreten, wie belastenden und in welchem Zeitumfang anfallenden Arbeiten in Zwangshaltung und Über-Kopf-Arbeiten hierbei anfallen.

52

Da damit nicht ausgeschlossen ist, dass die Durchführung eines bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, ist die vorliegende Kündigung jedenfalls unverhältnismäßig und daher unwirksam.

53

Die Berufung der Beklagten hatte daher keinen Erfolg.

C.

54

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. Apr. 2018 - 7 Sa 477/17

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. Apr. 2018 - 7 Sa 477/17 zitiert 11 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 64 Grundsatz


(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt. (2) Die Berufung kann nur eingelegt werden, a) wenn sie in dem Urtei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 520 Berufungsbegründung


(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen. (2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt is

Zivilprozessordnung - ZPO | § 519 Berufungsschrift


(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt. (2) Die Berufungsschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;2.die Erklärung, dass gegen dieses Urtei

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Zivilprozessordnung - ZPO | § 138 Erklärungspflicht über Tatsachen; Wahrheitspflicht


(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. (2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. (3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestrit

Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 4 Anrufung des Arbeitsgerichts


Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung er

Neuntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB 9 2018 | § 84 Hilfsmittel


(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 25. Apr. 2018 - 7 Sa 477/17 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Mai 2015 - 2 AZR 565/14

bei uns veröffentlicht am 13.05.2015

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Februar 2014 - 10 Sa 576/13 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Nov. 2014 - 2 AZR 664/13

bei uns veröffentlicht am 20.11.2014

Tenor 1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. Nov. 2014 - 2 AZR 755/13

bei uns veröffentlicht am 20.11.2014

Tenor Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 20. März 2014 - 2 AZR 565/12

bei uns veröffentlicht am 20.03.2014

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. Mai 2012 - 3 Sa 1134/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 30. Sept. 2010 - 2 AZR 88/09

bei uns veröffentlicht am 30.09.2010

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 - 14 Sa 1428/08 - aufgehoben.

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(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

Will ein Arbeitnehmer geltend machen, dass eine Kündigung sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist, so muss er innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht auf Feststellung erheben, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist. Im Falle des § 2 ist die Klage auf Feststellung zu erheben, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist. Hat der Arbeitnehmer Einspruch beim Betriebsrat eingelegt (§ 3), so soll er der Klage die Stellungnahme des Betriebsrats beifügen. Soweit die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, läuft die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichts erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer ab.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2008 - 14 Sa 1428/08 - aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung.

2

Der 1971 geborene Kläger ist gelernter Anlagenmechaniker der Fachrichtung Versorgungstechnik. Er war bei der Beklagten seit dem 1. September 1994 als Gasrohrnetzwerker, zuletzt in der Funktion eines Vorarbeiters, bei einer durchschnittlichen Bruttomonatsvergütung in Höhe von 2.500,00 Euro beschäftigt. Bei dem Kläger ist durch bisher nicht bestandskräftigen Bescheid ein Grad der Behinderung von 20 festgestellt.

3

Die Beklagte betreibt Rohrleitungs- und Anlagenbau. Sie beschäftigt etwa 200 Arbeitnehmer. Sie hat ihren Sitz in W und eine Außenstelle in B. Der Kläger war nahezu ausschließlich in der Außenstelle eingesetzt. Die Beklagte hat sieben Bauleitungen gebildet, darunter die Bauleitung „Rohrleitungsbau B“, zu welcher der Kläger und der weitere Vorarbeiter H gehörten. Ein Betriebsrat ist nicht gewählt.

4

Der Kläger erkrankte am 25. September 2006 arbeitsunfähig. Er leidet unter Wirbelsäulenschäden. Am 16. März 2007 bot er der Beklagten die Wiederaufnahme der Arbeit an. Dabei wies er darauf hin, dass ihm seit Januar 2007 eine Rehabilitationsmaßnahme in Aussicht gestellt worden sei. Die Beklagte hatte gegen einen weiteren Einsatz des Klägers Bedenken und vereinbarte einen Untersuchungstermin mit dem zuständigen arbeitsmedizinischen Dienst. Der Kläger nahm den Termin wahr. Mit Schreiben vom 12. April 2007 schlug die Krankenkasse einen Arbeitsplatzwechsel vor. Vom 4. Juli 2007 bis 25. Juli 2007 nahm der Kläger an einer Rehabilitationsmaßnahme in einer Fachklinik teil. Mit Schreiben vom 19. September 2007 teilte die Rentenversicherung mit, es sei festgestellt worden, dass der Kläger nur noch körperlich leichte Arbeit überwiegend im Wechsel zwischen Sitzen und Stehen/Gehen verrichten solle und Gefährdungen durch Kälte, Nässe, Zugluft und starke Temperaturschwankungen zu vermeiden seien.

5

Mit Schreiben vom 15. Oktober 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31. März 2008. Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er könne zwar seine bisherigen Arbeiten nicht mehr verrichten, die Beklagte könne ihn aber als Sicherheitsbeauftragten oder in der Materialverwaltung der Außenstelle B, außerdem in ihrem Materiallager in W oder zur Erfüllung der verwaltungstechnischen Aufgaben aller Poliere und Vorarbeiter einsetzen. Auch ein Einsatz bei der Rohrleitungsumhüllung, bei der Arbeit an Gasleitungen mit Hochdrucksystem, beim Schweißen oder im Büro mit Zuarbeit für die Bauleiter komme in Frage. Ebenso könne sie ihm wie dem Mitarbeiter H einen Schonarbeitsplatz in W einrichten. Im Übrigen habe es die Beklagte versäumt, ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen.

6

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 15. Oktober 2007 nicht beendet worden ist.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, eine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger bestehe nicht. Sie verfüge über keine freien Arbeitsplätze, die eine der Qualifikation, den Fähigkeiten und den gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers entsprechende Tätigkeit zuließen. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) habe sie mangels Bestehens einer betrieblichen Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht durchführen müssen. Die dem Mitarbeiter H übertragenen Aufgaben könnten vom Kläger mangels ausreichender Qualifikation und wegen der mit ihnen verbundenen körperlichen Belastungen nicht ausgeführt werden.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage keinen Erfolg haben. Die Beklagte hat nach Maßgabe von § 1 Abs. 2 KSchG hinreichend substantiiert vorgetragen, weshalb eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestanden habe(I.). Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen gleichwohl nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG ist(II.).

10

I. Unter Anwendung der allgemeinen Grundsätze zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG hat die Beklagte hinreichend vorgetragen, dass eine andere Beschäftigungsmöglichkeit für den Kläger nicht bestanden habe.

11

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist nach der Rechtsprechung des Senats in drei Stufen vorzunehmen. Die Kündigung ist im Falle lang anhaltender Krankheit sozial gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG), wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe - (Senat 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - BAGE 101, 39; 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - BAGE 91, 271; 21. Mai 1992 - 2 AZR 399/91 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 30 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 38). Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (Senat 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - AP § 1 KSchG 1969 Krankheit Nr. 45 = EzA § 1 KSchG Krankheit Nr. 53). Die Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn in den nächsten 24 Monaten mit einer anderen Prognose nicht gerechnet werden kann (Senat 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - aaO).

12

2. Eine Kündigung ist entsprechend dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie durch andere Mittel vermieden werden kann, dh., wenn sie zur Beseitigung der betrieblichen Beeinträchtigungen bzw. der eingetretenen Vertragsstörung nicht erforderlich ist. Dabei kommt bei einer krankheitsbedingten Kündigung nicht nur eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen, freien Arbeitsplatz in Betracht. Der Arbeitgeber hat vielmehr alle gleichwertigen, leidensgerechten Arbeitsplätze, auf denen der betroffene Arbeitnehmer unter Wahrnehmung des Direktionsrechts einsetzbar wäre, in Betracht zu ziehen und ggf. „freizumachen“ (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 29, BAGE 123, 234; 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107).

13

3. Nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die die Kündigung bedingen. Dazu gehört auch die Darlegung des Fehlens - alternativer - Beschäftigungsmöglichkeiten.

14

a) Der Arbeitgeber kann - außerhalb der Verpflichtung zur Durchführung eines BEM - zunächst pauschal behaupten, es bestehe für den dauerhaft erkrankten Arbeitnehmer keine andere Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Behauptung umfasst den Vortrag, es bestehe keine Möglichkeit einer leidensgerechten Anpassung des Arbeitsverhältnisses oder des Arbeitsplatzes. Der Arbeitnehmer muss sodann konkret darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine Beschäftigung - an einem anderen Arbeitsplatz - vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 43, BAGE 123, 234; 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - zu II 4 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 30). Es ist dann Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 47, aaO).

15

b) Diese Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen einer alternativen Beschäftigungsmöglichkeit gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall vom Landesarbeitsgericht angenommen - der Arbeitnehmer keinen oder nur einen oberflächlichen Einblick in die organisatorischen Arbeitsabläufe in anderen betrieblichen Bereichen hat. Dem Grundsatz, dass einer Partei nicht ein ihr unmöglicher Grad an Konkretisierung ihres Vortrags abverlangt werden darf, ist dadurch Rechnung getragen, dass der Arbeitnehmer lediglich konkret darlegen muss, wie er sich die anderweitige Beschäftigung vorstellt; von ihm wird nicht verlangt, dass er dazu ganz bestimmte Arbeitsplätze im Betrieb oder Unternehmen benennt (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 43, BAGE 123, 234; 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - zu II 4 b der Gründe, AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 30). Aus dem Sachvortrag des Arbeitnehmers muss sich allerdings ergeben, dass er die seinen Vorstellungen entsprechende Tätigkeit trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben kann (Senat 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - zu II 4 b der Gründe, aaO).

16

4. Unter Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte ihrer Darlegungslast genügt.

17

a) Die Beklagte hat zunächst vorgetragen, es bestehe keine andere Möglichkeit, den Kläger leidensgerecht zu beschäftigen.

18

b) Daraufhin hat der Kläger vorgetragen, er sei als Vorarbeiter mit der Funktion eines Poliers weiterhin in der Lage, die für den entsprechenden Mitarbeiterkreis anfallenden verwaltungstechnischen Aufgaben zu erfüllen. So könne er Aufmaße erstellen, Bauzeichnungen fertigen, Baustellen einrichten und leiten. Ferner könne er als zweiter „hauptamtlicher“ Sicherheitsbeauftragter beschäftigt werden, die Materialverwaltung in der Außenstelle in B übernehmen oder als Magaziner, Gerätewart oder Lagermeister in dem Material- und Werkzeuglager der Beklagten in W tätig sein. Außerdem sei er - unter Vermeidung von körperlichen Belastungen - in der Lage, Rohrleitungen zu umhüllen, mit Hochdrucksystem an Gasleitungen zu arbeiten oder zu schweißen. Er könne sich auch eine Bürotätigkeit mit Zuarbeit für die Bauleiter vorstellen. Schließlich könne ihm die Beklagte einen dem des Mitarbeiters H entsprechenden Schonarbeitsplatz in W einrichten.

19

c) Hierauf hat die Beklagte erwidert und dargelegt, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei.

20

aa) Die Übernahme der verwaltungstechnischen Aufgaben sämtlicher Vorarbeiter und Poliere erfordere die Übertragung von Bauleitertätigkeiten, was einer Beförderung gleichkomme. Dies ist ein erheblicher Einwand. Der Kläger kann eine Beförderung nicht verlangen. Im Rahmen des allgemeinen Kündigungsschutzes ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine Beförderungsstelle anzubieten (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 656/08 - Rn. 40; 21. September 2000 - 2 AZR 440/99 - zu III 2 d cc der Gründe, BAGE 95, 350).

21

bb) Eine Beschäftigungsmöglichkeit ausschließlich als Sicherheitsbeauftragter bestehe nicht. Auch dieser Einwand ist beachtlich. Der Sicherheitsbeauftragte übt ein freiwilliges Ehrenamt aus, das neben dem eigentlichen Arbeitsverhältnis besteht (vgl. MünchArbR/Wlotzke 2. Aufl. § 208 Rn. 26).

22

cc) Die Beklagte hat behauptet, in der Außenstelle in B beschäftige sie keine Arbeitnehmer, eine Beschäftigungsmöglichkeit in der Materialverwaltung in der Außenstelle bestehe daher ebenfalls nicht. Tätigkeiten als Magaziner, Gerätewart oder Lagermeister in dem Material- und Werkzeuglager in W oder - unter Vermeidung von körperlichen Belastungen - das Umhüllen von Rohrleitungen, die Arbeit an Gasleitungen mit Hochdrucksystem, das Schweißen oder eine Tätigkeit im Büro mit Zuarbeit für die Bauleiter, die der Kläger nach seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausüben könne, gebe es in ihrem Unternehmen nicht.

23

dd) Die Beklagte hat ferner vorgetragen, die dem Mitarbeiter H übertragenen Arbeiten fielen nur im B Raum an. Die davon abweichende Feststellung des Landesarbeitsgerichts, auch am Stammsitz der Beklagten würden Hochdruck-Rohrleitungsarbeiten und Hausanschluss-Versorgungsarbeiten ausgeführt, ist für den Senat nicht bindend. Die Beklagte hat sie mit einer zulässigen und begründeten Verfahrensrüge (§ 551 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b ZPO) angegriffen. Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts verletzt den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG). Sie findet keine Grundlage im Parteivorbringen. Im Übrigen hat die Beklagte behauptet, der Kläger könne die dem Mitarbeiter H übertragenen Tätigkeiten nach seiner Qualifikation und seinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen ohnehin nicht ausüben.

24

II. Der Senat kann nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung aus personenbedingten Gründen iSv. § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.

25

1. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob eine negative Gesundheitsprognose im Zeitpunkt der Kündigung gerechtfertigt war.

26

2. Anhand der bisherigen Feststellungen lässt sich auch nicht beurteilen, ob die Kündigung deshalb unverhältnismäßig ist, weil die Beklagte mangels Durchführung eines BEM eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten trifft.

27

a) Der Kläger war vor Ausspruch der Kündigung innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen krank. Damit war die Beklagte gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX grundsätzlich verpflichtet, ein betriebliches Eingliederungsmanagement vorzunehmen. Das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX besteht für alle Arbeitnehmer, nicht nur für behinderte Menschen(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

28

b) Ein BEM ist bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann durchzuführen, wenn keine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX gebildet ist(FKS-SGB IX-Feldes § 84 Rn. 41; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 1 Rn. 342; Knittel SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 84; Kossens/von der Heide/Maaß SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 18; Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 34; Schulz PersV 2008, 244, 245; Zorn br 2006, 42, 43; LAG Schleswig-Holstein 7. November 2005 - 4 Sa 328/05 - zu II 2 e der Gründe, br 2006, 170). Das ergibt die Auslegung von § 84 Abs. 1 SGB IX. Die Durchführung eines BEM ist weder unmöglich noch sinnlos, wenn eine betriebliche Interessenvertretung nicht besteht.

29

aa) Der Wortlaut der Bestimmung erlaubt kein zweifelsfreies, eindeutiges Verständnis. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX klärt der Arbeitgeber dann, wenn Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig sind, mit der zuständigen Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten bleiben kann. Die Klärung hat danach zwar „mit der zuständigen Interessenvertretung“ zu erfolgen. Daraus kann aber nicht zwingend geschlossen werde, eine Klärung habe gar nicht zu erfolgen, wenn eine betriebliche Interessenvertretung nicht gebildet sei. Der Wortlaut lässt sich ebenso gut dahin verstehen, dass dann, wenn eine solche besteht, die Klärung mit der Interessenvertretung und den übrigen Beteiligten, anderenfalls nur mit den übrigen Beteiligten vorzunehmen ist.

30

bb) Für dieses Verständnis sprechen systematische Gesichtspunkte. Auf der Tatbestandsseite des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX ist als Voraussetzung für die Verpflichtung zur Durchführung eines BEM nur formuliert, dass ein Beschäftigter innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig gewesen sein muss. Davon, dass eine betriebliche Interessenvertretung bestehen müsse, ist nicht die Rede. Wenn der Gesetzgeber ihre Existenz als notwendige Voraussetzung für die Verpflichtung zur Vornahme eines BEM angesehen hätte, wäre stattdessen zu erwarten gewesen, dass er das an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck bringt. Hinzu kommt, dass § 84 Abs. 2 SGB IX zu demjenigen Regelungskomplex des SGB IX gehört, welcher sonstige Pflichten der Arbeitgeber und Rechte schwerbehinderter Menschen normiert. Die in diesem Abschnitt geregelten Arbeitgeberpflichten sind vom Bestehen einer betrieblichen Interessenvertretung durchweg unabhängig. Aus § 93 SGB IX ergibt sich nichts anderes. Die Vorschrift bestimmt, dass Betriebs-, Personal-, Richter-, Staatsanwalts- und Präsidialräte die Eingliederung schwerbehinderter Menschen fördern und insbesondere darauf achten, dass die dem Arbeitgeber nach §§ 71, 72 und §§ 81 bis 84 SGB IX obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. Diese Aufgabe besteht im Hinblick auf die Verpflichtungen des Arbeitgebers aus § 84 Abs. 2 SGB IX in gleicher Weise wie für die nach den anderen genannten Vorschriften. Der Umstand, dass die Interessenvertretungen darauf achten sollen, dass der Arbeitgeber seinen Pflichten aus § 84 Abs. 2 SGB IX nachkommt, spricht dafür, dass diese Pflichten als solche gerade unabhängig von der Existenz einer Interessenvertretung bestehen.

31

cc) Entscheidend sprechen Sinn und Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX für ein Verständnis der Vorschrift, demzufolge ein BEM auch dann durchzuführen ist, wenn eine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht besteht. Die Durchführung eines BEM ist auch in diesem Fall möglich und geboten (Düwell in LPK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 48).

32

(1) Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollen durch das BEM krankheitsbedingte Kündigungen von Arbeitnehmern verhindert werden. Durch die gemeinsame Anstrengung aller Beteiligten soll ein betriebliches Eingliederungsmanagement geschaffen werden, das durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft sichert (BT-Drucks.15/1783 S. 16). Die Gesetzesbegründung nennt die betriebliche Interessenvertretung ausdrücklich nur als eine von mehreren Beteiligten, mit denen eine gemeinsame Klärung möglicher Maßnahmen erfolgen soll, um kurzfristig Beschäftigungshindernisse zu überwinden und den Arbeitsplatz durch Leistungen und Hilfen zu erhalten (BT-Drucks.15/1783 S. 12). Durch die dem Arbeitgeber gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX auferlegten besonderen Verhaltenspflichten soll damit möglichst frühzeitig einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses eines kranken Menschen begegnet und die dauerhafte Fortsetzung der Beschäftigung erreicht werden(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 40, BAGE 123, 234). Ziel des BEM ist - wie das der gesetzlichen Prävention nach § 84 Abs. 1 SGB IX(vgl. dazu BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - BAGE 116, 121) - die frühzeitige Klärung, ob und ggf. welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um eine möglichst dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu fördern. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX genannten Maßnahmen dienen damit letztlich der Vermeidung einer Kündigung und der Verhinderung von Arbeitslosigkeit erkrankter und kranker Menschen(Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 40, aaO).

33

(2) Die Verwirklichung des Gesetzeszwecks setzt nicht die Existenz einer betrieblichen Interessenvertretung voraus. Das gesetzliche Ziel ist auch dann sinnvoll und erreichbar, wenn eine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht gebildet ist. Das Gesetz beschreibt den im Wege des BEM durchzuführenden Klärungsprozess nicht als formalisiertes Verfahren, sondern lässt den Beteiligten jeden denkbaren Spielraum (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 57). Die betriebliche Interessenvertretung ist dabei nur eine der vom Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX einzubeziehenden Beteiligten. Beteiligte des BEM sind außer ihr der betroffene Beschäftigte, soweit erforderlich zudem der Werks- oder Betriebsarzt und ferner die örtlichen gemeinsamen Servicestellen und ggf. das Integrationsamt, wenn Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht kommen. Auch und gerade dann, wenn eine betriebliche Interessenvertretung iSv. § 93 SGB IX nicht gebildet ist, ist ein BEM zum Schutz betroffener Arbeitnehmer vor einer vermeidbaren krankheitsbedingten Kündigung geboten.

34

c) War danach im Streitfall ein BEM nicht mangels Bestehens einer betrieblichen Interessenvertretung entbehrlich, darf die Beklagte als Arbeitgeberin aus ihrer dem Gesetz widersprechenden Untätigkeit keine darlegungs- und beweisrechtlichen Vorteile ziehen können (vgl. Senat 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 44, BAGE 123, 234). Dieser Grundsatz führt nicht dazu, dass der Senat über die Wirksamkeit der Kündigung vom 15. Oktober 2007 abschließend entscheiden könnte.

35

aa) § 84 Abs. 2 SGB IX stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das BEM ist zwar selbst kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen - ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ - Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (vgl. Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18, AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 48 = EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 56; 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 25, EzA KSchG § 1 Krankheit Nr. 55; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234). Möglich ist, dass auch ein BEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Sofern dies der Fall ist, kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines BEM kein Nachteil entstehen. Wäre ein positives Ergebnis dagegen möglich gewesen, darf sich der Arbeitgeber nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der erkrankte Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Er hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz ausscheiden (Senat 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19, aaO). Dies geht über die Darlegungslast des Arbeitgebers für das Nichtbestehen einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit nach allgemeinen Grundsätzen hinaus. Erst nach einem solchen Vortrag ist es Sache des Arbeitnehmers, sich hierauf substantiiert einzulassen und darzulegen, wie er sich selbst eine leidensgerechte Beschäftigung vorstellt.

36

bb) Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein BEM deswegen entbehrlich war, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können, trägt der Arbeitgeber. Die objektive Nutzlosigkeit eines BEM führt zu einer Einschränkung der nach § 84 Abs. 2 SGB IX bestehenden Pflicht des Arbeitgebers zu dessen Durchführung. Es obliegt daher dem Arbeitgeber, die tatsächlichen Umstände im Einzelnen darzulegen und zu beweisen, aufgrund derer ein BEM wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers kein positives Ergebnis hätte erbringen können. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich war und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können.

37

cc) Dazu, ob ein BEM aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers ohnehin keine andere Beschäftigungsmöglichkeit erbracht hätte, hat die Beklagte bislang nicht vorgetragen. Da das Landesarbeitsgericht diesen Gesichtspunkt nicht als entscheidungserheblich angesehen hat, ist ihr Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben.

38

(1) Die Beklagte hat bisher nicht hinreichend dargelegt, dass weder eine leidensgerechte Anpassung und Veränderung des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers noch sein Einsatz auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit möglich gewesen sei. Es fehlt insbesondere an hinreichend konkretem Vortrag dazu, dass auch die Schaffung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes durch Umstrukturierung der betrieblichen Abläufe ausgeschlossen gewesen sei. Der bloße Verweis auf betriebsablauforganisatorische Störungen im Baubereich genügt hierfür nicht. Was die mögliche Beschäftigung des Klägers auf einem anderen Arbeitsplatz betrifft, hat die Beklagte mit Blick auf ihr Material- und Werkzeuglager in W lediglich vorgetragen, leidensgerechte Tätigkeiten in der Materialverwaltung gebe es dort nicht und auch bei den Tätigkeiten im Bereich Disposition/Lager/Werkstatt handele es sich um körperlich schwere Arbeiten. Welche Tätigkeiten in W im Einzelnen anfallen und warum eine für den Kläger leidensgerechte Umstrukturierung der Arbeitsabläufe nicht möglich gewesen ist, lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen.

39

(2) Der Beklagten ist durch Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Zwar hat sich der Kläger durchgängig auf die Erforderlichkeit eines BEM und die daraus folgende Erweiterung der Darlegungs- und Beweislast der Beklagten berufen. Das Landesarbeitsgericht hat die Parteien aber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es seiner Auffassung nach auf die Erforderlichkeit eines BEM nicht ankomme. Es ist nicht auszuschließen, dass die Beklagte im Hinblick hierauf von weiterem Vortrag abgesehen hat.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

        

        

    Dr. Roeckl    

        

    Baerbaum    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. Mai 2012 - 3 Sa 1134/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Entsorgungsunternehmen, das mit sog. Abbruchschrott aus Metall handelt. In ihrem Betrieb beschäftigt sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter sechs bis sieben Hofarbeiter und mehrere LKW-Fahrer sowie Verwaltungskräfte. Den Hofarbeitern obliegt es, angelieferten Schrott zu sortieren, zu reinigen und zu entsorgen. Dabei kommen verschiedene Fahrzeuge zum Einsatz wie Gabelstapler, Lader und Bagger mit einem Gewicht von bis zu 35 Tonnen und einer Ausgreifweite von bis zu 20 Metern.

3

Der 1956 geborene, verheiratete Kläger war seit März 1999 bei der Beklagten als Hofarbeiter tätig. Sein Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 2.666,00 Euro.

4

Im Jahr 2009 führte die Beklagte ein striktes Alkoholverbot ein, über das sie den Kläger - wie ihre anderen Mitarbeiter auch - schriftlich unterrichtete. Außerdem gab sie auf ihrem gesamten Firmengelände die Geltung der StVO vor. Von ihren Hofarbeitern verlangte sie fortan, im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis (ehemalige Führerscheinklasse „drei“) zu sein. Zugleich stellte sie ihre bis dahin geübte Praxis ein, Mitarbeitern in den Sozialräumen auch alkoholische Getränke zur Verfügung zu stellen. Im Herbst 2010 weitete sie ihr Betriebsgelände zu einem etwa 800 Meter vom Hauptgelände entfernten Containerplatz aus. Seither müssen Hofarbeiter bei der Verrichtung ihrer Tätigkeit zeitweise öffentlichen Straßenraum befahren.

5

Am 14. Januar 2010 wurde der Kläger stark alkoholisiert am Arbeitsplatz angetroffen und anschließend nach Hause geschickt. Wegen weiterer Vorkommnisse kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien im Januar und Februar 2010 jeweils aus Gründen im Verhalten des Klägers. Im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess machte dieser geltend, er sei alkoholkrank. Die Beklagte nahm die Kündigungen zurück. Zugleich mahnte sie den Kläger wegen Verstoßes gegen das betriebliche Alkoholverbot ab. Der Kläger nahm das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an. Im Mai 2010 begann er eine Entziehungskur, die er Anfang Juli 2010 abbrach.

6

In den Monaten Juli bis September 2010 führte die Beklagte beim Kläger mit dessen Einverständnis regelmäßig Tests auf Alkohol im Atem durch. Eine entsprechende Kontrolle vom 31. August 2010 ergab einen Wert von 1,81 Promille. Die Beklagte forderte den Kläger auf, das Betriebsgelände zu verlassen. Außerdem mahnte sie ihn wegen „alkoholisierten Erscheinens am Arbeitsplatz“ ab. Bei weiteren Tests vom 13., 15. und 20. September 2010 wurde beim Kläger eine Alkoholkonzentration von 0,6, 0,16 bzw. 0,52 Promille festgestellt. Am 7. Dezember 2010 verursachte er mit einem Firmenfahrzeug außerhalb des Betriebsgeländes einen Unfall. Es entstand Sachschaden. Am 12. Januar 2011 verweigerte er die Teilnahme an einem Alkoholtest. Die Umstände, die zu der Weigerung führten, sind zwischen den Parteien streitig.

7

Am 1. März 2011 kontrollierte die Beklagte ihre gewerblichen Arbeitnehmer auf den Besitz eines gültigen Führerscheins. Der Kläger legte eine in Tschechien ausgestellte Fahrerlaubnis vor. Mit Schreiben vom 7. März 2011 teilte sein behandelnder Arzt mit, nach Abbruch der stationären Therapie im Jahr 2010 seien beim Kläger keine weiteren Maßnahmen zur Alkoholentwöhnung durchgeführt worden. Mitte März 2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, bis Ende des Monats verbindliche Unterlagen „bezüglich Art und Zeitraum einer Entziehungskur in nächster Zukunft“ sowie über die Gültigkeit seines „tschechischen Führerscheins“ vorzulegen. Der Kläger brachte keine Unterlagen über eine weitere Behandlung bei. Die zuständige Behörde teilte mit, dass die Fahrerlaubnis in Deutschland keine Gültigkeit habe.

8

Mit Schreiben vom 4. April 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. August 2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Vom 15. bis zum 26. April 2011 begab sich der Kläger für eine stationäre Behandlung ins Krankenhaus. Er wurde als „arbeitsfähig“ entlassen.

9

Gegen die Kündigung hat der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Er sei nicht alkoholabhängig. Erhebliche Betriebsablaufstörungen seien aufgrund seiner gelegentlichen Alkoholisierung nicht eingetreten. Die im Frühjahr 2010 begonnene Entziehungskur habe er abgebrochen, weil er mit dem bezogenen Krankengeld seinen Lebensunterhalt nicht habe bestreiten können. Der Verkehrsunfall vom Dezember 2010 sei auf einen Defekt an dem von ihm gesteuerten Ladefahrzeug zurückzuführen. Im Januar 2011 habe er einen Alkoholtest nicht endgültig verweigert; er habe lediglich darum gebeten, die Kontrolle in Abwesenheit der LKW-Fahrer durchzuführen, wozu die Beklagte nicht bereit gewesen sei. Jedenfalls sei es dieser zumutbar gewesen, ihn ausschließlich auf ihrem Betriebsgelände einzusetzen. Zur Erledigung der dort anfallenden Arbeiten sei eine Fahrerlaubnis nicht zwingend erforderlich. Außerdem habe die Möglichkeit bestanden, ihn als Platzwart oder Hofarbeiter auf dem neuen Containerplatz weiter zu beschäftigen.

10

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 4. April 2011 nicht aufgelöst worden ist.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei durch Gründe im Verhalten und in der Person des Klägers bedingt. Dieser habe mehrfach gegen das betriebliche Alkoholverbot verstoßen. Er sei im Kündigungszeitpunkt alkoholabhängig gewesen. Auch habe ihm der ernstliche Wille gefehlt, eine Therapie durchzuführen. Unter diesen Umständen sei ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Hofarbeiter aus Sicherheitsgründen nicht länger zuzumuten gewesen. Andere geeignete Arbeitsplätze hätten nicht zur Verfügung gestanden.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kündigung vom 4. April 2011 ist wirksam.

14

I. Die ordentliche Kündigung vom 4. April 2011 ist aufgrund der Alkoholerkrankung des Klägers durch Gründe in seiner Person bedingt und deshalb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

15

1. Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel - etwa eine Versetzung - nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 22; zu den Anforderungen an eine krankheitsbedingte Kündigung vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361). Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereit ist, eine Entziehungskur bzw. Therapie durchzuführen. Lehnt er das ab, kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B III 3 der Gründe). Ebenso kann eine negative Prognose dann berechtigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach abgeschlossener Therapie rückfällig geworden ist (BAG 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 - zu II 2 b bb der Gründe).

16

2. Im Streitfall war im Zeitpunkt der Kündigung die Annahme gerechtfertigt, der Kläger biete aufgrund von Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr, seine Tätigkeit als Hofarbeiter dauerhaft ordnungsgemäß erbringen zu können.

17

a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Kläger sei nach der Einnahme von Alkohol für die von ihm zu erbringende Tätigkeit als Hofarbeiter nicht einsetzbar. Er ist im Rahmen seiner Tätigkeit verantwortlich für das Führen verschiedener großer Fahrzeuge. Die mit dem Alkoholkonsum einhergehenden Minderungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit führen zu erheblichen Gefahren für Menschen und Material auf dem Hofgelände, denen die Beklagte als Betriebsinhaberin so weit wie möglich begegnen muss.

18

b) Die Beklagte musste aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit auch künftig mit Alkoholauffälligkeiten des Klägers während der Arbeitszeit rechnen.

19

aa) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag beim Kläger im Kündigungszeitpunkt eine Alkoholerkrankung vor. Daran ist der Senat gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO). Der Kläger behauptet zwar weiterhin das Gegenteil. Das reicht als Revisionsangriff aber nicht aus (zu den Anforderungen an eine zulässige Verfahrensrüge vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145).

20

bb) Der Kläger war seit Anfang des Jahres 2010 mehrfach alkoholisiert an seinem Arbeitsplatz angetroffen worden. Nach einer stationären Entwöhnungsbehandlung, die er aus wirtschaftlichen Erwägungen abbrach, wurde er wiederholt alkoholauffällig. Daraus durfte das Landesarbeitsgericht auf die Wiederholung entsprechender Ausfälle in der Zukunft schließen. Der Kläger hat im Rahmen der ihn nach § 138 Abs. 2 ZPO treffenden abgestuften Darlegungslast(vgl. dazu BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96) keine Umstände aufgezeigt, die geeignet gewesen wären, die Indizwirkung seiner alkoholbedingten Ausfälle zu entkräften.

21

(1) Der Kläger hat nicht behauptet, vor dem Ausspruch der Kündigung eine neuerliche Alkoholtherapie begonnen zu haben. Die Beklagte durfte den Umständen nach von einer Therapieunwilligkeit ausgehen. Sie hatte ihn mit Schreiben vom 16. März 2011 aufgefordert, einen Nachweis über eine Entziehungskur beizubringen. Dies konnte der Kläger angesichts der zuvor erteilten Auskunft seines behandelnden Arztes nur so verstehen, dass es ihr um die zukünftige Teilnahme an einer Kur und damit die Abklärung seiner ernsthaften Bereitschaft ging, eine Entwöhnungsbehandlung durchzuführen. Der Kläger hat das Schreiben im fraglichen Punkt unbeantwortet gelassen. Soweit er geltend gemacht hat, er habe sich noch im März 2011 um eine „weitere ärztliche Behandlung bemüht“, war seinem Vorbringen nicht zu entnehmen, dass er eine Alkoholtherapie anstrebte. Im ärztlichen Bericht vom 26. April 2011 heißt es zu einer nach Zugang der Kündigung erfolgten Krankenhausbehandlung nur, der Kläger sei „arbeitsfähig“ entlassen worden. Zur Art der Behandlung, insbesondere ob es sich dabei um - erfolgreiche - Maßnahmen zur Alkoholentwöhnung handelte, verhält sich der Bericht nicht. Darauf, ob eine vom Kläger erst nach Zugang der Kündigung begonnene Alkoholtherapie im Rahmen der anzustellenden Zukunftsprognose überhaupt hätte Berücksichtigung finden können (zur Problematik vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96), kommt es nicht an.

22

(2) Auch wenn eine Vielzahl beim Kläger durchgeführter Alkoholtests unauffällig gewesen sein mögen, führt dies nicht daran vorbei, dass in drei Fällen Werte von über 0,5 „Promille“ erreicht wurden, wobei mangels gegenteiliger Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zugunsten des Klägers davon auszugehen ist, dass der jeweilige Wert - aufgrund einer vom Messgerät intern durchgeführten Umrechnung - die Blutalkoholkonzentration widerspiegelt, die andernfalls noch höher ausfiele (zum Umrechnungsfaktor vgl. BGH 3. April 2001 - 4 StR 507/00 - zu IV b der Gründe, BGHSt 46, 358). Unter diesen Umständen war nicht davon auszugehen, der Kläger habe seine Alkoholerkrankung „im Griff“ gehabt und die Fähigkeit zur Abstinenz besessen. Mit seinem Einwand, es habe sich jeweils um „Restalkohol“ aufgrund des Genusses alkoholischer Getränke am Vorabend gehandelt, verkennt der Kläger, dass es für die Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit unerheblich ist, wann er Alkohol zu sich genommen hat. Es spricht überdies nicht für, sondern gegen die Annahme, er könne seine Alkoholsucht „beherrschen“, wenn es sich etwa bei der am 20. September 2010 gegen 12:50 Uhr gemessenen Alkoholkonzentration von 0,52 Promille um „Restalkohol“ gehandelt haben sollte. Dies deutete - das Vorbringen als wahr unterstellt - auf eine sehr starke Alkoholisierung am Vortag hin.

23

3. Die Alkoholerkrankung und die damit verbundene mangelnde Einsatzfähigkeit des Klägers führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen.

24

a) Der Kläger erbringt seine Arbeitsleistungen in einem Umfeld, das von An- und Abtransporten sowie Umladungen von Metallabfällen mittels schwerer Gerätschaften wie Bagger, Gabelstapler, Lader, betriebseigener und betriebsfremder LKW geprägt ist. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ist deshalb - unstreitig - sowohl mit einer nicht unerheblichen Gefahr für sich selbst als auch für Dritte verbunden.

25

b) Aufgrund dieser Gefahren war es der Beklagten nicht zuzumuten, den Kläger auf seinem bisherigen Arbeitsplatz einzusetzen. Nach § 7 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1 idF vom 1. Januar 2004) dürfen Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. Gemäß § 15 Abs. 2 der Vorschrift dürfen Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Eine solche Eigen- oder Fremdgefährdung ist nach der BG-Regel A1 zu § 15 Abs. 2(vom Oktober 2005 idF vom Januar 2009) insbesondere beim Führen von Fahrzeugen oder selbstfahrenden Arbeitsmaschinen sowie beim Arbeiten in deren unmittelbarer Nähe gegeben. Eine Missachtung dieser Vorgaben kann zum Verlust des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung führen. Für den Straßenverkehr sieht der Gesetzgeber ab einem Wert von 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft und 0,5 Promille Alkohol im Blut eine erhebliche Gefährdung für den Straßenverkehr (§ 24a StVG). Relative Fahruntüchtigkeit kann schon ab ca. 0,3 Promille Alkohol im Blut anzunehmen sein (grundlegend BGH 28. April 1961 - 4 StR 55/61 - zu I 2 der Gründe; zuletzt bspw. OLG Hamm 25. August 2010 - I-20 U 74/10, 20 U 7420 U 74/10 - Rn. 22). Das im Betrieb der Beklagten angeordnete absolute Alkoholverbot trägt diesen Gefahren Rechnung. Es dient - wie die Anordnung der Geltung der StVO auf dem Betriebsgelände - ersichtlich dazu, entsprechende Risiken vorbeugend auszuschließen und damit letztlich Schaden von der Beklagten selbst, ihren Mitarbeitern sowie betriebsfremden Personen und deren Eigentum abzuwenden. Angesichts der Alkoholerkrankung des Klägers und seiner nachweislich - auch krankheitsbedingt - mangelnden Fähigkeit, abstinent zu bleiben, konnte und durfte die Beklagte nicht darauf vertrauen, er werde seine Arbeit als Hofarbeiter nüchtern, zumindest aber in einem körperlichen Zustand verrichten, der den Präventionsvorgaben gerecht wird.

26

c) Bereits dies führt - vorbehaltlich einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG(vgl. BAG 13. Dezember 1990 - 2 AZR 336/90 - zu II 3 der Gründe), ohne dass es noch darauf ankäme, ob der Alkoholgenuss des Klägers zu Unfällen beigetragen hat, in die er während seiner Tätigkeit für die Beklagte verwickelt war. Ebenso wenig ist von Belang, ob und ggf. wie oft dieser in der Vergangenheit objektiv durch seine Alkoholisierung am Arbeitsplatz gesetzliche Vorgaben verletzt hat oder ggf. unerkannt arbeitsunfähig war. Entscheidend ist, dass die Beklagte aufgrund der im Kündigungszeitpunkt fortbestehenden Alkoholerkrankung jederzeit mit einer Beeinträchtigung der Fahr- und Arbeitssicherheit durch den Kläger rechnen musste. Sein weiterer Einsatz als Hofarbeiter war ihr damit nicht zumutbar.

27

d) Dass sie ihn nach Abbruch der Entziehungskur gleichwohl mit entsprechenden Aufgaben betraut hat, stellt diese Bewertung nicht in Frage. Dies geschah über längere Zeit hinweg unter der Prämisse einer Einwilligung in die Durchführung regelmäßiger Alkoholtests. Jedenfalls nachdem der Kläger ihre Anfrage vom März 2011 hinsichtlich einer weiteren Alkoholtherapie unbeantwortet gelassen hatte, konnte der Beklagten nicht mehr angesonnen werden, den Kläger weiterhin mit seinen bisherigen Aufgaben zu betrauen und ihn dabei täglich - ggf. sogar wiederholt - auf seine Alkoholabstinenz hin zu kontrollieren (vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 34). Zudem war der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ab Ende 2010 nicht mehr bereit, an regelmäßigen Tests vorbehaltslos mitzuwirken. Auch daran ist der Senat mangels zulässigen Angriffs der Revision gebunden.

28

e) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, im Kündigungszeitpunkt habe keine zumutbare Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung des Klägers bestanden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

29

aa) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist entsprechend dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 18; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 14; jeweils mwN). Die Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung ist ein milderes Mittel. Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, hat eine Erkrankung des Arbeitnehmers keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zur Folge (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - zu B IV 1 der Gründe).

30

bb) Der Kläger hat sich insoweit auf eine Beschäftigung als Hofarbeiter ohne Verpflichtung zum Führen eines Kraftfahrzeugs und als Platzwart berufen. Damit hat er keine geeignete alternative Beschäftigungsmöglichkeit aufgezeigt. Die Beklagte hält die von ihm bezeichneten „Arbeitsplätze“ nicht vor. Zudem ist weder dargetan noch objektiv erkennbar, dass die Ausübung der fraglichen Tätigkeiten vergleichbare Sicherheitsrisiken nicht auch mit sich brächte. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei im Falle einer alkoholbedingten Einschränkung seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit nicht in der Lage, auf Gefahrensituationen angemessen zu reagieren und/oder Dritte ggf. rechtzeitig zu warnen. Der Kläger stellt dies nicht in Abrede. Er meint lediglich, die im Berufungsurteil getroffene Wertung lasse außer Acht, dass solche Gefahren auch bei anderen chronischen Erkrankungen nicht hinreichend sicher auszuschließen seien. Dabei übersieht er zum einen, dass Suchterkrankten - im Gegensatz zu anderen chronisch kranken Menschen - typischerweise die Fähigkeit fehlt einzuschätzen, ob sie wegen des Konsums von Suchtmitteln in ihrer Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit eingeschränkt sind. Zum anderen ist es eine Frage des Einzelfalls, ob ein Arbeitnehmer wegen chronischer Erkrankung und damit verbundener Sicherheitsrisiken bestimmte Arbeiten nicht mehr erledigen kann. Ein solcher Befund kann sich nicht nur beim Alkoholismus ergeben.

31

cc) Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Beklagte vor der Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement iSv. § 84 Abs. 2 SGB IX(bEM) durchgeführt hat. Das Versäumnis ist nicht entscheidungserheblich.

32

(1) Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass bei Alkoholismus ein bEM grundsätzlich in Betracht kommt und seine Durchführung sich nicht wegen des Krankheitsbildes generell als überflüssig darstellt (zur Problematik vgl. Brose DB 2013, 1727, 1728). Gleichwohl erscheint fraglich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Streitfall vorliegen. Zwar war ein bEM nicht deshalb entbehrlich, weil bei der Beklagten keine betriebliche Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX bestand(vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 28, BAGE 135, 361). Es ist aber weder festgestellt noch vom Kläger behauptet, dass er vor der Kündigung innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt wegen seiner Alkoholerkrankung arbeitsunfähig war. Seine Beschäftigung mag der Beklagten unzumutbar gewesen sein. Dies steht einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aber nicht ohne Weiteres gleich (ähnlich BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 31). Soweit der Kläger im Frühjahr 2010 Krankengeld bezogen hat, bleibt unklar, für welche Dauer er die Sozialleistung erhielt.

33

(2) Abgesehen davon führte das Unterlassen eines bEM nicht zu der Annahme, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

34

(a) § 84 Abs. 2 SGB IX stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das bEM ist zwar kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234). Möglich ist, dass selbst ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines bEM kein Nachteil entstehen. Erscheint demgegenüber ein positives Ergebnis denkbar, darf er sich nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der erkrankte Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Der Arbeitgeber hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kommen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19).

35

(b) Im Streitfall erscheint es als ausgeschlossen, dass ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beschäftigte die Beklagte im Kündigungszeitpunkt außer Hofarbeitern nur LKW-Fahrer und Verwaltungskräfte. Als LKW-Fahrer konnte der Kläger wegen seiner Alkoholabhängigkeit und auch deshalb nicht eingesetzt werden, weil ihm die dafür notwendige Fahrerlaubnis fehlte. Auch ein Einsatz im Bürobereich war der Beklagten angesichts der Alkoholabhängigkeit nicht zumutbar. Unabhängig davon fehlte dem Kläger hierfür offensichtlich die Qualifikation. Soweit er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gelegentlich und unter Berücksichtigung seiner Einschränkungen mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt worden war, kann daraus nicht auf eine alternative Einsatzmöglichkeit iSd. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG geschlossen werden. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass sie die fraglichen Tätigkeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist - wie bereits zuvor - fremdvergeben habe. Allenfalls dann, wenn ihre Hofarbeiter nicht mit anderen Aufgaben ausgelastet gewesen seien, hätten diese - gelegentlich - die Arbeiten mit übernommen. Dieser Behauptung ist der Kläger nicht entgegengetreten. Im Übrigen stand der erfolgreichen Durchführung eines bEM die mangelnde Therapiewilligkeit des Klägers im Kündigungszeitpunkt entgegen.

36

4. Die Abwägung der Belange beider Parteien ergibt, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Das Landesarbeitsgericht hat alle für und gegen dieses Ergebnis sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

37

a) Der Beklagten war es auf Dauer nicht mehr zumutbar, die mit einer möglichen Alkoholisierung des Klägers verbundenen Gefährdungen hinzunehmen. Geeignete Mittel, ihnen angemessen zu begegnen, standen nicht zur Verfügung. Unabhängig von der fehlenden Einwilligung des Klägers in regelmäßige Alkoholtests versprachen derartige Kontrollen nicht die erforderliche Sicherheit. Der Kläger war Alkoholiker. Es war davon auszugehen, dass er es darauf anlegen würde, Mittel und Wege zu finden, etwaige Kontrollen zu umgehen.

38

b) Diese Belange der Beklagten werden durch die zwölfjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers, sein Alter und die gegenüber seiner Ehefrau bestehende Unterhaltsverpflichtung nicht aufgewogen. Die Beklagte hat dem Kläger nach Alkoholauffälligkeiten die Chance einer Bewährung gegeben. Sie hat die stationäre Behandlung abgewartet. Deren Scheitern war ihr nicht anzulasten. Überdies hat sie dem Kläger nach einer erneuten Alkoholauffälligkeit im August 2010 durch eine Abmahnung deutlich vor Augen geführt, welche Bedeutung sie seiner Abstinenz zumisst, und ihm unmittelbar vor der Kündigung eine Frist gesetzt, um weitere - kurzfristig anzugehende - Behandlungsmaßnahmen nachzuweisen. Sie hatte damit alles ihr Zumutbare für den Erhalt des Arbeitsverhältnisses getan. Ihr Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses musste nicht deshalb zurücktreten, weil sie zu früheren Zeiten im Betrieb alkoholische Getränke bereitgestellt hatte. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, die Beklagte habe ihn trotz Kenntnis von seiner Alkoholabhängigkeit zum Genuss alkoholischer Getränke verleitet.

39

c) Unschädlich ist, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis erst gekündigt hat, nachdem sich herausgestellt hatte, die dem Kläger erteilte „tschechische Fahrerlaubnis“ im Inland keine Gültigkeit besaß. Ihr war es trotz dieses Zuwartens nicht verwehrt, sich auf die Alkoholerkrankung des Klägers als eigenständigen Kündigungsgrund zu berufen. Überdies war dessen Verhalten im Zusammenhang mit dem Führerschein ein weiterer Beleg für das Fehlen seiner Bereitschaft, mit bestehenden Unzulänglichkeiten verantwortlich umzugehen. Ob umgekehrt die Kündigung allein wegen der Tatsache gerechtfertigt wäre, dass der Kläger nicht über eine für Deutschland gültige Fahrerlaubnis verfügte, bedarf keiner Entscheidung.

40

II. Das Landesarbeitsgericht hat - unausgesprochen - angenommen, die Kündigung sei nicht deshalb unwirksam, weil die maßgebende Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei. Dagegen wendet sich der Kläger nicht. Er geht - in Übereinstimmung mit der Beklagten - davon aus, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 4. April 2011, sollte diese sich als sozial gerechtfertigt erweisen, mit Ablauf des 30. September 2011 aufgelöst worden und die Kündigungserklärung sei entsprechend auszulegen. Ein Rechtsfehler ist insoweit auch objektiv nicht zu erkennen.

41

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Wolf    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

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I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

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1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

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2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

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3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

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4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

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5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

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d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

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cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

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I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

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1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

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2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

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3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

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4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

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5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

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d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

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cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. Mai 2012 - 3 Sa 1134/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Entsorgungsunternehmen, das mit sog. Abbruchschrott aus Metall handelt. In ihrem Betrieb beschäftigt sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter sechs bis sieben Hofarbeiter und mehrere LKW-Fahrer sowie Verwaltungskräfte. Den Hofarbeitern obliegt es, angelieferten Schrott zu sortieren, zu reinigen und zu entsorgen. Dabei kommen verschiedene Fahrzeuge zum Einsatz wie Gabelstapler, Lader und Bagger mit einem Gewicht von bis zu 35 Tonnen und einer Ausgreifweite von bis zu 20 Metern.

3

Der 1956 geborene, verheiratete Kläger war seit März 1999 bei der Beklagten als Hofarbeiter tätig. Sein Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 2.666,00 Euro.

4

Im Jahr 2009 führte die Beklagte ein striktes Alkoholverbot ein, über das sie den Kläger - wie ihre anderen Mitarbeiter auch - schriftlich unterrichtete. Außerdem gab sie auf ihrem gesamten Firmengelände die Geltung der StVO vor. Von ihren Hofarbeitern verlangte sie fortan, im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis (ehemalige Führerscheinklasse „drei“) zu sein. Zugleich stellte sie ihre bis dahin geübte Praxis ein, Mitarbeitern in den Sozialräumen auch alkoholische Getränke zur Verfügung zu stellen. Im Herbst 2010 weitete sie ihr Betriebsgelände zu einem etwa 800 Meter vom Hauptgelände entfernten Containerplatz aus. Seither müssen Hofarbeiter bei der Verrichtung ihrer Tätigkeit zeitweise öffentlichen Straßenraum befahren.

5

Am 14. Januar 2010 wurde der Kläger stark alkoholisiert am Arbeitsplatz angetroffen und anschließend nach Hause geschickt. Wegen weiterer Vorkommnisse kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien im Januar und Februar 2010 jeweils aus Gründen im Verhalten des Klägers. Im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess machte dieser geltend, er sei alkoholkrank. Die Beklagte nahm die Kündigungen zurück. Zugleich mahnte sie den Kläger wegen Verstoßes gegen das betriebliche Alkoholverbot ab. Der Kläger nahm das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an. Im Mai 2010 begann er eine Entziehungskur, die er Anfang Juli 2010 abbrach.

6

In den Monaten Juli bis September 2010 führte die Beklagte beim Kläger mit dessen Einverständnis regelmäßig Tests auf Alkohol im Atem durch. Eine entsprechende Kontrolle vom 31. August 2010 ergab einen Wert von 1,81 Promille. Die Beklagte forderte den Kläger auf, das Betriebsgelände zu verlassen. Außerdem mahnte sie ihn wegen „alkoholisierten Erscheinens am Arbeitsplatz“ ab. Bei weiteren Tests vom 13., 15. und 20. September 2010 wurde beim Kläger eine Alkoholkonzentration von 0,6, 0,16 bzw. 0,52 Promille festgestellt. Am 7. Dezember 2010 verursachte er mit einem Firmenfahrzeug außerhalb des Betriebsgeländes einen Unfall. Es entstand Sachschaden. Am 12. Januar 2011 verweigerte er die Teilnahme an einem Alkoholtest. Die Umstände, die zu der Weigerung führten, sind zwischen den Parteien streitig.

7

Am 1. März 2011 kontrollierte die Beklagte ihre gewerblichen Arbeitnehmer auf den Besitz eines gültigen Führerscheins. Der Kläger legte eine in Tschechien ausgestellte Fahrerlaubnis vor. Mit Schreiben vom 7. März 2011 teilte sein behandelnder Arzt mit, nach Abbruch der stationären Therapie im Jahr 2010 seien beim Kläger keine weiteren Maßnahmen zur Alkoholentwöhnung durchgeführt worden. Mitte März 2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, bis Ende des Monats verbindliche Unterlagen „bezüglich Art und Zeitraum einer Entziehungskur in nächster Zukunft“ sowie über die Gültigkeit seines „tschechischen Führerscheins“ vorzulegen. Der Kläger brachte keine Unterlagen über eine weitere Behandlung bei. Die zuständige Behörde teilte mit, dass die Fahrerlaubnis in Deutschland keine Gültigkeit habe.

8

Mit Schreiben vom 4. April 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. August 2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Vom 15. bis zum 26. April 2011 begab sich der Kläger für eine stationäre Behandlung ins Krankenhaus. Er wurde als „arbeitsfähig“ entlassen.

9

Gegen die Kündigung hat der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Er sei nicht alkoholabhängig. Erhebliche Betriebsablaufstörungen seien aufgrund seiner gelegentlichen Alkoholisierung nicht eingetreten. Die im Frühjahr 2010 begonnene Entziehungskur habe er abgebrochen, weil er mit dem bezogenen Krankengeld seinen Lebensunterhalt nicht habe bestreiten können. Der Verkehrsunfall vom Dezember 2010 sei auf einen Defekt an dem von ihm gesteuerten Ladefahrzeug zurückzuführen. Im Januar 2011 habe er einen Alkoholtest nicht endgültig verweigert; er habe lediglich darum gebeten, die Kontrolle in Abwesenheit der LKW-Fahrer durchzuführen, wozu die Beklagte nicht bereit gewesen sei. Jedenfalls sei es dieser zumutbar gewesen, ihn ausschließlich auf ihrem Betriebsgelände einzusetzen. Zur Erledigung der dort anfallenden Arbeiten sei eine Fahrerlaubnis nicht zwingend erforderlich. Außerdem habe die Möglichkeit bestanden, ihn als Platzwart oder Hofarbeiter auf dem neuen Containerplatz weiter zu beschäftigen.

10

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 4. April 2011 nicht aufgelöst worden ist.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei durch Gründe im Verhalten und in der Person des Klägers bedingt. Dieser habe mehrfach gegen das betriebliche Alkoholverbot verstoßen. Er sei im Kündigungszeitpunkt alkoholabhängig gewesen. Auch habe ihm der ernstliche Wille gefehlt, eine Therapie durchzuführen. Unter diesen Umständen sei ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Hofarbeiter aus Sicherheitsgründen nicht länger zuzumuten gewesen. Andere geeignete Arbeitsplätze hätten nicht zur Verfügung gestanden.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kündigung vom 4. April 2011 ist wirksam.

14

I. Die ordentliche Kündigung vom 4. April 2011 ist aufgrund der Alkoholerkrankung des Klägers durch Gründe in seiner Person bedingt und deshalb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

15

1. Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel - etwa eine Versetzung - nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 22; zu den Anforderungen an eine krankheitsbedingte Kündigung vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361). Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereit ist, eine Entziehungskur bzw. Therapie durchzuführen. Lehnt er das ab, kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B III 3 der Gründe). Ebenso kann eine negative Prognose dann berechtigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach abgeschlossener Therapie rückfällig geworden ist (BAG 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 - zu II 2 b bb der Gründe).

16

2. Im Streitfall war im Zeitpunkt der Kündigung die Annahme gerechtfertigt, der Kläger biete aufgrund von Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr, seine Tätigkeit als Hofarbeiter dauerhaft ordnungsgemäß erbringen zu können.

17

a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Kläger sei nach der Einnahme von Alkohol für die von ihm zu erbringende Tätigkeit als Hofarbeiter nicht einsetzbar. Er ist im Rahmen seiner Tätigkeit verantwortlich für das Führen verschiedener großer Fahrzeuge. Die mit dem Alkoholkonsum einhergehenden Minderungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit führen zu erheblichen Gefahren für Menschen und Material auf dem Hofgelände, denen die Beklagte als Betriebsinhaberin so weit wie möglich begegnen muss.

18

b) Die Beklagte musste aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit auch künftig mit Alkoholauffälligkeiten des Klägers während der Arbeitszeit rechnen.

19

aa) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag beim Kläger im Kündigungszeitpunkt eine Alkoholerkrankung vor. Daran ist der Senat gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO). Der Kläger behauptet zwar weiterhin das Gegenteil. Das reicht als Revisionsangriff aber nicht aus (zu den Anforderungen an eine zulässige Verfahrensrüge vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145).

20

bb) Der Kläger war seit Anfang des Jahres 2010 mehrfach alkoholisiert an seinem Arbeitsplatz angetroffen worden. Nach einer stationären Entwöhnungsbehandlung, die er aus wirtschaftlichen Erwägungen abbrach, wurde er wiederholt alkoholauffällig. Daraus durfte das Landesarbeitsgericht auf die Wiederholung entsprechender Ausfälle in der Zukunft schließen. Der Kläger hat im Rahmen der ihn nach § 138 Abs. 2 ZPO treffenden abgestuften Darlegungslast(vgl. dazu BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96) keine Umstände aufgezeigt, die geeignet gewesen wären, die Indizwirkung seiner alkoholbedingten Ausfälle zu entkräften.

21

(1) Der Kläger hat nicht behauptet, vor dem Ausspruch der Kündigung eine neuerliche Alkoholtherapie begonnen zu haben. Die Beklagte durfte den Umständen nach von einer Therapieunwilligkeit ausgehen. Sie hatte ihn mit Schreiben vom 16. März 2011 aufgefordert, einen Nachweis über eine Entziehungskur beizubringen. Dies konnte der Kläger angesichts der zuvor erteilten Auskunft seines behandelnden Arztes nur so verstehen, dass es ihr um die zukünftige Teilnahme an einer Kur und damit die Abklärung seiner ernsthaften Bereitschaft ging, eine Entwöhnungsbehandlung durchzuführen. Der Kläger hat das Schreiben im fraglichen Punkt unbeantwortet gelassen. Soweit er geltend gemacht hat, er habe sich noch im März 2011 um eine „weitere ärztliche Behandlung bemüht“, war seinem Vorbringen nicht zu entnehmen, dass er eine Alkoholtherapie anstrebte. Im ärztlichen Bericht vom 26. April 2011 heißt es zu einer nach Zugang der Kündigung erfolgten Krankenhausbehandlung nur, der Kläger sei „arbeitsfähig“ entlassen worden. Zur Art der Behandlung, insbesondere ob es sich dabei um - erfolgreiche - Maßnahmen zur Alkoholentwöhnung handelte, verhält sich der Bericht nicht. Darauf, ob eine vom Kläger erst nach Zugang der Kündigung begonnene Alkoholtherapie im Rahmen der anzustellenden Zukunftsprognose überhaupt hätte Berücksichtigung finden können (zur Problematik vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96), kommt es nicht an.

22

(2) Auch wenn eine Vielzahl beim Kläger durchgeführter Alkoholtests unauffällig gewesen sein mögen, führt dies nicht daran vorbei, dass in drei Fällen Werte von über 0,5 „Promille“ erreicht wurden, wobei mangels gegenteiliger Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zugunsten des Klägers davon auszugehen ist, dass der jeweilige Wert - aufgrund einer vom Messgerät intern durchgeführten Umrechnung - die Blutalkoholkonzentration widerspiegelt, die andernfalls noch höher ausfiele (zum Umrechnungsfaktor vgl. BGH 3. April 2001 - 4 StR 507/00 - zu IV b der Gründe, BGHSt 46, 358). Unter diesen Umständen war nicht davon auszugehen, der Kläger habe seine Alkoholerkrankung „im Griff“ gehabt und die Fähigkeit zur Abstinenz besessen. Mit seinem Einwand, es habe sich jeweils um „Restalkohol“ aufgrund des Genusses alkoholischer Getränke am Vorabend gehandelt, verkennt der Kläger, dass es für die Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit unerheblich ist, wann er Alkohol zu sich genommen hat. Es spricht überdies nicht für, sondern gegen die Annahme, er könne seine Alkoholsucht „beherrschen“, wenn es sich etwa bei der am 20. September 2010 gegen 12:50 Uhr gemessenen Alkoholkonzentration von 0,52 Promille um „Restalkohol“ gehandelt haben sollte. Dies deutete - das Vorbringen als wahr unterstellt - auf eine sehr starke Alkoholisierung am Vortag hin.

23

3. Die Alkoholerkrankung und die damit verbundene mangelnde Einsatzfähigkeit des Klägers führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen.

24

a) Der Kläger erbringt seine Arbeitsleistungen in einem Umfeld, das von An- und Abtransporten sowie Umladungen von Metallabfällen mittels schwerer Gerätschaften wie Bagger, Gabelstapler, Lader, betriebseigener und betriebsfremder LKW geprägt ist. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ist deshalb - unstreitig - sowohl mit einer nicht unerheblichen Gefahr für sich selbst als auch für Dritte verbunden.

25

b) Aufgrund dieser Gefahren war es der Beklagten nicht zuzumuten, den Kläger auf seinem bisherigen Arbeitsplatz einzusetzen. Nach § 7 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1 idF vom 1. Januar 2004) dürfen Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. Gemäß § 15 Abs. 2 der Vorschrift dürfen Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Eine solche Eigen- oder Fremdgefährdung ist nach der BG-Regel A1 zu § 15 Abs. 2(vom Oktober 2005 idF vom Januar 2009) insbesondere beim Führen von Fahrzeugen oder selbstfahrenden Arbeitsmaschinen sowie beim Arbeiten in deren unmittelbarer Nähe gegeben. Eine Missachtung dieser Vorgaben kann zum Verlust des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung führen. Für den Straßenverkehr sieht der Gesetzgeber ab einem Wert von 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft und 0,5 Promille Alkohol im Blut eine erhebliche Gefährdung für den Straßenverkehr (§ 24a StVG). Relative Fahruntüchtigkeit kann schon ab ca. 0,3 Promille Alkohol im Blut anzunehmen sein (grundlegend BGH 28. April 1961 - 4 StR 55/61 - zu I 2 der Gründe; zuletzt bspw. OLG Hamm 25. August 2010 - I-20 U 74/10, 20 U 7420 U 74/10 - Rn. 22). Das im Betrieb der Beklagten angeordnete absolute Alkoholverbot trägt diesen Gefahren Rechnung. Es dient - wie die Anordnung der Geltung der StVO auf dem Betriebsgelände - ersichtlich dazu, entsprechende Risiken vorbeugend auszuschließen und damit letztlich Schaden von der Beklagten selbst, ihren Mitarbeitern sowie betriebsfremden Personen und deren Eigentum abzuwenden. Angesichts der Alkoholerkrankung des Klägers und seiner nachweislich - auch krankheitsbedingt - mangelnden Fähigkeit, abstinent zu bleiben, konnte und durfte die Beklagte nicht darauf vertrauen, er werde seine Arbeit als Hofarbeiter nüchtern, zumindest aber in einem körperlichen Zustand verrichten, der den Präventionsvorgaben gerecht wird.

26

c) Bereits dies führt - vorbehaltlich einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG(vgl. BAG 13. Dezember 1990 - 2 AZR 336/90 - zu II 3 der Gründe), ohne dass es noch darauf ankäme, ob der Alkoholgenuss des Klägers zu Unfällen beigetragen hat, in die er während seiner Tätigkeit für die Beklagte verwickelt war. Ebenso wenig ist von Belang, ob und ggf. wie oft dieser in der Vergangenheit objektiv durch seine Alkoholisierung am Arbeitsplatz gesetzliche Vorgaben verletzt hat oder ggf. unerkannt arbeitsunfähig war. Entscheidend ist, dass die Beklagte aufgrund der im Kündigungszeitpunkt fortbestehenden Alkoholerkrankung jederzeit mit einer Beeinträchtigung der Fahr- und Arbeitssicherheit durch den Kläger rechnen musste. Sein weiterer Einsatz als Hofarbeiter war ihr damit nicht zumutbar.

27

d) Dass sie ihn nach Abbruch der Entziehungskur gleichwohl mit entsprechenden Aufgaben betraut hat, stellt diese Bewertung nicht in Frage. Dies geschah über längere Zeit hinweg unter der Prämisse einer Einwilligung in die Durchführung regelmäßiger Alkoholtests. Jedenfalls nachdem der Kläger ihre Anfrage vom März 2011 hinsichtlich einer weiteren Alkoholtherapie unbeantwortet gelassen hatte, konnte der Beklagten nicht mehr angesonnen werden, den Kläger weiterhin mit seinen bisherigen Aufgaben zu betrauen und ihn dabei täglich - ggf. sogar wiederholt - auf seine Alkoholabstinenz hin zu kontrollieren (vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 34). Zudem war der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ab Ende 2010 nicht mehr bereit, an regelmäßigen Tests vorbehaltslos mitzuwirken. Auch daran ist der Senat mangels zulässigen Angriffs der Revision gebunden.

28

e) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, im Kündigungszeitpunkt habe keine zumutbare Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung des Klägers bestanden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

29

aa) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist entsprechend dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 18; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 14; jeweils mwN). Die Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung ist ein milderes Mittel. Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, hat eine Erkrankung des Arbeitnehmers keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zur Folge (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - zu B IV 1 der Gründe).

30

bb) Der Kläger hat sich insoweit auf eine Beschäftigung als Hofarbeiter ohne Verpflichtung zum Führen eines Kraftfahrzeugs und als Platzwart berufen. Damit hat er keine geeignete alternative Beschäftigungsmöglichkeit aufgezeigt. Die Beklagte hält die von ihm bezeichneten „Arbeitsplätze“ nicht vor. Zudem ist weder dargetan noch objektiv erkennbar, dass die Ausübung der fraglichen Tätigkeiten vergleichbare Sicherheitsrisiken nicht auch mit sich brächte. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei im Falle einer alkoholbedingten Einschränkung seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit nicht in der Lage, auf Gefahrensituationen angemessen zu reagieren und/oder Dritte ggf. rechtzeitig zu warnen. Der Kläger stellt dies nicht in Abrede. Er meint lediglich, die im Berufungsurteil getroffene Wertung lasse außer Acht, dass solche Gefahren auch bei anderen chronischen Erkrankungen nicht hinreichend sicher auszuschließen seien. Dabei übersieht er zum einen, dass Suchterkrankten - im Gegensatz zu anderen chronisch kranken Menschen - typischerweise die Fähigkeit fehlt einzuschätzen, ob sie wegen des Konsums von Suchtmitteln in ihrer Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit eingeschränkt sind. Zum anderen ist es eine Frage des Einzelfalls, ob ein Arbeitnehmer wegen chronischer Erkrankung und damit verbundener Sicherheitsrisiken bestimmte Arbeiten nicht mehr erledigen kann. Ein solcher Befund kann sich nicht nur beim Alkoholismus ergeben.

31

cc) Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Beklagte vor der Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement iSv. § 84 Abs. 2 SGB IX(bEM) durchgeführt hat. Das Versäumnis ist nicht entscheidungserheblich.

32

(1) Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass bei Alkoholismus ein bEM grundsätzlich in Betracht kommt und seine Durchführung sich nicht wegen des Krankheitsbildes generell als überflüssig darstellt (zur Problematik vgl. Brose DB 2013, 1727, 1728). Gleichwohl erscheint fraglich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Streitfall vorliegen. Zwar war ein bEM nicht deshalb entbehrlich, weil bei der Beklagten keine betriebliche Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX bestand(vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 28, BAGE 135, 361). Es ist aber weder festgestellt noch vom Kläger behauptet, dass er vor der Kündigung innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt wegen seiner Alkoholerkrankung arbeitsunfähig war. Seine Beschäftigung mag der Beklagten unzumutbar gewesen sein. Dies steht einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aber nicht ohne Weiteres gleich (ähnlich BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 31). Soweit der Kläger im Frühjahr 2010 Krankengeld bezogen hat, bleibt unklar, für welche Dauer er die Sozialleistung erhielt.

33

(2) Abgesehen davon führte das Unterlassen eines bEM nicht zu der Annahme, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

34

(a) § 84 Abs. 2 SGB IX stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das bEM ist zwar kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234). Möglich ist, dass selbst ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines bEM kein Nachteil entstehen. Erscheint demgegenüber ein positives Ergebnis denkbar, darf er sich nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der erkrankte Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Der Arbeitgeber hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kommen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19).

35

(b) Im Streitfall erscheint es als ausgeschlossen, dass ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beschäftigte die Beklagte im Kündigungszeitpunkt außer Hofarbeitern nur LKW-Fahrer und Verwaltungskräfte. Als LKW-Fahrer konnte der Kläger wegen seiner Alkoholabhängigkeit und auch deshalb nicht eingesetzt werden, weil ihm die dafür notwendige Fahrerlaubnis fehlte. Auch ein Einsatz im Bürobereich war der Beklagten angesichts der Alkoholabhängigkeit nicht zumutbar. Unabhängig davon fehlte dem Kläger hierfür offensichtlich die Qualifikation. Soweit er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gelegentlich und unter Berücksichtigung seiner Einschränkungen mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt worden war, kann daraus nicht auf eine alternative Einsatzmöglichkeit iSd. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG geschlossen werden. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass sie die fraglichen Tätigkeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist - wie bereits zuvor - fremdvergeben habe. Allenfalls dann, wenn ihre Hofarbeiter nicht mit anderen Aufgaben ausgelastet gewesen seien, hätten diese - gelegentlich - die Arbeiten mit übernommen. Dieser Behauptung ist der Kläger nicht entgegengetreten. Im Übrigen stand der erfolgreichen Durchführung eines bEM die mangelnde Therapiewilligkeit des Klägers im Kündigungszeitpunkt entgegen.

36

4. Die Abwägung der Belange beider Parteien ergibt, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Das Landesarbeitsgericht hat alle für und gegen dieses Ergebnis sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

37

a) Der Beklagten war es auf Dauer nicht mehr zumutbar, die mit einer möglichen Alkoholisierung des Klägers verbundenen Gefährdungen hinzunehmen. Geeignete Mittel, ihnen angemessen zu begegnen, standen nicht zur Verfügung. Unabhängig von der fehlenden Einwilligung des Klägers in regelmäßige Alkoholtests versprachen derartige Kontrollen nicht die erforderliche Sicherheit. Der Kläger war Alkoholiker. Es war davon auszugehen, dass er es darauf anlegen würde, Mittel und Wege zu finden, etwaige Kontrollen zu umgehen.

38

b) Diese Belange der Beklagten werden durch die zwölfjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers, sein Alter und die gegenüber seiner Ehefrau bestehende Unterhaltsverpflichtung nicht aufgewogen. Die Beklagte hat dem Kläger nach Alkoholauffälligkeiten die Chance einer Bewährung gegeben. Sie hat die stationäre Behandlung abgewartet. Deren Scheitern war ihr nicht anzulasten. Überdies hat sie dem Kläger nach einer erneuten Alkoholauffälligkeit im August 2010 durch eine Abmahnung deutlich vor Augen geführt, welche Bedeutung sie seiner Abstinenz zumisst, und ihm unmittelbar vor der Kündigung eine Frist gesetzt, um weitere - kurzfristig anzugehende - Behandlungsmaßnahmen nachzuweisen. Sie hatte damit alles ihr Zumutbare für den Erhalt des Arbeitsverhältnisses getan. Ihr Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses musste nicht deshalb zurücktreten, weil sie zu früheren Zeiten im Betrieb alkoholische Getränke bereitgestellt hatte. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, die Beklagte habe ihn trotz Kenntnis von seiner Alkoholabhängigkeit zum Genuss alkoholischer Getränke verleitet.

39

c) Unschädlich ist, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis erst gekündigt hat, nachdem sich herausgestellt hatte, die dem Kläger erteilte „tschechische Fahrerlaubnis“ im Inland keine Gültigkeit besaß. Ihr war es trotz dieses Zuwartens nicht verwehrt, sich auf die Alkoholerkrankung des Klägers als eigenständigen Kündigungsgrund zu berufen. Überdies war dessen Verhalten im Zusammenhang mit dem Führerschein ein weiterer Beleg für das Fehlen seiner Bereitschaft, mit bestehenden Unzulänglichkeiten verantwortlich umzugehen. Ob umgekehrt die Kündigung allein wegen der Tatsache gerechtfertigt wäre, dass der Kläger nicht über eine für Deutschland gültige Fahrerlaubnis verfügte, bedarf keiner Entscheidung.

40

II. Das Landesarbeitsgericht hat - unausgesprochen - angenommen, die Kündigung sei nicht deshalb unwirksam, weil die maßgebende Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei. Dagegen wendet sich der Kläger nicht. Er geht - in Übereinstimmung mit der Beklagten - davon aus, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 4. April 2011, sollte diese sich als sozial gerechtfertigt erweisen, mit Ablauf des 30. September 2011 aufgelöst worden und die Kündigungserklärung sei entsprechend auszulegen. Ein Rechtsfehler ist insoweit auch objektiv nicht zu erkennen.

41

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Wolf    

                 

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 7. Februar 2014 - 10 Sa 576/13 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte betreibt ein Omnibusunternehmen. In ihrem Betrieb waren regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger war bei ihr seit Februar 2007 als Busfahrer tätig.

3

Seit dem 28. November 2010 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Mit Bescheid vom 26. Juni 2012 wurde ihm rückwirkend ab dem 1. Juni 2011 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt. In dem Bescheid heißt es auszugsweise:

        

„Sie haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Der Rentenanspruch ist zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.“

und

        

„Die Rente endet mit dem 30.06.2014, ohne dass wir einen weiteren Bescheid erteilen.

        

Die Rente kann auf Antrag weitergezahlt werden, wenn eine Minderung der Erwerbsfähigkeit weiterhin vorliegt. …“

4

Mit Schreiben vom 19. Juli 2012 wurde dem Kläger mitgeteilt, er werde die ersten Rentenzahlungen im August 2012 erhalten. Der Kläger informierte daraufhin den Geschäftsführer der Beklagten über die Rentenbewilligung. Er lehnte es ab, dessen Frage nach der Art seiner Erkrankung zu beantworten.

5

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 27. Juli 2012 zum 30. September 2012.

6

Gegen die Kündigung hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Ansicht vertreten, für eine krankheitsbedingte Kündigung fehle es an einer negativen Gesundheitsprognose. Durch den Rentenbescheid werde nicht dokumentiert, dass er als Omnibusfahrer dauerhaft arbeitsunfähig sei. Es sei vielmehr nicht ausgeschlossen, dass er ab Juli 2014 seine geschuldete Tätigkeit wieder aufnehmen könne. Auch ausweislich von drei im Rentenverfahren eingeholten Gutachten sei es medizinisch nicht unwahrscheinlich, dass seine volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Zudem sei keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen gegeben. Seine Krankheit führe nicht zu Betriebsablaufstörungen oder beachtlichen wirtschaftlichen Belastungen. Die Beklagte stelle schon seit Jahren Arbeitnehmer nur noch befristet ein. Es sei nicht erkennbar, weshalb es ihr nicht zumutbar sein solle, ihm einen Arbeitsplatz zumindest bis zum Auslaufen der Rentenbewilligung am 30. Juni 2014 freizuhalten. Im Übrigen habe die Beklagte entgegen den gesetzlichen Verpflichtungen kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2012 nicht beendet worden ist.

8

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei aus Gründen in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt. Aus dem Bezug der Rente wegen Erwerbsminderung habe sich eine negative Gesundheitsprognose für die auf die Kündigung folgenden 23 Monate ergeben. Es habe festgestanden, dass der Kläger zumindest für weitere fast zwei Jahre überhaupt keiner Erwerbstätigkeit werde nachgehen können, und es sei ungewiss gewesen, ob er danach jemals wieder arbeitsfähig werde. Zudem entstünden weiterhin Urlaubsansprüche des Klägers. Aus der Befristung der Rentenbewilligung könne nicht geschlossen werden, der Kläger werde nach ihrem Ablauf seine Fähigkeit zur vollschichtigen Tätigkeit als Busfahrer wieder erlangen. Renten wegen Erwerbsminderung seien von Gesetzes wegen grundsätzlich auf Zeit zu gewähren. Eine unbefristete Rente werde erst bewilligt, wenn unwahrscheinlich sei, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden könne. Hiervon sei erst nach einer Gesamtdauer der befristeten Gewährung von neun Jahren auszugehen. Ein für den Kläger leidensgerechter Arbeitsplatz habe ebenso wenig zur Verfügung gestanden wie überhaupt ein freier Arbeitsplatz. Ein betriebliches Eingliederungsmanagement sei entbehrlich gewesen. Angesichts der feststehenden Tatsache, dass der Kläger mindestens weitere 23 Monate vollständig erwerbsunfähig wäre, seien Maßnahmen, die auf den Erhalt des Arbeitsplatzes, die Vermeidung weiterer Arbeitsunfähigkeitszeiten oder eine innerbetriebliche Umsetzung abzielten, von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen (I.). Ob die Kündigung der Beklagten vom 27. Juli 2012 wirksam ist, steht noch nicht fest (II.).

11

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf der Basis der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, die Kündigung sei aus Gründen in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.

12

1. Die soziale Rechtfertigung von Kündigungen, die aus Anlass von Krankheiten ausgesprochen werden, ist in drei Stufen zu prüfen. Eine Kündigung ist im Falle einer lang anhaltenden Krankheit sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG, wenn eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit vorliegt - erste Stufe -, eine darauf beruhende erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen festzustellen ist - zweite Stufe - und eine Interessenabwägung ergibt, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen - dritte Stufe -(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 13; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11 mwN, BAGE 135, 361).

13

2. Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Zeitpunkt der Kündigung habe eine negative Prognose hinsichtlich der voraussichtlichen Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vorgelegen.

14

a) Der Kläger war im Kündigungszeitpunkt seit dem 23. November 2010 und damit seit über 20 Monaten durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Eine lang andauernde krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit in der unmittelbaren Vergangenheit stellt ein gewisses Indiz für die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit in der Zukunft dar (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234; 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - zu II 5 d aa der Gründe, BAGE 101, 39). Der Arbeitgeber genügt deshalb seiner Darlegungslast für eine negative Prognose zunächst, wenn er die bisherige Dauer der Erkrankung und die ihm bekannten Krankheitsursachen vorträgt (BAG 12. April 2002 - 2 AZR 148/01 - aaO; für den Fall häufiger [Kurz-]Erkrankungen BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 17). Dies hat die Beklagte bezüglich der Dauer der Erkrankung des Klägers in der Vergangenheit getan. Diese ist überdies unstreitig. Krankheitsursachen waren der Beklagten nach ihrem Vorbringen nicht bekannt.

15

b) Der durch die lange Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit begründeten Indizwirkung ist der Kläger nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Er hat zwar von der Beklagten gefordert abzuwarten, ob nach Auslaufen der befristeten Rentenbewilligung eine Änderung eintreten werde. Zudem hat er auf die Möglichkeit einer Genesung binnen der auf die Kündigung folgenden 24 Monate verwiesen. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, dass und unter welchen Bedingungen innerhalb dieses Zeitraums eine Besserung wahrscheinlich gewesen sei. Er hat weder konkrete Erkenntnisse aus den Gutachten mitgeteilt, die im Rahmen des Verfahrens zur Rentenbewilligung eingeholt wurden, noch hat er - etwa indem er sich auf entsprechende Aussagen seiner behandelnden Ärzte berufen hätte - behauptet, es sei in absehbarer Zeit die Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit zu erwarten gewesen (vgl. dazu BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 22; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96).

16

c) Darauf, ob die Rentenbewilligung etwas über die voraussichtliche Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers aussagt, kommt es für die negative Gesundheitsprognose nicht an.

17

3. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen nicht seine Annahme, die im Kündigungszeitpunkt zu erwartende weitere Arbeitsunfähigkeit des Klägers habe zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geführt.

18

a) Bei krankheitsbedingter dauernder Leistungsunfähigkeit ist in aller Regel ohne Weiteres von einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen auszugehen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 18). Die Beklagte hat allerdings nicht behauptet, im Kündigungszeitpunkt habe eine krankheitsbedingte dauernde Leistungsunfähigkeit des Klägers festgestanden. Hiervon ist auch das Landesarbeitsgericht nicht ausgegangen. Die Beklagte hat sich darauf berufen, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss gewesen. Eine solche Ungewissheit steht - so sie tatsächlich vorliegt - einer krankheitsbedingten dauernden Leistungsunfähigkeit dann gleich, wenn jedenfalls in den nächsten 24 Monaten mit einer Genesung nicht gerechnet werden kann (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 14; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO). Einen Zeitraum von bis zu 24 Monaten kann der Arbeitgeber dagegen typischerweise ohne Schwierigkeiten durch Einstellung einer Ersatzkraft mit einem zeitbefristeten Arbeitsverhältnis nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG überbrücken(noch zu § 1 Abs. 1 BeschFG vgl. BAG 29. April 1999 - 2 AZR 431/98 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 91, 271).

19

b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, allein aufgrund der lang anhaltenden Erkrankung des Klägers in der Vergangenheit und der Ungewissheit seiner Genesung in der Zukunft seien die betrieblichen Interessen der Beklagten erheblich beeinträchtigt gewesen. Dies wird den an die soziale Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung auf der zweiten Prüfungsstufe zu stellenden Anforderungen nicht gerecht.

20

aa) Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die Annahme, die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei im Kündigungszeitpunkt völlig ungewiss - also für mindestens weitere 24 Monate nicht zu erwarten - gewesen. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung lediglich darauf gestützt, unter Berücksichtigung des Rentenbescheids sei eine positive Entwicklung für mehr als 23 Monate auszuschließen und darüber hinaus ungewiss gewesen. Dies steht einem Sachverhalt, bei dem eine Gesundung des Arbeitnehmers für die nächsten 24 Monate nicht erwartet werden kann, nicht gleich. Die bloße Ungewissheit der Wiedergenesung, von der das Landesarbeitsgericht für die Zeit nach Ablauf der Rentenbewilligung ausgegangen ist, bedeutet nicht zugleich, dass mit einer Gesundung nach medizinischen Erkenntnissen nicht gerechnet werden kann. Dies gilt auch schon für den 24. Monat nach Kündigungszugang. Der Umstand, dass der Kläger bereits im Kündigungszeitpunkt seit mehr als 20 Monaten arbeitsunfähig war, spricht lediglich dafür, dass mit einem Fortbestand der Arbeitsunfähigkeit auch in der Zukunft zu rechnen war. Er lässt für sich genommen nicht den Schluss auf eine bestimmte (Mindest-)Dauer der zu erwartenden Arbeitsunfähigkeit zu.

21

bb) Im Übrigen ergibt sich aus einer Rentenbewilligung wegen Erwerbsminderung nicht ohne Weiteres, dass der Leistungsempfänger arbeitsunfähig ist. Insbesondere begründet der Rentenbezug keine - widerlegbare - Vermutung oder Indizwirkung für das Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit während der Dauer der Bewilligung (vgl. P. Feichtinger in Feichtinger/Malkmus Entgeltfortzahlungsrecht 2. Aufl. § 3 EFZG Rn. 42; Schmitt EFZG 7. Aufl. § 3 Rn. 74; HWK/Schliemann 6. Aufl. § 3 EFZG Rn. 44; Treber EFZG 2. Aufl. § 3 Rn. 23). Die arbeitsrechtlichen Voraussetzungen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und die sozialrechtlichen Voraussetzungen einer Erwerbsminderung sind nicht die gleichen (vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 558/03 - zu I 1 der Gründe; vgl. P. Feichtinger aaO; Schmitt aaO; ErfK/Reinhard 15. Aufl. § 3 EFZG Rn. 9; Vossen Entgeltfortzahlung bei Krankheit und an Feiertagen Rn. 93). Der Erwerbsgeminderte kann durchaus arbeitsfähig sein (Kreikebohm/v. Koch SGB VI 4. Aufl. § 43 Rn. 5; ErfK/Reinhard aaO). Auch eine Rente wegen voller Erwerbsminderung setzt gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI nicht zwingend voraus, dass der Arbeitnehmer seine bisher vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann(vgl. auch LAG Hamm 9. Juli 2003 - 18 Sa 215/03 - zu A I 1 der Gründe, Vorinstanz zu BAG 29. September 2004 - 5 AZR 558/03 - aaO; aA ErfK/Reinhard aaO unter Hinweis auf MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 3 EFZG Rn. 7). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Bedingungen am bisherigen Arbeitsplatz können jedoch von denen des allgemeinen Arbeitsmarkts abweichen. So steht einer Erwerbsminderung eine vom Regelfall abweichendegünstige Arbeitsgelegenheit nicht entgegen ( KassKomm/Gürtner Stand April 2015 § 43 SGB VI Rn. 29 ). Dies mag bei der bisherigen Tätigkeit des Klägers als Busfahrer für die Beklagte nicht der Fall gewesen sein. Feststellungen dazu hat das Landesarbeitsgericht jedoch nicht getroffen.

22

cc) Sonstige Umstände, die eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten begründen könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Allein die weiterhin entstehenden Urlaubsansprüche des Klägers vermögen - soweit ersichtlich - nicht zu einer nicht mehr hinzunehmenden Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten zu führen. Gesetzliche und regelmäßig auch tarifvertragliche Urlaubsansprüche erlöschen bei fortdauernder Arbeitsunfähigkeit jeweils 15 Monate nach Ablauf des betreffenden Urlaubsjahres und wachsen daher nach Ablauf von zwei Jahren und drei Monaten typischerweise nicht weiter an (vgl. BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 302/12 - Rn. 11; 7. August 2012 - 9 AZR 353/10 - Rn. 32 ff., BAGE 142, 371).

23

4. Auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht überdies zu Unrecht angenommen, ein milderes Mittel als eine Beendigungskündigung habe der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden, um den betrieblichen Beeinträchtigungen zu begegnen. Ihrer mangels Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) nach § 84 Abs. 2 SGB IX erhöhten Darlegungslast im Hinblick auf alternative, leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeiten ist die Beklagte entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts bislang nicht nachgekommen.

24

a) Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, ist der Arbeitgeber nach § 84 Abs. 2 SGB IX gehalten, ein bEM durchzuführen. Er hat dazu nach Zustimmung und unter Beteiligung der betroffenen Person mit der zuständigen Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehindertenvertretung, die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor auf die Ziele des bEM sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Servicestellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen.

25

b) Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, ist die Beklagte ihrer Pflicht zur Durchführung eines bEM im Falle des Klägers nicht nachgekommen. Hierzu war sie vor Ausspruch einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses verpflichtet. Die Durchführung des bEM soll einer Gefährdung des Arbeitsverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen gerade begegnen (BT-Drs. 14/5074 S. 113; ErfK/Rolfs 15. Aufl. § 84 SGB IX Rn. 4) und „den Arbeitsplatz“ - dh. das Arbeitsverhältnis (vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32 mwN) - erhalten. Im Kündigungszeitpunkt lag eine mehr als sechswöchige Arbeitsunfähigkeit des Klägers vor. Die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM trifft den Arbeitgeber nicht nur bei Erkrankungen behinderter Arbeitnehmer, sondern bei allen Arbeitnehmern (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361) und unabhängig davon, ob im Beschäftigungsbetrieb ein Betriebsrat gewählt ist oder nicht (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 32; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 28 ff., aaO). Zu einem regelkonformen Ersuchen des Arbeitgebers um Zustimmung des Arbeitnehmers zur Durchführung eines bEM gehört die Belehrung nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX über die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

26

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten war ein bEM nicht deshalb entbehrlich, weil die Durchführung angesichts der Weigerung des Klägers, Angaben zu seinem Krankheitsbild zu machen, ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre. Erst wenn dem Arbeitnehmer ein bEM ordnungsgemäß nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX angeboten worden ist und er daraufhin seine Teilnahme bzw. Auskünfte zur Art der bestehenden Beeinträchtigungen verweigert, kann von der Aussichtslosigkeit des bEM ausgegangen und von seiner Durchführung abgesehen werden. Das Unterlassen des bEM ist dann „kündigungsneutral“ (BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 24).

27

d) Da sie ein bEM pflichtwidrig unterlassen hat, trifft die Beklagte eine erhöhte Darlegungslast im Hinblick auf denkbare, gegenüber dem Ausspruch einer Beendigungskündigung mildere Mittel. Dieser ist sie bislang nicht nachgekommen.

28

aa) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. Das bEM ist auch nicht selbst ein milderes Mittel gegenüber der Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist aber kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert vielmehr den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, wie zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Nur wenn auch die Durchführung des bEM keine positiven Ergebnisse hätte zeitigen können, ist sein Fehlen unschädlich. Um darzutun, dass die Kündigung dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügt und ihm keine milderen Mittel zur Überwindung der krankheitsbedingten Störung des Arbeitsverhältnisses als die Beendigungskündigung offenstanden, muss der Arbeitgeber die objektive Nutzlosigkeit des bEM darlegen. Hierzu hat er umfassend und detailliert vorzutragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen wären und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten bzw. der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit entgegenzuwirken und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau von Fehlzeiten bzw. zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt (zum Ganzen BAG 20. November 2014 - 2 AZR 664/13 - Rn. 22 mwN; 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 40).

29

bb) Danach durfte das Landesarbeitsgericht nicht annehmen, die Beklagte habe allein durch den Hinweis darauf, dem Kläger sei eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt worden, ihrer Darlegungslast im Hinblick auf das Fehlen jeglicher leidensgerechter Beschäftigungsalternativen und damit auf die objektive Nutzlosigkeit eines bEM genügt.

30

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Auffassung angeführt, die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung setze voraus, dass der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts nicht einmal für drei Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Eine Beschäftigung des Klägers sei damit nicht nur in seiner früheren Tätigkeit als Busfahrer, sondern auch auf anderen Arbeitsplätzen ausgeschlossen gewesen. Die Durchführung eines bEM habe in dieser Situation kein positives Ergebnis bringen können.

31

(2) Dies hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

32

(a) Aus dem bisherigen Vorbringen der Beklagten in den Tatsacheninstanzen ergibt sich zum einen nicht, ob ihr nicht auch eine Beschäftigung des Klägers von bis zu drei Arbeitsstunden täglich, entweder als Busfahrer oder auch mit veränderten Arbeitsaufgaben zumutbar gewesen wäre. Eine entsprechende Änderungskündigung wäre als milderes Mittel vorrangig gewesen. Zwar hat sich der Kläger in den Tatsacheninstanzen nicht konkret auf eine solche Beschäftigungsalternative berufen. Infolge des Unterlassens eines bEM hätte die Beklagte aber zum Fehlen alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten von sich aus vortragen müssen. Ist ein eigentlich erforderliches bEM unterblieben, trägt der Arbeitgeber die primäre Darlegungslast für dessen Nutzlosigkeit. Er hat von sich aus alle denkbaren oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannten Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kommt (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19). Die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung besagt nur etwas über den zeitlichen Umfang der verbliebenen Leistungsfähigkeit des Versicherten unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Sie schließt weder eine bis zu dreistündige tägliche Tätigkeit noch eine längere tägliche Beschäftigung zu vom Regelfall abweichenden, günstigeren Arbeitsbedingungen aus. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung kann überdies auch dann bewilligt werden, wenn dem Versicherten eine Teilzeitarbeit von bis zu sechs Stunden täglich möglich, der übliche Arbeitsmarkt für eine solche aber verschlossen ist (sog. „Arbeitsmarktrente“ - vgl. nur Kreikebohm/v. Koch SGB VI 4. Aufl. § 43 Rn. 27; BeckOK SozR/Kreikebohm/Jassat SGB VI Stand 1. März 2015 § 43 Rn. 38; KassKomm/Gürtner Stand April 2015 § 43 SGB VI Rn. 31). Unter Berücksichtigung der nach § 96a SGB VI - auch bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung - in bestimmten Grenzen bestehenden Möglichkeit eines Hinzuverdienstes hat der Arbeitgeber selbst dann, wenn er dem Arbeitnehmer nur noch eine Tätigkeit in zeitlich geringem Umfang anbieten kann, keine Veranlassung anzunehmen, dem Arbeitnehmer sei eine solche Weiterbeschäftigung von vornherein unzumutbar. Im Übrigen muss es dem Arbeitnehmer überlassen bleiben zu entscheiden, ob er nicht auch dann die Chance auf eine leidensgerechte Weiterbeschäftigung ergreifen will, wenn ein Hinzuverdienst den Rentenanspruch zu Fall brächte.

33

(b) Der Einwand der Beklagten, die geforderte Darlegung sei ihr unmöglich, solange der Kläger nicht näher zu den Krankheitsursachen vortrage, berücksichtigt nicht, dass sie sich darauf beschränkt hat, auf die dem Kläger bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung zu verweisen. Der Rentenbezug schließt - wie gezeigt - eine Arbeitstätigkeit des Klägers nicht unter allen Umständen aus. Es hätte ihr deshalb oblegen vorzutragen, dass ihr eine anderweitige - leidensgerechte - Beschäftigung des Klägers, ggf. auch in Teilzeit oder auch nur im Umfang von bis zu drei Stunden täglich aus betrieblichen Gründen nicht möglich oder zumutbar gewesen sei. Erst daraufhin wäre es Sache des Klägers gewesen, unter Offenlegung der Art seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen näher darzulegen, weshalb dies unzutreffend und der Beklagten seine leidensgerechte Beschäftigung sehr wohl möglich und zumutbar gewesen sei.

34

(c) Die Beklagte hat zudem nur behauptet, es hätten keine anderen freien leidensgerechten Arbeitsplätze zur Verfügung gestanden. Dies genügt nicht, um darzulegen, dass ein bEM keine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit hätte aufzeigen können. Der Arbeitgeber ist gegenüber einem von einer krankheitsbedingten Kündigung bedrohten Arbeitnehmer verpflichtet, als mildere Maßnahme den Personaleinsatz umzuorganisieren, wenn er durch Ausübung seines Direktionsrechts einen leidensgerechten Arbeitsplatz freimachen kann (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Mit Hilfe eines bEM sollen mögliche mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gerade erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34). Die Verpflichtung zur Umsetzung oder Versetzung anderer Arbeitnehmer ist jedenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn dies für den Arbeitgeber und die Betroffenen im Einzelfall nicht von vornherein unzumutbar ist. Aus dem Sachvortrag der Beklagten geht bislang nicht hervor, welche - auch mit anderen Arbeitnehmern besetzten - Arbeitsplätze im Betrieb tatsächlich vorhanden waren und weshalb diese - auch nach ggf. zumutbaren Umorganisationsmaßnahmen - dem Kläger nicht zumindest in Teilzeit oder jedenfalls mit einer Arbeitszeit von bis zu drei Stunden täglich hätten angeboten werden können. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es vom Direktionsrecht der Beklagten gedeckt gewesen wäre, dem Kläger eine solche Tätigkeit auf einem leidensgerechten anderen Arbeitsplatz zuzuweisen. Die Beklagte hätte dem Kläger zur Vermeidung einer Beendigungskündigung eine nach zumutbarer Umorganisation bestehende Beschäftigungsmöglichkeit zu geänderten Arbeitsbedingungen notfalls im Wege der Änderungskündigung anbieten müssen (vgl. BAG 8. Mai 2014 - 2 AZR 1001/12 - Rn. 12; 9. September 2010 - 2 AZR 937/08 - Rn. 39; 5. Juni 2008 - 2 AZR 107/07 - Rn. 15).

35

II. Der Senat kann nicht selbst abschließend beurteilen, ob die Kündigung vom 27. Juli 2012 wirksam ist. Dazu bedarf es weiterer Feststellungen. Das angefochtene Urteil war daher aufzuheben und die Sache war an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 ZPO). Der Beklagten wird Gelegenheit zu geben sein, ihr Vorbringen zur Beeinträchtigung ihrer betrieblichen Interessen und zur objektiven Nutzlosigkeit eines bEM zu ergänzen. Hierauf hat der Kläger im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast ggf. zu erwidern. Die Beweislast für die die Kündigung bedingenden Tatsachen trägt nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Beklagte. Sollte sie sich zum Beweis entscheidungserheblicher Behauptungen auf ein medizinisches Sachverständigengutachten berufen, wird der Kläger ggf. mitzuwirken und den Gutachter und ggf. seine behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden haben.

        

    Berger    

        

    Niemann    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Brossardt    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

63

(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 10. Mai 2012 - 3 Sa 1134/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Entsorgungsunternehmen, das mit sog. Abbruchschrott aus Metall handelt. In ihrem Betrieb beschäftigt sie regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer, darunter sechs bis sieben Hofarbeiter und mehrere LKW-Fahrer sowie Verwaltungskräfte. Den Hofarbeitern obliegt es, angelieferten Schrott zu sortieren, zu reinigen und zu entsorgen. Dabei kommen verschiedene Fahrzeuge zum Einsatz wie Gabelstapler, Lader und Bagger mit einem Gewicht von bis zu 35 Tonnen und einer Ausgreifweite von bis zu 20 Metern.

3

Der 1956 geborene, verheiratete Kläger war seit März 1999 bei der Beklagten als Hofarbeiter tätig. Sein Bruttomonatsverdienst betrug zuletzt 2.666,00 Euro.

4

Im Jahr 2009 führte die Beklagte ein striktes Alkoholverbot ein, über das sie den Kläger - wie ihre anderen Mitarbeiter auch - schriftlich unterrichtete. Außerdem gab sie auf ihrem gesamten Firmengelände die Geltung der StVO vor. Von ihren Hofarbeitern verlangte sie fortan, im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis (ehemalige Führerscheinklasse „drei“) zu sein. Zugleich stellte sie ihre bis dahin geübte Praxis ein, Mitarbeitern in den Sozialräumen auch alkoholische Getränke zur Verfügung zu stellen. Im Herbst 2010 weitete sie ihr Betriebsgelände zu einem etwa 800 Meter vom Hauptgelände entfernten Containerplatz aus. Seither müssen Hofarbeiter bei der Verrichtung ihrer Tätigkeit zeitweise öffentlichen Straßenraum befahren.

5

Am 14. Januar 2010 wurde der Kläger stark alkoholisiert am Arbeitsplatz angetroffen und anschließend nach Hause geschickt. Wegen weiterer Vorkommnisse kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien im Januar und Februar 2010 jeweils aus Gründen im Verhalten des Klägers. Im nachfolgenden Kündigungsschutzprozess machte dieser geltend, er sei alkoholkrank. Die Beklagte nahm die Kündigungen zurück. Zugleich mahnte sie den Kläger wegen Verstoßes gegen das betriebliche Alkoholverbot ab. Der Kläger nahm das Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an. Im Mai 2010 begann er eine Entziehungskur, die er Anfang Juli 2010 abbrach.

6

In den Monaten Juli bis September 2010 führte die Beklagte beim Kläger mit dessen Einverständnis regelmäßig Tests auf Alkohol im Atem durch. Eine entsprechende Kontrolle vom 31. August 2010 ergab einen Wert von 1,81 Promille. Die Beklagte forderte den Kläger auf, das Betriebsgelände zu verlassen. Außerdem mahnte sie ihn wegen „alkoholisierten Erscheinens am Arbeitsplatz“ ab. Bei weiteren Tests vom 13., 15. und 20. September 2010 wurde beim Kläger eine Alkoholkonzentration von 0,6, 0,16 bzw. 0,52 Promille festgestellt. Am 7. Dezember 2010 verursachte er mit einem Firmenfahrzeug außerhalb des Betriebsgeländes einen Unfall. Es entstand Sachschaden. Am 12. Januar 2011 verweigerte er die Teilnahme an einem Alkoholtest. Die Umstände, die zu der Weigerung führten, sind zwischen den Parteien streitig.

7

Am 1. März 2011 kontrollierte die Beklagte ihre gewerblichen Arbeitnehmer auf den Besitz eines gültigen Führerscheins. Der Kläger legte eine in Tschechien ausgestellte Fahrerlaubnis vor. Mit Schreiben vom 7. März 2011 teilte sein behandelnder Arzt mit, nach Abbruch der stationären Therapie im Jahr 2010 seien beim Kläger keine weiteren Maßnahmen zur Alkoholentwöhnung durchgeführt worden. Mitte März 2011 forderte die Beklagte den Kläger auf, bis Ende des Monats verbindliche Unterlagen „bezüglich Art und Zeitraum einer Entziehungskur in nächster Zukunft“ sowie über die Gültigkeit seines „tschechischen Führerscheins“ vorzulegen. Der Kläger brachte keine Unterlagen über eine weitere Behandlung bei. Die zuständige Behörde teilte mit, dass die Fahrerlaubnis in Deutschland keine Gültigkeit habe.

8

Mit Schreiben vom 4. April 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. August 2011, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Vom 15. bis zum 26. April 2011 begab sich der Kläger für eine stationäre Behandlung ins Krankenhaus. Er wurde als „arbeitsfähig“ entlassen.

9

Gegen die Kündigung hat der Kläger fristgerecht die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei unwirksam. Er sei nicht alkoholabhängig. Erhebliche Betriebsablaufstörungen seien aufgrund seiner gelegentlichen Alkoholisierung nicht eingetreten. Die im Frühjahr 2010 begonnene Entziehungskur habe er abgebrochen, weil er mit dem bezogenen Krankengeld seinen Lebensunterhalt nicht habe bestreiten können. Der Verkehrsunfall vom Dezember 2010 sei auf einen Defekt an dem von ihm gesteuerten Ladefahrzeug zurückzuführen. Im Januar 2011 habe er einen Alkoholtest nicht endgültig verweigert; er habe lediglich darum gebeten, die Kontrolle in Abwesenheit der LKW-Fahrer durchzuführen, wozu die Beklagte nicht bereit gewesen sei. Jedenfalls sei es dieser zumutbar gewesen, ihn ausschließlich auf ihrem Betriebsgelände einzusetzen. Zur Erledigung der dort anfallenden Arbeiten sei eine Fahrerlaubnis nicht zwingend erforderlich. Außerdem habe die Möglichkeit bestanden, ihn als Platzwart oder Hofarbeiter auf dem neuen Containerplatz weiter zu beschäftigen.

10

Der Kläger hat beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 4. April 2011 nicht aufgelöst worden ist.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigung sei durch Gründe im Verhalten und in der Person des Klägers bedingt. Dieser habe mehrfach gegen das betriebliche Alkoholverbot verstoßen. Er sei im Kündigungszeitpunkt alkoholabhängig gewesen. Auch habe ihm der ernstliche Wille gefehlt, eine Therapie durchzuführen. Unter diesen Umständen sei ihr eine Weiterbeschäftigung des Klägers als Hofarbeiter aus Sicherheitsgründen nicht länger zuzumuten gewesen. Andere geeignete Arbeitsplätze hätten nicht zur Verfügung gestanden.

12

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen. Die Kündigung vom 4. April 2011 ist wirksam.

14

I. Die ordentliche Kündigung vom 4. April 2011 ist aufgrund der Alkoholerkrankung des Klägers durch Gründe in seiner Person bedingt und deshalb iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt.

15

1. Ist im Zeitpunkt der Kündigung die Prognose gerechtfertigt, der Arbeitnehmer biete aufgrund einer Alkoholsucht dauerhaft nicht die Gewähr, in der Lage zu sein, die vertraglich geschuldete Tätigkeit ordnungsgemäß zu erbringen, kann eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses gerechtfertigt sein. Voraussetzung ist, dass daraus eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen folgt, diese durch mildere Mittel - etwa eine Versetzung - nicht abgewendet werden kann und sie auch bei einer Abwägung gegen die Interessen des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden muss (BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 22; zu den Anforderungen an eine krankheitsbedingte Kündigung vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361). Für die Prognose im Hinblick auf die weitere Entwicklung einer Alkoholerkrankung kommt es entscheidend darauf an, ob der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Kündigung bereit ist, eine Entziehungskur bzw. Therapie durchzuführen. Lehnt er das ab, kann erfahrungsgemäß davon ausgegangen werden, dass er von seiner Alkoholabhängigkeit in absehbarer Zeit nicht geheilt wird (BAG 9. April 1987 - 2 AZR 210/86 - zu B III 3 der Gründe). Ebenso kann eine negative Prognose dann berechtigt sein, wenn der Arbeitnehmer nach abgeschlossener Therapie rückfällig geworden ist (BAG 16. September 1999 - 2 AZR 123/99 - zu II 2 b bb der Gründe).

16

2. Im Streitfall war im Zeitpunkt der Kündigung die Annahme gerechtfertigt, der Kläger biete aufgrund von Alkoholsucht nicht mehr die Gewähr, seine Tätigkeit als Hofarbeiter dauerhaft ordnungsgemäß erbringen zu können.

17

a) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, der Kläger sei nach der Einnahme von Alkohol für die von ihm zu erbringende Tätigkeit als Hofarbeiter nicht einsetzbar. Er ist im Rahmen seiner Tätigkeit verantwortlich für das Führen verschiedener großer Fahrzeuge. Die mit dem Alkoholkonsum einhergehenden Minderungen der Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit führen zu erheblichen Gefahren für Menschen und Material auf dem Hofgelände, denen die Beklagte als Betriebsinhaberin so weit wie möglich begegnen muss.

18

b) Die Beklagte musste aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit auch künftig mit Alkoholauffälligkeiten des Klägers während der Arbeitszeit rechnen.

19

aa) Nach den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lag beim Kläger im Kündigungszeitpunkt eine Alkoholerkrankung vor. Daran ist der Senat gebunden (§ 559 Abs. 2 ZPO). Der Kläger behauptet zwar weiterhin das Gegenteil. Das reicht als Revisionsangriff aber nicht aus (zu den Anforderungen an eine zulässige Verfahrensrüge vgl. BAG 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145).

20

bb) Der Kläger war seit Anfang des Jahres 2010 mehrfach alkoholisiert an seinem Arbeitsplatz angetroffen worden. Nach einer stationären Entwöhnungsbehandlung, die er aus wirtschaftlichen Erwägungen abbrach, wurde er wiederholt alkoholauffällig. Daraus durfte das Landesarbeitsgericht auf die Wiederholung entsprechender Ausfälle in der Zukunft schließen. Der Kläger hat im Rahmen der ihn nach § 138 Abs. 2 ZPO treffenden abgestuften Darlegungslast(vgl. dazu BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96) keine Umstände aufgezeigt, die geeignet gewesen wären, die Indizwirkung seiner alkoholbedingten Ausfälle zu entkräften.

21

(1) Der Kläger hat nicht behauptet, vor dem Ausspruch der Kündigung eine neuerliche Alkoholtherapie begonnen zu haben. Die Beklagte durfte den Umständen nach von einer Therapieunwilligkeit ausgehen. Sie hatte ihn mit Schreiben vom 16. März 2011 aufgefordert, einen Nachweis über eine Entziehungskur beizubringen. Dies konnte der Kläger angesichts der zuvor erteilten Auskunft seines behandelnden Arztes nur so verstehen, dass es ihr um die zukünftige Teilnahme an einer Kur und damit die Abklärung seiner ernsthaften Bereitschaft ging, eine Entwöhnungsbehandlung durchzuführen. Der Kläger hat das Schreiben im fraglichen Punkt unbeantwortet gelassen. Soweit er geltend gemacht hat, er habe sich noch im März 2011 um eine „weitere ärztliche Behandlung bemüht“, war seinem Vorbringen nicht zu entnehmen, dass er eine Alkoholtherapie anstrebte. Im ärztlichen Bericht vom 26. April 2011 heißt es zu einer nach Zugang der Kündigung erfolgten Krankenhausbehandlung nur, der Kläger sei „arbeitsfähig“ entlassen worden. Zur Art der Behandlung, insbesondere ob es sich dabei um - erfolgreiche - Maßnahmen zur Alkoholentwöhnung handelte, verhält sich der Bericht nicht. Darauf, ob eine vom Kläger erst nach Zugang der Kündigung begonnene Alkoholtherapie im Rahmen der anzustellenden Zukunftsprognose überhaupt hätte Berücksichtigung finden können (zur Problematik vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96), kommt es nicht an.

22

(2) Auch wenn eine Vielzahl beim Kläger durchgeführter Alkoholtests unauffällig gewesen sein mögen, führt dies nicht daran vorbei, dass in drei Fällen Werte von über 0,5 „Promille“ erreicht wurden, wobei mangels gegenteiliger Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zugunsten des Klägers davon auszugehen ist, dass der jeweilige Wert - aufgrund einer vom Messgerät intern durchgeführten Umrechnung - die Blutalkoholkonzentration widerspiegelt, die andernfalls noch höher ausfiele (zum Umrechnungsfaktor vgl. BGH 3. April 2001 - 4 StR 507/00 - zu IV b der Gründe, BGHSt 46, 358). Unter diesen Umständen war nicht davon auszugehen, der Kläger habe seine Alkoholerkrankung „im Griff“ gehabt und die Fähigkeit zur Abstinenz besessen. Mit seinem Einwand, es habe sich jeweils um „Restalkohol“ aufgrund des Genusses alkoholischer Getränke am Vorabend gehandelt, verkennt der Kläger, dass es für die Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit unerheblich ist, wann er Alkohol zu sich genommen hat. Es spricht überdies nicht für, sondern gegen die Annahme, er könne seine Alkoholsucht „beherrschen“, wenn es sich etwa bei der am 20. September 2010 gegen 12:50 Uhr gemessenen Alkoholkonzentration von 0,52 Promille um „Restalkohol“ gehandelt haben sollte. Dies deutete - das Vorbringen als wahr unterstellt - auf eine sehr starke Alkoholisierung am Vortag hin.

23

3. Die Alkoholerkrankung und die damit verbundene mangelnde Einsatzfähigkeit des Klägers führten zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen.

24

a) Der Kläger erbringt seine Arbeitsleistungen in einem Umfeld, das von An- und Abtransporten sowie Umladungen von Metallabfällen mittels schwerer Gerätschaften wie Bagger, Gabelstapler, Lader, betriebseigener und betriebsfremder LKW geprägt ist. Seine vertraglich geschuldete Tätigkeit ist deshalb - unstreitig - sowohl mit einer nicht unerheblichen Gefahr für sich selbst als auch für Dritte verbunden.

25

b) Aufgrund dieser Gefahren war es der Beklagten nicht zuzumuten, den Kläger auf seinem bisherigen Arbeitsplatz einzusetzen. Nach § 7 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift „Grundsätze der Prävention“ (BGV A1 idF vom 1. Januar 2004) dürfen Unternehmer Versicherte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, mit dieser Arbeit nicht beschäftigen. Gemäß § 15 Abs. 2 der Vorschrift dürfen Versicherte sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Eine solche Eigen- oder Fremdgefährdung ist nach der BG-Regel A1 zu § 15 Abs. 2(vom Oktober 2005 idF vom Januar 2009) insbesondere beim Führen von Fahrzeugen oder selbstfahrenden Arbeitsmaschinen sowie beim Arbeiten in deren unmittelbarer Nähe gegeben. Eine Missachtung dieser Vorgaben kann zum Verlust des Versicherungsschutzes in der gesetzlichen Unfallversicherung führen. Für den Straßenverkehr sieht der Gesetzgeber ab einem Wert von 0,25 mg/l Alkohol in der Atemluft und 0,5 Promille Alkohol im Blut eine erhebliche Gefährdung für den Straßenverkehr (§ 24a StVG). Relative Fahruntüchtigkeit kann schon ab ca. 0,3 Promille Alkohol im Blut anzunehmen sein (grundlegend BGH 28. April 1961 - 4 StR 55/61 - zu I 2 der Gründe; zuletzt bspw. OLG Hamm 25. August 2010 - I-20 U 74/10, 20 U 7420 U 74/10 - Rn. 22). Das im Betrieb der Beklagten angeordnete absolute Alkoholverbot trägt diesen Gefahren Rechnung. Es dient - wie die Anordnung der Geltung der StVO auf dem Betriebsgelände - ersichtlich dazu, entsprechende Risiken vorbeugend auszuschließen und damit letztlich Schaden von der Beklagten selbst, ihren Mitarbeitern sowie betriebsfremden Personen und deren Eigentum abzuwenden. Angesichts der Alkoholerkrankung des Klägers und seiner nachweislich - auch krankheitsbedingt - mangelnden Fähigkeit, abstinent zu bleiben, konnte und durfte die Beklagte nicht darauf vertrauen, er werde seine Arbeit als Hofarbeiter nüchtern, zumindest aber in einem körperlichen Zustand verrichten, der den Präventionsvorgaben gerecht wird.

26

c) Bereits dies führt - vorbehaltlich einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG(vgl. BAG 13. Dezember 1990 - 2 AZR 336/90 - zu II 3 der Gründe), ohne dass es noch darauf ankäme, ob der Alkoholgenuss des Klägers zu Unfällen beigetragen hat, in die er während seiner Tätigkeit für die Beklagte verwickelt war. Ebenso wenig ist von Belang, ob und ggf. wie oft dieser in der Vergangenheit objektiv durch seine Alkoholisierung am Arbeitsplatz gesetzliche Vorgaben verletzt hat oder ggf. unerkannt arbeitsunfähig war. Entscheidend ist, dass die Beklagte aufgrund der im Kündigungszeitpunkt fortbestehenden Alkoholerkrankung jederzeit mit einer Beeinträchtigung der Fahr- und Arbeitssicherheit durch den Kläger rechnen musste. Sein weiterer Einsatz als Hofarbeiter war ihr damit nicht zumutbar.

27

d) Dass sie ihn nach Abbruch der Entziehungskur gleichwohl mit entsprechenden Aufgaben betraut hat, stellt diese Bewertung nicht in Frage. Dies geschah über längere Zeit hinweg unter der Prämisse einer Einwilligung in die Durchführung regelmäßiger Alkoholtests. Jedenfalls nachdem der Kläger ihre Anfrage vom März 2011 hinsichtlich einer weiteren Alkoholtherapie unbeantwortet gelassen hatte, konnte der Beklagten nicht mehr angesonnen werden, den Kläger weiterhin mit seinen bisherigen Aufgaben zu betrauen und ihn dabei täglich - ggf. sogar wiederholt - auf seine Alkoholabstinenz hin zu kontrollieren (vgl. BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 34). Zudem war der Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ab Ende 2010 nicht mehr bereit, an regelmäßigen Tests vorbehaltslos mitzuwirken. Auch daran ist der Senat mangels zulässigen Angriffs der Revision gebunden.

28

e) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, im Kündigungszeitpunkt habe keine zumutbare Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung des Klägers bestanden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

29

aa) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist entsprechend dem das ganze Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist (BAG 10. Juni 2010 - 2 AZR 1020/08 - Rn. 18; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 14; jeweils mwN). Die Möglichkeit der anderweitigen Beschäftigung ist ein milderes Mittel. Wenn eine Umsetzungsmöglichkeit besteht, hat eine Erkrankung des Arbeitnehmers keine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen zur Folge (vgl. BAG 24. November 2005 - 2 AZR 514/04 - zu B IV 1 der Gründe).

30

bb) Der Kläger hat sich insoweit auf eine Beschäftigung als Hofarbeiter ohne Verpflichtung zum Führen eines Kraftfahrzeugs und als Platzwart berufen. Damit hat er keine geeignete alternative Beschäftigungsmöglichkeit aufgezeigt. Die Beklagte hält die von ihm bezeichneten „Arbeitsplätze“ nicht vor. Zudem ist weder dargetan noch objektiv erkennbar, dass die Ausübung der fraglichen Tätigkeiten vergleichbare Sicherheitsrisiken nicht auch mit sich brächte. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei im Falle einer alkoholbedingten Einschränkung seiner Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit nicht in der Lage, auf Gefahrensituationen angemessen zu reagieren und/oder Dritte ggf. rechtzeitig zu warnen. Der Kläger stellt dies nicht in Abrede. Er meint lediglich, die im Berufungsurteil getroffene Wertung lasse außer Acht, dass solche Gefahren auch bei anderen chronischen Erkrankungen nicht hinreichend sicher auszuschließen seien. Dabei übersieht er zum einen, dass Suchterkrankten - im Gegensatz zu anderen chronisch kranken Menschen - typischerweise die Fähigkeit fehlt einzuschätzen, ob sie wegen des Konsums von Suchtmitteln in ihrer Wahrnehmungs- und Reaktionsfähigkeit eingeschränkt sind. Zum anderen ist es eine Frage des Einzelfalls, ob ein Arbeitnehmer wegen chronischer Erkrankung und damit verbundener Sicherheitsrisiken bestimmte Arbeiten nicht mehr erledigen kann. Ein solcher Befund kann sich nicht nur beim Alkoholismus ergeben.

31

cc) Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die Beklagte vor der Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement iSv. § 84 Abs. 2 SGB IX(bEM) durchgeführt hat. Das Versäumnis ist nicht entscheidungserheblich.

32

(1) Zugunsten des Klägers kann davon ausgegangen werden, dass bei Alkoholismus ein bEM grundsätzlich in Betracht kommt und seine Durchführung sich nicht wegen des Krankheitsbildes generell als überflüssig darstellt (zur Problematik vgl. Brose DB 2013, 1727, 1728). Gleichwohl erscheint fraglich, ob die gesetzlichen Voraussetzungen des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX im Streitfall vorliegen. Zwar war ein bEM nicht deshalb entbehrlich, weil bei der Beklagten keine betriebliche Interessenvertretung iSd. § 93 SGB IX bestand(vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 28, BAGE 135, 361). Es ist aber weder festgestellt noch vom Kläger behauptet, dass er vor der Kündigung innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt wegen seiner Alkoholerkrankung arbeitsunfähig war. Seine Beschäftigung mag der Beklagten unzumutbar gewesen sein. Dies steht einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit aber nicht ohne Weiteres gleich (ähnlich BAG 20. Dezember 2012 - 2 AZR 32/11 - Rn. 31). Soweit der Kläger im Frühjahr 2010 Krankengeld bezogen hat, bleibt unklar, für welche Dauer er die Sozialleistung erhielt.

33

(2) Abgesehen davon führte das Unterlassen eines bEM nicht zu der Annahme, die Kündigung sei unverhältnismäßig. Dies vermag der Senat selbst zu entscheiden.

34

(a) § 84 Abs. 2 SGB IX stellt eine Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Das bEM ist zwar kein milderes Mittel gegenüber einer Kündigung. Mit seiner Hilfe können aber solche milderen Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. durch Umsetzungen „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 18; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 41, BAGE 123, 234). Möglich ist, dass selbst ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall kann dem Arbeitgeber aus dem Unterlassen eines bEM kein Nachteil entstehen. Erscheint demgegenüber ein positives Ergebnis denkbar, darf er sich nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die der erkrankte Arbeitnehmer trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Der Arbeitgeber hat vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer ggf. außergerichtlich genannte Alternativen zu würdigen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kommen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 19).

35

(b) Im Streitfall erscheint es als ausgeschlossen, dass ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beschäftigte die Beklagte im Kündigungszeitpunkt außer Hofarbeitern nur LKW-Fahrer und Verwaltungskräfte. Als LKW-Fahrer konnte der Kläger wegen seiner Alkoholabhängigkeit und auch deshalb nicht eingesetzt werden, weil ihm die dafür notwendige Fahrerlaubnis fehlte. Auch ein Einsatz im Bürobereich war der Beklagten angesichts der Alkoholabhängigkeit nicht zumutbar. Unabhängig davon fehlte dem Kläger hierfür offensichtlich die Qualifikation. Soweit er bis zum Ablauf der Kündigungsfrist gelegentlich und unter Berücksichtigung seiner Einschränkungen mit einfachen Hilfsarbeiten beschäftigt worden war, kann daraus nicht auf eine alternative Einsatzmöglichkeit iSd. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG geschlossen werden. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass sie die fraglichen Tätigkeiten nach Ablauf der Kündigungsfrist - wie bereits zuvor - fremdvergeben habe. Allenfalls dann, wenn ihre Hofarbeiter nicht mit anderen Aufgaben ausgelastet gewesen seien, hätten diese - gelegentlich - die Arbeiten mit übernommen. Dieser Behauptung ist der Kläger nicht entgegengetreten. Im Übrigen stand der erfolgreichen Durchführung eines bEM die mangelnde Therapiewilligkeit des Klägers im Kündigungszeitpunkt entgegen.

36

4. Die Abwägung der Belange beider Parteien ergibt, dass das Beendigungsinteresse der Beklagten das Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses überwiegt. Das Landesarbeitsgericht hat alle für und gegen dieses Ergebnis sprechenden Aspekte berücksichtigt und vertretbar gegeneinander abgewogen.

37

a) Der Beklagten war es auf Dauer nicht mehr zumutbar, die mit einer möglichen Alkoholisierung des Klägers verbundenen Gefährdungen hinzunehmen. Geeignete Mittel, ihnen angemessen zu begegnen, standen nicht zur Verfügung. Unabhängig von der fehlenden Einwilligung des Klägers in regelmäßige Alkoholtests versprachen derartige Kontrollen nicht die erforderliche Sicherheit. Der Kläger war Alkoholiker. Es war davon auszugehen, dass er es darauf anlegen würde, Mittel und Wege zu finden, etwaige Kontrollen zu umgehen.

38

b) Diese Belange der Beklagten werden durch die zwölfjährige Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers, sein Alter und die gegenüber seiner Ehefrau bestehende Unterhaltsverpflichtung nicht aufgewogen. Die Beklagte hat dem Kläger nach Alkoholauffälligkeiten die Chance einer Bewährung gegeben. Sie hat die stationäre Behandlung abgewartet. Deren Scheitern war ihr nicht anzulasten. Überdies hat sie dem Kläger nach einer erneuten Alkoholauffälligkeit im August 2010 durch eine Abmahnung deutlich vor Augen geführt, welche Bedeutung sie seiner Abstinenz zumisst, und ihm unmittelbar vor der Kündigung eine Frist gesetzt, um weitere - kurzfristig anzugehende - Behandlungsmaßnahmen nachzuweisen. Sie hatte damit alles ihr Zumutbare für den Erhalt des Arbeitsverhältnisses getan. Ihr Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses musste nicht deshalb zurücktreten, weil sie zu früheren Zeiten im Betrieb alkoholische Getränke bereitgestellt hatte. Der Kläger hat nicht etwa behauptet, die Beklagte habe ihn trotz Kenntnis von seiner Alkoholabhängigkeit zum Genuss alkoholischer Getränke verleitet.

39

c) Unschädlich ist, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis erst gekündigt hat, nachdem sich herausgestellt hatte, die dem Kläger erteilte „tschechische Fahrerlaubnis“ im Inland keine Gültigkeit besaß. Ihr war es trotz dieses Zuwartens nicht verwehrt, sich auf die Alkoholerkrankung des Klägers als eigenständigen Kündigungsgrund zu berufen. Überdies war dessen Verhalten im Zusammenhang mit dem Führerschein ein weiterer Beleg für das Fehlen seiner Bereitschaft, mit bestehenden Unzulänglichkeiten verantwortlich umzugehen. Ob umgekehrt die Kündigung allein wegen der Tatsache gerechtfertigt wäre, dass der Kläger nicht über eine für Deutschland gültige Fahrerlaubnis verfügte, bedarf keiner Entscheidung.

40

II. Das Landesarbeitsgericht hat - unausgesprochen - angenommen, die Kündigung sei nicht deshalb unwirksam, weil die maßgebende Kündigungsfrist nicht eingehalten worden sei. Dagegen wendet sich der Kläger nicht. Er geht - in Übereinstimmung mit der Beklagten - davon aus, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung vom 4. April 2011, sollte diese sich als sozial gerechtfertigt erweisen, mit Ablauf des 30. September 2011 aufgelöst worden und die Kündigungserklärung sei entsprechend auszulegen. Ein Rechtsfehler ist insoweit auch objektiv nicht zu erkennen.

41

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Berger    

        

    Rachor    

        

    Rinck    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Wolf    

                 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. Juni 2013 - 21 Sa 1456/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten - noch - über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte entwickelt und vertreibt Hygieneartikel. Der 1964 geborene Kläger ist bei ihr seit Juni 1991 als Maschinenführer tätig. Zuletzt war er - als einer von etwa 220 Arbeitnehmern - im Betrieb E im Dreischichtmodell beschäftigt. Sein monatlicher Bruttoverdienst belief sich auf ca. 2.700,00 Euro.

3

Der Kläger war seit Beginn des Arbeitsverhältnisses wegen unterschiedlicher Erkrankungen wiederholt arbeitsunfähig. Im Jahr 2006 war er ab dem 27. Juli an wenigstens 59 Tagen wegen einer Handverletzung nicht arbeitsfähig. Im Jahr 2007 fehlte er wegen einer anderen Handverletzung 105 und aufgrund einer Kontaktallergie weitere 30 Tage. Im Jahr 2008 war er an 69 Tagen, im Jahr 2009 an 74 Tagen, im Jahr 2010 an 62 Tagen und im Jahr 2011 an 125 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Zwei Fehltage im Jahr 2008 und 21 Fehltage im Jahr 2009 waren auf Arbeitsunfälle zurückzuführen. Von den Krankheitstagen im Jahr 2011 entfielen 117 Tage auf ein Hüftleiden. Wegen dieser Erkrankung unterzog sich der Kläger am 28. März 2011 einer Operation.

4

Die Fehlzeiten verteilten sich auf unterschiedlich lange Zeiträume, jeweils unterbrochen durch Tage der Arbeitsfähigkeit.

5

Im Jahr 2004 stellte sich der Kläger auf Ersuchen der Beklagten beim arbeitsmedizinischen Dienst vor. Es folgten weitere Begutachtungen Ende 2009/Anfang 2010 und im September 2011. In den betriebsärztlichen Stellungnahmen hieß es jeweils, gegen eine Beschäftigung des Klägers bestünden keine gesundheitlichen Bedenken. Im Schreiben vom 2. Februar 2010 wurde außerdem berichtet, es hätten sich keine Hinweise darauf ergeben, dass die gehäuften krankheitsbedingten Fehlzeiten in der Vergangenheit im Zusammenhang mit dem Arbeitsplatz stehen könnten. Im September 2010 teilte die Berufsgenossenschaft der Beklagten mit, sie habe dem Kläger einseitig beschichtete Strickhandschuhe zur Verfügung gestellt, bei deren Verwendung sich arbeitsbedingte Kontaktallergien vermeiden ließen.

6

Mit Schreiben vom 29. November 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 30. Juni 2012.

7

Dagegen hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat geltend gemacht, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Die seit dem Jahr 2008 aufgetretenen Fehlzeiten seien - soweit nicht auf Arbeitsunfällen und den Hüftbeschwerden beruhend - im Wesentlichen auf eine Kontaktallergie, einen Fersensporn, Erkältungskrankheiten, in geringem Umfang auf eine Herz-/Kreislauferkrankung sowie zwei in der Freizeit erlittene Unfälle zurückzuführen. Die Fehlzeiten indizierten keine negative Zukunftsprognose. Mit dem Auftreten der Allergie sei nach den Maßnahmen der Berufsgenossenschaft und beim Tragen der empfohlenen Schutzhandschuhe nicht mehr zu rechnen. Sein Hüftleiden sei zwischenzeitlich ausgeheilt. Der Fersensporn sei gleichfalls erfolgreich therapiert. Seine Erkältungskrankheiten seien durch Zugluft am Arbeitsplatz ausgelöst oder begünstigt worden. Jedenfalls sei die Kündigung unverhältnismäßig. Die Beklagte habe ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) nicht durchgeführt. Sie könne sich deshalb nicht darauf berufen, alternative Möglichkeiten zur Vermeidung oder doch erheblichen Verringerung künftiger Fehlzeiten hätten nicht bestanden. Das sei auch objektiv falsch. Neben Veränderungen am Arbeitsplatz, dessen bisheriger Zuschnitt ein kontinuierliches Treppensteigen erfordere, habe ein geeignetes „Gesundheitsmanagement“ zur Stabilisierung seines Abwehr- und Immunsystems beitragen können. Dies belege eine zwischenzeitlich durchgeführte Reha-Maßnahme, in deren Folge sich sein Gesundheitszustand deutlich gebessert habe. Unabhängig davon sei der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß zur Kündigung angehört worden.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

für den Fall des Obsiegens mit dem Kündigungsschutzantrag die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu den bisherigen Arbeitsbedingungen als Maschinenführer weiterzubeschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei durch Gründe in der Person des Klägers bedingt. Dieser sei bis einschließlich des 25. November 2011 an insgesamt 1061 Tagen wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen. Davon habe sie für 803 Tage Entgeltfortzahlung geleistet. Die erheblichen Fehlzeiten sprächen für eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit des Klägers und begründeten eine negative Gesundheitsprognose. Dies wiederum beeinträchtige ihre betrieblichen Interessen erheblich. Sie habe damit rechnen müssen, an den Kläger weiterhin Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle für die Dauer von mehr als sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Ihre Verpflichtung zur Durchführung eines bEM habe sie mit den in Auftrag gegebenen arbeitsmedizinischen Untersuchungen erfüllt. Jedenfalls stehe aufgrund der betriebsärztlichen Stellungnahmen fest, dass die Krankheitsanfälligkeit des Klägers nicht durch organisatorische Änderungen habe überwunden werden können. Die Kündigung sei damit selbst dann verhältnismäßig, wenn es an einem regelkonformen bEM fehlen sollte. Auf die allgemeine Gesundheitsprävention im Rahmen außerbetrieblicher Maßnahmen sei der gesetzlich vorgegebene Klärungsprozess nicht angelegt.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage im noch rechtshängigen Umfang stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet.

12

A. Die Revision ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Urteils zugelassen. Daran ist der Senat gemäß § 72 Abs. 3 ArbGG gebunden(vgl. BAG 16. April 1997 - 4 AZR 653/95 - zu I der Gründe). Eine Überprüfung der Zulassungsentscheidung - wie sie der Kläger offenbar anstrebt - findet nicht statt.

13

B. Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist durch die Kündigung vom 29. November 2011 nicht aufgelöst worden (I.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (II.).

14

I. Die Kündigung ist sozial ungerechtfertigt und damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Sie ist nicht durch Gründe in der Person des Klägers bedingt (§ 1 Abs. 2 KSchG). Sie erweist sich - ungeachtet der erheblichen Fehlzeiten - als unverhältnismäßig.

15

1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend von den Grundsätzen ausgegangen, die der Senat zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen entwickelt hat (vgl. aus jüngerer Zeit BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335). Auch wenn sich einzelne Krankheitsphasen über mehrere Monate erstreckten, liegt angesichts der Vielzahl der in Rede stehenden Krankheitsbilder und des häufigen Wechsels von Krankheits- und Arbeitsphasen nicht der Tatbestand einer lang anhaltenden Erkrankung vor.

16

2. Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen - erste Stufe. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen (bspw. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 15). Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung - dritte Stufe - ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber gleichwohl hingenommen werden müssen (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - aaO; 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 15, BAGE 121, 335).

17

3. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt (BAG 1. März 2007 - 2 AZR 217/06 - Rn. 17, BAGE 121, 335; 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 20). Der Arbeitgeber darf sich deshalb auf der ersten Prüfungsstufe zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24; 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 92, 96). Alsdann ist es Sache des Arbeitnehmers, gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb im Kündigungszeitpunkt mit einer baldigen Genesung zu rechnen war. Er genügt dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann, wenn er vorträgt, die behandelnden Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er diese von ihrer Schweigepflicht entbindet. Je nach Erheblichkeit des Vortrags ist es dann Sache des Arbeitgebers, den Beweis für die Berechtigung einer negativen Gesundheitsprognose zu führen (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO mwN).

18

4. Entgegen der Auffassung des Klägers erweist sich danach die Kündigung nicht bereits im ersten Prüfungsschritt als unwirksam. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die bisherigen Fehlzeiten hätten im Kündigungszeitpunkt eine negative Gesundheitsprognose indiziert und der Kläger habe diese Indizwirkung nicht entkräftet, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

19

a) Die Beklagte hat die Krankheitszeiten des Klägers nach Zahl, Dauer und zeitlicher Folge im Einzelnen vorgetragen. Danach war der Kläger auch ohne die durch Arbeitsunfälle bedingten Ausfallzeiten seit Mitte des Jahres 2007 in erheblichem Umfang wegen Krankheit arbeitsunfähig. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts stiegen seine Fehlzeiten kontinuierlich an (vgl. zu diesem Kriterium BAG 23. Januar 2014 - 2 AZR 582/13 - Rn. 32 mwN). Lediglich im Jahr 2010 gingen sie gegenüber dem Vorjahr leicht zurück, verblieben aber auf hohem Niveau. Unschädlich ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht starr auf den Zeitraum der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung abgestellt hat. Es konnte auch davor liegende Zeitspannen einbeziehen (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 24).

20

b) Einer negativen Prognose steht nicht entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten - den Angaben des Klägers zufolge - auf unterschiedlichen Erkrankungen beruhten. Selbst wenn die Krankheitsursachen verschieden sind, können sie doch auf eine allgemeine Krankheitsanfälligkeit hindeuten, die prognostisch andauert (BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - Rn. 26). Das gilt auch dann, wenn einzelne Erkrankungen - etwa Erkältungen - ausgeheilt sind. Der Wegfall einzelner Erkrankungen stellt die generelle Anfälligkeit nicht infrage. Anders verhält es sich mit Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen. Sie lassen eine Prognose für die zukünftige Entwicklung ebenso wenig zu wie Erkrankungen, gegen die erfolgreich besondere Therapiemaßnahmen (zB eine Operation) ergriffen wurden (vgl. BAG 10. November 2005 - 2 AZR 44/05 - aaO).

21

c) Danach hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, das künftige Auftreten von Krankheitszeiten im bisherigen Umfang sei aufgrund einer besonderen Krankheitsanfälligkeit indiziert. Zwar hat sich der Kläger bezüglich einzelner Erkrankungen darauf berufen, er habe besondere Therapiemaßnahmen durchgeführt. Seiner Schlussfolgerung, aufgrund dessen sei zumindest mit einer deutlichen Verringerung der Fehlzeiten zu rechnen gewesen, widerspricht aber der Umstand, dass er im Anschluss an die im März 2011 durchgeführte Operation noch bis Juli 2011 und erneut in der Zeit vom 8. bis 28. August 2011 wegen seines Hüftleidens krankgeschrieben war. Eine Rehabilitationsmaßnahme hat er erst nach Zugang der Kündigung begonnen und durchgeführt. Sie hat deshalb keinen Einfluss auf die Indizwirkung der vor dem Kündigungszeitpunkt aufgetretenen Fehlzeiten (vgl. BAG 21. Februar 2001 - 2 AZR 558/99 - Rn. 20 mwN). Gleiches gilt für mögliche - nach der Kündigung ergriffene - Maßnahmen zur Verbesserung der Immunabwehr. Damit verblieb es vor der Kündigung bei umfangreichen, eine negative Prognose stützenden Arbeitsunfähigkeitszeiten.

22

d) Der Kläger hat die Indizwirkung der Fehlzeiten nicht dadurch erschüttert, dass er sich auf das Zeugnis seiner ihn behandelnden Ärzte berufen und diese von der Schweigepflicht entbunden hat. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht darin nicht die Behauptung erblickt, die Ärzte hätten seine gesundheitliche Entwicklung bezüglich sämtlicher prognosetragender Erkrankungen im Kündigungszeitpunkt positiv beurteilt (zu dieser Anforderung vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b aa der Gründe, BAGE 92, 96; 6. September 1989 - 2 AZR 19/89 - zu B I 1 b der Gründe). Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang einen richterlichen Hinweis vermisst, ist seine Gegenrüge unzulässig, zumindest unbegründet.

23

5. Zugunsten der Beklagten kann unterstellt werden, dass sie - bei unveränderter Sachlage - damit zu rechnen hatte, an den Kläger auch zukünftig Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für mindestens sechs Wochen jährlich leisten zu müssen. Die Kündigung ist dennoch sozial ungerechtfertigt. Sie ist nicht „ultima ratio“ und deshalb unverhältnismäßig. Die Beklagte hat das gesetzlich vorgesehene bEM unterlassen, ohne dass sie dargelegt hätte, es habe im Kündigungszeitpunkt kein milderes Mittel als die Kündigung gegeben, um der in der Besorgnis weiterer Fehlzeiten bestehenden Vertragsstörung entgegenzuwirken.

24

a) Eine aus Gründen in der Person des Arbeitnehmers ausgesprochene Kündigung ist unverhältnismäßig und damit rechtsunwirksam, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung nicht geeignet oder nicht erforderlich ist. Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht „bedingt“, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt (vgl. BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel können insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz sein (vgl. BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Darüber hinaus kann sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, dem Arbeitnehmer vor einer Kündigung die Chance zu bieten, ggf. spezifische Behandlungsmaßnahmen zu ergreifen, um dadurch die Wahrscheinlichkeit künftiger Fehlzeiten auszuschließen (vgl. BAG 17. Juni 1999 - 2 AZR 639/98 - zu II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 96; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 286; vHHL/Krause KSchG 15. Aufl. § 1 Rn. 324; jeweils mwN).

25

b) Der Arbeitgeber, der für die Verhältnismäßigkeit der Kündigung nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG die Darlegungs- und Beweislast trägt, kann sich - besteht keine Verpflichtung zur Durchführung eines bEM - zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14, BAGE 135, 361; 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 16). Dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf seinerseits zu erwidern und ggf. darzulegen, warum eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - aaO mwN). Entsprechend abgestuft ist die Darlegungslast des Arbeitgebers, wenn sich der Arbeitnehmer darauf beruft, die Kündigung sei deshalb unverhältnismäßig, weil eine dem Arbeitgeber bekannte, ihm gleichwohl nicht geboten erscheinende Therapiemöglichkeit bestanden habe.

26

c) Die Kündigung erweist sich nicht schon nach diesen allgemeinen Grundsätzen als unwirksam. Der Kläger hat geltend gemacht, sein bisheriger Arbeitsplatz erfordere regelmäßiges Treppensteigen und sei ferner deshalb nicht leidensgerecht, weil an ihm Zugluft herrsche. An Ausführungen dazu, welche organisatorischen Änderungen oder welcher andere Arbeitsbereich - aus seiner Sicht - eine Beschäftigung ohne gesundheitliche Probleme möglich gemacht hätten, fehlt es. Ebenso wenig ist seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er sich bereits vor Zugang der Kündigung um eine Rehabilitationsmaßnahme und ein besseres Gesundheitsmanagement bemüht und die Beklagte Anhaltspunkte für die Annahme gehabt hätte, entsprechende Maßnahmen könnten erfolgversprechend sein.

27

d) Im Streitfall traf die Beklagte indes eine erweiterte Darlegungs- und Beweislast. Sie hatte es versäumt, ein bEM durchzuführen. Ihrer Obliegenheit detailliert darzulegen, dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Kündigung durch angemessene mildere Maßnahmen zu vermeiden, ist sie nicht nachgekommen.

28

aa) Die Beklagte war gemäß § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, ein bEM vorzunehmen. Der Kläger war in jedem der letzten drei Jahre vor Zugang der Kündigung länger als sechs Wochen wegen Krankheit arbeitsunfähig. Dafür kommt es auf die Gesamtheit der Fehltage und nicht darauf an, ob einzelne durchgehende Krankheitsperioden den Zeitraum von sechs Wochen überschritten (vgl. BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 19). Die Durchführung eines bEM setzt nicht voraus, dass bei dem betroffenen Arbeitnehmer eine Behinderung vorliegt (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 27, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 35, BAGE 123, 234).

29

bb) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein regelkonformes bEM habe nicht stattgefunden, ist berechtigt.

30

(1) Die Durchführung eines bEM ist auf verschiedene Weisen möglich. § 84 Abs. 2 SGB IX schreibt weder konkrete Maßnahmen noch ein bestimmtes Verfahren vor. Das bEM ist ein rechtlich regulierter verlaufs- und ergebnisoffener „Suchprozess“, der individuell angepasste Lösungen zur Vermeidung zukünftiger Arbeitsunfähigkeit ermitteln soll (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20). Allerdings lassen sich aus dem Gesetz gewisse Mindeststandards ableiten. Zu diesen gehört es, die gesetzlich dafür vorgesehenen Stellen, Ämter und Personen zu beteiligen und zusammen mit ihnen eine an den Zielen des bEM orientierte Klärung ernsthaft zu versuchen. Ziel des bEM ist es festzustellen, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist, und herauszufinden, ob Möglichkeiten bestehen, sie durch bestimmte Veränderungen künftig zu verringern, um so eine Kündigung zu vermeiden (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 20).

31

(2) Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung des bEM zu ergreifen (BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 9, BAGE 140, 350; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Bei der Durchführung muss er eine bestehende betriebliche Interessenvertretung, das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt, hinzuziehen (vgl. BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 55, BVerwGE 137, 148).

32

(3) Kommt es darauf an, ob der Arbeitgeber eine solche Initiative ergriffen hat, kann davon nur ausgegangen werden, wenn er den Arbeitnehmer zuvor nach § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der dabei erhobenen Daten hingewiesen hat(BAG 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Der Hinweis erfordert eine Darstellung der Ziele, die inhaltlich über eine bloße Bezugnahme auf die Vorschrift des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hinausgeht(BVerwG 23. Juni 2010 - 6 P 8/09 - Rn. 52, BVerwGE 137, 148). Zu diesen Zielen rechnet die Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden, erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und wie das Arbeitsverhältnis erhalten werden kann (vgl. BAG 7. Februar 2012 - 1 ABR 46/10 - Rn. 19, BAGE 140, 350; dass das Gesetz hier vom „Arbeitsplatz“ spricht, dürfte auf einem Redaktionsversehen beruhen, vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 28). Dem Arbeitnehmer muss verdeutlicht werden, dass es um die Grundlagen seiner Weiterbeschäftigung geht und dazu ein ergebnisoffenes Verfahren durchgeführt werden soll, in das auch er Vorschläge einbringen kann (Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24). Daneben ist ein Hinweis zur Datenerhebung und Datenverwendung erforderlich, der klarstellt, dass nur solche Daten erhoben werden, deren Kenntnis erforderlich ist, um ein zielführendes, der Gesundung und Gesunderhaltung des Betroffenen dienendes bEM durchführen zu können. Dem Arbeitnehmer muss mitgeteilt werden, welche Krankheitsdaten - als sensible Daten iSv. § 3 Abs. 9 BDSG - erhoben und gespeichert und inwieweit und für welche Zwecke sie dem Arbeitgeber zugänglich gemacht werden. Nur bei entsprechender Unterrichtung kann vom Versuch der ordnungsgemäßen Durchführung eines bEM die Rede sein (Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 62).

33

(4) Kommt es stattdessen darauf an, ob bestimmte vom Arbeitgeber tatsächlich ergriffene Maßnahmen den Anforderungen eines bEM genügen, ist zu prüfen, ob sie sich als der vom Gesetz vorgesehene umfassende, offene und an den Zielen des bEM ausgerichtete Suchprozess erweisen.

34

(5) Danach kann in den betriebsärztlichen Untersuchungen des Klägers und den mit ihnen verbundenen Begutachtungen kein bEM erblickt werden.

35

(a) Der Betriebsarzt wird in § 84 Abs. 2 Satz 2 SGB IX als ein Akteur erwähnt, der „bei Bedarf“ zum bEM hinzugezogen wird. Dies entspricht der Aufgabe des Arztes, den Arbeitgeber beim Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung zu unterstützen und in Fragen des Gesundheitsschutzes zu beraten (§ 1 Satz 2, § 3 Abs. 1 Satz 1 ASiG). Die Nutzung seines Sachverstands kann der Klärung dienen, ob vom Arbeitsplatz Gefahren für die Gesundheit des Arbeitnehmers ausgehen und künftig durch geeignete Maßnahmen vermieden werden können (§ 3 Abs. 1 Satz 2 ASiG). Die Inanspruchnahme des betriebsärztlichen Sachverstands steht einem bEM als ganzem aber nicht gleich (vgl. Schmidt Gestaltung und Durchführung des bEM S. 24, 25).

36

(b) Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeber dem Betriebsarzt bei Bedarf die Durchführung und Leitung des bEM übertragen kann (befürwortend Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 152; zweifelnd Cramer/Ritz/Schian SGB IX 6. Aufl. § 84 Rn. 31). Die Behauptung der Beklagten, die betriebsärztlichen Untersuchungen seien „teilweise … unter dem Titel ‚betriebliches Eingliederungsmanagement‘ [gelaufen]“, macht nicht deutlich, dass sie dem arbeitsmedizinischen Dienst die regelgerechte Durchführung eines bEM überantwortet hätte. Jedenfalls ist nicht zu erkennen, dass die Betriebsärzte ihre Beauftragung in einem solch weitreichenden Sinne verstanden und entsprechend agiert hätten. Ihre Stellungnahmen beschränken sich auf die Einschätzung der Einsatzfähigkeit des Klägers auf der Grundlage arbeitsmedizinischer Untersuchungen. Auch fehlt es an substantiierten Darlegungen zu einer den Anforderungen des § 84 Abs. 2 Satz 3 SGB IX genügenden Unterrichtung und Belehrung des Klägers, aus der sich für diesen die Absicht, ein bEM durchzuführen, deutlich hätte erschließen können. Das Vorbringen der Beklagten, die Betriebsärztin habe aus Anlass der Ende 2009/Anfang 2010 vorgenommenen Untersuchung mit dem Kläger „die Fragestellung“ eines möglichen Zusammenhangs zwischen seiner Tätigkeit und den Erkrankungen „besprochen“ und ihn „über den Sinn und Zweck der Untersuchungen“ unterrichtet, reicht dafür nicht aus. Es kann deshalb offenbleiben, ob die fragliche Begutachtung, hätte es sich bei ihr um ein bEM gehandelt, dem Zweck des § 84 Abs. 2 SGB IX deshalb nicht genügen konnte, weil der Kläger innerhalb des der Kündigung vorausgegangenen Jahres erneut Fehlzeiten von mehr als sechs Wochen aufwies(zur Problematik KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 16; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10).

37

cc) Das Unterlassen eines bEM führt hier dazu, dass die Kündigung unverhältnismäßig ist.

38

(1) Die Durchführung des bEM ist zwar keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Kündigung. § 84 Abs. 2 SGB IX ist dennoch kein bloßer Programmsatz. Die Norm konkretisiert den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können möglicherweise mildere Mittel als die Kündigung erkannt und entwickelt werden (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

39

(2) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will sich der Arbeitgeber hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 25).

40

(3) Ist es dagegen denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht, das gemeinsame Suchen nach Maßnahmen zum Abbau der Fehlzeiten also Erfolg gehabt hätte, muss sich der Arbeitgeber regelmäßig vorhalten lassen, er habe „vorschnell“ gekündigt.

41

(4) Diesen Vorgaben wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis gerecht.

42

(a) Ein bEM ist nicht nur bei lang andauernden Krankheiten geboten. Es ist auch bei häufigen Kurzerkrankungen des Arbeitnehmers nicht ausgeschlossen oder von vorneherein überflüssig. Nach der gesetzlichen Regelung des § 84 Abs. 2 SGB IX kommt es allein auf den Umfang, nicht auf die Ursache der Erkrankungen an. Auch aus Krankheiten, die auf unterschiedlichen Grundleiden beruhen, kann sich - zumal wenn sie auf eine generelle Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers hindeuten - eine Gefährdung des Arbeitsverhältnisses ergeben, der das bEM entgegenwirken soll (KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 17; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 84 Rn. 10; Deinert NZA 2010, 969, 971; aA Balders/Lepping NZA 2005, 854, 855).

43

(b) Dem Vorbringen der Beklagten ist nicht zu entnehmen, dass einem künftigen Auftreten erheblicher, über sechs Wochen hinausgehender Fehlzeiten des Klägers durch innerbetriebliche Anpassungsmaßnahmen nicht hätte entgegengewirkt werden können. Dass ihr entsprechende Maßnahmen nicht möglich oder zumutbar gewesen wären, hat sie nicht aufgezeigt.

44

(aa) In diesem Zusammenhang waren nähere Darlegungen der Beklagten nicht deshalb entbehrlich, weil der Kläger vorgerichtlich geäußert haben mag, seine Erkrankungen seien nicht „betriebsbedingt“. Unabhängig davon, was genau er damit hat ausdrücken wollen, ist es nicht treuwidrig, wenn er sich gegenüber der ausgesprochenen Kündigung auf das Unterbleiben erfolgversprechender innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen beruft. Das Landesarbeitsgericht musste seine Behauptung, solche Maßnahmen hätten dem Auftreten neuerlicher Fehlzeiten vorbeugen oder diese zumindest verringern können, nicht etwa als Schutzbehauptung werten. Die Beklagte hat die vom Kläger aufgezeigten, einer günstigen Veränderung jedenfalls dem ersten Anschein nach nicht unzugänglichen Arbeitsbedingungen nicht in Abrede gestellt. Der Umstand, dass der Kläger während einer Prozessbeschäftigung trotz des Einsatzes am bisherigen Arbeitsplatz keine relevanten krankheitsbedingten Ausfallzeiten mehr gezeigt hat, spricht nicht notwendig gegen einen möglichen Zusammenhang zwischen den äußeren Arbeitsumständen und seinen bisherigen Fehlzeiten. Die Entwicklung kann ebenso gut durch die zwischenzeitlich durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme oder dadurch begünstigt worden sein, dass der Kläger - wie er behauptet hat - nunmehr ein effektiveres „Gesundheitsmanagement“ betreibt.

45

(bb) Die Beklagte hat die objektive Nutzlosigkeit innerbetrieblicher Anpassungsmaßnahmen nicht dadurch aufgezeigt, dass sie auf den Gegenstand der arbeitsmedizinischen Untersuchungen verwiesen und sich die Stellungnahmen der Betriebsärzte - konkludent - zu Eigen gemacht hat. Zwar verpflichtet § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. c) ASiG die Betriebsärzte, Ursachen von „arbeitsbedingten Erkrankungen“ zu untersuchen. Auch ist der Stellungnahme vom 2. Februar 2010 zu entnehmen, dass die Ärzte keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit des Klägers und seinen Fehlzeiten erkannt haben. Das schließt aber die Gewinnung anderer Erkenntnisse im Rahmen eines in alle Richtungen offenen bEM nicht aus. Bei diesem geht das Gesetz davon aus, dass sich neben dem Arbeitnehmer auch die anderen beteiligten Stellen, insbesondere die Rehabilitationsträger, aktiv in die Suche nach Möglichkeiten zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit einbringen. Es kommt hinzu, dass die Berufsgenossenschaft im Jahr 2010 einen Zusammenhang zumindest zwischen den Arbeitsbedingungen und der Kontaktallergie gesehen und ein Hilfsmittel empfohlen hat. Soweit die Beklagte anführt, die im Jahr 2011 erfolgte betriebsärztliche Untersuchung sei „unter Berücksichtigung der arbeitsplatztypischen Belastungsfaktoren Lärm, Hautkontakt mit Stoffen, Schichttätigkeit“ erfolgt und „negativ“ verlaufen, handelt es sich um neuen Tatsachenvortrag, der in der Revisionsinstanz keine Berücksichtigung finden kann. Im Übrigen ergibt sich aus ihm nicht, dass der Arbeitsplatz des Klägers auf besondere Belastungen durch Zugluft und Treppensteigen, dh. auf Umstände und deren mögliche Änderung hin untersucht worden wäre, in denen der Kläger eine Ursache seiner Krankheitsanfälligkeit erblickt.

46

(cc) Soweit die Beklagte gemeint hat, die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der Möglichkeit, im Rahmen eines bEM zu einer von den arbeitsmedizinischen Gutachten abweichenden Beurteilung zu gelangen, bewegten sich im Bereich der Spekulation, liegt darin kein beachtliches Vorbringen. Es handelt sich weder um eine zulässige Verfahrens-, noch um eine begründete Sachrüge. Es hat nicht das Landesarbeitsgericht Spekulationen angestellt, sondern die Beklagte ist ihrer Obliegenheit nicht nachgekommen, im Einzelnen darzulegen, weshalb eine abweichende Beurteilung objektiv ausgeschlossen sein soll.

47

(c) Die Kündigung wäre selbst dann unverhältnismäßig, wenn feststünde, dass die tatsächlichen betrieblichen Bedingungen, zu denen der Kläger arbeitete, nicht hätten geändert werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Durchführung eines bEM Rehabilitationsbedarfe in der Person des Klägers hätten erkannt und durch entsprechende Maßnahmen künftige Fehlzeiten spürbar hätten reduziert werden können.

48

(aa) Nach der Konzeption des Gesetzes lässt das bEM den Beteiligten bei der Prüfung, mit welchen Maßnahmen, Leistungen oder Hilfen eine künftige Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers möglichst vermieden werden und das Arbeitsverhältnis erhalten bleiben kann, jeden denkbaren Spielraum. Es soll erreicht werden, dass keine vernünftigerweise in Betracht kommende, zielführende Möglichkeit ausgeschlossen wird (BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 198/09 - Rn. 18). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1783 S. 16) soll durch eine derartige Gesundheitsprävention das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden. Zugleich sollen auf diese Weise medizinzische Rehabilitationsbedarfe frühzeitig, ggf. präventiv erkannt und auf die beruflichen Anforderungen abgestimmt werden. Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, hat der Arbeitgeber deshalb gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX auch bei nicht behinderten Arbeitnehmern die örtlichen gemeinsamen Servicestellen hinzuzuziehen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Hilfen und Leistungen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IX erbracht werden. Als Hilfen zur Beseitigung und möglichst längerfristigen Überwindung der Arbeitsunfähigkeit kommen dabei - neben Maßnahmen zur kurativen Behandlung - insbesondere Leistungen zur medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX in Betracht(vgl. Knittel SGB IX 7. Aufl. § 84 Rn. 207; KHM/Kossens SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 9; Nebe in MünchAnwHdb Sozialrecht 4. Aufl. § 21 Rn. 22; Wullenkord Arbeitsrechtliche Kernfragen des bEM in der betrieblichen Praxis S. 190).

49

(bb) Denkbares Ergebnis eines bEM kann es damit sein, den Arbeitnehmer auf eine Maßnahme der Rehabilitation zu verweisen. Dem steht nicht entgegen, dass deren Durchführung von seiner Mitwirkung abhängt und nicht in der alleinigen Macht des Arbeitgebers steht. Ggf. muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine angemessene Frist zur Inanspruchnahme der Leistung setzen. Eine Kündigung kann er dann wirksam erst erklären, wenn die Frist trotz Kündigungsandrohung ergebnislos verstrichen ist (vgl. BAG 10. Dezember 2009 - 2 AZR 400/08 - Rn. 29). Durch die Berücksichtigung entsprechender, aus dem bEM entwickelter Empfehlungen wird der „ultima-ratio-Grundsatz“ nicht, wie die Beklagte meint, über die gesetzlichen Grenzen hinaus ausgedehnt. Die aus ihm resultierende Verpflichtung des Arbeitgebers, ggf. mildere Mittel zu ergreifen, ist nicht auf arbeitsplatzbezogene Maßnahmen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG beschränkt. Diese Vorschrift dient der Konkretisierung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes lediglich mit Blick auf ihren eigenen Regelungsbereich. Sie schließt die Berücksichtigung sonstiger Umstände, die eine Kündigung entbehrlich machen könnten, nicht aus. Eine Kündigung muss, damit sie durch Gründe iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG „bedingt“ ist, unter allen Gesichtspunkten verhältnismäßig, dh. unvermeidbar sein. Daraus kann sich die Verpflichtung des Arbeitgebers ergeben, auf bestehende Therapiemöglichkeiten Bedacht zu nehmen. Wenn er ein bEM unterlassen hat, kann er gegen eine solche Verpflichtung nicht einwenden, ihm seien im Kündigungszeitpunkt - etwa schon mangels Kenntnis der Krankheitsursachen - entsprechende Möglichkeiten weder bekannt gewesen, noch hätten sie ihm bekannt sein können.

50

(cc) Das bedeutet nicht, dass der Arbeitgeber bei Unterlassen eines bEM, um die Verhältnismäßigkeit der Kündigung aufzuzeigen, für jede nur erdenkliche Maßnahme der Gesundheitsprävention - etwa bis zu möglichen Änderungen in der privaten Lebensführung des Arbeitnehmers - von sich aus darzulegen hätte, dass und weshalb sie zur nachhaltigen Verminderung der Fehlzeiten nicht geeignet gewesen sei. Es reicht aus, wenn er dartut, dass jedenfalls durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger künftige Fehlzeiten nicht in relevantem Umfang hätten vermieden werden können. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt lediglich die Berücksichtigung solcher Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, deren Beachtung dem Arbeitgeber zumutbar ist. Zumutbar wiederum ist nur eine Beachtung solcher Maßnahmen, deren Zweckmäßigkeit hinreichend gesichert ist. Auch muss deren tatsächliche Durchführung objektiv überprüft werden können. Beides trifft auf gesetzlich vorgesehene Leistungen und Hilfen, die der Prävention und/oder Rehabilitation dienen, typischerweise zu. Solche Maßnahmen muss der Arbeitgeber deshalb grundsätzlich in Erwägung ziehen. Hat er ein bEM unterlassen, muss er von sich aus ihre objektive Nutzlosigkeit aufzeigen und ggf. beweisen. Dabei kommt eine Abstufung seiner Darlegungslast in Betracht, falls ihm die Krankheitsursachen unbekannt sind. Für eine Maßnahme außerhalb des Leistungskatalogs der Rehabilitationsträger - und sei es ein fachkundig entwickeltes Konzept zur privaten Gesundheitsprävention - gilt dies dagegen in aller Regel nicht. Deren objektive Nutzlosigkeit braucht der Arbeitgeber nicht darzutun.

51

(dd) Danach durfte das Landesarbeitsgericht die Kündigung zwar nicht deshalb für unwirksam erachten, weil im Rahmen eines bEM die Möglichkeit bestanden hätte, ein - wie auch immer geartetes - Konzept für ein konsequentes Gesundheitsmanagement des Klägers zu entwickeln. Die angefochtene Entscheidung stellt sich aber aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die Beklagte hat nicht dargetan, dass auch bei regelkonformer Durchführung eines bEM keine geeigneten Leistungen oder Hilfen für den Kläger hätten erkannt werden können, zu deren Erbringung die Rehabilitationsträger verpflichtet gewesen wären. Das gilt umso mehr, als sich der Kläger ausdrücklich auf eine nach Zugang der Kündigung erfolgreich durchgeführte Reha-Behandlung berufen hat. Die Beklagte hätte aufzeigen müssen, warum Maßnahmen zur kurativen Behandlung und/oder der medizinischen Rehabilitation iSv. § 26 SGB IX - zu denen im Übrigen nach Abs. 2 Nr. 1 der Vorschrift auch die „Anleitung, eigene Heilungskräfte zu entwickeln“ zählt - nicht in Betracht gekommen wären oder doch zu einer erheblichen Verringerung der Fehlzeiten nicht hätten beitragen können. An solchen Darlegungen fehlt es.

52

II. Der Antrag auf Weiterbeschäftigung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses gerichtet. Dieser Rechtsstreit ist abgeschlossen.

53

C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Leistungen umfassen Hilfsmittel, die erforderlich sind, um eine durch die Behinderung bestehende Einschränkung einer gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft auszugleichen. Hierzu gehören insbesondere barrierefreie Computer.

(2) Die Leistungen umfassen auch eine notwendige Unterweisung im Gebrauch der Hilfsmittel sowie deren notwendige Instandhaltung oder Änderung.

(3) Soweit es im Einzelfall erforderlich ist, werden Leistungen für eine Doppelausstattung erbracht.

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 15. November 2012 - 3 Sa 71/12 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, soweit dieses die Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Kündigungsschutzantrags zurückgewiesen hat.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung.

2

Die Beklagte bietet Dienst- und Vertriebsleistungen im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik an. Für ihre Betriebsstätten in Essen und Erfurt ist ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Der im Dezember 1957 geborene Kläger war seit Juli 2001 als „Call-Center-Agent“ in der Betriebsstätte Erfurt beschäftigt. Außer ihm waren dort ein Niederlassungsleiter, eine Büroleiterin, sieben IT-Techniker und drei Außendienstmitarbeiter tätig.

3

Im Jahr 2004 war der Kläger an 54 Tagen, im Jahr 2005 an 29 Tagen arbeitsunfähig erkrankt. Seit dem 7. Juni 2006 fehlte er zunächst - im Umfang von insgesamt 21 Tagen - mehrfach kurzzeitig. Ab dem 27. November 2006 war er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. In der Folgezeit stellte die Beklagte zumindest zwei Teilzeitkräfte als „Call-Center-Agenten“ ein, die sie in Erfurt einsetzte und dem dortigen Niederlassungsleiter unterstellte.

4

Der Kläger leidet unter beidseitigem Tinnitus, dadurch bedingten Hörstörungen und an „psychovegetativen Erscheinungen“. Im Mai 2007 wurde er mit einem Grad der Behinderung von 30 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Seit dem 1. Juni 2007 bezog er eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob es sich insoweit um eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder - wie der Kläger behauptet hat - um eine sog. Arbeitsmarktrente handelt.

5

Im Mai 2010 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Integrationsamts zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung, die durch Bescheid vom 9. November 2010 erteilt wurde. Nach Anhörung des Betriebsrats kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 25. November 2010 ordentlich zum 28. Februar 2011.

6

Gegen den Bescheid des Integrationsamts erhob der Kläger Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. In der Entscheidung des Widerspruchsausschusses heißt es, der Kläger sei nicht in der Lage, täglich länger als drei Stunden als „Call-Center-Agent“ zu arbeiten. Zwar habe es die Beklagte unterlassen, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Auch durch ein bEM habe die Kündigung aber nicht vermieden werden können.

7

Der Kläger hat sich mit der vorliegenden Klage fristgerecht gegen die Kündigung gewandt. Außerdem hat er seine Weiterbeschäftigung verlangt. Im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens hat er ein Attest seiner behandelnden Ärztin vom 24. Oktober 2011 vorgelegt. Darin heißt es, er sei „prinzipiell arbeitsfähig“, wenn keine besonderen Anforderungen an das Gehör gestellt würden, der Arbeitsschutz eingehalten werde, keine permanente höhergradige Lärmbelästigung vorliege und die Arbeit „nicht durch permanentes Telefonieren gekennzeichnet“ sei. Der Kläger hat geltend gemacht, er habe im Mai 2006 während eines Kundentelefonats infolge einer technischen Störung an einem Headset einen akustischen Schock erlitten. Dieser habe zu einem eingeschränkten Hörvermögen, beidseits starken Ohrgeräuschen, Kopfschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und Übelkeit mit bis dato nachwirkenden Folgen geführt. Zwar habe er aufgrund der eingetretenen Lärmschwerhörigkeit seine bisherige Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht mehr vollschichtig und zu unveränderten Bedingungen erbringen können. Er sei jedoch in der Lage gewesen, eine Tätigkeit als „Supervisor“ der Agenten oder Lagerarbeiten zu übernehmen. Darauf, ob entsprechende Arbeitsplätze im Kündigungszeitpunkt frei gewesen seien, komme es nicht an. Mit Blick auf ihre gesteigerte Fürsorgepflicht habe die Beklagte ggf. entsprechende Stellen schaffen müssen. Zumindest habe sie für ihn die Stelle eines Lagerarbeiters - und sei es durch Kündigung - „freimachen“ müssen. Die Kündigung sei auch deshalb unwirksam, weil sie wegen seiner Behinderung erfolgt sei. Zudem fehle es an einer ordnungsgemäßen Beteiligung des Betriebsrats und der Schwerbehindertenvertretung.

8

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 25. November 2010 nicht aufgelöst worden ist;

        

für den Fall des Obsiegens mit diesem Antrag,

        

die Beklagte zu verurteilen, ihn in ihrer Niederlassung in Erfurt als Supervisor, hilfsweise als Lagerarbeiter zu beschäftigen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Kläger sei dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Daran treffe sie kein Verschulden. Sie habe alle einschlägigen Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten. Eines bEM habe es den Umständen nach nicht bedurft. Jedenfalls sei die Kündigung - auch unter Berücksichtigung der Zustimmung des Integrationsamts - nicht unverhältnismäßig. Im Kündigungszeitpunkt seien keine Arbeitsplätze frei gewesen. Zusätzliche Stellen habe sie nicht schaffen müssen. An der Beschäftigung eines „Supervisors“ im Telefondienst bestehe seit jeher kein Bedarf. Der vom Kläger benannte Lagerarbeiter sei zum weit überwiegenden Teil seiner Arbeitszeit als IT-Techniker und insoweit mit Aufgaben beschäftigt gewesen, die der Kläger nicht habe verrichten können. Im Übrigen habe sie den fraglichen Arbeitsplatz nicht durch dessen Versetzung, sondern allenfalls durch Kündigung „freimachen“ können. Dazu sei sie nicht verpflichtet gewesen. Abgesehen davon bezweifele sie, dass der Kläger für eine Tätigkeit im Lager gesundheitlich ausreichend belastbar sei.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat „die Berufung des Klägers … zurückgewiesen und die weiteren gestellten Anträge abgewiesen“. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Kündigungsschutzantrag weiter. Die Hilfsanträge hat er mit Zustimmung der Beklagten im Revisionsverfahren zurückgenommen. Insoweit begehrt er die ersatzlose Aufhebung des zweitinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25. November 2010 aufgelöst worden ist. Dazu fehlt es an erforderlichen Feststellungen.

12

I. Es steht nicht fest, ob die - mit Zustimmung des Integrationsamts erklärte - Kündigung iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist. Zwar konnte der Kläger dauerhaft seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr erbringen. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen aber nicht annehmen, dass es keine milderen Mittel als die erklärte (Beendigungs-)Kündigung gab, um der bestehenden Vertragsstörung angemessen zu begegnen.

13

1. Die Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung, die auf eine lang anhaltende Erkrankung gestützt wird, ist in drei Stufen vorzunehmen. Zunächst - erste Stufe - ist eine negative Prognose hinsichtlich des voraussichtlichen Gesundheitszustands des erkrankten Arbeitnehmers erforderlich. Bezogen auf den Kündigungszeitpunkt und die bisher ausgeübte Tätigkeit müssen objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis einer weiteren, längeren Erkrankung rechtfertigen. Die prognostizierten Fehlzeiten müssen ferner - zweite Stufe - zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Schließlich muss - dritte Stufe - eine vorzunehmende Interessenabwägung ergeben, dass die betrieblichen Beeinträchtigungen zu einer billigerweise nicht mehr hinzunehmenden Belastung des Arbeitgebers führen (BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27 ff. mwN, BAGE 123, 234).

14

2. Ist der Arbeitnehmer dauerhaft außer Stande, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, ist eine negative Prognose hinsichtlich der künftigen Entwicklung des Gesundheitszustands indiziert. Der dauernden Leistungsunfähigkeit steht die völlige Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit gleich. Eine solche Ungewissheit besteht, wenn in absehbarer Zeit nicht mit einer positiven Entwicklung gerechnet werden kann. Als absehbar ist in diesem Zusammenhang ein Zeitraum von bis zu 24 Monaten anzusehen (vgl. BAG 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 11, BAGE 135, 361; 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 27, BAGE 123, 234). Die entsprechende Ungewissheit führt - ebenso wie eine feststehende Unmöglichkeit, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen - zu einer grundsätzlich nicht näher darzulegenden erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Sie besteht darin, dass der Arbeitgeber auf unabsehbare Zeit gehindert ist, sein Direktionsrecht auszuüben und die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abzurufen. In einem solchen Fall fehlt es in aller Regel an einem schutzwürdigen Interesse des Arbeitnehmers an der Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses (vgl. BAG 12. Juli 2007 - 2 AZR 716/06 - Rn. 28, aaO; 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 22).

15

3. Auch in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer auf Dauer wegen Krankheit die geschuldete Arbeitsleistung nicht mehr erbringen kann, ist eine Kündigung nach dem das gesamte Kündigungsrecht beherrschenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nur gerechtfertigt, wenn sie zur Beseitigung der eingetretenen Vertragsstörung erforderlich ist. Zu den die Kündigung bedingenden Tatsachen gehört deshalb das Fehlen angemessener milderer Mittel zur Vermeidung künftiger Fehlzeiten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 19. April 2007 - 2 AZR 239/06 - Rn. 24). Mildere Mittel in diesem Sinne sind insbesondere die Umgestaltung des bisherigen Arbeitsbereichs oder die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 24; vgl. auch BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 29 mwN). Dies schließt in Krankheitsfällen die Verpflichtung des Arbeitgebers ein, einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Ausübung seines Direktionsrechts „freizumachen“ und sich ggf. um die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats zu bemühen (grundlegend BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 d der Gründe, BAGE 85, 107). Scheidet eine Umsetzungsmöglichkeit aus, kann sich im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung auch eine Änderungskündigung - und sei es mit dem Ziel einer Weiterbeschäftigung zu schlechteren Arbeitsbedingungen - als vorrangig erweisen (vgl. BAG 23. April 2008 - 2 AZR 1012/06 - Rn. 28; 21. April 2005 - 2 AZR 132/04 - zu B II der Gründe, BAGE 114, 243). Dabei ist ggf. die Pflicht des Arbeitgebers zu berücksichtigen, einem Schwerbehinderten gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX einen seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechenden Arbeitsplatz zuzuweisen(BAG 22. September 2005 - 2 AZR 519/04 - Rn. 31, BAGE 116, 7).

16

4. Danach ist das Landesarbeitsgericht mit Blick auf die bisherige Tätigkeit des Klägers zutreffend von einer negativen Gesundheitsprognose ausgegangen. Es hat daraus zu Recht auf eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen der Beklagten geschlossen. Es hat angenommen, eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit des Klägers sei - bezogen auf die vertraglich geschuldete Tätigkeit und unter den bisherigen Arbeitsbedingungen - im Kündigungszeitpunkt gänzlich ungewiss gewesen. Dafür hat es zum einen auf die zurückliegende Dauer der Arbeitsunfähigkeit von rund vier Jahren verwiesen. Zum anderen hat es sich auf die eigene Einschätzung des Klägers gestützt, binnen der nächsten 24 Monate aller Voraussicht nach nicht vollschichtig als „Call-Center-Agent“ arbeiten zu können. Dies hält sich im tatrichterlichen Beurteilungsspielraum. Verfahrensrügen haben die Parteien insoweit nicht erhoben.

17

5. Dagegen ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung erweise sich - auch angesichts der Unterlassung eines bEM - als verhältnismäßig, nicht frei von Rechtsfehlern.

18

a) Der Arbeitgeber trägt für die Umstände, die nach § 1 Abs. 2 KSchG die Kündigung bedingen, die Darlegungs- und Beweislast(§ 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG). Das gilt auch für das Fehlen einer anderweitigen Beschäftigungsmöglichkeit (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25).

19

b) Ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung eines bEM verpflichtet, kann er sich zunächst darauf beschränken zu behaupten, für den Arbeitnehmer bestehe keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit. Diese pauschale Erklärung umfasst den Vortrag, Möglichkeiten zur leidensgerechten Anpassung des Arbeitsplatzes seien nicht gegeben. Der Arbeitnehmer muss hierauf konkret erwidern, insbesondere darlegen, wie er sich eine Änderung des bisherigen Arbeitsplatzes oder eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, die er trotz seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung ausüben könne. Erst dann ist es Sache des Arbeitgebers, hierauf zu erwidern und ggf. darzulegen, warum auch eine solche Beschäftigung nicht möglich sei (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 25 mwN; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 14 mwN, BAGE 135, 361).

20

c) Hat der Arbeitgeber entgegen den Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX ein bEM unterlassen, kann dies zu einer Erweiterung seiner Darlegungslast führen. Zwar ist die Durchführung des bEM keine formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung und für sich genommen auch kein milderes Mittel als diese. § 84 Abs. 2 SGB IX konkretisiert aber den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit Hilfe des bEM können mildere Mittel, zB die Umgestaltung des Arbeitsplatzes oder die Weiterbeschäftigung zu geänderten Arbeitsbedingungen auf einem anderen, ggf. „freizumachenden“ Arbeitsplatz erkannt und entwickelt werden (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 38; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 20).

21

aa) Möglich ist, dass auch ein tatsächlich durchgeführtes bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können. In einem solchen Fall darf dem Arbeitgeber kein Nachteil daraus entstehen, dass er es unterlassen hat. Will der Arbeitgeber sich hierauf berufen, hat er die objektive Nutzlosigkeit des bEM darzulegen und ggf. zu beweisen. Dazu muss er umfassend und konkret vortragen, warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisherigen Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM in keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten des Arbeitnehmers spürbar vorzubeugen und so das Arbeitsverhältnis zu erhalten (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 39; 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34).

22

bb) Ist es denkbar, dass ein bEM ein positives Ergebnis erbracht hätte, darf sich der Arbeitgeber nicht auf den pauschalen Vortrag beschränken, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer. Er muss vielmehr von sich aus mögliche Alternativen würdigen und darlegen, aus welchen Gründen weder eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen noch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz in Betracht kamen (BAG 20. März 2014 - 2 AZR 565/12 - Rn. 34; 30. September 2010 - 2 AZR 88/09 - Rn. 35, BAGE 135, 361).

23

d) Die angegriffene Kündigung ist nicht schon nach den dargestellten allgemeinen Grundsätzen zur abgestuften Darlegungs- und Beweislast unverhältnismäßig. Der Kläger hat keine alternative Beschäftigungsmöglichkeit iSv. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG, § 81 Abs. 4 Satz 1 SGB IX aufgezeigt, soweit er geltend gemacht hat, die Beklagte habe ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ oder als Lagerarbeiter weiterbeschäftigen können.

24

aa) Eine Umgestaltung seines bisherigen Arbeitsplatzes, die es ihm ermöglicht hätte, einer Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ vollschichtig nachzugehen, hat der Kläger zuletzt selbst ausgeschlossen.

25

bb) Ebenso wenig war die Beklagte verpflichtet, ihn am Standort Erfurt als „Supervisor“ zu beschäftigen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war ein solcher Arbeitsplatz im Kündigungszeitpunkt nicht existent. Die Beklagte war kündigungsrechtlich nicht gehalten, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu schaffen (vgl. dazu BAG 19. Juni 2007 - 2 AZR 58/06 - Rn. 12, BAGE 123, 175; 29. März 1990 - 2 AZR 369/89 - zu B II 5 der Gründe, BAGE 65, 61). Aus § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX folgt nichts anderes. Nach dieser Vorschrift haben schwerbehinderte Arbeitnehmer und die ihnen Gleichgestellten gegenüber ihrem Arbeitgeber Anspruch auf behinderungsgerechte Beschäftigung, damit sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiterentwickeln können. Daraus kann sich ein Anspruch des schwerbehinderten Arbeitnehmers auf anderweitige Beschäftigung ergeben, wenn er seine vertraglich geschuldete Tätigkeit wegen seiner Behinderung nicht mehr ausüben kann (BAG 15. Oktober 2013 - 1 ABR 25/12 - Rn. 24). Der Anspruch besteht nicht, wenn eine anderweitige Beschäftigung zwar in Betracht kommt, sie dem Arbeitgeber aber unzumutbar oder für ihn mit unverhältnismäßig hohen Aufwendungen verbunden ist (§ 81 Abs. 4 Satz 3 SGB IX). Insbesondere muss der Arbeitgeber keinen zusätzlichen, bisher nicht vorhandenen und nicht benötigten Arbeitsplatz dauerhaft einrichten (vgl. BAG 27. Juli 2011 - 7 AZR 402/10 - Rn. 58; 4. Oktober 2005 - 9 AZR 632/04 - Rn. 23, BAGE 116, 121; Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 81 Rn. 182; zur Schaffung einer vorübergehenden sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeit vgl. Cramer/Ritz 6. Aufl. § 81 Rn. 21).

26

cc) Die Beklagte musste dem Kläger auch eine Weiterbeschäftigung als Lagerarbeiter nicht anbieten. Der insoweit einzig infrage kommende Arbeitsplatz war besetzt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe die Stelle weder durch Ausübung ihres Direktionsrechts „freimachen“ können, noch sei sie zu einer „Freikündigung“ verpflichtet gewesen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

27

(1) Das Landesarbeitsgericht hat zugunsten des Klägers unterstellt, dass in der Betriebsstätte Erfurt überhaupt ein Lagerarbeitsplatz vorhanden war. Seine Auffassung, die Beklagte habe diese Stelle nicht im Wege der Umsetzung mit dem Kläger besetzen können, hat es damit begründet, dass sie den dort tätigen Arbeitnehmer als „IT-Techniker“ angestellt habe und die für dessen Versetzung allein infrage kommenden Arbeitsplätze im Bereich Technik gleichfalls besetzt gewesen seien.

28

(a) Diese Würdigung ist, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt, revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob sie in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 43; 24. Mai 2012 - 2 AZR 206/11 - Rn. 29 mwN).

29

(b) Einen solchen Rechtsfehler zeigt der Kläger nicht auf. Er liegt auch nicht auf der Hand. Für die vom Kläger reklamierte Möglichkeit, den Arbeitsplatz „freizumachen“, kam es entscheidend darauf an, ob die Beklagte dem Stelleninhaber im Rahmen ihres Direktionsrechts eine andere Arbeitsaufgabe hätte zuweisen können. Dies hat das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise verneint. Die Rüge des Klägers, es habe sein Vorbringen, der betreffende Mitarbeiter sei „im Materiallager … eingestellt“ gewesen, übergangen, ist - ihre Zulässigkeit unterstellt - unbegründet. Auch auf der Grundlage dieses Vortrags ist nicht erkennbar, dass die Beklagte die Stelle durch Versetzung hätte „freimachen“ können. Die vorsorglich erhobene Aufklärungsrüge (§ 139 ZPO)ist unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, welchen ergänzenden, entscheidungserheblichen Vortrag er gehalten hätte, wenn er auf die Unschlüssigkeit seines Vorbringens hingewiesen worden wäre (zu dieser Voraussetzung vgl. BAG 16. Oktober 2013 - 10 AZR 9/13 - Rn. 46; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 3 e aa der Gründe, BAGE 109, 145).

30

(2) Zu einer „Freikündigung“ des fraglichen Lagerarbeitsplatzes war die Beklagte nicht verpflichtet. Das gilt auch dann, wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen ist.

31

(a) Das Bundesarbeitsgericht hat noch unter Geltung des Schwerbeschädigtengesetzes 1953 (SchwBeschG) die Auffassung vertreten, ein Arbeitgeber könne, um seiner gesetzlichen Förderungs- und Beschäftigungspflicht gegenüber einem Schwerbeschädigten (§ 12 Abs. 1 SchwBeschG) zu genügen, je nach den Umständen verpflichtet sein, für den geschützten Arbeitnehmer einen anderen Arbeitsplatz durch Kündigung „freizumachen“ (BAG 4. Mai 1962 - 1 AZR 128/61 - zu II 2 der Gründe, BAGE 13, 109). Voraussetzung sei, dass die Kündigung für den betroffenen anderen Arbeitnehmer keine „soziale Härte“ darstelle (BAG 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124 [noch zu § 12 Abs. 1 SchwBeschG]; 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe [insoweit zu § 14 Abs. 2 Satz 1 SchwbG]). In jüngerer Zeit hat das Bundesarbeitsgericht die Frage mehrfach dahinstehen lassen (BAG 28. April 1998 - 9 AZR 348/97 - zu III 3 der Gründe; 10. Juli 1991 - 5 AZR 383/90 - zu IV 3 der Gründe, BAGE 68, 141). Eine Pflicht zur „Freikündigung“ eines leidensgerechten Arbeitsplatzes allein auf der Grundlage des allgemeinen Kündigungsschutzes hat es allerdings abgelehnt (BAG 29. Januar 1997 - 2 AZR 9/96 - zu II 1 c der Gründe, BAGE 85, 107).

32

(b) Demgegenüber gehen das Bundesverwaltungsgericht und diverse Stimmen im Schrifttum davon aus, dass auch die Schwerbehinderung eine Pflicht zur „Freikündigung“ zugunsten des Betroffenen nicht begründe (BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; nachfolgend 2. Juni 1999 - 5 B 130.99 -; Adlhoch in Ernst/Adlhoch/Seel SGB IX Stand Januar 2014 § 81 Rn. 19, 86; Neumann in Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen SGB IX 12. Aufl. § 81 Rn. 25, einschränkend aber Rn. 28; Boecken RdA 2012, 210, 215; Kleinebrink NZA 2002, 716, 718; Mückl/Hiebert NZA 2010, 1259, 1263; Stück br 2007, 89, 94; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; aA wohl Spiolek GK-SGB IX Stand Oktober 2014 § 81 Rn. 332).

33

(c) Die gegen eine solche Pflicht erhobenen Bedenken sind nicht ohne Gewicht. Die Verpflichtung zur Beschäftigungs- und Vertragstreue gegenüber (schwer-)behinderten Menschen findet ihre Grenze in den entgegenstehenden Rechten der von einer „Freikündigung“ betroffenen Stelleninhaber (vgl. Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 235; Nehring Die krankheitsbedingte Kündigung im Lichte neuerer Gesetzgebung S. 185 f.; Lingemann BB 1998, 1106, 1107). Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Stelleninhaber Bestandsschutz nach dem KSchG genießt. Selbst wenn die Krankheit des (schwer-)behinderten Arbeitnehmers betrieblich verursacht ist und zu seiner Leistungsunfähigkeit oder doch der Einschränkung seiner Leistungsfähigkeit geführt hat, besteht nicht etwa ein Überhang an Arbeitskräften, der den Arbeitgeber zu einer betriebsbedingten Kündigung des anderen Mitarbeiters berechtigen könnte (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 461; HaKo/Gallner 4. Aufl. § 1 Rn. 479; Boecken RdA 2012, 210, 215). Der Kündigungsgrund liegt vielmehr in der Person des auf seinem angestammten Arbeitsplatz nicht mehr arbeitsfähigen (schwer-)behinderten Arbeitnehmers. Sogar dann, wenn das KSchG auf das Arbeitsverhältnis des Stelleninhabers (noch) keine Anwendung findet, ist eine „Freikündigung“ wegen des mit ihr verbundenen Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit des betroffenen Beschäftigten aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen(vgl. Kleinebrink NZA 2002, 716, 718). In keiner seiner Bestimmungen sieht das SGB IX die Entlassung anderer Arbeitnehmer vor, um den Beschäftigungsanspruch schwerbehinderter Menschen oder ihnen Gleichgestellter verwirklichen zu können. Vielmehr setzten die Prüfpflichten des Arbeitgebers nach § 81 Abs. 1 SGB IX, die im Rahmen von § 81 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB IX mitzuberücksichtigen sind, das Vorhandensein freier Arbeitsplätze voraus(vgl. BVerwG 28. Februar 1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140; Boecken RdA 2012, 210, 215).

34

(d) Das Unionsrecht gebietet kein anderes Verständnis der in Rede stehenden nationalen Bestimmungen. Art. 5 Satz 2 RL 2000/78/EG sieht im Rahmen der Verhältnismäßigkeit die Pflicht des Arbeitgebers vor, Menschen mit Behinderung den Zugang zur Beschäftigung und die Ausübung ihres Berufs zu ermöglichen. In Art. 7 Abs. 2 RL 2000/78/EG sind mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nationale Bestimmungen erlaubt, die einer Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Arbeitswelt dienen oder diese fördern. Daraus kann nicht gefolgert werden, die Richtlinie verlange zwecks Verwirklichung der Rechte von Menschen mit Behinderung ggf. die Beendigung des Arbeitsverhältnisses eines nicht behinderten Menschen (vgl. Däubler/Bertzbach/Däubler 3. Aufl. § 7 Rn. 224).

35

(e) Danach scheidet eine Pflicht des Arbeitgebers zur „Freikündigung“ jedenfalls dann aus, wenn der Inhaber der infrage kommenden Stelle den allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Ob ohne diesen Schutz anderes gilt, wenn der Stelleninhaber nicht seinerseits behindert ist und die Kündigung für ihn keine besondere Härte darstellt, kann hier offenbleiben. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt der Arbeitnehmer, der sich auf die Möglichkeit einer „Freikündigung“ beruft, die Darlegungs- und Beweislast (BAG 13. Mai 1992 - 5 AZR 437/91 - zu II 2 c der Gründe; 8. Februar 1966 - 1 AZR 365/65 - zu 4 der Gründe, BAGE 18, 124). Das gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Durchführung eines bEM unterlassen hat. Dieser Umstand führt zwar zu einer Verschärfung der ihn nach § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG treffenden Vortragslast, nicht aber zu einer Umkehr der Darlegungslast in solchen Fällen, in denen sie von vorneherein beim Arbeitnehmer liegt.

36

(f) Im Streitfall spricht vieles dafür, dass der im Lager tätige Arbeitnehmer im Kündigungszeitpunkt Bestandsschutz nach dem KSchG genoss. Zumindest hat der Kläger weder behauptet noch gar schlüssig dargetan, dass die Kündigung für diesen keine besondere Härte bedeutet hätte.

37

dd) Eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf den von ihm konkret angeführten Arbeitsplätzen war aufgrund dessen ausgeschlossen. Dennoch steht damit nicht fest, dass die Kündigung sozial gerechtfertigt war. Die Beklagte hat ein gebotenes bEM unterlassen. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, im Streitfall sei von dessen objektiver Nutzlosigkeit auszugehen, ist auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht berechtigt.

38

(1) Die Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Durchführung eines bEM nach § 84 Abs. 2 SGB IX lagen im Kündigungszeitpunkt vor. Es war deshalb Sache der Beklagten, die entsprechende Initiative zu ergreifen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 31; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23). Dem steht ihr Vorbringen, der Kläger sei für sie nicht erreichbar gewesen, nicht entgegen. Ihren Ausführungen ist nicht zu entnehmen, welche Anstrengungen sie unternommen haben will, um den Kläger zwecks Durchführung eines bEM zu kontaktieren (zum Erfordernis, den Betroffenen im Rahmen der Initiative auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen Daten hinzuweisen vgl. BAG 20. November 2014 - 2 AZR 755/13 - Rn. 32; 24. März 2011 - 2 AZR 170/10 - Rn. 23).

39

(2) Die Beklagte hat ein bEM nicht durchgeführt. Ihre damit einhergehende Verpflichtung, im Rahmen einer erweiterten Darlegungslast durch konkreten Sachvortrag aufzuzeigen, dass die Kündigung unvermeidlich war, entfiel nicht deshalb, weil das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt hatte.

40

(a) Mit Blick auf eine verhaltensbedingte Kündigung, die ohne die erforderliche Durchführung eines Präventionsverfahrens nach § 84 Abs. 1 SGB IX erklärt worden war, hat das Bundesarbeitsgericht dem Arbeitgeber eine Darlegungserleichterung zugebilligt, wenn das Integrationsamt gemäß § 85 SGB IX seine Zustimmung erteilt hat(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 27, BAGE 120, 293). Da das Verwaltungsverfahren nach §§ 85 ff. SGB IX der Prüfung der Rechte des schwerbehinderten Arbeitnehmers diene und die Entscheidung des Integrationsamts durch mehrere Instanzen nachprüfbar sei, könne nur bei Vorliegen besonderer Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass ein Präventionsverfahren nach § 84 Abs. 1 SGB IX die Kündigung hätte verhindern können(vgl. BAG 7. Dezember 2006 - 2 AZR 182/06 - Rn. 28, aaO; BVerwG 19. August 2013 - 5 B 47.13 - Rn. 12).

41

(b) Es bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, ob an dieser Rechtsprechung ungeachtet der gegen sie geäußerten Einwände (Düwell BB 2011, 2485, 2487; Deinert NZA 2010, 969, 974; Lampe Der Kündigungsschutz behinderter Arbeitnehmer S. 164 f.) festzuhalten ist. Ebenso kann offenbleiben, ob sie auf den Fall der Unterlassung eines gebotenen bEM übertragen werden kann (befürwortend Trenk-Hinterberger in HK-SGB IX 3. Aufl. § 84 Rn. 24; Baumeister/Richter ZfA 2010, 3, 23; Beyer/Jansen br 2010, 117; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 294; insbesondere mit Blick auf die unterschiedlichen Kreise der erfassten Arbeitnehmer ablehnend Brose RdA 2006, 149, 151 ff.). Der Zustimmungsbescheid entfaltet jedenfalls dann keine entsprechende Indizwirkung, wenn sich aus seiner Begründung oder der des Widerspruchsbescheids Anhaltspunkte dafür ergeben, dass mögliche, kündigungsrechtlich beachtliche Beschäftigungsalternativen im Verwaltungsverfahren nicht in den Blick genommen worden sind. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid mit der Begründung zurückgewiesen, dass er seine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ nicht länger als drei Stunden arbeitstäglich ausüben könne und keine Stelle frei gewesen sei, die ihm eine anderweitige Beschäftigung ermöglicht habe. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass auch die Möglichkeit einer Teilzeittätigkeit von täglich bis zu drei Stunden bedacht und ausgeschlossen worden wäre. Ebenso wenig ist ersichtlich, für welche betriebliche Einheit und welche konkreten Tätigkeiten das Integrationsamt das Vorhandensein freier Arbeitsplätze geprüft hat.

42

ee) Der von der Beklagten zu führende Nachweis, dass ein bEM kein positives Ergebnis hätte erbringen können, ist somit noch nicht erbracht. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann die Möglichkeit, den Kläger in Teilzeit als „Call-Center-Agent“ zu beschäftigen, nicht hinreichend sicher ausgeschlossen werden. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass in der Betriebsstätte Essen die Möglichkeit einer alternativen Beschäftigung bestand.

43

(1) Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger sei gesundheitlich selbst zu einer Teilzeitarbeit als „Call-Center-Agent“ nicht in der Lage gewesen, beruht auf einer - vom Kläger zu Recht gerügten - Verletzung von § 286, § 139 ZPO.

44

(a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, eine Arbeitszeitreduzierung, die „weiterhin überwiegend Telefontätigkeiten beinhaltet hätte“, sei dem Kläger ausweislich „seines ärztlichen Gutachtens und seiner eigenen Einlassungen … nicht möglich“ gewesen. Diese Würdigung ist nicht nachvollziehbar. Es wird nicht deutlich, von welchen tatsächlichen Voraussetzungen das Landesarbeitsgericht - auch mit Blick auf den Umfang einer etwaigen Teilzeittätigkeit - ausgegangen ist. Einer entsprechenden Präzisierung hätte es schon deshalb bedurft, weil die Beklagte die Eignung des Klägers, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ zumindest in geringfügigem Umfang zu verrichten, nicht explizit verneint hatte und sich das Gegenteil auch nicht aus den Entscheidungen des Integrationsamts im Zustimmungsverfahren ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist außerdem unvollständig, weil sie sich mit den amtlichen Feststellungen im Widerspruchsverfahren nicht auseinandersetzt und damit nicht alle relevanten Aspekte einbezieht. Zwar mag sich der Kläger zuletzt dahingehend geäußert haben, eine Tätigkeit als „Call-Center-Agent“ sei nicht „leidensgerecht“. Seine Erklärung bezog sich aber in erster Linie auf die vertraglich geschuldete Vollzeittätigkeit, die - anders als eine Beschäftigung in Teilzeit - Gegenstand der mündlichen Erörterungen in der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht war. Die Frage, ob der Kläger mit verringerter Arbeitszeit als „Call-Center-Agent“ einsatzfähig gewesen wäre, spielte auch in den schriftsätzlichen Auseinandersetzungen der Parteien keine zentrale Rolle. Danach hätte das Landesarbeitsgericht dem Kläger nach einem entsprechenden Hinweis (§ 139 ZPO)Gelegenheit gegeben müssen, seine Leistungsfähigkeit mit Blick auf eine mögliche Arbeitszeitreduzierung zu verdeutlichen. Sollte es aus dem ärztlichen Attest vom 24. Oktober 2011 - das dem Kläger Arbeitsfähigkeit ua. unter der Voraussetzung bescheinigte, dass die Arbeit nicht durch „permanentes Telefonieren“ gekennzeichnet wäre - geschlossen haben, dessen Lärmschwerhörigkeit schließe jegliche Teilzeittätigkeit als „Call-Center-Agent“ aus, gilt das Gleiche. Auch davon durfte es den Umständen nach nicht ohne vorhergehenden Hinweis ausgehen.

45

(b) Die Verfahrensmängel sind entscheidungserheblich. Dafür reicht es aus, dass der Schluss gerechtfertigt ist, bei richtigem Verfahren hätte das Berufungsgericht möglicherweise anders entschieden (BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 770/06 - Rn. 34; 6. Januar 2004 - 9 AZR 680/02 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 145). Dies ist hier der Fall. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung tragend auf die Erwägung gestützt, dass der Kläger auch mit reduzierter Arbeitszeit nicht als „Call-Center-Agent“ habe beschäftigt werden können.

46

(c) Der Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts steht nicht entgegen, dass der Kläger in den Vorinstanzen nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Teilzeitbeschäftigung angeführt hatte. Die in § 84 Abs. 2 SGB IX vorgesehene Klärung, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann, erfordert bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und ihnen gleichgestellten Beschäftigten die Prüfung, ob die Arbeitsunfähigkeit durch eine iSv. § 81 SGB IX leidensgerechte Beschäftigung überwunden werden kann(vgl. Düwell in LPK-SGB IX 4. Aufl. § 84 Rn. 45 f., 48). Hierunter fällt auch die - in § 81 Abs. 5 Satz 3 SGB IX als Anspruch ausgestaltete - Möglichkeit einer Beschäftigung in zeitlich reduziertem Umfang(zur Arbeitszeitverkürzung als Vorkehrungsmaßnahme iSv. Art. 5 RL 2000/78/EG EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 56 ff.). Die Verminderung der Arbeitszeit stellt eine mögliche Maßnahme zur Arbeitsplatzerhaltung dar, welche im Wege des bEM ermittelt werden kann. Zu ihr hätte die Beklagte Stellung beziehen müssen, um die objektive Nutzlosigkeit eines bEM darzutun. Da die Beklagte inzwischen „Call-Center-Agenten“ in Teilzeit beschäftigt, ist ihr eine solche Arbeitszeitverringerung offensichtlich nicht unzumutbar. Die Bewilligung der befristeten Erwerbsminderungsrente schließt es nicht aus, dass der Kläger einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht, wenn auch nur im täglichen Umfang von einigen Stunden.

47

(2) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein bEM habe schlechterdings kein positives Ergebnis erbringen können, lässt überdies nicht erkennen, dass es dabei die Betriebsstätte Essen und dort vorhandene Arbeitsplätze mit in den Blick genommen hätte. Dass der Kläger mit einer örtlichen Versetzung nicht einverstanden gewesen wäre, ist weder festgestellt noch auf der Hand liegend.

48

II. Dies führt hinsichtlich des Feststellungsbegehrens zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

49

1. Das Landesarbeitsgericht hat zu der Frage, ob ein bEM zu einem positiven Ergebnis hätte führen können, keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Dies wird es nachholen müssen. Dabei wird es zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Rahmen ihrer erhöhten Darlegungslast nicht nur für alle Betriebe ihres Unternehmens die Möglichkeit ausschließen muss, den Kläger auf einem freien Arbeitsplatz weiterzubeschäftigen, sondern auch zu erläutern hat, warum der Kläger nicht im Rahmen einer schon besetzten, aber von ihm bislang nicht ausdrücklich bezeichneten Stelle hat weiterbeschäftigt werden können. Da nicht auszuschließen ist, dass die Beklagte den Umfang ihrer Darlegungslast verkannt hat, wird ihr Gelegenheit zu geben sein, ihr bisheriges Vorbringen zu ergänzen.

50

2. Der Rechtsstreit ist nicht aus anderen Gründen zur Endentscheidung reif.

51

a) Die Kündigung ist nicht unabhängig vom Bestehen einer Beschäftigungsalternative sozial ungerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG.

52

aa) Gab es im Kündigungszeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger anderweitig einzusetzen, ist die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Interessenabwägung rechtsfehlerfrei. Es hat zugunsten des Klägers die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit, sein Alter und seine Behinderung berücksichtigt. Soweit dieser meint, das Gericht habe der von ihm behaupteten betrieblichen Ursache seiner dauerhaften Arbeitsunfähigkeit zu wenig Beachtung geschenkt, trifft dies nicht zu.

53

(1) Im Rahmen der Prüfung einer krankheitsbedingten Kündigung können bei der Interessenabwägung die Krankheitsursachen von Bedeutung sein. In aller Regel ist dem Arbeitgeber die Hinnahme einer Beeinträchtigung seiner betrieblichen Interessen eher zuzumuten, wenn die Gründe für die Arbeitsunfähigkeit im betrieblichen Bereich liegen (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 292/06 - Rn. 16; 27. November 1991 - 2 AZR 309/91 - zu B V der Gründe; 21. Februar 1985 - 2 AZR 72/84 - zu B II 4 der Gründe). Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitgeber die Umstände, die zu der Arbeitsunfähigkeit geführt haben, zu vertreten oder er ein Unfallrisiko gar billigend in Kauf genommen hat (vgl. BAG 8. Juni 1972 - 2 AZR 285/71 -; APS/Dörner/Vossen 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 174; KR/Griebeling 10. Aufl. § 1 KSchG Rn. 296; Lepke Kündigung bei Krankheit 14. Aufl. Rn. 212).

54

(2) Der Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu entnehmen, dass es die möglichen Ursachen der Arbeitsunfähigkeit des Klägers außer Acht gelassen hätte. Es hat vielmehr - unter B I 2.3 der Entscheidungsgründe - zugunsten des Klägers für die „weitere Prüfung“ unterstellt, dass er im Mai 2006 aufgrund einer Fehlfunktion des Headsets während der Arbeitszeit einen akustischen Schock erlitt und seine Arbeitsunfähigkeit darauf zurückzuführen ist. Soweit der Kläger rügt, das Landesarbeitsgericht habe nicht berücksichtigt, dass die Beklagte den Arbeitsunfall und damit seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen verschuldet habe, ist nicht zu erkennen, welchen schlüssigen Sachvortrag er zu diesem Punkt geleistet haben will.

55

(3) Unter diesen Umständen ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht das Interesse der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als überwiegend angesehen hat. Diese konnte auf unabsehbare Zeit nicht mehr mit dem Kläger planen. Im Kündigungszeitpunkt waren knapp vier Jahre ohne Arbeitsleistungen des Klägers vergangen. Damit hatte die Beklagte ein hohes Maß an Rücksichtnahme auf dessen Belange gezeigt. Selbst wenn die Erkrankung des Klägers auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sein sollte, war die Kündigung des mittlerweile sinnentleerten Arbeitsverhältnisses durch diese Gründe in seiner Person „bedingt“. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn die Beklagte von der behaupteten Funktionsstörung des Headsets gewusst oder wenn sie bewusst Arbeitsschutzvorschriften missachtet hätte, bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Sachlage fehlt es an Anhaltspunkten.

56

bb) Die Kündigung ist, falls es keine Beschäftigungsalternativen gab, nicht wegen einer Diskriminierung des Klägers aufgrund seiner Behinderung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG iVm. § 2 Abs. 1 Nr. 2, §§ 1, 7 AGG sozial ungerechtfertigt.

57

(1) Bei der Prüfung der Wirksamkeit von Kündigungen, die dem KSchG unterfallen, sind die Diskriminierungsverbote des AGG als Konkretisierungen der Sozialwidrigkeit iSv. § 1 KSchG zu beachten(vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 16 mwN, BAGE 147, 60; 20. Juni 2013 - 2 AZR 295/12 - Rn. 36, BAGE 145, 296). Beim Kläger liegt eine Behinderung iSv. § 1 AGG vor(zur Begrifflichkeit im Einzelnen BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 58, aaO).

58

(2) Durch die Kündigung wurde der Kläger weder unmittelbar noch mittelbar aufgrund seiner Behinderung iSv. § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt.

59

(a) Die Kündigungserklärung als solche knüpft als gestaltende Willenserklärung nicht an die Diskriminierungsmerkmale des § 1 AGG an. Erst die ihr zugrunde liegenden Überlegungen, wie sie sich etwa aus der Kündigungsbegründung oder aus sonstigen Umständen ergeben, können Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und einem Merkmal nach § 1 AGG liefern(BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 44 mwN, BAGE 147, 60).

60

(b) Eine auf dauerhafte krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit gestützte Kündigung verstößt nicht ohne Weiteres gegen das Verbot der Benachteiligung wegen einer Behinderung nach § 7 Abs. 1 AGG und Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der ihm zugrunde liegenden europäischen Richtlinie 2000/78/EG. Die Kündigung ist vielmehr - auch unionsrechtlich - wirksam, wenn der Arbeitgeber nicht imstande ist, die bestehende Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers durch angemessene Vorkehrungen, dh. durch effektive und praktikable, ihn - den Arbeitgeber - nicht unzumutbar belastende Maßnahmen zu beseitigen (vgl. BAG 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 90, BAGE 147, 60; vgl. auch EuGH 11. April 2013 - C-335/11 und C-337/11 - [HK Danmark] Rn. 69 ff.; 11. Juli 2006 - C-13/05 - [Chacón Navas] Rn. 52, 54, Slg. 2006, I-6467).

61

(c) Der vorliegende Fall ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die Beklagte gekündigt hat, nachdem sie von der Behinderung des Klägers und dem Bezug der - befristeten - Erwerbsminderungsrente Kenntnis erlangt hatte. Sie hat nicht die Behinderung als solche oder den Rentenbezug des Klägers zum Anlass für die Kündigung genommen, sondern die durch dessen Arbeitsunfähigkeit bedingten Fehlzeiten. Die Bewilligung der Erwerbsminderungsrente diente ihr ersichtlich nur als Stütze für die Prognose, der Kläger werde auch künftig nicht in der Lage sein, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.

62

(d) Der Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, ein ordnungsgemäßes bEM durchzuführen, und die mögliche Verletzung ihrer Pflicht, dem Kläger einen leidensgerechten Arbeitsplatz anzubieten, sind ohne das Hinzutreten weiterer Umstände keine aussagekräftigen Indizien für eine unzulässige Benachteiligung des Klägers wegen seiner Behinderung (vgl. dazu BAG 28. April 2011 - 8 AZR 515/10 - Rn. 42). Das Landesarbeitsgericht hat seine Auffassung, die Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 10. Juni 2011 seien hierfür ebenso unergiebig, in revisionsrechtlich nicht zu beanstandeter Weise damit begründet, das Vorbringen beschränke sich auf die Wiedergabe gesetzlicher Bestimmungen.

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(e) Soweit der Kläger vorgebracht hat, in der Ausstattung seines Arbeitsplatzes mit einem - unterstellt - fehlerhaften oder ungeeigneten Headset liege ein Indiz für seine unmittelbare oder doch mittelbare Benachteiligung als behinderter Mensch, ist die sachliche Berechtigung dieser Auffassung nicht zu erkennen. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger gemeint hat, die Diskriminierung liege schon in der Zuweisung des betreffenden Arbeitsplatzes, zumal er bei Übertragung der Tätigkeit noch nicht behindert war.

64

b) Die Kündigung ist nicht aus einem sonstigen Grund unwirksam.

65

aa) Ein Verstoß gegen § 102 BetrVG liegt nicht vor. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe die Kündigung nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats und mit dessen Zustimmung erklärt. Dagegen erhebt der Kläger keine Verfahrensrügen. Ein materieller Rechtsfehler ist nicht erkennbar.

66

bb) Die Beklagte hat die Kündigung iSv. § 85 SGB IX mit Zustimmung des Integrationsamts erklärt. Der Widerspruch des Klägers gegen den Zustimmungsbescheid vom 9. November 2010 entfaltete keine aufschiebende Wirkung (vgl. BAG 23. Mai 2013 - 2 AZR 991/11 - Rn. 24 mwN, BAGE 145, 199).

67

cc) Der Einwand des Klägers, die Beklagte habe es versäumt, die Vertrauensperson der Schwerbehinderten von der beabsichtigten Kündigung zu unterrichten, bleibt ohne Erfolg. Es ist schon nicht dargetan, dass im Betrieb der Beklagten eine Vertretung iSv. 94 Abs. 1 SGB IX bestand. Im Übrigen führt eine Verletzung der sich aus § 95 Abs. 2 SGB IX ergebenden Beteiligungspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung(vgl. BAG 28. Juli 1983 - 2 AZR 122/82 - zu B der Gründe, BAGE 43, 210 [zu § 22 Abs. 2 SchwbG aF]).

68

III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Anträge des Klägers auf vorläufige Weiterbeschäftigung abgewiesen hat, hat es gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen. In diesem Punkt war die angefochtene Entscheidung ersatzlos aufzuheben.

69

1. Der Kläger hatte die Anträge auf vorläufige Weiterbeschäftigung nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung war nicht eingetreten. Das Landesarbeitsgericht hat den Kündigungsschutzantrag abgewiesen. Soweit es - laut den Ausführungen unter B. der Entscheidungsgründe - die Klage auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen hat, hat es über einen nicht gestellten Antrag entschieden. Damit hat es § 308 Abs. 1 ZPO verletzt. Die Vorschrift verbietet es, dem Kläger einen Anspruch abzuerkennen, den er nicht zur Entscheidung gestellt hat (BAG 20. Februar 2014 - 2 AZR 864/12 - Rn. 15; 7. November 1991 - 2 AZR 190/91 - zu B II 1 der Gründe; vgl. auch MüKoZPO/Musielak 4. Aufl. § 308 Rn. 17).

70

2. Die Beseitigung der daraus folgenden Beschwer konnte der Kläger trotz der wirksam erklärten Rücknahme der Hilfsanträge verlangen. Eines weiter gehenden Ausspruchs bedurfte es nicht. Das Urteil des Arbeitsgerichts ist, soweit dieses das erstinstanzlich in Gestalt eines Feststellungsantrags angebrachte Beschäftigungsverlangen abgewiesen hat, schon aufgrund der in der Berufungsinstanz erfolgen Umstellung in unechte, auf Leistung gerichtete Hilfsanträge wirkungslos geworden.

        

    Kreft    

        

    Niemann    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.