Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 18. Sept. 2014 - 7 Sa 142/14

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2014:0918.7SA142.14.0A
bei uns veröffentlicht am18.09.2014

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - Az. 5 Ca 1679/10 - vom 5. Dezember 2013 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren (zuletzt noch) über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 29.09.2010 sowie Annahmeverzugslohnansprüche der Klägerin und deren Abrechnung.

2

Die 1960 geborene Klägerin hat aus erster Ehe drei zum Kündigungszeitpunkt bereits erwachsene Kinder. Zum Kündigungszeitpunkt war sie in zweiter Ehe verheiratet. Zwischenzeitlich lebt sie von ihrem zweiten Ehemann getrennt.

3

Die Beklagte ist Anbieter von Medicalprodukten. Sie beschäftigt in der Regel mehr als zehn Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist am Standort C-Stadt gebildet.

4

Seit dem 28.08.1978 war die Klägerin bei der Beklagten als Arbeiterin (Produktionshelferin) am Standort C-Stadt beschäftigt. Die Klägerin führte Hand- und Maschinenarbeiten innerhalb der Produktion aus. Sie erzielte bei der Beklagten zuletzt ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von durchschnittlich 2.373,40 €.

5

Bis zum Ende des Jahres 2005 arbeitete die Klägerin in der Abteilung PVT-N1/Metalline. Nachdem diese Abteilung aufgrund einer Produktionsverlagerung zum 01.01.2006 bei der Beklagten wegfiel, wurde die Klägerin zum 01.01.2006 in die Abteilung PVT-N1/Imprägnierung versetzt.

6

Sodann wurde die Klägerin in der Division Produktion/Verfahrenstechnologie/Technik - Verbandstoff-Produktion eingesetzt. Dort wurde sie innerhalb der verschiedenen Abteilungen mit dem Falten und Verpacken von Metallineverbandtüchern und dem Verpacken von allgemeinen Verbandmitteln beschäftigt.

7

In den Jahren 2005 bis zum 21.10.2008 kam es zumindest zu folgenden aufgelisteten, unstreitigen krankheitsbedingten Fehltagen der Klägerin aufgrund folgender jeweils angegebenen Ursachen:

8

2005   

49 Tage

        

02.02.2005 -
25.02.2005

19

Wirbelsäulensyndrom im Bereich der linken Schulter/Arm,
Schlafstörungen, depressive Stimmungsschwankungen

13.06.2005 -
22.07.2005

30

Gastroenteritis

2006   

26

        

03.05.2006 -
26.05.2006

16

Oberbauchbeschwerden

08.08.2006 -
09.08.2006

2

Gastroenteritis

04.10.2006 -
13.10.2006

8

sogenannte Periarthritis homeroscopli
(Schultergelenkverletzung)

2007   

163

        

29.01.2007-
06.03.2007

27

akute Bronchitis,
Cystitis (Harnblasenentzündung),
ab 12.02.2007 zusätzlich Pyelonephritis
(Nierenbeckenentzündung)

ab 25.06.2007

136

Gastroenteritis, ab 06.07.2007 zudem HWS-Syndrom und
ab 13.07.2007 starke Kopfschmerzen (Cephalgie)

03.12.2007 -
04.12.2007

        

Gastroenteritis

2008   

129

        

01.02.2008 -
07.03.2008

26

HWS-Syndrom, Osteoporose
ab 27.02. - 07.03.2008 zusätzlich grippaler Infekt

29.05.2008 -
20.06.2008

17

starke Kopfschmerzen (Cephalgie), HWS-Syndrom,
Schwindel

26.06.2008 -
03.08.2008

27

Blockierung des Iliosakralgelenks,
ab 01.07.2008 zusätzlich Verdacht auf
Innenmeniskus-läsion sowie Gonarthrose links,
am 07.07.2008 Athroskopie des linken Kniegelenks,
am 03.08.2008 chronisches Lumbalsyndrom bei
segmentaler Blockierung, degenerativer Veränderung
und muskulärer Dysbalance

08.09.2008 -
18.10.2008

30

Schmerzen an den Füßen,
chronisches Lombalsyndrom,
chronische LWS-Schmerzen,
Blockierung des Iliosakralgelenks

9

Weitere Fehlzeiten (23. und 24.02.2006, 07. bis 31.08.2008 sowie 19.10. bis 09.11.2008) sind zwischen den Parteien streitig.

10

Die Klägerin legte in den Jahren 2007 und 2008 folgende ärztliche Atteste vor:

11

Dr. med. S. Z. bescheinigte der Klägerin am 24.08.2007 (Anlage B 4, Bl. 84 d. A.), dass sie sich in fachorthopädischer Behandlung wegen folgender Erkrankung befindet: "Pat. ist unseres Erachtens nur für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Zwangshaltungen und ohne Tragen und Heben oder Bewegen schwerer Gegenstände auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wieder arbeitsfähig bzw. umschulungsfähig."

12

Im ärztlichen Attest vom 04.09.2007 des Dr. med. Y. X. (Anlage B 5, Bl. 85 d. A.) ist ausgeführt:

13

"Frau W. leidet seit Jahren unter teilweise ausgeprägten chronischen Kopfschmerzen. Da die Gerüche und der erhöhte Lärmpegel auf ihrem momentanen Arbeitsplatz die Kopfschmerzen begünstigen, empfehle ich nervenärztlicherseits bei Frau W. einen Arbeitsplatzwechsel."

14

In einem ärztlichen Attest vom 15.02.2008 (Anlage B 6, Bl. 86 d. A.) bescheinigte Dipl-.med. V. U.:

15

"Die o. g. Patientin leidet unter chron. Spannungskopfschmerzen und rez. HWS-Beschwerden. Sie sollte keine schweren Lasten über 5 kg Heben und Tragen.
Starke Lärm- und Geruchsbelastung sollte gemieden werden. Außerdem keine Nachtschichtarbeit angeraten. Ein regelmäßiger Wechsel zwischen Sitzen / Stehen und Laufen wäre wünschenswert.
Gültigkeit: 25.02.08 - 31.12.08."

16

Durch ärztliches Attest vom 14.08.2008 (Anlage B 7, Bl. 87 d. A.) bescheinigte Dr. med. S. Z., dass sich die Klägerin in fachorthopädischer Behandlung wegen folgender Erkrankung befinde:

17

"Z. n. Arthroskopie des li. Kniegelenkes, arthroskopische Innenmeniskusteilresektion, Hoffateilreseketion, sowie Plicaresektion bei Knorpelschaden an der medialen Patellakante, starke Hoffathrophie und deg. Veränderungen im hinteren Innenmeniskusbereich (07.07.08, in Koblenz) chron. Lumbalsyndrom bei segmentaler Blockierung, degenerativer Veränderung und muskulärer Dysbalance Pat. ist unseres Erachtens nur für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Zwangshaltungen und ohne Tragen und Heben oder Bewegen schwerer Gegenstände, langes Stehen und häufiges Knien sollte vermieden werden."

18

Mit Schreiben vom 21.10.2008 (Anlage B 10, Bl. 90 d. A.) kündigte die Beklagte der Klägerin fristgemäß zum 31. Mai 2009 aus personenbedingten Gründen. In dem von der Klägerin eingeleiteten Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied, Az. 6 Ca 2002/08 erklärte die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 25.03.2009 unter anderem, "sie könne aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der sogenannten Imprägnierabteilung arbeiten und auch nicht in der Strickerei, wo sie zuletzt eingesetzt gewesen sei". "Eine leidensgerechte Beschäftigungsmöglichkeit bestünde aber in der Abteilung Verband- und Pflasterstoffe (PVT-N2)". "Sie sei gesundheitlich in der Lage, in der Verband- und Pflasterstoffabteilung (PVT-N2) ihre arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Wegen der dort bestehenden Geräuschbelastung werde sie die bereit stehenden Ohrstöpsel tragen. Sie habe auch nicht mehr als 5 kg zu heben. Sofern solche Pakete zu packen seien, werde sie diese mit Hilfe einer Kollegin oder eines Kollegen anheben". Die Parteien schlossen sodann am 25.03.2009 einen gerichtlichen Vergleich folgenden Inhalts:

19

"1. Die Parteien sind darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbesteht.
2. Die Klägerin wird ab dem 30.03.2009 in der Abteilung PVT-N2 (Pflaster) bei der Beklagten eingesetzt.
3. Die Klägerin wird sich bis spätestens Donnerstag, den 26.03.2009 bei dem Abteilungsleiter, Herrn T., melden zwecks Schichteinteilung für den Zeitraum ab 30.03.2009.
4. Damit ist der Rechtsstreit erledigt."

20

Nach Vergleichsabschluss wurde die Klägerin in die Abteilung PVT-N2, Gruppe "Opraflex", geleitet von Herrn R., versetzt und nahm ihre Tätigkeit in dieser Abteilung auf.

21

Zum 01.06.2009 wurde die Klägerin sodann in die Gruppe "Pflaster", geleitet von Frau Q., versetzt und dort im Wesentlichen mit der Maschinenbedienung in der Pflasterfertigung, Verpackungs- und Kontrolltätigkeiten sowie Reinigung/Wartung/Pflege beschäftigt.

22

Nach Schreiben der Klägervertreter vom 10. September 2009 bzw. vom 17. Dezember 2009 wurde die Klägerin ab Mitte Januar 2010 wieder in der Gruppe "Opraflex" eingesetzt.

23

Nach dem Ausspruch der Kündigung vom 21.10.2008 kam es zu folgenden weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin mit den angegebenen Ursachen:

24

11.11.2008 -
19.12.2008

 29

Harnwegsinfekt,
ab 28.11.2008 zusätzlich Pilzerkrankung (Mykose) sowie
Gastroenteritis

2009   

82

        

20.01.2009 -
20.02.2009

24

wie zuvor, ab 26.01.2009 zusätzlich grippaler Infekt
sowie HWS-Syndrom

26.02.2009 -
03.03.2009

4

Gastroenteritis

30.06.2009 -
31.07.2009

24

Interkostalneuralgie (Nervenschmerz der Brustwand
entlang eines Zwischenrippennerven)

09.11.2009 -
18.12.2009

30

grippaler Infekt, stark anhaltende Kopfschmerzen
(Cephalgie), HWS-Syndrom

bis 29.09.2010

49

        

16.03.2010 -
26.03.2010

9

schwere Bronchitis bzw. Lungenentzündung

12.04.2010 -
30.04.2010

15

schwere Bronchitis bzw. Lungenentzündung

09.08.2010 -
12.09.2010

25

Frauenleiden

25

In einer von der Klägerin vorgelegten medizinischen Bescheinigung vom 03.03.2009 des Dr. med. S. Z. (Anlage B 8, Bl. 88 d. A.) heißt es unter anderem:

26

"Chronisches Lumbalsyndrom bei deg. Veränderungen und muskulärer Dysbalance mäßige Gonarthrose beidseits Z. n. Arthroskopie des li. Kniegelenkes, arthroskopische Innenmeniskusteilresektion, Hoffateilresketion, sowie Plicaresektion bei Knorpelschaden an der medialen Patellakante, starke Hoffathrophie und deg. Veränderungen im hinteren Innenmeniskusbereich (07.07.08, in Koblenz) Cervicalsyndrom bei segmentaler Blockierung, degenerativen Veränderungen und muskuläre Dysbalance Pat. ist unseres Erachtens nur für körperlich leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Zwangshaltungen und ohne Tragen und Heben oder Bewegen schwerer Gegenstände arbeitsfähig. Es sollte darauf geachtet werden, das die Patientin eine Arbeit verrichtet, wo sie nicht dauerhaft steht, sondern es sollte eine Arbeit sein, wo im Wechsel sitzt, geht und steht."

27

Hinsichtlich der Fehlzeiten im Jahr 2010 legte die Klägerin ärztliche Schreiben der Radiologie N., Dr. J. P. u. a. vom 15.04.2010 (Bl. 221 d. A.), des Dr. med. N. M. vom 20.03.2010 (Bl. 222 d. A.) und des Dr. med. L. K. vom 31.05.2011 (Bl. 223 d. A.) vor, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

28

Mit Schreiben vom 29.09.2010 (Anlage B 16, Bl. 100 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis nach ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats, der der Kündigung am 20.09.2010 widersprach (Anlage B 15, Bl. 98 f. d. A.), (erneut) ordentlich zum 30.04.2011. Gegen diese Kündigung wandte sich die Klägerin mit ihrer am 19.10.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage.

29

Seit dem 08.05.2011 bezieht die Klägerin aufgrund des Bewilligungsbescheides der Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit C-Stadt vom 19.05.2011 (Bl. 330 d. A.) Arbeitslosengeld in Höhe von täglich 36,35 €.

30

Hinsichtlich des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.12.2013, Az. 5 Ca 1679/10 (Bl. 563 ff. d. A.).

31

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

32

festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Kündigungsschreiben vom 29.09.2010 ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30.04.2011 beendet wird, sondern über den 30.04.2011 hinaus fortbesteht;

33

die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes endgültiges Zeugnis zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt;

34

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Mai 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für Mai 2011 2.255,00 € brutto abzüglich 836,05 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen;

35

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin für den Monat Juni 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für Juni 2011 2.255,00 brutto abzüglich 1.090,50 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2011 zu zahlen;

36

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Juli 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für Juli 2011 2.255,00 brutto abzüglich 1.090,50 Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2011 zu zahlen;

37

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat August 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für August 2011 2.255,00 € brutto abzüglich 1.090,50 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2011 zu zahlen;

38

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat September 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für September 2011 2.255,00 € brutto abzüglich 1.090,50 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2011 zu zahlen;

39

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Oktober 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für Oktober 2011 2.255,00 € brutto abzüglich 1.090,50 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2011 zu zahlen.

40

Die Beklagte hat beantragt,

41

die Klage abzuweisen.

42

Das Arbeitsgericht Koblenz hat Beweis erhoben durch die Einholung von insgesamt drei medizinischen Sachverständigengutachten. Wegen des Ergebnisses der erstinstanzlichen Beweisaufnahme wird auf das fachorthopädische Gutachten des Dr. med. E. I. vom 13.10.2011 (Bl. 247 ff. d. A.), das nervenärztliche Gutachten des Dr. med. A. H. vom 31.07.2012 (Bl. 392 ff. d. A.) sowie das fachärztliche Gutachten des Dr. med. W. G., Arzt für Chirurgie vom 01.10.2012 (Bl. 406 ff. d. A.) Bezug genommen.

43

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 05.12.2013 zur Erteilung eines qualifizierten endgültigen Zeugnisses, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

44

Zur Begründung hat das Arbeitsgericht - zusammengefasst - ausgeführt:

45

Die seitens der Beklagten gegenüber der Klägerin ausgesprochene ordentliche krankheitsbedingte Kündigung vom 29.09.2010 habe das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 30.04.2011 beendet. Die Kündigung sei jedenfalls als krankheitsbedingte und damit als personenbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt im Sinn von § 1 Abs. 1 und 2 S. 1 KSchG. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts habe die Überprüfung einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankung in folgenden drei Stufen zu erfolgen: Auf der ersten Stufe sei eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Die prognostizierten Fehlzeiten seien nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führten, was als Teil des Kündigungsgrundes (2. Stufe) festzustellen sei. Liege eine solche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor, so sei in einem dritten Prüfungsschritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs hätten objektive Tatsachen vorgelegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten ließen. Vorliegend sei zunächst die Präzisierung der Krankheitszeiten seitens der Beklagten nach Zahl, Dauer sowie zeitlicher Folge ausreichend gewesen. Weder die drei medizinischen Gutachten noch die seitens der Klägerin detailliert geschilderten Krankheitsbilder betreffend die jeweiligen Fehlzeiten seien geeignet, entsprechende weitere Fehlzeiten in der Zukunft zu widerlegen. Zwar könnte zur Abwicklung der negativen Prognose das Ergebnis der drei Gutachten, nämlich dass zukünftig nicht von erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin im Hinblick auf deren Gesundheitszustand ausgegangen werden könnte, herangezogen werden. Dies würde jedoch außer Acht lassen, dass sämtliche Gutachter nicht nachvollziehen könnten, warum es im Hinblick auf den körperlichen Zustand der Klägerin in der Vergangenheit überhaupt zu Arbeitsunfähigkeitszeiträumen gekommen sei. Maßnahmen, die die orthopädischen Leiden der Klägerin beseitigt hätten, seien, mit Ausnahme der Knie-OP im Jahr 2008, nicht ergriffen worden. Gerade dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin in der Vergangenheit seitens der Gutachter nicht nachvollzogen werden könnten, zeuge letztlich davon, dass der Arbeitgeber der Gefahr ausgesetzt sei, dass die Klägerin entgegen ihres körperlichen Zustandes weiterhin entsprechende Fehlzeiten aufweisen werde. Selbst wenn man von einer positiven Zukunftsprognose hinsichtlich der orthopädischen Fehlzeiten ausginge, ließen die übrigen Fehlzeiten und deren Ursachen insgesamt eine positive Beurteilung dennoch nicht zu. Nach Überzeugung der Kammer sei von einer gewissen Krankheitsanfälligkeit der Klägerin auszugehen. Schon daraus ergebe sich eine Wiederholungsgefahr für weitere Ausfallzeiten. Zur Beurteilung der Negativprognose habe auch auf die Fehlzeiten vor 2009 zurückgegriffen werden können. Diese Krankheitszeiträume seien nicht "verbraucht" worden.

46

Im Hinblick auf die angefallenen Entgeltfortzahlungskosten sei auch die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen zu bejahen. Bis zum Zeitpunkt der Kündigung sei Entgeltfortzahlung von insgesamt 47.010,91 € geleistet worden, da alljährlich in einem Zeitraum von mehr als 6 Wochen pro Jahr Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe - dies auch ohne Berücksichtigung orthopädischer Erkrankungen. Auch die vorzunehmende Interessenabwägung führe hier zu einer Wirksamkeit der ordentlichen krankheitsbedingten Kündigung.

47

Die Klägerin habe gegen die Beklagte jedoch einen Anspruch auf Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Arbeitszeugnisses nach § 109 Abs. 1 GewO.

48

Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz (Bl. 574 ff. d. A.) Bezug genommen.

49

Das genannte Urteil ist der Klägerin am 26.02.2014 zugestellt worden. Sie hat hiergegen mit einem am 24.03.2014 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt und diese innerhalb der durch Beschluss vom 25.04.2014 bis zum 28.05.2014 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 28.05.2014 durch Schriftsatz vom 27.05.2014 begründet.

50

Zur Begründung der Berufung macht die Klägerin nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 620 ff. d. A.) zusammengefasst geltend,
entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei keine negative Gesundheitsprognose gegeben. Das Arbeitsgericht habe sich nicht nur in Widerspruch zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme bzw. in Widerspruch zu den im Rahmen der Beweisaufnahme eingeholten Sachverständigengutachten gesetzt. Vor allem sei das Arbeitsgericht auch von falschen medizinischen Einschätzungen ausgegangen bzw. habe falsche medizinische Sachverhalte unterstellt. Aufgrund der eingeholten drei Gutachten habe das erstinstanzliche Gericht zwangsläufig in Bezug auf ihre orthopädischen Beschwerden bzw. Beeinträchtigungen zu dem Ergebnis kommen müssen, eine positive Gesundheitsprognose zu bejahen. Eine retrospektive Betrachtung der Fehlzeiten aus den Jahren 2007 und 2008 sei für den Gutachter Dr. I. nicht möglich gewesen. Rechtsfehlerhaft habe das Gericht schließlich die Bejahung der negativen Gesundheitsprognose auf die übrigen - also nicht orthopädisch bedingten - Fehlzeiten gestützt. Dies ergebe sich schon daraus, dass es sich bei sämtlichen sonstigen Erkrankungen um Erkrankungen gehandelt habe, die jeweils vollständig ausheilten und auch bei anderen Arbeitnehmern regelmäßig aufträten. Diese Erkrankungen könnten mithin nicht gegen eine positive Gesundheitsprognose sprechen.

51

Im Rahmen der Gesundheitsprognose sei auch zu berücksichtigen, dass die Fehlzeiten aus dem Jahr 2009 ausschließlich dadurch bedingt gewesen seien, dass sie zuvor von Seiten der Beklagten nicht an dem gemäß dem Vergleich vorgesehenen Arbeitsplatz eingesetzt worden sei. Die Fehlzeiten im Jahr 2010 hätten nichts mit irgendwelchen orthopädischen Beschwerden zu tun gehabt. So habe den Fehlzeiten im Zeitraum vom 16.03.2010 bis 26.03.2010 bzw. im Zeitraum vom 12.04.2010 bis 30.04.2010 ein und dieselbe Erkrankung, nämlich eine schwere Bronchitis/Lungenentzündung zugrunde gelegen. Die weiteren 25 Fehltage im Zeitraum vom 09.08.2010 bis 12.09.2010 hätten auf einem Frauenleiden beruht.

52

Die Klägerin beantragt zweitinstanzlich zuletzt,

53

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 05.12.2013 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die mit Kündigungsschreiben vom 29.09.2010 ausgesprochene ordentliche Kündigung zum 30.04.2011 beendet wird, sondern über den 30.04.2011 hinaus fortbesteht;

54

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Mai 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für Mai 2011 einen Betrag in Höhe von 2.255,00 € brutto abzüglich einen Betrag in Höhe von 836,05 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen;

55

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Juni 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für Juni 2011 einen Betrag in Höhe von 2.255,00 € brutto abzüglich einen Betrag in Höhe von 1.090,50 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen;

56

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Juli 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für Juli 2011 einen Betrag in Höhe von 2.255,00 € brutto abzüglich einen Betrag in Höhe von 1.090,50 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen;

57

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat August 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für August 2011 einen Betrag in Höhe von 2.255,00 € brutto abzüglich einen Betrag in Höhe von 1.090,50 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen;

58

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat September 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für September 2011 einen Betrag in Höhe von 2.255,00 € brutto abzüglich einen Betrag in Höhe von 1.090,50 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen;

59

die Beklagte zu verurteilen, ihr für den Monat Oktober 2011 ordnungsgemäß Abrechnung zu erteilen und ihr für Oktober 2011 einen Betrag in Höhe von 2.255,00 € brutto abzüglich einen Betrag in Höhe von 1.090,50 € Arbeitslosengeld nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2011 zu zahlen.

60

Die Beklagte beantragt,

61

die Berufung zurückzuweisen.

62

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 01.07.2014, auf den ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 644 ff. d. A.), als rechtlich zutreffend. Eine negative Gesundheitsprognose für die Klägerin liege vor. Dass alle Gutachter die ganz erheblichen Arbeitsunfähigkeitszeiten in den Jahren 2005 bis 2009 im Hinblick auf den körperlichen Zustand der Klägerin nicht nachvollziehen könnten, zeige bereits, dass sie konkret der Gefahr ausgesetzt sei, dass die Klägerin in Zukunft, entgegen ihres körperlichen Zustandes, weiterhin entsprechende Fehlzeiten aufweisen werde. Hinsichtlich der Fehlzeiten im Jahr 2010 liege kein Nachweis für eine Lungeninfiltration vor, die Klägerin sei wohl (lediglich) an einer Bronchitis erkrankt gewesen. Auch allein die Fehlzeiten ohne orthopädischen Ursprung seien ein Indiz dafür, dass keine positive Gesundheitsprognose für die Klägerin im vorliegenden Fall gegeben sein könne. Auch wenn möglicherweise einzelne Krankheiten ausgeheilt seien, spreche dies nicht gegen eine negative Gesundheitsprognose. Die Klägerin habe auch nicht irgendwie versucht, der Krankheitsanfälligkeit, die offensichtlich vor-liege, durch medizinische Maßnahmen vorzubeugen.

63

Ihre, der Beklagten, betrieblichen Interessen seien beeinträchtigt, da von ihr Entgeltfortzahlungskosten im Zeitpunkt der Kündigung in Höhe von insgesamt 47.010,91 € geleistet worden seien. Außerdem sei - auch wenn man die orthopädischen Erkrankungen der Klägerin nicht berücksichtige - alljährlich ein Zeitraum von 6 Wochen überschritten worden, in dem Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe.

64

Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 18. September 2014 (Bl. 650 ff. d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

65

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie erweist sich auch sonst als zulässig.

B.

66

In der Sache hatte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage hinsichtlich des Kündigungsschutzantrags und der Zahlungs- und Abrechnungsanträge abgewiesen.

I.

67

Das Arbeitsverhältnis ist durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 29.09.2010 mit Ablauf des 30.04.2011 rechtswirksam beendet worden.

68

Nach den vom 2. Senat des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung wegen häufiger (Kurz-) Erkrankungen entwickelten Grundsätzen (vgl. nur BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 656 unter B.I.2.a; vom 07.11.2002 - 2 AZR 599/01 - AP KSchG 1969 § 1 Krankheit Nr. 40 unter B.I.2.b; vom 20.01.2000 - 2 AZR 378/99 - NZA 2000, 768 unter B.III.2, jeweils m. w. N.) ist die Wirksamkeit einer Kündigung wegen häufiger (Kurz-)Erkrankungen in drei Stufen zu prüfen: Danach ist zunächst - erste Stufe - eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen, und zwar abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt, objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzulegen, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er seiner prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und wenn er die behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet. Alsdann ist es Sache des Arbeitgebers, den Beweis für das Vorliegen einer negativen Gesundheitsprognose zu führen. Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, etwa durch zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen im Jahr übersteigende Entgeltfortzahlungskosten, zu einer derartigen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen. Liegt eine solche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vor, so ist in einem dritten Prüfungsschritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen. Dabei ist unter anderem zu berücksichtigen, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zunächst ungestört verlaufen ist, ob der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält und etwa neben Betriebsablaufstörungen auch noch hohe Entgeltfortzahlungskosten aufzuwenden hatte. Ferner sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten sowie ggfs. eine Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (vgl. insbesondere BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 656 unter B.I.2.a m. w. N.).

69

Das Arbeitsgericht hat unter Hinweis auf die krankheitsbedingten Fehlzeiten und die Erkrankungen der Klägerin zu Recht eine negative Gesundheitsprognose, das heißt die Besorgnis von weiteren Erkrankungen im bisherigen Umfang für indiziert erachtet und diese Indizwirkung nicht als erschüttert angesehen.

70

Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 29.09.2010 war damit zu rechnen, dass die Klägerin auch zukünftig jährlich in erheblichem Umfang krankheitsbedingt fehlen würde. Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-) Erkrankungen auf, sprechen diese für ein entsprechendes Erscheinungsbild auch in der Zukunft. Der Arbeitgeber darf sich in solchen Fällen zunächst darauf beschränken, die Fehlzeiten in der Vergangenheit darzustellen und zu behaupten, in Zukunft seien Krankheitszeiten in entsprechendem Umfang zu erwarten (BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.b) aa) (2) m. w. N.). Indem die Beklagte die Krankheitszeiten der Klägerin präzisiert nach Zahl, Dauer sowie zeitlicher Folge vorgetragen und die negative Zukunftsprognose dargestellt hat, ist sie im vorliegenden Rechtsstreit ihrer Darlegungslast nachgekommen.

71

Hierbei konnte die Beklagte einen Prognosezeitraum vom Jahr 2005 bis September 2010 wählen. Es ist nicht auf einen "starren" Prognosezeitraum etwa von zwei oder drei Jahren abzustellen. Ein langer Beobachtungszeitraum von hier 5 ¾ Jahren ermöglicht bei häufigen (Kurz-) Erkrankungen eine gesicherte Prognose für die Zukunft.

72

Einer negativen Prognose steht auch nicht entgegen, dass die Fehlzeiten der Klägerin auf zahlreichen verschiedenen prognosefähigen Erkrankungen beruhen. Solche verschiedenen Erkrankungen können den Schluss auf eine gewisse Krankheitsanfälligkeit des Arbeitnehmers zulassen und damit eine negative Prognose begründen (BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.b) aa) (2)).

73

Unter Berücksichtigung der Fehlzeiten in der Vergangenheit spricht nach Auffassung der Kammer hier alles für eine negative Gesundheitsprognose. Bereits bei einer isolierten Betrachtung der nicht auf orthopädischen Ursachen beruhenden Erkrankungen liegt bei der Klägerin eine gewisse Krankheitsanfälligkeit vor. Schon aus diesen Fehlzeiten, die nicht auf orthopädischen Ursachen beruhen, ergibt sich eine Wiederholungsgefahr für weitere Ausfallzeiten. Dies gilt umso mehr, als diese bisherigen Fehlzeiten nichtorthopädischen Ursprungs vor allem auf Erkältungs- bzw. Entzündungserkrankungen basieren. Bei solchen Erkrankungen liegt - wenn nicht besondere Therapiemaßnahmen (beispielsweise Operationen) ergriffen worden sind - grundsätzlich die Gefahr einer Wiederholung nahe, selbst wenn die akuten Erkrankungsfälle ausgeheilt sind. Sie zeugen von einer gewissen Anfälligkeit.

74

Anders verhält es sich nur mit solchen Fehlzeiten, die auf einem einmaligen Ereignis beruhen und keine Prognose für die zukünftige Entwicklungen zulassen (vgl. BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.b) aa) (3)). Im Fall der Klägerin sind lediglich die krankheitsbedingten Fehlzeiten, die durch den Verdacht auf Innenmeniskusläsion und die Innenmeniskusoperation vom 07.07.2008 bedingt sind, nicht prognosefähig. Die Operation ist ein einmaliges Ereignis, eine Prognose für die Zukunft ist nicht möglich.

75

Wenn man die Fehlzeiten im Zusammenhang mit der Innenmeniskusoperation nicht berücksichtigt, verbleiben über den Zeitraum von etwa 5 ¾ Jahren umfangreiche und über einen Zeitraum von sechs Wochen hinausgehende Fehlzeiten nicht orthopädischer Art in den Jahren 2005 bis 2010. Diese indizieren eine Wiederholungsgefahr für die Zukunft. Zwar sind die Erkältungs- bzw. Entzündungskrankheiten solche, die jeden Arbeitnehmer einmal treffen. Ungewöhnlich ist jedoch die Häufung, das Hinzukommen weiterer Erkrankungen während eines Arbeitsunfähigkeitszeitraums sowie vor allem der langwierige Verlauf dieser Erkrankungen und die Anzahl der hieraus resultierenden Fehltage bei der Klägerin.

76

Der Beklagten war es durch den Vergleich im vorangegangenen Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Koblenz - Auswärtige Kammern Neuwied - vom 25.03.2009, Az. 6 Ca 2002/08 nicht verwehrt, die vor der ersten Kündigung vom 21.10.2008 entstandenen Fehlzeiten ihrer Prognose zugrunde zu legen. Grundsätzlich können Fehlzeiten, die bereits zur Begründung einer früheren krankheitsbedingten Kündigung herangezogen worden sind und die in einem Vorprozess die notwendige negative Gesundheitsprognose noch nicht belegen konnten, zur Begründung einer erneuten negativen Gesundheitsprognose und krankheitsbedingten Kündigung herangezogen werden (BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655). Der am 25.03.2009 geschlossene Vergleich enthält auch keine Einigung dahingehend, dass die Beklagte etwa darauf verzichtet hätte, die vergangenen Fehlzeiten zur Begründung einer negativen Prognose bei einer weiteren Kündigung heranzuziehen. Streitgegenstand des arbeitsgerichtlichen Verfahrens waren gerade nicht die vergangenen Fehlzeiten, sondern die Wirksamkeit einer hierauf gestützten personenbedingten Kündigung. Lediglich der Streit der Parteien über die Wirksamkeit dieser Kündigung wurde durch den Vergleichsabschluss beseitigt, der Rechtsstreit hierüber erledigt.

77

Die vor der ersten Kündigung liegenden Fehlzeiten belegen die Krankheitsanfälligkeit der Klägerin. Die erneuten krankheitsbedingten Fehlzeiten der Klägerin nach dem Vergleichsabschluss zeigen jedoch, dass die aus den früheren Fehlzeiten zu gewinnende Indizwirkung für die Zukunft gerade wieder bestätigt wird.

78

Auch die krankheitsbedingten Fehlzeiten in den Jahren 2009 und 2010 sind in quantitativer Hinsicht geeignet, eine Kündigung zu begründen. Die Krankheitszeiträume von 82 Tagen im Jahr 2009 sowie von 49 Tagen in den ersten drei Monaten des Jahres 2010 übersteigen deutlich den 6-Wochen-Zeitraum des § 3 Abs. 1 S. 1 EFZG.

79

Die Fehlzeiten der Klägerin in der Vergangenheit, die nach ihrem Vortrag auf orthopädischen Ursachen beruhen, indizieren ebenfalls eine Wiederholungsgefahr für die Zukunft.

80

Die Klägerin hat die Indizwirkung der in der Vergangenheit angefallenen Arbeitsunfähigkeitszeiten nicht ausreichend erschüttert. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gemäß § 138 Abs. 2 ZPO darzutun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist, wobei er dieser prozessualen Mitwirkungspflicht schon dann genügt, wenn er die Behauptungen des Arbeitgebers nicht nur bestreitet, sondern seinerseits vorträgt, die ihn behandelnden Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung positiv beurteilt, und die ihn behandelnden Ärzte von der Schweigepflicht entbindet.

81

Soweit die Klägerin meint, ihre Erkältungs- und Entzündungskrankheiten seien ausgeheilt, kann dies die vorliegende negative Prognose nicht erschüttern. Sie hat insbesondere nicht behauptet, ein behandelnder Arzt habe die Gesundheitsprognose bezüglich aller prognosefähiger Krankheiten insgesamt positiv beurteilt. Sie hat nicht vorgetragen, dass und weshalb trotz der wiederholt aufgetretenen Fehlzeiten in Zukunft nicht mehr mit ähnlichen Erkrankungen zu rechnen ist.

82

Lediglich hinsichtlich der in den ärztlichen Attesten des Dr. med. S. Z., des Dr. med. E.-M. X. und der Dipl-Med. U. U. attestierten Erkrankungen hat die Klägerin erklärt, in der Abteilung Verband- und Pflasterstoffe (PVT-N2) beschwerdefrei arbeiten zu können.

83

Hinsichtlich der sonstigen Erkältungs- und Entzündungskrankheiten hat sie sich darauf beschränkt, vorzutragen, die Erkrankungen in der Vergangenheit aus den Jahren 2009 und 2010 seien ausgeheilt, im Übrigen handele es sich um Erkrankungen, die jeden Arbeitnehmer einmal träfen. Es mag sein, dass die einzelnen Erkrankungen (mehrfach Gastroenteritis, Oberbauchbeschwerden, Schultergelenksverletzung, mehrfach Bronchitis bzw. nach dem Vortrag der Klägerin zusätzlich Lungenentzündung, Harnblasenentzündung, Gastroenteritis, grippaler Infekt, Blockierung des Iliosakralgelenks, Harnwegsinfekt, Pilzerkrankung, Interkostalneuralgie sowie Frauenleiden) tatsächlich ausgeheilt sind. Allerdings lässt sich aus der Häufigkeit und Dauer der Erkältungs- und Entzündungserkrankungen schließen, dass die Klägerin zu bestimmten Erkrankungen und einem lang andauernden Verlauf "neigt" und deshalb eine besondere Krankheitsanfälligkeit vorliegt. Aus der Gesamtheit des Krankheitsbildes der Klägerin ergibt sich für die Kammer, dass auch in Zukunft mit weiteren überdurchschnittlich umfangreichen Erkrankungen der Klägerin zu rechnen ist. Wollte man sämtliche Erkrankungen, die individuell ausgeheilt und nicht in regelmäßigen Abständen wieder aufgetreten sind, auch bei einer Kündigung wegen häufiger (Kurz-) Erkrankungen für die Feststellung einer negativen Gesundheitsprognose nicht mehr heranziehen, würde man es einem Arbeitgeber in Bezug auf einen krankheitsanfälligen Arbeitnehmer, der immer nur Kurzerkrankungen aufweist, unmöglich machen, eine krankheitsbedingte Kündigung auszusprechen. Typisch für Kurzerkrankungen ist gerade, dass diese naturgemäß ausheilen (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.11.2005 - 3 Sa 320/05 - NZA-RR 2006, 129, 130). Um die auf Infektanfälligkeit zurückzuführende Erwartung weiterer erheblicher Fehlzeiten und eine sich aus besonderer Krankheitsanfälligkeit ergebende negative Gesundheitsprognose zu erschüttern, reicht das Vorbringen der Klägerin, einzelne Erkrankungen seien ausgeheilt, nicht aus. Die Klägerin hätte zumindest im Einzelnen konkret vortragen müssen, dass die Ärzte ihre gesundheitliche Entwicklung insgesamt positiv beurteilt hätten (LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 03.11.2005 - 3 Sa 320/05 - NZA-RR 2006, 129, 130). Sie hätte zumindest darlegen müssen, vor welchem Hintergrund gegebenenfalls aufgrund welcher neuen Kausalverläufe trotz der hohen Krankheitszeiten sie oder ihre Ärzte für die Zukunft von einer insgesamt positiven Entwicklung ausgehen. Daher besteht auch zukünftig die Gefahr, dass die Klägerin aufgrund von Entzündungs- und Erkältungserkrankungen wieder in erheblichem Umfang ausfallen wird.

84

Soweit die Klägerin hinsichtlich der wiederholten Erkrankungen an Gastroenteritis in den Jahren 2007 bis 2009 darauf hinweist, dass insoweit gegebenenfalls eine gewisse Anfälligkeit im Hinblick auf ihre Trennung bzw. Scheidung und die hiermit einhergehenden finanziellen Probleme gegeben gewesen sei, lässt dieser pauschale, auf mehrere Kalenderjahre bezogene Vortrag eine Überprüfung der konkreten zeitlichen Zusammenhänge nicht zu. Außerdem war die Klägerin auch bereits vor dem von ihr angeführten 3-Jahreszeitraum vom 13.06.2005 bis 22.07.2005 und vom 08.08.2006 bis 09.08.2006 an Gastroenteritis sowie vom 03.05.2006 bis zum 26.05.2006 an Oberbauchbeschwerden erkrankt.

85

Die Klägerin hat die negative Gesundheitsprognose auch nicht dadurch erschüttert, dass sie sich die Ausführungen der Sachverständigen Dr. I., Dr. G. und Dr. H. zu eigen gemacht hat. Zwar kommt der Gutachter Dr. E. I. in dem vom Arbeitsgericht eingeholten Gutachten vom 13. Oktober 2011 zu dem Ergebnis, "dass bei einer Fortsetzung der Tätigkeit als Produktionsmitarbeiterin in der Abteilung PVT-N 2 Pflaster, Gruppe Opraflex (unter Berücksichtigung der vorliegenden Arbeitsplatzbeschreibung, u. a. Bl. 204 ff. der Akte) aus rein orthopädischer Sicht nicht mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen ist." Der Gutachter Dr. E. I., der sich ausdrücklich nur zu zukünftigen Fehlzeiten aus orthopädischen Gründen äußert, führt jedoch weiter aus, dass "jedoch auch keine Gründe aus orthopädischer Sicht für frühere krankheitsbedingte Fehlzeiten bis auf den etwa 8-wöchigen postoperativen Zeitraum nach Arthroskopie des linken Kniegelenkes vom 07.07.2008" bestehen. Bestehen jedoch aus Sicht des Sachverständigen rückblickend keine orthopädischen Gründe für die Fehlzeiten in der Vergangenheit, schließt dies gleichartige Fehlzeiten in der Zukunft gerade nicht aus. Vielmehr indizieren in diesem Fall die Fehlzeiten in der Vergangenheit weitere hohe Fehlzeiten in der Zukunft, sofern keine Veränderung hinsichtlich der Krankheitsanfälligkeit der Klägerin eingetreten ist. Wenn kein orthopädisches Leiden vorgelegen hat und es dennoch seit 2005 zu regelmäßigen fachorthopädischen Behandlungen sowie zu hohen, von den Fachärzten attestierten Fehlzeiten gekommen ist, ist davon auszugehen, dass es auch in Zukunft ohne Veränderung der Umstände und Maßnahmen zur Verringerung der Krankheitsanfälligkeit der Klägerin zu entsprechenden Fehlzeiten kommen wird. Der Gutachter hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass "von einer 'Ausheilung der bestehenden Leiden' (…) keine Rede sein [kann], da (…) bedeutsame Funktionseinschränkung des Haltungs- und Bewegungsapparates weder aus der Aktenlage noch aufgrund des heutigen klinischen Untersuchungsbefundes und Befundung der Fremdbilder hervorgehen." Soweit die Klägerin bestreitet, dass der Gutachter Dr. I. im Nachhinein überhaupt eine derartige Aussage treffen könne, weil die krankheitsbedingten Ausfälle schon mehr als drei, teilweise schon sechs Jahre zurücklägen, ist darauf hinzuweisen, dass der Gutachter "bezogen auf das Alter der Versicherten (…) erstaunlicherweise nur minimale degenerative Veränderungen" feststellen konnte. Der Gutachter konnte daher rückblickend zumindest solche Erkrankungen orthopädischer Art in der Vergangenheit ausschließen, die nur beim Vorliegen degenerativer Veränderungen auftreten können oder solche degenerativen Veränderungen zur Folge haben.

86

Für eine fortbestehende Krankheitsanfälligkeit der Klägerin spricht auch, dass die Klägerin trotz - nach Darstellung des Sachverständigen - nicht vorliegender zu bedeutsamen Funktionseinschränkungen führenden Erkrankungen selbst gegenüber Dr. E. I. aktuelle Schmerzen in beiden Kniegelenken, "ein bisschen Kopfschmerzen" und im Bereich der Halswirbelsäule angegeben hat. Auch hat sie ihre subjektive Schmerzeinschätzung gegenüber dem Sachverständigen auf der VAS-Schmerzskale (0 - 10) mit einem Durchschnittsschmerz von 5 trotz Einnahme von Medikamenten angegeben. Schließlich nahm die Klägerin im Zeitpunkt der Gutachtenerstellung die Medikamente Thyronajod 50 ½ / Tag, Syneudon 50 1x1, Omeprazol 1x1, Orgametril 5 1x1 und Arcoxia 90 1x1 /Tag ein, obwohl der Gutachter ein orthopädisches Leiden nicht diagnostizieren konnte.

87

Der Gutachter Dr. G. ist zum Ergebnis gekommen, dass "aus chirurgischer Sicht noch leichte körperliche Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ausführbar sind, ebenso auch länger dauernde sitzende Tätigkeiten bzw. länger dauernde stehende und gehende Tätigkeiten, wenn zwischenzeitlich die Möglichkeit zum Hinsetzen besteht. Auch zeitweilige mittelschwere körperliche Belastungen sind ohne weiteres noch zumutbar." Die Arbeitsanforderungen an ihrem Arbeitsplatz seien "aus chirurgischer Sicht noch vollschichtig ausführbar." Aus chirurgischer Sicht ergäben sich keine Hinweise für zu erwartende gehäufte Arbeitsunfähigkeitszeiten. Längerfristig sei mit der Implantation einer Knieprothese links, später auch rechts zu rechnen. Aus aktueller Sicht sei ein Zeitpunkt nicht eingrenzbar. Mit einem entsprechenden Eingriff sei kurz- bis mittelfristig nicht zu rechnen. "Auch restrospektiv [sei] bei dem Kündigungsausspruch am 29.09.2010 aus objektiver Sicht nicht davon auszugehen [gewesen], dass es aufgrund der vorliegenden Gesundheitsstörungen zu gehäuften Arbeitsunfähigkeitszeiten" komme. "Laut fachorthopädischem Gutachten von Herrn Dr. I., Orthopäde, E-Stadt vom 13.10.2011 (Blatt 247 ff Band 2 der Gerichtsakten [würden] keine Gründe gesehen für die vorausgehenden häufigen Krankschreibungen. In dem genannten Gutachten wird ausgeführt, dass aus rein orthopädischer Sicht im weiteren Verlauf nicht mit weiteren krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen sei. Insofern besteht mit dem genannten Gutachten im Wesentlichen Übereinstimmung". Der Gutachter Dr. G. vermag somit keinen triftigen Grund aus chirurgischer Sicht für die vor Kündigungsausspruch angefallenen Fehlzeiten anzugeben. Auf der Grundlage seines Gutachtens kann, da keine Ursache für die Fehlzeiten in der Vergangenheit angegeben werden konnte und im Hinblick auf die Verursachung etwaiger Fehlzeiten in der Zukunft beseitigt werden kann, ebenfalls nicht die Indizwirkung der Fehlzeiten in der Vergangenheit für die Zukunft erschüttert werden. Eine Änderung des Gesundheitszustandes der Klägerin im Sinne einer Verbesserung gegenüber dem Gesundheitszustand vor Ausspruch der Kündigung ist nach seinen Ausführungen gerade nicht eingetreten. Die bisherige Krankheitsanfälligkeit der Klägerin ist nicht beseitigt worden und besteht weiterhin.

88

Der Gutachter Dr. H. konnte die erheblichen Fehlzeiten der Klägerin in der Vergangenheit aus nervenärztlicher Sicht nicht nachvollziehen. Das Vorliegen einer somatoformen Schmerzstörung hat er ausgeschlossen. Er hat die Klägerin "aus rein nervenärztlicher Sicht (…) als vollschichtig belastbar [angesehen] für leichte und gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung von Überkopfarbeiten, dem Heben, Bewegen und Tragen schwerer Lasten, extremer Witterungsexposition, Lärmexposition und Nachtschichtarbeitsorganisation." Weiter kam er zu dem Ergebnis, dass "die episodischen Kopfschmerzen als auch die Zervikalgien und Zervikobrachialgien (…) nicht zu längeren Arbeitsunfähigkeitszeiten, insbesondere bei fehlenden Hinweisen auf eine relevante zentrale oder periphere Nervenläsion" führen. Auch seine Ausführungen können die auf der Gesamtanfälligkeit der Klägerin beruhende negative Prognose nicht erschüttern.

89

Sonstige Gründe für eine positive gesundheitliche Prognose der Klägerin sind nicht ersichtlich.

90

Aufgrund der Fehlzeiten der Klägerin liegt eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung der Beklagten vor.

91

Nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesarbeitsgerichts (vgl. nur (BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.b) aa)) stellen schon allein die entstandenen und zukünftig zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten, die jeweils für einen Zeitraum von mehr als sechs Wochen aufzuwenden sind, eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen dar.

92

Die Beklagte leistete an die Klägerin seit dem Jahr 2005 bis zum Ausspruch der Kündigung Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von insgesamt 47.010,91 €, nämlich im Jahr 2005 für 49 Tage, für 2006 an 30 Tagen, für 2007 57 Tage, für das Jahr 2008 an 87 Tagen, für das Jahr 2009 an 84 Tagen und im Jahr 2010 bis zum Ausspruch der Kündigung an 49 Tagen. Davon entfiel im Jahr 2005 Entgeltfortzahlung für 30 Tage auf eine Erkrankung wegen Gastroenteritis, Entgeltfortzahlung im Jahr 2006 für 16 Arbeitstage auf Oberbauchbeschwerden, 2 Tage auf Gastroenteritis und für 8 Tage auf eine Schultergelenkverletzung. Im Jahr 2007 entfielen Entgeltfortzahlungskosten für 27 Arbeitstage auf eine akute Bronchitis, Harnblasenentzündung und teilweise zusätzlich eine Nierenbeckenentzündung und insgesamt 12 Arbeitstage auf Gastorenteritis. Im Jahr 2008 beruhten Entgeltfortzahlungskosten für insgesamt 37 Arbeitstage auf einem grippalen Infekt (8 Tage) sowie einem Harnwegsinfekt, Pilz und Gastroenteritis (29 Arbeitstage). Auch im Jahr 2009 beruhten Entgeltfortzahlungskosten in Höhe von 2.643,95 € für 24 Tage auf einer Interkostalneuralgie und weitere Entgeltfortzahlungskosten auf einem grippalen Infekt. Im Jahr 2010 entstanden bis zum Kündigungszeitpunkt Entgeltfortzahlungskosten für insgesamt 49 Tage wegen Bronchitis und einem Frauenleiden in Höhe von insgesamt 5.692,89 €. Damit entstanden auch ohne Berücksichtigung der durch Erkrankungen orthopädischen Ursprungs verursachten Entgeltfort-zahlungskosten der Beklagten seit 2005 jährliche Entgeltfortzahlungskosten, die über sechs Wochen im Kalenderjahr deutlich hinausgehen.

93

Im Hinblick auf den bisherigen Verlauf des Arbeitsverhältnisses seit dem Jahr 2005 nimmt die Kammer daher an, dass im Kündigungszeitpunkt auch zukünftig mit erheblichen Entgeltfortzahlungskosten, die über sechs Wochen im Jahr liegen, zu rechnen war.

94

Zumindest für die durch Entzündungs- und Erkältungskrankheiten entstandenen Fehlzeiten der Klägerin liegt keine betriebliche Veranlassung vor. Die Klägerin selbst führt aus, dass es sich aus ihrer Sicht um jeden einmal treffende Erkrankungen handele. Diese Fehlzeiten sind auch nach dem Vergleichsabschluss im ersten Kündigungsschutzverfahren am 25.03.2009 weiterhin entstanden.

95

Im Rahmen der Interessenabwägung überwiegen nach Ansicht der Kammer die Interessen der Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses diejenigen der Klägerin an dessen Fortsetzung.

96

Dabei war zu prüfen, ob die betriebliche Beeinträchtigung durch die Krankheit der Arbeitnehmerin auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalls vom Arbeitgeber billigerweise noch hinzunehmen ist oder ihn überfordert (BAG, Urteil vom 10.11.2005 - 2 AZR 44/05 - NZA 2006, 655, 657 unter B.I.2.c) aa) m. w. N.). Dabei sind im Rahmen der Interessenabwägung unter anderem auch die familiären Verhältnisse der Arbeitnehmerin, insbesondere ihre Unterhaltspflichten sowie eine mögliche Schwerbehinderteneigenschaft zu berücksichtigen (vgl. BAG, Urteil vom 20.01.2000 - 2 AZR 378/99 - NZA 2000, 768, 770 unter B.III.5).

97

Zugunsten der Klägerin hat die Kammer bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen der Parteien unter anderem berücksichtigt, dass die im Kündigungszeitpunkt 50 Jahre alte, verheiratete Klägerin bereits seit 1978, das heißt seit 32 Jahren bei der Beklagten beschäftigt war und das Arbeitsverhältnis lange Zeit ungestört verlief. Ihren drei Kindern gegenüber war die Klägerin im Kündigungszeitpunkt nicht mehr zum Unterhalt verpflichtet. Diese Interessen der Klägerin konnten jedoch gegenüber den Interessen der Beklagten an der Beendigung des nunmehr bereits seit einigen Jahren gestörten Austauschverhältnisses nicht durchschlagen. Die Beklagte hatte in der Vergangenheit Entgeltfortzahlung in erheblichem Umfang zu leisten. Obwohl die Klägerin aufgrund des Vergleichs vom 25.03.2009 nicht mehr in der Strickerei eingesetzt wurde, kam es zu weiteren, vor allem Entzündungs- und Erkältungskrankheiten, die nicht durch den konkreten Arbeitsplatz verursacht wurden. Auch in Zukunft sind erhebliche Entgeltfortzahlungskosten zu erwarten. Insoweit war auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Jahr 1960 geboren ist und im Kündigungszeitpunkt noch circa 15 Jahre bis zum Erreichen der regulären Altersrente zurücklegen musste.

II.

98

Da die Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf des 30.04.2011 beendet hat, bestehen auch keine Annahmeverzugsvergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Mai bis Oktober 2011 gemäß §§ 615, 611 Abs. 1 BGB sowie kein Anspruch auf Abrechnung für die genannten Monate gemäß § 108 Abs. 1 GewO.

C.

99

Die Berufung der Klägerin war daher mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Die Voraussetzungen einer Revisionszulassung nach § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht erfüllt.

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2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
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b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.

(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.

(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.4.05 - 4 Ca 2242 b/04 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen.

2

Die Klägerin war zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung 30 Jahre alt. Sie ist verheiratet und hat 2 Kinder. Seit dem 09.08.1993 ist sie bei der Beklagten tätig. Zuletzt war sie als Angestellte im Bereich 100%-Kontrolle von OP-Nadeln eingesetzt. Die Klägerin erhielt rund 2.026,00 € brutto monatlich. Für die Dauer von rund 4 Jahren befand sie sich in Elternzeit.

3

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin entwickelte sich wie folgt:

4

1993 und 1994 arbeitete die Klägerin als Raumpflegerin mit 20 Stunden pro Woche. In dieser Zeit verfügte sie über keine wesentlichen Fehlzeiten.

5

1995 war die Klägerin 67 Arbeitstage arbeitsunfähig krank.

6

1996 war sie bis zum Beginn ihres Mutterschutzes im Juli 59 Arbeitstage arbeitsunfähig krank.

7

Von Juli 1996 bis Ende Mai 1998 befand sie sich in Elternzeit.

8

1998 war die Klägerin dann von Juni bis Dezember 12 Arbeitstage arbeitsunfähig krank.

9

Im Jahre 1999 fehlte die Klägerin krankheitsbedingt an 61 Arbeitstagen. Mit Ausnahme von 1x 7 Arbeitstagen und 1x 10 Arbeitstagen handelt es sich jeweils um kurze Fehlzeiten mit einer Dauer von 1 bis 5 Arbeitstagen.

10

Im Jahre 2000 war die Klägerin an 34 Arbeitstagen arbeitsunfähig krank. Mit Ausnahme einer 11 Arbeitstage andauernden Erkrankung fehlte die Klägerin jeweils zwischen 1 und 5 Arbeitstagen.

11

2001 erkrankte die Klägerin an 65 Arbeitstagen. Diese unterteilen sich auf 3 Zeiträume zwischen jeweils 1 1/2 und 3 Wochen sowie weiteren Arbeitsunfähigkeitszeiten von 1 bis 3 Arbeitstagen.

12

2002 bis Februar 2004 befand sich die Klägerin wiederum in Elternzeit.

13

Von April bis Ende September 2004 sind Arbeitsunfähigkeitszeiten von 51 Arbeitstagen festzustellen. Hinzu kommen Fehlzeiten von 8 Arbeitstagen wegen kranker Kinder.

14

Den Fehlzeiten lagen jeweils wechselnde Krankheitsursachen zugrunde, z. B. Kreislaufbeschwerden, starke Kopfschmerzen, Gastroenteritis, Grippe, akute Bronchitis, HWS-Syndrom, eitrige Tonsilitis, Schwindel, Sinusitis, Bronchitis, Virusinfekt, Pollenallergie etc. Die Beklagte zahlte nahezu für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung. Insoweit liefen Kosten in Höhe von rund 21.500,00 € in der Zeit zwischen 1999 bis September 2004 auf. Hinsichtlich der Einzelheiten der krankheitsbedingten Fehlzeiten, der aufgelaufenen Entgeltfortzahlungskosten sowie der den Fehlzeiten zugrunde liegenden Diagnosen wird auf Bl. 10, 14 bis 15 der Akte; Seite 2 bis 8 des erstinstanzlichen Schriftsatzes vom 24.02.2005 (Bl. 50-57 d. A.) sowie Seite 3 bis 5 des erstinstanzlichen Urteils verwiesen.

15

Am 09.09. und 14.09.2004 führte die Beklagte mit der Klägerin Krankheitsgespräche. Deren Inhalt ist streitig. Im Anschluss daran hörte die Beklagte am 18.10.2004 den Betriebsrat unter ausführlicher Darstellung des Sachverhaltes zum Ausspruch einer fristgemäßen Kündigung an (Bl. 11-16 d. A.). Der Betriebsrat widersprach am 20.10.2004 der beabsichtigten Kündigung (Bl. 12 d. A.). Der seitens der Beklagten vorgetragene Inhalt der Betriebsratsanhörung ist zweitinstanzlich unstreitig gestellt worden. Die Beklagte übermittelte der Klägerin noch am 20.10.2004 die streitbefangene Kündigung zum 31.12.2004.

16

Die hiergegen erhobene Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht mit Urteil vom 21.04.2005 ab. Das geschah im Wesentlichen mit der Begründung, die Klägerin habe die sich aus den Fehlzeiten ergebende negative Zukunftsprognose nicht substantiiert erschüttert, vielmehr nur ins Blaue hinein behauptet, dass sie in Zukunft nicht mehr oder nicht mehr im bisherigen Umfang fehlen werde. Angesichts der Entgeltfortzahlungskosten, des jungen Lebensalters und der jahrelangen hohen Ausfallzeiten sei die Kündigung gerechtfertigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die ausführlichen Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.04.2005 Bezug genommen.

17

Gegen diese der Klägerin am 15.06.2005 zugestellte Entscheidung legte sie am 13.07.2005 Berufung ein, die nach Fristverlängerung fristgemäß am 12.09.2005 begründet wurde. Sie ergänzt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Nach ihrer Ansicht reicht ihr unter Beweis gestelltes Vorbringen zu ihren Arbeitsunfähigkeitszeiten aus, um die sich aus der Vergangenheit ergebende negative Zukunftsprognosen nachhaltig zu erschüttern. Das ergebe sich bereits daraus, dass sie die Diagnosen für die Arbeitsunfähigkeitszeiten offen gelegt und unter Beweisantritt sowie Beifügung von Schweigepflichtsentbindungserklärungen mitgeteilt habe, jede einzelne Krankheitsursache sei ausgeheilt. Hieraus ergebe sich, dass keine Wiederholungsgefahr für die Zukunft bestehe. Mithin könne nicht, jedenfalls nicht ohne Sachverständigengutachten von einer negativen Zukunftsprognose ausgegangen werden. Im Übrigen habe die Beklagte nicht substantiiert zu unzumutbaren betrieblichen Beeinträchtigungen vorgetragen. Die erforderliche Interessenabwägung habe u. a. unter Berücksichtigung ihrer langen Betriebszugehörigkeit zu ihren Gunsten ausgehen müssen.

18

Die Klägerin beantragt,

19

das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.04.2005 - Az 4 Ca 2242 b/04 - zu ändern und

20

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung vom 20.10.2004 nicht aufgelöst ist, sondern unverändert fortbesteht,

21

2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin zu den bisherigen Bedingungen als Angestellte im Bereich 100%-Kontrolle-OP-Nadeln weiter zu beschäftigen.

22

Die Beklagte beantragt,

23

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 21.04.2005 - Az 4 Ca 2242 b/04 - zurückzuweisen.

24

Sie hält das angefochtene Urteil sowohl in tatsächlicher, als auch in rechtlicher Hinsicht für zutreffend. Sie habe unter Berücksichtigung der Fehlzeiten der Klägerin 6 Jahre lang Geduld und Fürsorge gezeigt. Da jedoch während nahezu der gesamten Dauer des Beschäftigungsverhältnisses kein ausgewogener Leistungsaustausch zu verzeichnen sei, sei die Kündigung unter Berücksichtigung der erheblichen Fehlzeiten, einer sich hieraus ergebenden hohen Krankheitsanfälligkeit der Klägerin sowie der hohen Entgeltfortzahlungskosten sozial gerechtfertigt.

25

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den mündlich vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

Die Berufung ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist auch begründet worden. In der Sache konnte sie jedoch keinen Erfolg haben.

27

Mit ausführlicher, überzeugender Begründung hat das Arbeitsgericht die Kündigungsschutzklage abgewiesen und insbesondere darauf abgestellt, dass die Klägerin die sich aus ihren hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten ergebende negative Zukunftsprognose nicht hinreichend erschüttert hat und auch die übrigen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung vorliegen. Dem folgt das Berufungsgericht. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Lediglich ergänzend wird folgendes ausgeführt.

28

1. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen ist von folgendem Prüfungsmaßstab auszugehen.

29

a) Zunächst ist - erste Stufe - eine negative Gesundheitsprognose erforderlich; es müssen, und zwar abgestellt auf den Kündigungszeitpunkt, objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang rechtfertigen. Häufige Kurzerkrankungen in der Vergangenheit können indiziell für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes sprechen. Dies gilt allerdings nicht, wenn die Krankheiten ausgeheilt sind. Bei einer negativen Indizwirkung hat der Arbeitnehmer gem. § 138 Abs. 2 ZPO darzutun, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist (BAG v. 07.11.2002 - 2 AZR 599/01 = AP Nr. 40 zu § 1 KSchG 1969, Krankheit).

30

b) Die prognostizierten Fehlzeiten sind nur dann geeignet, eine krankheitsbedingte Kündigung sozial zu rechtfertigen, wenn sie auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes - zweite Stufe - festzustellen ist. Dabei können neben Betriebsablaufstörungen auch erhebliche wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers, etwa zu erwartende, einen Zeitraum von mehr als 6 Wochen pro Jahr übersteigende Lohnfortzahlungskosten zu einer derartigen erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen führen (BAG a.a.O).

31

c) Liegt eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen vor, so ist in einem 3. Prüfungsschritt im Rahmen der nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gebotenen Interessenabwägung zu prüfen, ob diese Beeinträchtigungen vom Arbeitgeber billigerweise nicht mehr hingenommen werden müssen, wobei u. a. zu berücksichtigen ist, ob die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind, ob und wie lange das Arbeitsverhältnis zunächst ungestört verlaufen ist, ob der Arbeitgeber eine Personalreserve vorhält und etwa neben Betriebsablaufstörungen auch noch hohe Lohnfortzahlungskosten aufzuwenden hatte; ferner sind das Alter, der Familienstand und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers zu berücksichtigen (BAG a.a.O).

32

Maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Rechtmäßigkeit einer Kündigung sind die objektiven Verhältnisse im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung. Das gilt auch für die bei einer krankheitsbedingten Kündigung anzustellende Gesundheitsprognose. Aus über viele Jahre fortlaufend aufgetretenen zahlreichen Erkrankungen lässt sich beispielsweise bei einem noch verhältnismäßig jungen Arbeitnehmer durchaus auf die Gefahr sich ständig wiederholender Erkrankungen schließen (vgl. BAG v. 20.01.2000 - 2 AZR 378/99 - zit. nach Juris).

33

2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ergibt sich vorliegend, dass die Kündigung der Klägerin aufgrund krankheitsbedingter Fehlzeiten aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).

34

a) Die unstreitigen Fehlzeiten der Klägerin indizieren eine negative Gesundheitsprognose. Allein in den Jahren 1999, 2000, 2001 und 2004 hat die Klägerin wegen häufiger Kurzerkrankungen jährlich zwischen rund 7 und 12 - 13 Wochen krankheitsbedingt gefehlt. Auch wenn zu ihren Gunsten im Jahre 2001 die auf Wehen zurückzuführenden 27 Krankheitstage unberücksichtigt bleiben, verbleiben immer noch 38 Arbeitstage, mithin rund 7,6 Wochen, an denen die Klägerin wegen verschiedenster Krankheitsursachen ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnte. Das Krankheitsbild ist vielfältig und zieht sich von Kreislaufbeschwerden, über starke Kopfschmerzen, eitrige Tonsilitis, HWS-Syndrom, Schwindelanfälle, Grippeinfekte, Gastroenteritis, Bronchitis, Sinusitis, Nierenkolik, hin bis im Jahre 2004 zu psychovegetativer Erschöpfung, Pollenallergie, akutem Virusinfekt, Rückenschmerzen, akuter Bronchitis.

35

Zu Gunsten der Kläger kann unterstellt werden, dass - mit Ausnahme der Pollenallergie - ggf. fast jede dieser einzelnen, zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankungen individuell ausgeheilt ist. Gleichwohl kann deshalb vorliegend nicht davon ausgegangen werden, dass demzufolge nicht mit weiteren erheblichen krankheitsbedingten Fehlzeiten zu rechnen ist. Es kann insoweit nicht nur auf die Einzelerkrankung abgestellt werden. Zur Überzeugung der Kammer ergibt aus den Krankheitsursachen, die den Fehlzeiten der Klägerin zugrunde liegen, eine überdurchschnittlich hohe Krankheitsanfälligkeit. Die Diagnosen weisen ein hohes Maß von wechselnden infektiösen Erkrankungen aus. Ferner ergibt sich ein weiterer Arbeitsunfähigkeitskomplex aus dem Kreislauf- und Belastungsbereich. Insoweit fällt auf, dass die Klägerin regelmäßig wegen Kreislaufproblemen/starken Kopfschmerzen /Schwindel/ Rückenschmerzen gefehlt hat. Auffallend ist in diesem Zusammenhang auch, dass bereits knapp 2 Monate nach Ende der letzten Elternzeit in der Zeit vom 13.04. bis zum 16.05.2004 eine Arbeitsunfähigkeitszeit auftrat, die auf psychovegetativer Erschöpfung beruhte und 24 Arbeitstage erfasste. Die Klägerin war jedoch gerade erst wieder 2 Monate im Betrieb der Beklagten tätig. Hieraus ergibt sich nach Ansicht der Kammer, dass die Klägerin körperlich auf ihre familiäre und berufliche Belastung reagiert und deswegen die vielen Arbeitsunfähigkeitszeiten auftreten. Für die Kammer ergibt sich gerade aus der Gesamtheit des Krankheitsbildes der Klägerin, dass auch in Zukunft mit weiteren überdurchschnittlich zahlreichen Erkrankungen der Klägerin zu rechnen ist.

36

Der Klägerin kann nicht in ihrer Auffassung gefolgt werden, auch bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen dürften für die Feststellung einer negativen Gesundheitsprognose all diejenigen Kurzerkrankungen nicht mehr herangezogen werden, die individuell ausgeheilt sind und nicht in regelmäßigen Abständen wieder aufgetreten seien. Deshalb seien sämtliche Erkrankungen für das Jahr 2000, die Wehen für das Jahr 2001, sowie für das Jahr 2004 der Virusinfekt sowie der Erschöpfungszustand gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Dann verblieben jedoch nur noch geringe Arbeitsunfähigkeitszeiten.

37

So vorzugehen, würde es einem Arbeitgeber in Bezug auf einen krankheitsanfälligen Arbeitnehmer, der immer nur Kurzerkrankungen aufweist, unmöglich machen, eine berechtigte krankheitsbedingte Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen aussprechen zu können, obgleich er gerade insoweit von hohen Entgeltfortzahlungskosten getroffen ist. Das typische für Kurzerkrankungen ist gerade, dass diese naturgemäß ausheilen. Zweifelsfrei sind Diagnosen wie vorliegend die Wehen, oder andere Diagnosen wie z.B. Knochenbrüche, Verrenkungen, bestimmte OPs oder Ähnliches aus dem Fehlzeitenbild herauszurechnen, weil sich aus ihnen an sich keine Wiederholungsgefahr ergibt. Gleichwohl können andere Krankheiten, die zwar hinsichtlich ihrer individuellen Ursache in Bezug auf den einzelnen Arbeitsunfähigkeitszeitraum ausgeheilt sind, aufgrund ihres Diagnosetyps dahingehend Schlussfolgerungen ermöglichen, dass sie aufgrund einer persönlichen konstitutionellen Schwäche derart gehäuft aufgetreten sind, mithin angesichts unveränderter Lebensumstände auch künftig in ähnlichem Umfang auftreten werden. So liegt es hier. Die Klägerin war u. a. einerseits immer wieder wegen einer Vielzahl von Infekten arbeitsunfähig krank, andererseits wegen Kreislaufbeschwerden, Kopf- und Rückenschmerzen, Schwindel, psychovegetativer Erschöpfung. Um insoweit die auf Infektanfälligkeit und starke Belastung zurückzuführende Erwartung weiterer erheblicher künftiger Arbeitsunfähigkeitszeiten; eine sich aus besonderer Krankheitsanfälligkeit ergebende negative Gesundheitsprognose zu erschüttern, reichte das Vorbringen der Klägerin, ihre individuellen Einzelerkrankungen seien ausgeheilt, vorliegend nicht aus.

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Die Klägerin hätte vielmehr dartun müssen, weshalb zukünftig trotz gleich bleibend unverändert hoher Belastung nicht mit weiteren derart hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten zu rechnen ist (vgl. hierzu BAG vom 7.11.2002 - 2 AZR 599/01 - unter I., 2. b) - zitiert nach Juris). Bei einer derartigen Fallkonstellation reicht es nicht aus, nur die Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Die Klägerin hätte vielmehr zusätzlich mindestens im Einzelnen konkret vortragen müssen, dass die Ärzte die gesundheitliche Entwicklung konkret positiv beurteilt haben (vgl. hierzu BAG a.a.O). Das fehlt jedoch vorliegend. Die Klägerin hat nichts dazu vorgetragen, dass und wann ggfs. welcher Arzt insgesamt die künftige Entwicklung ihrer Erkrankungszeiten positiv beurteilt hat. Wie das Arbeitsgericht erstinstanzlich zutreffend festgestellt hat, hat sie lediglich ins Blaue hinein behauptet, künftig werde alles besser. Angesichts der sich ergebenden besonderen Krankheitsanfälligkeit hätte die Klägerin zumindest vortragen müssen, vor welchem tatsächlichen Hintergrund, ggf. aufgrund welcher neuen Kausalverläufe trotz der hohen Krankheitszeiten sie oder ihre Ärzte für die Zukunft von einer positiven Entwicklung ausgehen. Erst dann wäre diesem Vorbringen ggf. nachzugehen und /oder ein Sachverständigengutachten einzuholen gewesen.

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Mithin liegt eine sich aus den Fehlzeiten der Vergangenheit infolge besonderer Krankheitsanfälligkeit ergebende negative Zukunftsprognose vor. Sie ist von der Klägerin nicht erschüttert worden.

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b) Auch eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist zu bejahen. Die Entgeltfortzahlungskosten, die die Beklagte seit 1999 für die Klägerin erbracht hat, sprechen für sich. Die Beklagte hat Jahr für Jahr im Jahre 1999, 2000, 2001 und 2004 Entgeltfortzahlungskosten für mehr als 6 Wochen pro Jahr geleistet.

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c) Letztendlich ist auch die gebotene Interessenabwägung durch das Arbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung zu Recht zu Lasten der Klägerin vorgenommen worden. Das Arbeitsverhältnis hat ca. 11 Jahre bestanden. Davon war die Klägerin real 4 Jahre nicht tätig, befand sich vielmehr in Elternzeit. Von den verbleibenden 7 Jahren waren lediglich ca. 1 1/2 Jahre ausgewogen. Seit 1995 ist das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung gestört. Seit diesem Zeitraum fallen hohe Entgeltfortzahlungskosten an. Die Klägerin ist mit 30 Jahren noch unverhältnismäßig jung. Gleichwohl war sie während des aktiven Arbeitsverhältnisses seit 1995 mit Ausnahme des Jahres 1998 Jahr für Jahr jeweils mehr als 6 Wochen arbeitsunfähig krank. Bei diesem Lebenssachverhalt ist nicht ersichtlich, dass sich die Gefahr sich ständig wiederholender Erkrankungen reduziert. Das gilt erst recht angesichts der Tatsache, dass 2004 eine längere Arbeitsunfähigkeit wegen psychovegetativem Erschöpfungszustand und eine Pollenallergie neu hinzugekommen sind. Vor diesem Hintergrund können auch ihre Unterhaltslasten zu keinem für sie günstigen Ergebnis führen.

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3. Nach alledem war der Kündigungsschutzantrag unbegründet. Die Klage ist zu Recht abgewiesen worden. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

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Die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG liegen nicht vor, sodass die Revision nicht zuzulassen war. Vorliegend handelt es sich ausschließlich um eine Einzelfallentscheidung.

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Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben. Im Übrigen wird auf § 72a ArbGG verwiesen.


Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Dem Arbeitnehmer ist bei Zahlung des Arbeitsentgelts eine Abrechnung in Textform zu erteilen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben über Abrechnungszeitraum und Zusammensetzung des Arbeitsentgelts enthalten. Hinsichtlich der Zusammensetzung sind insbesondere Angaben über Art und Höhe der Zuschläge, Zulagen, sonstige Vergütungen, Art und Höhe der Abzüge, Abschlagszahlungen sowie Vorschüsse erforderlich.

(2) Die Verpflichtung zur Abrechnung entfällt, wenn sich die Angaben gegenüber der letzten ordnungsgemäßen Abrechnung nicht geändert haben.

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, das Nähere zum Inhalt und Verfahren einer Entgeltbescheinigung, die zu Zwecken nach dem Sozialgesetzbuch sowie zur Vorlage bei den Sozial- und Familiengerichten verwendet werden kann, durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Besoldungsmitteilungen für Beamte, Richter oder Soldaten, die inhaltlich der Entgeltbescheinigung nach Satz 1 entsprechen, können für die in Satz 1 genannten Zwecke verwendet werden. Der Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber zu anderen Zwecken eine weitere Entgeltbescheinigung verlangen, die sich auf die Angaben nach Absatz 1 beschränkt.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.