Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 16. Nov. 2017 - 4 Sa 55/17

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:1116.4Sa55.17.00
bei uns veröffentlicht am16.11.2017

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 21.12.2016 - 4 Ca 843/16 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte.

2

Der Kläger ist seit dem 01.01.1995 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Kundendiensttechniker beschäftigt und betreut als solcher den Großraum Trier sowie den Großraum Saarbrücken. Zur Ausübung seiner Tätigkeit fährt er in der Regel morgens direkt von seinem Wohnort zum ersten Kunden fährt und abends vom letzten Kunden zurück zu seinem Wohnsitz.

3

Bei der Beklagten findet eine gekündigte, aber noch nachwirkende Gesamtbetriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit im technischen Außendienst (im Folgenden: GBV-Arbeitszeit) Anwendung. Diese enthält u. a. folgende Bestimmungen:

4

"§ 4 Anfahrts- und Rückfahrtszeit/ Beginn der Arbeitszeit

5

a) Anfahrtszeit vom Wohnort zum ersten Kunden:

6

Es sind bis zu 30 Minuten ab Fahrtbeginn vom Wohnort des Mitarbeiters zum eingeteilten ersten Kunden als zumutbar anzusehen. Die angefallene Anfahrtszeit von bis zu 30 Minuten wird daher nicht als Arbeitszeit erfasst. Bei einer Anfahrtszeit zum ersten eingeteilten Kunden vom Wohnort des Mitarbeiters, die länger als 30 Minuten in Anspruch nimmt, beginnt die Arbeitszeit folglich ab der 31. Minute. Bei einer kürzeren Anfahrtszeit beginnt die Arbeitszeit entsprechend früher.

7

b) Rückfahrtszeit vom letzten Kunden zum Wohnort:

8

Es sind bis zu 30 Minuten ab Fahrtbeginn vom eingeteilten letzten Kunden zum Wohnort des Mitarbeiters als zumutbar anzusehen. Die angefallene Abfahrtszeit bis zu 30 Minuten wird daher nicht als Arbeitszeit erfasst. Die Arbeitszeit endet mit Beginn der Heimfahrt zum Wohnort, d. h. nach Abschluss der Tätigkeit (Reportzeit = Arbeitsende). Bei einer Fahrzeit vom letzten eingeteilten Kunden zum Wohnort des Mitarbeiters, die länger als 30 Minuten in Anspruch nimmt, wird die Zeit ab der 31. Minute als Arbeitszeit erfasst. Bei einer Unterbrechung der direkten Heimfahrt endet die Arbeitszeit zum Zeitpunkt der Unterbrechung.

9

10

§ 9 Zeiterfassung und Kontrolle

11

Jeder Mitarbeiter muss seiner Pflicht im Reporting nachkommen. Die Zeiten sind wahrheitsgemäß und zeitnah mit Hilfe der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel/Systeme zu dokumentieren. Die Führungskraft ist berechtigt, die Zeiterfassung einzusehen und ist ebenso verpflichtet, bei Differenzen sowie Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz einzugreifen. Der Betriebsrat erhält Zugriff auf die Arbeitszeitkonten der einzelnen Mitarbeiter".

12

Die Fahrtzeiten des Klägers von seinem Wohnort zum ersten Kunden und vom letzten Kunden zurück zu seinem Wohnsitz wurden in der Vergangenheit nur insoweit als zu vergütende Arbeitszeit berücksichtigt, als sie jeweils eine Dauer von 30 Minuten überschritten.

13

Ebenso wie die anderen Außendienstmitarbeiter führt der Kläger ein Arbeitszeitjournal. Dieses enthält u. a. folgende, vom Kläger auszufüllende Spalten: "Abfahrt", "AZ von", "AZ bis", "Ankunft". Zur Darstellung der Form der Arbeitszeitjournale wird ergänzend auf Blatt 44 d. A. Bezug genommen.

14

Bis einschließlich 16.03.2016 füllte der Kläger das Arbeitszeitjournal dergestalt aus, dass er, so wie in dem betreffenden Formular vorgesehen, seine Fahrtzeiten durch Ausfüllen der Spalten "Abfahrt" und "Ankunft" gesondert von den in den Spalten "AZ von" und "AZ bis" eintrug. Ab dem 17.03.2016 ging der Kläger dazu über, seine Fahrtzeiten nicht mehr gesondert im Arbeitszeitjournal auszuweisen, sondern in den Spalten "Abfahrt" und "AZ von" einerseits und in den Spalten "AZ bis" und "Ankunft" andererseits jeweils dieselben Zeiten einzutragen und zwar jeweils unter Zugrundelegung des Zeitpunkts seiner Abfahrt von seinem Wohnort bzw. seiner Rückkehr. Für den 17.03.und den 18.03.2016 trug er in der Spalte "Bemerkungen" ein: "Siehe Gerichtsurteil C-266/14". Bei Einreichung des Journals für den Monat März 2016 teilte der Kläger der Beklagten per E-Mail vom 01.04.2016 folgendes mit:

15

"Guten Morgen D.,

16

anbei das Zeitjournal für den Monat März 2016.

17

Ich habe ab Mitte des Monats, auf Rat von meinem Anwalt, das Zeitjournal so geführt, dass Fahrzeit gleichgestellt mit der Arbeitszeit ist.

18

Ich berufe mich auf ein BAG Urteil vom 22.04.2009, Az 5 AZR 29208 und selbstverständlich auf die Bestätigung EuGH vom 10.09.2015 - Az C-266-14.

19

Die BV Regelung der Arbeitszeit im technischen Außendienst vom 18.12.2008 ist somit seit April 2009 in Frage gestellt."

20

Mit Schreiben vom 21.04.2016 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung die - auszugsweise - wie folgt lautet:

21

"Sehr geehrter Herr A.,

22

Ihr Verhalten gibt uns Veranlassung, Sie aus folgenden Gründen abzumahnen und zukünftig zur Einhaltung Ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten aufzufordern:

23

Sie sind verpflichtet, Ihre Arbeits- und Fahrtzeiten in einem Arbeitszeitjournal zu erfassen. Dieses haben Sie mehrfach eigenmächtig fehlerhaft ausgefüllt, indem sie Fahrtzeiten am Morgen von ihrem Wohnort zu einem Kunden und am Abend von einem Kunden zu Ihrem Wohnort vollständig als Arbeitszeit erfasst haben.

24

Für die folgenden Daten haben Sie die gesamte Anfahrts- und Rückfahrtszeit in dem Arbeitszeitjournal als Arbeitszeit erfasst

17.03.2016

18.03.2016

21.03.2016

22.03.2016

23.03.2016

24.03.2016

29.03.2016

30.03.2016

31.03.2016

25

Nach § 4 der Gesamtbetriebsvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit im technischen Außendienst gilt für die Anfahrtszeit vom Wohnort zu ersten Kunden sowie die Rückfahrtszeit vom letzten Kunden zum Wohnort, dass eine angefallene Anfahrts- und Rückfahrtszeit von jeweils bis zu 30 Minuten als zumutbar anzusehen ist und die angefallene Anfahrts- und Rückfahrtszeit von jeweils 30 Minuten somit nicht als Arbeitszeit erfasst wird".

26

Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. geltend gemacht, die Abmahnung enthalte eine unrichtige Sachverhaltsdarstellung.

27

Der Kläger hat beantragt,

28

die Beklagte zu verurteilen, die dem Kläger mit Schreiben vom 21.04.2016 erteilte Abmahnung aus der Personalakte zu entfernen.

29

Die Beklagte hat beantragt,

30

die Klage abzuweisen.

31

Die Beklagte hat im Wesentlichen geltend gemacht, die Klage sei bereits unzulässig. Zudem sei die Abmahnung berechtigterweise ausgesprochen worden. Die Mitarbeiter seien nach der GBV verpflichtet, das Zeitjournal wahrheitsgemäß auszufüllen. Hiergegen habe der Kläger verstoßen. Insofern schildere und bewerte die Abmahnung den Sachverhalt zutreffend.

32

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 21.12.2016, auf dessen Tatbestand (Bl. 91 - 93 d. A.) gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ergänzend zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, stattgegeben. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 - 7 dieses Urteils (= Bl. 93 - 96 d. A.) verwiesen.

33

Gegen das ihr am 10.01.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.02.2017 Berufung eingelegt und diese der innerhalb ihr mit Beschluss vom 09.03.2017 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 01.04.2017 begründet.

34

Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Klage sei mangels Bestimmtheit unzulässig, da weder in der Klageschrift noch im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 19.10.2016 die Tatsachen beschrieben seien, aufgrund derer der Kläger die Entfernung der Abmahnung begehre. Vielmehr beschränke sich die Klageschrift auf den Hinweis, der Sachverhalt sei unrichtig dargestellt, so dass der Kläger keine Pflichtwidrigkeit begangen habe. Die Klage sei jedoch auch unbegründet. Die Abmahnung gebe den zugrundeliegenden Sachverhalt zutreffend wieder. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts hätte die Rechtsauffassung des Klägers, Arbeitszeiten im Anschluss an eine Entscheidung des EuGH abweichend von den bestehenden Regelungen aufzeichnen zu dürfen, nicht in die Abmahnung aufgenommen werden müssen. Die Auffassung des Arbeitsgerichts, die Abmahnung lasse an den Vorwurf eines versuchten Arbeitszeitbetruges denken, entbehre jeder Grundlage. Die Abmahnung stelle vielmehr ausdrücklich und ausschließlich darauf ab, dass der Kläger die Arbeitszeitjournale eigenmächtig fehlerhaft ausgefüllt habe, indem er die gesamten Anfahrts- und Rückfahrtszeit als Arbeitszeit erfasst habe. Die rechtliche Bewertung, die in der Abmahnung zum Ausdruck komme, sei zutreffend. Jedenfalls habe sie - die Beklagte - die Aufzeichnungen von Arbeitszeiten entgegen den Bestimmungen in der Gesamtbetriebsvereinbarung als Pflichtverletzung bewerten dürfen. § 4 der GBV sei wirksam. Im Übrigen sei der Kläger nicht berechtigt gewesen, eigenmächtig - d. h. ohne Rücksprache und Vereinbarung mit der Beklagten - seine Arbeitszeiteinträge anders als in § 4 der GBV festgelegt, vorzunehmen. Eine abweichende und im Übrigen auch unzutreffende Rechtsauffassung, basierend auf einer Entscheidung des EuGH in anderer Sache, rechtfertige keinen Verstoß gegen die Handlungsanweisungen aus der GBV. Auch aus sonstigen Gründen ergebe sich vorliegend keine Berechtigung des Klägers zur abweichenden Aufzeichnung seiner Arbeitszeiten. Schließlich sei die Abmahnung auch verhältnismäßig. Die Ansicht des Arbeitsgerichts, der Kläger habe mit der Art und Weise des Ausfüllens des Arbeitszeitsjournals letztlich nur Ansprüche geltend gemacht, die er für gegeben halte, verkenne, dass der Kläger mit dem Ausfüllen des Zeitjournals keine Ansprüche geltend gemacht, sondern gegen die Bestimmungen der GBV verstoßen habe. Insoweit handele es sich nicht um eine Geltendmachung, sondern bereits um eine Selbsthilfe im Wege einer Umsetzung seiner Rechtsauffassung. Wenn jeder Mitarbeiter die Arbeitszeitjournale nach eigenem Gutdünken ausfülle, so seien diese für die weitere personalbuchhalterische Verarbeitung nicht mehr verwendbar. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass zwischen dem 01.03 und 01.04.2016 der Vorgesetzte des Klägers diesen mehrfach darauf hingewiesen habe, dass die Arbeitszeitjournale entsprechend den Bestimmungen der GBV auszufüllen seien.

35

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf deren Berufungsbegründungsschrift vom 21.11.2016 (Bl. 72 - 75 d. A.) Bezug genommen.

36

Die Beklagte beantragt,

37

das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

38

Der Kläger beantragt,

39

die Berufung zurückzuweisen.

40

Der Kläger verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 16.05.2017 (Bl. 150 - 152 d. A.), auf die Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe

I.

41

Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. Das somit insgesamt zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

II.

42

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

43

Die Klage ist zulässig. Sie ist insbesondere - entgegen der Ansicht der Beklagtenhinreichend bestimmt i. S. v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das Berufungsgericht folgt insoweit den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter I. der Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und stellt dies gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG ausdrücklich fest.

2.

44

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Entfernung der Abmahnung vom 21.04.2016 aus seiner Personalakte.

45

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an dem Verbleib in der Personalakte besteht (BAG v. 19.07.2012 - 2 AZR 782/11 - AP Nr. 34 zu § 611 BGB Abmahnung, m. w. N.). Soweit dem Arbeitnehmer eine Verletzung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten vorgeworfen wird, kommt es nicht darauf an, ob dieser Pflichtenverstoß dem Arbeitnehmer subjektiv vorwerfbar ist; es reicht aus, wenn der Arbeitgeber einen objektiven Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten rügt (BAG v. 30.05.1996 - 6 AZR 537/95 - AP Nr. 2 zu § 611 BGB Nebentätigkeit).

46

Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die Klage als unbegründet.

a)

47

Die Abmahnung vom 21.04.2016 ist inhaltlich bestimmt. Sie beschreibt einen konkreten Sachverhalt und enthält auch den Vorwurf einer konkreten Pflichtverletzung, nämlich einen Verstoß gegen die in der GBV enthaltenen Bestimmungen zur Dokumentation von Arbeits- und Fahrtzeiten.

b)

48

Die Abmahnung enthält keine unrichtigen Tatsachenbehauptungen. Der dort wiedergegebene Sachverhalt ist unstreitig insgesamt zutreffend. Die Sachverhaltsschilderung ist auch nicht deshalb unvollständig, weil der Kläger im zeitlichen Zusammenhang mit der Erstellung des Arbeitszeitsjournals für den Monat März 2016 gegenüber der Beklagten die Rechtsauffassung zum Ausdruck gebracht hat, seine Fahrtzeiten seien als Arbeitszeiten zu bewerten. Eine vom Arbeitnehmer zur Rechtfertigung eines etwaigen Pflichtenverstoßes vertretene Rechtsansicht, sei sie zutreffend oder unzutreffend, gehört nicht zum notwendigen Bestandteil einer Abmahnung.

c)

49

Die Abmahnung beruht nicht auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Klägers.

50

Dabei kann offen bleiben, ob die Fahrtzeiten von seinem Wohnort zum ersten Kunden und für die Rückfahrt vom letzten Kunden zu seinem Wohnort in vergütungsrechtlicher Hinsicht als Arbeitszeit zu bewerten sind. In diesem Zusammenhang wäre jedoch zu berücksichtigen, dass die Entscheidung des EuGH vom 10.09.2015 - C-266/14 -, auf die der Kläger seine Rechtsansicht stützt, ausschließlich die Bewertung von Fahrtzeiten in arbeitsschutzrechtlicher, nicht hingegen in vergütungsrechtlicher Hinsicht betrifft, und dass - jedenfalls bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen - die Anrechnung einer Zeitersparnis durchaus dann in Betracht kommt, wenn sich der Arbeitnehmer von seiner Wohnung aus unmittelbar zu einem außerhalb gelegenen Arbeitsplatz begeben kann, anstatt den Umweg über den Betrieb nehmen zu müssen (BAG v. 22.04.2009 - 5 AZR 292/08 - AP Nr. 11 zu § 611 BGB Wegezeit). Darüber kann auch durch Arbeitsvertrag eine gesonderte Vergütungsregelung für andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrtzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen getroffen werden (BAG v. 12.12.2012 - 5 AZR 355/12 - AP Nr. 41 zu § 611 BGB Arbeitszeit).

51

Die Beklagte rügt im Abmahnungsschreiben einen Verstoß gegen die in der GBV-Arbeitszeit enthaltenen Vorschriften zur Dokumentation von Arbeits- und Fahrtzeiten. Sie beruht insoweit auf einer zutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Klägers.

52

Nach § 4 der GBV-Arbeitszeit werden Anfahrtszeiten von bis zu 30 Minuten zum ersten Kunden sowie Rückfahrtszeiten von bis zu 30 Minuten vom letzten Kunden zum Wohnort des Arbeitnehmers nicht als Arbeitszeit erfasst. Ob die betreffende Regelung in der GBV-Arbeitszeit insoweit wirksam ist, als sie Fahrtzeiten in einem bestimmten Umfang von der Vergütungspflicht ausnimmt, ist vorliegend ohne Belang. Sie ist jedenfalls insoweit wirksam, als sie die getrennte Erfassung von An- und Rückfahrtszeiten einerseits und der dazwischenliegenden Zeiten andererseits vorsieht und die Mitarbeiter in § 9 verpflichtet, die betreffenden Zeiten wahrheitsgemäß mit Hilfe der vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Arbeitsmittel/Systeme zu dokumentieren. Als "Arbeitsmittel" bzw. "System" im Sinne dieser Vorschrift hat die Beklagte ihren Außendienstmitarbeitern als Zeitjournal bezeichnete Tabellen zur Verfügung gestellt, in welche der Mitarbeiter sowohl seine Fahrtzeit zum ersten Kunden als auch seine Rückfahrt vom letzten Kunden gesondert zu dokumentieren hat. Es obliegt im Übrigen ohnehin grundsätzlich dem Arbeitgeber, darüber zu entscheiden, in welcher Art und Weise der Arbeitnehmer seine Zeiten zu dokumentieren und welche Angaben er dabei zu machen hat.

53

Gegen diese Dokumentationspflicht hat der Kläger, wie im Abmahnungsschreiben gerügt, verstoßen, indem er bezüglich der in der Abmahnung im Einzelnen genannten Daten die maßgeblichen Fahrtzeiten nicht mehr gesondert dokumentiert, sondern sie im Ergebnis den unter den Spalten "AZ von" und "AZ bis" einzutragenden Zeiten zugeschlagen hat.

54

Das in der Abmahnung gerügte Fehlverhalten des Klägers war auch nicht gerechtfertigt. Soweit der Kläger die Rechtsansicht vertritt, bei den Fahrtzeiten handele es sich um vergütungspflichtige Arbeitszeit, so berechtigte ihn dies nicht, seine Zeitangaben - quasi nach eigenem Gutdünken - abweichend von den Vorgaben der GBV-Arbeitszeit und des ihm zur Verfügung gestellten Formulars zu tätigen.

55

Die Abmahnung enthält auch kein über den gerügten Pflichtenverstoß hinausgehendes Unwerturteil in Gestalt des Vorwurf eines Arbeitszeitbetruges. Dieser Vorwurf kommt in der Abmahnung nicht ansatzweise zum Ausdruck. Vielmehr hat die Beklagte ausschließlich den Verstoß des Klägers gegen seine Dokumentationspflicht gerügt.

d)

56

Die Abmahnung ist auch nicht unverhältnismäßig.

57

Bei Abmahnungen im Arbeitsverhältnis ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Danach ist die Ausübung eines Rechts unzulässig, wenn sie der Gegenseite unverhältnismäßig große Nachteile zufügt und andere, weniger schwerwiegende Maßnahmen möglich gewesen wären, die den Interessen des Berechtigten ebensogut Rechnung getragen hätten oder zumindest zumutbar gewesen wären. Dieser Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird als Übermaßverbot zur Vermeidung von schwerwiegenden Rechtsfolgen bei nur geringfügigen Rechtsverstößen verstanden. Hiernach hat der Arbeitgeber im Rahmen der ihm zustehenden Freiheit der Meinungsäußerung zunächst selbst zu entscheiden, ob er ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers missbilligen will und ob er deswegen eine mündliche oder schriftliche Abmahnung erteilen will (BAG v. 13.11.1991 - 5 AZR 74/91 - AP Nr. 7 zu § 611 BGB Abmahnung, m. w. N.).

58

Die schriftliche Abmahnung der Beklagten ist nicht unverhältnismäßig im Vergleich zu dem beanstandeten Verhalten. Dass die Beklagte die Abmahnung in die Personalakte des Klägers aufgenommen hat, ist sachgerecht. Es muss ihr überlassen bleiben, ob sie dies aus Beweisgründen für erforderlich hält oder nicht. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt voraus, dass der Gläubiger - hier also die Beklagte - zwischen verschiedenen Reaktionsmöglichkeiten wählen kann (Ausweichprinzip). Es ginge zu weit, der Beklagten die Abmahnung und deren Aufnahme in die Personalakte des Klägers zu untersagen, weil man über den erhobenen Vorwurf auch hinwegsehen könnte. Damit würde die Beklagte zwangsläufig zu erkennen geben, sie nehme an der Verletzung der Dokumentationspflicht keinen Anstoß.

59

Gegen die Verhältnismäßigkeit der streitbefangenen Abmahnung kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, das Verhalten des Klägers stelle sich letztlich (nur) als Geltendmachung eines Rechts auf Zahlung von Arbeitsvergütung für Fahrtzeiten dar. Der Kläger hatte jederzeit die Möglichkeit, seine etwaigen diesbezüglichen Ansprüche geltend zu machen, ohne hierbei zugleich seine Dokumentationspflichten zu verletzen. Überdies war der Kläger mit E-Mail seines Vorgesetzten vom 19.03.2016 ausdrücklich angehalten worden, die Bestimmungen der GBV-Arbeitszeit bei der Führung seiner Arbeitszeitjournale einzuhalten.

e)

60

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte kein schutzwürdiges Interesse mehr hat am Verbleib der zu Recht erteilten Abmahnung in der Personalakte des Klägers, sind - auch im Hinblick darauf, dass seit deren Erteilung erst ca. 1,5 Jahre vergangen sind - nicht gegeben.

III.

61

Nach alledem war die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abzuweisen.

62

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

63

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.

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(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Der Schulungsnachweis wird mit den Mindestangaben nach Unterabschnitt 1.8.3.18 ADR/RID/ADN erteilt, wenn der Betroffene an einer Schulung nach § 5 teilgenommen und eine Prüfung nach § 6 Absatz 1 mit Erfolg abgelegt hat. Der Schulungsnachweis gilt fünf Jahre und kann jeweils um weitere fünf Jahre verlängert werden, wenn der Betroffene eine Prüfung nach § 6 Absatz 4 mit Erfolg abgelegt hat.

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 23. November 2010 - 7 Sa 427/09 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin.

2

Der beklagte Landkreis ist Träger einer Volkshochschule, die organisatorisch dem Schulverwaltungsamt zugeordnet ist. Zu der Volkshochschule gehört ein Planetarium, für das eine Zahlstelle der Kreiskasse eingerichtet ist.

3

Die Klägerin ist bei dem Beklagten seit dem Jahre 2000 als Verwaltungsfachangestellte beschäftigt. Ihr wurde mit Wirkung zum 1. Dezember 2006 die Tätigkeit einer Haushaltssachbearbeiterin der Volkshochschule übertragen. Sie war verantwortlich für die Zahlstelle des Planetariums.

4

Die Einnahme- und Auszahlungsanordnungen für das Planetarium wurden anlässlich einer Dienstberatung Anfang März 2007 zur Entlastung der Klägerin ihrer Vertreterin - Frau H - übertragen. Mit einem Schreiben an die Dezernentin vom 25. Mai 2007 beantragte der Leiter der Volkshochschule, die Verantwortlichkeit für die Zahlstellenverwaltung dahin zu ändern, dass Frau H als Hauptverantwortliche eingesetzt werde, die Klägerin nurmehr im Vertretungsfall.

5

Mitte Juli 2007 übergab die Klägerin die Zahlstelle anlässlich ihres bevorstehenden Urlaubs an den Leiter der Volkshochschule. Anstelle des Originalkassenbuchs händigte sie ihm eine von ihr gefertigte Zweitfassung mit nur ein oder zwei Eintragungen aus, in die Quittungen eingelegt waren. Der Leiter bemerkte das Fehlen des Originalbuchs, ohne Schritte zur Aufklärung seines Verbleibs zu unternehmen. Bei einer im August 2007 durchgeführten Kontrolle durch die Leiterin der Kreiskasse wurde es nicht mehr aufgefunden. Die Klägerin gab bei einer Anhörung an, sie habe das Kassenbuch am 26. April 2007 an Frau H übergeben. Sie sei nur noch deren Vertreterin gewesen. Sie habe das Kassenbuch im Vertretungsfall nicht zurückerhalten. Sie habe deshalb ein zweites angelegt.

6

Mit Schreiben vom 16. April 2008 mahnte der Beklagte die Klägerin ab. Er beanstandete, dass das Kassenbuch in der Zeit abhanden gekommen sei, zu der sie für die Verwaltung der Zahlstelle verantwortlich gewesen sei. Sie habe dadurch gegen ihre Pflicht zur sorgfältigen Führung der Zahlstelle verstoßen. Zudem habe sie durch ihre Erklärungen den Eindruck erweckt, die Verantwortung für die nicht ordnungsgemäße Führung der Zahlstelle und das Abhandenkommen des Kassenbuchs treffe die Vertreterin.

7

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Rücknahme der Abmahnung verlangt. Sie hat behauptet, Frau H sei am 5. März 2007 mit der Arbeitsaufgabe „Planetarium“ beauftragt worden.

8

Die Klägerin hat beantragt

        

den Beklagten zu verurteilen, die ihr mit Schreiben vom 16. April 2008 erteilte Abmahnung zurückzunehmen und aus der Personalakte zu entfernen.

9

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat behauptet, die Klägerin sei weiterhin für die Verwaltung der Zahlstelle verantwortlich gewesen. Am 5. März 2007 seien zu ihrer Entlastung lediglich die Einnahme- und Auszahlungsanordnungen auf Frau H übertragen worden. Bis zur Kassenprüfung im August 2007 sei die Planung, diese zur Kassenverantwortlichen zu bestellen, nicht umgesetzt worden. Die Angabe der Klägerin, sie habe Ende April 2007 das Originalkassenbuch übergeben und nicht mehr zurückerhalten, treffe nicht zu.

10

Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte sein Begehren weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht ( § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Klage nicht stattgeben (I.). Ob der Beklagte verpflichtet ist, die Abmahnung vom 16. April 2008 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, steht noch nicht fest (II.).

12

I. Das Landesarbeitsgericht hat auf Basis der bisherigen Feststellungen zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe einen Anspruch auf Rücknahme und Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte.

13

1. Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung von §§ 242, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Anspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt, und auch dann, wenn selbst bei einer zu Recht erteilten Abmahnung kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers mehr an deren Verbleib in der Personalakte besteht (BAG 12. August 2010 - 2 AZR 593/09 - Rn. 10, AP GG Art. 4 Nr. 8; 27. November 2008 - 2 AZR 675/07 - Rn. 13 - 17 mwN, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 33 = EzA BGB 2002 § 314 Nr. 4).

14

2. Nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht nicht zwischen einem Anspruch auf Rücknahme der Abmahnung und einem solchen auf ihre Entfernung aus der Personalakte differenziert hat.

15

a) Das Begehren auf Rücknahme einer Abmahnung wird neben dem auf ihre Entfernung aus der Personalakte zumeist nicht eigenständig verfolgt. Eine mit dem Klageantrag verlangte „Rücknahme und Entfernung“ der Abmahnung ist dann als einheitlicher Anspruch auf Beseitigung der durch die Abmahnung erfolgten Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts zu verstehen (vgl. BAG 27. Januar 1988 - 5 AZR 604/86 - RzK I 1 Nr. 26; Hessisches LAG 22. Juni 2010 - 12 Sa 829/09 - Rn. 17; LAG Köln 15. Juni 2007 - 11 Sa 243/07 - Rn. 26 f.). Kann der Klagebegründung dagegen entnommen werden, der Kläger begehre neben einer Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte beispielsweise den Widerruf darin enthaltener Äußerungen, kann ein Antrag auf Rücknahme der Abmahnung in diesem Sinne auszulegen sein (vgl. LAG Nürnberg 14. Juni 2005 - 6 Sa 582/04 - zu 3 der Gründe, AR-Blattei ES 20 Nr. 41; Hessisches LAG 22. Juni 2010 - 12 Sa 829/09 - aaO).

16

b) Im Streitfall bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin neben der Entfernung der Abmahnung aus ihrer Personalakte einen weiteren Anspruch verfolgt. Sie hat sich nicht dagegen gewandt, dass die Vorinstanzen den Klageanspruch als ein einheitliches Begehren auf Rücknahme der Abmahnung eben durch ihre Entfernung aus der Personalakte verstanden haben.

17

3. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte sei zur Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte der Klägerin verpflichtet, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Abhandenkommen des Originalkassenbuchs falle zwar in die Zeit der Verantwortlichkeit der Klägerin, der Beklagte habe aber kein schutzwürdiges Interesse mehr daran, dass die Abmahnung in deren Personalakte verbleibe.

18

a) Personalakten sind eine Sammlung von Urkunden und Vorgängen, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse eines Mitarbeiters betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen. Sie sollen ein möglichst vollständiges, wahrheitsgemäßes und sorgfältiges Bild über diese Verhältnisse geben ( BAG 8. Februar 1989 - 5 AZR 40/88 - RzK I 1 Nr. 47; 9. Februar 1977 - 5 AZR 2/76 - zu II 2 der Gründe, AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 83 = EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 21). Ein Arbeitnehmer kann deshalb nur in Ausnahmefällen die Entfernung auch solcher Aktenvorgänge verlangen, die auf einer richtigen Sachverhaltsdarstellung beruhen ( BAG 8. Februar 1989 - 5 AZR 40/88 - zu II 2 der Gründe, aaO; 7. September 1988 - 5 AZR 625/87  - zu III der Gründe, AP BGB § 611 Abmahnung Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 17; 13. April 1988 - 5 AZR 537/86  - zu I der Gründe, AP BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 100 = EzA BGB § 611 Fürsorgepflicht Nr. 47). Ein solcher Fall liegt vor, wenn eine Interessenabwägung im Einzelfall ergibt, dass die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte, obwohl der beurkundete Vorgang für das Arbeitsverhältnis rechtlich bedeutungslos geworden ist (BAG 30. Mai 1996 - 6 AZR 537/95 - zu II 4 der Gründe, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 34; 8. Februar 1989 - 5 AZR 40/88 - aaO; 7. September 1988 - 5 AZR 625/87 - aaO).

19

b) Diesen Maßstab hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

20

aa) Es hat angenommen, eine Abmahnung könne nach längerem einwandfreien Verhalten des Arbeitnehmers ihre Wirkung verlieren, wofür die Umstände des Einzelfalls maßgeblich seien (vgl. BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4). Dies trifft zwar zu. So kann es nach einer längeren Zeit einwandfreier Führung einer erneuten Abmahnung bedürfen, bevor eine verhaltensbedingte Kündigung wegen einer erneuten gleichartigen Pflichtverletzung gerechtfertigt wäre (vgl. BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - aaO). Berücksichtigt worden ist damit aber nur die Warnfunktion einer Abmahnung. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber dagegen seine arbeitsvertraglichen Gläubigerrechte in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge- und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion) (BAG 11. Dezember 2001 - 9 AZR 464/00 - zu I der Gründe, BAGE 100, 70; 30. Mai 1996 - 6 AZR 537/95 - zu II 1 der Gründe, AP BGB § 611 Nebentätigkeit Nr. 2 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 34; 26. Januar 1995 - 2 AZR 649/94 - zu B III 4 a der Gründe, BAGE 79, 176).

21

bb) Ein Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung setzt demnach nicht nur voraus, dass die Abmahnung ihre Warnfunktion verloren hat. Der Arbeitgeber darf auch kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung haben. Der Arbeitnehmer kann die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses unter keinem rechtlichen Aspekt mehr eine Rolle spielen kann. Das durch die Abmahnung gerügte Verhalten muss für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden sein. Das ist nicht der Fall, solange eine zu Recht erteilte Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung oder Beförderung und die entsprechende Eignung des Arbeitnehmers, für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis oder für die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung von Bedeutung sein kann. Darüber hinaus kann es im berechtigten Interesse des Arbeitgebers liegen, die Erteilung einer Rüge im Sinne einer Klarstellung der arbeitsvertraglichen Pflichten weiterhin dokumentieren zu können. Demgegenüber verlangen die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers nicht, einen Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung schon dann zu bejahen, wenn diese zwar ihre Warnfunktion verloren hat, ein Dokumentationsinteresse des Arbeitgebers aber fortbesteht. Auch wenn sich eine Abmahnung noch in der Personalakte befindet, ist im Rahmen eines möglichen Kündigungsrechtsstreits stets zu prüfen, ob ihr noch eine hinreichende Warnfunktion zukam (vgl. etwa BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4).

22

cc) Diese Voraussetzungen eines Entfernungsanspruchs hat das Landesarbeitsgericht nicht sämtlich geprüft.

23

(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Abmahnung sei wegen Zeitablaufs nicht mehr wirksam und deshalb aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen. Mit der Verwaltung der Zahlstelle sei die Klägerin offensichtlich überfordert gewesen. Ihr seit der Abmahnung beanstandungsfreies Verhalten lasse den Schluss zu, sie werde künftig ihre Arbeitspflichten ordnungsgemäß erfüllen.

24

(2) Die Begründung des Landesarbeitsgerichts lässt nicht erkennen, an welchem Maßstab es sich orientiert und diese Einzelfallumstände gewürdigt hat. Es ist nicht ersichtlich, dass es geprüft hätte, ob die Abmahnung für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden ist. Das Landesarbeitsgericht hat nicht alle rechtlichen Gesichtspunkte erwogen und ausgeschlossen, unter denen der Beklagte ein berechtigtes Interesse an dem weiteren Verbleib der Abmahnung in der Personalakte der Klägerin haben könnte. Es hat insbesondere nicht gewürdigt, ob das gerügte Fehlverhalten der Klägerin weiterhin von Bedeutung für eine Beurteilung ihrer Fähigkeiten und Leistungen als Haushaltssachbearbeiterin sein konnte. Dagegen spricht nicht schon der Umstand, dass nach Ansicht des Landesarbeitsgerichts die Gefahr einer erneuten Pflichtverletzung nicht mehr bestand. Sollte mit dem Landesarbeitsgericht anzunehmen sein, die Klägerin sei mit der Verwaltung der Zahlstelle überfordert gewesen, spricht dies mit Blick auf künftige Einsatzmöglichkeiten eher für ein berechtigtes Interesse des Beklagten an einer Beibehaltung der Dokumentation.

25

II. Ob der Beklagte verpflichtet ist, die Abmahnung vom 16. April 2008 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, steht danach noch nicht fest.

26

1. Eine solche Verpflichtung besteht auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht deshalb, weil die Abmahnung eine falsche Tatsachenbehauptung oder unzutreffende rechtliche Wertung insoweit enthielte, wie der Beklagte rügt, die Klägerin habe Frau H bezichtigt, für das Verschwinden des Kassenbuchs die Verantwortung zu tragen.

27

a) Der Beklagte hat sowohl im Text der Abmahnung als auch im Rechtsstreit angegeben, worauf er diesen Vorwurf stützt. Die Klägerin habe bei ihrer Anhörung angegeben, der Kollegin am 26. April 2007 das Originalkassenbuch übergeben und es von ihr nicht wieder zurückerhalten zu haben. Dies treffe nicht zu.

28

b) Entspräche die Behauptung des Beklagten, die Klägerin habe das Originalkassenbuch Ende April 2007 nicht ihrer Kollegin übergeben, der Wahrheit, enthielte seine Rüge, die Klägerin habe dadurch die Kollegin bezichtigt, für das Verschwinden des Kassenbuchs verantwortlich zu sein, weder eine falsche Tatsachenbehauptung, noch beruhte sie auf einer unzutreffenden rechtlichen Würdigung. Es ginge dann nicht nur um eine möglicherweise von der Klägerin missverstandene Beschlusslage von Anfang März 2007, wie das Arbeitsgericht gemeint hat. Die Klägerin hätte vielmehr selbst unzutreffende Angaben zu einer tatsächlichen Übergabe des Kassenbuchs mit der Folge gemacht, dass ihre Kollegin als verantwortlich für das Verschwinden des Kassenbuchs erscheinen musste.

29

2. Sonstige Gründe für einen Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Abmahnung sind auf Basis der bisherigen Feststellungen nicht gegeben. Die Abmahnung ist weder inhaltlich zu unbestimmt noch verstößt sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

30

3. Umgekehrt ist ein Anspruch der Klägerin auf Entfernung der Abmahnung vom 16. April 2008 nicht deshalb generell ausgeschlossen, weil die Abmahnung für die bei einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdende Interessenabwägung während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses ihre Bedeutung behielte. Maßgeblich sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls.

31

a) Im Schrifttum wird teilweise angenommen, der Arbeitgeber habe ein dauerhaftes Interesse an dem Verbleib einer zu Recht erteilten Abmahnung in der Personalakte des Arbeitnehmers (vgl. Kleinebrink BB 2011, 2617, 2622; Ritter DB 2011, 175, 176 f.; Schrader NZA 2011, 180, 181). Die Abmahnung möge zwar nach einem gewissen Zeitablauf ihre Warnfunktion verlieren, im Rahmen der Interessenabwägung müsse sich der Arbeitgeber aber weiterhin auf sie berufen dürfen (Schrader aaO). Durch bloßen Zeitablauf könne die Abmahnung nicht bedeutungslos werden, weil für die Abwägung der beiderseitigen Interessen erheblich sein könne, ob das Arbeitsverhältnis während seines - gesamten - Bestands störungsfrei gewesen sei (Ritter DB 2011, 175, 176). Der Arbeitgeber müsse die Möglichkeit haben, Unterlagen, die einen Vertrauenszuwachs verhindern könnten, dauerhaft in der Personalakte zu belassen (Kleinebrink aaO).

32

b) Zutreffend ist, dass eine Abmahnung für eine spätere Interessenabwägung auch dann noch Bedeutung haben kann, wenn sie ihre kündigungsrechtliche Warnfunktion verloren hat. So kann in die Interessenabwägung bei einer verhaltensbedingten Kündigung ein zuvor störungsfreier Verlauf des Arbeitsverhältnisses einzubeziehen sein (vgl. BAG 7. Juli 2011 - 2 AZR 355/10 - Rn. 20, AP BGB § 626 Nr. 237 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 38; 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09  - Rn. 34, BAGE 134, 349). An einem solchen kann es fehlen, wenn der Arbeitnehmer schon einmal abgemahnt wurde. Gleichwohl besteht ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Dokumentation einer Pflichtverletzung nicht zwangsläufig für die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses. So kann ein hinreichend lange zurückliegender, nicht schwerwiegender und durch beanstandungsfreies Verhalten faktisch überholter Pflichtenverstoß seine Bedeutung für eine später erforderlich werdende Interessenabwägung gänzlich verlieren. Eine nicht unerhebliche Pflichtverletzung im Vertrauensbereich wird demgegenüber eine erhebliche Zeit von Bedeutung sein.

33

III. Bei der neuen Verhandlung und Entscheidung wird das Landesarbeitsgericht die folgenden Erwägungen zu berücksichtigen haben.

34

1. Bislang ist nicht aufgeklärt, ob die Abmahnung vom 16. April 2008 eine unrichtige Tatsachenbehauptung oder falsche rechtliche Bewertung enthält. Die Klägerin hat zwar nicht bestritten, bei ihrer Anhörung angegeben zu haben, sie habe ihrer Kollegin schon Ende April 2007 die Zahlstelle übergeben. Eine Pflichtverletzung läge darin aber nur, wenn dies nicht der Wahrheit entspräche. Hierzu haben die Parteien widerstreitend vorgetragen.

35

2. Ebenso wenig wie für das Fortbestehen der Warnfunktion einer Abmahnung (vgl. BAG 18. November 1986 - 7 AZR 674/84 - zu II 5 der Gründe, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 17 = EzA BGB § 611 Abmahnung Nr. 4)gibt es eine fest bemessene Frist für die Dauer, für welche ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an ihrem Verbleib in der Personalakte des Arbeitnehmers anzuerkennen ist. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwere des gerügten Fehlverhaltens. Je schwerer eine Pflichtverletzung wiegt, desto länger kann sie für die Beurteilung der Führung, der Leistungen und der Fähigkeiten des Arbeitnehmers und ggf. für seine Vertrauenswürdigkeit von Bedeutung sein. Ein auf nur geringer Nachlässigkeit beruhender Ordnungsverstoß kann seine Bedeutung für das Arbeitsverhältnis deutlich eher verlieren (vgl. dazu BAG 27. Januar 1988 - 5 AZR 604/86 - zu III der Gründe, RzK I 1 Nr. 26) als ein Fehlverhalten, welches geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität des Arbeitnehmers erheblich zu beeinträchtigen. Auch eine schwere Pflichtverletzung im Leistungsbereich wird ein Interesse des Arbeitgebers an einem Verbleib der Abmahnung in der Personalakte angesichts der Möglichkeit, die Qualität der Arbeitsleistung und die Befähigung des Arbeitnehmers für höherwertige oder andere Tätigkeiten beurteilen zu müssen, für längere Zeit begründen können.

        

    Kreft    

        

    Rinck    

        

    Rachor    

        

        

        

    A. Claes    

        

    Sieg    

                 

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 15. Dezember 2011 - 11 Sa 1107/11 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten, soweit für die Revision von Interesse, über die Vergütung von Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen.

2

Der Kläger ist seit Dezember 1992 bei der Beklagten als Elektromechaniker beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen Anwendung.

3

Im Manteltarifvertrag für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen vom 16. Oktober 2006 (im Folgenden: MTV) ist zur Arbeitszeit ua. bestimmt:

        

㤠2

        

Arbeitszeit

        

1.    

Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 37 Stunden; bei einer 5-Tage-Woche beträgt die tägliche Arbeitszeit 7,4 Stunden.

        

2.    

Durch Betriebsvereinbarung kann für einzelne Arbeitnehmer, Arbeitnehmergruppen, Betriebsteile oder den Gesamtbetrieb eine unterschiedliche Wochenarbeitszeit zwischen 28 und 43 Stunden festgelegt werden.

                 

...     

        

14.     

An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne der Arbeitszeitordnung gelten nicht als Arbeitszeit.“

4

Zu auswärtigen Arbeiten heißt es im Lohntarifvertrag für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen vom 22. Januar 2010 (im Folgenden: LTV) gleichlautend wie in dem vorangegangenen Lohntarifvertrag vom 11. Oktober 2007:

        

„VII. 

        

Auswärtige Arbeiten (Montagearbeiten)

        

1.    

Notwendiges Fahrgeld wird bei Arbeiten auf auswärtigen Arbeitsstellen erstattet für Fahrten zwischen der auswärtigen Arbeitsstelle und dem Sitz des entsendenden Betriebes.

                 

Es wird das übliche Fahrgeld zur Benutzung des billigsten zur Verfügung stehenden öffentlichen Verkehrsmittels für Hin- und Rückfahrt vergütet.

        

2.    

Beträgt die Entfernung vom Sitz des Betriebes bis zur auswärtigen Arbeitsstelle mehr als eine Wegstrecke von 5 km, wird dem Montagearbeiter je Montagearbeitstag neben dem Fahrgeld Auslösung nach folgender Staffel gezahlt:

                 

in Zone 1 von 5 - 10 km

60 % des tariflichen Ecklohnes,

                 

in Zone 2 von 11 - 20 km

120 % des tariflichen Ecklohnes,

                 

in Zone 3 von 21 - 30 km

150 % des tariflichen Ecklohnes,

                 

in Zone 4 von 31 - 50 km

250 % des tariflichen Ecklohnes,

                 

in Zone 5 über 50 km

280 % des tariflichen Ecklohnes.

                 

Der tarifliche Ecklohn ist der Tariflohn der Lohngruppe 3, 2. Gesellenjahr.

        

3.    

Der Anspruch auf Auslösung setzt die Einhaltung der vollen betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit auf der auswärtigen Arbeitsstelle voraus. Überstunden zählen nicht zur betriebsüblichen Arbeitszeit.

        

4.    

Bei auswärtigen Arbeitsstellen, von denen eine tägliche Heimfahrt nicht möglich ist, wird eine Auslösung nach folgender Staffel je Kalendertag gezahlt:

                 

während der ersten 2 Wochen

33,75 Euro

                 

nach 2 Wochen

 32,72 Euro.

                 

In Sonderfällen werden besondere Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Montagearbeiter getroffen. Sofern eine Betriebsvertretung vorhanden ist, ist diese zu hören.

        

5.    

Stellt der Arbeitgeber auf der auswärtigen Arbeitsstelle Unterkunft und Verpflegung kostenfrei zur Verfügung, wird eine besondere Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Montagearbeiter getroffen.

        

6.    

Bei Arbeitsversäumnis infolge nachgewiesener Krankheit wird die Auslösung bis zur Dauer von drei Tagen gezahlt, sofern der Montagearbeiter nicht nach Hause fahren kann oder keine Aufnahme in einem Krankenhaus findet.

        

7.    

Jeder auf einer auswärtigen Arbeitsstelle tätige Montagearbeiter hat zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten Anspruch auf eine Heimreise an dem diesen Feiertagen vorausgehenden Wochentag, wobei ihm die Reisezeit mit dem normalen Stundenlohn und das Fahrgeld vergütet werden. Die Heimreise ist so zu legen, dass der Montagearbeiter seinen Wohnort bis 12 Uhr erreichen kann. Im Falle der Heimreise ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, eine Auslösung für die Feiertage zu gewähren.

        

...     

        
        

9.    

Für Montagearbeiten auf auswärtigen Arbeitsstellen wird eine Montagezulage von 5 % auf den Tariflohn gewährt, sofern die Montagearbeitszeit auf der auswärtigen Arbeitsstelle mindestens 6 ½ Stunden am Arbeitstag beträgt.

                 

Erstreckt sich eine Montage über einen Arbeitstag hinaus, dann ist die Montagezulage für alle Montagearbeitsstunden zu zahlen.

                 

Nahmontagen, die in einer Entfernung der Wegstrecke vom Sitz des Betriebes bis zu 5 km ausgeführt werden, gelten nicht als zulagepflichtige Montagearbeiten. In Sonderfällen werden besondere Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Montagearbeiter getroffen. Sofern eine Betriebsvertretung vorhanden ist, ist diese zu hören.“

5

Ab dem 1. November 2008 erhielt der Kläger einen Stundenlohn von 16,44 Euro brutto, der sich zusammensetzte aus einem Grundlohn der Tarifgruppe 5 (13,82 Euro), einer Montagezulage (0,69 Euro), einer Leistungszulage (1,66 Euro) sowie einer „Übertarif-Zulage“ (0,27 Euro). Mit Schreiben vom 6. August 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, ab 1. Juni 2010 betrage sein Stundenlohn 15,84 Euro brutto und setze sich zusammen aus einem Grundlohn der Tarifgruppe 5 iHv. 14,08 Euro, einer Montagezulage iHv. 0,70 Euro und einer Leistungszulage iHv. 1,06 Euro. Fahrten zu auswärtigen Arbeitsstellen entgalt die Beklagte (nur) mit der tarifvertraglichen Auslösung.

6

Mit der am 21. Januar 2010 eingereichten und mehrfach erweiterten Klage hat der Kläger die - weitere - Vergütung von Fahrzeiten vom Betrieb zu auswärtigen Arbeitsstellen im Zeitraum September 2009 bis Juli 2010 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, diese Fahrzeiten seien als vergütungspflichtige Arbeitszeit mit dem ihm zustehenden Stundenlohn zu vergüten.

7

Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.729,75 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die Vergütung der Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen sei mit den Bestimmungen für auswärtige Arbeiten im LTV abschließend geregelt.

9

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

11

I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung der Fahrten vom Betrieb zu auswärtigen Arbeitsstellen (und zurück) mit dem vereinbarten Stundenlohn. Hierfür fehlt eine Anspruchsgrundlage.

12

1. Auf eine ausdrückliche arbeitsvertragliche Vereinbarung, wonach die Fahrzeiten vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle wie Arbeitszeit mit dem dafür vorgesehenen Stundenlohn zu vergüten wären, hat sich der Kläger nicht berufen.

13

2. Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass auf ihr Arbeitsverhältnis kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Tarifverträge für das Metallbauerhandwerk, Feinwerkmechanikerhandwerk, Metall- und Glockengießerhandwerk Nordrhein-Westfalen Anwendung finden. Mithin hängt die Einordnung der streitgegenständlichen Fahrzeiten als Arbeitszeit und deren Vergütungspflicht davon ab, ob sie nach den tariflichen Bestimmungen Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit und mit dem (tariflichen) Stundenlohn zu vergüten sind.

14

a) Fahrzeiten von der Betriebsstätte zur auswärtigen Arbeitsstelle sind schon nicht Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit.

15

Eine ausdrückliche Bestimmung hierzu enthält der MTV allerdings nicht. § 2 MTV regelt lediglich die Dauer der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sowie deren Flexibilisierung und nimmt in Nr. 14 ausdrücklich nur An- und Auskleiden, Waschen sowie Pausen im Sinne des Arbeitszeitrechts aus der tariflichen Arbeitszeit heraus. Was tarifliche Arbeitszeit ist, definiert der MTV aber ansonsten nicht. Doch wird aus dem Zusammenhang mit dem LTV deutlich, dass der MTV Fahrzeiten wie die streitgegenständlichen nicht zur tariflichen Arbeitszeit zählt. Denn nach VII Nr. 3 LTV setzt der Anspruch auf Auslösung die Einhaltung der vollen betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit auf der auswärtigen Arbeitsstelle voraus. Damit bringt der Tarifvertrag zum Ausdruck, dass An- und Rückfahrt zur bzw. von der auswärtigen Arbeitsstelle nicht zur tariflichen Arbeitszeit zählen. Anderenfalls würde der Anspruch auf Auslösung stets eine Überschreitung der betriebsüblichen täglichen Arbeitszeit voraussetzen. Außerdem soll dem Arbeitgeber für die auswärtige Baustelle die volle, nicht durch An- und Abfahrt geschmälerte betriebsübliche tägliche Arbeitszeit zur Verfügung stehen, ohne dass er mitbestimmungspflichtige (§ 3 Nr. 4 MTV, § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) und ggf. zuschlagspflichtige (§ 4 MTV) Überstunden gewärtigen muss. Damit ergeben sich weder aus dem MTV noch aus dem LTV Anhaltspunkte für eine Einordnung der Fahrzeiten zu auswärtigen Arbeitsstellen als Bestandteil der tariflichen Arbeitszeit.

16

b) Unerheblich für das Ob und Wie der Vergütung der streitgegenständlichen Fahrzeiten ist es, dass die sog. Wegezeiten für die Fahrt vom Betriebssitz zu einer auswärtigen Arbeitsstätte - anders als die Wegezeit von der Wohnung des Arbeitnehmers zum Betrieb - arbeitszeitschutzrechtlich der Arbeitszeit iSd. § 2 Abs. 1 ArbZG zugerechnet werden(vgl. ErfK/Wank 13. Aufl. § 2 ArbZG Rn. 16 mwN; Buschmann/Ulber ArbZG 7. Aufl. § 2 Rn. 7 f.; Schliemann ArbZG § 2 Rn. 37 ff.; Anzinger/Koberski ArbZG 3. Aufl. § 2 Rn. 16 ff.). Denn die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit im Sinne des gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts führt nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht, wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss (BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 20, BAGE 137, 366; 16. Mai 2012 - 5 AZR 347/11 - Rn. 9, NZA 2012, 939; 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 23 f., BB 2013, 445).

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c) Die gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers knüpft nach § 611 BGB an die Leistung der versprochenen Dienste an(BAG 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 20, BAGE 137, 366). Dazu zählt nicht nur die eigentliche Tätigkeit, sondern jede vom Arbeitgeber im Synallagma verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise von deren Erbringung unmittelbar zusammenhängt (BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 28, BB 2013, 445 unter Aufgabe von BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 122/99 - BAGE 96, 45). Zu den iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Diensten“ gehört auch das vom Arbeitgeber angeordnete Fahren vom Betrieb zu einer auswärtigen Arbeitsstelle. Derartige Fahrten sind eine primär fremdnützige, den betrieblichen Belangen des Arbeitgebers dienende Tätigkeit und damit „Arbeit“ (zum Begriff der Arbeit, vgl. BAG 22. April 2009 - 5 AZR 292/08 - Rn. 15, AP BGB § 611 Wegezeit Nr. 11; 20. April 20115 AZR 200/10 - Rn. 21, BAGE 137, 366 - jeweils mwN). Durch das Anordnen der Fahrten macht der Arbeitgeber diese zur arbeitsvertraglichen Verpflichtung.

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Mit der Einordnung der Fahrzeiten als Teil der iSv. § 611 Abs. 1 BGB „versprochenen Dienste“ ist aber noch nicht geklärt, wie sie zu vergüten sind. Durch Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag kann eine gesonderte Vergütungsregelung für eine andere als die eigentliche Tätigkeit und damit auch für Fahrzeiten vom Betrieb zur auswärtigen Arbeitsstelle getroffen werden (vgl. BAG 19. September 2012 - 5 AZR 678/11 - Rn. 29, BB 2013, 445 [Umkleidezeiten]; 20. April 2011 - 5 AZR 200/10 - Rn. 32, BAGE 137, 366 [Beifahrerzeiten]; 21. Dezember 2006 - 6 AZR 341/06 - Rn. 13, BAGE 120, 361). Eine solche gesonderte Vergütungsregelung enthält im Streitfalle der LTV.

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Schon der Umstand, dass die tariflichen Vorschriften Fahrzeiten nicht ausdrücklich der tariflichen Arbeitszeit zuordnen, spricht dafür, dass diese nicht mit dem „normalen“ Stundenlohn entgolten werden sollen. Dementsprechend enthält unter der Überschrift „Auswärtige Arbeiten (Montagearbeiten)“ VII LTV eine eigenständige und abschließende Regelung für die „Entlohnung“ des mit der Arbeit an auswärtigen Arbeitsstellen verbundenen (Zeit-)Aufwands. Vorgesehen sind ein Fahrgeld bei tatsächlichen Fahrtkosten, eine nach Entfernung und Aufenthaltsdauer auf der auswärtigen Arbeitsstelle gestaffelte, vom tatsächlichen Aufwand und steuerrechtlichen Pauschalbeträgen losgelöste Auslösung, deren Höhe bei täglicher Heimfahrt an bestimmte Prozentsätze des tariflichen Zeitlohnes anknüpft, und eine Montagezulage. Dagegen fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, zusätzlich zu diesen Leistungen solle die Fahrzeit zur auswärtigen Arbeitsstelle (und zurück) mit dem „normalen“ Stundenlohn vergütet werden.

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Mit dem Begriff „Auslösung“ wird zwar gemeinhin ein pauschalierter Aufwendungsersatz bezeichnet, der Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten abdecken soll (vgl. ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 517). Die „Auslösung“ bei täglicher Heimfahrt nach VII Nr. 2 LTV hat jedoch - zumindest auch - Entgeltcharakter: Fahrgeld wird gesondert nach VII Nr. 1 LTV erstattet, Übernachtungskosten fallen bei täglicher Heimfahrt nicht an und höhere Verpflegungskosten als bei einer Arbeit im Betrieb müssen nicht zwingend entstehen. Zudem bemisst sich die „Auslösung“ bei täglicher Heimfahrt nicht wie diejenige bei nicht täglicher Heimfahrt (VII Nr. 4 LTV) nach einem bestimmten Euro-Betrag, sondern an einem mit zunehmender Entfernung (und damit im Regelfall längeren Fahrzeit) steigenden Prozentsatz des tariflichen Ecklohns. Bei dieser Ausgestaltung hätte es einer ausdrücklichen Regelung bedurft, wenn neben den in VII LTV vorgesehenen Leistungen für Arbeit auf auswärtigen Arbeitsstellen zusätzlich die Fahrzeit mit dem normalen Stundenlohn vergütet werden soll.

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Das belegt VII Nr. 7 LTV, in der ausdrücklich bestimmt ist, dass bei Heimreisen zu Ostern, Pfingsten und Weihnachten - neben dem Fahrgeld - „die Reisezeit mit dem normalen Stundenlohn“ vergütet werden muss, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer zunächst zum Betrieb zurückfährt, um dort zB Werkzeug abzugeben oder das Montagefahrzeug abzustellen, und erst anschließend zu seiner Wohnung weiterreist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass andere Reisezeiten und damit auch die streitgegenständlichen Fahrzeiten nicht mit dem normalen Stundenlohn zu vergüten sind.

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II. Der Kläger hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Müller-Glöge    

        

    Laux    

        

    Biebl    

        

        

        

    Hromadka    

        

    Zoller    

                 

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Der Schulungsnachweis wird mit den Mindestangaben nach Unterabschnitt 1.8.3.18 ADR/RID/ADN erteilt, wenn der Betroffene an einer Schulung nach § 5 teilgenommen und eine Prüfung nach § 6 Absatz 1 mit Erfolg abgelegt hat. Der Schulungsnachweis gilt fünf Jahre und kann jeweils um weitere fünf Jahre verlängert werden, wenn der Betroffene eine Prüfung nach § 6 Absatz 4 mit Erfolg abgelegt hat.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.