Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Dez. 2017 - 4 Sa 389/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:1220.4Sa389.16.00
20.12.2017

Diese Entscheidung wird zitiert ausblendenDiese Entscheidung wird zitiert


Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 5.7.2016 - 8 Ca 247/16 - wie folgt abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz.

2

Der Kläger war bei der Beklagten zu 1., die ein Bauunternehmen betreibt, als Bauhelfer beschäftigt. Der Beklagte zu 2. ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Bei dem Beklagten zu 3. handelt es sich um einen bei der Beklagten zu 1. als Vorarbeiter beschäftigter Arbeitnehmer.

3

Am 18.05.2015 stürzte der Kläger beim Bau einer Garage und dem Aufbringen einer Fertigteildecke aus einer - von ihm behaupteten - Höhe von 3,40 Metern herunter und verletzte sich dabei schwer. Die Einzelheiten des Unfallhergangs sind zwischen den Parteien streitig. Der Kläger erlitt bei dem Unfall einen Berstungsspaltbruch am 12. Brustwirbelkörper, einen Flexionsbruch am 7. Brustwirbelkörper sowie einen Kompressionsbruch am 8. Brustwirbelkörper. Darüber hinaus erlitt er neben einer Hinterkopfplatzwunde eine Fraktur des Brustbeins mit der Folge einer beidseitigen Lungenkontusion und Pneumothorax. Vom 18.05. bis 16.07.2015 sowie vom 21.07. bis zum 01.09.2015 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung. Seitdem befindet er sich in ambulanter Behandlung einschließlich regelmäßig durchzuführender Krankengymnastik.

4

Die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft hat den Unfall als Arbeitsunfall und als Versicherungsfall anerkannt.

5

Mit seiner am 19.02.2016 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Beklagten zu 1. und zu 2. sowie mit Schriftsatz vom 27.04.2016 auch den Beklagten zu 3. als Gesamtschuldner auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz in Anspruch genommen.

6

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen streitigen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 05.07.2016 (Bl. 68 bis 72 d. A.).

7

Der Kläger hat beantragt,

8

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

9

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Arbeitsunfall vom 18.08.2015 entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird.

10

Die Beklagten haben beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.07.2016 dem Klageantrag zu 2. stattgegeben und den Klageantrag zu 1. abgewiesen. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 6 bis 9 dieses Urteils (= Bl. 75-75 d. A.) verwiesen.

13

Gegen das ihnen am 09.08.2016 zugestellte Urteil haben die Beklagten am 01.09.2016 Berufung eingelegt und diese am 29.09.2016 begründet.

14

Der Kläger hat mit am Montag, dem 05.09.2016 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz, dem eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt war, beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für eine gegen das ihm am 03.08.2016 zugestellte Urteil gerichtete Berufung zu bewilligen. Mit Beschluss vom 23.11.2016 wurde diesem Antrag entsprochen. Am 01.12.2016 hat der Kläger sodann gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt, diese zugleich begründet und beantragt, ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

15

Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei der Arbeitsunfall vom 18.05.2015 von den Beklagten vorsätzlich verursacht worden. Entgegen § 12 Abs. 1 UVV Bauarbeiten sei an der Garage keine Absturzsicherung angebracht worden. Der Beklagte zu 2. habe die Gestellung eines Baugerüsts ausschließlich mit dem Ziel der Gewinnmaximierung zu Gunsten der Beklagten zu 1. unterlassen. In dem mit dem Bauherrn geschlossenen Vertrag sei nämlich geregelt gewesen, dass die Kosten für ein Gerüst nicht vom Bauherrn zu übernehmen seien. Es treffe zwar zu, dass vor dem Garagendach ein Gerüstbock gestanden habe. Dieser habe sich jedoch nicht unterhalb der Stelle befunden, von der er - der Kläger - abgestürzt sei. Im Übrigen habe es sich bei dem Gerüstbock keineswegs um eine ausreichende Absturzsicherung gehandelt. Den Beklagten zu 2. und 3. sei von Anfang an erkennbar gewesen, dass der Gerüstbock nicht geeignet sei, einen Sturz von der Garage zu verhindern. Auch der Beklagte zu 3. sei als Vorarbeiter für die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften verantwortlich gewesen. Die Beklagten hätten somit den Unfall zumindest billigend in Kauf genommen. Der Beklagte zu 3. habe zwischen den zwischen der Bodenplatte der Garage und der Decke aufgestellten Bausprießen einfachste, nach vorn aus dem Bauvorhaben herausragende Dachlatten (ca. 24 mm hoch und ca. 48 mm breit) eingespannt und auf diese ein ca. 5 cm dickes und ca. 3,5 m langes Brett gelegt, auf welches er - der Kläger - sich auf Weisung des Beklagten zu 3. habe stellen müssen, um mit einem Brecheisen eine mittels Kran hereingehobene Betonplatte zu justieren. Hierbei sei die Dachlattenkonstruktion gebrochen mit der Folge, dass er in die Tiefe gestürzt sei. Die Beklagten in Person des Beklagten zu 3., hätten unter keinem Gesichtspunkt darauf vertrauen können, dass die errichtete Vorrichtung zum einen seinem eigenen Gewicht, zum anderen auch der Hebelwirkung durch das Justieren der Betonplatte mittels eines Brecheisens standhalten würde. Der Beklagte zu 3. habe erkennen müssen, dass es nur von einem glücklichen Zufall abhänge, dass er - der Kläger - bei der Ausführung der auferlegten Arbeit nicht zu Schaden komme.

16

Der Kläger beantragt,

17

1. ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren;

18

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

19

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jeden materiellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Arbeitsunfall vom 18.08.2015 entstanden ist oder entstehen wird, soweit der Anspruch nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird.

20

Die Beklagten beantragen,

21

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen;

22

2. das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

23

Die Beklagten machen im Wesentlichen geltend, eine vorsätzliche Verursachung des Arbeitsunfalls und der dadurch eingetretenen Verletzungen des Klägers sei ihnen nicht vorwerfbar. Unzutreffend sei die Behauptung des Klägers, zwischen den Bausprießen und der Garagendecke seien lediglich nach vorne aus der Garage herausragende Dachlatten eingespannt worden. Tatsächlich habe es sich um Kanthölzer gehandelt. Dem Kläger sei auch nicht die Anweisung erteilt worden, sich auf das auf den Kanthölzern liegende Brett zur Justierung der Betonplatte zu begeben. Vielmehr sei der Kläger - wie bereits erstinstanzlich vorgetragen - aus eigenen Motiven von der Decke der Garage auf den darunter befindlichen Gerüstbock gesprungen. Dieser sei wegen des Gewichts des Klägers durchgebrochen, sodass dieser sodann aus einer Höhe von weniger als zwei Metern abgestürzt sei. Im Hinblick auf die Höhe, in der tatsächlich die Arbeiten durchzuführen gewesen seien, sei die Gestellung eines Gerüstbocks tatsächlich ausreichend gewesen. Selbst wenn gegen Unfallverhütungsvorschriften verstoßen worden sei, so begründe dies nicht den Vorwurf einer vorsätzlichen Herbeiführung des Unfalls. Es sei jedenfalls nicht damit zu rechnen gewesen, dass der Kläger waghalsig vom Garagendach herabspringen würde. Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht dem Klageantrag zu 2. stattgegeben. Durch die gesetzliche Haftungsprivilegierung der §§ 104 ff. SGB VII seien sämtliche Schadensersatzansprüche anlässlich eines Personenschadens ausgeschlossen, mithin auch sämtliche materiellen Schäden, hinsichtlich derer das Arbeitsgericht in Ziffer 1. seines Urteilstenors eine Ersatzpflicht festgestellt habe.

24

Der Kläger beantragt,

25

die Berufung der Beklagte zurückzuweisen.

26

Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die Berufungs- und Berufungsbegründungsschrift des Klägers vom 01.12.2016 (Bl. 172-178 d. A.) sowie auf dessen Schriftsätze vom 04.11.2016 (Bl. 161 f. d. A.) und vom 22.06.2017 (Bl. 221-227 d. A.) sowie auf die Berufungsbegründungsschrift der Beklagten vom 29.09.2016 (Bl. 138-146 d. A.) und deren Schriftsätze vom 14.03.2017 (Bl. 193 f. d. A.) und vom 03.07.2017 (Bl. 244-246 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

a)

27

Die statthafte Berufung der Beklagten ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit insgesamt zulässig.

b)

28

Die statthafte Berufung des Klägers ist ebenfalls zulässig. Dem steht die Versäumung der Berufungs- und Berufungsbegrünungsfrist nach § 66 Abs. 1 ArbGG nicht entgegen, da dem Kläger gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

29

Das wegen Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, begründet eine unverschuldete Versäumnis von Rechtsmittelfristen, wenn die Partei alles in ihren Kräften stehende und ihr zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren. Demgemäß besteht ein Wiedereinsetzungsgrund dann, wenn die Partei ein vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht eingereicht hat (LAG Rheinland-Pfalz v. 14.07.2015 - 6 Sa 22/15 -, juris, m. w. N.).

30

Vorliegend sind die dargelegten Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO gegeben. Denn der Kläger hat innerhalb der Berufungsfrist unter Vorlage einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen Prozesskostenhilfe beantragt. Wiedereinsetzungsantrag, Berufungseinlegung und gleichzeitige -begründung sind nach Zustellung der Entscheidung über den PKH-Antrag innerhalb von zwei Wochen erfolgt. Der Kläger hat damit fristgerecht Wiedereinsetzung beantragt und gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumten Prozesshandlungen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) nachgeholt.

31

Anderweitige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht, insbesondere hat der Kläger sich in der Berufungsbegründung hinreichend mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandergesetzt.

II.

32

In der Sache hat jedoch nur das Rechtsmittel der Beklagten Erfolg. Die Berufung des Klägers ist hingegen unbegründet.

1.

33

Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet.

a)

34

Die Klage ist - auch hinsichtlich des auf Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden gerichteten Antrages - zulässig. Das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.

35

Bei Feststellungsklagen, die sich auf künftigen Schadensersatz beziehen, liegt das rechtliche Interesse bereits dann vor, wenn Schadensfolgen in der Zukunft zwar ungewiss, jedoch möglich sind. Insoweit reicht es aus, wenn die nicht eben entfernt liegende Möglichkeit künftiger Verwirklichung der Ersatzpflicht durch Auftreten weiterer, bisher noch nicht erkennbarer und voraussehbarer Leiden besteht. Dies trifft bei schweren Unfallverletzungen in aller Regel zu. Das Feststellungsinteresse kann in Fällen dieser Art nur verneint werden, wenn aus der Sicht des Klägers bei verständiger Beurteilung kein Grund bestehen kann, mit Spätfolgen zu rechnen; es ist nicht erforderlich, dass der Kläger von dem späteren Schaden eine bestimmte Vorstellung hat (BAG v. 19.08.2004 - 8 AZR 349/03 - AP Nr. 4 zu § 104 SGB VII, m. w. N.).

36

Diese Voraussetzungen sind gegeben. Im Hinblick auf die Schwere der vom Kläger erlittenen Verletzungen kann die Besorgnis künftig eintretender Spätfolgen nicht verneint werden.

b)

37

Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten weder einen Schmerzensgeldanspruch noch sonstige Ansprüche auf Ersatz des bei dem Arbeitsunfall vom 18.05.2015 erlittenen Personenschadens.

aa)

38

Die Haftung der Beklagten zu 1. ist gemäß § 104 Abs. 1 SGB VII, die der Beklagten zu 2. und zu 3. gemäß § 105 Abs. 1 SGB VII beschränkt. Nach diesen Vorschriften sind Unternehmer und andere im Betrieb tätigen Personen den gesetzlichen Unfallversicherten, die für das Unternehmen tätig sind, zum Ersatz von Personenschäden nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder - was vorliegend jedoch nicht in Betracht kommt - auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1-4 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt haben. Die Norm bezieht sich auf alle Haftungsgründe des Bürgerlichen Rechts einschließlich der Gefährdungshaftung (BAG v. 19.08.2004 a. a. O.) und umfasst auch einen etwaigen Schmerzensgeldanspruch.

39

Vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls i. S. d. § 104 ff. SGB VII bedeutet, dass sich der Vorsatz (auch dolus eventualis) nicht nur auf die vorsätzliche Herbeiführung des Unfalls, sondern auch auf den konkreten Verletzungserfolg, z. B. auf den Körperschaden oder einen Personenschaden, der zu einer Berufskrankheit geführt hat, beziehen muss (BAG v. 10.10.2002 - 8 AZR 103/02 - AP Nr. 1 zu § 104 SGB VII). Die vorsätzliche Verletzung von Unfallverhütungsvorschriften oder Schutzgesetzen, auch wenn sie adäquat kausal den Arbeitsunfall herbeigeführt hat, genügt für sich genommen nicht dem gesetzlichen Erfordernis der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls, es sei denn, dieser selbst wurde auch gewollt oder gebilligt. Dabei ist von maßgeblicher Bedeutung, dass der Begriff "Vorsatz" eine innere Tatsache bezeichnet, die sich im Streitfall aus äußeren Hilfstatsachen ergeben kann. Dies gilt auch für den bedingten Vorsatz, der von der bewussten Fahrlässigkeit abzugrenzen ist (BAG v. 31.10.1991 - 8 AZR 637/90 -, juris).

40

Bewusst fahrlässig handelt, wer den möglicherweise eintretenden Erfolg sieht, aber hofft, er werde nicht eintreten, oder wem es gleichgültig ist, ob er eintritt. Bedingt vorsätzlich handelt dagegen, wer den möglicherweise eintretenden Erfolg für den Fall seines Eintritts billigt (BAG v. 31.10.1991 a. a. O.).

bb)

41

Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine der beklagten Parteien den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt. hat.

42

Zwar kann unter Zugrundlegung des Sachvortrags des Klägers davon ausgegangen werden, dass die Beklagte zu 1. und der für sie handelnde Beklagte zu 2. als Geschäftsführer gegen die Vorschrift des § 12 Abs. 1 UVV Bauarbeiten verstießen, indem sie die Bauarbeiten an der Garage ohne eine ausreichende Absturzsicherung, etwa ein Baugerüst, ausführen ließen. Das Aufstellen eines Gerüstbocks in einer Höhe von ca. 1,60 m erscheint diesbezüglich im Hinblick auf die vom Kläger behauptete und von den Beklagten nicht substantiiert bestrittene Garagenhöhe von über drei Metern als völlig unzureichend. Dies dürfte auch allen Beklagten bewusst gewesen sein. Der Beklagte zu 3. hat überdies - ausgehend vom Sachvortrag des Klägers - bei der Erteilung der behaupteten Weisung, sich zum Justieren eine Betonplatte auf ein lediglich durch Dachlatten gesichertes Brett zu begeben, leichtfertig den Absturz des Klägers zumindest mitverursacht.

43

Hieraus ergibt sich indessen nicht, dass die vom Kläger erlittenen Verletzungsfolgen von Seiten eines der Beklagten gebilligt wurden. Dies gilt auch dann, wenn der vom Kläger vorgetragene Sachvortrag als wahr unterstellt wird. Selbst wenn den Beklagten die Unfallgefahr bewusst war und dem Kläger die Anweisung erteilt wurde, sich auf das von Dachlatten getragene Brett zu begeben, ist damit der bedingte Vorsatz der Beklagten für den konkreten Unfall nicht dargelegt. Es ergibt sich nicht, dass eine der beklagten Personen die Verletzung des Klägers billigte. Insbesondere reicht es nicht aus, wenn die Beklagten zwar die Möglichkeit einer Verletzung erkannt haben sollten, aber annahmen "es werde schon gut gehen". Eine derartige Leichtfertigkeit begründet "nur" den Vorwurf bewusster, grober Fahrlässigkeit, die jedoch den Haftungsausschluss der §§ 104 f. SGB VII unberührt lässt.

IV.

44

Nach alledem war die Klage unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils insgesamt abzuweisen.

45

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

46

Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72a ArbGG), wird hingewiesen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Dez. 2017 - 4 Sa 389/16

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Dez. 2017 - 4 Sa 389/16

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Dez. 2017 - 4 Sa 389/16 zitiert 14 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 256 Feststellungsklage


(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverh

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 66 Einlegung der Berufung, Terminbestimmung


(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Mona

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Zivilprozessordnung - ZPO | § 233 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand


War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wieder

Zivilprozessordnung - ZPO | § 234 Wiedereinsetzungsfrist


(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschw

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72a Nichtzulassungsbeschwerde


(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. (2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständ

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 8 Arbeitsunfall


(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem G

Zivilprozessordnung - ZPO | § 236 Wiedereinsetzungsantrag


(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten. (2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragste

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 104 Beschränkung der Haftung der Unternehmer


(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 105 Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen


(1) Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, sind diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschaden

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Dez. 2017 - 4 Sa 389/16 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Dez. 2017 - 4 Sa 389/16 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 14. Juli 2015 - 6 Sa 22/15

bei uns veröffentlicht am 14.07.2015

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20. November 2014 - 10 Ca 350/14 - teilweise wie folgt abgeändert: 1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 20. Jan

Referenzen

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20. November 2014 - 10 Ca 350/14 - teilweise wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 20. Januar 2014, zugegangen am 21. Januar 2014, nicht mit sofortiger Wirkung, sondern zum 28. Februar 2014 aufgelöst worden ist.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Parteien je zur Hälfte.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

2

Der 1974 geborene, ledige und 3 Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war kraft schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15. Oktober 2012 bei der Beklagten, einem Logistikunternehmen mit ca. 1.900 Beschäftigten am Standort K, ab 25. Oktober 2012 als Versandmitarbeiter im Bereich Problem Solve/Support beschäftigt, zuletzt zu einem Bruttomonatsgehalt von ca. 2.300,00 Euro. In seiner Funktion war der Kläger Ansprechpartner für Hilfestellungen bei Problemen von Kollegen beispielsweise beim Einpacken oder Versenden der Ware.

3

Am 09. Januar 2014 gerieten der Kläger und seine damalige Lebensgefährtin - und seit Juli 2014 nunmehrige Verlobte - N B, die zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Mitarbeiterin der Beklagten war und sich noch in der Probezeit befand, während der gemeinsamen Fahrt mit dem Auto zur Frühschicht über eine Verspätung in Streit. Auf dem Betriebsparkplatz der Beklagten kam es in der Folge zwischen dem Kläger und der Zeugin B zu einer tätlichen Auseinandersetzung, deren Einzelheiten, erstinstanzlich zwischen den Parteien insgesamt umstritten waren, insbesondere, was den Ablauf der Konfrontation betrifft. Nach vom Arbeitsgericht durchgeführter Beweisaufnahme ist zwischen den Parteien im Berufungsverfahren unstreitig, dass der Mitarbeiter der Beklagten O, der sich wie die anliefernden LKW-Fahrer G und D in einiger Entfernung des hell beleuchteten Parkplatzes befand, gehört hat, wie der Kläger und die Zeugin B laut stritten, und dann beobachtet hat, dass der Kläger die Zeugin B gegen ein Auto stieß, so dass diese hörbar auf die Motorhaube des Fahrzeuges fiel. Der Zeuge O griff verbal in die Auseinandersetzung ein. Zuletzt verließ die Zeugin B das Betriebsgelände der Beklagten mit ihrem Fahrzeug. Am 10. Januar 2014 führte die Beklagte mit dem Kläger unter Teilnahme seines direkten Vorgesetzten, einer Mitarbeiterin der Personalabteilung, eines Betriebsratsmitglieds und eines weiteren Mitarbeiters ein Gespräch zum Vorgang vom Vortag, in dem der Kläger die Auffassung vertrat, ein Eingreifen des Zeugen sei nicht geboten gewesen.

4

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. Januar 2014, dem Kläger zugegangen am 21. Januar 2014, außerordentlich, hilfsweise ordentlich zum nächstzulässigen Zeitpunkt. Zuvor hatte sie den bei ihr gebildeten Betriebsrat mit Anhörungsbogen vom 14. Januar 2014 (Bl. 57 ff. d. A.) angehört. Der Betriebsrat hat der Kündigung am 17. Januar 2014 widersprochen.

5

Der Kläger hat am beim Arbeitsgericht Koblenz am 22. Januar 2014 Kündigungsschutzklage erhoben.

6

Er hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der Sachverhalt werde von der Beklagten falsch dargestellt. Die Zeugin B habe ihm am 09. Januar 2014 unzutreffend eine Verspätung angelastet und sich Sorgen wegen der Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis gemacht, ohne dass er ihr das habe ausreden können. Im Zuge des Streits habe die Zeugin B ihn gegen den Hals geschlagen, woraufhin er ihr einen abwehrenden leichten - unterhalb einer Ohrfeige zu gewichtenden - Stoß versetzt habe, der genügt habe, um sie aus dem Gleichgewicht zu bringen, weshalb sie auf der Bordsteinkante des Fußweges umgeknickt und seitlich auf ein parkendes Auto gefallen sei. Ein Eingreifen des Mitarbeiters O sei nicht geboten gewesen. Die von der Beklagten behauptete Krankmeldung der Zeugin B vom 09. und 10. Januar 2014 werde bestritten; auch sei diese nicht von dem Vorfall mitgenommen gewesen. Er habe entgegen der Behauptung der Beklagten nicht die Krankenhotline angerufen und sich als die Zeugin B ausgegeben, es sei ihm auch nicht erinnerlich, dass er der Zeugin Rache androht und angekündigt habe, er werde dafür sorgen, dass sie ihren Arbeitsplatz verliere. Auch habe er keinen Zucker in den Tank ihres Fahrzeugs geschüttet. Die Zeugin B leide unter einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und habe ihn in der Vergangenheit bereits zu Unrecht mit Strafanzeigen überzogen, wobei er vom Vorwurf der Freiheitsberaubung frei gesprochen worden sei. Selbst wenn die Behauptungen der Beklagten zuträfen, sei eine Abmahnung nicht entbehrlich gewesen.

7

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

8

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 20. Januar 2014, zugegangen am 21. Januar 2014, nicht aufgelöst worden ist.

9

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Sie hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die nach Anhörung des Betriebsrats vom 14. Januar 2014 ausgesprochene Kündigung sei wirksam. Am 09. Januar 2014 habe sich der während der Fahrt aufgetretene Streit zwischen Zeugin B und dem Kläger zugespitzt, als dieser der Zeugin ins Lenkrad gegriffen habe. Sowohl der Zeuge O, als auch die LKW-Fahrer G und D hätten auf dem Betriebsparkplatz lautstarkes Geschrei des Klägers vernommen und beobachtet, wie der Kläger, der die Zeugin lautstark und in aggressivem Tonfall angeschrien habe, die Zeugin ohne ersichtlichen Anlass so stark gestoßen habe, dass sie gegen ein geparktes Auto gefallen sei. Der Zivilcourage zeigende Mitarbeiter O habe sofort versucht zu beschwichtigen, worauf hin die Zeugin zunächst in ihr Auto geeilt, jedoch wieder ausgestiegen sei, nachdem der Kläger sich zu ihr gesetzt habe. Die Zeugin habe sich an diesem Tag und am Folgetag krank gemeldet. Im Gespräch vom 10. Januar 2014 habe der Kläger sich nicht einsichtig gezeigt. In der Folge habe die Zeugin B das Angebot, die Schicht zur Vermeidung von Begegnungen mit dem Kläger zu wechseln, angenommen. Am 13. Januar 2014 und ein weiteres Mal in der gleichen Woche habe jemand bei der Krankenhotline der Beklagten angerufen, sich als die Zeugin B ausgegeben und behauptet, sie wolle kündigen. Am 15. Januar 2014 habe die Zeugin eine Autopanne erlitten, weil ihr jemand Zucker in den Tank geschüttet habe. Als Veranlasser komme nur der Kläger in Betracht, zumal er der Zeugin bereits nach dem Vorfall auf dem Parkplatz angekündigt habe, er werde sich rächen und dafür sorgen, dass sie ihr Arbeitsverhältnis verliere. Zum Racheansinnen des Klägers passe es im Übrigen auch, dass er der zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus befindlichen Zeugin per SMS ein Foto des von der Beklagten letztlich an die Zeugin gerichteten Kündigungsschreibens gesendet habe mit dem Kommentar, er habe nun sein Ziel erreicht. Die Zeugin, die nach eigenen Angaben drei Strafanzeigen gegen den Kläger gestellt habe und deren Erkrankung bestritten werde, sei mittlerweile aus dem Unternehmen ausgeschieden, weil sie die Vorfälle so mitgenommen hätten. Einer vorherigen Abmahnung habe es vor Kündigungsausspruch nicht bedurft, da dem Kläger habe klar sein müssen, dass sie Handgreiflichkeiten gegenüber den Mitarbeitern nicht dulden werde. Auch die Interessenabwägung müsse angesichts der fehlenden Einsicht des Klägers und der betrieblichen Auswirkungen von Tätlichkeiten zwischen Mitarbeitern zu ihren Gunsten ausgehen. Im Übrigen werde das Verhalten des Klägers von verschiedenen Mitarbeitern als sehr bedrohlich und aggressiv empfunden.

12

Das Arbeitsgericht hat aufgrund Beschlusses vom 10. Juli 2014 am 20. November 2014 Beweis erhoben zu den Behauptungen der Beklagten zum pflichtwidrigen Verhalten des Klägers vom 09. Januar 2014 durch Vernehmung des Zeugen O. Die Zeugin B hat als Verlobte des Klägers von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Bl. 108 ff. d. A. verwiesen. Auf die Vernehmung der Zeugen G und D hat die Beklagte für die 1. Instanz verzichtet.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. November 2014 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung vom 20. Januar 2014 habe das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund aufgelöst. Ein tätlicher Angriff unter Arbeitskollegen zähle zu den an sich geeigneten außerordentlichen Kündigungsgründen und zwar wegen Beeinträchtigung der betrieblichen Zusammenarbeit und der Auswirkungen auf die übrigen Arbeitnehmer unabhängig davon, wer die Auseinandersetzung angezettelt habe. Der Zeuge O habe ausdrücklich bestätigt, dass der Kläger die Zeugin B - nicht im Rahmen einer Abwehrbewegung - gegen ein Auto geschleudert habe und sie infolgedessen auf die Motorhaube eines Fahrzeuges geprallt sei. Auch habe der Zeuge die Reaktion der Zeugin, im Anschluss zu ihrem Auto zu laufen, als Fluchtbewegung wahrgenommen. Die gesamte Zeugenaussage belege, dass die Beklagte dem Kläger keinesfalls nur eine Bagatelle vorwerfe. Auch die vorzunehmende Interessenabwägung gehe trotz der anzuerkennenden Unterhaltspflichten des Klägers und seinem Interesse am Erhalt des Arbeitsplatzes als wirtschaftliche Grundlage für die Unterhaltsverpflichtungen angesichts der nachgewiesen schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers zu seinen Lasten aus, ohne dass es einer vorherigen Abmahnung bedurft habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 118 - 122 d. A. verwiesen.

14

Der Kläger hat mit am 26. Januar 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 21. Januar 2015 beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für eine gegen das ihm am 05. Januar 2015 zugestellte Urteil gerichtete Berufung zu bewilligen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger mit Beschluss vom 09. April 2015 Prozesskostenhilfe einstweilen ohne Ratenzahlungsbestimmung unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Der Beschluss ist dem Klägervertreter am 15. April 2015 zugestellt worden.

15

Der Kläger hat mit am 24. April 2015 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 23. April 2015 Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt und diese zugleich begründet.

16

Der Kläger macht zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags und seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 23. April 2015, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 157 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen geltend,
er habe sich wegen bestehender Mittellosigkeit innerhalb der Frist zur Berufungseinlegung darauf beschränken müssen, ein Prozesskostenhilfegesuch einzureichen, da sein Prozessbevollmächtigter nicht bereits gewesen sei, die Berufung trotz Bedürftigkeit einzulegen und zu begründen. Mit der Zustellung des Prozesskostenhilfebewilligungsbeschlusses am 15. April 2015 sei das Hindernis beseitigt und er hole die schuldlos versäumte Prozesshandlung nach. Das Arbeitsgericht habe - auch wenn man, was er weiter bestreite, eine einseitig von ihm ausgehende Aggression unterstelle - sowohl den privaten Charakter der Auseinandersetzung verkannt, als auch, dass die Klägerin, die keine Strafanzeige erstattet habe, sich keine nennenswerten Verletzungen zugezogen habe, sie nicht zum Arzt gegangen sei und auch nicht deswegen krankgeschrieben gewesen sei. Vielmehr habe sie ihm verziehen und man sei wieder versöhnt, sei verlobt und wolle heiraten. Auch am Auto habe es keine Beschädigungen gegeben. All das habe das Arbeitsgericht bei der erforderlichen Abwägung der beiderseitigen Interessen überhaupt nicht bzw. fehlerhaft bewertet. Auch sei keine Störung im Betriebsablauf ersichtlich. Die Zeugin habe bald darauf weiter gearbeitet und sei aus anderen Gründen aus dem Betrieb ausgeschieden. Kein unmittelbarer oder mittelbarer Arbeitskollege habe etwas von dem Vorfall mitbekommen und auch der Zeuge O sei unbeeindruckt gewesen. Demgegenüber habe das Arbeitsverhältnis für ihn nach längerer Arbeitslosigkeit auch angesichts seiner geringen Qualifikation und der Unterhaltspflicht für seine Kinder eine erhebliche Bedeutung. Es sei der Beklagten auch zuzumuten gewesen, ihn abzumahnen. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, zumal die Zeugin B auch versetzt worden sei.

17

Der Kläger beantragt,

18

1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Koblenz vom 20. November 2014 - Az.: 10 Ca 350/14 - , zugestellt am 05. Januar 2015, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 20. Januar 2014 nicht aufgelöst worden ist.

19

2. dem Kläger wegen Versäumung der Frist für die Berufung und die Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Die Beklagte verteidigt das von der Beklagten angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 02. Juni 2015, auf den Bezug genommen wird (Bl. 177 ff. d. A.), zweitinstanzlich im Wesentlichen wie folgt,
das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche verhaltensbedingte Kündigung fristlos beendet worden. Das Gericht habe zu Recht eine Tätlichkeit unter Arbeitskollegen als an sich geeigneten Kündigungsgrund betrachtet. Der Zeuge O habe bei seiner Vernehmung widerspruchsfrei geschildert, dass er habe beobachten können, wie der Kläger die Zeugin B nach einer verbalen Auseinandersetzung gegen ein Auto geschleudert habe. Die Tatsache, dass sie danach zum Auto gelaufen sei, habe er als Fluchtbewegung wahrgenommen. Auch die Interessenabwägung habe das Gericht zutreffend vorgenommen. Es sei unerheblich, ob die Zeugin nicht schwer verletzt worden sei, dass sie - aus dahingestellten Gründen - keine Strafanzeige erstattet habe und dem Kläger offenbar verziehen habe. Entscheidend sei allein, dass der Kläger in nicht banalem Ausmaß gewalttätig geworden sei. Die Beeinträchtigung des Betriebsablaufs ergebe sich allein aus der Zugehörigkeit der beiden Arbeitnehmer zum Betrieb desselben Arbeitgebers. Jedenfalls der Zeuge O und die beiden Spediteure seien Zeugen des Vorfalls gewesen. Einer Abmahnung habe es nicht bedurft, weil dem Kläger habe klar sein müssen, dass er bei einer derart groben Pflichtverletzung sein Arbeitsverhältnis riskiere.

23

Im Übrigen wird wegen des Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

24

Die zulässige Berufung ist in der Sache nur teilweise erfolgreich.

I.

25

Die gemäß § 64 Abs. 1 und 2 Buchst. c ArbGG statthafte Berufung ist zulässig.

26

1. Der Zulässigkeit der Berufung steht eine Versäumung der Berufungs- und der Berufungsbegründungsfrist nach § 66 Abs. 1 ArbGG nicht entgegen, da dem Kläger gemäß § 233 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

27

1.1. Das durch Bedürftigkeit begründete Unvermögen einer Partei, einen Rechtsanwalt mit der notwendigen Vertretung zur Vornahme von fristwahrenden Prozesshandlungen zu beauftragen, begründet eine unverschuldete Versäumung von Rechtsmittelfristen, wenn die Partei alles in ihren Kräften stehende und ihr Zumutbare getan hat, um die Frist zu wahren. Demgemäß besteht ein Wiedereinsetzungsgrund dann, wenn die Partei ein vollständiges Gesuch um Prozesskostenhilfe innerhalb der Rechtsmittelfrist beim zuständigen Gericht anbringt (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 06. Dezember 2011 - 3 Sa 354/11 - Rn. 27; 13. Januar 2011 - 10 Sa 445/10 - Rn. 29, jeweils zitiert nach juris; Zöller - Greger ZPO 30. Aufl. § 233 Rn. 23 "Prozesskostenhilfe" mwN).

28

1.2. Vorliegend sind die dargelegten Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO gegeben. Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21. Januar 2015 am 26. Januar 2015 und damit innerhalb der Berufungsfrist beim Landesarbeitsgericht Prozesskostenhilfe beantragt und eine erneute Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Wiedereinsetzungsantrag, Berufungseinlegung und gleichzeitige -begründung mit Schriftsatz vom 23. April 2015 sind nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 09. April 2015, zugestellt am 15. April 2015, erfolgt. Nach der Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat der Kläger damit gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO die versäumten Prozesshandlungen innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 ZPO) nachgeholt.

29

2. Anderweitige Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung bestehen nicht, insbesondere hat der Kläger sich in der Berufungsbegründung hinreichend mit den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung auseinandergesetzt.

II.

30

Die Berufung des Klägers ist nur teilweise begründet. Die Kündigung der Beklagten vom 20. Januar 2014 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht außerordentlich mit sofortiger Wirkung, sondern unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zum 28. Februar 2014 beendet. Das erstinstanzliche Urteil unterlag insoweit unter teilweiser Zurückweisung der Berufung der Abänderung im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

31

1. Die Berufung ist im Hinblick auf die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die außerordentliche Kündigung in der Sache erfolgreich. Die außerordentliche, fristlose Kündigung der Beklagten vom 20. Januar 2014, die der Kläger fristgemäß nach § 4 Satz 1 KSchG angegriffen hat, hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht mit sofortiger Wirkung beendet, da es an einem außerordentlichen Kündigungsgrund iSd. § 626 Abs. 1 BGB fehlt.

32

1.1. Nach § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar war oder nicht (BAG 18. Dezember 2014 - 2 AZR 265/14 - Rn. 14; 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 - Rn. 39; 8. Mai 2014 - 2 AZR 249/13 - Rn. 16; jeweils zitiert nach juris).

33

1.2. Gemessen hieran geht die Berufungskammer mit dem Arbeitsgericht davon aus, dass das Verhalten des Klägers gegenüber der damals ebenfalls bei der Beklagten beschäftigten Zeugin B auf dem Betriebsparkplatz der Beklagten am 09. Januar 2014 einen an sich zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Grund darstellt.

34

1.2.1. Tätlichkeiten unter Arbeitnehmern sind grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zur Kündigung zu bilden. Der tätliche Angriff auf einen Arbeitskollegen ist eine schwerwiegende Verletzung der arbeitsvertraglichen Nebenpflichten. Der Arbeitgeber ist nicht nur allen Arbeitnehmern verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass sie keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind, sondern hat auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird und nicht durch Verletzungen Arbeitskräfte ausfallen. Der Arbeitgeber darf auch berücksichtigen, wie es sich auf das Verhalten der übrigen Arbeitnehmer auswirkt, wenn er von einer Kündigung absieht. Insoweit handelt es sich noch um Folgen des Fehlverhaltens, für das der Arbeitnehmer einzustehen hat (vgl. insgesamt BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 20, mwN, zitiert nach juris). Für die Beeinträchtigung der Interessen des Arbeitgebers an einem ungestörten Betriebsablauf und die durch das gezeigte Verhalten indizierte zukünftige Gefährdung schutzwürdiger Rechtsgüter anderer Arbeitnehmer ist es - soweit nicht eine Notwehrlage bestanden hat - regelmäßig unerheblich, wer den ersten Schlag ausführt und welche Handlung ggf. zu einer Körperverletzung führt (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 25, aaO).

35

1.2.2. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen O steht fest, dass der Kläger am 09. Januar 2014 vor der Frühschicht auf dem Betriebsparkplatz der Beklagten gegenüber seiner ebenfalls bei der Beklagten beschäftigten Lebensgefährtin handgreiflich wurde, indem er sie so gegen ein Auto schleuderte, dass sie auf die Motorhaube eines geparkten Autos prallte. Der Stoß des Klägers war keine Abwehrbewegung und nicht durch eine gegen den Kläger gerichtete Handgreiflichkeit veranlasst. Im Anschluss ist die Zeugin B nach Wahrnehmung des Zeugen O in einer Art Fluchtbewegung zu ihrem Auto gelaufen. Der Kläger hat weder das erstinstanzliche Beweisverfahren, noch die Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts konkret mit der Berufung angegriffen. Allein die Tatsache, dass er in der Berufungsinstanz das Vorliegen einer einseitigen Aggression seinerseits weiter bestritten hat, genügt nicht, um Fehler des erstinstanzlichen Gerichts bei Beweiserhebung oder Beweiswürdigung aufzuzeigen. Derartige Fehler sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

36

1.2.3. In Ergebnis und Begründung zu Recht geht das Arbeitsgericht davon aus, dass es sich beim festgestellten Verhalten des Klägers um eine erhebliche Pflichtverletzung handelt, die als an sich geeigneter Kündigungsgrund iSd. § 626 Abs. 1 BGB in Betracht kommt. Die Berufungskammer macht sich zur Vermeidung von Wiederholungen die diesbezüglichen zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (Entscheidungsgründe B, Bl. 6 f. = Bl. 120 f. d. A.) zu eigen und stellt dies ausdrücklich fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Die Angriffe der Berufung vermögen nicht, in der ersten Stufe der Prüfung das Vorliegen eines an sich geeigneten Kündigungsgrundes in Zweifel zu ziehen. Weder die Tatsache, dass die Zeugin B keine Strafanzeige erstattet hat, noch dass nennenswerte Verletzungen nicht ersichtlich waren und eine Beschädigung des Fahrzeuges durch den Sturz nicht eingetreten ist, vermochten zu negieren, dass der Kläger die Zeugin unter Verletzung ihrer persönlichen Selbstbestimmung tätlich angegriffen hat. Auch wenn die Zeugin B und der Kläger offenbar in einen Streit verwickelt waren, kann nicht außer Betracht bleiben, dass es der Kläger war, der - ohne dass nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts eine Notwehrsituation gegeben gewesen wäre - die Beherrschung verloren hat und gegenüber seiner Lebensgefährtin gewalttätig wurde. Dass der Vorfall auf dem Betriebsparkplatz stattfand und zudem vom Zeugen O als Mitarbeiter der Beklagten und den beiden anliefernden LKW-Fahrern G und D beobachtet wurde, ist zuletzt nicht mehr streitig. Darauf, dass es sich hierbei nicht um unmittelbare oder mittelbare Kollegen des Klägers handelte, kommt es nicht entscheidungserheblich an.

37

1.3. Obgleich dem Kläger eine erhebliche Pflichtverletzung vorzuwerfen ist, erweist sich die außerordentliche Kündigung der Beklagten in Anbetracht der erforderlichen Interessenabwägung im Einzelfall als unverhältnismäßig. Der Beklagten war die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten.

38

1.3.1. Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen.

39

a) Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Dabei lassen sich die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumindest bis zum Ende der Frist für eine ordentliche Kündigung zumutbar war oder nicht, nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind. Im Vergleich zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere eine Abmahnung oder eine ordentliche Kündigung in Betracht. Sie sind dann alternative Gestaltungsmittel, wenn schon sie geeignet sind, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck - nicht die Sanktion pflichtwidrigen Verhaltens, sondern die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses - zu erreichen (BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 21, zitiert nach juris; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 15 mwN, jeweils zitiert nach juris).

40

b) Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 iVm. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist(BAG 20. November 2014 - 2 AZR 651/13 - Rn. 22; 23. Oktober 2014 - 2 AZR 865/13 - Rn. 47; 25. Oktober 2012 - 2 AZR 495/11 - Rn. 16; aaO).

41

1.3.2. Entgegen der Auffassung der Berufung war die Beklagte vorliegend nicht auf den vorrangigen Ausspruch einer Abmahnung zu verweisen.

42

a) Bei Tätlichkeiten unter Arbeitskollegen bedarf es vor Ausspruch einer Kündigung regelmäßig keiner Abmahnung (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 22; 31. März 1993 - 2 AZR 492/92 - Rn. 41). Denn der Arbeitnehmer weiß von vornherein, dass der Arbeitgeber ein derartiges Fehlverhalten missbilligt. Dies gilt uneingeschränkt bei schweren Tätlichkeiten (BAG 18. September 2008 - 2 AZR 1039/06 - Rn. 22, aaO).

43

b) Gemessen hieran stellte der Ausspruch einer Abmahnung gegenüber dem Kläger für die Beklagte selbst dann kein milderes Mittel im Verhältnis zur Kündigung dar, wenn man vorliegend keine schwere Tätlichkeit annimmt. Auch wenn davon auszugehen ist, dass die Zeugin B bleibende Verletzungen durch den Stoß des Klägers nicht davongetragen hat, war der Beklagten die Hinnahme des Vorfalls für den Kläger erkennbar nicht zuzumuten. Der Kläger hat anlässlich des Geschehens vom 09. Januar 2014 die Kontrolle über sein Verhalten verloren und gegenüber der Zeugin B, die nicht nur seine Lebensgefährtin, sondern zum damaligen Zeitpunkt auch seine Arbeitskollegin war, körperliche Gewalt angewendet. Er musste wissen, dass die Beklagte einen derartigen Vorfall unter Betriebsangehörigen auf dem Betriebsgelände bereits zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Betriebsablaufs nicht durch den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses tolerieren kann. Hinzu kommt, dass das Geschehen nicht nur vom Zeugen O, sondern auch von den beiden Lieferanten der Beklagten G und D beobachtet worden ist und damit geeignet war, das Ansehen der Beklagten aufgrund der - vermeintlichen - Verhältnisse in ihrem Betrieb zu schädigen. Soweit der Kläger sich im Berufungsverfahren auf eine fehlende konkrete Wiederholungsgefahr für die vorliegende Beziehungsstreitigkeit berufen hat, vermochte die Berufungskammer der Argumentation nicht zu folgen. Es kann hierbei dahinstehen, dass der Kläger selbst in der Berufungsbegründung eingeräumt hat, dass bei Beziehungsvorfällen eher eine Wiederholungsgefahr gegeben sei. Angesichts der Tatsache, dass der Kläger sogar gegenüber einer ihm nahe stehenden Person wie seiner Lebensgefährtin Grenzen überschritten hat und tätlich wurde, musste die Beklagte nicht davon ausgehen, dass eine Abmahnung die Wiederholung eines vergleichbaren Vorfalls gegenüber Kollegen dauerhaft verhindert hätte.

44

1.3.3. Die weitere Interessenabwägung unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ergibt jedoch, dass der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers zumindest bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten war und sich damit der Ausspruch einer ordentlichen Kündigung als milderes Mittel erweist. Zwar ist zu Gunsten der Beklagten im Rahmen der Interessenabwägung ihre Verpflichtung zum Schutz ihrer Mitarbeiter, ihr potentieller Ansehensverlust und die Auswirkungen auf den betrieblichen Ablauf ebenso zu berücksichtigen wie das offenbar vorhandene Aggressionspotential des Klägers. Allerdings kann nicht außer Betracht bleiben, dass der körperliche Angriff auf die Zeugin B zwar deren Selbstbestimmung beeinträchtigt hat, jedoch die Auswirkungen der Tat nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts jedenfalls kein solches Ausmaß angenommen haben, dass die Zeugin sich nicht in der Lage gesehen hätte, dem Kläger zu verzeihen. Zu Gunsten des Klägers war weiterhin zu werten, dass der Anlass für die Auseinandersetzung mit der Zeugin B im privaten Bereich lag und nur mittelbar mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stand. Bewertet man schließlich die Unterhaltspflichten des Klägers gegenüber seinen drei Kindern zu seinen Gunsten, ergibt eine Gesamtschau, dass es der Beklagten, auch wenn ihr ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuzubilligen ist, zuzumuten war, die bis 28. Februar 2014 währende ordentliche Kündigungsfrist einzuhalten. Eine unmittelbare Gefährdung der Zeugin B durch den unter dem Eindruck der Kündigung stehenden Kläger war nicht zuletzt angesichts der von der Beklagten in die Wege geleiteten Versetzung der Zeugin nicht zu befürchten. Damit schloss die ordentliche Kündigung als mildere Reaktionsmöglichkeit der Beklagten die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung aus.

45

2. Ist das Arbeitsverhältnis aufgrund der Kündigung vom 20. Januar 2014 nicht mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden, kommt es darauf an, ob es durch die hilfsweise von der Beklagten ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet worden ist. Die Kündigung vom 20. Januar 2014 ist als ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 1, Abs. 2 KSchG und hat das Arbeitsverhältnis in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 1 BGB zum 28. Februar 2014 beendet. Die weitergehende Berufung des Klägers blieb erfolglos.

46

2.1. Die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten, auf deren Betrieb unzweifelhaft gemäß § 23 Abs. 1 KSchG das Kündigungsschutzgesetz anwendbar ist, ist sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 KSchG.

47

2.1.1. Eine Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 2 KSchG durch Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers „bedingt“, wenn dieser seine Vertragspflichten erheblich - in der Regel schuldhaft - verletzt hat und eine dauerhafte störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten ist. Dann kann dem Risiko künftiger Störungen nur durch die - fristgemäße - Beendigung des Arbeitsverhältnisses begegnet werden. Das wiederum ist nicht der Fall, wenn schon mildere Mittel und Reaktionen von Seiten des Arbeitgebers geeignet gewesen wären, beim Arbeitnehmer künftige Vertragstreue zu bewirken. Im Vergleich mit einer fristgemäßen Kündigung kommen als mildere Mittel insbesondere Versetzung und Abmahnung in Betracht (vgl. BAG 10. April 2014 - 2 AZR 684/13 - Rn. 13; 20. Juni 2013 - 2 AZR 583/12 - Rn. 24; 28. Oktober 2010 - 2 AZR 293/09 - Rn. 12, jeweils zitiert nach juris).

48

2.1.2. Ausgehend hiervon ist die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten sozial gerechtfertigt. Tätlichkeiten unter Arbeitnehmern - wie vorliegend - können einen ausreichenden Grund zumindest für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung darstellen (vgl. BAG 24. Oktober 1996 - 2 AZR 900/95 - Rn. 14, zitiert nach juris). Die Ergreifung eines milderen Mittels - etwa in Form einer Abmahnung - kam für die Beklagte vorliegend nicht in Betracht. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Ausführungen unter II 1.3.2. und II 1.3.3. verwiesen. Inwieweit eine Versetzung des Klägers künftige Vertragstreue hätte bewirken sollen, ist nicht ersichtlich.

49

2.2. Die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 20. Januar 2014 ist nicht aus sonstigen Gründen unwirksam. Insbesondere ist die Kündigung nicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam, nachdem die Beklagte den bei ihr gebildeten Betriebsrat, der der Kündigung am 17. Januar 2014 widersprochen hat, mit Anhörungsbogen vom 14. Januar 2014 ordnungsgemäß durch die vollständige Mitteilung des für ihren Kündigungsentschluss maßgeblichen Sachverhaltes angehört hat. Dass die Beklagte aus ihrer Sicht dem Betriebsrat bewusst eine unrichtige oder unvollständige Sachverhaltsdarstellung unterbreitet hätte, ist nicht ersichtlich und wird von der Berufung auch nicht geltend gemacht.

B.

50

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

51

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 72 Abs. 2 ArbGG sind nicht gegeben.

War eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert, eine Notfrist oder die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde oder die Frist des § 234 Abs. 1 einzuhalten, so ist ihr auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist.

(1) Die Form des Antrags auf Wiedereinsetzung richtet sich nach den Vorschriften, die für die versäumte Prozesshandlung gelten.

(2) Der Antrag muss die Angabe der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen enthalten; diese sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Prozesshandlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden.

(1) Die Wiedereinsetzung muss innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantragt werden. Die Frist beträgt einen Monat, wenn die Partei verhindert ist, die Frist zur Begründung der Berufung, der Revision, der Nichtzulassungsbeschwerde oder der Rechtsbeschwerde einzuhalten.

(2) Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem das Hindernis behoben ist.

(3) Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden.

(1) Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses, auf Anerkennung einer Urkunde oder auf Feststellung ihrer Unechtheit kann Klage erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis oder die Echtheit oder Unechtheit der Urkunde durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt werde.

(2) Bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, kann der Kläger durch Erweiterung des Klageantrags, der Beklagte durch Erhebung einer Widerklage beantragen, dass ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil abhängt, durch richterliche Entscheidung festgestellt werde.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

(1) Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, sind diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Satz 1 gilt entsprechend bei der Schädigung von Personen, die für denselben Betrieb tätig und nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 versicherungsfrei sind. § 104 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn nicht versicherte Unternehmer geschädigt worden sind. Soweit nach Satz 1 eine Haftung ausgeschlossen ist, werden die Unternehmer wie Versicherte, die einen Versicherungsfall erlitten haben, behandelt, es sei denn, eine Ersatzpflicht des Schädigers gegenüber dem Unternehmer ist zivilrechtlich ausgeschlossen. Für die Berechnung von Geldleistungen gilt der Mindestjahresarbeitsverdienst als Jahresarbeitsverdienst. Geldleistungen werden jedoch nur bis zur Höhe eines zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs erbracht.

(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,
2.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um
a)
Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen oder
b)
mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,
2a.
das Zurücklegen des unmittelbaren Weges nach und von dem Ort, an dem Kinder von Versicherten nach Nummer 2 Buchstabe a fremder Obhut anvertraut werden, wenn die versicherte Tätigkeit an dem Ort des gemeinsamen Haushalts ausgeübt wird,
3.
das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,
4.
das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,
5.
das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt.

(3) Als Gesundheitsschaden gilt auch die Beschädigung oder der Verlust eines Hilfsmittels.

(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.