Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 15. März 2011 - 3 Sa 618/10

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2011:0315.3SA618.10.0A
bei uns veröffentlicht am15.03.2011

Tenor

Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits (Verfahren - 2 Ca 438/08 -, - 3 Sa 643/08 -, - 2 AZR 297/09 - und - 3 Sa 618/10 -) zu tragen.

Der Streitwert wird auf 7500,00 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der am 06.06.1961 in Nigeria geborene Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei den US-Streitkräften beschäftigt. Zuletzt arbeitete der Kläger als Ladengehilfe in dem D.-Supermarkt V. Die D. ist eine Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die weltweit Lebensmittelgeschäfte (Supermärkte) für US-Soldaten und deren Angehörige unterhält. Mit dem Schreiben vom 25.03.2008 wurde dem Kläger außerordentlich gekündigt. Mit dem Schreiben vom 03.04.2008 wurde dem Kläger (vorsorglich) ordentlich zum 30.09.2008 gekündigt. Am 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - fand die erstinstanzliche Kammerverhandlung im Kündigungsschutzprozess statt. Für die Beklagte wurde dieser Termin von dem Zeugen Dr. C. (damals noch Personalreferent des Zivilpersonalbüros der US-Streitkräfte) und von der Zeugin B. (von der A./Lohnstelle ausländische Streitkräfte) wahrgenommen. Die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts - 2 Ca 438/08 - über die Kammerverhandlung vom 14.08.2008 befindet sich in Bl. 78 ff. d.A.. Im Urteil vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - stellte das Arbeitsgericht fest, dass das Arbeitsverhältnis (des Klägers) weder durch die Kündigung vom 25.03.2008, noch durch die Kündigung vom 03.04.2008 aufgelöst worden ist. Über die Berufung der Beklagten gegen das eben bezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - entschied das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz im Urteil vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 -. Hierauf (s. LAG-Urteil Bl. 212 ff. d.A.) wird verwiesen. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts kostenpflichtig unter Zurückweisung des Auflösungsantrages zurück. Auf die - im LAG-Urteil vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 - zugelassene - Revision der Beklagten entschied das Bundesarbeitsgericht am 10.06.2010 - 2 AZR 297/09 - wie folgt:

2

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 - aufgehoben, soweit es den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen hat.

3

In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

4

Nach erfolgter Zurückverweisung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers (RA A.) im neuerlichen Berufungsverfahren - 3 Sa 618/10 - folgende Erklärung abgegeben:

5

Der Kläger distanziert sich von den von der Beklagten behaupteten Äußerungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.08.2008 für den Fall, dass diese damals so oder so ähnlich doch getätigt wurden.

6

(s. dazu S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 25.01.2011 - 3 Sa 618/10 - = Bl. 285 d.A.).

7

Mit Wirkung ab dem 29.06.2009 ist der Kläger im Rahmen einer sogenannten Prozessbeschäftigung als Ladengehilfe in dem D.-Supermarkt V. vorläufig weiterbeschäftigt worden. Nach den Angaben des Klägers wurde er in der Zeit vom 16.12.2010 bis zum 13.02.2011 nicht beschäftigt. Mit dem Schreiben vom 17.12.2009 (Bl. 317 f. d.A.) erteilte die Dienststelle dem Kläger wegen des dort bezeichneten Geschehens vom 01.12.2009 eine Abmahnung. Im Abmahnungsschreiben vom 17.12.2009 heißt es u.a.:

8

"Die herabwürdigende Äußerung ("Mammacita") zu einer Arbeitskollegin trotz deren ausdrücklicher Bitte, sie nur mit ihrem Namen anzureden sowie Ihr aggressives Verhalten gegen einen Arbeitskollegen (Schulterklaps) können nicht toleriert werden.

9

In Zukunft erwarte ich von Ihnen, dass Sie solche Verhaltensweisen wie geschildert gegenüber Arbeitskollegen unterlassen.

10

Hiermit mache ich Sie darauf aufmerksam, dass ich in Zukunft gleiches oder ähnliches Fehlverhalten nicht mehr hinnehmen werde. Sollte sich ein ähnlicher Vorfall wie der oben beschriebene wiederholen, ist Ihr Beschäftigungsverhältnis gefährdet. …".

11

Im neuerlichen Berufungsverfahren verfolgt die Beklagte ihren Auflösungsantrag weiter. Zur Begründung des Auflösungsantrages führt die Beklagte (insbesondere im Schriftsatz vom 26.01.2009, Bl. 169 ff. d.A.) u.a. wie folgt aus:

12

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt A., habe dem (damals) zuständigen Personalreferenten Dr. C. vorgeworfen, er sei ein "Rassist". Dies sei im Kammertermin vom 14.08.2008 vor dem Arbeitsgericht geschehen. Rechtsanwalt A. habe damals noch geäußert, dass der Personalreferent unter Zuhilfenahme von fadenscheinigen Gründen Fälle aufbaue, um "Schwarzen aus Afrika kündigen zu können". Dass es zum Ausspruch einer Kündigung gekommen sei, liege - so die Äußerung von RA A. - alleine an der "rassistischen Vorurteilsstruktur" des Personalreferenten. Dieser - so RA A. - kündige Arbeitnehmern, auch wenn sie vorbildlich gehandelt hätten und in keiner Weise ihre Arbeitsverträge verletzt hätten, nur weil sie aus Schwarzafrika kämen. Die Beklagte verweist darauf, dass bei den US-Stationierungsstreitkräften als Militärangehörige und im zivilen Gefolge der Truppe im großen Umfang Personen beschäftigt werden, die einer - auch ethnischen - Minderheit angehören. Das US-Militär verfolge rassistische Verhaltensmuster mit Nachdruck. Entsprechend verhalte es sich bei den Zivilbeschäftigten der US-Stationierungsstreitkräfte in Deutschland. Der Vorwurf von Rechtsanwalt A. - so macht die Beklagte geltend -, die US-Stationierungsstreitkräfte würden an maßgeblichen Stellen "Rassisten" beschäftigen, berühre daher das Selbstverständnis dieses Arbeitgebers, so dass eine gedeihliche Zusammenarbeit für die Zukunft nicht mehr zu erwarten sei.

13

Ergänzt und vertieft hat die Beklagte die Begründung ihres Auflösungsantrages im Schriftsatz vom 15.02.2011 (Bl. 305 ff. d.A.), worauf ebenfalls verwiesen wird. Die Beklagte geht dort auch auf den Fall des C. A. ein, stellt den Verlauf des Kammertermins am 14.08.2008 sowie die von ihr behaupteten Äußerungen des RA A. dar und führt zu dem Zielobjekt der behaupteten verbalen Angriffe des RA A. aus sowie zur Verbreitung des Rassismus-Vorwurfs nach dem Kammertermin und der Reaktion von RA A. (s. dazu im Einzelnen die S. 2 bis 5 - oben - des Schriftsatzes vom 15.02.2011).

14

Erweiternd stützt die Beklagte den Auflösungsantrag zuletzt auch darauf, dass eine gedeihliche Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deswegen nicht zu erwarten sei, weil der Kläger erneut während der Arbeitszeit gegenüber einer Frau auffällig geworden sei. In diesem Zusammenhang führt die Beklagte auf den Seiten 5 und 6 des Schriftsatzes vom 15.02.2011 zum Kündigungssachverhalt und zu Vorfällen sexueller Belästigung aus, die nach den Behauptungen der Beklagten (zeitlich) vor dem Kündigungssachverhalt gelegen haben. Hierauf wird verwiesen.

15

Soweit es um von der Beklagten behauptete Auffälligkeiten des Klägers nach dem Kündigungssachverhalt geht, bringt die Beklagte insbesondere vor:

16

Der Vortrag des Klägers, dass seit der (am 29.06.2009 erfolgten) Wiederaufnahme der Arbeit "nicht die geringsten Probleme zwischen den Arbeitsvertragsparteien aufgetreten" seien, sei falsch. Dazu führt die Beklagte unter Wiedergabe des Sachverhalts, der in der Abmahnung vom 17.12.2009 dargestellt wird, weiter aus (Bezeichnung der Arbeitskollegin M. A. C. als bzw. mit "Hey Mammacita"; gegen den Arbeitskollegen B. O. gerichteter Schlag bzw. "Klaps").

17

Die Beklagte würdigt das von ihr vorgetragene Geschehen so, dass eine gedeihliche Zusammenarbeit für die Zukunft nicht zu erwarten sei. Wegen der diesbezüglichen Darlegungen im Einzelnen wird auf die Seiten 7 bis 9 des Schriftsatzes vom 15.02.2011 Bezug genommen. Dort bringt die Beklagte u.a. auch vor, dass es in einem Fall der vorliegenden Art Sache des Arbeitnehmers sei vorzutragen, weshalb er sich Parteivortrag seines Prozessbevollmächtigten nicht zu eigen gemacht habe oder dass er sich hiervon nachträglich distanziert habe. Dies habe - so bringt die Beklagte vor - der Kläger nicht getan. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass sich der Kläger tatsächlich von den Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten distanzieren wolle. Hiergegen spreche, dass er an ihm auch dann festgehalten habe, als der Auflösungsantrag gestellt worden sei. Der Kläger habe - was unstreitig ist - sich auch im Revisionsverfahren (- 2 AZR 297/09 -) von RA A. als Prozessbevollmächtigtem vertreten lassen. Eine Distanzierung sei mithin nicht zu erkennen.

18

Auch was den Umgang des Klägers mit Frauen anbelange, müsse die Arbeitgeberin befürchten, dass der Kläger auch in Zukunft den natürlichen Abstand zu einem weiblichen Kunden oder zu Arbeitskolleginnen breche und es zu damit verbundenen Störungen des Betriebsfriedens bzw. der Kundschaft komme.

19

Eine gedeihliche Zusammenarbeit sei - so bringt die Beklagte weiter vor - auch nicht etwa dadurch zu erwarten, dass ein Prozessbeschäftigungsverhältnis angeboten worden sei. (Auch) dazu führt die Beklagte weiter aus (S. 9 des Schriftsatzes vom 15.02.2011).

20

Die Beklagte beantragt,

21

das Arbeitsverhältnis des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zum 30.09.2008 aufzulösen.

22

Der Kläger beantragt,

23

den Auflösungsantrag zurückzuweisen.

24

Der Kläger ist dem Auflösungsantrag der Beklagten nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in den Schriftsätzen vom 20.12.2010 (Bl. 273 ff. d.A.) und vom 04.03.2011 (Bl. 328 ff. d.A.), worauf jeweils verwiesen wird, entgegengetreten.

25

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die einzelnen Sitzungsniederschriften sowie auf die von den Parteien vorgelegten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

26

I. Der im neuerlichen Berufungsverfahren allein noch streitgegenständliche Auflösungsantrag des Arbeitgebers, den die in Prozessstandschaft handelnde Beklagte für diesen gestellt hat, ist unbegründet.

27

Die Beklagte stützt den Auflösungsantrag auf die Tatsachen, die sie in den Schriftsätzen vom 26.01.2009 und vom 15.02.2011 vorgetragen hat. Einer Beweiserhebung über diese Tatsachen bedurfte es nicht. Unterstellt man den entsprechenden Tatsachenvortrag der Beklagten als richtig, führt dies gleichwohl nicht zur gerichtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Die von der Beklagten vorgetragenen Umstände konnten (jedenfalls) am 15.03.2011 nicht mehr als hinreichend gravierend im Sinne des § 9 Abs. 1 KSchG gewertet werden. Im entscheidungserheblichen Zeitpunkt ließ sich eine schwere Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses weder feststellen noch prognostizieren. Dazu im Einzelnen:

28

1. Äußerungen des Prozessbevollmächtigten RA A. im arbeitsgerichtlichen Kammertermin vom 14.08.2008:

29

Die zutreffende Auslegung und Anwendung des § 9 Abs. 1 KSchG ergibt, dass - sollte das diesbezügliche, vom Kläger bestrittene Vorbringen der Beklagten in tatsächlicher Hinsicht zutreffen - die von der Beklagten behaupteten Tatsachen nicht von vornherein als Auflösungsgründe ausscheiden. Der (behauptete) Vorwurf, die Kündigungsentscheidung beruhe auf rassistischen Motiven und es sei dem (damaligen) Personalreferenten nur darum gegangen, Schwarzafrikanern kündigen zu können, ist beleidigend und gerade angesichts der Personalstruktur bei den US-Streitkräften als schwere Beeinträchtigung der Vertrauensgrundlage anzusehen. Der (noch) im Urteil vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 - vertretenen Auffassung, nur ein vom Arbeitnehmer veranlasstes Verhalten seines Prozessbevollmächtigten könne als Auflösungsgrund herangezogen werden (vgl. APS/Biebl 3. Aufl. KSchG § 9 Rz 66; KR/Spilger 9. Aufl. KSchG § 9 Rz 56) folgt die Berufungskammer gemäß § 563 Abs. 2 ZPO nicht mehr.

30

Zugunsten der Beklagten unterstellt die Berufungskammer, dass die Beklagte behaupten will, dass der Kläger die fraglichen Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten vom 14.08.2008 verstanden habe. Freilich bestehen diesbezüglich Zweifel. Diese Zweifel rühren daher, dass es sich bei dem Kläger um einen Ausländer handelt, der nach seinen unwidersprochenen Erklärungen im Termin vom 15.03.2011 (= S. 2 der Sitzungsniederschrift = Bl. 336 d.A.) sich sowohl bei der Arbeit als auch in seiner Freizeit der englischen Sprache bedient. Da nicht dargetan ist, wann und wie im Einzelnen der Kläger die deutsche Sprache erlernt hat, erscheint es fraglich, ob der Kläger den von der Beklagten behaupteten Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers im Kammertermin vom 14.08.2008 tatsächlich so verstanden hat, dass er hinreichende Veranlassung hatte, sich davon zu distanzieren. Ausreichender Vortrag dazu, weshalb der Kläger die fraglichen Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten doch hätte verstehen können, lassen sich weder dem Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2009 noch dem Schriftsatz vom 15.02.2011 entnehmen. Den damit verbundenen Fragen muss deswegen nicht weiter nachgegangen werden, weil sich der Kläger jedenfalls im Berufungsverfahren von den beleidigenden Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten - sollten sie denn so erfolgt sein - distanziert hat. Die entsprechende Distanzierungs-Erklärung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 25.01.2011 - 3 Sa 618/10 - (dort S. 2 = Bl. 285 d.A.) im Termin vom 25.01.2011 für den Kläger abgegeben. Die Abgabe dieser Erklärung ist durch die genannte Sitzungsniederschrift urkundlich belegt, - sie kann von der Beklagten nicht erfolgreich mit Nichtwissen bestritten werden. Ausreichende Anhaltspunkte für die Annahme, der Kläger habe diese Erklärung nur aus prozesstaktischen Gründen oder nicht ernst gemeint abgeben lassen, sind nicht gegeben. Ein entsprechender Anhaltspunkt ist nicht allein in dem Umstand zu sehen, dass die beleidigenden Äußerungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits am 14.08.2008 erfolgt sind bzw. erfolgt sein sollen, - wohingegen die Distanzierungserklärung erst am 25.01.2011 abgegeben worden ist. Insoweit ist zu beachten, dass im Berufungsurteil vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 - die auch in den Standardkommentaren zum Kündigungsschutzgesetz (APS/Biebl und KR-Spilger jeweils aaO.) geäußerte Auffassung vertreten worden ist, (ohnehin) könne nur ein vom Arbeitnehmer veranlasstes Verhalten seines Prozessbevollmächtigten als Auflösungsgrund herangezogen werden und dass der Kläger keine Veranlassung gehabt habe, sich von Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten zu distanzieren. In tatsächlicher Hinsicht ist in diesem Zusammenhang festzustellen, dass der Kläger die (nach dem Vortrag der Beklagten) beleidigenden Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten nicht veranlasst hat. Es kann vorliegend gerade nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Kläger bewusst seines Prozessbevollmächtigten im Prozess bedient hätte, um den Arbeitgeber durch unfaire und herabsetzende Erklärungen anzugreifen und sich gleichzeitig hinter seinem Prozessbevollmächtigten zu verstecken. So ist der vorliegende Sachverhalt - legt man das Vorbringen der Beklagten zugrunde - nicht beschaffen. Die Distanzierungserklärung hat der Kläger nach erfolgter Zurückverweisung der Sache im ersten Berufungsverhandlungs-Termin abgeben lassen. Dies war unter den gegebenen Umständen ausreichend. Die Distanzierungserklärung ist auch nicht etwa deswegen wertlos, weil der Kläger seinen Anwalt nicht "gewechselt" hat. Zwar kann der Arbeitnehmer sich auch dadurch von bestimmten Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten distanzieren bzw. eine Distanzierung zusätzlich bekräftigen, dass er sich einen neuen Anwalt "nimmt". Unbedingt notwendig ist dies in einem Fall der vorliegenden Art jedoch nicht.

31

Demgemäß ist die Distanzierungserklärung vom 25.01.2011 im Rahmen der gemäß § 9 Abs. 1 KSchG gebotenen Vorausschau zu Gunsten des Klägers zu berücksichtigen. Die Beantwortung der Frage, ob aufgrund der Äußerungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.08.2008 keine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den US-Streitkräften und dem Kläger zu erwarten ist, ist aufgrund einer Gesamtbetrachtung bzw. einer Würdigung im Rahmen einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Bei der in diesem Rahmen anzustellenden Vorausschau hat die Berufungskammer - abgestellt auf den 15.03.2011 - insbesondere auch geprüft, ob und inwieweit eine beeinträchtigte bzw. erschütterte Vertrauensgrundlage sich auf das Austauschverhältnis auswirkt oder auszuwirken droht. Eine derartige Auswirkung ist zu verneinen. In diesem Zusammenhang ist (auch) auf die hierarchische Stellung des Klägers im Betrieb/in der Dienststelle Bedacht zu nehmen sowie darauf, dass der Zeuge Dr. C., gegen den sich nach dem Vortrag der Beklagten die Äußerungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14.08.2008 gerichtet haben, unstreitig eine berufliche Veränderung erfahren hat. (Bereits) seit dem 01.09.2008 ist Dr. C. nicht mehr Personalreferent, sondern Angestellter im Pressebüro des (US-)Flugplatzes R. (Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit der US-Streitkräfte). Konfliktsituationen - wie am 14.08.2008 - sind deswegen nicht mehr zu befürchten.

32

Abgesehen davon musste der Kläger als Ladengehilfe eines Supermarktes bereits vor dem 01.09.2008 nicht mit dem Zeugen Dr. C. zusammenarbeiten, - und zwar weder tagtäglich noch überhaupt. Der Kläger musste als Ladengehilfe in einem "DeCA"-Supermarkt keineswegs regelmäßig mit Repräsentanten oder vergleichbaren Personen der US-Streitkräfte zusammenarbeiten. Die tatsächliche Arbeit des Klägers vollzog und vollzieht sich in dem Alltag eines Supermarktes. Bei der faktischen Durchführung des Arbeitsverhältnisses, also im Austauschverhältnis, hatte bzw. hat der Kläger in der Regel ohnehin - sieht man einmal von der Marktleiterin T. ab - mit keinem weiteren, höheren Amtsträger der Dienststelle D. EU bzw. der US-Streitkräfte zu tun (vgl. dazu das Vorbringen der Beklagten auf S. 6 der Klageerwiderung = Bl. 24 d.A.). In ähnlicher Weise ist nicht ersichtlich, dass es künftig zu Konfliktsituationen im Verhältnis "Dr. C./RA A." kommen könnte.

33

Im Rahmen der Vorausschau, die die Berufungskammer aufgrund der gebotenen Gesamtbetrachtung bzw. Gesamtabwägung vorgenommen hat, wurde weiter berücksichtigt, dass es sich bei den streitigen Äußerungen vom 14.08.2008 um einen singulär-einmaligen Vorgang ("Rassismusvorwurf") gehandelt hat, der sich so oder so ähnlich nach dem damaligen Kammertermin nicht wiederholt hat. Weder der Kläger noch der Prozessbevollmächtigte des Klägers haben in der Folgezeit Rassismusvorwürfe erhoben. (Auch) insoweit vermag die Berufungskammer keine entsprechende Wiederholungsgefahr zu erkennen. Soweit Vertrauen beeinträchtigt war, ist dieses dadurch wiederhergestellt worden, dass der Kläger seit dem 29.06.2009 tatsächlich auf seinem Arbeitsplatz im D.-Supermarkt V. beschäftigt wird. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang nicht, ob die für den Arbeitgeber handelnden Personen subjektiv noch hinreichendes Vertrauen in den Kläger haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob sie es aus der Sicht eines objektiven Betrachters haben müssten. Insoweit wäre ein ruhig und verständig urteilender Arbeitgeber nach Ablauf eines so langen Zeitraumes zwischen dem 14.08.2008 und dem 15.03.2011 in der Lage, Abstand zu solchen Äußerungen, wie sie die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Last legt, zu gewinnen. Der Beginn der Prozessbeschäftigung ist mit dem 29.06.2009 als unstreitig anzusehen. Zwar ist die Prozessbeschäftigung in der Zeit zwischen dem 16.12.2010 und dem 13.02.2011 vorübergehend unterbrochen gewesen. Anhaltspunkte dafür, dass eine zeitlich längere Unterbrechung gegeben gewesen wäre, lassen sich nicht feststellen. Die genannte, nur vorübergehende Unterbrechung ist deswegen nicht geeignet, die eben aufgezeigte Wiederherstellung der Vertrauensgrundlage durchgreifend in Zweifel zu ziehen, - zumal der Kläger am 25.01.2011 die oben erwähnte Distanzierungserklärung hat abgeben lassen.

34

Wie das Bundesarbeitsgericht im Urteil vom 09.09.2010 - 2 AZR 482/09 - (erneut) betont hat, - setzt die gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers die Prognose einer (- hier nicht gegebenen -) schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus (BAG 09.09.2010 - 2 AZR 482/09 - juris Rz 24; vgl. auch BVerfG 22.10.2004 - 1 BvR 1944/01 - juris Rz 26, wonach eine Auflösung nach § 9 KSchG nur ausnahmsweise in Betracht kommt und an die Auflösungsgründe strenge Anforderungen zu stellen sind).

35

2. Mit Rücksicht darauf lässt sich die gemäß § 9 Abs. 1 KSchG erforderliche Vorausschau (auch) nicht darauf stützen, dass das Verhalten des Klägers im Umgang mit Frauen eine gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lasse. Zwar kann sich der Arbeitgeber bzw. hier die Beklagte als Prozessstandschafterin zur Begründung des Auflösungsantrages an sich auch auf solche Gründe berufen, mit denen zuvor - erfolglos - die ausgesprochenen Kündigungen begründet wurden. Die Kündigungen vom 25.03.2008 und vom 03.04.2008 sind rechtsunwirksam und haben das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgelöst. Dies steht rechtskräftig fest. In einem derartigen Fall muss der Arbeitgeber bzw. hier die Beklagte zusätzlich greifbare Tatsachen dafür vortragen, dass der Kündigungssachverhalt, obwohl er die Kündigung nicht rechtfertigt, gleichwohl so beschaffen ist, dass er eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit nicht erwarten lässt (BVerfG aaO.). Die Tatsachen, die die Beklagte insoweit ergänzend vorgetragen hat ("vor dem Kündigungssachverhalt liegende Vorfälle" und "Auffälligkeiten des Klägers nach dem Kündigungssachverhalt") sind nicht so beschaffen, dass deswegen die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses gerechtfertigt wäre. Das Geschehen vom 01.12.2009 erlaubt auch in Verbindung mit den fraglichen Äußerungen vom 14.08.2008 sowie mit dem Sachverhalt der zu den Kündigungen vom 25.03.2008 und vom 03.04.2008 geführt hat, letztlich noch keine negative Vorausschau im Sinne des § 9 Abs. 1 KSchG. Das Verhalten des Klägers lässt noch keine sicheren Rückschlüsse darauf zu, eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber sei nicht zu erwarten. Dies hat erkennbar auch der Arbeitgeber bzw. die Dienststelle so gesehen, denn der Arbeitgeber hat das Prozessbeschäftigungsverhältnis mit dem Kläger im Dezember 2009 nicht etwa beendet, - vielmehr wurde die Prozessbeschäftigung des Klägers - abgesehen von der oben erwähnten, vorübergehenden Unterbrechung - fortgesetzt, wobei dem Kläger allerdings die Abmahnung vom 17.12.2009 erteilt wurde. Der objektive Erklärungswert dieses Verhaltens des Arbeitgebers (Ausspruch der Abmahnung vom 17.12.2009 und Fortsetzung der Prozessbeschäftigung) liegt darin, dass der Arbeitgeber durch die Abmahnung seine Einschätzung zum Ausdruck gebracht hat, das künftige Verhalten des Klägers könne durch die in der Abmahnung erfolgte Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden. Diese Einschätzung teilt die Berufungskammer. Die im Rahmen des § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG erforderliche negative Vorausschau lässt sich nicht bejahen.

36

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO.

37

Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt.

38

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.

39

Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und unter den dort genannten Voraussetzungen selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

40

Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach, 99113 Erfurt, Telefaxnummer: 0361/26 36 - 2000 einzulegen. Darauf wird die Beklagte hingewiesen.

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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.08.2008 - Az: 2 Ca 438/08 - wird kostenpflichtig - unter Zurückweisung des Auflösungsantrages - zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen, soweit der Auflösungsantrag zurückgewiesen wurde, - im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Der am … 1961 in Lagos/Nigeria geborene Kläger ist verheiratet (- der Kläger macht geltend, dass er Vater dreier Kinder sei, für die er aufkommen müsse; von Arbeitgeberseite wurde dagegen in den Benachrichtigungsschreiben vom 17.03.2008, Bl. 33 und 41 d.A., gegenüber der Betriebsvertretung angegeben, dass der Kläger verheiratet "ohne weitere unterhaltsberechtigte Personen" sei -).

2

Der Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei den US-Streitkräften beschäftigt (- vgl. dazu den "E. C." vom 10.12.1996, Bl. 210 d.A.). Zuletzt arbeitete der Kläger als Ladengehilfe in dem D.C.-Supermarkt V. ("U. 0000"). Bei einer Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 3/7 belief sich das Grundentgelt auf monatlich 1.995,88 EUR brutto und das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt durchschnittlich auf ca. 2.500,00 EUR brutto.

3

Die D.C. (D. C. A.) ist eine Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die weltweit Lebensmittelgeschäfte (Supermärkte) für US-Soldaten und deren Angehörige unterhält (eine der Abteilungen der D.C. ist die D.C. Europe; vgl. zur Einordnung der D.C.: BAG v. 09.02.1993 - 1 ABR 33/92 - und LAG Rheinland-Pfalz vom 10.11.1994 - 9 TaBV 30/94 -). Es existiert die "Instruction" (folgend: Dienstvorschrift) 36-702 (G) vom 11.08.2006 (Bl. 46 ff. d.A.). Dort heißt es u.a. auf Seite 1:

4

"… Sie [- gemeint: die Dienstvorschrift -] gilt für alle nicht-amerikanischen Zivilbeschäftigten der U.S.-Streitkräfte und Einrichtungen des U.S.-Verteidigungsministeriums, die von einem Zivilpersonalbüro (CPF) der US-Luftwaffe verwaltet und deren Beschäftigungsbedingungen durch den Tarifvertrag (TVAL II) oder einen daran angelehnten Einzelarbeitsvertrag geregelt werden …".

5

In dieser Dienstvorschrift 36-702 (G) sind u.a. Regelungen enthalten über "Zuständigkeiten und Vollmachten" (s. dazu insbesondere die Regelungen unter Ziffer 3., 3.3.6), "disziplinarische Maßnahmen" (Regelungen unter Ziffer 6. ff. und über Abmahnungen, s. dazu insbesondere Ziffer 7.4.2 (= Bl. 53 d.A.).

6

Der Arbeitgeber wirft - nach näherer Maßgabe des schriftsätzlichen Vortrages der Beklagten - dem Kläger vor,

7

am 11.03.2008 im Supermarkt V. die Kundin A. M. A. sexuell angegriffen zu haben. Der Kläger habe in aggressiver Weise die Hand der Kundin gepackt und folgende Bemerkung gemacht:

8

"Ich möchte einfach diesen mmmh klatschen".

9

Dabei habe der Kläger für "klatschen" das Wort "spanking" verwandt ("schlagen, insbesondere mit offener Handfläche auf die Gesäßbacken schlagen"). Die Kundin habe ihre Hand losgerissen und den Kläger gefragt, ob er verrückt geworden sei. Der Kläger habe auf diesen Vorhalt nicht reagiert, sondern bemerkt: "Ich möchte Dich klatschen und dann möchte ich, dass Dein Ehemann kommt und mich fragt, warum ich Dich geklatscht habe".

10

Die Beklagte verweist auf die von den US-Streitkräften aufgenommene Aussage der A. M. A. vom 11.03.2008 (Bl. 26 f. d.A.).

11

Am 14.03.2008 wurde der Kläger (von den US-Streitkräften) vernommen (s. dazu die Übersetzung der Aussage Bl. 28 d.A.).

12

Innerbetrieblich bzw. von den US-Streitkräften weiter vernommen wurden u.a.:

13

- die C. T., Marktleiterin des Supermarktes, und

- der G. W., Abteilungsleiter.

14

Mit dem Schreiben vom 25.03.2008 (Bl. 6 d.A.) wurde dem Kläger außerordentlich gekündigt, weil er am 11.03.2008 eine Kundin sexuell belästigt habe. Weiter heißt es im Kündigungsschreiben u.a.:

15

"Diese Kündigung tritt mit sofortiger Wirkung, d.h. zum 26.03.2008 in Kraft".

16

Das Kündigungsschreiben ist von der Marktleiterin C.T. unterzeichnet. Dem Kündigungsschreiben beigefügt war die Anlage "Kündigungsbevollmächtigung (USA FE I 36-02 G 11.08.2006)" (vgl. dazu Bl. 211 d.A.).

17

Mit dem Anwaltsschreiben vom 01.04.2008 (Bl. 7 f. d.A.) wies der Kläger die Kündigung vom 25.03.2008 gegenüber der D.C. Europe Frau C.T. U. 0000 … mit der Begründung zurück,

18

"da Sie ihre Berechtigung zum Ausspruch von Kündigungserklärungen für die US-Streitkräfte nicht in der erforderlichen Art nachgewiesen haben".

19

Mit dem Schreiben vom 03.04.2008 (Bl. 13 d.A.) wurde dem Kläger wegen des Vorfalls vom 11.03.2008 (vorsorglich) ordentlich zum 30.09.2008 gekündigt. (Auch) diese Kündigung ist von der Marktleiterin C.T. unterzeichnet. Der Kündigung war die (bereits erwähnte) Anlage "Kündigungsbevollmächtigung …" (vgl. Bl. 211 d.A.) beigefügt. Mit dem Anwaltsschreiben vom 14.04.2008 (Bl. 14 f. d.A.) wies der Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 gegenüber der D.C. Europe Frau C.T. U. 0000 … mit der Begründung zurück,

20

"da Sie Ihre vermeintliche Berechtigung zum Ausspruch von Kündigungserklärungen für die US-Streitkräfte nach wie vor bzw. wiederholt nicht in der erforderlichen Art nachgewiesen haben".

21

Die, gegen die Kündigung vom 25.03.2008 gerichtete Klageschrift vom 01.04.2008 ist der Beklagten am 08.04.2008 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 9 d. A.). Die gegen die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 gerichtete Klageerweiterung vom 14.04.2008 ist der Beklagten am 16.04.2008 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 16 d.A.).

22

Der Kläger bestreitet, die Kundin A. belästigt zu haben. Außerdem bestreitet er, dass die Betriebsvertretung jeweils ordnungsgemäß angehört worden sei.

23

Im Zusammenhang mit ihrem Vortrag zur Beteiligung der Betriebsvertretung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung hat sich die Beklagte u.a. auf folgende Unterlagen bezogen:

24

- die Benachrichtigung der D.C. EU/HR ("über eine beabsichtigte Personalmaßnahme") vom 14.03.2008 (Bl. 33 d.A.; nebst "Empfangsbestätigung durch Betriebsvertretung" vom 17.03.2008; unterzeichnet ist das Benachrichtigungsschreiben von W.K., dem Leiter des "Non-US-Personalwesens" (Zivilpersonalbüro der US-Luftstreitkräfte);

25

- die so bezeichnete "Anlage zu USAFE Formular 179 # 17/2008" (Bl. 34 f. d.A.; diese "Anlage" erwähnt weitere 6 Anlagen), - (s. dazu Bl. 36 ff. d.A.) und

26

- das Schreiben der örtlichen Betriebsvertretung ("UNIT 3060") vom 20.03.2008 an M. C., stellvertretende Direktorin (Personalwesen) Defense Commissary Agency European Region … (das Schreiben der Betriebsvertretung vom 20.03.2008 ist von dem stellvertretenden Vorsitzenden H. M. unterzeichnet).

27

Im Zusammenhang mit ihrem Vortrag zur Beteiligung der Betriebsvertretung hinsichtlich der ordentlichen Kündigung hat sich die Beklagte u.a. auf folgende Unterlagen bezogen:

28

- die Benachrichtigung der D.C. EU/HR ("über eine beabsichtigte Personalmaßnahme") vom 14.03.2008 (Bl. 41 d.A.; (nebst "Empfangsbestätigung durch Betriebsvertretung" vom 17.03.2008; auch dieses Benachrichtigungsschreiben ist von dem W.K. unterzeichnet);

29

- die "Anlage zu USAFE Formular 179 # 18/2008" (Bl. 42 f. d.A.; diese "Anlage" erwähnt weitere 6 Anlagen) und

30

- das Schreiben der örtlichen Betriebsvertretung ("Unit 3060") vom 20.03.2008 (Bl. 44 d.A.) an die M. C., stellvertretende Direktorin (Personalwesen) Defense Commissary Agency, European Region … (das Schreiben der Betriebsvertretung vom 20.03.2008 ist von dem stellvertretenden Vorsitzenden H. M. unterzeichnet).

31

Über die mündliche Verhandlung vor der 2. Kammer des Arbeitsgerichts Kaiserslautern verhält sich die Sitzungsniederschrift vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - (dort S. 1 ff. = Bl. 78 ff. d.A.).

32

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - dort S. 2 ff. = Bl. 85 ff. d.A.. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 25.03.2008, noch durch die Kündigung vom 03.04.2008 aufgelöst worden ist. Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsgericht gemäß § 174 BGB für unwirksam erachtet. Die ordentliche Kündigung - so das Arbeitsgericht - sei sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 KSchG.

33

Gegen das ihr am 23.09.2008 zugestellte Urteil vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - hat die Beklagte am 20.10.2008 Berufung eingelegt und diese am 24.11.2008 (Montag) mit dem Schriftsatz vom 24.11.2008 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 24.11.2008 (Bl. 105 ff. d.A.) verwiesen. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist äußert sich die Beklagte weiter im Schriftsatz vom 26.01.2009 (Bl. 169 ff. d.A.), worauf ebenfalls verwiesen wird.

34

Soweit es um die außerordentliche Kündigung geht, beruft sich die Beklagte insbesondere darauf, dass vorliegend eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen gewesen sei. Hier liege eine Inkenntnissetzung über die Vertretungsberechtigung vor. Von der Bevollmächtigung der Marktleiterin T. sei der Kläger zum einen allgemein durch die Dienstvorschrift (36-702 G), zum anderen ausdrücklich durch die Beifügung einiger Auszüge der Dienstvorschrift im Rahmen des Kündigungsschreibens informiert gewesen. Aus den von ihr - auf Seite 6 (unten) der Berufungsbegründung (= Bl. 110 d. A.) genannten - Gründen sei klar, dass es sich bei der Unterzeichnerin der Kündigung um eine Vorgesetzte einer höheren Ebene handeln müsse.

35

Hinsichtlich des Kündigungsgrundes gehe das Arbeitsgericht - so argumentiert die Beklagte weiter - zutreffend davon aus, dass der Kläger eine sexuelle Belästigung begangen habe. Das Zusammenspiel zwischen den Blicken und den Äußerungen des Klägers, er möchte den mmmh der Kundin klatschen, verletze die Kundin in ihrer Menschenwürde. Diese werde zu einem Begierdeobjekt des Klägers degradiert. Die Beklagte verweist auf die (innerbetrieblich aufgenommene) Zeugenaussage der Kundin. Die Beklagte wirft dem Arbeitsgericht vor, dass in den (innerbetrieblichen) Zeugenaussagen vermerkt gewesen sei, dass bereits zwei Vorfälle wegen sexueller Belästigung in der Personalakte des Klägers dokumentiert gewesen seien. Der Kläger habe (aber), obwohl bereits vorgewarnt, entsprechende Verhaltensmuster nicht abgestellt. Der Kläger habe eine besondere kriminelle Energie aufgewandt. Der Kläger habe es am 11.03.2008 ausgenutzt, dass die Kundin am Tiefkühlregal gestanden habe, sich nicht bewegt habe und der Kläger sich ihr unbemerkt habe annähern können. Der Kläger - so bringt die Beklagte weiter vor - habe die natürliche Distanzbeziehung zwischen fremden Menschen gebrochen und sei in den Nahbereich seines Opfers eingedrungen. Bei diesem Eindringen seien zudem die Blicke, die der Kläger auf die Kundin geworfen habe ("anstarren", "wie ein Stück Fleisch"), zu berücksichtigen. Die Grenze, dass lediglich Worte sexuellen Inhalts gefallen seien, sei überschritten. Der Kläger habe Handlungen sexuellen Inhaltes begangen. Solche unsittliche Handlungen könne ein Arbeitgeber gegenüber seinen Kunden nicht tolerieren. Das Arbeitsgericht habe ferner vergessen zu würdigen, dass der Kläger die gesagte Aussage nicht nur einmal getätigt habe. Spätestens beim zweiten Mal hätte dem Kläger unzweifelhaft klar sein müssen, dass die Kundin sein Verhalten in keiner Weise toleriere. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger sich ein vermeintlich schwaches Opfer ausgesucht habe. Die Beklagte weist darauf hin, dass die Kundin zum damaligen Zeitpunkt quasi allein erziehende Mutter von zwei Kindern war, da sich ihr Ehemann an der Front befand. Diese mit Angst verbundene Trennung habe der Kläger vorliegend ausgespielt.

36

Auch das Verhalten des Klägers nach Ausspruch der Kündigung zeigt nach Ansicht der Beklagten, dass eine Abmahnung als milderes Mittel nicht den gleichen, dauerhaften Schutz von Kunden und Mitarbeiterinnen gehabt hätte. Der Vortrag des Klägers, das er ein "tadelloses" Beschäftigungsverhältnis aufzuweisen habe, sei unzutreffend. Die Beklagte verweist auf einschlägige Abmahnungen, die "durch Zeitablauf herauszunehmen" gewesen seien. Mit der Äußerung "nicht noch einmal, nicht noch einmal" habe der Kläger selbst eingestanden, dass es bereits in der Vergangenheit Vorfälle gegeben habe. Die Beklagte verweist darauf, dass sich der Kläger bei der Kundin nicht entschuldigt hat. Der Kläger habe lediglich zunächst gesagt, er habe es "nicht so gemeint". Erst später habe er den Sachverhalt gesamthaft abgestritten. Auch hierdurch werde es der Arbeitgeberin unzumutbar, den Kläger weiterhin zu beschäftigen. Die Arbeitgeberin müsse damit rechnen, dass die Kundin, sollte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortgesetzt werden, ihre Vertragsbeziehung zum Supermarkt beende. Zudem seien die Befindlichkeiten des Opfers sowie der weiteren Kunden zu berücksichtigen. Nach näherer Maßgabe des weiteren Vorbringens der Beklagten besteht bei amerikanischen Kunden eine deutlich stärkere Sensibilisierung als dies bei deutschen Verbrauchern üblich sein möge. Vor diesem Hintergrund würden die Interessen der US-Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis zu beenden, um die Kunden und Mitarbeiter vor weiteren sexuellen Belästigungen des Klägers zu schützen gegenüber dem Fortbestandsinteresse des Klägers überwiegen. Weitere Ausführungen zur Rechtfertigung der Kündigung(en) enthalten die Seiten 5 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (Bl. 173 f. d.A.).

37

Wegen der Beteiligung der Betriebsvertretung verweist die Beklagte auf ihren Schriftsatz vom 27.05.2008 nebst Anlagen (Bl. 19 ff. d.A.) und führt dazu auf den Seiten 7 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (Bl. 175 f. d.A.) weiter aus.

38

Zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB äußert sich die Beklagte so wie dies aus Seite 10 der Berufungsbegründung (dort unter Ziffer V. = Bl. 114 d.A.) und aus den Seiten 6 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (= Bl. 174 f. d.A.) ersichtlich ist.

39

Zur Begründung des Auflösungsantrages führt die Beklagte aus:

40

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt G., habe dem (damals) zuständigen Personalreferenten Dr. K.B. vorgeworfen, er sei ein "Rassist". Dies sei im Kammertermin vom 14.08.2008 vor dem Arbeitsgericht geschehen. Rechtsanwalt G. habe damals noch geäußert, dass der Personalreferent unter Zuhilfenahme von fadenscheinigen Gründen Fälle aufbaue, um "Schwarzen aus Afrika kündigen zu können". Dass es zum Ausspruch einer Kündigung gekommen sei, liege - so die Äußerung von RA G. - alleine an der "rassistischen Vorurteilsstruktur" des Personalreferenten. Dieser - so RA G. - kündige Arbeitnehmern, auch wenn sie vorbildlich gehandelt hätten und in keiner Weise ihre Arbeitsverträge verletzt hätten, nur weil sie aus Schwarzafrika kämen. Die Beklagte verweist darauf, dass bei den US-Stationierungsstreitkräften als Militärangehörige und im zivilen Gefolge der Truppe im großen Umfang Personen beschäftigt werden, die einer - auch ethnischen - Minderheit angehören. Das US-Militär verfolge rassistische Verhaltensmuster mit Nachdruck. Entsprechend verhalte es sich bei den Zivilbeschäftigten der US-Stationierungsstreitkräfte in Deutschland. Der Vorwurf von Rechtsanwalt G. - so macht die Beklagte geltend -, die US-Stationierungsstreitkräfte würden an maßgeblichen Stellen "Rassisten" beschäftigen, berühre daher das Selbstverständnis dieses Arbeitgebers, so dass eine gedeihliche Zusammenarbeit für die Zukunft nicht mehr zu erwarten sei. Wegen der weiteren Begründung des Auflösungsantrages wird auf die Seiten 1 ff. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (= Bl. 169 ff. d.A.) verwiesen.

41

Die Beklagte beantragt,

42

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen;

43

2. -hilfsweise -, das Arbeitsverhältnis des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, aber EUR 12.000,00 nicht überschreiten sollte, zum 30.09.2008 aufzulösen.

44

Der Kläger beantragt,

45

die Berufung unter Zurückweisung des Auflösungsantrages zurückzuweisen.

46

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts gegen die Berufung der Beklagten nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 29.12.2008 (Bl. 158 ff. d.A.), worauf verwiesen wird.

47

Der Kläger führt dort insbesondere dazu aus, dass sich die Unwirksamkeit der beiden Kündigungen bereits aus § 174 S. 1 BGB ergebe. Der Kläger habe keinesfalls Kenntnis von einer etwaigen Kündigungsberechtigung der Marktleiterin T.. Ob diese zum Ausspruch von Kündigungen für die Streitkräfte berechtigt sei, sei dem Kläger "bis zum heutigen Tage" unbekannt. Das "Stück Papier", welches den Kündigungsschreiben beigefügt gewesen sei, habe nicht erkennen lassen, worum es sich hierbei handele und ob es überhaupt noch Gültigkeit besitze. "Das Schreiben" enthalte gerade keine Erklärung, bei welchen Personen es sich um Vorgesetzte der dort genannten Art handele ("Vorgesetzte der ersten oder einer höheren Ebene" im Sinne der Ziffer 3.3 der "Kündigungsbevollmächtigung"). C.T. sei Leiterin eines kleinen Marktes der US-Streitkräfte. Eine Vergleichbarkeit mit Prokuristen, Personalleitern oder vergleichbaren Personen, sei sicherlich nicht gegeben.

48

Weiter führt der Kläger dazu aus (S. 3 f. der Berufungsbeantwortung = Bl. 160 d.A.), dass hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt sei. Seine Ehefrau M. C. habe die Kündigung vom 25.03.2008 erst am 28.03.2008 im hauseigenen Briefkasten vorgefunden. Auch fehle es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Der Kläger stellt klar, dass er die Kundin A. zu keiner Zeit sexuell oder in sonstiger Weise belästigt habe, - insbesondere habe am 11.03.2008 weder ein Körperkontakt zwischen den Beiden stattgefunden, noch habe der Kläger die von der Beklagtenseite behaupteten Äußerungen getätigt. Der Kläger bestreitet, dass die örtlich zuständige Betriebsvertretung zu den Kündigungen vom 25.03.2008 und vom 03.04.2008 ordnungsgemäß angehört wurde. Die ordentliche Kündigung sei nicht gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG, da sich der Kläger zu keiner Zeit arbeitsvertragswidrig verhalten habe. Ungeachtet dessen rechtfertige die Sachverhaltsschilderung der Beklagten die Beendigung eines bereits seit über elf Jahren beanstandungsfrei geführten Arbeitsverhältnisses nicht.

49

Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2009 reagiert der Kläger mit dem Schriftsatz vom 03.02.2009 (Bl. 207 d.A.), worauf verwiesen wird.

50

Im Berufungsverhandlungstermin vom 03.02.2009 (s. S. 3 der Sitzungsniederschrift - 3 Sa 643/08 - = Bl. 201 d.A.) hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt,

51

er habe die im Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2009 behaupteten Äußerungen in Bezug auf Dr. K.B. nicht getätigt, - insbesondere habe er diesen nicht als "Rassisten" bezeichnet.

52

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, insbesondere auch auf die Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 - (Bl. 201 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

53

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Unbegründet ist auch der Auflösungsantrag.

II.

54

Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzanträgen des Klägers zu recht stattgegeben. Dazu im einzelnen:

55

1. Die außerordentliche Kündigung vom 25.03.2008 hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

56

a) Dies ergibt sich aus § 626 Abs. 1 BGB (ähnlich: § 45 TVAL II). Nach näherer Maßgabe von Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung kann ein Arbeitsverhältnis außerordentlich (ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist) nur dann rechtswirksam gekündigt werden, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Vorliegend war es dem Arbeitgeber des Klägers zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger (zumindest) bis zum 31.08.2008 fortzusetzen. Im Falle einer ordentlichen Kündigung beträgt die einzuhaltende Kündigungsfrist hier fünf Monate zum Monatsschluss (§ 44 Ziff. 1. b) S. 1 TVAL II; unstreitig weist der Kläger eine Beschäftigungszeit von mehr als neun und weniger als zwölf Jahre auf).

57

aa) Belästigt ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz eine Kundin seines Arbeitgebers sexuell, so stellt ein derartiges Verhalten einen "an sich" wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Entsprechendes kann (auch) für ähnlich unzulässige Verhaltensweisen des Arbeitnehmers gelten, die sich noch nicht als sexuelle Belästigung darstellen. Unterstellt man das (- vom Kläger freilich bestrittene -) Vorbringen der Beklagten zum eigentlichen Kündigungssachverhalt (= Verhalten des Klägers vom 11.03.2008 gegenüber der Kundin A.) als zutreffend, liegt hiernach ein an sich zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung geeigneter Sachverhalt vor.

58

bb) Diese grundsätzliche Eignung reicht vorliegend letztlich jedoch nicht aus, um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung feststellen zu können. Dies ergibt sich aufgrund der gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorgenommenen Interessenabwägung.

59

Mit Rücksicht auf die mehrjährige, bereits seit dem Jahre 1997 bestehende Betriebszugehörigkeit und die schweren (finanziellen) Folgen des sofortigen Verlustes des Arbeitsplatzes, nämlich Wegfall der für den eigenen Unterhalt und (zumindest) teilweise auch für den Unterhalt seiner Ehefrau notwendigen Einkünfte, die Schwierigkeiten bei der Suche einer neuer Arbeitsstelle im Zusammenhang mit dem Alter (des am 06.06.1961 geborenen) Klägers und dem Ansehensverlust, der mit einer außerordentlichen Kündigung verbunden ist, ist dem Arbeitgeber die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen. Zwar hat der Arbeitgeber des Klägers als Betreiber des Supermarktes (C. V.) ein berechtigtes Interesse daran, dass die Kunden und Beschäftigten des Supermarktes von dem Kläger nicht sexuell oder in anderer Weise unzulässig belästigt werden. Dieses berechtigte Interesse kann der Arbeitgeber des Klägers jedoch auch dann durchsetzen, wenn er dem Kläger nicht außerordentlich kündigt. Dies gilt auch, soweit der Arbeitgeber (US-Streitkräfte) mit der Kündigung der Gefahr eines "Imageverlustes" und von Absatzrückgängen begegnen will. Insoweit ist (jedenfalls) im Rahmen der Interessenabwägung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, wie er z.B. auch in § 12 Abs. 3 AGG zum Ausdruck kommt. Danach hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen. Unterstellt man das tatsächliche Vorbringen der Beklagten zum eigentlichen Kündigungssachverhalt (- wie es insbesondere unter Ziffer II. der Berufungsbegründung, dort S. 2 ff.) und im Schriftsatz vom 26.01.2009 (dort zu Ziff. 4.2. = S. 5 f.) enthalten ist, als richtig, hätte die geeignete, erforderliche und angemessene Reaktion des Arbeitgebers auf das Verhalten des Klägers darin bestehen müssen, den Kläger abzumahnen.

60

cc) In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Arbeitgeber den Kläger bereits erfolglos einschlägig abgemahnt habe.

61

(1) Zwar kann aufgrund der, von der Beklagten in Bezug genommenen Übersetzung der Aussage der Marktleiterin C.T. vom 11.03.2008 davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Februar 2004 oder 2005 eine weibliche Beschäftigte, die in der Pasta-Bar arbeitete, sexuell belästigt hat (vgl. dazu Bl. 125 ff., 129 d.A., - wobei freilich festzuhalten ist, dass weder dort noch im schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten das damalige Verhalten des Klägers ["von 2004 oder 2005"] näher dargestellt wird; nicht erkennbar ist auch, worauf im einzelnen noch weitere Abmahnungen gestützt worden sein könnten und wann diese gegebenenfalls zeitlich genau erklärt worden sind). Der Kläger hat das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten auf Seite 3 - oben - der Berufungsbegründung vom 24.11.2008 (Bl. 107 d.A.) nicht bestritten. Auf frühere Abmahnungen kann sich die Beklagte aber deswegen nicht mit Erfolg berufen, weil derartige Abmahnungen wirkungslos geworden sind. Zumindest war die Warnfunktion wegen Zeitablaufs derart gemindert, dass es nunmehr einer erneuten Abmahnung bedurfte. Die Warnfunktion einer Abmahnung ist zeitlich begrenzt. Allerdings besteht (an sich) keine Regelfrist, innerhalb derer die Abmahnung ihre Wirkung verliert. Aus den Umständen des Einzelfalles ergibt sich vorliegend (jedoch), dass frühere Abmahnungen ihre Wirkung verloren haben. Der Arbeitgeber des Klägers spricht Abmahnungen entsprechend der einschlägigen Regelung in der Dienstvorschrift 36-702 (G), dort Ziffern 5.2.1.4 und 7.4.2, aus. Dies hat die Beklagte im Berufungsverhandlungstermin vom 03.02.2009 im Wesentlichen bestätigt. Unstreitig ist, dass sich am 11.03.2008 keine einschlägige Abmahnung in der Personalakte des Klägers befunden hat. Damit steht weiter fest, dass seit der letzten Abmahnung und dem 11.03.2008 ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren liegt. Die Abmahnungspraxis, die darin besteht, Abmahnungen von vorneherein nur befristet zu erklären, stellt einen besonderen Umstand dar, der neben dem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren gemäß § 242 BGB dazu führt, dass frühere Abmahnungen wirkungslos geworden sind.

62

(2) Unabhängig davon ist es den US-Streitkräften aufgrund eingegangener Selbstbindung gemäß § 242 BGB verwehrt, sich im vorliegenden Verfahren auf einschlägige frühere Abmahnungen zu berufen. In der Ziffer 7.4.2 der Dienstvorschrift 36-702 G heißt es ausdrücklich:

63

"Nach Ablauf von zwei Jahren ist die Abmahnung aus den Personalunterlagen zu entfernen und zu vernichten. Danach darf auf die Abmahnung bei späteren korrigierenden oder disziplinarischen Maßnahmen nicht mehr verwiesen werden".

64

Aus dieser Regelung ergibt sich ein Verwertungsverbot. Darin besteht der objektive Erklärungswert der eben zitierten Regelungen. Es ist anerkanntes Recht, dass sich ein Arbeitgeber im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes selbst binden kann. Eine derartige Eigenbindung ist der Arbeitgeber des Klägers vorliegend eingegangen. In der zitierten Dienstvorschrift ist festgelegt, wie auf bestimmte Pflichtverstöße des Arbeitnehmers zu reagieren ist. Die US-Streitkräfte müssen sich deswegen im konkreten Fall an das in der Dienstvorschrift 36-702 (G) festgelegte Verfahren halten. Sie dürfen auf frühere, aus der Personalakte entfernte Abmahnungen "nicht mehr verweisen", - dies bedeutet, dass diese (entfernten) Abmahnungen und ein früher abgemahntes Verhalten des Klägers nicht zur Stützung der Begründung der streitgegenständlichen Kündigungen herangezogen werden können.

65

Folglich ist der Fall des Klägers so zu beurteilen, als sei dieser am 11.03.2008 noch nicht abgemahnt gewesen. Dies führt weiter zu folgenden Erwägungen:

66

dd) Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Absolute Kündigungsgründe, die unabhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles die Kündigung unbedingt rechtfertigen könnten, sind im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB nicht anzuerkennen.

67

Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt und eine Unzumutbarkeit des Arbeitgebers gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist zu verneinen, wenn es zumutbare geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Einer der Gründe, die nach Gesetz (§ 314 Abs. 2 S. 2 und § 323 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB) und Rechtsprechung eine Abmahnung entbehrlich machen können, ist vorliegend nicht gegeben. Zwar kann eine vorherige Abmahnung ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Ein derartiger oder ein damit vergleichbarer Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Abgestellt auf den Zeitpunkt des jeweiligen Kündigungsausspruchs war hier zu erwarten, dass (bereits) eine Abmahnung beim Kläger den gewünschten Erfolg haben würde, - nämlich sowohl eine Änderung des Verhaltens als auch eine Wiederherstellung des beiderseitigen Vertrauens herbeizuführen. Bei dem hier in Rede stehenden Verhalten des Klägers, das die Beklagte im Prozess beanstandet hat, handelt es sich unstreitig um ein steuerbares Verhalten des Klägers. Soweit die Beklagte das Vertrauen des Arbeitgebers zum Kläger als beeinträchtigt ansieht, übersieht sie, dass auch gestörtes Vertrauen wieder gewonnen werden kann. Dies ist gerade durch den Ausspruch einer Abmahnung möglich. Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte die Kündigung damit begründet, die Kündigung sei zum Schutz von Kunden und Mitarbeitern sowie zwecks Vermeidung eines "Imageverlustes" und von Absatzrückgängen notwendig gewesen. (Auch) diesen Gesichtspunkten wird bereits durch den Ausspruch einer Abmahnung ausreichend Rechnung getragen. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätten es die US-Streitkräfte demgemäß bei einer Abmahnung bewenden lassen müssen. Die davon abweichende Einschätzung der Beklagten teilt die Berufungskammer nicht.

68

Damit erweist sich die außerordentliche Kündigung als rechtsunwirksam.

69

b) Dahingestellt bleiben kann, ob die Kündigung gemäß § 174 S. 1 BGB unwirksam ist. (Auch) die weiteren Unwirksamkeitsgründe, auf die sich der Kläger berufen hat, können auf sich beruhen.

70

2. Die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.09.2008 beendet. Das Verhalten des Klägers vom 11.03.2008 bedingt die Kündigung noch nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.

71

a) Zwar sind nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Rechtfertigung einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung geringere Anforderungen zu stellen als an eine außerordentliche Kündigung. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht (schuldhaft) verletzt,

72

- das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird,

- eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und

- die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint.

73

Dabei spielt vor allem (auch) die Qualität der Vertragsverletzung eine erhebliche Rolle.

74

Gemessen daran ist der von der Beklagten vorgetragene Kündigungssachverhalt - seine tatsächliche Richtigkeit unterstellt - an sich geeignet, die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 sozial zu rechtfertigen.

75

b) Allerdings ist auch im Rahmen des § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 KSchG der bereits oben ( bei Ziffer II. 1. a) dd)) erwähnte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das daraus resultierende Abmahnungserfordernis zu berücksichtigen. Da sich die Beklagte aus den bereits oben erörterten Gründen, die hier entsprechend gelten und auf die deswegen verwiesen wird, nicht mit Erfolg darauf berufen kann, der Kläger sei bereits erfolglos einschlägig abgemahnt worden, ist der Arbeitgeber des Klägers darauf zu verweisen, den Kläger vor Ausspruch einer ordentlichen Beendigungs-Kündigung (erneut) abzumahnen. Das von der Beklagten vorgetragene Verhalten des Klägers wiegt noch nicht so schwer, dass in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die ordentliche Kündigung billigenswert und angemessen erscheinen würde. Mit Rücksicht auf die mehrjährige, bereits seit dem Jahre 1997 bestehende Betriebszugehörigkeit und die finanziellen Folgen des Verlustes des Arbeitsplatzes (Wegfall der für den eigenen Unterhalt und [zumindest] teilweise auch für den Unterhalt seiner Ehefrau notwendigen Einkünfte) überwiegt das Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, das Beendigungs-Interesse der US-Streitkräfte.

76

c) Ob die weiteren Gründe, auf die sich der Kläger berufen hat, um die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung darzutun, zutreffen, kann dahingestellt bleiben. Allerdings spricht einiges dafür, dass der Kläger von einem ihm unter Umständen (in Bezug auf die ordentliche Kündigung) zustehenden Zurückweisungsrecht gemäß § 174 S. 1 BGB nicht unverzüglich im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist in tatsächlicher Hinsicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO festzustellen, dass dem Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 nicht erst am 12.04.2008 zugegangen ist. Zwar hat der Kläger diesen Zugangszeitpunkt auf Seite 2 - oben - der Klageerweiterung vom 14.04.2008 (= Bl. 12 d.A.) behauptet, - ohne freilich näheres dazu vorzutragen. Demgegenüber hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung (dort S. 7 = Bl. 25 d.A.) unter Vorlage einer Kopie des Kündigungsschreibens vom 03.04.2008 mit "Zustellungsvermerk" (Bl. 55 d.A.) dargetan, dass dem Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 am gleichen Tage (03.04.2008) zugegangen sei. Mit diesem Vortrag der Beklagten, den diese auf Seite 2 - oben - der Berufungsbegründung vom 24.11.2008 (= Bl 106 d.A.) wiederholt hat, hat sich der Kläger im weiteren Verlaufe des Rechtsstreites nicht, auch nicht im Berufungsverfahren, näher auseinandergesetzt. Er hat insoweit lediglich die Rechtsbehauptung aufgestellt, beide Kündigungen seien "unverzüglich" zurückgewiesen worden. Eine substantiierte Einlassung des Klägers zu dem von der Beklagten behaupteten Zugangszeitpunkt der ordentlichen Kündigung (03.04.2008) fehlt. Dies führt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO dazu, dass der Zugangszeitpunkt "03.04.2008" als unstreitig anzusehen ist (vgl. dazu auch den Hinweis des Vorsitzenden gemäß S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 -).

77

3. Dem Auflösungsantrag der Beklagten war nicht stattzugeben.

78

Den Auflösungsantrag stellt die Beklagte für den Arbeitgeber in Bezug auf die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008, die zum 30.09.2008 erklärt wurde. Dies ergibt sich aus der im Berufungsverhandlungstermin erfolgten modifizierten Antragstellung der Beklagten. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers setzt gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Es ist anerkanntes Recht, dass - je nach Lage des Falles - auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen kann. Dies soll sogar auch für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten gelten können, - jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert (BAG v. 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 -). An sich ist ein Verhalten dritter Personen als Grund für den Auflösungsantrag des Arbeitgebers nur dann geeignet, wenn (gerade) der gekündigte Arbeitnehmer dieses Verhalten durch eigenes Tun entscheidend veranlasst hat und es ihm so zuzurechnen ist. Davon ausgehend und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 KSchG hält es die Berufungskammer im Anschluss an die Ausführungen von Spilger/KR-Gemeinschaftskommentar 8. Auflage KSchG § 9 Rz 56 S. 537 für zutreffend, dass das Verhalten des Prozessbevollmächtigten als Auflösungsgrund nur dann in Betracht kommt, wenn es der Arbeitnehmer veranlasst hat. Das Vorbringen der (auch) in diesem Zusammenhang darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten lässt nicht erkennen, dass die Äußerungen, die der Rechtsanwalt des Klägers im Termin vom 14.08.2008 getätigt haben soll (Rassismus-Vorwurf in Bezug auf den damaligen Personalreferenten Dr. B.) vom Kläger veranlasst worden sind. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich. Ein Arbeitnehmer, der - wie der Kläger - wegen der Inanspruchnahme von Kündigungsschutz einen Rechtsanwalt, also ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt, gibt dadurch zu erkennen, dass er von seinem Recht, einen Kündigungsschutzprozess einzuleiten und durchzuführen, in rechtmäßiger und auch im übrigen ordnungsgemäßer Weise Gebrauch machen will. Mit verbalen Entgleisungen oder gar grob-beleidigenden Äußerungen seines Rechtsanwaltes (Prozessbevollmächtigten) muss der Arbeitnehmer, - gerade weil es sich bei einem Rechtsanwalt um ein Organ der Rechtspflege handelt -, nicht rechnen. Davon ist auch im Falle des Klägers auszugehen: der Kläger musste mit dem (von der Beklagten behaupteten) Fehlverhalten seines Anwaltes keineswegs rechnen. Sollte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt G., im Termin vom 14.08.2008 tatsächlich so fehlverhalten haben, wie dies die Beklagte behauptet, ergibt sich daraus im konkreten Fall nicht, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den US-Streitkräften und dem Kläger nicht erwartet werden könnte. Hat der Kläger, was hiermit festgestellt wird, die behaupteten Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten nicht veranlasst, so bestand für ihn auch keine Veranlassung, sich nachträglich hiervon zu distanzieren. Dies gilt umso mehr, als fraglich ist, ob der Kläger die fraglichen Äußerungen überhaupt verstanden hat. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 26.01.2009 angezeigt, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei (Bl. 163 d.A.). Die Beklagte legt im Schriftsatz vom 26.01.2009 nicht dar, dass der Kläger die von ihr behaupteten beleidigenden Äußerungen des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt G. verstanden habe.

79

Unter den gegebenen Umständen kann weiter nicht davon ausgegangen werden - auch solches hat die Beklagte nicht behauptet -, dass sich der Kläger die beleidigenden Äußerungen zu eigen gemacht hat.

80

Dahingestellt bleiben kann, wie es sich auswirkt, dass Dr. B. jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung vom 03.02.2009 dienstlich nicht mehr mit arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, also auch nicht mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers, befasst ist. Dr. B. ist derzeit unstreitig als Öffentlichkeits- bzw. Pressereferent tätig. Bei der faktischen Durchführung des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger wohl ohnehin - sieht man einmal von der Marktleiterin T. ab - mit keinem weiteren, höheren Amtsträger der Dienststelle D.C. EU bzw. der US-Streitkräfte zu tun (vgl. dazu das Vorbringen der Beklagten auf S. 6 der Klageerwiderung = Bl. 24 d.A.).

81

Vorliegend lässt sich eine Verantwortlichkeit des Klägers für das von der Beklagten behauptete Verhalten seines Prozessbevollmächtigten im Termin vom 14.08.2008 nicht begründen. Desweiteren ist nicht ersichtlich, dass der Kläger eine realistische Möglichkeit gehabt haben könnte, das von der Beklagten behauptete Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zu beeinflussen. Damit ist der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 26.01.2009 nicht geeignet, den Auflösungsantrag zu begründen. Ob die dortige Begründung überhaupt in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 14.08.2008 (Bl. 78 f. d.A.) enthält diesbezügliche Feststellungen nicht, - der Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst hat das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten im Berufungsverhandlungstermin gemäß Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 in Abrede gestellt.

III.

82

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte tragen.

83

Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 42 Abs. 4 S. 1 GKG festgesetzt.

84

Hinsichtlich der Zurückweisung des Auflösungsantrages ist die Revision zugelassen worden (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG). Im übrigen ist die Zulassung der Revision nicht veranlasst. Soweit die Revision nicht zugelassen wurde, kann die Beklagte dagegen nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und unter den dort genannten Voraussetzungen Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach, 99113 Erfurt, Telefaxnummer: 0361/26 36 - 2000 einlegen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Februar 2009 - 3 Sa 643/08 - aufgehoben, soweit es den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen hat.

In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Dabei steht die Rechtsfrage im Vordergrund, inwieweit als Auflösungsgrund zu Lasten des Arbeitnehmers das Prozessverhalten seines Prozessbevollmächtigten berücksichtigt werden darf.

2

Der 1961 in Nigeria geborene Kläger trat 1997 in die Dienste der US-Streitkräfte in Deutschland und arbeitete zuletzt als Ladengehilfe in einem Supermarkt der „Defense Commissary Agency“ (DCA). Diese ist eine Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die weltweit Lebensmittelgeschäfte für US-Soldaten und deren Angehörige unterhält.

3

Mit Schreiben vom 25. März 2008 kündigten die Streitkräfte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und mit Schreiben vom 3. April 2008 ordentlich zum 30. September 2008. Die Unwirksamkeit beider Kündigungen steht aufgrund des insoweit rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts fest.

4

Im Streit ist noch der von der - in Prozessstandschaft handelnden - Beklagten erstmals im Berufungsverfahren gestellte Auflösungsantrag. Zu dessen Begründung hat die Beklagte vorgetragen, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe dem seinerzeit zuständigen Personalreferenten der US-Streitkräfte im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses vorgeworfen, er sei ein Rassist. Er baue unter fadenscheinigen Gründen Fälle auf, um Schwarzafrikanern innerhalb der Streitkräfte kündigen zu können. Der Ausspruch der Kündigung liege allein an der „rassistischen Vorurteilsstruktur“ des Personalreferenten. Dieser Vorwurf berühre, so die Beklagte, das Selbstverständnis der US-Streitkräfte, die rassistische Verhaltensmuster von Beschäftigten mit Nachdruck verfolgten. Mit dem Kläger, der sich von den Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten, die er durchaus habe verstehen und würdigen können, nicht distanziert habe, sei eine gedeihliche Zusammenarbeit in Zukunft nicht mehr möglich.

5

Die Beklagte hat beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt werde, aber 12.000,00 Euro nicht überschreiten sollte, zum 30. September 2008 aufzulösen.

6

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Er hat bestritten, dass sein Prozessbevollmächtigter die fraglichen Äußerungen über den Personalreferenten abgegeben hat.

7

Das Landesarbeitsgericht hat den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Auflösungsantrag nicht zurückweisen (I.). Ob der Antrag begründet ist, kann der Senat mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen nicht selbst entscheiden (II. und III.).

9

I. Ein Auflösungsgrund für den Arbeitgeber nach § 9 KSchG kann auch in einem Verhalten seines Prozessbevollmächtigten liegen, das der Arbeitnehmer nicht veranlasst hat. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet im Gesetz keine Stütze.

10

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Die nach Auffassung des Arbeitgebers maßgeblichen Gründe sind von ihm im Prozess vorzutragen und - falls bestritten - zu beweisen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzgebers nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz nicht fremd (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

11

a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 23 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen.

12

b) Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Es kommt darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen.

13

Auch das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 45 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 73; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 59; HWK/Thies 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21; HaKo/Fiebig Kündigungsschutzrecht 3. Aufl. § 9 Rn. 68; TLL/Arnold KSchG § 9 Rn. 37; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 14). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 31 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 45 mwN, aaO).

14

c) Die vom Landesarbeitsgericht vertretene und auch in der arbeitsrechtlichen Literatur gelegentlich geäußerte Auffassung, nur ein vom Arbeitnehmer veranlasstes Verhalten seines Prozessbevollmächtigten könne als Auflösungsgrund herangezogen werden (vgl. APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 66; KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56; KDZ/Zwanziger 7. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21; wohl auch MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 9 KSchG Rn. 51), stimmt nicht ausreichend mit den gesetzlichen Vorgaben überein.

15

aa) Die Auffassung beruht offenbar auf dem Gedanken, den Arbeitnehmer dürfe ein Rechtsnachteil - Verlust des Arbeitsplatzes - grundsätzlich nur dann treffen, wenn er selbst hierzu bewusst eine Ursache gesetzt habe. Das trifft jedoch schon für die Regelung des Gesetzes über die Kündigungsgründe nicht zu. Bei betriebsbedingten Kündigungen liegt der Kündigungsgrund in aller Regel außerhalb des Einflussbereichs des Arbeitnehmers. Dasselbe kann auch bei personenbedingten Kündigungen der Fall sein. Damit kann es auch bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer den Fortfall der Vertrauensgrundlage selbst verursacht hat.

16

bb) Allerdings ist sorgfältig zu prüfen, ob das jeweils konkrete Verhalten Dritter geeignet ist, die Vertrauensgrundlage für weitere Zusammenarbeit der Vertragsparteien entfallen zu lassen. Das ist im Allgemeinen nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer dieses Verhalten entscheidend veranlasst hat (Senat 14. Mai 1987 - 2 AZR 294/86 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 20). Beim Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers ist dies deshalb anders, weil der Arbeitnehmer sich seiner im Verhältnis zum Arbeitgeber bewusst bedient und Prozessverhalten des Bevollmächtigten dem Arbeitnehmer schon wegen des § 85 ZPO zugerechnet wird. Prozessvortrag des Bevollmächtigten gilt von vornherein als Vortrag der Partei. Tatsächliche Erklärungen des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung sind für die miterschienene Partei „verpflichtend“, wenn sie die Erklärungen nicht sofort widerruft oder berichtigt (§ 85 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese gesetzliche Regelung steht der Annahme entgegen, Prozessvortrag des Arbeitnehmers könne nur dann als Auflösungsgrund berücksichtigt werden, wenn der Arbeitgeber nachweise, dass ein bestimmter - etwa beleidigender - Teil des Prozessvortrags vom Arbeitnehmer entscheidend veranlasst worden sei. Da es um das persönliche Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber geht, kann dies auch dadurch belastet werden, dass ein Arbeitnehmer sich seines Bevollmächtigten im Prozess bedient, um den Arbeitgeber durch unfaire und herabsetzende Erklärungen anzugreifen und sich gleichzeitig hinter ihm zu verstecken. Es kommt deshalb darauf an, ob der Arbeitnehmer sich die betreffenden Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten zu eigen gemacht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert hat.

17

2. An diesen Vorgaben gemessen trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht das von ihm gefundene rechtliche Ergebnis, es fehle an einem Auflösungsgrund. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Feststellung begnügt, der Kläger habe die Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten nicht veranlasst. Dies entspricht nicht dem gesetzlichen Maßstab.

18

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich bei Anwendung der oben genannten Grundsätze auf den Sachverhalt nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die von der Beklagten behaupteten Tatsachen scheiden nicht von vornherein als Auflösungsgründe aus. Der Vorwurf, die Kündigungsentscheidung beruhe auf rassistischen Motiven und es sei dem Personalreferenten nur darum gegangen, Schwarzafrikanern kündigen zu können, kann als beleidigend und gerade angesichts der Personalstruktur bei den US-Streitkräften als schwere Beeinträchtigung der Vertrauensgrundlage angesehen werden. Es steht freilich nicht fest, dass der Kläger sich die Äußerung zu eigen gemacht und sich von ihr nicht distanziert hätte.

19

III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers die von der Beklagten behaupteten Äußerungen getan hat. Ebenso ist streitig, ob der Kläger die Äußerungen überhaupt verstanden hat. Keinerlei Feststellungen sind zu der Frage getroffen, wie sich der Kläger, wenn er die Äußerungen verstand, hierzu verhalten hat. Ebenso kommt in Betracht, dass
durch die zwischenzeitlich erfolgte Versetzung des Personalreferenten die etwa beeinträchtigte Vertrauensgrundlage wieder hergestellt ist. Zu beachten sein wird auch, ob und inwieweit die Erschütterung der Vertrauensgrundlage sich auf das Austauschverhältnis auswirkt oder auszuwirken droht.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.08.2008 - Az: 2 Ca 438/08 - wird kostenpflichtig - unter Zurückweisung des Auflösungsantrages - zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen, soweit der Auflösungsantrag zurückgewiesen wurde, - im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Der am … 1961 in Lagos/Nigeria geborene Kläger ist verheiratet (- der Kläger macht geltend, dass er Vater dreier Kinder sei, für die er aufkommen müsse; von Arbeitgeberseite wurde dagegen in den Benachrichtigungsschreiben vom 17.03.2008, Bl. 33 und 41 d.A., gegenüber der Betriebsvertretung angegeben, dass der Kläger verheiratet "ohne weitere unterhaltsberechtigte Personen" sei -).

2

Der Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei den US-Streitkräften beschäftigt (- vgl. dazu den "E. C." vom 10.12.1996, Bl. 210 d.A.). Zuletzt arbeitete der Kläger als Ladengehilfe in dem D.C.-Supermarkt V. ("U. 0000"). Bei einer Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 3/7 belief sich das Grundentgelt auf monatlich 1.995,88 EUR brutto und das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt durchschnittlich auf ca. 2.500,00 EUR brutto.

3

Die D.C. (D. C. A.) ist eine Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die weltweit Lebensmittelgeschäfte (Supermärkte) für US-Soldaten und deren Angehörige unterhält (eine der Abteilungen der D.C. ist die D.C. Europe; vgl. zur Einordnung der D.C.: BAG v. 09.02.1993 - 1 ABR 33/92 - und LAG Rheinland-Pfalz vom 10.11.1994 - 9 TaBV 30/94 -). Es existiert die "Instruction" (folgend: Dienstvorschrift) 36-702 (G) vom 11.08.2006 (Bl. 46 ff. d.A.). Dort heißt es u.a. auf Seite 1:

4

"… Sie [- gemeint: die Dienstvorschrift -] gilt für alle nicht-amerikanischen Zivilbeschäftigten der U.S.-Streitkräfte und Einrichtungen des U.S.-Verteidigungsministeriums, die von einem Zivilpersonalbüro (CPF) der US-Luftwaffe verwaltet und deren Beschäftigungsbedingungen durch den Tarifvertrag (TVAL II) oder einen daran angelehnten Einzelarbeitsvertrag geregelt werden …".

5

In dieser Dienstvorschrift 36-702 (G) sind u.a. Regelungen enthalten über "Zuständigkeiten und Vollmachten" (s. dazu insbesondere die Regelungen unter Ziffer 3., 3.3.6), "disziplinarische Maßnahmen" (Regelungen unter Ziffer 6. ff. und über Abmahnungen, s. dazu insbesondere Ziffer 7.4.2 (= Bl. 53 d.A.).

6

Der Arbeitgeber wirft - nach näherer Maßgabe des schriftsätzlichen Vortrages der Beklagten - dem Kläger vor,

7

am 11.03.2008 im Supermarkt V. die Kundin A. M. A. sexuell angegriffen zu haben. Der Kläger habe in aggressiver Weise die Hand der Kundin gepackt und folgende Bemerkung gemacht:

8

"Ich möchte einfach diesen mmmh klatschen".

9

Dabei habe der Kläger für "klatschen" das Wort "spanking" verwandt ("schlagen, insbesondere mit offener Handfläche auf die Gesäßbacken schlagen"). Die Kundin habe ihre Hand losgerissen und den Kläger gefragt, ob er verrückt geworden sei. Der Kläger habe auf diesen Vorhalt nicht reagiert, sondern bemerkt: "Ich möchte Dich klatschen und dann möchte ich, dass Dein Ehemann kommt und mich fragt, warum ich Dich geklatscht habe".

10

Die Beklagte verweist auf die von den US-Streitkräften aufgenommene Aussage der A. M. A. vom 11.03.2008 (Bl. 26 f. d.A.).

11

Am 14.03.2008 wurde der Kläger (von den US-Streitkräften) vernommen (s. dazu die Übersetzung der Aussage Bl. 28 d.A.).

12

Innerbetrieblich bzw. von den US-Streitkräften weiter vernommen wurden u.a.:

13

- die C. T., Marktleiterin des Supermarktes, und

- der G. W., Abteilungsleiter.

14

Mit dem Schreiben vom 25.03.2008 (Bl. 6 d.A.) wurde dem Kläger außerordentlich gekündigt, weil er am 11.03.2008 eine Kundin sexuell belästigt habe. Weiter heißt es im Kündigungsschreiben u.a.:

15

"Diese Kündigung tritt mit sofortiger Wirkung, d.h. zum 26.03.2008 in Kraft".

16

Das Kündigungsschreiben ist von der Marktleiterin C.T. unterzeichnet. Dem Kündigungsschreiben beigefügt war die Anlage "Kündigungsbevollmächtigung (USA FE I 36-02 G 11.08.2006)" (vgl. dazu Bl. 211 d.A.).

17

Mit dem Anwaltsschreiben vom 01.04.2008 (Bl. 7 f. d.A.) wies der Kläger die Kündigung vom 25.03.2008 gegenüber der D.C. Europe Frau C.T. U. 0000 … mit der Begründung zurück,

18

"da Sie ihre Berechtigung zum Ausspruch von Kündigungserklärungen für die US-Streitkräfte nicht in der erforderlichen Art nachgewiesen haben".

19

Mit dem Schreiben vom 03.04.2008 (Bl. 13 d.A.) wurde dem Kläger wegen des Vorfalls vom 11.03.2008 (vorsorglich) ordentlich zum 30.09.2008 gekündigt. (Auch) diese Kündigung ist von der Marktleiterin C.T. unterzeichnet. Der Kündigung war die (bereits erwähnte) Anlage "Kündigungsbevollmächtigung …" (vgl. Bl. 211 d.A.) beigefügt. Mit dem Anwaltsschreiben vom 14.04.2008 (Bl. 14 f. d.A.) wies der Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 gegenüber der D.C. Europe Frau C.T. U. 0000 … mit der Begründung zurück,

20

"da Sie Ihre vermeintliche Berechtigung zum Ausspruch von Kündigungserklärungen für die US-Streitkräfte nach wie vor bzw. wiederholt nicht in der erforderlichen Art nachgewiesen haben".

21

Die, gegen die Kündigung vom 25.03.2008 gerichtete Klageschrift vom 01.04.2008 ist der Beklagten am 08.04.2008 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 9 d. A.). Die gegen die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 gerichtete Klageerweiterung vom 14.04.2008 ist der Beklagten am 16.04.2008 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 16 d.A.).

22

Der Kläger bestreitet, die Kundin A. belästigt zu haben. Außerdem bestreitet er, dass die Betriebsvertretung jeweils ordnungsgemäß angehört worden sei.

23

Im Zusammenhang mit ihrem Vortrag zur Beteiligung der Betriebsvertretung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung hat sich die Beklagte u.a. auf folgende Unterlagen bezogen:

24

- die Benachrichtigung der D.C. EU/HR ("über eine beabsichtigte Personalmaßnahme") vom 14.03.2008 (Bl. 33 d.A.; nebst "Empfangsbestätigung durch Betriebsvertretung" vom 17.03.2008; unterzeichnet ist das Benachrichtigungsschreiben von W.K., dem Leiter des "Non-US-Personalwesens" (Zivilpersonalbüro der US-Luftstreitkräfte);

25

- die so bezeichnete "Anlage zu USAFE Formular 179 # 17/2008" (Bl. 34 f. d.A.; diese "Anlage" erwähnt weitere 6 Anlagen), - (s. dazu Bl. 36 ff. d.A.) und

26

- das Schreiben der örtlichen Betriebsvertretung ("UNIT 3060") vom 20.03.2008 an M. C., stellvertretende Direktorin (Personalwesen) Defense Commissary Agency European Region … (das Schreiben der Betriebsvertretung vom 20.03.2008 ist von dem stellvertretenden Vorsitzenden H. M. unterzeichnet).

27

Im Zusammenhang mit ihrem Vortrag zur Beteiligung der Betriebsvertretung hinsichtlich der ordentlichen Kündigung hat sich die Beklagte u.a. auf folgende Unterlagen bezogen:

28

- die Benachrichtigung der D.C. EU/HR ("über eine beabsichtigte Personalmaßnahme") vom 14.03.2008 (Bl. 41 d.A.; (nebst "Empfangsbestätigung durch Betriebsvertretung" vom 17.03.2008; auch dieses Benachrichtigungsschreiben ist von dem W.K. unterzeichnet);

29

- die "Anlage zu USAFE Formular 179 # 18/2008" (Bl. 42 f. d.A.; diese "Anlage" erwähnt weitere 6 Anlagen) und

30

- das Schreiben der örtlichen Betriebsvertretung ("Unit 3060") vom 20.03.2008 (Bl. 44 d.A.) an die M. C., stellvertretende Direktorin (Personalwesen) Defense Commissary Agency, European Region … (das Schreiben der Betriebsvertretung vom 20.03.2008 ist von dem stellvertretenden Vorsitzenden H. M. unterzeichnet).

31

Über die mündliche Verhandlung vor der 2. Kammer des Arbeitsgerichts Kaiserslautern verhält sich die Sitzungsniederschrift vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - (dort S. 1 ff. = Bl. 78 ff. d.A.).

32

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - dort S. 2 ff. = Bl. 85 ff. d.A.. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 25.03.2008, noch durch die Kündigung vom 03.04.2008 aufgelöst worden ist. Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsgericht gemäß § 174 BGB für unwirksam erachtet. Die ordentliche Kündigung - so das Arbeitsgericht - sei sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 KSchG.

33

Gegen das ihr am 23.09.2008 zugestellte Urteil vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - hat die Beklagte am 20.10.2008 Berufung eingelegt und diese am 24.11.2008 (Montag) mit dem Schriftsatz vom 24.11.2008 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 24.11.2008 (Bl. 105 ff. d.A.) verwiesen. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist äußert sich die Beklagte weiter im Schriftsatz vom 26.01.2009 (Bl. 169 ff. d.A.), worauf ebenfalls verwiesen wird.

34

Soweit es um die außerordentliche Kündigung geht, beruft sich die Beklagte insbesondere darauf, dass vorliegend eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen gewesen sei. Hier liege eine Inkenntnissetzung über die Vertretungsberechtigung vor. Von der Bevollmächtigung der Marktleiterin T. sei der Kläger zum einen allgemein durch die Dienstvorschrift (36-702 G), zum anderen ausdrücklich durch die Beifügung einiger Auszüge der Dienstvorschrift im Rahmen des Kündigungsschreibens informiert gewesen. Aus den von ihr - auf Seite 6 (unten) der Berufungsbegründung (= Bl. 110 d. A.) genannten - Gründen sei klar, dass es sich bei der Unterzeichnerin der Kündigung um eine Vorgesetzte einer höheren Ebene handeln müsse.

35

Hinsichtlich des Kündigungsgrundes gehe das Arbeitsgericht - so argumentiert die Beklagte weiter - zutreffend davon aus, dass der Kläger eine sexuelle Belästigung begangen habe. Das Zusammenspiel zwischen den Blicken und den Äußerungen des Klägers, er möchte den mmmh der Kundin klatschen, verletze die Kundin in ihrer Menschenwürde. Diese werde zu einem Begierdeobjekt des Klägers degradiert. Die Beklagte verweist auf die (innerbetrieblich aufgenommene) Zeugenaussage der Kundin. Die Beklagte wirft dem Arbeitsgericht vor, dass in den (innerbetrieblichen) Zeugenaussagen vermerkt gewesen sei, dass bereits zwei Vorfälle wegen sexueller Belästigung in der Personalakte des Klägers dokumentiert gewesen seien. Der Kläger habe (aber), obwohl bereits vorgewarnt, entsprechende Verhaltensmuster nicht abgestellt. Der Kläger habe eine besondere kriminelle Energie aufgewandt. Der Kläger habe es am 11.03.2008 ausgenutzt, dass die Kundin am Tiefkühlregal gestanden habe, sich nicht bewegt habe und der Kläger sich ihr unbemerkt habe annähern können. Der Kläger - so bringt die Beklagte weiter vor - habe die natürliche Distanzbeziehung zwischen fremden Menschen gebrochen und sei in den Nahbereich seines Opfers eingedrungen. Bei diesem Eindringen seien zudem die Blicke, die der Kläger auf die Kundin geworfen habe ("anstarren", "wie ein Stück Fleisch"), zu berücksichtigen. Die Grenze, dass lediglich Worte sexuellen Inhalts gefallen seien, sei überschritten. Der Kläger habe Handlungen sexuellen Inhaltes begangen. Solche unsittliche Handlungen könne ein Arbeitgeber gegenüber seinen Kunden nicht tolerieren. Das Arbeitsgericht habe ferner vergessen zu würdigen, dass der Kläger die gesagte Aussage nicht nur einmal getätigt habe. Spätestens beim zweiten Mal hätte dem Kläger unzweifelhaft klar sein müssen, dass die Kundin sein Verhalten in keiner Weise toleriere. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger sich ein vermeintlich schwaches Opfer ausgesucht habe. Die Beklagte weist darauf hin, dass die Kundin zum damaligen Zeitpunkt quasi allein erziehende Mutter von zwei Kindern war, da sich ihr Ehemann an der Front befand. Diese mit Angst verbundene Trennung habe der Kläger vorliegend ausgespielt.

36

Auch das Verhalten des Klägers nach Ausspruch der Kündigung zeigt nach Ansicht der Beklagten, dass eine Abmahnung als milderes Mittel nicht den gleichen, dauerhaften Schutz von Kunden und Mitarbeiterinnen gehabt hätte. Der Vortrag des Klägers, das er ein "tadelloses" Beschäftigungsverhältnis aufzuweisen habe, sei unzutreffend. Die Beklagte verweist auf einschlägige Abmahnungen, die "durch Zeitablauf herauszunehmen" gewesen seien. Mit der Äußerung "nicht noch einmal, nicht noch einmal" habe der Kläger selbst eingestanden, dass es bereits in der Vergangenheit Vorfälle gegeben habe. Die Beklagte verweist darauf, dass sich der Kläger bei der Kundin nicht entschuldigt hat. Der Kläger habe lediglich zunächst gesagt, er habe es "nicht so gemeint". Erst später habe er den Sachverhalt gesamthaft abgestritten. Auch hierdurch werde es der Arbeitgeberin unzumutbar, den Kläger weiterhin zu beschäftigen. Die Arbeitgeberin müsse damit rechnen, dass die Kundin, sollte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortgesetzt werden, ihre Vertragsbeziehung zum Supermarkt beende. Zudem seien die Befindlichkeiten des Opfers sowie der weiteren Kunden zu berücksichtigen. Nach näherer Maßgabe des weiteren Vorbringens der Beklagten besteht bei amerikanischen Kunden eine deutlich stärkere Sensibilisierung als dies bei deutschen Verbrauchern üblich sein möge. Vor diesem Hintergrund würden die Interessen der US-Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis zu beenden, um die Kunden und Mitarbeiter vor weiteren sexuellen Belästigungen des Klägers zu schützen gegenüber dem Fortbestandsinteresse des Klägers überwiegen. Weitere Ausführungen zur Rechtfertigung der Kündigung(en) enthalten die Seiten 5 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (Bl. 173 f. d.A.).

37

Wegen der Beteiligung der Betriebsvertretung verweist die Beklagte auf ihren Schriftsatz vom 27.05.2008 nebst Anlagen (Bl. 19 ff. d.A.) und führt dazu auf den Seiten 7 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (Bl. 175 f. d.A.) weiter aus.

38

Zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB äußert sich die Beklagte so wie dies aus Seite 10 der Berufungsbegründung (dort unter Ziffer V. = Bl. 114 d.A.) und aus den Seiten 6 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (= Bl. 174 f. d.A.) ersichtlich ist.

39

Zur Begründung des Auflösungsantrages führt die Beklagte aus:

40

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt G., habe dem (damals) zuständigen Personalreferenten Dr. K.B. vorgeworfen, er sei ein "Rassist". Dies sei im Kammertermin vom 14.08.2008 vor dem Arbeitsgericht geschehen. Rechtsanwalt G. habe damals noch geäußert, dass der Personalreferent unter Zuhilfenahme von fadenscheinigen Gründen Fälle aufbaue, um "Schwarzen aus Afrika kündigen zu können". Dass es zum Ausspruch einer Kündigung gekommen sei, liege - so die Äußerung von RA G. - alleine an der "rassistischen Vorurteilsstruktur" des Personalreferenten. Dieser - so RA G. - kündige Arbeitnehmern, auch wenn sie vorbildlich gehandelt hätten und in keiner Weise ihre Arbeitsverträge verletzt hätten, nur weil sie aus Schwarzafrika kämen. Die Beklagte verweist darauf, dass bei den US-Stationierungsstreitkräften als Militärangehörige und im zivilen Gefolge der Truppe im großen Umfang Personen beschäftigt werden, die einer - auch ethnischen - Minderheit angehören. Das US-Militär verfolge rassistische Verhaltensmuster mit Nachdruck. Entsprechend verhalte es sich bei den Zivilbeschäftigten der US-Stationierungsstreitkräfte in Deutschland. Der Vorwurf von Rechtsanwalt G. - so macht die Beklagte geltend -, die US-Stationierungsstreitkräfte würden an maßgeblichen Stellen "Rassisten" beschäftigen, berühre daher das Selbstverständnis dieses Arbeitgebers, so dass eine gedeihliche Zusammenarbeit für die Zukunft nicht mehr zu erwarten sei. Wegen der weiteren Begründung des Auflösungsantrages wird auf die Seiten 1 ff. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (= Bl. 169 ff. d.A.) verwiesen.

41

Die Beklagte beantragt,

42

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen;

43

2. -hilfsweise -, das Arbeitsverhältnis des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, aber EUR 12.000,00 nicht überschreiten sollte, zum 30.09.2008 aufzulösen.

44

Der Kläger beantragt,

45

die Berufung unter Zurückweisung des Auflösungsantrages zurückzuweisen.

46

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts gegen die Berufung der Beklagten nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 29.12.2008 (Bl. 158 ff. d.A.), worauf verwiesen wird.

47

Der Kläger führt dort insbesondere dazu aus, dass sich die Unwirksamkeit der beiden Kündigungen bereits aus § 174 S. 1 BGB ergebe. Der Kläger habe keinesfalls Kenntnis von einer etwaigen Kündigungsberechtigung der Marktleiterin T.. Ob diese zum Ausspruch von Kündigungen für die Streitkräfte berechtigt sei, sei dem Kläger "bis zum heutigen Tage" unbekannt. Das "Stück Papier", welches den Kündigungsschreiben beigefügt gewesen sei, habe nicht erkennen lassen, worum es sich hierbei handele und ob es überhaupt noch Gültigkeit besitze. "Das Schreiben" enthalte gerade keine Erklärung, bei welchen Personen es sich um Vorgesetzte der dort genannten Art handele ("Vorgesetzte der ersten oder einer höheren Ebene" im Sinne der Ziffer 3.3 der "Kündigungsbevollmächtigung"). C.T. sei Leiterin eines kleinen Marktes der US-Streitkräfte. Eine Vergleichbarkeit mit Prokuristen, Personalleitern oder vergleichbaren Personen, sei sicherlich nicht gegeben.

48

Weiter führt der Kläger dazu aus (S. 3 f. der Berufungsbeantwortung = Bl. 160 d.A.), dass hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt sei. Seine Ehefrau M. C. habe die Kündigung vom 25.03.2008 erst am 28.03.2008 im hauseigenen Briefkasten vorgefunden. Auch fehle es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Der Kläger stellt klar, dass er die Kundin A. zu keiner Zeit sexuell oder in sonstiger Weise belästigt habe, - insbesondere habe am 11.03.2008 weder ein Körperkontakt zwischen den Beiden stattgefunden, noch habe der Kläger die von der Beklagtenseite behaupteten Äußerungen getätigt. Der Kläger bestreitet, dass die örtlich zuständige Betriebsvertretung zu den Kündigungen vom 25.03.2008 und vom 03.04.2008 ordnungsgemäß angehört wurde. Die ordentliche Kündigung sei nicht gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG, da sich der Kläger zu keiner Zeit arbeitsvertragswidrig verhalten habe. Ungeachtet dessen rechtfertige die Sachverhaltsschilderung der Beklagten die Beendigung eines bereits seit über elf Jahren beanstandungsfrei geführten Arbeitsverhältnisses nicht.

49

Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2009 reagiert der Kläger mit dem Schriftsatz vom 03.02.2009 (Bl. 207 d.A.), worauf verwiesen wird.

50

Im Berufungsverhandlungstermin vom 03.02.2009 (s. S. 3 der Sitzungsniederschrift - 3 Sa 643/08 - = Bl. 201 d.A.) hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt,

51

er habe die im Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2009 behaupteten Äußerungen in Bezug auf Dr. K.B. nicht getätigt, - insbesondere habe er diesen nicht als "Rassisten" bezeichnet.

52

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, insbesondere auch auf die Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 - (Bl. 201 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

53

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Unbegründet ist auch der Auflösungsantrag.

II.

54

Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzanträgen des Klägers zu recht stattgegeben. Dazu im einzelnen:

55

1. Die außerordentliche Kündigung vom 25.03.2008 hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

56

a) Dies ergibt sich aus § 626 Abs. 1 BGB (ähnlich: § 45 TVAL II). Nach näherer Maßgabe von Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung kann ein Arbeitsverhältnis außerordentlich (ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist) nur dann rechtswirksam gekündigt werden, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Vorliegend war es dem Arbeitgeber des Klägers zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger (zumindest) bis zum 31.08.2008 fortzusetzen. Im Falle einer ordentlichen Kündigung beträgt die einzuhaltende Kündigungsfrist hier fünf Monate zum Monatsschluss (§ 44 Ziff. 1. b) S. 1 TVAL II; unstreitig weist der Kläger eine Beschäftigungszeit von mehr als neun und weniger als zwölf Jahre auf).

57

aa) Belästigt ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz eine Kundin seines Arbeitgebers sexuell, so stellt ein derartiges Verhalten einen "an sich" wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Entsprechendes kann (auch) für ähnlich unzulässige Verhaltensweisen des Arbeitnehmers gelten, die sich noch nicht als sexuelle Belästigung darstellen. Unterstellt man das (- vom Kläger freilich bestrittene -) Vorbringen der Beklagten zum eigentlichen Kündigungssachverhalt (= Verhalten des Klägers vom 11.03.2008 gegenüber der Kundin A.) als zutreffend, liegt hiernach ein an sich zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung geeigneter Sachverhalt vor.

58

bb) Diese grundsätzliche Eignung reicht vorliegend letztlich jedoch nicht aus, um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung feststellen zu können. Dies ergibt sich aufgrund der gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorgenommenen Interessenabwägung.

59

Mit Rücksicht auf die mehrjährige, bereits seit dem Jahre 1997 bestehende Betriebszugehörigkeit und die schweren (finanziellen) Folgen des sofortigen Verlustes des Arbeitsplatzes, nämlich Wegfall der für den eigenen Unterhalt und (zumindest) teilweise auch für den Unterhalt seiner Ehefrau notwendigen Einkünfte, die Schwierigkeiten bei der Suche einer neuer Arbeitsstelle im Zusammenhang mit dem Alter (des am 06.06.1961 geborenen) Klägers und dem Ansehensverlust, der mit einer außerordentlichen Kündigung verbunden ist, ist dem Arbeitgeber die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen. Zwar hat der Arbeitgeber des Klägers als Betreiber des Supermarktes (C. V.) ein berechtigtes Interesse daran, dass die Kunden und Beschäftigten des Supermarktes von dem Kläger nicht sexuell oder in anderer Weise unzulässig belästigt werden. Dieses berechtigte Interesse kann der Arbeitgeber des Klägers jedoch auch dann durchsetzen, wenn er dem Kläger nicht außerordentlich kündigt. Dies gilt auch, soweit der Arbeitgeber (US-Streitkräfte) mit der Kündigung der Gefahr eines "Imageverlustes" und von Absatzrückgängen begegnen will. Insoweit ist (jedenfalls) im Rahmen der Interessenabwägung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, wie er z.B. auch in § 12 Abs. 3 AGG zum Ausdruck kommt. Danach hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen. Unterstellt man das tatsächliche Vorbringen der Beklagten zum eigentlichen Kündigungssachverhalt (- wie es insbesondere unter Ziffer II. der Berufungsbegründung, dort S. 2 ff.) und im Schriftsatz vom 26.01.2009 (dort zu Ziff. 4.2. = S. 5 f.) enthalten ist, als richtig, hätte die geeignete, erforderliche und angemessene Reaktion des Arbeitgebers auf das Verhalten des Klägers darin bestehen müssen, den Kläger abzumahnen.

60

cc) In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Arbeitgeber den Kläger bereits erfolglos einschlägig abgemahnt habe.

61

(1) Zwar kann aufgrund der, von der Beklagten in Bezug genommenen Übersetzung der Aussage der Marktleiterin C.T. vom 11.03.2008 davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Februar 2004 oder 2005 eine weibliche Beschäftigte, die in der Pasta-Bar arbeitete, sexuell belästigt hat (vgl. dazu Bl. 125 ff., 129 d.A., - wobei freilich festzuhalten ist, dass weder dort noch im schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten das damalige Verhalten des Klägers ["von 2004 oder 2005"] näher dargestellt wird; nicht erkennbar ist auch, worauf im einzelnen noch weitere Abmahnungen gestützt worden sein könnten und wann diese gegebenenfalls zeitlich genau erklärt worden sind). Der Kläger hat das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten auf Seite 3 - oben - der Berufungsbegründung vom 24.11.2008 (Bl. 107 d.A.) nicht bestritten. Auf frühere Abmahnungen kann sich die Beklagte aber deswegen nicht mit Erfolg berufen, weil derartige Abmahnungen wirkungslos geworden sind. Zumindest war die Warnfunktion wegen Zeitablaufs derart gemindert, dass es nunmehr einer erneuten Abmahnung bedurfte. Die Warnfunktion einer Abmahnung ist zeitlich begrenzt. Allerdings besteht (an sich) keine Regelfrist, innerhalb derer die Abmahnung ihre Wirkung verliert. Aus den Umständen des Einzelfalles ergibt sich vorliegend (jedoch), dass frühere Abmahnungen ihre Wirkung verloren haben. Der Arbeitgeber des Klägers spricht Abmahnungen entsprechend der einschlägigen Regelung in der Dienstvorschrift 36-702 (G), dort Ziffern 5.2.1.4 und 7.4.2, aus. Dies hat die Beklagte im Berufungsverhandlungstermin vom 03.02.2009 im Wesentlichen bestätigt. Unstreitig ist, dass sich am 11.03.2008 keine einschlägige Abmahnung in der Personalakte des Klägers befunden hat. Damit steht weiter fest, dass seit der letzten Abmahnung und dem 11.03.2008 ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren liegt. Die Abmahnungspraxis, die darin besteht, Abmahnungen von vorneherein nur befristet zu erklären, stellt einen besonderen Umstand dar, der neben dem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren gemäß § 242 BGB dazu führt, dass frühere Abmahnungen wirkungslos geworden sind.

62

(2) Unabhängig davon ist es den US-Streitkräften aufgrund eingegangener Selbstbindung gemäß § 242 BGB verwehrt, sich im vorliegenden Verfahren auf einschlägige frühere Abmahnungen zu berufen. In der Ziffer 7.4.2 der Dienstvorschrift 36-702 G heißt es ausdrücklich:

63

"Nach Ablauf von zwei Jahren ist die Abmahnung aus den Personalunterlagen zu entfernen und zu vernichten. Danach darf auf die Abmahnung bei späteren korrigierenden oder disziplinarischen Maßnahmen nicht mehr verwiesen werden".

64

Aus dieser Regelung ergibt sich ein Verwertungsverbot. Darin besteht der objektive Erklärungswert der eben zitierten Regelungen. Es ist anerkanntes Recht, dass sich ein Arbeitgeber im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes selbst binden kann. Eine derartige Eigenbindung ist der Arbeitgeber des Klägers vorliegend eingegangen. In der zitierten Dienstvorschrift ist festgelegt, wie auf bestimmte Pflichtverstöße des Arbeitnehmers zu reagieren ist. Die US-Streitkräfte müssen sich deswegen im konkreten Fall an das in der Dienstvorschrift 36-702 (G) festgelegte Verfahren halten. Sie dürfen auf frühere, aus der Personalakte entfernte Abmahnungen "nicht mehr verweisen", - dies bedeutet, dass diese (entfernten) Abmahnungen und ein früher abgemahntes Verhalten des Klägers nicht zur Stützung der Begründung der streitgegenständlichen Kündigungen herangezogen werden können.

65

Folglich ist der Fall des Klägers so zu beurteilen, als sei dieser am 11.03.2008 noch nicht abgemahnt gewesen. Dies führt weiter zu folgenden Erwägungen:

66

dd) Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Absolute Kündigungsgründe, die unabhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles die Kündigung unbedingt rechtfertigen könnten, sind im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB nicht anzuerkennen.

67

Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt und eine Unzumutbarkeit des Arbeitgebers gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist zu verneinen, wenn es zumutbare geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Einer der Gründe, die nach Gesetz (§ 314 Abs. 2 S. 2 und § 323 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB) und Rechtsprechung eine Abmahnung entbehrlich machen können, ist vorliegend nicht gegeben. Zwar kann eine vorherige Abmahnung ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Ein derartiger oder ein damit vergleichbarer Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Abgestellt auf den Zeitpunkt des jeweiligen Kündigungsausspruchs war hier zu erwarten, dass (bereits) eine Abmahnung beim Kläger den gewünschten Erfolg haben würde, - nämlich sowohl eine Änderung des Verhaltens als auch eine Wiederherstellung des beiderseitigen Vertrauens herbeizuführen. Bei dem hier in Rede stehenden Verhalten des Klägers, das die Beklagte im Prozess beanstandet hat, handelt es sich unstreitig um ein steuerbares Verhalten des Klägers. Soweit die Beklagte das Vertrauen des Arbeitgebers zum Kläger als beeinträchtigt ansieht, übersieht sie, dass auch gestörtes Vertrauen wieder gewonnen werden kann. Dies ist gerade durch den Ausspruch einer Abmahnung möglich. Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte die Kündigung damit begründet, die Kündigung sei zum Schutz von Kunden und Mitarbeitern sowie zwecks Vermeidung eines "Imageverlustes" und von Absatzrückgängen notwendig gewesen. (Auch) diesen Gesichtspunkten wird bereits durch den Ausspruch einer Abmahnung ausreichend Rechnung getragen. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätten es die US-Streitkräfte demgemäß bei einer Abmahnung bewenden lassen müssen. Die davon abweichende Einschätzung der Beklagten teilt die Berufungskammer nicht.

68

Damit erweist sich die außerordentliche Kündigung als rechtsunwirksam.

69

b) Dahingestellt bleiben kann, ob die Kündigung gemäß § 174 S. 1 BGB unwirksam ist. (Auch) die weiteren Unwirksamkeitsgründe, auf die sich der Kläger berufen hat, können auf sich beruhen.

70

2. Die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.09.2008 beendet. Das Verhalten des Klägers vom 11.03.2008 bedingt die Kündigung noch nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.

71

a) Zwar sind nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Rechtfertigung einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung geringere Anforderungen zu stellen als an eine außerordentliche Kündigung. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht (schuldhaft) verletzt,

72

- das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird,

- eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und

- die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint.

73

Dabei spielt vor allem (auch) die Qualität der Vertragsverletzung eine erhebliche Rolle.

74

Gemessen daran ist der von der Beklagten vorgetragene Kündigungssachverhalt - seine tatsächliche Richtigkeit unterstellt - an sich geeignet, die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 sozial zu rechtfertigen.

75

b) Allerdings ist auch im Rahmen des § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 KSchG der bereits oben ( bei Ziffer II. 1. a) dd)) erwähnte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das daraus resultierende Abmahnungserfordernis zu berücksichtigen. Da sich die Beklagte aus den bereits oben erörterten Gründen, die hier entsprechend gelten und auf die deswegen verwiesen wird, nicht mit Erfolg darauf berufen kann, der Kläger sei bereits erfolglos einschlägig abgemahnt worden, ist der Arbeitgeber des Klägers darauf zu verweisen, den Kläger vor Ausspruch einer ordentlichen Beendigungs-Kündigung (erneut) abzumahnen. Das von der Beklagten vorgetragene Verhalten des Klägers wiegt noch nicht so schwer, dass in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die ordentliche Kündigung billigenswert und angemessen erscheinen würde. Mit Rücksicht auf die mehrjährige, bereits seit dem Jahre 1997 bestehende Betriebszugehörigkeit und die finanziellen Folgen des Verlustes des Arbeitsplatzes (Wegfall der für den eigenen Unterhalt und [zumindest] teilweise auch für den Unterhalt seiner Ehefrau notwendigen Einkünfte) überwiegt das Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, das Beendigungs-Interesse der US-Streitkräfte.

76

c) Ob die weiteren Gründe, auf die sich der Kläger berufen hat, um die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung darzutun, zutreffen, kann dahingestellt bleiben. Allerdings spricht einiges dafür, dass der Kläger von einem ihm unter Umständen (in Bezug auf die ordentliche Kündigung) zustehenden Zurückweisungsrecht gemäß § 174 S. 1 BGB nicht unverzüglich im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist in tatsächlicher Hinsicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO festzustellen, dass dem Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 nicht erst am 12.04.2008 zugegangen ist. Zwar hat der Kläger diesen Zugangszeitpunkt auf Seite 2 - oben - der Klageerweiterung vom 14.04.2008 (= Bl. 12 d.A.) behauptet, - ohne freilich näheres dazu vorzutragen. Demgegenüber hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung (dort S. 7 = Bl. 25 d.A.) unter Vorlage einer Kopie des Kündigungsschreibens vom 03.04.2008 mit "Zustellungsvermerk" (Bl. 55 d.A.) dargetan, dass dem Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 am gleichen Tage (03.04.2008) zugegangen sei. Mit diesem Vortrag der Beklagten, den diese auf Seite 2 - oben - der Berufungsbegründung vom 24.11.2008 (= Bl 106 d.A.) wiederholt hat, hat sich der Kläger im weiteren Verlaufe des Rechtsstreites nicht, auch nicht im Berufungsverfahren, näher auseinandergesetzt. Er hat insoweit lediglich die Rechtsbehauptung aufgestellt, beide Kündigungen seien "unverzüglich" zurückgewiesen worden. Eine substantiierte Einlassung des Klägers zu dem von der Beklagten behaupteten Zugangszeitpunkt der ordentlichen Kündigung (03.04.2008) fehlt. Dies führt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO dazu, dass der Zugangszeitpunkt "03.04.2008" als unstreitig anzusehen ist (vgl. dazu auch den Hinweis des Vorsitzenden gemäß S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 -).

77

3. Dem Auflösungsantrag der Beklagten war nicht stattzugeben.

78

Den Auflösungsantrag stellt die Beklagte für den Arbeitgeber in Bezug auf die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008, die zum 30.09.2008 erklärt wurde. Dies ergibt sich aus der im Berufungsverhandlungstermin erfolgten modifizierten Antragstellung der Beklagten. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers setzt gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Es ist anerkanntes Recht, dass - je nach Lage des Falles - auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen kann. Dies soll sogar auch für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten gelten können, - jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert (BAG v. 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 -). An sich ist ein Verhalten dritter Personen als Grund für den Auflösungsantrag des Arbeitgebers nur dann geeignet, wenn (gerade) der gekündigte Arbeitnehmer dieses Verhalten durch eigenes Tun entscheidend veranlasst hat und es ihm so zuzurechnen ist. Davon ausgehend und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 KSchG hält es die Berufungskammer im Anschluss an die Ausführungen von Spilger/KR-Gemeinschaftskommentar 8. Auflage KSchG § 9 Rz 56 S. 537 für zutreffend, dass das Verhalten des Prozessbevollmächtigten als Auflösungsgrund nur dann in Betracht kommt, wenn es der Arbeitnehmer veranlasst hat. Das Vorbringen der (auch) in diesem Zusammenhang darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten lässt nicht erkennen, dass die Äußerungen, die der Rechtsanwalt des Klägers im Termin vom 14.08.2008 getätigt haben soll (Rassismus-Vorwurf in Bezug auf den damaligen Personalreferenten Dr. B.) vom Kläger veranlasst worden sind. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich. Ein Arbeitnehmer, der - wie der Kläger - wegen der Inanspruchnahme von Kündigungsschutz einen Rechtsanwalt, also ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt, gibt dadurch zu erkennen, dass er von seinem Recht, einen Kündigungsschutzprozess einzuleiten und durchzuführen, in rechtmäßiger und auch im übrigen ordnungsgemäßer Weise Gebrauch machen will. Mit verbalen Entgleisungen oder gar grob-beleidigenden Äußerungen seines Rechtsanwaltes (Prozessbevollmächtigten) muss der Arbeitnehmer, - gerade weil es sich bei einem Rechtsanwalt um ein Organ der Rechtspflege handelt -, nicht rechnen. Davon ist auch im Falle des Klägers auszugehen: der Kläger musste mit dem (von der Beklagten behaupteten) Fehlverhalten seines Anwaltes keineswegs rechnen. Sollte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt G., im Termin vom 14.08.2008 tatsächlich so fehlverhalten haben, wie dies die Beklagte behauptet, ergibt sich daraus im konkreten Fall nicht, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den US-Streitkräften und dem Kläger nicht erwartet werden könnte. Hat der Kläger, was hiermit festgestellt wird, die behaupteten Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten nicht veranlasst, so bestand für ihn auch keine Veranlassung, sich nachträglich hiervon zu distanzieren. Dies gilt umso mehr, als fraglich ist, ob der Kläger die fraglichen Äußerungen überhaupt verstanden hat. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 26.01.2009 angezeigt, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei (Bl. 163 d.A.). Die Beklagte legt im Schriftsatz vom 26.01.2009 nicht dar, dass der Kläger die von ihr behaupteten beleidigenden Äußerungen des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt G. verstanden habe.

79

Unter den gegebenen Umständen kann weiter nicht davon ausgegangen werden - auch solches hat die Beklagte nicht behauptet -, dass sich der Kläger die beleidigenden Äußerungen zu eigen gemacht hat.

80

Dahingestellt bleiben kann, wie es sich auswirkt, dass Dr. B. jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung vom 03.02.2009 dienstlich nicht mehr mit arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, also auch nicht mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers, befasst ist. Dr. B. ist derzeit unstreitig als Öffentlichkeits- bzw. Pressereferent tätig. Bei der faktischen Durchführung des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger wohl ohnehin - sieht man einmal von der Marktleiterin T. ab - mit keinem weiteren, höheren Amtsträger der Dienststelle D.C. EU bzw. der US-Streitkräfte zu tun (vgl. dazu das Vorbringen der Beklagten auf S. 6 der Klageerwiderung = Bl. 24 d.A.).

81

Vorliegend lässt sich eine Verantwortlichkeit des Klägers für das von der Beklagten behauptete Verhalten seines Prozessbevollmächtigten im Termin vom 14.08.2008 nicht begründen. Desweiteren ist nicht ersichtlich, dass der Kläger eine realistische Möglichkeit gehabt haben könnte, das von der Beklagten behauptete Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zu beeinflussen. Damit ist der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 26.01.2009 nicht geeignet, den Auflösungsantrag zu begründen. Ob die dortige Begründung überhaupt in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 14.08.2008 (Bl. 78 f. d.A.) enthält diesbezügliche Feststellungen nicht, - der Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst hat das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten im Berufungsverhandlungstermin gemäß Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 in Abrede gestellt.

III.

82

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte tragen.

83

Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 42 Abs. 4 S. 1 GKG festgesetzt.

84

Hinsichtlich der Zurückweisung des Auflösungsantrages ist die Revision zugelassen worden (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG). Im übrigen ist die Zulassung der Revision nicht veranlasst. Soweit die Revision nicht zugelassen wurde, kann die Beklagte dagegen nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und unter den dort genannten Voraussetzungen Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach, 99113 Erfurt, Telefaxnummer: 0361/26 36 - 2000 einlegen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Februar 2009 - 3 Sa 643/08 - aufgehoben, soweit es den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen hat.

In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Dabei steht die Rechtsfrage im Vordergrund, inwieweit als Auflösungsgrund zu Lasten des Arbeitnehmers das Prozessverhalten seines Prozessbevollmächtigten berücksichtigt werden darf.

2

Der 1961 in Nigeria geborene Kläger trat 1997 in die Dienste der US-Streitkräfte in Deutschland und arbeitete zuletzt als Ladengehilfe in einem Supermarkt der „Defense Commissary Agency“ (DCA). Diese ist eine Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die weltweit Lebensmittelgeschäfte für US-Soldaten und deren Angehörige unterhält.

3

Mit Schreiben vom 25. März 2008 kündigten die Streitkräfte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und mit Schreiben vom 3. April 2008 ordentlich zum 30. September 2008. Die Unwirksamkeit beider Kündigungen steht aufgrund des insoweit rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts fest.

4

Im Streit ist noch der von der - in Prozessstandschaft handelnden - Beklagten erstmals im Berufungsverfahren gestellte Auflösungsantrag. Zu dessen Begründung hat die Beklagte vorgetragen, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe dem seinerzeit zuständigen Personalreferenten der US-Streitkräfte im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses vorgeworfen, er sei ein Rassist. Er baue unter fadenscheinigen Gründen Fälle auf, um Schwarzafrikanern innerhalb der Streitkräfte kündigen zu können. Der Ausspruch der Kündigung liege allein an der „rassistischen Vorurteilsstruktur“ des Personalreferenten. Dieser Vorwurf berühre, so die Beklagte, das Selbstverständnis der US-Streitkräfte, die rassistische Verhaltensmuster von Beschäftigten mit Nachdruck verfolgten. Mit dem Kläger, der sich von den Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten, die er durchaus habe verstehen und würdigen können, nicht distanziert habe, sei eine gedeihliche Zusammenarbeit in Zukunft nicht mehr möglich.

5

Die Beklagte hat beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt werde, aber 12.000,00 Euro nicht überschreiten sollte, zum 30. September 2008 aufzulösen.

6

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Er hat bestritten, dass sein Prozessbevollmächtigter die fraglichen Äußerungen über den Personalreferenten abgegeben hat.

7

Das Landesarbeitsgericht hat den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Auflösungsantrag nicht zurückweisen (I.). Ob der Antrag begründet ist, kann der Senat mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen nicht selbst entscheiden (II. und III.).

9

I. Ein Auflösungsgrund für den Arbeitgeber nach § 9 KSchG kann auch in einem Verhalten seines Prozessbevollmächtigten liegen, das der Arbeitnehmer nicht veranlasst hat. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet im Gesetz keine Stütze.

10

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Die nach Auffassung des Arbeitgebers maßgeblichen Gründe sind von ihm im Prozess vorzutragen und - falls bestritten - zu beweisen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzgebers nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz nicht fremd (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

11

a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 23 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen.

12

b) Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Es kommt darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen.

13

Auch das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 45 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 73; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 59; HWK/Thies 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21; HaKo/Fiebig Kündigungsschutzrecht 3. Aufl. § 9 Rn. 68; TLL/Arnold KSchG § 9 Rn. 37; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 14). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 31 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 45 mwN, aaO).

14

c) Die vom Landesarbeitsgericht vertretene und auch in der arbeitsrechtlichen Literatur gelegentlich geäußerte Auffassung, nur ein vom Arbeitnehmer veranlasstes Verhalten seines Prozessbevollmächtigten könne als Auflösungsgrund herangezogen werden (vgl. APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 66; KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56; KDZ/Zwanziger 7. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21; wohl auch MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 9 KSchG Rn. 51), stimmt nicht ausreichend mit den gesetzlichen Vorgaben überein.

15

aa) Die Auffassung beruht offenbar auf dem Gedanken, den Arbeitnehmer dürfe ein Rechtsnachteil - Verlust des Arbeitsplatzes - grundsätzlich nur dann treffen, wenn er selbst hierzu bewusst eine Ursache gesetzt habe. Das trifft jedoch schon für die Regelung des Gesetzes über die Kündigungsgründe nicht zu. Bei betriebsbedingten Kündigungen liegt der Kündigungsgrund in aller Regel außerhalb des Einflussbereichs des Arbeitnehmers. Dasselbe kann auch bei personenbedingten Kündigungen der Fall sein. Damit kann es auch bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer den Fortfall der Vertrauensgrundlage selbst verursacht hat.

16

bb) Allerdings ist sorgfältig zu prüfen, ob das jeweils konkrete Verhalten Dritter geeignet ist, die Vertrauensgrundlage für weitere Zusammenarbeit der Vertragsparteien entfallen zu lassen. Das ist im Allgemeinen nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer dieses Verhalten entscheidend veranlasst hat (Senat 14. Mai 1987 - 2 AZR 294/86 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 20). Beim Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers ist dies deshalb anders, weil der Arbeitnehmer sich seiner im Verhältnis zum Arbeitgeber bewusst bedient und Prozessverhalten des Bevollmächtigten dem Arbeitnehmer schon wegen des § 85 ZPO zugerechnet wird. Prozessvortrag des Bevollmächtigten gilt von vornherein als Vortrag der Partei. Tatsächliche Erklärungen des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung sind für die miterschienene Partei „verpflichtend“, wenn sie die Erklärungen nicht sofort widerruft oder berichtigt (§ 85 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese gesetzliche Regelung steht der Annahme entgegen, Prozessvortrag des Arbeitnehmers könne nur dann als Auflösungsgrund berücksichtigt werden, wenn der Arbeitgeber nachweise, dass ein bestimmter - etwa beleidigender - Teil des Prozessvortrags vom Arbeitnehmer entscheidend veranlasst worden sei. Da es um das persönliche Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber geht, kann dies auch dadurch belastet werden, dass ein Arbeitnehmer sich seines Bevollmächtigten im Prozess bedient, um den Arbeitgeber durch unfaire und herabsetzende Erklärungen anzugreifen und sich gleichzeitig hinter ihm zu verstecken. Es kommt deshalb darauf an, ob der Arbeitnehmer sich die betreffenden Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten zu eigen gemacht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert hat.

17

2. An diesen Vorgaben gemessen trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht das von ihm gefundene rechtliche Ergebnis, es fehle an einem Auflösungsgrund. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Feststellung begnügt, der Kläger habe die Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten nicht veranlasst. Dies entspricht nicht dem gesetzlichen Maßstab.

18

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich bei Anwendung der oben genannten Grundsätze auf den Sachverhalt nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die von der Beklagten behaupteten Tatsachen scheiden nicht von vornherein als Auflösungsgründe aus. Der Vorwurf, die Kündigungsentscheidung beruhe auf rassistischen Motiven und es sei dem Personalreferenten nur darum gegangen, Schwarzafrikanern kündigen zu können, kann als beleidigend und gerade angesichts der Personalstruktur bei den US-Streitkräften als schwere Beeinträchtigung der Vertrauensgrundlage angesehen werden. Es steht freilich nicht fest, dass der Kläger sich die Äußerung zu eigen gemacht und sich von ihr nicht distanziert hätte.

19

III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers die von der Beklagten behaupteten Äußerungen getan hat. Ebenso ist streitig, ob der Kläger die Äußerungen überhaupt verstanden hat. Keinerlei Feststellungen sind zu der Frage getroffen, wie sich der Kläger, wenn er die Äußerungen verstand, hierzu verhalten hat. Ebenso kommt in Betracht, dass
durch die zwischenzeitlich erfolgte Versetzung des Personalreferenten die etwa beeinträchtigte Vertrauensgrundlage wieder hergestellt ist. Zu beachten sein wird auch, ob und inwieweit die Erschütterung der Vertrauensgrundlage sich auf das Austauschverhältnis auswirkt oder auszuwirken droht.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.08.2008 - Az: 2 Ca 438/08 - wird kostenpflichtig - unter Zurückweisung des Auflösungsantrages - zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen, soweit der Auflösungsantrag zurückgewiesen wurde, - im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Der am … 1961 in Lagos/Nigeria geborene Kläger ist verheiratet (- der Kläger macht geltend, dass er Vater dreier Kinder sei, für die er aufkommen müsse; von Arbeitgeberseite wurde dagegen in den Benachrichtigungsschreiben vom 17.03.2008, Bl. 33 und 41 d.A., gegenüber der Betriebsvertretung angegeben, dass der Kläger verheiratet "ohne weitere unterhaltsberechtigte Personen" sei -).

2

Der Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei den US-Streitkräften beschäftigt (- vgl. dazu den "E. C." vom 10.12.1996, Bl. 210 d.A.). Zuletzt arbeitete der Kläger als Ladengehilfe in dem D.C.-Supermarkt V. ("U. 0000"). Bei einer Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 3/7 belief sich das Grundentgelt auf monatlich 1.995,88 EUR brutto und das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt durchschnittlich auf ca. 2.500,00 EUR brutto.

3

Die D.C. (D. C. A.) ist eine Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die weltweit Lebensmittelgeschäfte (Supermärkte) für US-Soldaten und deren Angehörige unterhält (eine der Abteilungen der D.C. ist die D.C. Europe; vgl. zur Einordnung der D.C.: BAG v. 09.02.1993 - 1 ABR 33/92 - und LAG Rheinland-Pfalz vom 10.11.1994 - 9 TaBV 30/94 -). Es existiert die "Instruction" (folgend: Dienstvorschrift) 36-702 (G) vom 11.08.2006 (Bl. 46 ff. d.A.). Dort heißt es u.a. auf Seite 1:

4

"… Sie [- gemeint: die Dienstvorschrift -] gilt für alle nicht-amerikanischen Zivilbeschäftigten der U.S.-Streitkräfte und Einrichtungen des U.S.-Verteidigungsministeriums, die von einem Zivilpersonalbüro (CPF) der US-Luftwaffe verwaltet und deren Beschäftigungsbedingungen durch den Tarifvertrag (TVAL II) oder einen daran angelehnten Einzelarbeitsvertrag geregelt werden …".

5

In dieser Dienstvorschrift 36-702 (G) sind u.a. Regelungen enthalten über "Zuständigkeiten und Vollmachten" (s. dazu insbesondere die Regelungen unter Ziffer 3., 3.3.6), "disziplinarische Maßnahmen" (Regelungen unter Ziffer 6. ff. und über Abmahnungen, s. dazu insbesondere Ziffer 7.4.2 (= Bl. 53 d.A.).

6

Der Arbeitgeber wirft - nach näherer Maßgabe des schriftsätzlichen Vortrages der Beklagten - dem Kläger vor,

7

am 11.03.2008 im Supermarkt V. die Kundin A. M. A. sexuell angegriffen zu haben. Der Kläger habe in aggressiver Weise die Hand der Kundin gepackt und folgende Bemerkung gemacht:

8

"Ich möchte einfach diesen mmmh klatschen".

9

Dabei habe der Kläger für "klatschen" das Wort "spanking" verwandt ("schlagen, insbesondere mit offener Handfläche auf die Gesäßbacken schlagen"). Die Kundin habe ihre Hand losgerissen und den Kläger gefragt, ob er verrückt geworden sei. Der Kläger habe auf diesen Vorhalt nicht reagiert, sondern bemerkt: "Ich möchte Dich klatschen und dann möchte ich, dass Dein Ehemann kommt und mich fragt, warum ich Dich geklatscht habe".

10

Die Beklagte verweist auf die von den US-Streitkräften aufgenommene Aussage der A. M. A. vom 11.03.2008 (Bl. 26 f. d.A.).

11

Am 14.03.2008 wurde der Kläger (von den US-Streitkräften) vernommen (s. dazu die Übersetzung der Aussage Bl. 28 d.A.).

12

Innerbetrieblich bzw. von den US-Streitkräften weiter vernommen wurden u.a.:

13

- die C. T., Marktleiterin des Supermarktes, und

- der G. W., Abteilungsleiter.

14

Mit dem Schreiben vom 25.03.2008 (Bl. 6 d.A.) wurde dem Kläger außerordentlich gekündigt, weil er am 11.03.2008 eine Kundin sexuell belästigt habe. Weiter heißt es im Kündigungsschreiben u.a.:

15

"Diese Kündigung tritt mit sofortiger Wirkung, d.h. zum 26.03.2008 in Kraft".

16

Das Kündigungsschreiben ist von der Marktleiterin C.T. unterzeichnet. Dem Kündigungsschreiben beigefügt war die Anlage "Kündigungsbevollmächtigung (USA FE I 36-02 G 11.08.2006)" (vgl. dazu Bl. 211 d.A.).

17

Mit dem Anwaltsschreiben vom 01.04.2008 (Bl. 7 f. d.A.) wies der Kläger die Kündigung vom 25.03.2008 gegenüber der D.C. Europe Frau C.T. U. 0000 … mit der Begründung zurück,

18

"da Sie ihre Berechtigung zum Ausspruch von Kündigungserklärungen für die US-Streitkräfte nicht in der erforderlichen Art nachgewiesen haben".

19

Mit dem Schreiben vom 03.04.2008 (Bl. 13 d.A.) wurde dem Kläger wegen des Vorfalls vom 11.03.2008 (vorsorglich) ordentlich zum 30.09.2008 gekündigt. (Auch) diese Kündigung ist von der Marktleiterin C.T. unterzeichnet. Der Kündigung war die (bereits erwähnte) Anlage "Kündigungsbevollmächtigung …" (vgl. Bl. 211 d.A.) beigefügt. Mit dem Anwaltsschreiben vom 14.04.2008 (Bl. 14 f. d.A.) wies der Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 gegenüber der D.C. Europe Frau C.T. U. 0000 … mit der Begründung zurück,

20

"da Sie Ihre vermeintliche Berechtigung zum Ausspruch von Kündigungserklärungen für die US-Streitkräfte nach wie vor bzw. wiederholt nicht in der erforderlichen Art nachgewiesen haben".

21

Die, gegen die Kündigung vom 25.03.2008 gerichtete Klageschrift vom 01.04.2008 ist der Beklagten am 08.04.2008 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 9 d. A.). Die gegen die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 gerichtete Klageerweiterung vom 14.04.2008 ist der Beklagten am 16.04.2008 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 16 d.A.).

22

Der Kläger bestreitet, die Kundin A. belästigt zu haben. Außerdem bestreitet er, dass die Betriebsvertretung jeweils ordnungsgemäß angehört worden sei.

23

Im Zusammenhang mit ihrem Vortrag zur Beteiligung der Betriebsvertretung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung hat sich die Beklagte u.a. auf folgende Unterlagen bezogen:

24

- die Benachrichtigung der D.C. EU/HR ("über eine beabsichtigte Personalmaßnahme") vom 14.03.2008 (Bl. 33 d.A.; nebst "Empfangsbestätigung durch Betriebsvertretung" vom 17.03.2008; unterzeichnet ist das Benachrichtigungsschreiben von W.K., dem Leiter des "Non-US-Personalwesens" (Zivilpersonalbüro der US-Luftstreitkräfte);

25

- die so bezeichnete "Anlage zu USAFE Formular 179 # 17/2008" (Bl. 34 f. d.A.; diese "Anlage" erwähnt weitere 6 Anlagen), - (s. dazu Bl. 36 ff. d.A.) und

26

- das Schreiben der örtlichen Betriebsvertretung ("UNIT 3060") vom 20.03.2008 an M. C., stellvertretende Direktorin (Personalwesen) Defense Commissary Agency European Region … (das Schreiben der Betriebsvertretung vom 20.03.2008 ist von dem stellvertretenden Vorsitzenden H. M. unterzeichnet).

27

Im Zusammenhang mit ihrem Vortrag zur Beteiligung der Betriebsvertretung hinsichtlich der ordentlichen Kündigung hat sich die Beklagte u.a. auf folgende Unterlagen bezogen:

28

- die Benachrichtigung der D.C. EU/HR ("über eine beabsichtigte Personalmaßnahme") vom 14.03.2008 (Bl. 41 d.A.; (nebst "Empfangsbestätigung durch Betriebsvertretung" vom 17.03.2008; auch dieses Benachrichtigungsschreiben ist von dem W.K. unterzeichnet);

29

- die "Anlage zu USAFE Formular 179 # 18/2008" (Bl. 42 f. d.A.; diese "Anlage" erwähnt weitere 6 Anlagen) und

30

- das Schreiben der örtlichen Betriebsvertretung ("Unit 3060") vom 20.03.2008 (Bl. 44 d.A.) an die M. C., stellvertretende Direktorin (Personalwesen) Defense Commissary Agency, European Region … (das Schreiben der Betriebsvertretung vom 20.03.2008 ist von dem stellvertretenden Vorsitzenden H. M. unterzeichnet).

31

Über die mündliche Verhandlung vor der 2. Kammer des Arbeitsgerichts Kaiserslautern verhält sich die Sitzungsniederschrift vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - (dort S. 1 ff. = Bl. 78 ff. d.A.).

32

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - dort S. 2 ff. = Bl. 85 ff. d.A.. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 25.03.2008, noch durch die Kündigung vom 03.04.2008 aufgelöst worden ist. Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsgericht gemäß § 174 BGB für unwirksam erachtet. Die ordentliche Kündigung - so das Arbeitsgericht - sei sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 KSchG.

33

Gegen das ihr am 23.09.2008 zugestellte Urteil vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - hat die Beklagte am 20.10.2008 Berufung eingelegt und diese am 24.11.2008 (Montag) mit dem Schriftsatz vom 24.11.2008 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 24.11.2008 (Bl. 105 ff. d.A.) verwiesen. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist äußert sich die Beklagte weiter im Schriftsatz vom 26.01.2009 (Bl. 169 ff. d.A.), worauf ebenfalls verwiesen wird.

34

Soweit es um die außerordentliche Kündigung geht, beruft sich die Beklagte insbesondere darauf, dass vorliegend eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen gewesen sei. Hier liege eine Inkenntnissetzung über die Vertretungsberechtigung vor. Von der Bevollmächtigung der Marktleiterin T. sei der Kläger zum einen allgemein durch die Dienstvorschrift (36-702 G), zum anderen ausdrücklich durch die Beifügung einiger Auszüge der Dienstvorschrift im Rahmen des Kündigungsschreibens informiert gewesen. Aus den von ihr - auf Seite 6 (unten) der Berufungsbegründung (= Bl. 110 d. A.) genannten - Gründen sei klar, dass es sich bei der Unterzeichnerin der Kündigung um eine Vorgesetzte einer höheren Ebene handeln müsse.

35

Hinsichtlich des Kündigungsgrundes gehe das Arbeitsgericht - so argumentiert die Beklagte weiter - zutreffend davon aus, dass der Kläger eine sexuelle Belästigung begangen habe. Das Zusammenspiel zwischen den Blicken und den Äußerungen des Klägers, er möchte den mmmh der Kundin klatschen, verletze die Kundin in ihrer Menschenwürde. Diese werde zu einem Begierdeobjekt des Klägers degradiert. Die Beklagte verweist auf die (innerbetrieblich aufgenommene) Zeugenaussage der Kundin. Die Beklagte wirft dem Arbeitsgericht vor, dass in den (innerbetrieblichen) Zeugenaussagen vermerkt gewesen sei, dass bereits zwei Vorfälle wegen sexueller Belästigung in der Personalakte des Klägers dokumentiert gewesen seien. Der Kläger habe (aber), obwohl bereits vorgewarnt, entsprechende Verhaltensmuster nicht abgestellt. Der Kläger habe eine besondere kriminelle Energie aufgewandt. Der Kläger habe es am 11.03.2008 ausgenutzt, dass die Kundin am Tiefkühlregal gestanden habe, sich nicht bewegt habe und der Kläger sich ihr unbemerkt habe annähern können. Der Kläger - so bringt die Beklagte weiter vor - habe die natürliche Distanzbeziehung zwischen fremden Menschen gebrochen und sei in den Nahbereich seines Opfers eingedrungen. Bei diesem Eindringen seien zudem die Blicke, die der Kläger auf die Kundin geworfen habe ("anstarren", "wie ein Stück Fleisch"), zu berücksichtigen. Die Grenze, dass lediglich Worte sexuellen Inhalts gefallen seien, sei überschritten. Der Kläger habe Handlungen sexuellen Inhaltes begangen. Solche unsittliche Handlungen könne ein Arbeitgeber gegenüber seinen Kunden nicht tolerieren. Das Arbeitsgericht habe ferner vergessen zu würdigen, dass der Kläger die gesagte Aussage nicht nur einmal getätigt habe. Spätestens beim zweiten Mal hätte dem Kläger unzweifelhaft klar sein müssen, dass die Kundin sein Verhalten in keiner Weise toleriere. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger sich ein vermeintlich schwaches Opfer ausgesucht habe. Die Beklagte weist darauf hin, dass die Kundin zum damaligen Zeitpunkt quasi allein erziehende Mutter von zwei Kindern war, da sich ihr Ehemann an der Front befand. Diese mit Angst verbundene Trennung habe der Kläger vorliegend ausgespielt.

36

Auch das Verhalten des Klägers nach Ausspruch der Kündigung zeigt nach Ansicht der Beklagten, dass eine Abmahnung als milderes Mittel nicht den gleichen, dauerhaften Schutz von Kunden und Mitarbeiterinnen gehabt hätte. Der Vortrag des Klägers, das er ein "tadelloses" Beschäftigungsverhältnis aufzuweisen habe, sei unzutreffend. Die Beklagte verweist auf einschlägige Abmahnungen, die "durch Zeitablauf herauszunehmen" gewesen seien. Mit der Äußerung "nicht noch einmal, nicht noch einmal" habe der Kläger selbst eingestanden, dass es bereits in der Vergangenheit Vorfälle gegeben habe. Die Beklagte verweist darauf, dass sich der Kläger bei der Kundin nicht entschuldigt hat. Der Kläger habe lediglich zunächst gesagt, er habe es "nicht so gemeint". Erst später habe er den Sachverhalt gesamthaft abgestritten. Auch hierdurch werde es der Arbeitgeberin unzumutbar, den Kläger weiterhin zu beschäftigen. Die Arbeitgeberin müsse damit rechnen, dass die Kundin, sollte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortgesetzt werden, ihre Vertragsbeziehung zum Supermarkt beende. Zudem seien die Befindlichkeiten des Opfers sowie der weiteren Kunden zu berücksichtigen. Nach näherer Maßgabe des weiteren Vorbringens der Beklagten besteht bei amerikanischen Kunden eine deutlich stärkere Sensibilisierung als dies bei deutschen Verbrauchern üblich sein möge. Vor diesem Hintergrund würden die Interessen der US-Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis zu beenden, um die Kunden und Mitarbeiter vor weiteren sexuellen Belästigungen des Klägers zu schützen gegenüber dem Fortbestandsinteresse des Klägers überwiegen. Weitere Ausführungen zur Rechtfertigung der Kündigung(en) enthalten die Seiten 5 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (Bl. 173 f. d.A.).

37

Wegen der Beteiligung der Betriebsvertretung verweist die Beklagte auf ihren Schriftsatz vom 27.05.2008 nebst Anlagen (Bl. 19 ff. d.A.) und führt dazu auf den Seiten 7 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (Bl. 175 f. d.A.) weiter aus.

38

Zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB äußert sich die Beklagte so wie dies aus Seite 10 der Berufungsbegründung (dort unter Ziffer V. = Bl. 114 d.A.) und aus den Seiten 6 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (= Bl. 174 f. d.A.) ersichtlich ist.

39

Zur Begründung des Auflösungsantrages führt die Beklagte aus:

40

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt G., habe dem (damals) zuständigen Personalreferenten Dr. K.B. vorgeworfen, er sei ein "Rassist". Dies sei im Kammertermin vom 14.08.2008 vor dem Arbeitsgericht geschehen. Rechtsanwalt G. habe damals noch geäußert, dass der Personalreferent unter Zuhilfenahme von fadenscheinigen Gründen Fälle aufbaue, um "Schwarzen aus Afrika kündigen zu können". Dass es zum Ausspruch einer Kündigung gekommen sei, liege - so die Äußerung von RA G. - alleine an der "rassistischen Vorurteilsstruktur" des Personalreferenten. Dieser - so RA G. - kündige Arbeitnehmern, auch wenn sie vorbildlich gehandelt hätten und in keiner Weise ihre Arbeitsverträge verletzt hätten, nur weil sie aus Schwarzafrika kämen. Die Beklagte verweist darauf, dass bei den US-Stationierungsstreitkräften als Militärangehörige und im zivilen Gefolge der Truppe im großen Umfang Personen beschäftigt werden, die einer - auch ethnischen - Minderheit angehören. Das US-Militär verfolge rassistische Verhaltensmuster mit Nachdruck. Entsprechend verhalte es sich bei den Zivilbeschäftigten der US-Stationierungsstreitkräfte in Deutschland. Der Vorwurf von Rechtsanwalt G. - so macht die Beklagte geltend -, die US-Stationierungsstreitkräfte würden an maßgeblichen Stellen "Rassisten" beschäftigen, berühre daher das Selbstverständnis dieses Arbeitgebers, so dass eine gedeihliche Zusammenarbeit für die Zukunft nicht mehr zu erwarten sei. Wegen der weiteren Begründung des Auflösungsantrages wird auf die Seiten 1 ff. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (= Bl. 169 ff. d.A.) verwiesen.

41

Die Beklagte beantragt,

42

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen;

43

2. -hilfsweise -, das Arbeitsverhältnis des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, aber EUR 12.000,00 nicht überschreiten sollte, zum 30.09.2008 aufzulösen.

44

Der Kläger beantragt,

45

die Berufung unter Zurückweisung des Auflösungsantrages zurückzuweisen.

46

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts gegen die Berufung der Beklagten nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 29.12.2008 (Bl. 158 ff. d.A.), worauf verwiesen wird.

47

Der Kläger führt dort insbesondere dazu aus, dass sich die Unwirksamkeit der beiden Kündigungen bereits aus § 174 S. 1 BGB ergebe. Der Kläger habe keinesfalls Kenntnis von einer etwaigen Kündigungsberechtigung der Marktleiterin T.. Ob diese zum Ausspruch von Kündigungen für die Streitkräfte berechtigt sei, sei dem Kläger "bis zum heutigen Tage" unbekannt. Das "Stück Papier", welches den Kündigungsschreiben beigefügt gewesen sei, habe nicht erkennen lassen, worum es sich hierbei handele und ob es überhaupt noch Gültigkeit besitze. "Das Schreiben" enthalte gerade keine Erklärung, bei welchen Personen es sich um Vorgesetzte der dort genannten Art handele ("Vorgesetzte der ersten oder einer höheren Ebene" im Sinne der Ziffer 3.3 der "Kündigungsbevollmächtigung"). C.T. sei Leiterin eines kleinen Marktes der US-Streitkräfte. Eine Vergleichbarkeit mit Prokuristen, Personalleitern oder vergleichbaren Personen, sei sicherlich nicht gegeben.

48

Weiter führt der Kläger dazu aus (S. 3 f. der Berufungsbeantwortung = Bl. 160 d.A.), dass hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt sei. Seine Ehefrau M. C. habe die Kündigung vom 25.03.2008 erst am 28.03.2008 im hauseigenen Briefkasten vorgefunden. Auch fehle es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Der Kläger stellt klar, dass er die Kundin A. zu keiner Zeit sexuell oder in sonstiger Weise belästigt habe, - insbesondere habe am 11.03.2008 weder ein Körperkontakt zwischen den Beiden stattgefunden, noch habe der Kläger die von der Beklagtenseite behaupteten Äußerungen getätigt. Der Kläger bestreitet, dass die örtlich zuständige Betriebsvertretung zu den Kündigungen vom 25.03.2008 und vom 03.04.2008 ordnungsgemäß angehört wurde. Die ordentliche Kündigung sei nicht gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG, da sich der Kläger zu keiner Zeit arbeitsvertragswidrig verhalten habe. Ungeachtet dessen rechtfertige die Sachverhaltsschilderung der Beklagten die Beendigung eines bereits seit über elf Jahren beanstandungsfrei geführten Arbeitsverhältnisses nicht.

49

Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2009 reagiert der Kläger mit dem Schriftsatz vom 03.02.2009 (Bl. 207 d.A.), worauf verwiesen wird.

50

Im Berufungsverhandlungstermin vom 03.02.2009 (s. S. 3 der Sitzungsniederschrift - 3 Sa 643/08 - = Bl. 201 d.A.) hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt,

51

er habe die im Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2009 behaupteten Äußerungen in Bezug auf Dr. K.B. nicht getätigt, - insbesondere habe er diesen nicht als "Rassisten" bezeichnet.

52

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, insbesondere auch auf die Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 - (Bl. 201 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

53

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Unbegründet ist auch der Auflösungsantrag.

II.

54

Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzanträgen des Klägers zu recht stattgegeben. Dazu im einzelnen:

55

1. Die außerordentliche Kündigung vom 25.03.2008 hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

56

a) Dies ergibt sich aus § 626 Abs. 1 BGB (ähnlich: § 45 TVAL II). Nach näherer Maßgabe von Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung kann ein Arbeitsverhältnis außerordentlich (ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist) nur dann rechtswirksam gekündigt werden, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Vorliegend war es dem Arbeitgeber des Klägers zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger (zumindest) bis zum 31.08.2008 fortzusetzen. Im Falle einer ordentlichen Kündigung beträgt die einzuhaltende Kündigungsfrist hier fünf Monate zum Monatsschluss (§ 44 Ziff. 1. b) S. 1 TVAL II; unstreitig weist der Kläger eine Beschäftigungszeit von mehr als neun und weniger als zwölf Jahre auf).

57

aa) Belästigt ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz eine Kundin seines Arbeitgebers sexuell, so stellt ein derartiges Verhalten einen "an sich" wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Entsprechendes kann (auch) für ähnlich unzulässige Verhaltensweisen des Arbeitnehmers gelten, die sich noch nicht als sexuelle Belästigung darstellen. Unterstellt man das (- vom Kläger freilich bestrittene -) Vorbringen der Beklagten zum eigentlichen Kündigungssachverhalt (= Verhalten des Klägers vom 11.03.2008 gegenüber der Kundin A.) als zutreffend, liegt hiernach ein an sich zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung geeigneter Sachverhalt vor.

58

bb) Diese grundsätzliche Eignung reicht vorliegend letztlich jedoch nicht aus, um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung feststellen zu können. Dies ergibt sich aufgrund der gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorgenommenen Interessenabwägung.

59

Mit Rücksicht auf die mehrjährige, bereits seit dem Jahre 1997 bestehende Betriebszugehörigkeit und die schweren (finanziellen) Folgen des sofortigen Verlustes des Arbeitsplatzes, nämlich Wegfall der für den eigenen Unterhalt und (zumindest) teilweise auch für den Unterhalt seiner Ehefrau notwendigen Einkünfte, die Schwierigkeiten bei der Suche einer neuer Arbeitsstelle im Zusammenhang mit dem Alter (des am 06.06.1961 geborenen) Klägers und dem Ansehensverlust, der mit einer außerordentlichen Kündigung verbunden ist, ist dem Arbeitgeber die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen. Zwar hat der Arbeitgeber des Klägers als Betreiber des Supermarktes (C. V.) ein berechtigtes Interesse daran, dass die Kunden und Beschäftigten des Supermarktes von dem Kläger nicht sexuell oder in anderer Weise unzulässig belästigt werden. Dieses berechtigte Interesse kann der Arbeitgeber des Klägers jedoch auch dann durchsetzen, wenn er dem Kläger nicht außerordentlich kündigt. Dies gilt auch, soweit der Arbeitgeber (US-Streitkräfte) mit der Kündigung der Gefahr eines "Imageverlustes" und von Absatzrückgängen begegnen will. Insoweit ist (jedenfalls) im Rahmen der Interessenabwägung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, wie er z.B. auch in § 12 Abs. 3 AGG zum Ausdruck kommt. Danach hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen. Unterstellt man das tatsächliche Vorbringen der Beklagten zum eigentlichen Kündigungssachverhalt (- wie es insbesondere unter Ziffer II. der Berufungsbegründung, dort S. 2 ff.) und im Schriftsatz vom 26.01.2009 (dort zu Ziff. 4.2. = S. 5 f.) enthalten ist, als richtig, hätte die geeignete, erforderliche und angemessene Reaktion des Arbeitgebers auf das Verhalten des Klägers darin bestehen müssen, den Kläger abzumahnen.

60

cc) In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Arbeitgeber den Kläger bereits erfolglos einschlägig abgemahnt habe.

61

(1) Zwar kann aufgrund der, von der Beklagten in Bezug genommenen Übersetzung der Aussage der Marktleiterin C.T. vom 11.03.2008 davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Februar 2004 oder 2005 eine weibliche Beschäftigte, die in der Pasta-Bar arbeitete, sexuell belästigt hat (vgl. dazu Bl. 125 ff., 129 d.A., - wobei freilich festzuhalten ist, dass weder dort noch im schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten das damalige Verhalten des Klägers ["von 2004 oder 2005"] näher dargestellt wird; nicht erkennbar ist auch, worauf im einzelnen noch weitere Abmahnungen gestützt worden sein könnten und wann diese gegebenenfalls zeitlich genau erklärt worden sind). Der Kläger hat das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten auf Seite 3 - oben - der Berufungsbegründung vom 24.11.2008 (Bl. 107 d.A.) nicht bestritten. Auf frühere Abmahnungen kann sich die Beklagte aber deswegen nicht mit Erfolg berufen, weil derartige Abmahnungen wirkungslos geworden sind. Zumindest war die Warnfunktion wegen Zeitablaufs derart gemindert, dass es nunmehr einer erneuten Abmahnung bedurfte. Die Warnfunktion einer Abmahnung ist zeitlich begrenzt. Allerdings besteht (an sich) keine Regelfrist, innerhalb derer die Abmahnung ihre Wirkung verliert. Aus den Umständen des Einzelfalles ergibt sich vorliegend (jedoch), dass frühere Abmahnungen ihre Wirkung verloren haben. Der Arbeitgeber des Klägers spricht Abmahnungen entsprechend der einschlägigen Regelung in der Dienstvorschrift 36-702 (G), dort Ziffern 5.2.1.4 und 7.4.2, aus. Dies hat die Beklagte im Berufungsverhandlungstermin vom 03.02.2009 im Wesentlichen bestätigt. Unstreitig ist, dass sich am 11.03.2008 keine einschlägige Abmahnung in der Personalakte des Klägers befunden hat. Damit steht weiter fest, dass seit der letzten Abmahnung und dem 11.03.2008 ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren liegt. Die Abmahnungspraxis, die darin besteht, Abmahnungen von vorneherein nur befristet zu erklären, stellt einen besonderen Umstand dar, der neben dem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren gemäß § 242 BGB dazu führt, dass frühere Abmahnungen wirkungslos geworden sind.

62

(2) Unabhängig davon ist es den US-Streitkräften aufgrund eingegangener Selbstbindung gemäß § 242 BGB verwehrt, sich im vorliegenden Verfahren auf einschlägige frühere Abmahnungen zu berufen. In der Ziffer 7.4.2 der Dienstvorschrift 36-702 G heißt es ausdrücklich:

63

"Nach Ablauf von zwei Jahren ist die Abmahnung aus den Personalunterlagen zu entfernen und zu vernichten. Danach darf auf die Abmahnung bei späteren korrigierenden oder disziplinarischen Maßnahmen nicht mehr verwiesen werden".

64

Aus dieser Regelung ergibt sich ein Verwertungsverbot. Darin besteht der objektive Erklärungswert der eben zitierten Regelungen. Es ist anerkanntes Recht, dass sich ein Arbeitgeber im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes selbst binden kann. Eine derartige Eigenbindung ist der Arbeitgeber des Klägers vorliegend eingegangen. In der zitierten Dienstvorschrift ist festgelegt, wie auf bestimmte Pflichtverstöße des Arbeitnehmers zu reagieren ist. Die US-Streitkräfte müssen sich deswegen im konkreten Fall an das in der Dienstvorschrift 36-702 (G) festgelegte Verfahren halten. Sie dürfen auf frühere, aus der Personalakte entfernte Abmahnungen "nicht mehr verweisen", - dies bedeutet, dass diese (entfernten) Abmahnungen und ein früher abgemahntes Verhalten des Klägers nicht zur Stützung der Begründung der streitgegenständlichen Kündigungen herangezogen werden können.

65

Folglich ist der Fall des Klägers so zu beurteilen, als sei dieser am 11.03.2008 noch nicht abgemahnt gewesen. Dies führt weiter zu folgenden Erwägungen:

66

dd) Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Absolute Kündigungsgründe, die unabhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles die Kündigung unbedingt rechtfertigen könnten, sind im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB nicht anzuerkennen.

67

Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt und eine Unzumutbarkeit des Arbeitgebers gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist zu verneinen, wenn es zumutbare geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Einer der Gründe, die nach Gesetz (§ 314 Abs. 2 S. 2 und § 323 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB) und Rechtsprechung eine Abmahnung entbehrlich machen können, ist vorliegend nicht gegeben. Zwar kann eine vorherige Abmahnung ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Ein derartiger oder ein damit vergleichbarer Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Abgestellt auf den Zeitpunkt des jeweiligen Kündigungsausspruchs war hier zu erwarten, dass (bereits) eine Abmahnung beim Kläger den gewünschten Erfolg haben würde, - nämlich sowohl eine Änderung des Verhaltens als auch eine Wiederherstellung des beiderseitigen Vertrauens herbeizuführen. Bei dem hier in Rede stehenden Verhalten des Klägers, das die Beklagte im Prozess beanstandet hat, handelt es sich unstreitig um ein steuerbares Verhalten des Klägers. Soweit die Beklagte das Vertrauen des Arbeitgebers zum Kläger als beeinträchtigt ansieht, übersieht sie, dass auch gestörtes Vertrauen wieder gewonnen werden kann. Dies ist gerade durch den Ausspruch einer Abmahnung möglich. Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte die Kündigung damit begründet, die Kündigung sei zum Schutz von Kunden und Mitarbeitern sowie zwecks Vermeidung eines "Imageverlustes" und von Absatzrückgängen notwendig gewesen. (Auch) diesen Gesichtspunkten wird bereits durch den Ausspruch einer Abmahnung ausreichend Rechnung getragen. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätten es die US-Streitkräfte demgemäß bei einer Abmahnung bewenden lassen müssen. Die davon abweichende Einschätzung der Beklagten teilt die Berufungskammer nicht.

68

Damit erweist sich die außerordentliche Kündigung als rechtsunwirksam.

69

b) Dahingestellt bleiben kann, ob die Kündigung gemäß § 174 S. 1 BGB unwirksam ist. (Auch) die weiteren Unwirksamkeitsgründe, auf die sich der Kläger berufen hat, können auf sich beruhen.

70

2. Die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.09.2008 beendet. Das Verhalten des Klägers vom 11.03.2008 bedingt die Kündigung noch nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.

71

a) Zwar sind nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Rechtfertigung einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung geringere Anforderungen zu stellen als an eine außerordentliche Kündigung. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht (schuldhaft) verletzt,

72

- das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird,

- eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und

- die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint.

73

Dabei spielt vor allem (auch) die Qualität der Vertragsverletzung eine erhebliche Rolle.

74

Gemessen daran ist der von der Beklagten vorgetragene Kündigungssachverhalt - seine tatsächliche Richtigkeit unterstellt - an sich geeignet, die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 sozial zu rechtfertigen.

75

b) Allerdings ist auch im Rahmen des § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 KSchG der bereits oben ( bei Ziffer II. 1. a) dd)) erwähnte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das daraus resultierende Abmahnungserfordernis zu berücksichtigen. Da sich die Beklagte aus den bereits oben erörterten Gründen, die hier entsprechend gelten und auf die deswegen verwiesen wird, nicht mit Erfolg darauf berufen kann, der Kläger sei bereits erfolglos einschlägig abgemahnt worden, ist der Arbeitgeber des Klägers darauf zu verweisen, den Kläger vor Ausspruch einer ordentlichen Beendigungs-Kündigung (erneut) abzumahnen. Das von der Beklagten vorgetragene Verhalten des Klägers wiegt noch nicht so schwer, dass in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die ordentliche Kündigung billigenswert und angemessen erscheinen würde. Mit Rücksicht auf die mehrjährige, bereits seit dem Jahre 1997 bestehende Betriebszugehörigkeit und die finanziellen Folgen des Verlustes des Arbeitsplatzes (Wegfall der für den eigenen Unterhalt und [zumindest] teilweise auch für den Unterhalt seiner Ehefrau notwendigen Einkünfte) überwiegt das Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, das Beendigungs-Interesse der US-Streitkräfte.

76

c) Ob die weiteren Gründe, auf die sich der Kläger berufen hat, um die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung darzutun, zutreffen, kann dahingestellt bleiben. Allerdings spricht einiges dafür, dass der Kläger von einem ihm unter Umständen (in Bezug auf die ordentliche Kündigung) zustehenden Zurückweisungsrecht gemäß § 174 S. 1 BGB nicht unverzüglich im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist in tatsächlicher Hinsicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO festzustellen, dass dem Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 nicht erst am 12.04.2008 zugegangen ist. Zwar hat der Kläger diesen Zugangszeitpunkt auf Seite 2 - oben - der Klageerweiterung vom 14.04.2008 (= Bl. 12 d.A.) behauptet, - ohne freilich näheres dazu vorzutragen. Demgegenüber hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung (dort S. 7 = Bl. 25 d.A.) unter Vorlage einer Kopie des Kündigungsschreibens vom 03.04.2008 mit "Zustellungsvermerk" (Bl. 55 d.A.) dargetan, dass dem Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 am gleichen Tage (03.04.2008) zugegangen sei. Mit diesem Vortrag der Beklagten, den diese auf Seite 2 - oben - der Berufungsbegründung vom 24.11.2008 (= Bl 106 d.A.) wiederholt hat, hat sich der Kläger im weiteren Verlaufe des Rechtsstreites nicht, auch nicht im Berufungsverfahren, näher auseinandergesetzt. Er hat insoweit lediglich die Rechtsbehauptung aufgestellt, beide Kündigungen seien "unverzüglich" zurückgewiesen worden. Eine substantiierte Einlassung des Klägers zu dem von der Beklagten behaupteten Zugangszeitpunkt der ordentlichen Kündigung (03.04.2008) fehlt. Dies führt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO dazu, dass der Zugangszeitpunkt "03.04.2008" als unstreitig anzusehen ist (vgl. dazu auch den Hinweis des Vorsitzenden gemäß S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 -).

77

3. Dem Auflösungsantrag der Beklagten war nicht stattzugeben.

78

Den Auflösungsantrag stellt die Beklagte für den Arbeitgeber in Bezug auf die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008, die zum 30.09.2008 erklärt wurde. Dies ergibt sich aus der im Berufungsverhandlungstermin erfolgten modifizierten Antragstellung der Beklagten. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers setzt gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Es ist anerkanntes Recht, dass - je nach Lage des Falles - auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen kann. Dies soll sogar auch für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten gelten können, - jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert (BAG v. 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 -). An sich ist ein Verhalten dritter Personen als Grund für den Auflösungsantrag des Arbeitgebers nur dann geeignet, wenn (gerade) der gekündigte Arbeitnehmer dieses Verhalten durch eigenes Tun entscheidend veranlasst hat und es ihm so zuzurechnen ist. Davon ausgehend und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 KSchG hält es die Berufungskammer im Anschluss an die Ausführungen von Spilger/KR-Gemeinschaftskommentar 8. Auflage KSchG § 9 Rz 56 S. 537 für zutreffend, dass das Verhalten des Prozessbevollmächtigten als Auflösungsgrund nur dann in Betracht kommt, wenn es der Arbeitnehmer veranlasst hat. Das Vorbringen der (auch) in diesem Zusammenhang darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten lässt nicht erkennen, dass die Äußerungen, die der Rechtsanwalt des Klägers im Termin vom 14.08.2008 getätigt haben soll (Rassismus-Vorwurf in Bezug auf den damaligen Personalreferenten Dr. B.) vom Kläger veranlasst worden sind. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich. Ein Arbeitnehmer, der - wie der Kläger - wegen der Inanspruchnahme von Kündigungsschutz einen Rechtsanwalt, also ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt, gibt dadurch zu erkennen, dass er von seinem Recht, einen Kündigungsschutzprozess einzuleiten und durchzuführen, in rechtmäßiger und auch im übrigen ordnungsgemäßer Weise Gebrauch machen will. Mit verbalen Entgleisungen oder gar grob-beleidigenden Äußerungen seines Rechtsanwaltes (Prozessbevollmächtigten) muss der Arbeitnehmer, - gerade weil es sich bei einem Rechtsanwalt um ein Organ der Rechtspflege handelt -, nicht rechnen. Davon ist auch im Falle des Klägers auszugehen: der Kläger musste mit dem (von der Beklagten behaupteten) Fehlverhalten seines Anwaltes keineswegs rechnen. Sollte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt G., im Termin vom 14.08.2008 tatsächlich so fehlverhalten haben, wie dies die Beklagte behauptet, ergibt sich daraus im konkreten Fall nicht, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den US-Streitkräften und dem Kläger nicht erwartet werden könnte. Hat der Kläger, was hiermit festgestellt wird, die behaupteten Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten nicht veranlasst, so bestand für ihn auch keine Veranlassung, sich nachträglich hiervon zu distanzieren. Dies gilt umso mehr, als fraglich ist, ob der Kläger die fraglichen Äußerungen überhaupt verstanden hat. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 26.01.2009 angezeigt, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei (Bl. 163 d.A.). Die Beklagte legt im Schriftsatz vom 26.01.2009 nicht dar, dass der Kläger die von ihr behaupteten beleidigenden Äußerungen des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt G. verstanden habe.

79

Unter den gegebenen Umständen kann weiter nicht davon ausgegangen werden - auch solches hat die Beklagte nicht behauptet -, dass sich der Kläger die beleidigenden Äußerungen zu eigen gemacht hat.

80

Dahingestellt bleiben kann, wie es sich auswirkt, dass Dr. B. jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung vom 03.02.2009 dienstlich nicht mehr mit arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, also auch nicht mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers, befasst ist. Dr. B. ist derzeit unstreitig als Öffentlichkeits- bzw. Pressereferent tätig. Bei der faktischen Durchführung des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger wohl ohnehin - sieht man einmal von der Marktleiterin T. ab - mit keinem weiteren, höheren Amtsträger der Dienststelle D.C. EU bzw. der US-Streitkräfte zu tun (vgl. dazu das Vorbringen der Beklagten auf S. 6 der Klageerwiderung = Bl. 24 d.A.).

81

Vorliegend lässt sich eine Verantwortlichkeit des Klägers für das von der Beklagten behauptete Verhalten seines Prozessbevollmächtigten im Termin vom 14.08.2008 nicht begründen. Desweiteren ist nicht ersichtlich, dass der Kläger eine realistische Möglichkeit gehabt haben könnte, das von der Beklagten behauptete Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zu beeinflussen. Damit ist der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 26.01.2009 nicht geeignet, den Auflösungsantrag zu begründen. Ob die dortige Begründung überhaupt in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 14.08.2008 (Bl. 78 f. d.A.) enthält diesbezügliche Feststellungen nicht, - der Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst hat das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten im Berufungsverhandlungstermin gemäß Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 in Abrede gestellt.

III.

82

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte tragen.

83

Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 42 Abs. 4 S. 1 GKG festgesetzt.

84

Hinsichtlich der Zurückweisung des Auflösungsantrages ist die Revision zugelassen worden (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG). Im übrigen ist die Zulassung der Revision nicht veranlasst. Soweit die Revision nicht zugelassen wurde, kann die Beklagte dagegen nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und unter den dort genannten Voraussetzungen Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach, 99113 Erfurt, Telefaxnummer: 0361/26 36 - 2000 einlegen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Februar 2009 - 3 Sa 643/08 - aufgehoben, soweit es den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen hat.

In diesem Umfang wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Dabei steht die Rechtsfrage im Vordergrund, inwieweit als Auflösungsgrund zu Lasten des Arbeitnehmers das Prozessverhalten seines Prozessbevollmächtigten berücksichtigt werden darf.

2

Der 1961 in Nigeria geborene Kläger trat 1997 in die Dienste der US-Streitkräfte in Deutschland und arbeitete zuletzt als Ladengehilfe in einem Supermarkt der „Defense Commissary Agency“ (DCA). Diese ist eine Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die weltweit Lebensmittelgeschäfte für US-Soldaten und deren Angehörige unterhält.

3

Mit Schreiben vom 25. März 2008 kündigten die Streitkräfte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und mit Schreiben vom 3. April 2008 ordentlich zum 30. September 2008. Die Unwirksamkeit beider Kündigungen steht aufgrund des insoweit rechtskräftigen Urteils des Landesarbeitsgerichts fest.

4

Im Streit ist noch der von der - in Prozessstandschaft handelnden - Beklagten erstmals im Berufungsverfahren gestellte Auflösungsantrag. Zu dessen Begründung hat die Beklagte vorgetragen, der Prozessbevollmächtigte des Klägers habe dem seinerzeit zuständigen Personalreferenten der US-Streitkräfte im Verlauf des Kündigungsschutzprozesses vorgeworfen, er sei ein Rassist. Er baue unter fadenscheinigen Gründen Fälle auf, um Schwarzafrikanern innerhalb der Streitkräfte kündigen zu können. Der Ausspruch der Kündigung liege allein an der „rassistischen Vorurteilsstruktur“ des Personalreferenten. Dieser Vorwurf berühre, so die Beklagte, das Selbstverständnis der US-Streitkräfte, die rassistische Verhaltensmuster von Beschäftigten mit Nachdruck verfolgten. Mit dem Kläger, der sich von den Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten, die er durchaus habe verstehen und würdigen können, nicht distanziert habe, sei eine gedeihliche Zusammenarbeit in Zukunft nicht mehr möglich.

5

Die Beklagte hat beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt werde, aber 12.000,00 Euro nicht überschreiten sollte, zum 30. September 2008 aufzulösen.

6

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag abzuweisen. Er hat bestritten, dass sein Prozessbevollmächtigter die fraglichen Äußerungen über den Personalreferenten abgegeben hat.

7

Das Landesarbeitsgericht hat den Auflösungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist begründet. Mit der von ihm gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Auflösungsantrag nicht zurückweisen (I.). Ob der Antrag begründet ist, kann der Senat mangels entsprechender Tatsachenfeststellungen nicht selbst entscheiden (II. und III.).

9

I. Ein Auflösungsgrund für den Arbeitgeber nach § 9 KSchG kann auch in einem Verhalten seines Prozessbevollmächtigten liegen, das der Arbeitnehmer nicht veranlasst hat. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts findet im Gesetz keine Stütze.

10

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Die nach Auffassung des Arbeitgebers maßgeblichen Gründe sind von ihm im Prozess vorzutragen und - falls bestritten - zu beweisen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzgebers nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz nicht fremd (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

11

a) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 23 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Der Auflösungsantrag ist trotz seiner nach § 9 Abs. 2 KSchG gesetzlich angeordneten Rückwirkung auf den Kündigungszeitpunkt in die Zukunft gerichtet. Das Gericht hat eine Vorausschau anzustellen.

12

b) Als Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG kommen solche Umstände in Betracht, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Es kommt darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 15 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen.

13

Auch das Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 45 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163; v. Hoyningen-Huene/Linck KSchG 14. Aufl. § 9 Rn. 73; Löwisch/Spinner KSchG 9. Aufl. § 9 Rn. 59; HWK/Thies 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21; HaKo/Fiebig Kündigungsschutzrecht 3. Aufl. § 9 Rn. 68; TLL/Arnold KSchG § 9 Rn. 37; ErfK/Kiel 10. Aufl. § 9 KSchG Rn. 14). Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können (Senat 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 31 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 45 mwN, aaO).

14

c) Die vom Landesarbeitsgericht vertretene und auch in der arbeitsrechtlichen Literatur gelegentlich geäußerte Auffassung, nur ein vom Arbeitnehmer veranlasstes Verhalten seines Prozessbevollmächtigten könne als Auflösungsgrund herangezogen werden (vgl. APS/Biebl 3. Aufl. § 9 KSchG Rn. 66; KR/Spilger 9. Aufl. § 9 KSchG Rn. 56; KDZ/Zwanziger 7. Aufl. § 9 KSchG Rn. 21; wohl auch MünchKommBGB/Hergenröder 5. Aufl. § 9 KSchG Rn. 51), stimmt nicht ausreichend mit den gesetzlichen Vorgaben überein.

15

aa) Die Auffassung beruht offenbar auf dem Gedanken, den Arbeitnehmer dürfe ein Rechtsnachteil - Verlust des Arbeitsplatzes - grundsätzlich nur dann treffen, wenn er selbst hierzu bewusst eine Ursache gesetzt habe. Das trifft jedoch schon für die Regelung des Gesetzes über die Kündigungsgründe nicht zu. Bei betriebsbedingten Kündigungen liegt der Kündigungsgrund in aller Regel außerhalb des Einflussbereichs des Arbeitnehmers. Dasselbe kann auch bei personenbedingten Kündigungen der Fall sein. Damit kann es auch bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Arbeitnehmer den Fortfall der Vertrauensgrundlage selbst verursacht hat.

16

bb) Allerdings ist sorgfältig zu prüfen, ob das jeweils konkrete Verhalten Dritter geeignet ist, die Vertrauensgrundlage für weitere Zusammenarbeit der Vertragsparteien entfallen zu lassen. Das ist im Allgemeinen nur dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer dieses Verhalten entscheidend veranlasst hat (Senat 14. Mai 1987 - 2 AZR 294/86 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 18 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 20). Beim Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers ist dies deshalb anders, weil der Arbeitnehmer sich seiner im Verhältnis zum Arbeitgeber bewusst bedient und Prozessverhalten des Bevollmächtigten dem Arbeitnehmer schon wegen des § 85 ZPO zugerechnet wird. Prozessvortrag des Bevollmächtigten gilt von vornherein als Vortrag der Partei. Tatsächliche Erklärungen des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung sind für die miterschienene Partei „verpflichtend“, wenn sie die Erklärungen nicht sofort widerruft oder berichtigt (§ 85 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Diese gesetzliche Regelung steht der Annahme entgegen, Prozessvortrag des Arbeitnehmers könne nur dann als Auflösungsgrund berücksichtigt werden, wenn der Arbeitgeber nachweise, dass ein bestimmter - etwa beleidigender - Teil des Prozessvortrags vom Arbeitnehmer entscheidend veranlasst worden sei. Da es um das persönliche Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber geht, kann dies auch dadurch belastet werden, dass ein Arbeitnehmer sich seines Bevollmächtigten im Prozess bedient, um den Arbeitgeber durch unfaire und herabsetzende Erklärungen anzugreifen und sich gleichzeitig hinter ihm zu verstecken. Es kommt deshalb darauf an, ob der Arbeitnehmer sich die betreffenden Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten zu eigen gemacht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert hat.

17

2. An diesen Vorgaben gemessen trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht das von ihm gefundene rechtliche Ergebnis, es fehle an einem Auflösungsgrund. Das Landesarbeitsgericht hat sich mit der Feststellung begnügt, der Kläger habe die Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten nicht veranlasst. Dies entspricht nicht dem gesetzlichen Maßstab.

18

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich bei Anwendung der oben genannten Grundsätze auf den Sachverhalt nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die von der Beklagten behaupteten Tatsachen scheiden nicht von vornherein als Auflösungsgründe aus. Der Vorwurf, die Kündigungsentscheidung beruhe auf rassistischen Motiven und es sei dem Personalreferenten nur darum gegangen, Schwarzafrikanern kündigen zu können, kann als beleidigend und gerade angesichts der Personalstruktur bei den US-Streitkräften als schwere Beeinträchtigung der Vertrauensgrundlage angesehen werden. Es steht freilich nicht fest, dass der Kläger sich die Äußerung zu eigen gemacht und sich von ihr nicht distanziert hätte.

19

III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers die von der Beklagten behaupteten Äußerungen getan hat. Ebenso ist streitig, ob der Kläger die Äußerungen überhaupt verstanden hat. Keinerlei Feststellungen sind zu der Frage getroffen, wie sich der Kläger, wenn er die Äußerungen verstand, hierzu verhalten hat. Ebenso kommt in Betracht, dass
durch die zwischenzeitlich erfolgte Versetzung des Personalreferenten die etwa beeinträchtigte Vertrauensgrundlage wieder hergestellt ist. Zu beachten sein wird auch, ob und inwieweit die Erschütterung der Vertrauensgrundlage sich auf das Austauschverhältnis auswirkt oder auszuwirken droht.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Torsten Falke    

        

    Bartz    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.08.2008 - Az: 2 Ca 438/08 - wird kostenpflichtig - unter Zurückweisung des Auflösungsantrages - zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen, soweit der Auflösungsantrag zurückgewiesen wurde, - im übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

1

Der am … 1961 in Lagos/Nigeria geborene Kläger ist verheiratet (- der Kläger macht geltend, dass er Vater dreier Kinder sei, für die er aufkommen müsse; von Arbeitgeberseite wurde dagegen in den Benachrichtigungsschreiben vom 17.03.2008, Bl. 33 und 41 d.A., gegenüber der Betriebsvertretung angegeben, dass der Kläger verheiratet "ohne weitere unterhaltsberechtigte Personen" sei -).

2

Der Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei den US-Streitkräften beschäftigt (- vgl. dazu den "E. C." vom 10.12.1996, Bl. 210 d.A.). Zuletzt arbeitete der Kläger als Ladengehilfe in dem D.C.-Supermarkt V. ("U. 0000"). Bei einer Eingruppierung in die Gehaltsgruppe T 3/7 belief sich das Grundentgelt auf monatlich 1.995,88 EUR brutto und das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt durchschnittlich auf ca. 2.500,00 EUR brutto.

3

Die D.C. (D. C. A.) ist eine Behörde des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die weltweit Lebensmittelgeschäfte (Supermärkte) für US-Soldaten und deren Angehörige unterhält (eine der Abteilungen der D.C. ist die D.C. Europe; vgl. zur Einordnung der D.C.: BAG v. 09.02.1993 - 1 ABR 33/92 - und LAG Rheinland-Pfalz vom 10.11.1994 - 9 TaBV 30/94 -). Es existiert die "Instruction" (folgend: Dienstvorschrift) 36-702 (G) vom 11.08.2006 (Bl. 46 ff. d.A.). Dort heißt es u.a. auf Seite 1:

4

"… Sie [- gemeint: die Dienstvorschrift -] gilt für alle nicht-amerikanischen Zivilbeschäftigten der U.S.-Streitkräfte und Einrichtungen des U.S.-Verteidigungsministeriums, die von einem Zivilpersonalbüro (CPF) der US-Luftwaffe verwaltet und deren Beschäftigungsbedingungen durch den Tarifvertrag (TVAL II) oder einen daran angelehnten Einzelarbeitsvertrag geregelt werden …".

5

In dieser Dienstvorschrift 36-702 (G) sind u.a. Regelungen enthalten über "Zuständigkeiten und Vollmachten" (s. dazu insbesondere die Regelungen unter Ziffer 3., 3.3.6), "disziplinarische Maßnahmen" (Regelungen unter Ziffer 6. ff. und über Abmahnungen, s. dazu insbesondere Ziffer 7.4.2 (= Bl. 53 d.A.).

6

Der Arbeitgeber wirft - nach näherer Maßgabe des schriftsätzlichen Vortrages der Beklagten - dem Kläger vor,

7

am 11.03.2008 im Supermarkt V. die Kundin A. M. A. sexuell angegriffen zu haben. Der Kläger habe in aggressiver Weise die Hand der Kundin gepackt und folgende Bemerkung gemacht:

8

"Ich möchte einfach diesen mmmh klatschen".

9

Dabei habe der Kläger für "klatschen" das Wort "spanking" verwandt ("schlagen, insbesondere mit offener Handfläche auf die Gesäßbacken schlagen"). Die Kundin habe ihre Hand losgerissen und den Kläger gefragt, ob er verrückt geworden sei. Der Kläger habe auf diesen Vorhalt nicht reagiert, sondern bemerkt: "Ich möchte Dich klatschen und dann möchte ich, dass Dein Ehemann kommt und mich fragt, warum ich Dich geklatscht habe".

10

Die Beklagte verweist auf die von den US-Streitkräften aufgenommene Aussage der A. M. A. vom 11.03.2008 (Bl. 26 f. d.A.).

11

Am 14.03.2008 wurde der Kläger (von den US-Streitkräften) vernommen (s. dazu die Übersetzung der Aussage Bl. 28 d.A.).

12

Innerbetrieblich bzw. von den US-Streitkräften weiter vernommen wurden u.a.:

13

- die C. T., Marktleiterin des Supermarktes, und

- der G. W., Abteilungsleiter.

14

Mit dem Schreiben vom 25.03.2008 (Bl. 6 d.A.) wurde dem Kläger außerordentlich gekündigt, weil er am 11.03.2008 eine Kundin sexuell belästigt habe. Weiter heißt es im Kündigungsschreiben u.a.:

15

"Diese Kündigung tritt mit sofortiger Wirkung, d.h. zum 26.03.2008 in Kraft".

16

Das Kündigungsschreiben ist von der Marktleiterin C.T. unterzeichnet. Dem Kündigungsschreiben beigefügt war die Anlage "Kündigungsbevollmächtigung (USA FE I 36-02 G 11.08.2006)" (vgl. dazu Bl. 211 d.A.).

17

Mit dem Anwaltsschreiben vom 01.04.2008 (Bl. 7 f. d.A.) wies der Kläger die Kündigung vom 25.03.2008 gegenüber der D.C. Europe Frau C.T. U. 0000 … mit der Begründung zurück,

18

"da Sie ihre Berechtigung zum Ausspruch von Kündigungserklärungen für die US-Streitkräfte nicht in der erforderlichen Art nachgewiesen haben".

19

Mit dem Schreiben vom 03.04.2008 (Bl. 13 d.A.) wurde dem Kläger wegen des Vorfalls vom 11.03.2008 (vorsorglich) ordentlich zum 30.09.2008 gekündigt. (Auch) diese Kündigung ist von der Marktleiterin C.T. unterzeichnet. Der Kündigung war die (bereits erwähnte) Anlage "Kündigungsbevollmächtigung …" (vgl. Bl. 211 d.A.) beigefügt. Mit dem Anwaltsschreiben vom 14.04.2008 (Bl. 14 f. d.A.) wies der Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 gegenüber der D.C. Europe Frau C.T. U. 0000 … mit der Begründung zurück,

20

"da Sie Ihre vermeintliche Berechtigung zum Ausspruch von Kündigungserklärungen für die US-Streitkräfte nach wie vor bzw. wiederholt nicht in der erforderlichen Art nachgewiesen haben".

21

Die, gegen die Kündigung vom 25.03.2008 gerichtete Klageschrift vom 01.04.2008 ist der Beklagten am 08.04.2008 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 9 d. A.). Die gegen die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 gerichtete Klageerweiterung vom 14.04.2008 ist der Beklagten am 16.04.2008 zugestellt worden (Empfangsbekenntnis Bl. 16 d.A.).

22

Der Kläger bestreitet, die Kundin A. belästigt zu haben. Außerdem bestreitet er, dass die Betriebsvertretung jeweils ordnungsgemäß angehört worden sei.

23

Im Zusammenhang mit ihrem Vortrag zur Beteiligung der Betriebsvertretung hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung hat sich die Beklagte u.a. auf folgende Unterlagen bezogen:

24

- die Benachrichtigung der D.C. EU/HR ("über eine beabsichtigte Personalmaßnahme") vom 14.03.2008 (Bl. 33 d.A.; nebst "Empfangsbestätigung durch Betriebsvertretung" vom 17.03.2008; unterzeichnet ist das Benachrichtigungsschreiben von W.K., dem Leiter des "Non-US-Personalwesens" (Zivilpersonalbüro der US-Luftstreitkräfte);

25

- die so bezeichnete "Anlage zu USAFE Formular 179 # 17/2008" (Bl. 34 f. d.A.; diese "Anlage" erwähnt weitere 6 Anlagen), - (s. dazu Bl. 36 ff. d.A.) und

26

- das Schreiben der örtlichen Betriebsvertretung ("UNIT 3060") vom 20.03.2008 an M. C., stellvertretende Direktorin (Personalwesen) Defense Commissary Agency European Region … (das Schreiben der Betriebsvertretung vom 20.03.2008 ist von dem stellvertretenden Vorsitzenden H. M. unterzeichnet).

27

Im Zusammenhang mit ihrem Vortrag zur Beteiligung der Betriebsvertretung hinsichtlich der ordentlichen Kündigung hat sich die Beklagte u.a. auf folgende Unterlagen bezogen:

28

- die Benachrichtigung der D.C. EU/HR ("über eine beabsichtigte Personalmaßnahme") vom 14.03.2008 (Bl. 41 d.A.; (nebst "Empfangsbestätigung durch Betriebsvertretung" vom 17.03.2008; auch dieses Benachrichtigungsschreiben ist von dem W.K. unterzeichnet);

29

- die "Anlage zu USAFE Formular 179 # 18/2008" (Bl. 42 f. d.A.; diese "Anlage" erwähnt weitere 6 Anlagen) und

30

- das Schreiben der örtlichen Betriebsvertretung ("Unit 3060") vom 20.03.2008 (Bl. 44 d.A.) an die M. C., stellvertretende Direktorin (Personalwesen) Defense Commissary Agency, European Region … (das Schreiben der Betriebsvertretung vom 20.03.2008 ist von dem stellvertretenden Vorsitzenden H. M. unterzeichnet).

31

Über die mündliche Verhandlung vor der 2. Kammer des Arbeitsgerichts Kaiserslautern verhält sich die Sitzungsniederschrift vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - (dort S. 1 ff. = Bl. 78 ff. d.A.).

32

Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - dort S. 2 ff. = Bl. 85 ff. d.A.. Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis weder durch die Kündigung vom 25.03.2008, noch durch die Kündigung vom 03.04.2008 aufgelöst worden ist. Die außerordentliche Kündigung hat das Arbeitsgericht gemäß § 174 BGB für unwirksam erachtet. Die ordentliche Kündigung - so das Arbeitsgericht - sei sozial ungerechtfertigt gemäß § 1 KSchG.

33

Gegen das ihr am 23.09.2008 zugestellte Urteil vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - hat die Beklagte am 20.10.2008 Berufung eingelegt und diese am 24.11.2008 (Montag) mit dem Schriftsatz vom 24.11.2008 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 24.11.2008 (Bl. 105 ff. d.A.) verwiesen. Nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist äußert sich die Beklagte weiter im Schriftsatz vom 26.01.2009 (Bl. 169 ff. d.A.), worauf ebenfalls verwiesen wird.

34

Soweit es um die außerordentliche Kündigung geht, beruft sich die Beklagte insbesondere darauf, dass vorliegend eine Zurückweisung der Kündigung nach § 174 S. 2 BGB ausgeschlossen gewesen sei. Hier liege eine Inkenntnissetzung über die Vertretungsberechtigung vor. Von der Bevollmächtigung der Marktleiterin T. sei der Kläger zum einen allgemein durch die Dienstvorschrift (36-702 G), zum anderen ausdrücklich durch die Beifügung einiger Auszüge der Dienstvorschrift im Rahmen des Kündigungsschreibens informiert gewesen. Aus den von ihr - auf Seite 6 (unten) der Berufungsbegründung (= Bl. 110 d. A.) genannten - Gründen sei klar, dass es sich bei der Unterzeichnerin der Kündigung um eine Vorgesetzte einer höheren Ebene handeln müsse.

35

Hinsichtlich des Kündigungsgrundes gehe das Arbeitsgericht - so argumentiert die Beklagte weiter - zutreffend davon aus, dass der Kläger eine sexuelle Belästigung begangen habe. Das Zusammenspiel zwischen den Blicken und den Äußerungen des Klägers, er möchte den mmmh der Kundin klatschen, verletze die Kundin in ihrer Menschenwürde. Diese werde zu einem Begierdeobjekt des Klägers degradiert. Die Beklagte verweist auf die (innerbetrieblich aufgenommene) Zeugenaussage der Kundin. Die Beklagte wirft dem Arbeitsgericht vor, dass in den (innerbetrieblichen) Zeugenaussagen vermerkt gewesen sei, dass bereits zwei Vorfälle wegen sexueller Belästigung in der Personalakte des Klägers dokumentiert gewesen seien. Der Kläger habe (aber), obwohl bereits vorgewarnt, entsprechende Verhaltensmuster nicht abgestellt. Der Kläger habe eine besondere kriminelle Energie aufgewandt. Der Kläger habe es am 11.03.2008 ausgenutzt, dass die Kundin am Tiefkühlregal gestanden habe, sich nicht bewegt habe und der Kläger sich ihr unbemerkt habe annähern können. Der Kläger - so bringt die Beklagte weiter vor - habe die natürliche Distanzbeziehung zwischen fremden Menschen gebrochen und sei in den Nahbereich seines Opfers eingedrungen. Bei diesem Eindringen seien zudem die Blicke, die der Kläger auf die Kundin geworfen habe ("anstarren", "wie ein Stück Fleisch"), zu berücksichtigen. Die Grenze, dass lediglich Worte sexuellen Inhalts gefallen seien, sei überschritten. Der Kläger habe Handlungen sexuellen Inhaltes begangen. Solche unsittliche Handlungen könne ein Arbeitgeber gegenüber seinen Kunden nicht tolerieren. Das Arbeitsgericht habe ferner vergessen zu würdigen, dass der Kläger die gesagte Aussage nicht nur einmal getätigt habe. Spätestens beim zweiten Mal hätte dem Kläger unzweifelhaft klar sein müssen, dass die Kundin sein Verhalten in keiner Weise toleriere. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger sich ein vermeintlich schwaches Opfer ausgesucht habe. Die Beklagte weist darauf hin, dass die Kundin zum damaligen Zeitpunkt quasi allein erziehende Mutter von zwei Kindern war, da sich ihr Ehemann an der Front befand. Diese mit Angst verbundene Trennung habe der Kläger vorliegend ausgespielt.

36

Auch das Verhalten des Klägers nach Ausspruch der Kündigung zeigt nach Ansicht der Beklagten, dass eine Abmahnung als milderes Mittel nicht den gleichen, dauerhaften Schutz von Kunden und Mitarbeiterinnen gehabt hätte. Der Vortrag des Klägers, das er ein "tadelloses" Beschäftigungsverhältnis aufzuweisen habe, sei unzutreffend. Die Beklagte verweist auf einschlägige Abmahnungen, die "durch Zeitablauf herauszunehmen" gewesen seien. Mit der Äußerung "nicht noch einmal, nicht noch einmal" habe der Kläger selbst eingestanden, dass es bereits in der Vergangenheit Vorfälle gegeben habe. Die Beklagte verweist darauf, dass sich der Kläger bei der Kundin nicht entschuldigt hat. Der Kläger habe lediglich zunächst gesagt, er habe es "nicht so gemeint". Erst später habe er den Sachverhalt gesamthaft abgestritten. Auch hierdurch werde es der Arbeitgeberin unzumutbar, den Kläger weiterhin zu beschäftigen. Die Arbeitgeberin müsse damit rechnen, dass die Kundin, sollte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fortgesetzt werden, ihre Vertragsbeziehung zum Supermarkt beende. Zudem seien die Befindlichkeiten des Opfers sowie der weiteren Kunden zu berücksichtigen. Nach näherer Maßgabe des weiteren Vorbringens der Beklagten besteht bei amerikanischen Kunden eine deutlich stärkere Sensibilisierung als dies bei deutschen Verbrauchern üblich sein möge. Vor diesem Hintergrund würden die Interessen der US-Arbeitgeberin, das Arbeitsverhältnis zu beenden, um die Kunden und Mitarbeiter vor weiteren sexuellen Belästigungen des Klägers zu schützen gegenüber dem Fortbestandsinteresse des Klägers überwiegen. Weitere Ausführungen zur Rechtfertigung der Kündigung(en) enthalten die Seiten 5 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (Bl. 173 f. d.A.).

37

Wegen der Beteiligung der Betriebsvertretung verweist die Beklagte auf ihren Schriftsatz vom 27.05.2008 nebst Anlagen (Bl. 19 ff. d.A.) und führt dazu auf den Seiten 7 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (Bl. 175 f. d.A.) weiter aus.

38

Zur Wahrung der Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB äußert sich die Beklagte so wie dies aus Seite 10 der Berufungsbegründung (dort unter Ziffer V. = Bl. 114 d.A.) und aus den Seiten 6 f. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (= Bl. 174 f. d.A.) ersichtlich ist.

39

Zur Begründung des Auflösungsantrages führt die Beklagte aus:

40

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt G., habe dem (damals) zuständigen Personalreferenten Dr. K.B. vorgeworfen, er sei ein "Rassist". Dies sei im Kammertermin vom 14.08.2008 vor dem Arbeitsgericht geschehen. Rechtsanwalt G. habe damals noch geäußert, dass der Personalreferent unter Zuhilfenahme von fadenscheinigen Gründen Fälle aufbaue, um "Schwarzen aus Afrika kündigen zu können". Dass es zum Ausspruch einer Kündigung gekommen sei, liege - so die Äußerung von RA G. - alleine an der "rassistischen Vorurteilsstruktur" des Personalreferenten. Dieser - so RA G. - kündige Arbeitnehmern, auch wenn sie vorbildlich gehandelt hätten und in keiner Weise ihre Arbeitsverträge verletzt hätten, nur weil sie aus Schwarzafrika kämen. Die Beklagte verweist darauf, dass bei den US-Stationierungsstreitkräften als Militärangehörige und im zivilen Gefolge der Truppe im großen Umfang Personen beschäftigt werden, die einer - auch ethnischen - Minderheit angehören. Das US-Militär verfolge rassistische Verhaltensmuster mit Nachdruck. Entsprechend verhalte es sich bei den Zivilbeschäftigten der US-Stationierungsstreitkräfte in Deutschland. Der Vorwurf von Rechtsanwalt G. - so macht die Beklagte geltend -, die US-Stationierungsstreitkräfte würden an maßgeblichen Stellen "Rassisten" beschäftigen, berühre daher das Selbstverständnis dieses Arbeitgebers, so dass eine gedeihliche Zusammenarbeit für die Zukunft nicht mehr zu erwarten sei. Wegen der weiteren Begründung des Auflösungsantrages wird auf die Seiten 1 ff. des Schriftsatzes vom 26.01.2009 (= Bl. 169 ff. d.A.) verwiesen.

41

Die Beklagte beantragt,

42

1. das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 14.08.2008 - 2 Ca 438/08 - abzuändern und die Klage abzuweisen;

43

2. -hilfsweise -, das Arbeitsverhältnis des Klägers gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, aber EUR 12.000,00 nicht überschreiten sollte, zum 30.09.2008 aufzulösen.

44

Der Kläger beantragt,

45

die Berufung unter Zurückweisung des Auflösungsantrages zurückzuweisen.

46

Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts gegen die Berufung der Beklagten nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 29.12.2008 (Bl. 158 ff. d.A.), worauf verwiesen wird.

47

Der Kläger führt dort insbesondere dazu aus, dass sich die Unwirksamkeit der beiden Kündigungen bereits aus § 174 S. 1 BGB ergebe. Der Kläger habe keinesfalls Kenntnis von einer etwaigen Kündigungsberechtigung der Marktleiterin T.. Ob diese zum Ausspruch von Kündigungen für die Streitkräfte berechtigt sei, sei dem Kläger "bis zum heutigen Tage" unbekannt. Das "Stück Papier", welches den Kündigungsschreiben beigefügt gewesen sei, habe nicht erkennen lassen, worum es sich hierbei handele und ob es überhaupt noch Gültigkeit besitze. "Das Schreiben" enthalte gerade keine Erklärung, bei welchen Personen es sich um Vorgesetzte der dort genannten Art handele ("Vorgesetzte der ersten oder einer höheren Ebene" im Sinne der Ziffer 3.3 der "Kündigungsbevollmächtigung"). C.T. sei Leiterin eines kleinen Marktes der US-Streitkräfte. Eine Vergleichbarkeit mit Prokuristen, Personalleitern oder vergleichbaren Personen, sei sicherlich nicht gegeben.

48

Weiter führt der Kläger dazu aus (S. 3 f. der Berufungsbeantwortung = Bl. 160 d.A.), dass hinsichtlich der außerordentlichen Kündigung die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt sei. Seine Ehefrau M. C. habe die Kündigung vom 25.03.2008 erst am 28.03.2008 im hauseigenen Briefkasten vorgefunden. Auch fehle es an einem wichtigen Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB. Der Kläger stellt klar, dass er die Kundin A. zu keiner Zeit sexuell oder in sonstiger Weise belästigt habe, - insbesondere habe am 11.03.2008 weder ein Körperkontakt zwischen den Beiden stattgefunden, noch habe der Kläger die von der Beklagtenseite behaupteten Äußerungen getätigt. Der Kläger bestreitet, dass die örtlich zuständige Betriebsvertretung zu den Kündigungen vom 25.03.2008 und vom 03.04.2008 ordnungsgemäß angehört wurde. Die ordentliche Kündigung sei nicht gerechtfertigt im Sinne des § 1 KSchG, da sich der Kläger zu keiner Zeit arbeitsvertragswidrig verhalten habe. Ungeachtet dessen rechtfertige die Sachverhaltsschilderung der Beklagten die Beendigung eines bereits seit über elf Jahren beanstandungsfrei geführten Arbeitsverhältnisses nicht.

49

Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2009 reagiert der Kläger mit dem Schriftsatz vom 03.02.2009 (Bl. 207 d.A.), worauf verwiesen wird.

50

Im Berufungsverhandlungstermin vom 03.02.2009 (s. S. 3 der Sitzungsniederschrift - 3 Sa 643/08 - = Bl. 201 d.A.) hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers erklärt,

51

er habe die im Schriftsatz der Beklagten vom 26.01.2009 behaupteten Äußerungen in Bezug auf Dr. K.B. nicht getätigt, - insbesondere habe er diesen nicht als "Rassisten" bezeichnet.

52

Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt, insbesondere auch auf die Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 - (Bl. 201 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

53

Die Berufung der Beklagten ist an sich statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Die hiernach zulässige Berufung erweist sich als unbegründet. Unbegründet ist auch der Auflösungsantrag.

II.

54

Die Klage ist begründet. Das Arbeitsgericht hat den Kündigungsschutzanträgen des Klägers zu recht stattgegeben. Dazu im einzelnen:

55

1. Die außerordentliche Kündigung vom 25.03.2008 hat das Arbeitsverhältnis nicht beendet.

56

a) Dies ergibt sich aus § 626 Abs. 1 BGB (ähnlich: § 45 TVAL II). Nach näherer Maßgabe von Gesetz und höchstrichterlicher Rechtsprechung kann ein Arbeitsverhältnis außerordentlich (ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist) nur dann rechtswirksam gekündigt werden, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Vorliegend war es dem Arbeitgeber des Klägers zumutbar, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger (zumindest) bis zum 31.08.2008 fortzusetzen. Im Falle einer ordentlichen Kündigung beträgt die einzuhaltende Kündigungsfrist hier fünf Monate zum Monatsschluss (§ 44 Ziff. 1. b) S. 1 TVAL II; unstreitig weist der Kläger eine Beschäftigungszeit von mehr als neun und weniger als zwölf Jahre auf).

57

aa) Belästigt ein Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz eine Kundin seines Arbeitgebers sexuell, so stellt ein derartiges Verhalten einen "an sich" wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB dar. Entsprechendes kann (auch) für ähnlich unzulässige Verhaltensweisen des Arbeitnehmers gelten, die sich noch nicht als sexuelle Belästigung darstellen. Unterstellt man das (- vom Kläger freilich bestrittene -) Vorbringen der Beklagten zum eigentlichen Kündigungssachverhalt (= Verhalten des Klägers vom 11.03.2008 gegenüber der Kundin A.) als zutreffend, liegt hiernach ein an sich zur Rechtfertigung der außerordentlichen Kündigung geeigneter Sachverhalt vor.

58

bb) Diese grundsätzliche Eignung reicht vorliegend letztlich jedoch nicht aus, um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung feststellen zu können. Dies ergibt sich aufgrund der gemäß § 626 Abs. 1 BGB vorgenommenen Interessenabwägung.

59

Mit Rücksicht auf die mehrjährige, bereits seit dem Jahre 1997 bestehende Betriebszugehörigkeit und die schweren (finanziellen) Folgen des sofortigen Verlustes des Arbeitsplatzes, nämlich Wegfall der für den eigenen Unterhalt und (zumindest) teilweise auch für den Unterhalt seiner Ehefrau notwendigen Einkünfte, die Schwierigkeiten bei der Suche einer neuer Arbeitsstelle im Zusammenhang mit dem Alter (des am 06.06.1961 geborenen) Klägers und dem Ansehensverlust, der mit einer außerordentlichen Kündigung verbunden ist, ist dem Arbeitgeber die Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist zumutbar gewesen. Zwar hat der Arbeitgeber des Klägers als Betreiber des Supermarktes (C. V.) ein berechtigtes Interesse daran, dass die Kunden und Beschäftigten des Supermarktes von dem Kläger nicht sexuell oder in anderer Weise unzulässig belästigt werden. Dieses berechtigte Interesse kann der Arbeitgeber des Klägers jedoch auch dann durchsetzen, wenn er dem Kläger nicht außerordentlich kündigt. Dies gilt auch, soweit der Arbeitgeber (US-Streitkräfte) mit der Kündigung der Gefahr eines "Imageverlustes" und von Absatzrückgängen begegnen will. Insoweit ist (jedenfalls) im Rahmen der Interessenabwägung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, wie er z.B. auch in § 12 Abs. 3 AGG zum Ausdruck kommt. Danach hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zu ergreifen. Unterstellt man das tatsächliche Vorbringen der Beklagten zum eigentlichen Kündigungssachverhalt (- wie es insbesondere unter Ziffer II. der Berufungsbegründung, dort S. 2 ff.) und im Schriftsatz vom 26.01.2009 (dort zu Ziff. 4.2. = S. 5 f.) enthalten ist, als richtig, hätte die geeignete, erforderliche und angemessene Reaktion des Arbeitgebers auf das Verhalten des Klägers darin bestehen müssen, den Kläger abzumahnen.

60

cc) In diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der Arbeitgeber den Kläger bereits erfolglos einschlägig abgemahnt habe.

61

(1) Zwar kann aufgrund der, von der Beklagten in Bezug genommenen Übersetzung der Aussage der Marktleiterin C.T. vom 11.03.2008 davon ausgegangen werden, dass der Kläger im Februar 2004 oder 2005 eine weibliche Beschäftigte, die in der Pasta-Bar arbeitete, sexuell belästigt hat (vgl. dazu Bl. 125 ff., 129 d.A., - wobei freilich festzuhalten ist, dass weder dort noch im schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten das damalige Verhalten des Klägers ["von 2004 oder 2005"] näher dargestellt wird; nicht erkennbar ist auch, worauf im einzelnen noch weitere Abmahnungen gestützt worden sein könnten und wann diese gegebenenfalls zeitlich genau erklärt worden sind). Der Kläger hat das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten auf Seite 3 - oben - der Berufungsbegründung vom 24.11.2008 (Bl. 107 d.A.) nicht bestritten. Auf frühere Abmahnungen kann sich die Beklagte aber deswegen nicht mit Erfolg berufen, weil derartige Abmahnungen wirkungslos geworden sind. Zumindest war die Warnfunktion wegen Zeitablaufs derart gemindert, dass es nunmehr einer erneuten Abmahnung bedurfte. Die Warnfunktion einer Abmahnung ist zeitlich begrenzt. Allerdings besteht (an sich) keine Regelfrist, innerhalb derer die Abmahnung ihre Wirkung verliert. Aus den Umständen des Einzelfalles ergibt sich vorliegend (jedoch), dass frühere Abmahnungen ihre Wirkung verloren haben. Der Arbeitgeber des Klägers spricht Abmahnungen entsprechend der einschlägigen Regelung in der Dienstvorschrift 36-702 (G), dort Ziffern 5.2.1.4 und 7.4.2, aus. Dies hat die Beklagte im Berufungsverhandlungstermin vom 03.02.2009 im Wesentlichen bestätigt. Unstreitig ist, dass sich am 11.03.2008 keine einschlägige Abmahnung in der Personalakte des Klägers befunden hat. Damit steht weiter fest, dass seit der letzten Abmahnung und dem 11.03.2008 ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren liegt. Die Abmahnungspraxis, die darin besteht, Abmahnungen von vorneherein nur befristet zu erklären, stellt einen besonderen Umstand dar, der neben dem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren gemäß § 242 BGB dazu führt, dass frühere Abmahnungen wirkungslos geworden sind.

62

(2) Unabhängig davon ist es den US-Streitkräften aufgrund eingegangener Selbstbindung gemäß § 242 BGB verwehrt, sich im vorliegenden Verfahren auf einschlägige frühere Abmahnungen zu berufen. In der Ziffer 7.4.2 der Dienstvorschrift 36-702 G heißt es ausdrücklich:

63

"Nach Ablauf von zwei Jahren ist die Abmahnung aus den Personalunterlagen zu entfernen und zu vernichten. Danach darf auf die Abmahnung bei späteren korrigierenden oder disziplinarischen Maßnahmen nicht mehr verwiesen werden".

64

Aus dieser Regelung ergibt sich ein Verwertungsverbot. Darin besteht der objektive Erklärungswert der eben zitierten Regelungen. Es ist anerkanntes Recht, dass sich ein Arbeitgeber im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes selbst binden kann. Eine derartige Eigenbindung ist der Arbeitgeber des Klägers vorliegend eingegangen. In der zitierten Dienstvorschrift ist festgelegt, wie auf bestimmte Pflichtverstöße des Arbeitnehmers zu reagieren ist. Die US-Streitkräfte müssen sich deswegen im konkreten Fall an das in der Dienstvorschrift 36-702 (G) festgelegte Verfahren halten. Sie dürfen auf frühere, aus der Personalakte entfernte Abmahnungen "nicht mehr verweisen", - dies bedeutet, dass diese (entfernten) Abmahnungen und ein früher abgemahntes Verhalten des Klägers nicht zur Stützung der Begründung der streitgegenständlichen Kündigungen herangezogen werden können.

65

Folglich ist der Fall des Klägers so zu beurteilen, als sei dieser am 11.03.2008 noch nicht abgemahnt gewesen. Dies führt weiter zu folgenden Erwägungen:

66

dd) Der Zweck der Kündigung ist nicht eine Sanktion für die Vertragspflichtverletzung, sondern dient der Vermeidung des Risikos weiterer Pflichtverletzungen. Absolute Kündigungsgründe, die unabhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles die Kündigung unbedingt rechtfertigen könnten, sind im Rahmen des § 626 Abs. 1 BGB nicht anzuerkennen.

67

Die Abmahnung ist zugleich auch Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Eine Kündigung ist nicht gerechtfertigt und eine Unzumutbarkeit des Arbeitgebers gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist zu verneinen, wenn es zumutbare geeignete mildere Mittel gibt, um eine Vertragsstörung zukünftig zu beseitigen. Einer der Gründe, die nach Gesetz (§ 314 Abs. 2 S. 2 und § 323 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB) und Rechtsprechung eine Abmahnung entbehrlich machen können, ist vorliegend nicht gegeben. Zwar kann eine vorherige Abmahnung ausnahmsweise dann entbehrlich sein, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft trotz Abmahnung nicht erwartet werden kann oder wenn es sich um eine schwere Pflichtverletzung handelt, deren Rechtswidrigkeit dem Arbeitnehmer ohne weiteres erkennbar ist und die Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist. Ein derartiger oder ein damit vergleichbarer Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben. Abgestellt auf den Zeitpunkt des jeweiligen Kündigungsausspruchs war hier zu erwarten, dass (bereits) eine Abmahnung beim Kläger den gewünschten Erfolg haben würde, - nämlich sowohl eine Änderung des Verhaltens als auch eine Wiederherstellung des beiderseitigen Vertrauens herbeizuführen. Bei dem hier in Rede stehenden Verhalten des Klägers, das die Beklagte im Prozess beanstandet hat, handelt es sich unstreitig um ein steuerbares Verhalten des Klägers. Soweit die Beklagte das Vertrauen des Arbeitgebers zum Kläger als beeinträchtigt ansieht, übersieht sie, dass auch gestörtes Vertrauen wieder gewonnen werden kann. Dies ist gerade durch den Ausspruch einer Abmahnung möglich. Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte die Kündigung damit begründet, die Kündigung sei zum Schutz von Kunden und Mitarbeitern sowie zwecks Vermeidung eines "Imageverlustes" und von Absatzrückgängen notwendig gewesen. (Auch) diesen Gesichtspunkten wird bereits durch den Ausspruch einer Abmahnung ausreichend Rechnung getragen. Unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hätten es die US-Streitkräfte demgemäß bei einer Abmahnung bewenden lassen müssen. Die davon abweichende Einschätzung der Beklagten teilt die Berufungskammer nicht.

68

Damit erweist sich die außerordentliche Kündigung als rechtsunwirksam.

69

b) Dahingestellt bleiben kann, ob die Kündigung gemäß § 174 S. 1 BGB unwirksam ist. (Auch) die weiteren Unwirksamkeitsgründe, auf die sich der Kläger berufen hat, können auf sich beruhen.

70

2. Die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 hat das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.09.2008 beendet. Das Verhalten des Klägers vom 11.03.2008 bedingt die Kündigung noch nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.

71

a) Zwar sind nach näherer Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung an die Rechtfertigung einer ordentlichen verhaltensbedingten Kündigung geringere Anforderungen zu stellen als an eine außerordentliche Kündigung. Eine Kündigung aus Gründen im Verhalten des Arbeitnehmers im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer mit dem ihm vorgeworfenen Verhalten eine Vertragspflicht (schuldhaft) verletzt,

72

- das Arbeitsverhältnis konkret beeinträchtigt wird,

- eine zumutbare Möglichkeit einer anderen Beschäftigung nicht besteht und

- die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile billigenswert und angemessen erscheint.

73

Dabei spielt vor allem (auch) die Qualität der Vertragsverletzung eine erhebliche Rolle.

74

Gemessen daran ist der von der Beklagten vorgetragene Kündigungssachverhalt - seine tatsächliche Richtigkeit unterstellt - an sich geeignet, die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008 sozial zu rechtfertigen.

75

b) Allerdings ist auch im Rahmen des § 1 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 KSchG der bereits oben ( bei Ziffer II. 1. a) dd)) erwähnte Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das daraus resultierende Abmahnungserfordernis zu berücksichtigen. Da sich die Beklagte aus den bereits oben erörterten Gründen, die hier entsprechend gelten und auf die deswegen verwiesen wird, nicht mit Erfolg darauf berufen kann, der Kläger sei bereits erfolglos einschlägig abgemahnt worden, ist der Arbeitgeber des Klägers darauf zu verweisen, den Kläger vor Ausspruch einer ordentlichen Beendigungs-Kündigung (erneut) abzumahnen. Das von der Beklagten vorgetragene Verhalten des Klägers wiegt noch nicht so schwer, dass in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die ordentliche Kündigung billigenswert und angemessen erscheinen würde. Mit Rücksicht auf die mehrjährige, bereits seit dem Jahre 1997 bestehende Betriebszugehörigkeit und die finanziellen Folgen des Verlustes des Arbeitsplatzes (Wegfall der für den eigenen Unterhalt und [zumindest] teilweise auch für den Unterhalt seiner Ehefrau notwendigen Einkünfte) überwiegt das Interesse des Klägers, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, das Beendigungs-Interesse der US-Streitkräfte.

76

c) Ob die weiteren Gründe, auf die sich der Kläger berufen hat, um die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung darzutun, zutreffen, kann dahingestellt bleiben. Allerdings spricht einiges dafür, dass der Kläger von einem ihm unter Umständen (in Bezug auf die ordentliche Kündigung) zustehenden Zurückweisungsrecht gemäß § 174 S. 1 BGB nicht unverzüglich im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist in tatsächlicher Hinsicht gemäß § 138 Abs. 3 ZPO festzustellen, dass dem Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 nicht erst am 12.04.2008 zugegangen ist. Zwar hat der Kläger diesen Zugangszeitpunkt auf Seite 2 - oben - der Klageerweiterung vom 14.04.2008 (= Bl. 12 d.A.) behauptet, - ohne freilich näheres dazu vorzutragen. Demgegenüber hat die Beklagte bereits in der Klageerwiderung (dort S. 7 = Bl. 25 d.A.) unter Vorlage einer Kopie des Kündigungsschreibens vom 03.04.2008 mit "Zustellungsvermerk" (Bl. 55 d.A.) dargetan, dass dem Kläger die Kündigung vom 03.04.2008 am gleichen Tage (03.04.2008) zugegangen sei. Mit diesem Vortrag der Beklagten, den diese auf Seite 2 - oben - der Berufungsbegründung vom 24.11.2008 (= Bl 106 d.A.) wiederholt hat, hat sich der Kläger im weiteren Verlaufe des Rechtsstreites nicht, auch nicht im Berufungsverfahren, näher auseinandergesetzt. Er hat insoweit lediglich die Rechtsbehauptung aufgestellt, beide Kündigungen seien "unverzüglich" zurückgewiesen worden. Eine substantiierte Einlassung des Klägers zu dem von der Beklagten behaupteten Zugangszeitpunkt der ordentlichen Kündigung (03.04.2008) fehlt. Dies führt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO dazu, dass der Zugangszeitpunkt "03.04.2008" als unstreitig anzusehen ist (vgl. dazu auch den Hinweis des Vorsitzenden gemäß S. 2 der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 - 3 Sa 643/08 -).

77

3. Dem Auflösungsantrag der Beklagten war nicht stattzugeben.

78

Den Auflösungsantrag stellt die Beklagte für den Arbeitgeber in Bezug auf die ordentliche Kündigung vom 03.04.2008, die zum 30.09.2008 erklärt wurde. Dies ergibt sich aus der im Berufungsverhandlungstermin erfolgten modifizierten Antragstellung der Beklagten. Der Auflösungsantrag des Arbeitgebers setzt gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 KSchG voraus, dass Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Es ist anerkanntes Recht, dass - je nach Lage des Falles - auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen kann. Dies soll sogar auch für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten gelten können, - jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht hiervon distanziert (BAG v. 07.03.2002 - 2 AZR 158/01 -). An sich ist ein Verhalten dritter Personen als Grund für den Auflösungsantrag des Arbeitgebers nur dann geeignet, wenn (gerade) der gekündigte Arbeitnehmer dieses Verhalten durch eigenes Tun entscheidend veranlasst hat und es ihm so zuzurechnen ist. Davon ausgehend und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 KSchG hält es die Berufungskammer im Anschluss an die Ausführungen von Spilger/KR-Gemeinschaftskommentar 8. Auflage KSchG § 9 Rz 56 S. 537 für zutreffend, dass das Verhalten des Prozessbevollmächtigten als Auflösungsgrund nur dann in Betracht kommt, wenn es der Arbeitnehmer veranlasst hat. Das Vorbringen der (auch) in diesem Zusammenhang darlegungs- und beweispflichtigen Beklagten lässt nicht erkennen, dass die Äußerungen, die der Rechtsanwalt des Klägers im Termin vom 14.08.2008 getätigt haben soll (Rassismus-Vorwurf in Bezug auf den damaligen Personalreferenten Dr. B.) vom Kläger veranlasst worden sind. Derartiges ist auch sonst nicht ersichtlich. Ein Arbeitnehmer, der - wie der Kläger - wegen der Inanspruchnahme von Kündigungsschutz einen Rechtsanwalt, also ein unabhängiges Organ der Rechtspflege, mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt, gibt dadurch zu erkennen, dass er von seinem Recht, einen Kündigungsschutzprozess einzuleiten und durchzuführen, in rechtmäßiger und auch im übrigen ordnungsgemäßer Weise Gebrauch machen will. Mit verbalen Entgleisungen oder gar grob-beleidigenden Äußerungen seines Rechtsanwaltes (Prozessbevollmächtigten) muss der Arbeitnehmer, - gerade weil es sich bei einem Rechtsanwalt um ein Organ der Rechtspflege handelt -, nicht rechnen. Davon ist auch im Falle des Klägers auszugehen: der Kläger musste mit dem (von der Beklagten behaupteten) Fehlverhalten seines Anwaltes keineswegs rechnen. Sollte sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt G., im Termin vom 14.08.2008 tatsächlich so fehlverhalten haben, wie dies die Beklagte behauptet, ergibt sich daraus im konkreten Fall nicht, dass eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den US-Streitkräften und dem Kläger nicht erwartet werden könnte. Hat der Kläger, was hiermit festgestellt wird, die behaupteten Äußerungen seines Prozessbevollmächtigten nicht veranlasst, so bestand für ihn auch keine Veranlassung, sich nachträglich hiervon zu distanzieren. Dies gilt umso mehr, als fraglich ist, ob der Kläger die fraglichen Äußerungen überhaupt verstanden hat. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 26.01.2009 angezeigt, dass er der deutschen Sprache nicht mächtig sei (Bl. 163 d.A.). Die Beklagte legt im Schriftsatz vom 26.01.2009 nicht dar, dass der Kläger die von ihr behaupteten beleidigenden Äußerungen des Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt G. verstanden habe.

79

Unter den gegebenen Umständen kann weiter nicht davon ausgegangen werden - auch solches hat die Beklagte nicht behauptet -, dass sich der Kläger die beleidigenden Äußerungen zu eigen gemacht hat.

80

Dahingestellt bleiben kann, wie es sich auswirkt, dass Dr. B. jedenfalls zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung vom 03.02.2009 dienstlich nicht mehr mit arbeitsrechtlichen Angelegenheiten, also auch nicht mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers, befasst ist. Dr. B. ist derzeit unstreitig als Öffentlichkeits- bzw. Pressereferent tätig. Bei der faktischen Durchführung des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger wohl ohnehin - sieht man einmal von der Marktleiterin T. ab - mit keinem weiteren, höheren Amtsträger der Dienststelle D.C. EU bzw. der US-Streitkräfte zu tun (vgl. dazu das Vorbringen der Beklagten auf S. 6 der Klageerwiderung = Bl. 24 d.A.).

81

Vorliegend lässt sich eine Verantwortlichkeit des Klägers für das von der Beklagten behauptete Verhalten seines Prozessbevollmächtigten im Termin vom 14.08.2008 nicht begründen. Desweiteren ist nicht ersichtlich, dass der Kläger eine realistische Möglichkeit gehabt haben könnte, das von der Beklagten behauptete Verhalten seines Prozessbevollmächtigten zu beeinflussen. Damit ist der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 26.01.2009 nicht geeignet, den Auflösungsantrag zu begründen. Ob die dortige Begründung überhaupt in tatsächlicher Hinsicht zutrifft, kann dahingestellt bleiben. Die Sitzungsniederschrift des Arbeitsgerichts vom 14.08.2008 (Bl. 78 f. d.A.) enthält diesbezügliche Feststellungen nicht, - der Prozessbevollmächtigte des Klägers selbst hat das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten im Berufungsverhandlungstermin gemäß Seite 3 der Sitzungsniederschrift vom 03.02.2009 in Abrede gestellt.

III.

82

Die Kosten ihrer erfolglosen Berufung muss gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte tragen.

83

Der Streitwert wurde gemäß § 63 Abs. 2, § 42 Abs. 4 S. 1 GKG festgesetzt.

84

Hinsichtlich der Zurückweisung des Auflösungsantrages ist die Revision zugelassen worden (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG). Im übrigen ist die Zulassung der Revision nicht veranlasst. Soweit die Revision nicht zugelassen wurde, kann die Beklagte dagegen nach näherer Maßgabe des § 72a ArbGG und unter den dort genannten Voraussetzungen Nichtzulassungsbeschwerde bei dem Bundesarbeitsgericht, Hugo-Preuß-Platz 1, 99084 Erfurt oder Bundesarbeitsgericht, Postfach, 99113 Erfurt, Telefaxnummer: 0361/26 36 - 2000 einlegen.

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 10. Dezember 2008 - 3 Sa 781/08 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch um einen von der Beklagten gestellten Auflösungsantrag. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit als Auflösungsgrund zu Lasten des Klägers das Prozessverhalten seines Anwalts berücksichtigt werden darf.

2

Der Kläger ist seit dem Jahre 1997 bei der Beklagten mit einer durchschnittlichen Monatsvergütung von zuletzt 4.800,00 Euro brutto beschäftigt. Nach mehreren Änderungen der vertraglichen Aufgabenstellung, die seit dem Jahre 2003 auch zu arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen ua. über die Rechtswirksamkeit von Versetzungen führten, war der Kläger seit Mitte Juni 2006 als „Leiter internes Help Desk“ tätig.

3

Mit Schreiben vom 22. August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31. Dezember 2007 und stellte den Kläger zeitgleich unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit frei.

4

Das Arbeitsgericht hat der vom Kläger erhobenen Kündigungsschutzklage stattgegeben. Im Berufungsverfahren hat die Beklagte hilfsweise beantragt,

        

das Arbeitsverhältnis durch Urteil des Gerichts gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde, aufzulösen.

5

Diesen Antrag hat sie damit begründet, der Kläger habe ihr fortwährend zu Unrecht rechtswidriges und gesetzwidriges Verhalten unterstellt. Seinem früheren Vorgesetzten habe er unterstellt, dieser werde im Prozess die Unwahrheit sagen, nur um seine Kündigung zu erreichen. Der Kläger habe unter anderem behauptet, sie habe seine „Degradierung“ betrieben, ihn in ein „Sterbezimmer“ versetzt, versucht ihn mit „Kettenversetzungen“ „mürbe zu machen“ und insgesamt ein typisches Muster des „Weichkochens“ mit ihm betrieben. Alles gipfele in der vom Klägervertreter selbst als solche bezeichneten „rhetorischen“ Frage, „ob überhaupt irgend ein Vortrag der Beklagten der Wahrheit entspreche“. Schließlich habe der Kläger durch seinen Anwalt aus dem erstinstanzlichen Urteil eine Zwangsvollstreckung mit dem Ziel der Weiterbeschäftigung betrieben, ohne dass ein derartiger Anspruch tituliert gewesen sei.

6

Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag der Beklagten zurückzuweisen. Gründe für eine gerichtliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses lägen nicht vor. Sein prozessualer Vortrag sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Einzelne, von der Beklagten gerügte Formulierungen seien der besonderen Emotionalität geschuldet, mit der der Rechtsstreit von beiden Seiten geführt werde, und müssten daher auch unter diesem Gesichtspunkt gewürdigt werden.

7

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten einschließlich des Auflösungsantrags zurückgewiesen. Mit der vom Senat für den Auflösungsantrag zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte diesen Antrag weiter.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision ist unbegründet. Die angefochtene Entscheidung steht zwar mit § 9 KSchG nicht in vollem Einklang. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Auflösungsantrag nicht zurückweisen (I.). Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich aber auch bei Beachtung der vom Senat in ständiger Rechtsprechung entwickelten Grundsätze als richtig (II.).

9

I. Ein Auflösungsgrund für den Arbeitgeber nach § 9 KSchG kann auch in einem Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers liegen, das letzterer nicht veranlasst hat.

10

1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG hat das Gericht nach erfolgreicher Kündigungsschutzklage auf Antrag des Arbeitgebers das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Die nach Auffassung des Arbeitgebers maßgeblichen Gründe sind von ihm im Prozess vorzutragen und - falls bestritten - zu beweisen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses kommt nach der Konzeption des Gesetzes nur ausnahmsweise in Betracht. Dass allerdings auch die während des Kündigungsschutzprozesses auftretenden Spannungen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sinnlos erscheinen lassen können, ist dem Gesetz nicht fremd (Senat 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - Rn. 42 mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

11

a) Auflösungsgründe für den Arbeitgeber gem. § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG können solche Umstände sein, die das persönliche Verhältnis zum Arbeitnehmer, die Wertung seiner Persönlichkeit, seiner Leistung oder seiner Eignung für die ihm gestellten Aufgaben und sein Verhältnis zu den übrigen Mitarbeitern betreffen. Die Gründe, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen den Vertragspartnern nicht erwarten lassen, müssen nicht im Verhalten, insbesondere nicht im schuldhaften Verhalten des Arbeitnehmers liegen. Vielmehr kommt es darauf an, ob die objektive Lage beim Schluss der mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz beim Arbeitgeber die Besorgnis aufkommen lassen kann, dass die weitere Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer gefährdet ist (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - Rn. 13; 7. März 2002 - 2 AZR 158/01 - AP KSchG 1969 § 9 Nr. 42 = EzA KSchG § 9 nF Nr. 45). Als Auflösungsgrund geeignet sind danach etwa Beleidigungen, sonstige ehrverletzende Äußerungen oder persönliche Angriffe des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzte oder Kollegen. Auch das Verhalten eines Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess kann die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bedingen. Dies gilt für vom Arbeitnehmer nicht veranlasste Erklärungen des Prozessbevollmächtigten jedenfalls dann, wenn er sich diese zu eigen macht und sich auch nachträglich nicht von ihnen distanziert (Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 - mwN; 10. Juli 2008 - 2 AZR 1111/06 - mwN, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 181 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 163).

12

b) Zu berücksichtigen ist allerdings, dass gerade Erklärungen im laufenden Kündigungsschutzverfahren durch ein berechtigtes Interesse des Arbeitnehmers gedeckt sein können. So hat der Senat etwa die schriftsätzliche Äußerung eines Klägers, ihm sei „ganz erhebliches Unrecht geschehen durch eine als betriebsbedingt vorgeschobene Kündigung“, als regelmäßig durch berechtigte Interessen des Arbeitnehmers gedeckt angesehen (vgl. Senat 10. Juni 2010 - 2 AZR 297/09 -; 23. Februar 2010 - 2 AZR 554/08 - Rn. 31 mwN, EzA KSchG § 9 nF Nr. 58).

13

2. An diesen Vorgaben gemessen trägt die vom Landesarbeitsgericht gegebene Begründung nicht das von ihm gefundene Ergebnis.

14

a) Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, den vom Prozessbevollmächtigten des Klägers unternommenen Zwangsvollstreckungsversuch als „rein prozessuales Verhalten“ des Anwalts dem Kläger von vornherein nicht zurechnen zu dürfen. Diese Begründung beachtet nicht ausreichend, dass nach der Rechtsprechung des Senats auch prozessuales Verhalten seines Anwalts dem Arbeitnehmer im Rahmen des § 9 KSchG zugerechnet werden kann. Vom Prozessverhalten ein „rein prozessuales“ Verhalten des Bevollmächtigten abzuschichten, ist nicht gerechtfertigt. Es mag zwar prozessuale Bereiche geben, deren Funktionsweise der juristische Laie schwer nachvollziehen kann. Indes zeigt § 85 Abs. 2 ZPO, dass eine Aufteilung des Prozessrechts in solche Gebiete, für die eine Zurechnung des anwaltlichen Handelns geboten ist, und solche, für die eine Zurechnung zu unterbleiben hat, nicht mit der Vorstellung des Gesetzgebers übereinstimmt.

15

b) Was die Prozessführung im Übrigen betrifft, hat das Landesarbeitsgericht angenommen, die Emotionalisierung des Klägers sei möglicherweise auf seinen Prozessbevollmächtigten „übergesprungen“ und dafür könne der Kläger nicht verantwortlich gemacht werden. Da es auf die objektive Lage ankommt, berechtigt jedoch auch eine besondere Gefühlslage des Prozessbevollmächtigten nicht dazu, die Zurechnung seiner etwaigen verbalen Entgleisungen im Rahmen von § 9 KSchG von vornherein auszuschließen.

16

c) Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, eine längere Betriebszugehörigkeit falle bei der Gewichtung des Auflösungsgrundes ohne Weiteres in die Waagschale, ist unzutreffend. Die Frage der Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist zukunftsbezogen zu beantworten. Das schließt es aus, der Betriebszugehörigkeit als solcher ohne nähere Betrachtung der mit ihr verbundenen Einschätzungen des künftigen betriebsdienlichen Zusammenwirkens Bedeutung beizumessen.

17

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich aus anderen Gründen dennoch als richtig. Der Auflösungsantrag ist unbegründet. Tatsachen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nicht erwarten ließen, liegen nicht vor.

18

1. Der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angestrengte Vollstreckungsversuch kommt als Auflösungsgrund nicht in Betracht. Der Kläger hatte in erster Instanz keinen Beschäftigungsantrag gestellt. Folglich enthielt das Urteil des Arbeitsgerichts keinen Beschäftigungstitel. Der Versuch, einen nicht vorhandenen Titel - unter Vorlage des Urteils, aus dem sich dessen Fehlen ergab - zu vollstrecken, war daher von Anfang an und offensichtlich zum Scheitern verurteilt. Er konnte die Beklagte nicht im Ernst berühren, sondern allenfalls dem Kläger finanziellen Schaden und seinem Prozessbevollmächtigten eine Beeinträchtigung seines juristischen Rufs eintragen. Irgendeinen Rückschluss auf eine zu erwartende Störung des Leistungsaustauschs im Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien lässt diese anwaltliche Fehlleistung nicht zu. Zu einer solchen Störung der Zusammenarbeit hat die Beklagte auch nichts vorgetragen.

19

2. Die übrigen von der Beklagten benannten Tatsachen scheiden schon deshalb als Auflösungsgründe aus, weil es sich insoweit um Prozessvortrag handelt, der durch die Wahrnehmung berechtigter Interessen gedeckt ist. Die Formulierungen des Klägervertreters sind zwar an einigen Stellen zugespitzt und weisen einen beißenden und scharfen Ton auf. Sie stehen aber stets in einem sachlich nachvollziehbaren Bezug zu den maßgeblichen rechtlichen Fragen und übertreten weder im Inhalt noch in der Form die Grenze zu persönlicher Schmähung, Gehässigkeit oder Lüge.

20

a) Zu beachten ist, dass der vorliegende Prozess vor dem Hintergrund einer bei Kündigung schon seit etwa vier Jahren auch gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzung (drei Versetzungen, vier Abmahnungen) um das Arbeitsverhältnis geführt wurde. Dabei hatte eine Kammer des Arbeitsgerichts bereits im Rechtsstreit über die erste Versetzung die Einschätzung geäußert, der Kläger solle offenbar von der Beklagten „weichgekocht“ werden. Diesen Ausdruck hat der Klägervertreter in seinem Schriftsatz vom 31. Januar 2008 in Anführungszeichen zitiert. Er hat ihn jedenfalls auf den ersten Blick dadurch als plausibel erscheinen lassen, dass er vortrug, der Kläger sei mit der damals streitigen Versetzung vom Abteilungsleiter zum Sachbearbeiter degradiert und in ein Praktikantenbüro umgesetzt worden. Der Klägervertreter hat dieses sodann als öffentliches „Sterbezimmer“ apostrophiert. Diese Ausdrucksweise ist zwar bildhaft und polemisch, aber weder beleidigend noch ungehörig. Vor dem Hintergrund des Eindrucks, der sich dem Bevollmächtigten durch die Vorgehensweise der Beklagten offenbar aufdrängte, überschreitet sie nicht die Grenzen erlaubter Härte. Sowohl die Ausdrücke „weichkochen“ und „Sterbezimmer“ als auch der Ausdruck „mürbe machen“ sind erkennbar nicht wörtlich gemeinte, sondern bildhafte, umgangssprachlich geläufige Wendungen, mit denen dem Arbeitgeber anschaulich eine gewisse Unnachgiebigkeit bei der Verfolgung seines Ziels zugeschrieben wird. Dabei geht es hier nicht darum, ob die geäußerten Einschätzungen zutreffen, sondern allein, ob sie geäußert werden durften.

21

b) Soweit der Klägervertreter den Wahrheitsgehalt des Vorbringens der Beklagten angezweifelt hat, ist dies - abgesehen davon, dass auch die Beklagte dem Kläger wiederholt unwahren Vortrag vorhielt - nicht zu beanstanden. Er hat sich dabei in den Grenzen des § 138 ZPO gehalten. Der Bevollmächtigte durfte auch die - dem Kläger nicht aus eigener Beobachtung bekannten - Behauptungen der Beklagten zum Zustandekommen der unternehmerischen Entscheidung in Zweifel ziehen. Solche Zweifel lagen aus seiner Sicht deshalb besonders nahe, weil die Beklagte den Kläger erst im Frühjahr 2006 auf eben die Stelle versetzt hatte, deren Wegfall sie kurze Zeit später, nämlich im Herbst 2006 zunächst einleitete, dann aber bis Mitte 2007 verschob. In diesem Zusammenhang und unter dem Eindruck der seit 2003 andauernden zähen Auseinandersetzungen ist es dem Klägervertreter nicht vorzuwerfen, dass er die - bei betriebsbedingten Kündigungen vom Arbeitnehmer zu begründende - Möglichkeit des Missbrauchs der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ansprach. Dazu mag er sich aus anwaltlicher Vorsorge sogar gehalten gesehen haben. In ähnlicher Weise durfte der Klägervertreter auch Zweifel des Gerichts an der von der Beklagten behaupteten Möglichkeit wecken oder bereits geweckte Zweifel wach halten, der betreffende Kollege sei in der Lage, die vorher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit in dem von der Beklagten behaupteten Umfang alleine zu verrichten.

22

c) Entgegen der Darstellung der Beklagten hat der Kläger weder ihr noch den von ihr benannten Zeugen unterstellt, sie hätten die Absicht zu „lügen“. Er hat - bezogen auf einzelne Personen - lediglich in freilich süffisanten Wendungen darauf hingewiesen, dass sie - gleichsam im Lager der Beklagten stehend - an deren Auseinandersetzungen mit dem Kläger beteiligt seien. Dies ist ein möglicherweise unhöflicher, aber doch nicht verleumderischer oder ehrabschneidender Hinweis an das Gericht, im Falle einer Beweisaufnahme Bedacht auf die Frage der Glaubwürdigkeit der Zeugen zu nehmen.

23

d) Ebenso fügt sich in das Bild eines von Seiten des Klägervertreters zwar hart, aber nicht ungehörig geführten Rechtsstreits die von ihm selbst als rhetorisch apostrophierte und erkennbar nicht ernst gemeinte Formulierung, es frage sich, ob überhaupt etwas Wahres am Vortrag der Beklagten sei.

24

e) Alle diese Umstände lassen keine negativen Rückschlüsse auf das Arbeitsverhältnis und gedeihliche Zusammenwirken der Parteien zu. Die Beklagte hat nicht einmal ansatzweise dargelegt, inwiefern sich die Prozessführung, soweit sie sie beanstandet hat, auf den Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis negativ auswirken soll. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers setzt die Prognose einer schweren Beeinträchtigung des Austauschverhältnisses voraus (Senat 8. Oktober 2009 - 2 AZR 682/08 - Rn. 20, EzA KSchG § 9 nF Nr. 57). Davon kann hier nach dem Vortrag der Beklagten und den Feststellungen des Berufungsgerichts keine Rede sein. Störungen des erforderlichen Vertrauens, die der weiteren wechselseitigen Erfüllung der Vertragspflichten und dem Zusammenwirken zum Wohl des Betriebs entgegenstünden, sind nicht ersichtlich; zumindest haben sie sich nicht in greifbaren Tatsachen niedergeschlagen.

25

III. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision fallen nach § 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten zur Last.

        

    Kreft    

        

    Berger    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

        

        

    Krichel    

        

    Pitsch    

                 

(1) Stellt das Gericht fest, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, ist jedoch dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten, so hat das Gericht auf Antrag des Arbeitnehmers das Arbeitsverhältnis aufzulösen und den Arbeitgeber zur Zahlung einer angemessenen Abfindung zu verurteilen. Die gleiche Entscheidung hat das Gericht auf Antrag des Arbeitgebers zu treffen, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen. Arbeitnehmer und Arbeitgeber können den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz stellen.

(2) Das Gericht hat für die Auflösung des Arbeitsverhältnisses den Zeitpunkt festzusetzen, an dem es bei sozial gerechtfertigter Kündigung geendet hätte.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.

(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.

(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:

1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit,
2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder
3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.

(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.

(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.

(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.

(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.