vorgehend
Arbeitsgericht Bayreuth, 4 Ca 932/17, 03.05.2018

Gericht

Landesarbeitsgericht Nürnberg

Tenor

I. Das Endurteil des Arbeitsgerichts Bayreuth - Kammer Hof - vom 03.05.2018 wird abgeändert.

1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.11.2017 nicht mit sofortiger Wirkung beendet worden ist, sondern darüber hinaus bis 30.06.2018 zu unveränderten Bedingungen fortbestanden hat.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte 1/3, die Klägerin trägt 2/3.

IV. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um den Bestand eines Arbeitsverhältnisses.

Der Ehemann der Klägerin, Herr Dr. A., betrieb Arztpraxen in S-Stadt, in E-Stadt und in F-Stadt. Die Klägerin war bei ihm beschäftigt.

Unter dem 28.03.2013 schlossen die Klägerin und ihr Ehemann einen Arbeitsvertrag. Nach dessen § 1 wurde die Klägerin mit Wirkung ab 01.04.2013 als Managerin des Landarztzentrums eingestellt. Wegen des Wortlauts des Arbeitsvertrags im Einzelnen wird auf die vorgelegte Kopie Bezug genommen (Bl. 61 d.A.).

Mit Vertrag vom 14.11.2013 schlossen Herr Dr. A., Herr Dr. B. und Herr Dipl. med. C. einen Vertrag über die Errichtung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft ab 01.01.2014. Gemäß § 2 des Vertrags wurde die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft in den Praxisräumen in S-Stadt (Musterstraße 1), in E-Stadt (Muster Weg 1) und in F-Stadt (Andere Straße 1) ausgeübt. Die Praxisräume waren von Dr. A. angemietet.

Zum 01.04.2016 wurde eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zwischen Dr. A., Dr. B. und Dipl. med. C. und Dr. D. gegründet.

Am 01.04.2016 schlossen die Klägerin und die zuletzt genannte überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft einen Arbeitsvertrag. Für die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft unterzeichnete Herr Dr. A..

Gemäß Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberfranken vom 31.05.2017 (Bl. 43 d.A.) endete die Mitwirkung von Herrn Dr. D. in der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft zum 30.11.2016.

Unter dem 18.05.2017 schlossen Herr Dr. A. und Herr C. einen Praxisübernahmevertrag (Bl. 85 ff d.A.). Danach sollte die Praxis in S-Stadt zum 01.06.2017 auf Herrn C. übergehen.

Mit Bescheid vom 29.05.2017 (Bl. 218 d.A.) erteilte die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns Herrn C. die Genehmigung zur Erbringung vertragsärztlicher Leistungen in der Filiale in der Musterstraße in S-Stadt.

Am selben Tag fasste der Zulassungsausschuss Ärzte Oberfranken den Beschluss, dass die Mitwirkung von Herrn Dr. A. in der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit Herrn C. und Herrn Dr. B. zum 31.05.2017 ende.

Mit Schreiben vom 27.11.2017 an die Klägerin erklärte die Beklagte die Anfechtung „eines mit Ihnen etwa bestehenden Arbeitsverhältnisses“. Gleichzeitig kündigte sie das Arbeitsverhältnis vorsorglich fristlos, hilfsweise ordentlich zum 31.12.2017.

Die Gemeinde E-Stadt kündigte die Praxisräume in E-Stadt zum 31.12.2017.

In seiner Sitzung am 06.12.2017 beschloss der Zulassungsausschuss Ärzte Oberfranken, dass die gemeinschaftliche Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit in der Berufsausübungsgemeinschaft zwischen Herrn C. und Herrn Dr. B. zum 31.12.2017 ende.

Die Praxis in S-Stadt wurde zum 31.12.2017 geschlossen.

Die Klägerin erhob am 15.12.2017 die vorliegende Klage zum Arbeitsgericht Bayreuth - Kammer Hof -, mit der sie sich gegen die Kündigung vom 27.11.2017 wendete und die Feststellung begehrte, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 31.12.2017 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbestehe.

Das Arbeitsgericht stellte mit Endurteil vom 03.05.2018 fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.11.2017 nicht aufgelöst worden sei, sondern über den 31.12.2017 hinaus zu unveränderten Bedingungen fortbestehe.

Das Urteil wurde der Beklagten am 23.05.2018 zugestellt.

Die Beklagte legte gegen das Urteil am 08.06.2018 Berufung ein und begründete sie am 20.07.2018.

Die Beklagte macht geltend, ein etwaiger Arbeitsvertrag mit der Klägerin sei gemäß den §§ 117, 134 BGB nichtig. Herr Dr. A. sei zum Abschluss des Arbeitsvertrags weder gesellschaftsvertraglich noch rechtsgeschäftlich befugt gewesen.

Die Beklagte führt aus, der Hauptbetriebssitz sei in S-Stadt gewesen. Vom Hauptbetriebssitz aus seien Steuerung, Organisation und Verwaltung erfolgt. Ärzte und sonstiges Praxispersonal seien an den einzelnen Standorten in wechselnder Zusammensetzung zum Einsatz gekommen. Mieter aller Praxisräume sei Herr Dr. A. gewesen.

Die Beklagte macht geltend, Herr Dr. A. habe seine Praxis in die Gesellschaft eingebracht und habe sie deshalb gar nicht verkaufen können. Der Vertrag sei nicht umgesetzt worden. Die dort in Bezug genommenen Anlagen (Inventar, Dauerschuldverhältnisse) seien nie erstellt worden. Die Rechnungsabgrenzung sei nicht durchgeführt, ein Kaufpreis nicht gezahlt worden.

Die Beklagte macht geltend, mit Gesellschafterbeschluss vom 07.11.2017 sei die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft zum 31.12.2017 aufgelöst worden. Die Arbeitsverhältnisse mit allen Mitarbeitern seien beendet worden. Bereits vorher hätten selbst gekündigt der angestellte Arzt G., der Arzt im Praktikum H. und die Praxismanagerin I. Sie, die Beklagte, habe Frau J., Frau K., Herrn Alexander L., Herrn Constantin M., Frau N., Frau O., Frau P., Frau Q., Frau R., Frau S., der Klägerin sowie den Auszubildenden Frau T., Frau U., Frau V. und Frau W. gekündigt.

Dr. B. betreibe in F-Stadt seit Januar 2018 allein eine Kleinstpraxis mit einem hälftigen Versorgungsauftrag. Herr C. habe mit Dr. med. Franziska X. zum 01.01.2018 eine neue Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gegründet und betreibe mit ihr eine Praxis in der Muster Straße 2 in Y-Stadt. Diese Gesellschaft unterhalte Filialpraxen in Z-Stadt, F-Stadt und E-Stadt. In E-Stadt werde ein EKG-Gerät aus der Praxis in S-Stadt verwendet. Die übrige Einrichtung aus S-Stadt sei dort verblieben oder sei entsorgt worden. Die sächlichen Betriebsmittel aus der Praxis in E-Stadt habe sich Dr. A. angeeignet, die jetzt dort betriebene Praxis sei komplett neu ausgestattet worden.

In S-Stadt werde keine Praxis betrieben.

Die in der alten überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft als sog. erste Kraft tätige Frau K. sei in der neuen überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft als einfache Arzthelferin tätig, hauptsächlich bei Frau Dr. X. in Y-Stadt. Frau N. sei Frau Dr. X. zugeordnet und werde an allen Standorten eingesetzt.

Die Beklagte beantragt,

I. Das Urteil des Arbeitsgericht Bayreuth - Kammer Hof - Az. 4 Ca 932/27, verkündet am 03.05.2018, wird abgeändert.

II. Die Klage wird abgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Klägerin macht geltend, sie sei seit 01.12.1985 beschäftigt gewesen.

Sie sei für das Personal in allen drei Betriebsstätten zuständig gewesen und habe an den Vormittagen insbesondere in der Praxis in E-Stadt Tätigkeiten erbracht. Gegen 15:00 Uhr sei sie nach S-Stadt gefahren und habe mit der damaligen Schülerin, Frau W., Aufgaben einer Arzthelferin erledigt. Sie sei in allen Praxen vertretungsweise bei Krankheit und Urlaub der Mitarbeiterinnen tätig gewesen.

Die Klägerin führt aus, die Praxen in E-Stadt und F-Stadt würden von den Gesellschaftern C. und B. weiter betrieben. Sämtliche materiellen und immateriellen Betriebsmittel, vor allem Praxisinventar und Patientenkarteien der drei Praxen seien den Beklagten übergeben worden. Die neue GbR des Dr. C. nutze diese in vollem Umfang, ebenso wie den anderen Betriebsteil in F-Stadt der dortige Dr. B.. Patienten, Mitarbeiterinnen und Lieferanten seien ebenfalls übernommen worden. Von Dr. B. und von Herrn C. würden die Patienten behandelt, die schon zuvor Patienten der Gemeinschaftspraxis gewesen seien. Die Patienten, die in S-Stadt behandelt worden seien, seien durch ein Schild an der Praxis in S-Stadt nach E-Stadt umgeleitet worden. Das Schild habe jedenfalls bis April 2018 an der Praxistür in S-Stadt gehangen.

Die Klägerin macht geltend, es handele sich daher um einen Teilbetriebsübergang auf den Gesellschafter Dr. B. und einen weiteren Teilbetriebsübergang auf den Gesellschafter C., wobei der Betriebsteil C. in dessen neuer GbR mit Dr. X. aufgegangen sei.

In E-Stadt würden bei Herrn C. weiterbeschäftigt die Mitarbeiterinnen Frau K., Frau N., Frau Q. und Frau W.. Frau O. arbeite bei Herrn Dr. B. weiter.

Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.

Gründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 und Absatz 2 c) ArbGG, sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2 ArbGG.

Die Berufung ist nur teilweise begründet.

Dem Arbeitsgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass zwischen der Beklagten und der Klägerin ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist. Dabei kann dahinstehen, ob der Arbeitsvertrag vom 01.04.2016 wirksam abgeschlossen worden ist. Zweifel hieran bestehen deshalb, weil eine wirksame Vertretung der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft möglicherweise nicht vorlag. Der Arbeitsvertrag wurde zwischen der Klägerin und der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft geschlossen. Letztere war dabei durch Herrn Dr. A. vertreten. Gemäß § 7 des Vertrags über die Errichtung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft vom 14.11.2013 erfolgte die rechtsgeschäftliche Vertretung der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft durch alle drei Gesellschafter gemeinsam.

Durch den Arbeitsvertrag vom 01.04.2016 wurde ein Arbeitsverhältnis indes nicht begründet. Ein Arbeitsverhältnis mit Herrn Dr. A. bestand mindestens seit 01.01.1995. Dies ergibt sich aus dem Arbeitsvertrag vom 25.10.2005, den die Klägerin vorgelegt hat. Nach den ebenfalls von der Klägerin vorgelegten Arbeitsverträgen vom 18.07.2011 und 28.03.2013 erfolgte ihre Beschäftigung ab 16.07.2011 als Managerin des Landarztzentrums.

Das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und Herrn Dr. A. ist zum 01.01.2014 auf die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft übergegangen. Dies ergibt sich bereits aus § 4 des Vertrags über die Errichtung einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft vom 14.11.2013. Danach trat die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft in alle am 01.01.2014 für die Einzelpraxis laufenden Verträge ein. Hierunter fallen auch die Arbeitsverträge.

Eine Anfechtung des Arbeitsvertrags würde somit nicht dazu führen, dass der Bestand des Arbeitsverhältnisses in Frage stünde. Ob die darin vereinbarte Vergütung für die Beklagte bindend, insbesondere angemessen ist, war hier nicht zu entscheiden.

Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die fristlose Kündigung der Beklagten beendet worden. Es liegen keine Tatsachen vor, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ende der Kündigungsfrist als für die Beklagte unzumutbar erscheinen lassen, § 626 Absatz 1 BGB. Insbesondere hat die Beklagte derartige Tatsachen nicht vorgetragen. Soweit sie sich auf betriebsbedingte Gründe beruft, können diese eine fristlose Kündigung nicht rechtfertigen.

Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien ist allerdings durch die ordentliche, auf betriebliche Gründe gestützte Kündigung vom 27.11.2017 beendet worden, § 620 Absatz 2 BGB.

Die Kündigung ist wirksam.

Sie verstößt nicht gegen § 613 a Absatz 4 BGB. Insbesondere liegt entgegen der Auffassung der Klägerin weder ein Übergang des gesamten Betriebs noch eines Teils des Betriebs vor.

Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 16.02.2012 - 8 AZR 693/10; juris).

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie des Europäischen Gerichtshofs, der das erkennende Gericht folgt, liegt ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSd § 613 a Absatz 1 vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge. Fehlten nennenswerte materielle oder immaterielle Vermögenswerte oder wurden sie nicht übernommen, so ist von einer Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit dann auszugehen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (vgl. Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 19.03.2015 ‒ 8 AZR 150/14; juris). Nur wenn vor einem behaupteten Übergang eine wirtschaftliche Einheit besteht, stellt sich die Frage der Wahrung ihrer Identität und damit die Frage eines Betriebs(teil)überganges. Auch für eine zutreffende Bewertung der Übernahme von Personal im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbewertung ist es von ausschlaggebender Bedeutung, die Identität einer gegebenenfalls bestehenden wirtschaftlichen Einheit zu bestimmen. Die Kriterien Zahl und Sachkunde des weiterbeschäftigten Personals stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern beeinflussen sich wechselseitig (vgl. Bundesarbeitsgericht ‒ Urteil vom 22.01.2015 ‒ 8 AZR 139/14; juris).

Gemessen an diesen Kriterien hat vorliegend ein Betriebsübergang nicht stattgefunden.

Die Klägerin ist für die Tatsachen, die einen Betriebsübergang begründen, darlegungs- und beweispflichtig.

Aus dem Sachvortrag der Klägerin ergibt sich bereits nicht, inwiefern ein Betrieb als Ganzes oder ein Teilbetrieb auf welchen Erwerber übergegangen sein soll. So macht die Klägerin sowohl geltend, der ursprüngliche Betrieb sei übergegangen, als sie sich auch darauf beruft, es habe einen Teilbetriebsübergang auf den Gesellschafter Dr. B. und einen Teilbetriebsübergang auf den Gesellschafter C. gegeben, wobei der Betriebsteil C. in dessen neuer GbR mit Frau Dr. X. aufgegangen sei. Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich indes weder, dass überhaupt Teilbetriebe vorgelegen haben, noch, welchem Teilbetrieb sie zuzuordnen war.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts gab es einen Betrieb. Dieser bestand aus den Betriebsstätten S-Stadt, E-Stadt und F-Stadt. Dagegen gab es keine Teilbetriebe.

Ein Teilbetrieb setzt in Anlehnung an § 4 Absatz 1 Satz 1 Ziffer 2 BetrVG eine selbständige abtrennbare organisatorische Einheit voraus, mit der innerhalb des betrieblichen Gesamtzweckes ein Teilzweck verfolgt wird.

Zweck der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft war die gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit an unterschiedlichen Vertragsarztsitzen. Zu diesem Zweck wurde die überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft gegründet, wie sich aus dem Genehmigungsbeschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberfranken vom 26.02.2014 (Bl. 209 d.A.) ergibt.

Zwar erfolgte die Betreuung der Patienten, bedingt durch den räumlichen Abstand der Praxen, eher ortsbezogen. Insofern kann ein Teilzweck angenommen werden. Die einzelnen Praxen bildeten indes keine eigene organisatorische Einheit.

Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen der Beklagten befand sich der Hauptbetriebssitz der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft in S-Stadt. Dies wird im Übrigen durch den o.g. Beschluss des Zulassungsausschusses Ärzte Oberfranken bestätigt, wonach der Vertragsarztsitz S-Stadt als Hauptbetriebsstätte gewählt worden sei. Die Klägerin bestreitet auch nicht, dass vom Hauptbetriebssitz aus Steuerung, Organisation und Verwaltung der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft erfolgten und Ärzte und sonstiges Praxispersonal an den einzelnen Standorten in wechselnder Zusammensetzung zum Einsatz gekommen seien. Vielmehr führt sie selbst aus, sie sei für das Personal in allen drei Betriebsstätten zuständig gewesen, habe in E-Stadt und in S-Stadt Tätigkeiten erbracht und sei in allen Praxen vertretungsweise bei Krankheit und Urlaub der Mitarbeiterinnen zum Einsatz gekommen.

Es ist somit nicht feststellbar, dass es sich bei den einzelnen Praxen in S-Stadt, E-Stadt und F-Stadt um abtrennbare organisatorische Einheiten handelte.

Selbst wenn es sich bei den drei Praxen um drei Teilbetriebe gehandelt hätte, wäre die Kündigung der Klägerin nicht nach § 613 a Absatz 4 BGB unwirksam. Die Klägerin wäre keinem der drei Praxen zuzuordnen. Eine solche Zuordnung könnte allenfalls zum Hauptsitz S-Stadt angenommen werden. Diese Praxis ist indes unstreitig zum 31.12.2017 stillgelegt worden und wird nicht fortgeführt.

Der ursprüngliche Betrieb ist stillgelegt.

Eine überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft, mit der mehrere Ärzte gemeinsam vertragsärztliche Tätigkeiten ausüben, stellt einen betriebsmittelarmen Betrieb dar.

Eine Arztpraxis ist darauf gerichtet, Patienten medizinisch zu versorgen. Hierzu bedarf es neben der im Vordergrund stehenden ärztlichen Leistung einer Organisation. So sind Mitarbeiter erforderlich, die medizinisch-technische wie auch verwaltungsmäßige Aufgaben erledigen. Ferner sind bestimmte Räumlichkeiten wie Wartezimmer, Untersuchungszimmer, Behandlungsräume, Labor erforderlich. Daneben gehören zu einer Arztpraxis medizinische Geräte, die der Untersuchung und Behandlung dienen. Schließlich bedarf der Betrieb einer Arztpraxis einer Büroausstattung, mit der die verwaltungstechnische Abwicklung der Behandlungen erfolgen kann.

Im Mittelpunkt einer Arztpraxis steht die Betreuung der Patienten durch die Ärzte und die nichtärztlichen medizinischen Mitarbeiter. Gerade wie im vorliegenden Fall kommt dazu, dass, anders als beispielsweise in einer Universitätsklinik, der persönliche Bezug zwischen Patient und Arzt groß ist und das Verhältnis Arzt-Patient von einem besonderen Vertrauen geprägt ist.

Wie das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 22.06.2012 (8 AZR 107/10; juris) ausführt, kann dies zwar anders sein, wenn die Praxis vor allem wegen der medizinischen Untersuchungs- bzw. Behandlungsgeräte aufgesucht wird. Eine solche Praxis hat die Beklagte indes nicht betrieben.

Danach setzt ein Betriebsübergang voraus, dass eine Fortführung der Arztpraxen mit einem wesentlichen Teil des Personals erfolgt.

Dies ist nicht der Fall.

Von den ursprünglich drei Praxen werden lediglich zwei fortgeführt, die in E-Stadt und die in F-Stadt. Dies erfolgt indes nicht durch die beklagten Ärzte. Vielmehr führt Dr. B. die Praxis in F-Stadt allein fort, Herr C. die Praxis in E-Stadt in einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft mit Frau Dr. X..

Dies ergibt sich aus dem Sachvortrag der Beklagten, den die Klägerin nicht bestreitet.

Das nichtärztliche Personal ist von keinem der beiden Ärzte überwiegend übernommen worden.

Nach dem Vorbringen der Klägerin beschäftigte die Beklagte über 10 Mitarbeiter. Die Beklagte hat ausgeführt, zum Zeitpunkt der Kündigung seien neben der Klägerin 10 Arbeitnehmer und vier Auszubildende beschäftigt gewesen.

Von diesen wird nach dem Vorbringen der Klägerin Frau O. beschäftigt, allerdings nicht von den Beklagten, sondern von Herrn Dr. B. allein.

Die Klägerin trägt darüber hinaus vor, Frau K., Frau N., Frau Q. und Frau W. würden von Herrn C. in der Praxis in Berg beschäftigt.

Die Beklagte führt selbst aus, dass Frau K. und Frau N. in der neuen überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft angestellt seien. Aus seinem Sachvortrag ergibt sich außerdem, dass Frau W. weiter ausgebildet wird. Zu dem Vorbringen, es sei auch Frau Q. übernommen worden, hat sich die Beklagte nicht geäußert, der diesbezügliche Sachvortrag der Klägerin gilt daher als zugestanden, § 138 Absatz 4 ZPO.

Auch wenn man danach davon ausgeht, dass in der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft zwischen Herrn C. und Frau Dr. X. drei der ehemaligen Mitarbeiter und eine Auszubildende weiterbeschäftigt werden, genügt dies nicht, um einen Betriebsübergang zu begründen.

Soweit sich die Klägerin auf den Praxisübernahmevertrag zwischen Herrn Dr. A. und Herrn C. vom 18.05.2017 beruft, kann dies einen Betriebsübergang nicht begründen.

Die Beklagte wendet hiergegen ein, der Praxisübernahmevertrag sei nie umgesetzt worden. Die Klägerin ist diesem Sachvortrag nicht entgegengetreten. Insbesondere hat sie nicht vorgetragen, dass es eine Anlage im Sinne der Ziffer 7.1 des Übernahmevertrags gegeben habe, in der ihr Arbeitsverhältnis aufgeführt gewesen sei.

Ein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a Absatz 1 BGB hätte es aufgrund des Übernahmevertrags nicht ohne ausdrückliche Regelung der Übernahme der Arbeitsverhältnisse gegeben. Der Vertrag diente ersichtlich dazu, Herrn C. unter sozialrechtlichen Gesichtspunkten die Weiterführung der Praxis als Nachfolger von Herrn Dr. A. zu ermöglichen. Dies ergibt sich aus den Ziffern 11.2 und 11.3 des Vertrags. Herr Dr. A. hatte seine Zulassung zurückgegeben. Es war daher ein Nachbesetzungsverfahren gemäß § 103 Absatz 4 SGB V durchzuführen. In diesen Fällen führt der Verkauf einer Praxis nicht zu einem Betriebsübergang (Bundesarbeitsgericht - Urteil vom 22.06.2011 - 8 AZR 107/10; juris).

Die Kündigung ist sozial gerechtfertigt, § 1 Absatz 1 KSchG. Es liegen dringende betriebliche Gründe vor, die einer Weiterbeschäftigung der Klägerin entgegenstehen, § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG.

Der Betrieb der Beklagten, so wie er sich nach den obigen Ausführungen darstellt, ist zum 31.12.2017 stillgelegt worden.

Auch wenn sowohl Herr Dr. B. als auch Herr C. weiterhin als Ärzte tätig sind, geschieht dies dennoch nicht im Rahmen des bisherigen Betriebs.

Infolge der Stilllegung des Betriebs ist der Beschäftigungsbedarf für die Klägerin entfallen.

Die Klägerin war, wie sich aus den von ihr vorgelegten Arbeitsverträgen vom 18.07.2011, 28.03.2013 und 01.04.2016 ergibt, ab 16.07.2011 als Managerin des Landarztzentrums beschäftigt. Mit dem Wegfall der überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft entfiel auch die Notwendigkeit, die verschiedenen Praxen zu organisieren und zu koordinieren.

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, die Beklagte habe eine soziale Auswahl vornehmen müssen, ist dem zwar im Grundsatz zuzustimmen, wie sich aus § 1 Absatz 3 KSchG ergibt. Zum einen hat die Beklagte indes allen Arbeitnehmern gekündigt, zum anderen hätte die Klägerin vortragen müssen, wer mit ihr vergleichbar war und wer vor ihr hätte gekündigt werden müssen.

Die Kündigung erweist sich somit unter allen rechtlichen Gesichtspunkten als wirksam.

Aufgrund der seit mindestens 01.01.1995 bestehenden Beschäftigungsdauer beträgt die Kündigungsfrist sieben Monate zum Monatsende, § 622 Absatz 2 Ziffer 7 BGB.

Das Kündigungsschreiben ging der Klägerin im November 2017 zu. Die Klägerin macht zwar geltend, der Zugang der Kündigung sei erst im Dezember 2017 gewesen.

Dem kann indes nicht gefolgt werden.

Die Beklagte führt aus, Herr C. habe das Kündigungsschreiben im Beisein von Frau W. am 27.11.2017 in den zur Wohnanschrift der Klägerin gehörenden Briefkasten eingeworfen. Dem ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Die Klägerin hat hierzu lediglich ausgeführt, das Kündigungsschreiben habe am 02.12.2017 im Briefkasten gelegen. Dies schließt nicht aus, dass das Schreiben am 27.11.2017 eingeworfen wurde. Insbesondere ergibt sich daraus nicht, dass die Klägerin den Briefkasten vor dem 02.02.2017 kontrollierte und ein Brief der Beklagten nicht vorhanden war.

Das Arbeitsverhältnis endete somit mit Ablauf des 30.06.2018.

Insoweit war das Ersturteil abzuändern und die Klage teilweise abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Absatz 1 ZPO.

Die Klägerin kann gegen dieses Urteil Revision einlegen. Die Revision wurde gemäß § 72 Absatz 2 Ziffer 1 ArbGG wegen der Frage, wie der Betriebsbegriff in Fällen der vorliegenden Art (ärztliche überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft) zu definieren ist, zugelassen.

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(1) Wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, mit dessen Einverständnis nur zum Schein abgegeben, so ist sie nichtig.

(2) Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so finden die für das verdeckte Rechtsgeschäft geltenden Vorschriften Anwendung.

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

(2) Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Der Kündigende muss dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitteilen.

(1) Das Dienstverhältnis endigt mit dem Ablauf der Zeit, für die es eingegangen ist.

(2) Ist die Dauer des Dienstverhältnisses weder bestimmt noch aus der Beschaffenheit oder dem Zwecke der Dienste zu entnehmen, so kann jeder Teil das Dienstverhältnis nach Maßgabe der §§ 621 bis 623 kündigen.

(3) Für Arbeitsverträge, die auf bestimmte Zeit abgeschlossen werden, gilt das Teilzeit- und Befristungsgesetz.

(4) Ein Verbrauchervertrag über eine digitale Dienstleistung kann auch nach Maßgabe der §§ 327c, 327m und 327r Absatz 3 und 4 beendet werden.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. September 2010 - 9 Sa 343/10 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung durch den beklagten Insolvenzverwalter.

2

Der Kläger war seit dem 1. September 1981 bei der R GmbH, der Insolvenzschuldnerin, zunächst in G und Gr und ab dem 1. Mai 2007 in P anfänglich als Werksleiter und ab 1. Januar 2009 als Leiter des Fachbereichs Logistik und stellvertretender Werksleiter zu einer Bruttomonatsvergütung von 7.250,00 Euro beschäftigt.

3

Die Insolvenzschuldnerin stellte komplexe, bis zu 24-lagige Leiterplatten her. Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin waren die B Ltd., die Bl SARL (Luxembourg) sowie die C plc. Das Betriebsgrundstück in P stand im Eigentum der Insolvenzschuldnerin, während ein Großteil der Maschinen und sonstigen Einrichtungen geleast waren. Leasinggeber war die K GmbH bzw. die später mit dieser verschmolzene E mbH (E GmbH). Geschäftsführer und Mitgesellschafter der E GmbH ist Z.

4

Die Insolvenzschuldnerin beantragte unter dem 3. Februar 2009 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Beklagte wurde daraufhin zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Zum Zwecke der Veräußerung der Betriebe der Insolvenzschuldnerin leitete der Beklagte Ende Februar 2009 ein internationales Bieterverfahren in die Wege, mit dem ein Bankhaus beauftragt wurde. Dazu wurden ua. Broschüren an potentielle Interessenten versandt. Diese waren aufgefordert, bis zum 15. April 2009 ein Angebot abzugeben. Nachdem nur zwei Angebote abgegeben worden waren, die jedoch als inakzeptabel erachtet wurden, beschlossen die Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin unter Mitwirkung des Beklagten am 14. April 2009 die Schließung der Betriebe mit Ablauf des 30. April 2009.

5

Auf einer Versammlung am 16. April 2009 wurden die Mitarbeiter beider Betriebe über die geplanten Betriebsschließungen unterrichtet.

6

Mit Schreiben vom 21. April 2009 stellte der Beklagte den Kläger mit Ablauf des 30. April 2009 von der „weiteren Mitarbeit“ frei. Der Beklagte zeigte unter dem 26. April 2010 gegenüber dem Amtsgericht Kl die Masseunzulänglichkeit an.

7

Mit Beschluss des Amtsgerichts Kl vom 1. Mai 2009 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der R GmbH bestellt. Am 6. Mai 2009 fand eine Sitzung des Gläubigerausschusses statt. Im Sitzungsprotokoll ist ua. festgehalten:

        

„Der Insolvenzverwalter unterrichtet den Gläubigerausschuss darüber, dass aufgrund der rapide weggebrochenen Auftragseingänge und des desaströsen Ergebnisses der Investorensuche der Beschluss zur Einstellung des Betriebsbetriebes gefasst wurde. In Umsetzung dieses Beschlusses sind über 50 % der Mitarbeiter bereits freigestellt worden. Nach Abschluss des entsprechenden Interessenausgleiches und Sozialplanes wird der Unterzeichner sämtlichen Mitarbeitern kündigen und das Unternehmen im Rahmen einer Ausproduktion bis August 2009 fortführen. Auf Grundlage der vorgestellten Liquiditätsplanung ist die Fortführung für diesen Zeitraum sichergestellt.“

8

Unter dem 8./13. Mai 2009 vereinbarten der Beklagte und die Betriebsräte G und P sowie der Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich. Dieser lautet auszugsweise:

        

III. 

        

Es besteht keine Möglichkeit den Geschäftsbetrieb über den 30.04.2009 weiterzuführen. Eine übertragende Sanierung kommt in Ermangelung von Interessenten nicht in Betracht.

        

Vor diesem Hintergrund wurde am 15.04.2009 die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin am 30.04.2009 endgültig und auf Dauer einzustellen. Von dieser Entscheidung wurden die Betriebsräte am folgenden Tag in Kenntnis gesetzt.

        

Betriebseinstellung heißt, dass nur solche bestehenden Aufträge abgearbeitet werden, die spätestens mit dem Ablauf der letzten Kündigungsfrist und mit dem sich bis dahin aufgrund unterschiedlich langer Kündigungsfristen ständig reduzierenden Personal noch abgearbeitet werden können. Zur Erhaltung/Mehrung der Insolvenzmasse und Auslastung des Betriebs in der Zeit bis zum Auslauf der Kündigungsfristen der Mitarbeiter vereinbaren beide Parteien, dass nach dieser Maßgabe Neuaufträge angenommen und abgearbeitet werden können, soweit sie noch innerhalb der laufenden Kündigungsfristen der Mitarbeiter abgeschlossen werden können.

        

…       

        

Die Einstellung des Betriebs ist Geschäftsgrundlage des Interessenausgleichs und des Sozialplans. Die Betriebsparteien sind sich darüber einig, dass bei einer eventuellen Fortführung des Unternehmens neu zu verhandeln ist.

                 
        

IV.     

        

…       

        

Die von Kündigungen und Entlassungen betroffenen Mitarbeiter ergeben sich aus der als Anlage dieser Vereinbarung beigefügten Liste. Diese Liste ist keine Namensliste im Sinne der §§ 1 Abs. 5 KSchG i.V.m. § 125 InsO, die mit der vorliegenden Vereinbarung bei Unterzeichnung fest verbunden ist. Diese feste Verbindung bestätigen sich die Parteien mit Unterschrift gegenseitig. Die Liste dient ausschließlich dem Nachweis der ordnungsgemäßen Anhörung nach § 102 BetrVG.“

9

Gleichzeitig wurden Sozialpläne für beide Betriebe vereinbart.

10

Am 14. Mai 2009 erstattete der Beklagte der für die Betriebe in G und P zuständigen Agentur für Arbeit W Massenentlassungsanzeigen nach § 17 KSchG. Mit Bescheid vom 28. Mai 2009 bestätigte die Agentur für Arbeit W den Eingang der Anzeige und setzte den Ablauf der Sperrfrist auf den 14. Juni 2009 fest.

11

Mit Schreiben vom 15. Mai 2009, dem Kläger am 16. Mai 2009 zugegangen, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 31. August 2009 „aus betriebsbedingten Gründen“. Sofern nicht noch behördliche Zulässigkeitserklärungen notwendig waren, wurde auch allen übrigen Mitarbeitern gekündigt.

12

Während etwas mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer bereits freigestellt war, erfolgte mit den übrigen - jedenfalls für Aufträge, die bis Ende August 2009 erledigt werden konnten - die weitere Produktion. Für den Betrieb in G beschloss der Beklagte später, die Ausproduktion bis zum 18. Dezember 2009 zu verlängern. Er beschäftigte dort solche Arbeitnehmer weiter, die im Rahmen von Abwicklungsvereinbarungen die Kündigung mit einer Verlängerung der Kündigungsfrist akzeptierten.

13

Am 14. August 2009 wurde im Handelsregister des Amtsgerichts S die Umfirmierung der KLGmbH in LP P GmbH (im Folgenden: LPP) eingetragen. Der Geschäftsgegenstand wurde in: „Die Produktion und der Vertrieb von elektrischen, elektronischen, elektromechanischen, optoelektronischen und technischen Bauelementen und Geräten und die Ausführung aller Geschäfte, die damit im Zusammenhang stehen“ geändert. Geschäftsführer der LPP wurde zunächst Z. Muttergesellschaft der LPP ist die E GmbH.

14

Im Zeitraum Februar bis Mai 2009 besuchte Z mehrfach den Betrieb in P und erfragte hierbei Auftragsstände, Umsätze und Kosten. Auch führte er mit dem Beklagten Gespräche. Im August 2009 wurde den Arbeitnehmern in P seitens Herrn Z angeboten, für den Zeitraum ab dem 1. September 2009 neue Arbeitsverträge abzuschließen.

15

Seit dem 1. September 2009 führt die LPP den Betrieb zur Herstellung von Leiterplatten in P. Sie hatte das Betriebsgrundstück und die im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Betriebsmittel erworben. Von den Arbeitnehmern der Insolvenzschuldnerin beschäftigte die LPP jedenfalls etwas weniger als die Hälfte weiter. Den Betrieb in G führt die R I GmbH fort.

16

In einer Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 14. September 2009 heißt es unter der Überschrift „R geht nach dramatischen Wochen gestärkt aus der Insolvenz hervor“ ua.:

        

„Durch seine hervorragende Reputation gelang es R selbst in der Insolvenz in den Folgemonaten sogar einen neuen Großkunden für sich zu gewinnen und andere maßgebliche Bedarfsträger platzierten Zusatzaufträge zur Stützung ihres strategischen Lieferantenpartners. Ende Juli konnte für das Werk P mit dem früheren R-Eigentümer Z eine Zukunftslösung gefunden werden.“

17

Für das Betriebsgrundstück in P wurde am 15. Oktober 2009 die Eintragung einer „Erwerbsvormerkung“ zugunsten der LP P GmbH in das Grundbuch mit „Bezug: Bewilligung vom 21.07.2009/01.09.2009“ vorgenommen.

18

Mit Schreiben vom 26. Januar 2010 bestätigte die Firma A GmbH die für den Beklagten vorgenommene Verwertung zweier Gabelstapler, dreier Filterpressen, dreier Kolbenmembranpumpen, eines Systronic Ofens und eines Multilayer-Pressezentrums im Gesamtwert von 31.500,00 Euro.

19

Der Kläger behauptet, es habe zum Zeitpunkt des Ausspruches der streitgegenständlichen Kündigung keinen endgültigen Betriebsstilllegungsbeschluss gegeben. Als ihm die Kündigung zugegangen sei, habe der Beklagte in Verhandlungen einerseits mit Z, dem Geschäftsführer der LPP, und andererseits mit den Geschäftsführern der Firmengruppe Pr, Ro und E Pr, gestanden. Der Beklagte habe nur vorsorglich für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen gekündigt. Dies ergebe sich schon daraus, dass Z von Februar bis Mai 2009 mehrmals den Betrieb P besucht habe. Persönlich habe dieser dem Kläger sinngemäß gesagt, dass er zwar keine große Lust für eine Übernahme habe, aber eine Stilllegungsentscheidung verhindern wolle. Dessen Besuche im Betrieb in P seien ohne Einverständnis des Beklagten kaum vorstellbar. Die Motivation des Z ergebe sich ohne Weiteres aus den abgeschlossenen Leasingverträgen, die niemals gekündigt worden seien. Auch aus dem Vortrag des Beklagten ergebe sich, dass er mit Z verhandelt habe. Dabei habe der Beklagte nicht angegeben, wann dies geschehen sei. Bereits am 21. Juli 2009 sei eine Auflassungsvormerkung für die LPP im Grundbuch eingetragen worden, wobei der Notar auf Nachfrage angegeben habe, dass der Kaufvertrag etliche Zeit vor dem 21. Juli 2009 geschlossen worden sei. Seit dem 1. September 2009 produziere die LPP mit den verbliebenen Mitarbeitern unverändert mit denselben Betriebsmitteln in P. Dass der Beklagte nicht von einer Stilllegung ausgegangen sei, ergebe sich auch daraus, dass alle für die Produktion notwendigen Rohstoffe und Betriebsmittel auch nach dem 1. September 2009 in ausreichender Menge vorhanden gewesen seien, was nur durch entsprechende Vorkehrungen des Beklagten erklärt werden könne. Auch Aufträge seien ab dem 1. September 2009 ausreichend vorhanden gewesen.

20

Im Übrigen hält der Kläger die Kündigung auch nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB für unwirksam.

21

Der Kläger hat - soweit der Rechtsstreit in die Revisionsinstanz gelangt ist - beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei dem Beklagten nicht durch die Kündigung vom 15. Mai 2009 - dem Kläger zugegangen am 16. Mai 2009 - zum 31. August 2009 aufgelöst wird.

22

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

23

Er behauptet, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches seien keine Verhandlungen über eine Weiterführung des Betriebes in P geführt worden. Vielmehr sei er von der Betriebsstilllegung und Ausproduktion - mit etwas weniger als 50 % der Arbeitnehmer - bis 31. August 2009 ausgegangen, da die Suche nach Investoren erfolglos verlaufen sei. Die Stilllegung sei beschlossen worden, weil die Insolvenzschuldnerin im Jahre 2008 bei einem Umsatz von über 104 Mio. Euro einen Verlust von mehr als 7 Mio. Euro ausgewiesen habe, der im Wesentlichen durch das Werk in P verursacht worden sei. Eine kostendeckende Produktion sei für die Zukunft nicht abzusehen gewesen. Die Stilllegungsentscheidung habe auch greifbare Formen angenommen gehabt. So sei ein Interessenausgleich abgeschlossen und die Massenentlassungsanzeige erstattet worden. Auch sei allen Arbeitnehmern gekündigt und dies auf Betriebsversammlungen ausreichend kommuniziert worden. Neue Aufträge bzw. Abrufe seien nur dann angenommen worden, wenn diese bis zum 31. August 2009 hätten erledigt werden können. In der Branche der Insolvenzschuldnerin sei es typisch, dass Kunden im Wege eines „letter of intent“ Größenordnungen für jährliche Abrufe ankündigen, verbindliche Abrufe aber erst etwa einen Monat bis eine Woche vor dem Produktionsmonat erfolgen. Die Insolvenzschuldnerin bzw. der Beklagte hätten daher keine Aufträge abzulehnen oder zu kündigen brauchen. Den Kunden sei mitgeteilt worden, dass nur bis zum 31. August 2009 produziert werde. Für die Zeit nach dem 31. August 2009 seien keine Produktionszusagen gegeben worden. Auch habe der Beklagte die Firma A beauftragt, für vorhandene Betriebsmittel, soweit diese nicht mit Sicherungsmitteln belastet oder für die Ausproduktion benötigt würden, Interessenten zu finden. Dass Maschinen veräußert worden seien, ergebe sich aus dem Schreiben der Firma A vom 26. Januar 2010. Wenn Z in P erschienen sei, so sei dies geschehen, um seine Sicherheiten zu prüfen. Jedenfalls habe dieser ihm keine Überlegungen zu einer Betriebsübernahme mitgeteilt. Bl habe sich erstmals im Juli 2009 mit der Frage eines Erwerbs der Betriebsstätte G befasst und im Wege eines „letter of intent“ grundsätzliches Interesse am Standort G mit den bisherigen Produktionsmitteln geäußert. Die von Bl gestellten Bedingungen seien aber zunächst nicht erfüllt worden, so dass das Geschäft „geplatzt“ sei. Da aber Kunden der Einstieg eines Investors schon signalisiert worden sei, habe man die Ausproduktion in G bis 18. Dezember 2009 verlängert. Weitere Verhandlungen mit Bl hätten dann dazu geführt, dass Bl am 14. September 2009 entschieden habe, die im Rahmen der Verhandlungen gestellten Bedingungen als erfüllt anzusehen. Die Muttergesellschaft der LPP, die E GmbH, habe erst im August 2009 angeboten, das Betriebsgrundstück in P und die Betriebseinrichtungen zu erwerben. Nach Zustimmung durch die Gläubigerversammlung am 27. August 2009 sei der Kaufvertrag am 1. September 2009 zustande gekommen. Entscheidend sei, dass eine nachträgliche Entwicklung ohnehin unbeachtlich sei, da es allein auf den Zeitpunkt des Kündigungsausspruches ankomme.

24

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Beklagtenvertreter auf die Frage, wie sich das Datum 21. Juli 2009 in der Grundbucheintragung zur Vormerkung erklären lasse, ausgeführt, dass es womöglich am 21. Juli 2009 bereits ein Angebot gegeben habe. Er könne nicht sagen, ob es da schon entsprechende Verhandlungen gegeben habe.

25

Erstmals in der Revisionsbegründung trägt der Beklagte vor, dass ein Angebot der E GmbH bzw. der LPP erstmalig am 21. Juli 2009 in notariell beglaubigter Form erfolgt sei.

26

Mit Teilurteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die streitgegenständliche Kündigung nicht aufgelöst wird. Die Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter, während der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

27

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die von ihm zum 31. August 2009 ausgesprochene Kündigung hat das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht aufgelöst.

28

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klagestattgebende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die streitgegenständliche Kündigung sei nicht gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG aus dringenden betrieblichen Erfordernissen sozial gerechtfertigt. Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen gehöre die Stilllegung des gesamten Betriebes. Von einer Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers sei auszugehen, wenn dieser seine Absicht unmissverständlich äußere, allen Arbeitnehmern kündige, etwaige Mietverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöse, die Betriebsmittel, über die er verfügen könne, veräußere und die Betriebstätigkeit vollständig einstelle. Die betreffenden betrieblichen Umstände müssten greifbare Formen angenommen haben. Keine Stilllegungsabsicht liege vor, wenn der Betrieb veräußert werden solle. Das Bundesarbeitsgericht habe in der alsbaldigen Wiedereröffnung des Betriebes eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht gesehen.

29

Unter Beachtung dieser Maßstäbe stehe zur Überzeugung des Gerichts nicht fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernstlichen und endgültigen Entschluss gefasst gehabt habe, den Betrieb in P stillzulegen. Für einen solchen Entschluss spreche zwar der Gesellschafterbeschluss - obwohl in diesem von einer Stilllegung zum 30. April 2009 die Rede sei -, der Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans sowie die Kündigung aller Mitarbeiter. Gegen eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht spreche jedoch die nahtlose Fortführung des Betriebes durch die LPP und dass es zu einer Stilllegung nicht gekommen sei. Deshalb hätte es des Vortrags weiterer Indizien durch den Beklagten bedurft, um darzulegen, dass er bereits zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs ernsthaft und endgültig die Stilllegung beabsichtigt habe. Wenn eine prognostizierte Betriebsstilllegung nicht eingetreten sei, habe dies Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber habe dann konkret darzulegen, welche Maßnahmen er zunächst wann vorgenommen habe, um seine Entscheidung umzusetzen. Er habe im Einzelnen vorzutragen, wann welche nicht vorhergesehene Entwicklung stattgefunden habe. Es komme nicht darauf an, ob der Beklagte bereits bei Zugang der Kündigung ein Angebot der LPP angenommen gehabt habe, da auch ernsthafte Vertragsverhandlungen einen endgültigen und ernsthaften Stilllegungsbeschluss ausschließen würden.

30

Der Beklagte habe nicht vorgetragen, welche konkreten Maßnahmen ergriffen worden seien, um die Vertragsbeziehungen zu Dritten (Miet-, Leasingverträge oder Verträge mit Energieversorgern oder Rohstofflieferanten) zu regeln. Der bloße Vortrag, den Kunden sei das Auslaufen der Produktion mitgeteilt worden, sei zu pauschal, um nachvollziehbar zu machen, weshalb Kunden davon ausgehen mussten, eine Ausproduktion werde nur bis zum 31. August 2009 stattfinden. Unklar bleibe, warum Kunden auch Bestellungen bzw. Abrufungen für die Zeit nach dem 31. August 2009 in Aussicht gestellt hätten, wenn ihnen doch erklärt worden sein solle, eine Ausproduktion werde nur bis zum 31. August 2009 erfolgen. Auch zu Rohstofflieferanten fehle jeder Vortrag, was aber angesichts der Fortführung der Produktion am 1. September 2009 notwendig gewesen wäre. Nicht vorgetragen sei, wie es der Beklagte sichergestellt habe, einerseits genügend Rohstoffe für die Ausproduktion zu haben und andererseits unnötige Rohstoffmengen zu vermeiden. Insoweit hätte er vortragen müssen, ob und gegebenenfalls welche Vereinbarungen es mit der LPP gegeben habe. Der Vortrag zur Veräußerung von Betriebsmitteln durch die Firma A sei zu pauschal. Es sei schon nicht erkennbar, ob Betriebsmittel aus G oder P veräußert worden seien. Auch der Zeitpunkt der Beauftragung der Firma A sei unklar. Insbesondere fehle ein Vortrag, wann und aufgrund wessen Initiative es zu konkreten Verhandlungen mit der LPP gekommen sei. Zwar sprechen sowohl die Pressemitteilung als auch der Zeitpunkt der Grundbucheintragung für Gespräche zumindest im Juli 2009. Es wäre aber Sache des Beklagten gewesen, den Ablauf der Kontaktaufnahme sowie den Verhandlungsablauf darzustellen, damit ausgeschlossen werden könne, dass zum Zeitpunkt der Kündigung mögliche Vertragsverhandlungen mit der LPP vorbehalten waren. Schließlich genüge auch der Vortrag zur Freistellung von Mitarbeitern und zur Durchführung des Bieterverfahrens nicht, um von einer endgültigen Stilllegungsabsicht ausgehen zu können.

31

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis und in weiten Teilen der Begründung einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

32

Die Feststellungsklage ist zulässig und begründet.

33

I. Der Beklagte ist passivlegitimiert, und zwar unabhängig davon, ob nach Ausspruch der Kündigung und der fristgerechten Erhebung einer Kündigungsschutzklage ein Betriebsübergang stattgefunden hat oder nicht. Der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis vor einem Betriebsübergang gekündigt hat, ist für die gerichtliche Klärung der Wirksamkeit der Kündigung auch nach einem Betriebsübergang passivlegitimiert (vgl. BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210).

34

II. Die Kündigung ist nicht nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Sie ist damit rechtsunwirksam (§ 1 Abs. 1 KSchG). Das Kündigungsschutzgesetz ist auch bei einer Kündigung des Insolvenzverwalters nach § 113 InsO zu beachten, wenn es - wie vorliegend - nach seinem persönlichen und betrieblichen Geltungsbereich auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet(vgl. BAG 26. Juli 2007 - 8 AZR 769/06 - AP BGB § 613a Nr. 324).

35

1. Bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) durch das Landesarbeitsgericht handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen ist, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist(st. Rspr., vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51).

36

2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält das Berufungsurteil stand.

37

a) Die Stilllegung des gesamten Betriebes durch den Arbeitgeber gehört zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG, die einen Grund zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung abgeben können(st. Rspr., vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20). Unter Betriebsstilllegung ist die Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszweckes dauernd oder für eine ihrer Dauer nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen. Mit der Stilllegung des gesamten Betriebes entfallen alle Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber ist aber nicht gehalten, eine Kündigung erst nach Durchführung der Stilllegung auszusprechen. Neben der Kündigung wegen erfolgter Stilllegung kommt auch eine Kündigung wegen beabsichtigter Stilllegung in Betracht. Erforderlich ist dazu aber, dass der Arbeitgeber im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst hat, den Betrieb endgültig und nicht nur vorübergehend stillzulegen (vgl. BAG 14. August 2007 - 8 AZR 1043/06 - AP BGB § 613a Nr. 325 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 74). Der Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht steht dabei nicht entgegen, dass sich der Arbeitgeber entschlossen hat, die gekündigten Arbeitnehmer in der jeweiligen Kündigungsfrist noch für die Abarbeitung vorhandener Aufträge einzusetzen. Der Arbeitgeber erfüllt damit gegenüber den tatsächlich eingesetzten Arbeitnehmern lediglich seine auch im gekündigten Arbeitsverhältnis bestehende Beschäftigungspflicht (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156). An einem endgültigen Entschluss zur Betriebsstilllegung fehlt es aber, wenn der Arbeitgeber im Zeitpunkt der Kündigung noch in Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebes steht (vgl. BAG 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 140). Gleiches gilt, wenn der Arbeitgeber sich im Zeitpunkt der Kündigung noch um neue Aufträge bemüht (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 75/06 -). Ist andererseits im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Betriebsstilllegung endgültig geplant und bereits eingeleitet, behält sich der Arbeitgeber aber eine Betriebsveräußerung vor, falls sich eine Chance bietet, und gelingt dann später noch eine Betriebsveräußerung, bleibt es bei der sozialen Rechtfertigung der Kündigung (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51; 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - aaO).

38

Auch ist bei einer Betriebsstilllegung erforderlich, dass die geplanten Maßnahmen zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits „greifbare Formen“ angenommen haben. Diese liegen vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung aufgrund einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, bis zum Ablauf der einzuhaltenden Kündigungsfrist werde mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich machenden betrieblichen Grundes, dh. die Stilllegung, gegeben sein. Von einer Stilllegung kann jedenfalls dann ausgegangen werden, wenn der Arbeitgeber seine Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Miet- oder Pachtverträge zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen darf, veräußert und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (vgl. BAG 26. Mai 2011 - 8 AZR 37/10 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 125).

39

Betriebsveräußerung und Betriebsstilllegung schließen sich nach diesen Grundsätzen demnach systematisch aus. Dabei kommt es auf das tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebes wesentlichen Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten, der Veräußerer diesen Vorgang aber rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20).

40

Maßgeblicher Zeitpunkt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung ist der des Kündigungszugangs (vgl. BAG 9. September 2010 - 2 AZR 493/09 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 185 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 164). Dies schließt es nicht aus, dass - insbesondere, wenn dem Kündigungsgrund ein prognostisches Element innewohnt - der tatsächliche Eintritt der prognostizierten Entwicklung Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit und Plausibilität der Prognose zulässt (vgl. BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - BAGE 109, 40 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 128). Verläuft die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung planmäßig, ist es gerechtfertigt, von einem tragfähigen Konzept im Zeitpunkt der Kündigung auszugehen (vgl. ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 280). Die im Kündigungszeitpunkt gestellte Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf entfallen, wird so bestätigt (vgl. BAG 7. Juli 2005 - 2 AZR 447/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 136 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 139). Umgekehrt spricht bei alsbaldiger Wiedereröffnung des Betriebes bzw. bei alsbaldiger Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53).

41

Der Arbeitgeber trägt im Kündigungsschutzprozess die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dringende betriebliche Erfordernisse die Kündigung bedingen, § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG. Beruft sich der Arbeitgeber auf den betriebsbedingten Kündigungsgrund der Stilllegung, so ist, wenn das Vorliegen eines Stilllegungsentschlusses im Kündigungszeitpunkt bestritten wird, der Arbeitgeber verpflichtet, substanziiert darzulegen, dass und zu welchem Zeitpunkt er diejenigen organisatorischen Maßnahmen, die sich rechtlich als Betriebsstilllegung darstellen, geplant und beschlossen hat. Über diese Entschlussfassung hinaus muss der Arbeitgeber substanziiert vortragen, dass auch die geplanten Maßnahmen selbst im Kündigungszeitpunkt bereits greifbare Formen angenommen hatten (BAG 23. März 1984 - 7 AZR 409/82 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 38). Der Umfang der Darlegungslast hängt dabei auch davon ab, wie sich der gekündigte Arbeitnehmer auf die vom Arbeitgeber gegebene Begründung der Kündigung einlässt (vgl. BAG 17. Oktober 1980 - 7 AZR 675/78 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 10 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 15). Trägt der gekündigte Arbeitnehmer beispielsweise Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zeitpunkt der Kündigung eine Stilllegungsentscheidung nicht ernsthaft getroffen war, weil es Veräußerungsverhandlungen gegeben habe, und kommt es zu einer alsbaldigen Wiedereröffnung bzw. nahtlosen Fortsetzung durch einen Betriebserwerber, so trägt der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Wiedereröffnung bzw. Veräußerung nicht bereits voraussehbar oder gar geplant war (vgl. ErfK/Oetker 12. Aufl. § 1 KSchG Rn. 279).

42

b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Beklagte entgegen der ihn treffenden Darlegungslast keine ausreichenden Umstände für die Annahme vorgetragen hat, bei einer vernünftigen betriebswirtschaftlichen Betrachtung sei zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches davon auszugehen gewesen, eine Weiterbeschäftigung des Klägers werde mit Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr möglich sein.

43

Die gemäß § 286 Abs. 1 ZPO gewonnene Überzeugung des Tatsachengerichts, ob die vom Beklagten vorgetragenen und vom Kläger bestrittenen Tatsachen den Schluss auf einen endgültigen und ernsthaften Entschluss zur Betriebsstilllegung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung rechtfertigen, ist nur beschränkt revisibel(vgl. oben B II 1).

44

Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass für einen ernsthaften und endgültigen Beschluss, den Betrieb in P stillzulegen, zunächst der Gesellschafterbeschluss vom 14. April 2009 spricht. Gleiches gilt auch für die Information des Gläubigerausschusses durch den Beklagten am 6. Mai 2009. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht weiter berücksichtigt, dass der Abschluss des Interessenausgleichs und Sozialplans und die Massenentlassungsanzeige für eine ernsthafte und endgültige Stilllegungsabsicht sprechen. Dies macht aber nicht entbehrlich, die weiteren Umstände zu würdigen, die - wie die alsbaldige Wiedereröffnung bzw. Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit durch einen Betriebserwerber - gegen einen ernsthaften, endgültigen Stilllegungsentschluss sprechen. Die Prüfung, ob nach Würdigung der Umstände des Einzelfalles im Zeitpunkt der Kündigung die im Zusammenhang mit der behaupteten Stilllegungsabsicht getroffenen Maßnahmen bereits „greifbare Formen“ angenommen hatten, die ihrerseits wiederum einen Rückschluss auf die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsentschlusses zulassen, obliegt zuvörderst dem Tatsachengericht.

45

Angesichts der Veräußerung des Betriebsgrundstückes und materieller Betriebsmittel an die LPP sowie der Fortsetzung der betrieblichen Tätigkeit durch diese in P ab 1. September 2009 begegnet die Würdigung der weiteren Umstände durch das Landesarbeitsgericht keinen Bedenken. Die Wiederaufnahme der Produktion durch einen Betriebserwerber begründet eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Absicht, den Betrieb stillzulegen (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - AP KSchG 1969 § 15 Nr. 50 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 53). Dies gilt nicht nur dann, wenn ein Betriebsübergang innerhalb der Kündigungsfrist stattfindet. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 27. September 1984 (- 2 AZR 309/83 - BAGE 47, 13 = AP BGB § 613a Nr. 39 = EzA BGB § 613a Nr. 40) steht dem nicht entgegen. Zwar könnte ein solcher Bezug zur Kündigungsfrist aus dem Leitsatz Nr. 3c hergeleitet werden. Ein solcher ergibt sich aus den Entscheidungsgründen jedoch nicht. Vielmehr heißt es dort, dass bei alsbaldiger Wiedereröffnung eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht spricht. Der Entscheidung lässt sich nicht entnehmen, eine tatsächliche Vermutung gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht sei nur dann gegeben, wenn ein Betriebsübergang noch innerhalb der individuellen Kündigungsfrist stattfindet. Auch in späteren Entscheidungen des Zweiten Senats findet sich keine Einschränkung auf den Zeitraum der Kündigungsfrist (vgl. BAG 21. Juni 2001 - 2 AZR 137/00 - aaO; 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 - AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA BGB § 613a Nr. 64). Kommt es noch vor dem beabsichtigten oder alsbald nach dem beabsichtigten Stilllegungstermin zu einer Betriebsfortführung durch einen Betriebserwerber, so spricht die Erfahrung dafür, dass die Verhandlungen bzw. der Abschluss der Rechtsgeschäfte hierfür bereits längere Zeit zuvor stattgefunden haben. Dies rechtfertigt es, an die Betriebsfortführung durch den Unternehmer bzw. einen Erwerber die tatsächliche Vermutung zu knüpfen, zum Zeitpunkt der Kündigung der Arbeitsverhältnisse habe keine endgültige Stilllegungsabsicht bestanden. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, durch näheren Sachvortrag diese Vermutung zu widerlegen.

46

Ohne Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit setzte die LPP ab dem 1. September 2009 die Produktion von Leiterplatten im Betrieb in P mit den dort vorhandenen Betriebsmitteln fort. Zwar spricht der Inhalt der Grundbucheintragung vom 15. Oktober 2009 „Bezug: Bewilligung vom 21.07.2009/ 01.09.2009“ dafür, dass die zur Übertragung des Eigentums notwendigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen vom 21. Juli 2009 bzw. 1. September 2009 - also einem Zeitpunkt nach Zugang der Kündigung - stammen. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht aber darauf abgestellt, dass auch ernsthafte Veräußerungsverhandlungen zwischen dem Beklagten und der LPP einer ernsthaften Stilllegungsabsicht entgegenstehen. Erfahrungsgemäß gehen vertraglichen Vereinbarungen bzgl. einer Betriebsübernahme und eines Grunderwerbs, die in die Eintragung einer Auflassungsvormerkung münden, langfristige Vorverhandlungen voraus. Demnach ist die Vermutung gerechtfertigt, solche Verhandlungen seien bereits im Mai 2009, dem Zeitpunkt des Kündigungsausspruches, geführt worden. Dass solche zum Zeitpunkt der Kündigung (noch) nicht stattfanden, sondern tatsächlich ein endgültiger Stilllegungsentschluss getroffen war, hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt.

47

Allein die Entlassung von Arbeitnehmern spricht nicht für eine ernsthafte Stilllegungsabsicht, weil es gerade um die Frage geht, ob diese Kündigungen sozial gerechtfertigt sind (vgl. BAG 19. Juni 1991 - 2 AZR 127/91 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 53 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 70). Auch die Freistellung von einzelnen Arbeitnehmern ist kein ausschlaggebendes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss. Solche Freistellungen können nämlich in Absprache mit einem Betriebserwerber auch dazu dienen, angepasst an ein bestimmtes Auftragsvolumen nur bestimmte Leistungsträger zu übernehmen. So wie die Beschäftigung der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist nicht gegen eine ernsthafte Stilllegungsabsicht spricht (vgl. BAG 8. November 2007 - 2 AZR 554/05 - AP KSchG 1969 § 17 Nr. 28 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 156), so darf auch nicht allein aus deren Freistellung auf das Vorliegen eines endgültigen Stilllegungsentschlusses des Arbeitgebers geschlossen werden.

48

Auch die finanzielle Situation bei der Insolvenzschuldnerin ist kein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Stilllegungsbeschlusses. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bedeutet noch keine Betriebsstilllegung, weil der Insolvenzverwalter den Betrieb weiterführen kann (vgl. BAG 27. November 1986 - 2 AZR 706/85 -).

49

Demnach ist auch die zur Insolvenz führende Überschuldung grundsätzlich kein Indiz für eine Stilllegungsabsicht. Dies gilt im Streitfalle vor allem deshalb, weil der Beklagte die Veräußerung der Insolvenzschuldnerin in einem internationalen Bieterverfahren angesichts der unzureichenden Gewinnsituation angestrebt, also zunächst keine Stilllegung der Betriebe in G und P beabsichtigt hatte. Auch das Scheitern des internationalen Bieterverfahrens spricht nicht zwangsläufig für die Ernsthaftigkeit eines anschließenden Stilllegungsentschlusses, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat. Dass der Wunsch, einen Betrieb zu veräußern, sich nicht im ersten Anlauf verwirklichen lässt, drängt nicht zwingend den Schluss auf, dass der Arbeitgeber nach dem ersten gescheiterten Versuch das Gegenteil - nämlich die endgültige Betriebsstilllegung - beabsichtigt.

50

Nicht zu beanstanden ist, dass das Landesarbeitsgericht den Vortrag des Beklagten, er habe den Kunden mitgeteilt, die Insolvenzschuldnerin produziere bis zum 31. August 2009, nicht für die Annahme hat genügen lassen, die beabsichtigte Betriebsstilllegung habe bereits im Zeitpunkt der Kündigungserklärung greifbare Formen angenommen gehabt.

51

Allerdings liegt in der Regel ein starkes Indiz für einen ernstlichen und endgültigen Stilllegungsplan vor, wenn der Arbeitgeber den Stilllegungsbeschluss gegenüber Lieferanten, Kunden, Banken usw. bekannt gibt (vgl. APS/Kiel 4. Aufl. § 1 KSchG Rn. 489), weil ein Arbeitgeber, der die Betriebsfortführung oder Veräußerung ernsthaft ins Auge fasst, die Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten, Kunden, Banken etc. in der Regel nicht durch die Bekanntgabe einer Stilllegungsentscheidung gefährden will (vgl. BAG 10. Oktober 1996 - 2 AZR 477/95 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 81 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 87). Erst recht wird der Arbeitgeber langfristige Geschäftsbeziehungen nicht kündigen, wenn eine Betriebsveräußerung bzw. -fortführung beabsichtigt ist. Deshalb begründen organisatorische Vorkehrungen wie der Ausspruch von Kündigungen solcher Geschäftsbeziehungen ein starkes Indiz für einen ernsthaften Stilllegungsbeschluss. Nach eigenem Sachvortrag hat der Beklagte aber weder gegenüber Kunden, Banken, Lieferanten noch gegenüber dem Leasinggeber Kündigungen ausgesprochen. Dass der Beklagte nach § 103 Abs. 2 Satz 1 InsO die Erfüllung von Verträgen abgelehnt hat, wird von ihm ebenfalls nicht konkret behauptet. Er trägt vor, er habe im Hinblick auf die in der Branche übliche Verfahrensweise - die Kunden avisierten mit einem „letter of intent“ ein bestimmtes (jährliches) Abrufvolumen und würden dieses dann kurzfristig vor dem gewünschten Liefertermin abrufen - keine Kündigungen aussprechen müssen und deshalb die Kunden darüber informiert, die Insolvenzschuldnerin werde bis zum 31. August 2009 produzieren. Nicht angegeben hat der Beklagte, wann und wie genau diese Information gegeben worden sein soll. Mit diesem Sachvortrag ist der Beklagte seiner Darlegungslast nicht nachgekommen, da es gerade auf den Zeitpunkt und den Inhalt der Kundeninformation ankommt, wenn daraus auf die Ernsthaftigkeit eines Stilllegungsentschlusses geschlossen werden soll. Hätte der Beklagte die von ihm behauptete Information bspw. erst während laufender Veräußerungsverhandlungen an Kunden gegeben, spräche dies nicht für einen ernsthaften Stilllegungsentschluss, da damit nur ein Hinweis auf ein Auslaufen der Produktion durch den Beklagten und die künftige Veräußerung des Betriebes verbunden sein könnte. Hinzu kommt, dass nach dem eigenen Sachvortrag des Beklagten bei dem von ihm geschilderten Vertriebsmodell nur mit einer unmissverständlichen Kundeninformation hätte sichergestellt werden können, dass kein Beschäftigungsbedarf über den 31. August 2009 hinaus besteht. Während bei anderen Arbeitgebern das Bemühen um neue Aufträge im Kündigungszeitpunkt einer endgültigen Stilllegungsabsicht entgegensteht, könnte bei dem vom Beklagten geschilderten Vertriebsmodell eine Prognose, mit Ablauf der Kündigungsfrist werde der Beschäftigungsbedarf für alle Arbeitnehmer entfallen, dann sichergestellt werden, wenn die Kunden unmissverständlich darüber informiert worden wären, dass Bestellungen und Lieferungen für die Zeit nach der beabsichtigten Stilllegung nicht mehr erfolgen können. Dies wird auch am eigenen Sachvortrag des Beklagten zum Betrieb in G deutlich. Dort hatte der Beklagte den Kunden bereits mitgeteilt, ein Investor werde einsteigen, weshalb ein Auftragsvolumen bzw. Abrufe für die Zeit nach dem 31. August 2009 zu verzeichnen waren, welche zunächst eine Verlängerung der Ausproduktion bis in den Dezember 2009 hinein notwendig machten. Eine unmissverständliche Kundeninformation kann dem Vortrag des Beklagten nicht schlüssig entnommen werden. Vielmehr kündigten Kunden der Insolvenzschuldnerin für den Betrieb in P Warenabrufe für die Zeit nach dem 31. August 2009 an bzw. stellten solche in Aussicht. Der Kläger hat dazu unwidersprochen vorgetragen, dass die LPP für die Zeit nach dem 31. August 2009 ausreichend Aufträge vorfand. Schon diese Umstände sprechen gegen eine unmissverständliche Kundeninformation. Weiter kommt in diesem Zusammenhang dem Inhalt der Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin vom 14. September 2009 Bedeutung zu. Nach dieser ist es der Insolvenzschuldnerin bzw. dem Beklagten durch die hervorragende Reputation der Insolvenzschuldnerin gelungen, „in den Folgemonaten sogar einen neuen Großkunden für sich zu gewinnen und andere maßgebliche Bedarfsträger platzierten Zusatzaufträge zur Stützung ihres strategischen Lieferantenpartners“. Diese Angaben in der Pressemitteilung der Insolvenzschuldnerin stehen im Widerspruch zu den Angaben des Beklagten, er habe nur eine Ausproduktion geplant und die Kunden hierüber informiert. Es wäre deshalb Sache des Beklagten gewesen, konkret anzugeben, wie die behauptete Information der Kunden erfolgt ist und ob sich die in der Pressemitteilung angedeutete werbende Tätigkeit am Markt - „ein neuer Großkunde wurde gewonnen“ - ggf. allein auf den Betrieb in G bezog, weil sich das von beiden Betrieben gefertigte Sortiment ggf. stark unterschied. Die Darlegung des Zeitpunktes und des Inhalts einer Kundeninformation wäre - deren Existenz unterstellt - auch unschwer durch Vorlage von Informationsschreiben möglich gewesen.

52

Soweit der Beklagte vorgetragen hat, es sei vorbereitet worden, dass pünktlich zum 31. August 2009 die Lieferanten ihre Lieferungen einstellen, weil der Beklagte nicht mehr erfüllen werde, stellt dieser Sachvortrag eine pauschale, nicht überprüfbare Behauptung dar, mit welcher der Beklagte seiner Darlegungslast (§ 138 Abs. 2 ZPO) nicht nachgekommen ist. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht daher auch diesen Vortrag nicht genügen lassen, um „greifbare Formen“ der Stilllegung als Indiz für einen endgültigen Stilllegungsentschluss anzunehmen.

53

Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, aus dem Vortrag zur Veräußerung und Verwertung von Betriebsmitteln ergebe sich kein ausreichendes Indiz für eine endgültige, ernsthafte Stilllegungsabsicht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zwar vorgetragen, die Firma A habe in seinem Auftrag Betriebsmittel inventarisiert, bewertet und teilweise veräußert. Allerdings ergibt sich aus seinem eigenen Vortrag, dass dies nur Betriebsmittel betraf, die nicht für die Ausproduktion, dh. eine Produktion mit geringerer Auslastung, benötigt wurden. Eine Beauftragung zur Veräußerung von Betriebsmitteln darüber hinaus, dh. insbesondere eine Beauftragung zur Veräußerung aller im Eigentum der Insolvenzschuldnerin stehenden Betriebsmittel für die Zeit nach der beabsichtigten Stilllegung, behauptet der Beklagte nicht. Vor allem ergibt sich aus seinem Vortrag nicht, wann die Beauftragung der Firma A erfolgt ist, so dass es auch denkbar wäre, dass die Beauftragung erst erfolgte, als die Betriebsveräußerung an die LPP unmittelbar bevorstand und in Absprache mit dieser vorgenommen wurde. Im Übrigen ergibt sich aus dem Sachvortrag des Beklagten nur, dass in G schon Vermessungen der Maschinen und Anlagen sowie Gewichtsklärungen zum Abtransport vorgenommen worden sind. Deshalb liegt es nahe, dass sich die vom Beklagten vorgelegte Bestätigung der Firma A auf Betriebsmittel des Betriebes in G bezieht. Daher wäre auch insoweit ein konkreter Sachvortrag, wann die Beauftragung erfolgte und welchen konkreten Inhalt sie hatte, notwendig gewesen, um mit einer etwaig eingeleiteten Veräußerung von Betriebsmitteln ein Indiz für eine beabsichtigte Stilllegung, die bereits greifbare Formen angenommen hatte, zu liefern.

54

Soweit der Beklagte geltend macht, zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruches habe er keinerlei Veräußerungsverhandlungen geführt und das Landesarbeitsgericht habe seinen Vortrag, wonach erst im August 2009 die E GmbH ein Angebot zum Erwerb des Betriebsgrundstücks unterbreitet habe, übergangen, greift diese Rüge nicht durch. Dieser Sachvortrag war nicht geeignet, die gegen eine Stilllegungsabsicht sprechende Vermutung infolge der tatsächlich ab 1. September 2009 erfolgten Betriebsfortführung zu widerlegen. Der Sachvortrag des Beklagten ist schon zeitlich nicht hinreichend konkret. Zudem enthält er keine Ausführungen zu Art, Inhalt und zeitlichem Rahmen der Vertragsverhandlungen. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landesarbeitsgericht auch nicht festgestellt, vor dem 21. Juli 2009 habe es keine Verhandlungen gegeben. Unstreitig ist vielmehr, dass es Gespräche mit Z gegeben hat. Unklar ist, wann genau diese stattfanden und welchen Inhalt sie hatten. Der Sachvortrag, es habe im August 2009 durch die E GmbH ein Angebot gegeben war schließlich durch die Einlassung des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht überholt, weshalb sich das Landesarbeitsgericht hiermit nicht näher auseinandersetzen musste. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2010 erklärt, „womöglich habe es am 21.07.2009 bereits ein Angebot gegeben. Er könne nicht sagen, ob es da schon entsprechende Verhandlungen gegeben hat“. Mit diesem Vortrag genügte der Beklagte seiner Darlegungslast nach § 138 Abs. 2 ZPO nicht. Zur Widerlegung der gegen die Stilllegungsabsicht sprechenden Vermutung der Betriebsfortführung hätte der Beklagte konkret dartun müssen, wann und auf wessen Initiative, Verhandlungen mit der LPP oder der E GmbH bzw. mit den für diese handelnden Personen stattgefunden hatten. Nur so wäre auszuschließen, dass eine Betriebsveräußerung schon zum Kündigungszeitpunkt ins Auge gefasst war. Soweit der Beklagte erstmals in der Revisionsinstanz vorträgt, dass ein Angebot der „E bzw. der LPP GmbH erstmalig am 21.07.2009 in notariell beglaubigter Form“ erfolgt ist, welches bis zum 15. September 2009 habe geprüft werden können, handelt es sich um einen in der Revisionsinstanz nicht zu beachtenden neuen Sachvortrag, § 559 Abs. 1 ZPO. Die erhobene Verfahrensrüge nach § 139 Abs. 2 ZPO bleibt demzufolge ohne Erfolg.

55

Auch die übrigen vom Beklagten erhobenen Rügen von Verfahrensmängeln sind nicht durchgreifend. Insoweit sieht der Senat nach § 564 ZPO iVm. § 72 Abs. 5 ArbGG von einer Begründung ab.

56

3. Für den Prüfungsmaßstab und die Darlegungslast des Arbeitgebers ist es unerheblich, ob dem Arbeitnehmer ggf. ein Anspruch auf Wiedereinstellung zusteht, wenn sich die Prognose des Arbeitgebers bezüglich der Betriebsstilllegung als fehlerhaft erweist. Denn der von einem möglichen Wiedereinstellungsanspruch vermittelte Schutz bleibt hinter dem des Kündigungsschutzgesetzes zurück (vgl. BAG 13. Februar 2008 - 2 AZR 75/06 -; 12. April 2002 - 2 AZR 256/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118). Insbesondere trägt der Arbeitnehmer, der einen Wiedereinstellungsanspruch geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. BAG 25. September 2008 - 8 AZR 607/07 - AP BGB § 613a Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98). Auch erlischt ein möglicherweise entstandener Wiedereinstellungsanspruch, wenn berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen, was der Fall sein kann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitsplatz schon mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt und damit Dispositionen getroffen hat (vgl. BAG 4. Mai 2006 - 8 AZR 299/05 - BAGE 118, 168 = AP BGB § 613a Nr. 304 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 51). Vor allem kommt nach der Rechtsprechung des Senats ein Wiedereinstellungsanspruch bei einem Betriebsübergang nach dem Ablauf der Kündigungsfrist bei einer insolvenzbedingten Kündigung ohnehin nicht in Betracht (vgl. BAG 28. Oktober 2004 - 8 AZR 199/04 - EzA BGB 2002 § 613a Nr. 30).

57

III. Da die streitgegenständliche Kündigung sozial ungerechtfertigt und mithin rechtsunwirksam ist (§ 1 Abs. 1 KSchG), bedarf es keiner Entscheidung, ob die Kündigung auch wegen Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB unwirksam ist.

58

C. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Schuckmann    

        

    Mallmann    

                 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 21. November 2013 - 2 Sa 413/13 - aufgehoben.

Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 20. März 2013 - 1 Ca 5883/12 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits und die der Nebenintervention zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob ein Arbeitsverhältnis, das zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2. bestanden hat, infolge eines Betriebsübergangs am 1. März 2012 auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist.

2

Beide Beklagten betreiben Zustelldienste. Sie gehören jeweils zu 75 % der H GmbH und zu 25 % der S GmbH. Neben den beiden Beklagten existieren noch weitere Zustellgesellschaften mit gleicher Gesellschafterstruktur, die im Stadtgebiet München in gegeneinander abgegrenzten Sektoren Münchener und andere regionale und überregionale Druckerzeugnisse, insbesondere Zeitungen, an Abonnenten zustellen. Einziger Auftraggeber dieser Gesellschaften ist die S L GmbH, eine 100-prozentige Tochter der S GmbH.

3

Der Kläger war seit dem 16. November 2000 bei der Beklagten zu 2. als Zeitungszusteller mit 20 Wochenstunden beschäftigt. Nach seiner Darstellung betrug sein Bruttomonatseinkommen 816,00 Euro. Er war Mitglied des im Betrieb der Beklagten zu 2. gebildeten Betriebsrats.

4

Mit Schreiben vom 30. November 2011 kündigte die S L GmbH den mit der Beklagten zu 2. geschlossenen Zustellvertrag zum 29. Februar 2012. Das Kündigungsschreiben war ua. von Herrn K als einem der Geschäftsführer der S L GmbH unterzeichnet. Am 12. Januar 2012 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten zu 2. die Einstellung des Geschäftsbetriebs und die Betriebsstilllegung zum 29. Februar 2012. Davon unterrichtete die Beklagte zu 2. mit Schreiben vom gleichen Tag den bei ihr gebildeten Betriebsrat und forderte ihn zu Verhandlungen über einen Interessenausgleich auf.

5

Am 13. Februar 2012 wurde K zum Geschäftsführer der Beklagten zu 1. bestellt. Deren jetzige Firma war - bei unverändertem Geschäftsgegenstand - zuvor am 4. Oktober 2011 in das Handelsregister eingetragen worden. Die S L GmbH und die Beklagte zu 1. schlossen am 29. Februar 2012 einen Dienstleistungsvertrag über die Zustellung von Abonnementzeitungen und weiteren adressierten Sendungen in den Postleitzahlenbereichen 80331, 80333, 80539, 81541, 81543 und 81547. Dies entsprach dem Zustellbereich, den bisher die Beklagte zu 2. mit dem gekündigten Zustellvertrag wahrgenommen hatte. Sieben der im Januar 2012 noch bei der Beklagten zu 2. beschäftigten 57 Arbeitnehmer schlossen neue Arbeitsverträge mit der Beklagten zu 1. ab.

6

Am 1. März 2012 begann die Beklagte zu 1. mit der Zustellung. Sie stellte die Touren der Zusteller neu zusammen und reduzierte sie von 140 auf 98 Touren. Einzelne Großkunden wurden nunmehr direkt beliefert. Die drei Verteilstellen, an denen sich die Zusteller der Beklagten zu 2. noch die Zeitungen abholten, entfielen. Die Zusteller wurden von der S L GmbH direkt beliefert. Die Beklagte zu 1. erhielt von der Beklagten zu 2. die für die Zustellung benötigten Hauseingangsschlüssel der Abonnenten ausgehändigt, die sie entsprechend der neu zusammengestellten Touren umsortierte.

7

Nach Anhörung ihres Betriebsrats kündigte die Beklagte zu 2. das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger schriftlich am 28. April 2012 zum 31. August 2012 wegen Stilllegung ihres Betriebs.

8

Am 18. Mai 2012 hat der Kläger eine dagegen gerichtete Kündigungsschutzklage erhoben und zugleich die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis infolge eines Betriebsübergangs zum 1. März 2012 auf die Beklagte zu 1. übergegangen ist. Die Kündigungsschutzklage wurde vom Arbeitsgericht München am 20. März 2013 - 1 Ca 5883/12 - rechtskräftig abgewiesen.

9

Zur Begründung der gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Feststellungsklage hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass diese den Betrieb von der Beklagten zu 2. übernommen habe. Sie habe in vollem Umfang die bisherige Verteilung der Zeitungen nahtlos fortgeführt und die Hausschlüssel, die den Zugang zu den Abonnentenbriefkästen ermöglichten, von der Beklagten zu 2. übernommen. Diese Schlüssel seien entscheidend für die Zustellung der Zeitungen in die Hausbriefkästen in den frühen Morgenstunden und für die Ausübung der Kerntätigkeit des Zeitungszustellens unverzichtbar. Hintergrund der Neuvergabe des Auftrags an die Beklagte zu 1. sei es gewesen, dass der Betriebsrat der Beklagten zu 2. sich nach 18 Jahren ohne Lohnerhöhung für eine Erhöhung der Zustellvergütungen eingesetzt habe.

10

Soweit für die Revision von Belang hat der Kläger zuletzt beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1. zu unveränderten Bedingungen über den 29. Februar 2012 hinaus fortbesteht;

        

2.    

die Beklagte zu 1. zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Zeitungszusteller weiterzubeschäftigen.

11

Die Beklagten haben zur Begründung des Antrags auf Klageabweisung bestritten, dass es zu einem Betriebsübergang gekommen sei. Dieser scheitere bereits daran, dass die Beklagte zu 1. einen betriebsmittelarmen Betrieb betreibe und keinen nach Zahl und Sachkunde erheblichen Teil der früheren Arbeitnehmer der Beklagten zu 2. übernommen habe. Die früher von der Beklagten zu 2. genutzten Hausschlüssel seien nur für rd. 80 % der Zustellungen erforderlich gewesen. Sie bildeten zudem nicht den eigentlichen Kern des wirtschaftlichen Wertschöpfungszusammenhangs, sondern seien ein reines Hilfsmittel. Es handele sich um einen Fall der Auftragsnachfolge, der keinen Betriebsübergang darstelle.

12

Das Arbeitsgericht hat den gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klageanträgen stattgegeben. Die Berufung der Beklagten zu 1. blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte zu 1., unterstützt durch die Beklagte zu 2. als Nebenintervenientin, ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Entscheidungsgründe

13

A. Die zulässige Revision ist begründet. Die Vorinstanzen haben der gegen die Beklagte zu 1. gerichteten Klage zu Unrecht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist nicht nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB infolge eines Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 1. übergegangen.

14

Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die wirtschaftliche Identität des Betriebs der Beklagten zu 1. und zu 2. sei maßgeblich nicht durch die Arbeitskraft der beschäftigten Arbeitnehmer, sondern durch die genutzten Hausschlüssel zusammen mit anderen Kriterien geprägt. Die Schlüssel seien auf dem freien Markt nicht erhältlich, sondern nur über die jeweiligen Wohnungseigentümer oder Hausverwaltungen zu erlangen. Daher seien sie für die Wahrung der wirtschaftlichen Einheit von deutlich größerer Bedeutung als Hilfsmittel, die der Auftragsnachfolger anderweitig käuflich erwerben könne und auf deren Übergabe er daher nicht angewiesen sei. Der Auftragsneuvergabe komme großes Gewicht zu, da sie nicht über den Wettbewerb auf dem freien Markt erfolgt sei, sondern von der S L GmbH und der sie beherrschenden S GmbH bewusst gesteuert worden sei. Ohne wesentliche Änderung sei innerhalb des Konzerns der Auftrag von einem Tochterunternehmen auf das andere verschoben worden. Dabei sei die S L GmbH nicht bereit gewesen, den Zustellauftrag der Beklagten zu 2. neu zu vergeben oder zu geänderten Bedingungen zu verlängern, ja überhaupt noch mit der Beklagten zu 2. über eine neue Auftragserteilung zu verhandeln. Der Auftragsnachfolge im Konzern werde auch im Kündigungsschutzrecht erhebliches Gewicht beigemessen. Die Entscheidung eines Unternehmens, einen Betriebsteil durch eine noch zu gründende finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen voll eingegliederte Organgesellschaft mit von dieser neu einzustellenden Arbeitnehmern weiterbetreiben zu lassen, stelle kein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG dar. Diese Überlegung sei auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Die im Konzern weiterbestehende Beschäftigungsmöglichkeit müsse im Rahmen einer Gesamtwürdigung als für einen Betriebsübergang sprechender Umstand angesehen werden.

15

B. Diese Begründung hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

16

I. Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001 (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. nur EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 40 mwN; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 39 mwN).

17

1. Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 31 mwN; vgl. auch BAG 10. November 2011 - 8 AZR 538/10 - Rn. 17).

18

2. Den für das Vorliegen eines Übergangs maßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (näher EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und Demir] Rn. 35 mwN, Slg. 2005, I-11237; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 40 ff. mwN). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. ua. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 23. Mai 2013 - 8 AZR 207/12 - Rn. 22; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 39).

19

3. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 49 ff., Slg. 2011, I-7491; vgl. auch 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 36, 39 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 41; 21. Juni 2012 - 8 AZR 181/11 - Rn. 31).

20

4. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 39 ff., Slg. 2011, I-95; BAG 23. September 2010 - 8 AZR 567/09 - Rn. 30).

21

II. Nach diesen Grundsätzen muss vorliegend ein Betriebsübergang verneint werden.

22

1. Beim Betrieb der Beklagten zu 2. handelt es sich um eine eigenständige, abgrenzbare und auf Dauer angelegte wirtschaftliche Einheit. Diese hat die Beklagte zu 1. aufgrund einer Gesamtbewertung nicht übernommen, sondern sie führt lediglich im Wege der Funktionsnachfolge einen Auftrag aus, der früher der Beklagten zu 2. erteilt worden war.

23

2. Die zu prüfenden Merkmale führen in der Gesamtbetrachtung zum Ergebnis, dass ein Betriebsübergang nicht vorliegt.

24

a) Bei Zustellbetrieben, wie sie beide Beklagten unterhalten bzw. unterhielten, handelt es sich um klassische Dienstleistungsunternehmen, bei denen die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt steht (BAG 25. Juni 2009 - 8 AZR 258/08 - Rn. 29). Fehlten nennenswerte materielle oder immaterielle Vermögenswerte oder wurden sie nicht übernommen, so ist von einer Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit dann auszugehen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt. Vorliegend hat die Beklagte zu 1. nur mit sieben der bei der Beklagten zu 2. beschäftigten 57 Arbeitnehmer neue Arbeitsverträge abgeschlossen, wobei das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt hat, dass es sich um den für die Sachkunde wesentlichen Teil des Personals der Beklagten zu 2. handelte. Damit ist in Betrieben, in denen die menschliche Arbeitskraft im Mittelpunkt steht (früher als „betriebsmittelarme Betriebe“ bezeichnet), eine wichtige Voraussetzung für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht erfüllt.

25

b) Immaterielle Aktiva bei einem Zeitungszustellbetrieb sind die Organisation und Durchführung und damit die Zuverlässigkeit der Zustellung. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Beklagte zu 1. diese immateriellen Aktiva nicht so wie die Beklagte zu 2. fortgeführt. Vielmehr hat sie die Zustellertouren neu zusammengestellt und sie um ein Drittel reduziert. Die Verteilstellen sind weggefallen, Großkunden werden außerhalb der Zustelltouren direkt beliefert. Rechtlich zutreffend ist daher das Landesarbeitsgericht der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, ob die Beklagte zu 1. die Tourenbücher der Beklagten zu 2. erhalten hat, nicht nachgegangen. Denn diese sind jedenfalls nicht weiterhin Grundlage des von der Beklagten zu 1. neu organisierten Betriebs der Zeitungszustellung geworden.

26

c) Ebenso zutreffend ist das Berufungsgericht nicht der Frage nachgegangen, ob die Beklagte zu 1. teilweise Fahrräder oder Handwagen, die früher die Zusteller der Beklagten zu 2. benutzten, weiterhin in ihrem Betrieb verwendet. Es wurde weder vorgetragen noch festgestellt, dass diese Betriebsmittel Besonderheiten aufwiesen, etwa eine besondere werbliche Gestaltung, die ihre Beschaffung auf dem freien Markt nicht ohne Weiteres ermöglicht hätten. Es kann daher unterstellt werden, dass die Beklagte zu 1. derlei Hilfsmittel weiterverwendet.

27

Nicht ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht dagegen angenommen, dass die Übernahme der für die Zustellung wichtigen Hausschlüssel bei wertender Betrachtungsweise den „eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmache“ und daher bei den Betrieben der Beklagten von betriebsmittelgeprägten wirtschaftlichen Einheiten auszugehen sei. Es trifft zu, dass die Hausschlüssel für etwa 80 % der Zustellungen unverzichtbar sind und ohne sie die Zeitungen nicht in die derzeit vorhandenen Briefkästen der Abonnenten eingeworfen werden könnten. Damit handelt es sich um ein materielles Betriebsmittel von Gewicht, aber auch nicht um mehr. Das Berufungsgericht hat gesehen, dass die eigentliche Leistung der Zustellung nicht durch die Hausschlüssel, sondern nur mit ihrer Hilfe erbracht werden kann. Es handelt sich daher um wichtige Hilfsmittel, die jedoch nicht die Identität der Einheit prägen.

28

d) Bei den weiteren, den Vorgang kennzeichnenden Umständen ist zu berücksichtigen, ob sie eine „Übernahme“ iSd. Fortführung des beim potentiellen Veräußerer bestehenden Betriebs darstellen oder ob sie nicht vielmehr durch die Eigenart des übernommenen Auftrags bedingt sind und daher als Begleiterscheinung der Auftragsnachfolge nicht prägend für die Annahme eines Betriebsübergangs sein können.

29

aa) Die Beklagte zu 1. hat von der Beklagten zu 2. nicht „die Art ihres Unternehmens“ übernommen. Die Beklagte zu 1. war unstreitig schon vorher eine der Zustellgesellschaften, die die beiden Hauptgesellschafter unterhielten. Die vom Kläger betonte Umfirmierung der Beklagten zu 1. im Oktober 2011 ist rechtlich nicht erheblich. Der Unternehmenszweck der Beklagten zu 1. blieb unverändert und war auch schon vor der Umfirmierung auf die Zustellung von Printmedien im Gebiet der Landeshauptstadt München durch Austräger einer eigenen Zustellungsorganisation definiert. Die Beklagte zu 1. verfolgt also einen Unternehmenszweck, der schon vor der Übernahme des Zustellauftrags bestand und nicht etwa von der Beklagten zu 2. „übernommen“ wurde.

30

bb) Entsprechendes gilt für die Kontinuität des „Kunden“. Auch dieser Kunde und Auftraggeber, die S L GmbH, wurde nicht von der Beklagten zu 2. „übernommen“, sondern beide Beklagten hatten diesen Auftraggeber schon vor dem Wechsel als einzigen Kunden, wie andere Zustellgesellschaften, die die Gesellschafter neben den beiden Beklagten unterhalten.

31

cc) Es trifft zu, dass von beiden Beklagten der gleiche Zustellbereich bedient wird und dass dies ohne Unterbrechung nahtlos vom 29. Februar zum 1. März 2012 erfolgte. Dies beides liegt jedoch in der Natur dieser Auftragsnachfolge, ist also für sich genommen kein besonderes Indiz für einen Betriebsübergang. An sich richtig ist, dass vorliegend der Auftrag nicht über den freien Markt, sondern innerhalb des Unternehmensverbunds der S neu vergeben wurde. Die vom Landesarbeitsgericht übernommene Parallele in Sonderfällen des Kündigungsschutzgesetzes geht jedoch rechtlich zu weit. Eine Auftragsneuvergabe und Funktionsnachfolge wird nicht dadurch zum Betriebsübergang, dass sie im Rahmen eines Unternehmensverbunds oder Konzerns erfolgt.

32

In der Gesamtbetrachtung sprechen also unter Berücksichtigung der Eigenart des Betriebs, den sowohl die Beklagte zu 2. unterhielt als nunmehr die Beklagte zu 1. unterhält, nur Merkmale von geringerem Gewicht für einen Betriebsübergang. Außerhalb der Tatsache einer Auftragsnachfolge mit den damit notwendig verbundenen Merkmalen wie gleicher Zustellbezirk und nahtlose Fortsetzung der Zustellung, die für sich allein genommen einen Betriebsübergang nicht ausmachen können, ist es nur die Übernahme eines wichtigen, jedoch nicht prägenden materiellen Betriebsmittels. Die Kundenbeziehung sowie die Art des Unternehmens sind bei der Beklagten zu 1. schon vor der Auftragsübernahme festzustellen. Die Organisation der Zustellung hat die Beklagte zu 1. geändert. Die Übernahme des für das Dienstleistungsunternehmen prägenden Personals in nach Zahl oder Sachkunde wichtigen Teilen liegt nicht vor. Daher ist im Ergebnis ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. zu verneinen.

33

C. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    Volz    

        

    Wankel    

                 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 4. Dezember 2013 - 2 Sa 153/13 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und in diesem Zusammenhang insbesondere über die Voraussetzungen eines Betriebs(teil)übergangs.

2

Der Kläger ist seit Januar 2002 als Objektschützer in der Hochschule der B in S (im Folgenden: Hochschule) tätig, eingesetzt von wechselnden Wach- und Sicherheitsfirmen. Seit dem 1. Juli 2012 verrichtet der Kläger diese Tätigkeit für den Beklagten, der ein Unternehmen des Bewachungs- und Sicherheitsgewerbes betreibt. Zuvor war der Kläger für seine Tätigkeit in der Hochschule im Zeitraum vom 1. März 2008 bis zum 30. Juni 2012 mit einem auf letzteres Datum befristeten Arbeitsvertrag bei S GmbH (im Folgenden: S) beschäftigt. Für S waren in der Hochschule neben dem Kläger eine weitere Vollzeitkraft - Herr Ba - sowie zwei Teilzeitkräfte - mit jeweils halber regelmäßiger Arbeitszeit - eingesetzt.

3

Als der Beklagte den Objektschutz der Hochschule mit Wirkung ab dem 1. Juli 2012 übernahm, stellte er dafür den Kläger und Herrn Ba mit neuen Arbeitsverträgen ein. Die beiden Teilzeitkräfte übernahm er nicht. Im unbefristet vereinbarten Arbeitsvertrag des Klägers mit dem Beklagten vom 19. Juni 2012 ist eine Probezeit vorgesehen. Die Tätigkeit des Klägers blieb unverändert.

4

Die Bewachungsaufgaben an der Hochschule werden ohne Waffen und ohne Diensthund ausgeübt. Dienstkleidung wird vom jeweiligen Arbeitgeber zur Verfügung gestellt, die Objektschlüssel von der Hochschule. Es sind Wachgänge zu absolvieren. Daneben wird die Tätigkeit in dem im Objekt vorhandenen Wachraum mit Poststelle ausgeübt. Dort befinden sich ein Schreibtisch, ein Schrank, ein Festnetztelefon, ein Notruftelefon, die Brandmeldezentrale, einige Stühle sowie ein Tisch. Wie auch zuvor bei S gehört es zu den Bewachungsaufgaben, außerhalb der Dienstzeiten der Mitarbeiter der Hochschule die Telefonanlage und die Poststelle zu betreuen.

5

Mit Schreiben vom 28. November 2012, zugegangen am 30. November 2012, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung. In diesem Schreiben wurde als Kündigungsgrund „Alkoholgenuss während der Dienstzeit sowie Alkohol-‚Fahne‘ bei Dienstantritt im Objekt“ genannt.

6

Gegen diese Kündigung hat der Kläger rechtzeitig die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einem Grund für eine außerordentliche Kündigung. Im Fall einer - aus seiner Sicht nicht möglichen - Umdeutung in eine ordentliche Kündigung entspreche diese nicht den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes. Dieses sei auf die Kündigung anzuwenden, da das Arbeitsverhältnis nach § 613a BGB im Wege des Betriebsteilübergangs auf den Beklagten, dessen Betrieb in den betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes falle, übergegangen sei und damit weit länger als sechs Monate bestehe.

7

Der Kläger hat zuletzt beantragt

        

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 28. November 2012, dem Kläger zugegangen am 30. November 2012, nicht beendet wurde, sondern fortbesteht.

8

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Auf Kündigungsgründe iSv. § 1 Abs. 2 KSchG komme es nicht an, da das Arbeitsverhältnis im Kündigungszeitpunkt noch nicht länger als sechs Monate bestanden habe. Ein Betriebsteilübergang liege nicht vor.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten nicht mit sofortiger Wirkung, sondern erst zum 14. Dezember 2012 beendet worden ist. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die gegen diese Klageabweisung gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

11

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger könne sich nicht auf das Kündigungsschutzgesetz berufen, da die Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG nicht erfüllt sei. Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang von S auf den Beklagten, der zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes führen könne, liege nicht vor. Mit zwei Vollzeitkräften seien lediglich zwei Drittel der Belegschaft übernommen worden. Bei einer Tätigkeit im Bewachungsgewerbe reiche nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Übernahme von 66 % des Personals nicht aus.

12

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Ausführungen in der Begründung rechtfertigen nicht den Schluss, dass kein Betriebsübergang vorliegt.

13

I. Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB und im Sinne der Richtlinie 2001/23/EG liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt(vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 18. September 2014 - 8 AZR 733/13 - Rn. 18; 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 39).

14

1. Dabei muss es um eine auf Dauer angelegte Einheit gehen, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist. Um eine solche Einheit handelt es sich bei jeder hinreichend strukturierten und selbständigen Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck (EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - Amatori ua.] Rn. 31 f. mwN).

15

2. Den für das Vorliegen eines Übergangsmaßgebenden Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- oder Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (näher EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237; BAG 18. September 2014 - 8 AZR 733/13 - Rn. 18; 22. August 2013 - 8 AZR 521/12 - Rn. 40 ff. mwN). Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit ihre Identität bewahrt, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (vgl. ua. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 34 mwN, Slg. 2011, I-95; BAG 18. September 2014 - 8 AZR 733/13 - aaO; 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 21).

16

3. Kommt es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an, kann eine strukturierte Gesamtheit von Arbeitnehmern trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Wenn eine Einheit ohne nennenswerte Vermögenswerte funktioniert, kann die Wahrung ihrer Identität nach ihrer Übernahme nicht von der Übernahme derartiger Vermögenswerte abhängen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt (EuGH 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 49, Slg. 2011, I-7491; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 22).

17

4. Kommt es im Wesentlichen auf die Betriebsmittel wie etwa das Inventar an, dann kann ein Übergang einer ihre Identität bewahrenden Einheit auch ohne Übernahme von Personal vorliegen (vgl. EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 37, Slg. 2003, I-14023; BAG 21. August 2014 - 8 AZR 648/13 - Rn. 19). Ohne Bedeutung ist, ob das Eigentum an den eingesetzten Betriebsmitteln übertragen worden ist (EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 41 mwN, aaO; BAG 11. Dezember 1997 - 8 AZR 426/94 - zu B I der Gründe, BAGE 87, 296).

18

5. Hingegen stellt die bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen (Funktionsnachfolge) ebenso wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (vgl. EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 36 und 41, Slg. 2011, I-95; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 23).

19

6. Der Begriff „durch Rechtsgeschäft“ des § 613a BGB ist wie der Begriff „durch vertragliche Übertragung“ in Art. 1 Abs. 1a der Richtlinie 2001/23/EG(dazu ua. EuGH 7. März 1996 - C-171/94 - [Merckx und Neuhuys] Rn. 28, Slg. 1996, I-1253; 6. September 2011 - C-108/10 - [Scattolon] Rn. 63, Slg. 2011, I-7491) weit auszulegen, um dem Zweck der Richtlinie - dem Schutz der Arbeitnehmer bei einer Übertragung ihres Unternehmens - gerecht zu werden. So ist es nicht erforderlich, dass zwischen Veräußerer und Erwerber unmittelbar vertragliche Beziehungen bestehen; die Übertragung kann auch unter Einschaltung eines Dritten, wie zB des Eigentümers oder des Verpächters, erfolgen (ua. EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Abler ua.] Rn. 39 mwN, Slg. 2003, I-14023; BAG 18. September 2014 - 8 AZR 733/13 - Rn. 18).

20

7. Dem Übergang eines gesamten Betriebs steht, soweit die Vorrausetzungen des § 613a BGB erfüllt sind, der Übergang eines Betriebsteils gleich. Dies ist unabhängig davon, ob die übergegangene wirtschaftliche Einheit ihre Selbständigkeit innerhalb der Struktur des Erwerbers bewahrt oder nicht (vgl. EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 31 ff. mwN; 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Rn. 50, Slg. 2009, I-803); es genügt, wenn die funktionelle Verknüpfung zwischen den übertragenen Produktionsfaktoren beibehalten und es dem Erwerber derart ermöglicht wird, diese Faktoren zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen (EuGH 12. Februar 2009 - C-466/07 - [Klarenberg] Rn. 53, aaO; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 26).

21

8. Die Bewertung der maßgeblichen Tatsachen ist nach Unionsrecht Sache der nationalen Gerichte (vgl. ua. EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-233/04 - [Güney-Görres und Demir] Rn. 35, Slg. 2005, I-11237) und im deutschen Arbeitsrecht Sache der Tatsacheninstanzen, die dabei einen Beurteilungsspielraum haben (vgl. ua. BAG 18. August 2011 - 8 AZR 312/10 - Rn. 21, BAGE 139, 52).

22

II. Ob nach diesen Grundsätzen ein Betriebs(teil)übergang von S auf den Beklagten zu bejahen ist, kann nach den bisherigen Feststellungen nicht entschieden werden.

23

1. Das Landesarbeitsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob bei der Bewachung der Hochschule durch die Firma S eine wirtschaftliche Einheit im Sinne eines Betriebs(teils) gegeben war, der am 1. Juli 2012 auf den Beklagten hätte übergehen können. Es hat sich mit der grundlegenden Frage, ob und inwieweit bei S im Hinblick auf die Bewachungsaufgaben an der Hochschule eine abtrennbare wirtschaftliche Einheit mit eigener Identität bestand und wodurch diese ggf. geprägt war, nicht befasst. Es fehlt dementsprechend an darauf bezogenen Feststellungen. Nur wenn vor einem behaupteten Übergang eine wirtschaftliche Einheit iSv. § 613a BGB besteht, stellt sich die Frage der Wahrung ihrer Identität und damit die Frage eines Betriebs-(teil)übergangs(vgl. in diesem Sinn EuGH 6. März 2014 - C-458/12 - [Amatori ua.] Rn. 34).

24

2. Ohne Auseinandersetzung mit der eventuellen Identität einer im Einzelfall in Frage kommenden wirtschaftlichen Einheit kann nicht entschieden werden, ob ein Betriebs(teil)übergang vorliegt. Es darf nicht alleine ein Teilaspekt - hier die Frage einer Übernahme von Personal - der eigentlich vorzunehmenden Gesamtbewertung herausgegriffen und isoliert betrachtet werden.

25

3. Auch für eine zutreffende Bewertung der Übernahme von Personal im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbewertung ist es von ausschlaggebender Bedeutung, die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit zu bestimmen. Erst in deren Kenntnis kann beurteilt werden, ob eine rein quantitative Betrachtung - wie hier allein abstellend auf Bruchzahlen und Prozentsätze - der ggf. vorhandenen Identität einer wirtschaftlichen Einheit iSv. § 613a BGB überhaupt gerecht werden kann. Anderes kann auch der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Entscheidung des Senats vom 15. Dezember 2011 (- 8 AZR 197/11 -) nicht entnommen werden. So hat der Senat darin ua. ausgeführt, dass „die Kriterien Zahl und Sachkunde des weiterbeschäftigten Personals nicht beziehungslos nebeneinanderstehen, sondern sich wechselseitig beeinflussen“ (BAG 15. Dezember 2011 - 8 AZR 197/11 - Rn. 55).

26

C. Nach den bisherigen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers nach § 613a BGB auf den Beklagten übergegangen ist und ob der Kläger sich in der Folge auf das Kündigungsschutzgesetz berufen kann. Der insoweit entscheidungserhebliche Vortrag des Klägers bedarf der Würdigung durch die Tatsacheninstanz. Deshalb ist das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Bei der weiteren Behandlung der Sache ist zu berücksichtigen:

27

I. Im Rahmen der Beurteilung der Zulässigkeit der Klageanträge bedarf der Antragshalbsatz „… sondern fortbesteht“ der Auslegung. Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob der genannte Antragshalbsatz als selbständiger Antrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO zu verstehen ist, mit dem der Kläger sich gegen jegliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gewehrt hat(dazu ua. BAG 26. September 2013 - 2 AZR 682/12 - Rn. 30 ff., BAGE 146, 161). Der Kläger ist darauf hinzuweisen, dass eine solche Feststellungsklage ein besonderes Feststellungsinteresse voraussetzt. Es obliegt dem klagenden Arbeitnehmer, ein ggf. bestehendes rechtliches Interesse darzutun (BAG 13. März 1997 - 2 AZR 512/96 - zu II 1 b der Gründe, BAGE 85, 262).

28

II. Bei der Beurteilung, ob nach den og. Grundsätzen (oben unter B I) ein Betriebs(teil)übergang von S auf den Beklagten vorliegt, ist im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbewertung ua. zu berücksichtigen:

29

1. Zuerst ist zu prüfen, ob bei der Firma S eine wirtschaftliche Einheit im Sinne eines Betriebs(teils) gegeben war, der am 1. Juli 2012 auf den Beklagten übergehen konnte (vgl. auch unter B I 1).

30

2. Für die zutreffende Bewertung der bisherigen und nach dem festgestellten Sachverhalt unveränderten Tätigkeit ist es ua. von Bedeutung, welche Aufgaben konkret bei der Bewachung des Geländes und beim Telefon-, Post- und Besucherdienst zu verrichten waren und in welchem zeitlichen Verhältnis sie zueinander stehen.

31

3. Bei der weiteren Prüfung müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden (oben unter B I 2), neben der etwaigen Belegschafts(teil)übernahme also ua. auch der etwaige Übergang materieller Betriebsmittel und immaterieller Aktiva von Wert.

32

4. Bei der Bewertung der Übernahme von Personal im Rahmen einer vorzunehmenden Gesamtbewertung ist zu prüfen, ob ein nach Zahl und Sachkunde wesentlicher Teil der Belegschaft übernommen worden ist. Dafür kommt es nicht allein auf eine quantitative Betrachtung an. Beispielsweise kann die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit bei einer Tätigkeit im Bewachungsgewerbe auch dadurch geprägt sein, dass ein Betriebsteil mit kontinuierlicher Stammbelegschaft, die über Erfahrung und Objektkenntnis verfügt, unter Beibehaltung der bisherigen Leitungsstruktur und Arbeitsorganisation weiterfunktioniert. Insofern hat der Kläger beispielsweise bezogen auf die Vollzeitkräfte den Begriff „Objektverantwortliche“ benutzt und seinen Kollegen als „Objektleiter“ bezeichnet. Von Bedeutung kann es für eine Bewertung der Übernahme von Personal auch sein, wenn ein Betriebsteil „Bewachungsobjekt“ - wie hier erkennbar - räumlich fernab vom restlichen Betrieb womöglich relativ eigenständig arbeitet.

33

Zu bedenken sind das Personal als solches, die Führungskräfte und ggf. auch die sie verbindende Arbeitsorganisation (in diesem Sinne EuGH 20. Januar 2011 - C-463/09 - [CLECE] Rn. 41, Slg. 2011, I-95; 11. März 1997 - C-13/95 - [Süzen] Rn. 15, Slg. 1997, I-1259). Im Hinblick auf das Personal als solches ist es nicht ausgeschlossen, dass die Identität einer ggf. bestehenden wirtschaftlichen Einheit in manchen Fällen eher von einer Stammbelegschaft abhängt als von eventuell auch beschäftigten Aushilfskräften. Auch einem Leitungswechsel oder der Beibehaltung der bisherigen Leitung kann wesentliches Gewicht in der Gesamtbeurteilung zukommen (vgl. EuGH 26. September 2000 - C-175/99 - [Mayeur] Rn. 53, Slg. 2000, I-7755; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 1069/12 - Rn. 52).

34

III. Falls das Landesarbeitsgericht nach Gesamtabwägung aller maßgebenden Umstände von einem Betriebs(teil)übergang ausgeht, muss im Hinblick auf die Befristung des Arbeitsvertrags auf den 30. Juni 2012 Folgendes beachtet werden:

35

1. Zwar besteht bezogen auf einen Betriebs(teil)übergang grundsätzlich kein Anspruch auf eine Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags (EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] Rn. 33, Slg. 2010, I-8471). Der Fall des Klägers liegt aber anders. Er gehört zu den Arbeitnehmern, die im Rahmen des Bewachungsauftrags „zum Zeitpunkt des Übergangs“ beschäftigt waren (EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] Rn. 28, aaO; 26. Mai 2005 - C-478/03 - [Celtec] Rn. 29, Slg. 2005, I-4389; 7. Februar 1985 - 19/83 - [Wendelboe] Rn. 13, 15, Slg. 1985, 457) und von dem Beklagten auch nahtlos weiterbeschäftigt wurden. Der Umstand, dass eine Tätigkeit ohne Unterbrechung oder Änderung in der Art und Weise ihrer Durchführung ständig fortgesetzt worden ist, stellt eines der gängigsten Merkmale eines Betriebsübergangs dar (EuGH 2. Dezember 1999 - C-234/98 - [Allen ua.] Rn. 33, Slg. 1999, I-8643).

36

2. Eine Befristungsabrede mit dem bisherigen Arbeitgeber, die sich auf die Laufzeit des Bewachungsauftrags des bisherigen Betriebsinhabers bezieht und keinen davon unabhängigen Grund hatte, steht dem nicht entgegen. Dies entspricht im Wertungsergebnis dem Umstand, dass ein Betriebs(teil)übergang als solcher keinen Grund zur Kündigung darstellt (ua. EuGH 15. September 2010 - C-386/09 - [Briot] Rn. 29, Slg. 2010, I-8471; 16. Oktober 2008 - C-313/07 - [Kirtruna] Rn. 45, Slg. 2008, I-7907).

37

3. Eine Beseitigung der ansonsten bestehenden Kontinuität des Arbeitsverhältnisses kann zudem als Umgehung von § 613a BGB zu werten sein(vgl. BAG 25. Oktober 2012 - 8 AZR 572/11 - Rn. 33; 18. August 2005 - 8 AZR 523/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 115, 340 zu Aufhebungsverträgen).

        

    Hauck    

        

    Breinlinger    

        

    Winter    

        

        

        

    v. Schuckmann    

        

    Dr. Ronny Schimmer    

                 

(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.

(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.

(1) Die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen stellen fest, ob eine Überversorgung vorliegt; die durch Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und die Ärzte, die in ermächtigten Einrichtungen tätig sind, sind bei der Feststellung einer Überversorgung nicht zu berücksichtigen. Wenn dies der Fall ist, hat der Landesausschuß nach den Vorschriften der Zulassungsverordnungen und unter Berücksichtigung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses Zulassungsbeschränkungen anzuordnen. Darüber hinaus treffen die Landesausschüsse eine Feststellung, wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um 40 Prozent überschritten ist.

(2) Die Zulassungsbeschränkungen sind räumlich zu begrenzen. Sie können einen oder mehrere Planungsbereiche einer Kassenärztlichen Vereinigung umfassen. Sie sind arztgruppenbezogen unter angemessener Berücksichtigung der Besonderheiten bei den Kassenarten anzuordnen. Die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden können ländliche oder strukturschwache Teilgebiete eines Planungsbereichs bestimmen, die auf ihren Antrag für einzelne Arztgruppen oder Fachrichtungen von den Zulassungsbeschränkungen auszunehmen sind; in dem Antrag ist die Anzahl der zusätzlichen Zulassungsmöglichkeiten arztgruppenbezogen festzulegen. Die zusätzlichen Zulassungsmöglichkeiten sind an das nach Satz 4 bestimmte Teilgebiet gebunden. Für die Bestimmung der ländlichen und strukturschwachen Teilgebiete stellt der Landesausschuss im Einvernehmen mit der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörde allgemeingültige Kriterien auf, die den jeweiligen Entscheidungen zugrunde zu legen sind. Der Landesausschuss hat sich dabei an den laufenden Raumbeobachtungen und Raumabgrenzungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zu orientieren oder eine vergleichbare Abgrenzung ländlicher Gebiete durch die für die Landesplanung zuständigen Stellen zugrunde zu legen. Die zusätzlichen Arztsitze sind in den von den Kassenärztlichen Vereinigungen im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemäß § 99 aufzustellenden Bedarfsplänen auszuweisen.

(3) Die Zulassungsbeschränkungen sind aufzuheben, wenn die Voraussetzungen für eine Überversorgung entfallen sind.

(3a) Wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Tod, Verzicht oder Entziehung endet und die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben, ob ein Nachbesetzungsverfahren nach Absatz 4 für den Vertragsarztsitz durchgeführt werden soll. Satz 1 gilt auch bei Verzicht auf die Hälfte oder eines Viertels der Zulassung oder bei Entziehung der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung; Satz 1 gilt nicht, wenn ein Vertragsarzt, dessen Zulassung befristet ist, vor Ablauf der Frist auf seine Zulassung verzichtet. Der Zulassungsausschuss kann den Antrag ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist; dies gilt nicht, sofern die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll, der dem in Absatz 4 Satz 5 Nummer 4, 5 und 6 bezeichneten Personenkreis angehört oder der sich verpflichtet, die Praxis in ein anderes Gebiet des Planungsbereichs zu verlegen, in dem nach Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung aufgrund einer zu geringen Ärztedichte ein Versorgungsbedarf besteht oder sofern mit der Nachbesetzung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 befolgt werden. Für einen Nachfolger, der dem in Absatz 4 Satz 5 Nummer 4 bezeichneten Personenkreis angehört, gilt Satz 3 zweiter Halbsatz mit der Maßgabe, dass dieser Nachfolger die vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Absatz 1 das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat, nach dem 23. Juli 2015 erstmals aufgenommen hat. Für einen Nachfolger, der dem in Absatz 4 Satz 5 Nummer 6 bezeichneten Personenkreis angehört, gilt Satz 3 zweiter Halbsatz mit der Maßgabe, dass das Anstellungsverhältnis oder der gemeinschaftliche Betrieb der Praxis mindestens drei Jahre lang angedauert haben muss. Satz 5 gilt nicht, wenn das Anstellungsverhältnis oder der gemeinschaftliche Praxisbetrieb vor dem 5. März 2015 begründet wurde. Hat der Landesausschuss eine Feststellung nach Absatz 1 Satz 3 getroffen, soll der Zulassungsausschuss den Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens ablehnen, wenn eine Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Im Fall des Satzes 7 gelten Satz 3 zweiter Halbsatz sowie die Sätze 4 bis 6 entsprechend; Absatz 4 Satz 9 gilt mit der Maßgabe, dass die Nachbesetzung abgelehnt werden soll. Der Zulassungsausschuss beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit ist dem Antrag abweichend von § 96 Absatz 2 Satz 6 zu entsprechen. § 96 Absatz 4 findet keine Anwendung. Ein Vorverfahren (§ 78 des Sozialgerichtsgesetzes) findet nicht statt. Klagen gegen einen Beschluss des Zulassungsausschusses, mit dem einem Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens entsprochen wird, haben keine aufschiebende Wirkung. Hat der Zulassungsausschuss den Antrag abgelehnt, hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Vertragsarzt oder seinen zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen. Bei der Ermittlung des Verkehrswertes ist auf den Verkehrswert abzustellen, der nach Absatz 4 Satz 8 bei Fortführung der Praxis maßgeblich wäre.

(4) Hat der Zulassungsausschuss in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, nach Absatz 3a einem Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens entsprochen, hat die Kassenärztliche Vereinigung den Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgesehenen Blättern unverzüglich auszuschreiben und eine Liste der eingehenden Bewerbungen zu erstellen. Satz 1 gilt auch bei hälftigem Verzicht oder bei hälftiger Entziehung der Zulassung oder bei der Festlegung zusätzlicher Zulassungsmöglichkeiten nach Absatz 2 Satz 4. Dem Zulassungsausschuß sowie dem Vertragsarzt oder seinen Erben ist eine Liste der eingehenden Bewerbungen zur Verfügung zu stellen. Unter mehreren Bewerbern, die die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes fortführen wollen, hat der Zulassungsausschuß den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen. Bei der Auswahl der Bewerber sind folgende Kriterien zu berücksichtigen:

1.
die berufliche Eignung,
2.
das Approbationsalter,
3.
die Dauer der ärztlichen Tätigkeit,
4.
eine mindestens fünf Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss nach § 100 Absatz 1 das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat,
5.
ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist,
6.
ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde,
7.
ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse, die in der Ausschreibung der Kassenärztlichen Vereinigung definiert worden sind, zu erfüllen,
8.
Belange von Menschen mit Behinderung beim Zugang zur Versorgung,
9.
bei medizinischen Versorgungszentren die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots; dies gilt entsprechend für Vertragsärzte und Berufsausübungsgemeinschaften mit einem besonderen Versorgungsangebot.
Die Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 sind zu beachten. Ab dem 1. Januar 2006 sind für ausgeschriebene Hausarztsitze vorrangig Allgemeinärzte zu berücksichtigen. Die Dauer der ärztlichen Tätigkeit nach Satz 5 Nummer 3 wird verlängert um Zeiten, in denen die ärztliche Tätigkeit wegen der Erziehung von Kindern oder der Pflege pflegebedürftiger naher Angehöriger in häuslicher Umgebung unterbrochen worden ist. Die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes oder seiner Erben sind nur insoweit zu berücksichtigen, als der Kaufpreis die Höhe des Verkehrswerts der Praxis nicht übersteigt. Kommt der Zulassungsausschuss in den Fällen des Absatzes 3a Satz 3 zweiter Halbsatz bei der Auswahlentscheidung nach Satz 4 zu dem Ergebnis, dass ein Bewerber auszuwählen ist, der nicht dem in Absatz 3a Satz 3 zweiter Halbsatz bezeichneten Personenkreis angehört, kann er die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes mit der Mehrheit seiner Stimmen ablehnen, wenn eine Nachbesetzung aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist; Absatz 3a Satz 10, 11, 13 und 14 gilt in diesem Fall entsprechend. Hat sich ein Bewerber nach Satz 5 Nummer 7 bereit erklärt, besondere Versorgungsbedürfnisse zu erfüllen, kann der Zulassungsausschuss die Zulassung unter der Voraussetzung erteilen, dass sich der Bewerber zur Erfüllung dieser Versorgungsbedürfnisse verpflichtet.

(4a) Verzichtet ein Vertragsarzt in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, auf seine Zulassung, um in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig zu werden, so hat der Zulassungsausschuss die Anstellung zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen; eine Fortführung der Praxis nach Absatz 4 ist nicht möglich. Bei der Prüfung, ob der Anstellung Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen, ist die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots des medizinischen Versorgungszentrums durch den Arzt zu berücksichtigen. Der Arzt kann in dem Planungsbereich, für den er zugelassen war, weiter tätig sein, auch wenn der Sitz des anstellenden medizinischen Versorgungszentrums in einem anderen Planungsbereich liegt. Nach einer Tätigkeit von mindestens fünf Jahren in einem medizinischen Versorgungszentrum, dessen Sitz in einem Planungsbereich liegt, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, erhält ein Arzt unbeschadet der Zulassungsbeschränkungen auf Antrag eine Zulassung in diesem Planungsbereich; dies gilt nicht für Ärzte, die auf Grund einer Nachbesetzung nach Satz 5 oder erst seit dem 1. Januar 2007 in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig sind. Medizinischen Versorgungszentren ist die Nachbesetzung einer Arztstelle möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind; dies gilt nicht, soweit der Nachbesetzung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen. § 95 Absatz 9b gilt entsprechend.

(4b) Verzichtet ein Vertragsarzt in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, auf seine Zulassung, um bei einem Vertragsarzt als nach § 95 Abs. 9 Satz 1 angestellter Arzt tätig zu werden, so hat der Zulassungsausschuss die Anstellung zu genehmigen, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen; eine Fortführung der Praxis nach Absatz 4 ist nicht möglich. Bei der Prüfung, ob der Anstellung Gründe der vertragsärztlichen Versorgung entgegenstehen, ist die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots des anstellenden Vertragsarztes durch den anzustellenden Arzt zu berücksichtigen. Im Fall des Satzes 1 kann der angestellte Arzt in dem Planungsbereich, für den er zugelassen war, weiter tätig sein, auch wenn der Sitz des anstellenden Vertragsarztes in einem anderen Planungsbereich liegt. Soll die vertragsärztliche Tätigkeit in den Fällen der Beendigung der Zulassung durch Tod, Verzicht oder Entziehung von einem Praxisnachfolger weitergeführt werden, kann die Praxis auch in der Form weitergeführt werden, dass ein Vertragsarzt den Vertragsarztsitz übernimmt und die vertragsärztliche Tätigkeit durch einen angestellten Arzt in seiner Praxis weiterführt, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Die Nachbesetzung der Stelle eines nach § 95 Abs. 9 Satz 1 angestellten Arztes ist möglich, auch wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind; dies gilt nicht, soweit der Nachbesetzung Festlegungen nach § 101 Absatz 1 Satz 8 entgegenstehen. § 95 Absatz 9b gilt entsprechend.

(4c) Soll die vertragsärztliche Tätigkeit in den Fällen der Beendigung der Zulassung durch Tod, Verzicht oder Entziehung von einem Praxisnachfolger weitergeführt werden, kann die Praxis auch in der Form weitergeführt werden, dass ein medizinisches Versorgungszentrum den Vertragsarztsitz übernimmt und die vertragsärztliche Tätigkeit durch einen angestellten Arzt in der Einrichtung weiterführt, wenn Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem nicht entgegenstehen. Die Absätze 3a, 4 und 5 gelten entsprechend. Absatz 4 gilt mit der Maßgabe, dass bei der Auswahl des Praxisnachfolgers ein medizinisches Versorgungszentrum, bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte nicht bei Ärzten liegt, die in dem medizinischen Versorgungszentrum als Vertragsärzte tätig sind, gegenüber den übrigen Bewerbern nachrangig zu berücksichtigen ist. Dieser Nachrang gilt nicht für ein medizinisches Versorgungszentrum, das am 31. Dezember 2011 zugelassen war und bei dem die Mehrheit der Geschäftsanteile und der Stimmrechte bereits zu diesem Zeitpunkt nicht bei den dort tätigen Vertragsärzten lag.

(5) Die Kassenärztlichen Vereinigungen (Registerstelle) führen für jeden Planungsbereich eine Warteliste. In die Warteliste werden auf Antrag die Ärzte, die sich um einen Vertragsarztsitz bewerben und in das Arztregister eingetragen sind, aufgenommen. Bei der Auswahl der Bewerber für die Übernahme einer Vertragsarztpraxis nach Absatz 4 ist die Dauer der Eintragung in die Warteliste zu berücksichtigen.

(6) Endet die Zulassung eines Vertragsarztes, der die Praxis bisher mit einem oder mehreren Vertragsärzten gemeinschaftlich ausgeübt hat, so gelten die Absätze 4 und 5 entsprechend. Die Interessen des oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte sind bei der Bewerberauswahl angemessen zu berücksichtigen.

(7) In einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, haben Krankenhausträger das Angebot zum Abschluß von Belegarztverträgen auszuschreiben. Kommt ein Belegarztvertrag mit einem im Planungsbereich niedergelassenen Vertragsarzt nicht zustande, kann der Krankenhausträger mit einem bisher im Planungsbereich nicht niedergelassenen geeigneten Arzt einen Belegarztvertrag schließen. Dieser erhält eine auf die Dauer der belegärztlichen Tätigkeit beschränkte Zulassung; die Beschränkung entfällt bei Aufhebung der Zulassungsbeschränkungen nach Absatz 3, spätestens nach Ablauf von zehn Jahren.

(8) Die Absätze 1 bis 7 gelten nicht für Zahnärzte.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17. Juni 2009 - 2 Sa 92/08 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten zu 1. gegenüber der Klägerin ausgesprochenen Kündigung und darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf die Beklagten zu 2. und 3. übergegangen ist.

2

Seit 1996 war die Klägerin in der von der Beklagten zu 1. betriebenen allgemein-internistischen Arztpraxis in S als Arzthelferin tätig. Dort waren zwei Arbeitnehmer beschäftigt. Die Klägerin befand sich bis zum 12. September 2008 in Elternzeit.

3

Am 10. April 2007 vollendete die Beklagte zu 1. ihr 68. Lebensjahr. Damit hätte ihre Kassenzulassung geendet. Die kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg räumte ihr eine Kulanzzeit bis 30. Juni 2007 ein. Zu diesem Termin gab die Beklagte zu 1. ihre Arztpraxis auf. Am 2. Juli 2007 schloss sie mit der Beklagten zu 3. einen Kaufvertrag. Zweck dieses Vertrages war die Übertragung der Kassenzulassung von der Beklagten zu 1. auf die Beklagte zu 3. Zu diesem Zwecke war im Kaufvertrag die Übertragung von geringwertigen Gegenständen der Arztpraxis vereinbart, weil die Kassenzulassung allein aus rechtlichen Gründen nicht veräußert werden darf. Diese Vorgehensweise erfolgte mit Kenntnis der kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Zum fraglichen Zeitpunkt bestand im Landkreis B eine Überversorgung mit Hausärzten. Deshalb konnte eine kassenärztliche Zulassung für die Beklagte zu 3. nur durch „Übertragung“ einer anderen bereits bestehenden Zulassung erfolgen. Die kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg stand für diese „Übertragung“ vermittelnd zur Verfügung. Der Zulassungsausschuss erteilte dann mit Wirkung ab 1. Oktober 2007 der Beklagten zu 3. die Kassenzulassung. Diese ist in der Arztpraxis des Beklagten zu 2. in B angestellt. Dieser erhielt aufgrund der Kassenzulassung der Beklagten zu 3. ein erweitertes Kassenbudget und gab deshalb die formal der Beklagten zu 3. erteilte Kassenzulassung zurück bzw. erklärte den Verzicht auf diese.

4

Die Praxisräume der Beklagten zu 1. wurden im Spätherbst des Jahres 2007 veräußert und werden seitdem als Wohnung genutzt. Das Praxisinventar wurde zum Teil entsorgt und im Übrigen im Keller des Privathauses der Beklagten zu 1. gelagert. Dort werden auch die Patientenakten verwahrt. Der auf die Arztpraxis der Beklagten zu 1. zugelassene Pkw wird nunmehr zu Privatzwecken durch die Beklagte zu 1. genutzt.

5

Am 13. Juni 2007 beantragte die Beklagte zu 1. die Zulassung der Kündigung der Klägerin gemäß § 18 Abs. 1 BEEG.

6

Mit Bescheid vom 17. März 2008 traf das Regierungspräsidium Stuttgart folgende Entscheidung:

        

„…Für den Fall, dass kein Betriebsübergang nach § 613 a Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - stattgefunden hat, wird die Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Frau M ausnahmsweise zugelassen …“

7

In der Begründung dieser Entscheidung heißt es ua.:

        

„Die Arztpraxis in der S wird aus Altersgründen zum 30.06.2007 aufgelöst.

        

Beiden dort zuletzt beschäftigten Mitarbeiterinnen wurde gekündigt. Das Praxisinventar und die Patientenkartei wurden nicht veräußert. Die Praxisräume wurden zwischenzeitlich verkauft und werden künftig zu Wohnzwecken genützt. Aufgrund eines Vertrages, welcher mit der kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, Albstadtweg 11, 70567 Stuttgart, abgestimmt wurde, wurde der Praxis Dres. med. St und S, B die kassenärztliche Zulassung verkauft und ein erweitertes Budget zugestanden.

        

Der Vertragsarztsitz ist untergegangen, eine Fortführung einer Kassenarztpraxis auf dem Arbeitsgebiet der Antragstellerin und in den seitherigen Praxisräumen ist ausgeschlossen, ein Betriebsübergang hat nicht stattgefunden.

        

Eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nach Ablauf der Elternzeit besteht für Frau M nicht mehr.

        

Frau M befindet sich bis 12.09.2008 in Elternzeit.

        

Frau M wurde zu dem Antrag gehört.

        

Nach ihrer Meinung hat ein Betriebsübergang nach § 613 a BGB stattgefunden.

        

…       

        

Nach den Bestimmungen der Verwaltungsvorschrift zu § 18 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz hat die Behörde davon auszugehen, dass ein besonderer Fall im Sinne des Gesetzes insbesondere dann gegeben ist, wenn nach Prüfung des Antrages feststeht, dass der Betrieb, in dem die Arbeitnehmerin beschäftigt ist, stillgelegt wird und die Arbeitnehmerin nicht in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann.

        

Das Vorbringen des Arbeitgebers wurde überprüft. Da die Praxis aus Altersgründen zum 30.06.2007 geschlossen wurde, besteht nach Beendigung der Elternzeit keine Möglichkeit zur Weiterbeschäftigung für Frau M. Somit wird ein besonderer Fall im Sinne des § 18 Abs. 1 BEEG anerkannt.

        

Anhaltspunkte dafür, dass der vorliegende Fall außerhalb des o.g. Regelfalles liegt, sind nicht ersichtlich. Demnach liegt hier ein besonderer Fall im Sinne vorgenannter Bestimmungen vor, der die Zulassung der Kündigung des Arbeitsverhältnisses von Frau M ausnahmsweise rechtfertigen kann.

        

Nach Abwägung der beiderseitigen Interessen gelangt das Regierungspräsidium Stuttgart zu der Auffassung, dass im vorliegenden Einzelfall die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ausnahmsweise zugelassen wird.

        

Die Zulässigerklärung ergeht unbeschadet der Wirksamkeit der Kündigung nach allgemeinem Arbeits(vertrags)- und/oder Kündigungsschutzrecht.

        

Da nur die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit feststellen können, ob ein Betrieb stillgelegt bzw. auf einen anderen Inhaber gemäß § 613 a BGB übergegangen ist, wurde die Zustimmung zur Kündigung nur für den Fall, dass kein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB stattgefunden hat, erteilt.“

8

Mit Anwaltsschreiben vom 16. Mai 2008 ließ die Beklagte zu 1. das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin zum 30. Juni 2008, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin kündigen.

9

Die Klägerin hält die Kündigung für unwirksam, weil sie nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der Zulässigkeitserklärung ausgesprochen worden sei. Diese Frist hätte die Beklagte zu 1. in entsprechender Anwendung des § 88 Abs. 3 SGB IX einhalten müssen. Außerdem sei der Zulässigkeitsbescheid des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17. März 2008 unwirksam, weil er unter der Bedingung erfolgt sei, dass eine Betriebsstilllegung und kein Betriebsübergang vorliege. Letztlich macht die Klägerin geltend, es sei ein Betriebsübergang von der Beklagten zu 1. auf die Beklagten zu 2. und 3. erfolgt, so dass ihr Arbeitsverhältnis gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagten zu 2. und 3. übergegangen sei.

10

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

        

es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht durch von Frau Rechtsanwältin Ma namens der Beklagten zu 1. mit Schreiben vom 16. Mai 2008 erklärte Kündigung mit dem 31. August 2008 oder zu einem anderen Zeitpunkt geendet hat,

        

und     

        

dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin gemäß § 613a BGB auf die Beklagten zu 2. und 3. übergegangen ist.

11

Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.

12

Sie meinen, die formalen Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Kündigung lägen vor und bestreiten, dass die Arztpraxis der Beklagten zu 1. als Betrieb gemäß § 613a BGB auf die Beklagten zu 2. und 3. übergegangen sei. So seien außer der Kassenzulassung keine materiellen oder immateriellen Betriebsmittel der Arztpraxis übertragen worden.

13

Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch die von der Beklagten zu 1. ausgesprochene Kündigung nicht zum 30. Juni 2008, sondern erst zum 31. August 2008 geendet hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

14

Die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter, während die Beklagten die Zurückweisung der Revision beantragen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr Arbeitsverhältnis ist durch die von der Beklagten zu 1. ausgesprochene Kündigung zum 31. August 2008 beendet worden.

16

A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin durch die Beklagte zu 1. sei nicht aus formalen Gründen rechtsunwirksam. So müsse bei einer nach § 18 Abs. 1 BEEG zugelassenen Kündigung die Monatsfrist des § 88 Abs. 3 SGB IX zwischen Zulässigkeitserklärung und Kündigungserklärung nicht gewahrt werden. Der Bescheid gemäß § 18 Abs. 1 Satz 3 BEEG des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17. März 2008, mit welchem die Kündigung zugelassen worden sei, sei bestandskräftig. Er sei nicht unter der Bedingung erteilt worden, dass eine Betriebsstilllegung und kein Betriebsübergang vorliege. Es liege auch kein Betriebsübergang vor, welcher die Kündigung, für die das Kündigungsschutzgesetz nicht anwendbar sei, unwirksam machen könnte. Der Sachvortrag der Klägerin lasse nicht den Schluss zu, die von der Beklagten zu 1. betriebene Vertragsarztpraxis sei auf die Beklagten zu 2. und 3. iSd. § 613a BGB übergegangen. Unstreitig seien die bisherigen Praxisräume in Wohnräume umgewandelt worden. Das veraltete Praxisinventar sei entsorgt bzw. von der Beklagten zu 1. privat mitgenommen worden. Letztlich sei auch weder Personal noch Patientenstamm von den Beklagten zu 2. und 3. übernommen worden; so sei insbesondere auch die Patientenkartei nicht auf die Beklagten zu 2. und 3. übergegangen. Dies hätte auch keinen Sinn gemacht, weil deren Praxis etwa 10 km von derjenigen der Beklagten zu 1. entfernt liege. Die öffentlich-rechtliche Kassenzulassung iSd. § 103 Abs. 4 SGB V könne nicht übertragen werden.

17

B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

18

Die zulässige Feststellungsklage gegen die Beklagte zu 1. ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten zu 1. ist durch deren ordentliche Kündigung vom 16. Mai 2008 zum 31. August 2008 beendet worden.

19

I. Die für die formelle Wirksamkeit der Kündigung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG erforderliche Zulässigkeitserklärung der zuständigen obersten Landesbehörde liegt vor.

20

Mit Bescheid vom 17. März 2008 hat das Regierungspräsidium Stuttgart entschieden, dass „für den Fall, dass kein Betriebsübergang nach § 613 a Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - stattgefunden hat“, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin „ausnahmsweise zugelassen“ wird. Damit hat die zuständige oberste Landesbehörde die Zulassung der streitgegenständlichen Kündigung bestandsfest erteilt. Die von der Klägerin geltend gemachten Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Zulässigkeitserklärung greifen bereits deshalb nicht, weil es sich bei der Entscheidung vom 17. März 2008 um einen bestandskräftigen Verwaltungsakt handelt. Da eine Nichtigkeit dieses Bescheides nicht in Betracht zu ziehen ist, hätte seine Wirksamkeit nur in einem Widerspruchsverfahren und ggf. im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten nachgeprüft werden können. An den bestandskräftigen Verwaltungsakt des Regierungspräsidiums Stuttgart sind die Arbeitsgerichte deshalb gebunden (vgl. BAG 20. Januar 2005 - 2 AZR 500/03 - AP BErzGG § 18 Nr. 8 = EzA BErzGG § 18 Nr. 7). Dieser Bescheid ist entgegen der Meinung der Klägerin im Übrigen auch nicht unter einer unzulässigen Bedingung erteilt worden. Beantragt - wie im Streitfalle - ein Arbeitgeber die Zulässigkeitserklärung gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG mit der Begründung, sein Betrieb sei zu einem bestimmten Zeitpunkt stillgelegt worden, darf die zuständige oberste Landesbehörde die Zulässigkeitserklärung nicht mit der Begründung verweigern, es liege ein Betriebsübergang vor. Ob ein solcher gegeben ist, unterliegt in Streitfällen einzig der Entscheidungsbefugnis der Gerichte für Arbeitssachen. Würde die zuständige oberste Landesbehörde die beabsichtigte Kündigung deshalb nicht für zulässig erklären, weil nach ihrer Meinung ein Betriebsübergang - und damit zwangsläufig keine Betriebsstilllegung (vgl. BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 273/08 - AP BGB § 613a Nr. 370 = EzA KSchG § 17 Nr. 20) - erfolgt ist, liefe das auf eine Rechtsverweigerung für den Arbeitgeber hinaus. Würde dieser ohne Zulässigkeitserklärung kündigen, wäre die Kündigung allein wegen Verstoßes gegen § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG nichtig(§ 134 BGB), selbst wenn in einem Kündigungsschutzprozess die Gerichte für Arbeitssachen eine Betriebsstilllegung bejahen und damit einen Betriebsübergang verneinen würden. Dieses Ergebnis lässt sich nur vermeiden, wenn die zuständige Behörde und nachfolgend die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit - allenfalls abgesehen von Evidenzfällen - allein auf die Absicht der Kündigung eines in Elternzeit befindlichen Arbeitnehmers wegen der behaupteten Betriebsstilllegung abstellen. Sie haben dabei insbesondere auch nicht die allein den Gerichten für Arbeitssachen obliegende Prüfung vorzunehmen, ob aufgrund eines vom Arbeitnehmer behaupteten Betriebsübergangs überhaupt noch ein Arbeitsverhältnis zwischen dem die Zulässigkeitserklärung beantragenden Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer besteht und die beabsichtigte Kündigung möglicherweise deshalb ins Leere geht, weil das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigung bereits auf den Betriebserwerber nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB übergegangen ist. Eine dem Antrag des Arbeitgebers entsprechende Zulässigkeitserklärung ergeht vorsorglich. Sie entfaltet rechtliche Wirkung nur dann, wenn die Gerichte für Arbeitssachen im Streitfalle rechtskräftig nicht vom Vorliegen eines Betriebsübergangs ausgegangen sind (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen 21. März 2000 - 22 A 5137/99 - AP BErzGG § 18 Nr. 5 = EzA BErzGG § 18 Nr. 5). Diese Rechtslage wollte das Regierungspräsidium Stuttgart durch seine Formulierung: „Für den Fall, dass kein Betriebsübergang nach § 613 a Bürgerliches Gesetzbuch - BGB - stattgefunden hat“ im Bescheid vom 17. März 2008 klarstellen, wie sich ua. aus der Begründung der Entscheidung ergibt, in der es ua. heißt: „Da nur die Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit feststellen können, ob ein Betrieb stillgelegt bzw. auf einen anderen Inhaber gemäß § 613 a BGB übergegangen ist, wurde die Zustimmung zur Kündigung nur für den Fall, dass kein Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB stattgefunden hat, erteilt.“

21

Damit stellt sich die Entscheidung der obersten Landesbehörde als ein grundsätzlich zulässiger „vorsorglicher Verwaltungsakt“ dar (vgl. BVerwG 15. Dezember 1988 - 5 C 67.85 - BVerwGE 81, 84 = EzA SchwbG 1986 § 15 Nr. 6).

22

Schutzwürdige Interessen der Klägerin und der Beklagten zu 1. stehen einer vorsorglich erteilten Zulässigkeitserklärung nicht entgegen. Liegt nämlich kein Betriebsübergang vor, entspricht die Zulässigkeitserklärung dem Gesetz, welches im Falle einer Betriebsstilllegung grundsätzlich die Kündigung zulässt. Wäre hingegen ein Betriebsübergang auf die Beklagten zu 2. und 3. ab Juli 2007 zu bejahen, hätte dies zur Folge, dass die von der Beklagten zu 1. am 16. Mai 2008 ausgesprochene Kündigung ins Leere ginge und nicht zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen würde (vgl. BAG 27. September 2007 - 8 AZR 941/06 - BAGE 124, 159 = AP BGB § 613a Nr. 332 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 86). Einen Arbeitsgerichtsprozess mit den angenommenen Betriebsübernehmern, dh. den Beklagten zu 2. und 3., kann die Klägerin ohnehin nicht vermeiden, wenn diese - wie im Streitfalle - das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit ihr bestreiten (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen 21. März 2000 - 22 A 5137/99 - AP BErzGG § 18 Nr. 5 = EzA BErzGG § 18 Nr. 5).

23

II. Die Kündigung ist auch nicht deshalb unwirksam, weil sie nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zulässigkeitsbescheides des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 17. März 2008 erklärt worden ist.

24

Da sich die Klägerin zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung in Elternzeit befand, bedurfte die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses der Zulassung durch die zuständige oberste Landesbehörde (§ 18 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 BEEG), dh. im Streitfalle durch das Regierungspräsidium Stuttgart (§ 1 Abs. 2 VO der Landesregierung und des Sozialministeriums über die Zuständigkeiten nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 14. Februar 2007 in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung). § 18 BEEG sieht keine Frist vor, binnen derer die zugelassene Kündigung nach Zugang des Zulassungsbescheides erklärt werden muss. Zutreffend geht das Landesarbeitsgericht davon aus, dass entgegen der Ansicht der Klägerin § 88 Abs. 3 SGB IX, der bei der Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines schwerbehinderten Menschen eine Frist von einem Monat bestimmt, für die Zulässigkeitserklärung nach § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG nicht entsprechend anzuwenden ist.

25

Zunächst ist der Wortlaut des § 18 BEEG eindeutig. Nach diesem wird die Einhaltung einer Frist nicht verlangt. Würde eine solche gefordert, widerspräche dies dem eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. Diesem war nämlich zum Zeitpunkt des Erlasses des BEEG vom 5. Dezember 2006 die Frist des am 1. Juli 2001 in Kraft getretenen § 88 Abs. 3 SGB IX bekannt. Für eine unbewusste oder planwidrige Regelungslücke sind keine Anhaltspunkte gegeben. Dies folgt zum einen daraus, dass der Gesetzgeber für die Kündigung eines Arbeitnehmers während der Elternzeit eine (an § 9 MuSchG angelehnte) grundsätzlich andere Regelung getroffen hat als für die Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers. So spricht § 18 Abs. 1 Satz 2 BEEG davon, dass die Kündigung „ausnahmsweise … für zulässig erklärt“ werden kann, während § 85 SGB IX bestimmt, dass die Kündigung eines schwerbehinderten Menschen „der vorherigen Zustimmung“ bedarf. Des Weiteren sieht § 86 SGB IX, anders als § 18 BEEG eine Mindestkündigungsfrist für die Kündigung von schwerbehinderten Menschen vor. Außerdem enthalten die §§ 87, 88 SGB IX Verfahrensregeln, welche für die Zulässigkeitserklärung nach § 18 BEEG nicht vorgesehen sind. Die Gerichte sind nicht befugt, sich über diese gesetzgeberische Entscheidung im Wege der Gesetzes- oder Rechtsanalogie hinwegzusetzen. Sie dürfen in diesem Fall lediglich eine Rechtmäßigkeitskontrolle vornehmen (BAG 2. März 2006 - 8 AZR 124/05 - BAGE 117, 184 = AP BGB § 419 Funktionsnachfolge Nr. 25 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 48). Somit verbietet sich ein Normverständnis, das im Widerspruch zu dem erkennbar geäußerten Willen des Gesetzgebers steht. Ein solches darf nicht einmal im Wege verfassungskonformer Auslegung begründet werden (BVerfG 25. Januar 2011 - 1 BvR 1741/09 - EzA GG Art. 12 Nr. 48).

26

Dies entspricht auch der Meinung in der Literatur, soweit sie die vorliegende Problematik behandelt (ErfK/Gallner 11. Aufl. § 18 BEEG Rn. 14; DFL/Böck 3. Aufl. § 18 BEEG Rn. 8; nach Anwk-ArbR/Osnabrügge 2. Aufl. § 18 BEEG Rn. 31 sollte der Arbeitgeber die Kündigung unverzüglich nach Bekanntgabe der behördlichen Entscheidung aussprechen, da nicht „auszuschließen“ sei, dass Gerichte § 88 Abs. 3 SGB IX entsprechend heranziehen).

27

III. Die Kündigung ist nicht nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB deshalb unwirksam, weil sie wegen eines Übergangs eines Betriebs oder Betriebsteils ausgesprochen worden ist.

28

Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, ist die von der Beklagten zu 1. betriebene Arztpraxis nicht im Wege eines Betriebsübergangs gemäß § 613a Abs. 1 BGB auf die Beklagten zu 2. und 3. übergegangen.

29

1. Bei der revisionsrechtlichen Überprüfung des landesarbeitsgerichtlichen Urteils hat der Senat von den Tatsachenfeststellungen des Berufungsurteils auszugehen, weil gegen diese keine durchgreifenden Revisionsangriffe von der Klägerin erhoben worden sind (§ 559 Abs. 2 ZPO).

30

Die Klägerin rügt, das Landesarbeitsgericht hätte sich nach § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO „genaue Kenntnis vom Inhalt der Kaufverträge“ zwischen der Beklagten zu 1. und der Beklagten zu 3. sowie zwischen der Beklagten zu 3. und dem Beklagten zu 2. „verschaffen“ müssen. Nur so hätte das Berufungsgericht prüfen können, „ob die in dem Kaufvertrag bezeichneten Gegenstände Indiz oder Merkmal für einen Betriebsübergang darstellen“. In einem weiteren Schritt hätte geprüft werden müssen, „ob diese Gegenstände nur zum Schein angegeben wurden und es sich bei den zwischen den Beklagten geschlossenen Verträgen … um Scheinverträge handelt“. Außerdem hätte der Klägerin Kenntnis über die Vertragsinhalte verschafft werden müssen, um sie in die Lage zu versetzen, substanziiert zu den Voraussetzungen des Betriebsübergangs bzw. zum Übergang der Betriebsmittel vortragen zu können.

31

Der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß des Landesarbeitsgerichts gegen § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO liegt nicht vor.

32

Grundsätzlich hat der Arbeitnehmer, der sich auf die Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 613a Abs. 4 BGB beruft, darzulegen, und ggf. zu beweisen, dass die Kündigung wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen wurde und demzufolge auch, dass überhaupt ein Betriebsübergang vorgelegen hat (vgl. BAG 25. September 2008 - 8 AZR 607/07 - AP BGB § 613a Nr. 355 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 98; 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210; 5. Dezember 1985 - 2 AZR 3/85 - AP BGB § 613a Nr. 47 = EzA BGB § 613a Nr. 50).

33

Dieser Darlegungs- und Beweislast genügt die KIägerin nicht dadurch, dass sie die Vorlage der sich im Besitz der Beklagten befindlichen Kaufverträge bezüglich der Arztpraxis gemäß § 142 Abs. 1 Satz 1 ZPO beantragt und behauptet, aus diesen Verträgen ergebe sich, welche Gegenstände von der Beklagten zu 1. auf die Beklagten zu 2. und 3. übergegangen seien und ob diese Gegenstände nur zum Schein veräußert worden seien. Das Gericht darf nämlich die Urkundenvorlegung nicht zum Zwecke bloßer Informationsgewinnung anordnen, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen bezogenen Vortrages der darlegungs- und beweispflichtigen Partei anordnen (vgl. BGH 15. Juni 2010 - XI ZR 318/09 - WM 2010, 1448). § 142 ZPO dient nicht dazu, einer Partei die Darlegungslast dadurch zu erleichtern, dass das Gericht eine Ausforschung betreibt. Dieses ist deshalb nicht gehalten, auf den Vortrag einer Partei, weiterer, die Schlüssigkeit der Klage herbeiführender Sachvortrag befinde sich in beim Prozessgegner verfügbaren Urkunden, die Vorlage derselben anzuordnen (vgl. BGH 14. Juni 2007 - VII ZR 230/06 - MDR 2007, 1188).

34

2. Zutreffend nimmt das Landesarbeitsgericht an, die Klägerin habe einen Übergang der von der Beklagten zu 1. betriebenen Arztpraxis auf die Beklagten zu 2. und 3. iSd. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB nicht dargelegt.

35

Ein Betriebsübergang liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt. Der Begriff „wirtschaftliche Einheit“ bezieht sich auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit unter Wahrung ihrer Identität übergegangen ist, sind sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu berücksichtigen. Zu diesen zählen insbesondere die Art des betreffenden Betriebs, der Übergang materieller Betriebsmittel sowie deren Wert und Bedeutung, die Übernahme der immateriellen Betriebsmittel und der vorhandenen Organisation, der Grad der Ähnlichkeit mit der Betriebstätigkeit des bisherigen Inhabers, die Weiterbeschäftigung der Hauptbelegschaft, der Übergang von Kundschaft und Lieferantenbeziehungen sowie die Dauer der evtl. Unterbrechung der Betriebstätigkeit.

36

Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Betriebsinhabers ein, also mit dem Wechsel der Person, die für den Betrieb der übertragenen Einheit als Inhaber verantwortlich ist. Verantwortlich ist die Person, die den Betrieb im eigenen Namen führt und nach außen als Betriebsinhaber auftritt. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht. Der bisherige Inhaber muss seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen (vgl. BAG 30. Oktober 2008 - 8 AZR 397/07 - AP BGB § 613a Nr. 358 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 103).

37

3. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat kein Betriebsübergang stattgefunden. Die von der Beklagten zu 1. allein betriebene Arztpraxis stellte eine wirtschaftliche Einheit dar. Deren Zweck war darauf gerichtet, für Patienten medizinische Dienstleistungen zu erbringen. Um diese ärztlichen Tätigkeiten zu erledigen, bedurfte die Beklagte zu 1. einer Organisation, welche diesem Betriebszweck diente. Erforderlich waren dazu Mitarbeiter, wie die Klägerin, welche nachgeordnete Personaldienstleistungen, wie Empfangs- und Telefondienst, Schreibarbeiten und die Beklagte zu 1. unterstützende medizinisch-technische Tätigkeiten verrichteten. Weiter gehörten dazu Betriebsmittel (zB Büro-, Wartezimmereinrichtung, Patientenkartei, medizinische Untersuchungs- und Behandlungsgeräte sowie vor allem Praxisräume). Trotz dieser materiellen Betriebsmittel, ohne die eine Arztpraxis nicht betrieben werden kann, steht die Patientenbetreuung durch den Arzt und die nichtärztlichen Praxismitarbeiter im Mittelpunkt der betrieblichen Tätigkeit. So ist die gesamte Organisation einer von einem Arzt allein betriebenen Praxis auf die Person des Arztes zugeschnitten, insbesondere auf dessen individuelle ärztliche Arbeitsweise. Hinzu kommt, dass Patienten eine Arztpraxis häufig deshalb aufsuchen, weil sie dem dort tätigen Arzt besonderes Vertrauen entgegenbringen oder dessen Sachkunde oder Fähigkeiten schätzen und weil sie sich von ihm und seinen Mitarbeitern gut betreut fühlen. Damit wird die Arbeit einer Arztpraxis in der Regel durch die dort tätigen Personen, nicht durch die vorhandenen Betriebsmittel geprägt. Ausnahmen von diesem Grundsatz können dann vorliegen, wenn eine Arztpraxis vor allem durch die vorhandenen medizinischen Geräte und weniger durch die dort tätigen Ärzte geprägt ist und die Praxis vor allem wegen der medizinischen Untersuchungs- bzw. Behandlungsgerätschaften aufgesucht wird (zB radiologische oder nuklearmedizinische Praxen). Eine solche Ausnahme ist im Streitfalle jedoch nicht gegeben, weil die Beklagte eine allgemeininternistische Praxis betrieben hatte.

38

Zur Erreichung des Betriebszweckes der Arztpraxis kam es deshalb im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an. Die materiellen und immateriellen Betriebsmittel spielten nur eine untergeordnete Rolle. Es handelte sich demnach um einen betriebsmittelarmen Betrieb, bei dem es auf ein „eingespieltes Mitarbeiterteam“ und die Fachkenntnisse dieser Mitarbeiter ankommt. Ein solcher Betrieb kann zwangsläufig unter Aufrechterhaltung seiner Identität nur dann von einem Betriebserwerber fortgeführt werden, wenn dieses Mitarbeiterteam übernommen wird, weil dieses beim betriebsmittelarmen Betrieb identitätsbildend ist (vgl. BAG 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03 - BAGE 111, 283 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27). An einer solchen Übernahme des Praxispersonals durch die Beklagten zu 2. und 3. fehlt es.

39

Eine von obigen Grundsätzen abweichende Beurteilung ist auch nicht aus anderen Gründen geboten. So hat das Landesarbeitsgericht für den Senat bindend (§ 559 Abs. 2 ZPO) festgestellt, dass weder die Patientenkartei noch sonstiges Praxisinventar oder die Praxisräume übernommen worden sind.

40

4. Letztlich dienten die zwischen den Beklagten getroffenen Vereinbarungen nur dem „Verkauf der kassenärztlichen Zulassung“, der als solcher nach § 103 Abs. 4 SGB V rechtlich nicht möglich ist, weil nur die Arztpraxis als solche Gegenstand des Privatrechtsverkehrs ist und durch Rechtsgeschäft übertragen werden kann(vgl. BSG 29. September 1999 - B 6 KA 1/99 - BSGE 85, 1).

41

IV. Die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung war nicht daraufhin zu überprüfen, ob sie sozial gerechtfertigt iSd. § 1 KSchG ist. Da in der Arztpraxis in der Regel nicht die von § 23 Abs. 1 Satz 2 bis Satz 4 KSchG geforderte Mindestzahl von Arbeitnehmern beschäftigt war, findet § 1 KSchG auf die Kündigung keine Anwendung.

42

C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

        

    Hauck    

        

    Böck    

        

    Breinlinger    

        

        

        

    Volz    

        

    Burr    

                 

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.