Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 12.09.2012 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten mit Feststellungs- und Zahlungsanträgen darüber, ob auf ihr Arbeitsverhältnis nicht nur die für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge, sondern sämtliche Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk Anwendung finden, insbesondere auch darüber, ob der Klägerin ein zusätzliches Urlaubsgeld nach dem Tarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten im Gebäudereiniger-Handwerk vom 07.09.2007 zusteht.

2

Die Klägerin schloss im Jahre 2010 einen Arbeitsvertrag als Innenreinigerin mit einem Unternehmen namens H., in dem es auszugsweise heißt:

3

„Im Übrigen gelten die Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk soweit sie für allgemeinverbindlich erklärt sind oder aus anderen Rechtsgründen ein Anspruch auf Anwendung entsteht und die betrieblichen Richtlinien in der jeweils gültigen Fassung.“

4

Wegen der näheren Einzelheiten des Vertrages wird auf die Anlage B1, Blatt 20 f., 44 f. der Akte verwiesen.

5

Das Arbeitsverhältnis ging durch Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang auf die H. – H. G. Service GmbH über. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft Verbandsmitgliedschaft der Klägerin ein Haus-Rahmentarifvertrag vom 21.08.2008 Anwendung, dessen § 1, befindlich im „Abschnitt I – Geltungsbereich“ wie folgt lautet:

6

㤠1
Geltungsbereich

7

1. Dieser Rahmentarifvertrag gilt:

8

Räumlich: für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
Fachlich: für sämtliche Organisationseinheiten der H.
Persönlich: für alle Beschäftigten der H. –H. G. Service GmbH, die gem. § 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) versicherungspflichtige Tätigkeiten ausüben, einschließlich derjenigen, die gem. § 8 SGB Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) eine geringfügige Beschäftigung ausüben.

9

2. Dieser Rahmentarifvertrag gilt nicht für:

10

- Leitende Angestellte im Sinne des BetrVG § 5 Abs. 3, Ziffer 1 bis 3 und Abs. 4, Ziffer 4, sowie Angestellte, denen Prokura nach § 49 HGB übertragen ist.

11

- Arbeitnehmer, die überwiegend Tätigkeiten im Sinne der Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk ausüben. Diese unterfallen den Tarifverträgen des Gebäudereiniger-Handwerks.

12

Soweit in diesem Rahmentarifvertrag Formulierungen für Personen in maskuliner Form verwendet werden (z. B. „Arbeitnehmer“), sind damit gleichzeitig und gleichwertig auch weibliche Personen gemeint und bezeichnet.“

13

Wegen der weiteren Einzelheiten der insgesamt 31 Paragraphen des Tarifvertrages wird auf die Anlage B2, Blatt 46 – 60 der Akte verwiesen.

14

Zum 01.02.2011 ging das Arbeitsverhältnis durch Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang auf die Beklagte über. Die Beklagte beschäftigt insgesamt etwa 640 Arbeitnehmer (Blatt 37 der Akte). Die Beklagte ist nicht auf Grund Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerkes gebunden. Die Beklagte wendet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die für allgemein verbindlich erklärten Rahmentarifverträge für gewerbliche Beschäftigte in der Gebäudereinigung sowie den Mindestlohntarifvertrag Gebäudereiniger-Handwerk an, nicht jedoch die nicht allgemein verbindlichen Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk.

15

Die Klägerin verdiente zuletzt als Innenreinigerin 455,00 Euro brutto monatlich.

16

Die Klägerin mahnte die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes für 2011 an und verfolgt dieses Begehren zusammen mit dem Eingangs beschriebenen Feststellungsbegehren mit am 10.04.2012 zugestellter Klage weiter.

17

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die begehrten Feststellungen ergäben sich aus einer Auslegung von § 1 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages vom 21.08.2008. Aus dem Wortlaut ergebe sich eindeutig, dass Arbeitnehmer, die überwiegend Tätigkeiten im Sinne der Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks durchführten, den Tarifverträgen für das Gebäudereiniger-Handwerk unterfielen. Der Zahlungsanspruch ergebe sich aus dem Tarifvertrag zur Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes. Die Klägerin hat vorgetragen, die Geltendmachung sei rechtzeitig erfolgt.

18

Die Klägerin hat die Angabe der Beklagten, etwa 142 Arbeitnehmer bei ihr seien Reinigungskräfte, nicht bestritten.

19

Die Klägerin hat beantragt:

1.

20

Festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung kommen, hilfsweise festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereinigerhandwerks in der am 01.01.2010 geltenden Fassung zur Anwendung kommen.

2.

21

Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 94,63 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.12.2011 zu zahlen.

22

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

23

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die streitige Regelung stelle eine Ausnahme aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages dar unter nur klarstellender Darstellung, was dann gälte, nicht jedoch eine inhaltliche Regelung.

24

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 12.09.2012 die Klage abgewiesen, im Kern aus den von der Beklagten vertretenen Gründen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Blatt 92 – 102 der Akte verwiesen.

25

Die Klägerin hat das ihr am 02.10.2012 zugestellte Urteil mit am 12.11.2012 beim Berufungsgericht eingegangener Berufung angegriffen, mit am Montag, dem 03.12.2012 eingegangenem Schreiben um Verlängerung der Begründungsfrist bis 02.01.2013 gebeten und nach entsprechender Verlängerung die Berufung mit am 27.12.2012 bei Gericht eingegangenem Schreiben begründet.

26

Im Rahmen der Berufungsbegründung reicht die Klägerin ein am 12.09.2012 bei den Klägervertretern eingegangenes Schreiben der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 10.09.2012 zur Akte. Wegen dessen näherer Einzelheiten wird auf Blatt 138 – 140 der Akte verwiesen.

27

Die Klägerin behauptet, der Inhalt des Schreibens, beide Parteien des Rahmentarifvertrages hätten die Geltung aller Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks gewollt, sei zutreffend.

28

Die Klägerin hält die bereits erstinstanzlich vertretene Auslegung nach wie vor für richtig und meint, ergänzend hätte der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit berücksichtigt werden müssen. Diesen hätte das Gericht von Amts wegen ermitteln müssen und wäre dabei zu dem aus dem Schreiben vom 10.09.2012 ersichtlichen Ergebnis gelangt, dass die Tarifparteien sich einig gewesen waren, dass alle Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerkes gelten sollten.

29

Am 06.05.2013 reicht die Klägerin die Satzung der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt in Auszügen zur Akte und vertritt die Auffassung, die tarifschließende Gewerkschaft sei für das Unternehmen der H. – H. G. Service GmbH nicht zuständig gewesen. Die Klägerin trägt vor, etwa 60 Prozent der Mitarbeiter der H. – H. G. Service GmbH seien Gebäudereiniger gewesen. Aus Sicht der Klägerin habe dieser Umstand einen Einfluss auf die Auslegung des Rahmentarifvertrages. Es sei im Zweifel einer Auslegung zu folgen, die die Regelung insgesamt als rechtmäßig erscheinen lasse. Wenn die fragliche Klausel zur Geltung der Gebäudereinigertarifverträge nur eine klarstellende Bedeutung habe, sei der gesamte Tarifvertrag unwirksam. Diese Auslegung widerspreche aber dem soeben dargestellten Auslegungsgrundsatz.

30

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung und der soeben dargestellten Ergänzung dazu wird auf die Schreiben vom 17.12.2011 und 02.05.2013, jeweils nebst Anlagen, verwiesen (Blatt 133 – 140, Blatt 168 – 173 der Akte).

31

Die Klägerin beantragt:

1.

32

Das Urteil des Arbeitsgerichtes Schwerin vom 12.06.2012, Az.: 2 Ca 579/12, zugestellt am 02.10.2012, wird abgeändert.

2.

33

Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks in der jeweils geltenden Fassung zur Anwendung kommen,

34

hilfsweise,

35

es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die nicht für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks in der am 01.01.2010 geltenden Fassung zur Anwendung kommen.

3.

36

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 94,63 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 15.12.2011 zu zahlen.

4.

37

Die Revision wird zugelassen.

38

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

39

Die Beklagte bezieht sich auf den Vortrag erster Instanz. Die Beklagte hält die Auslegung des Rahmentarifvertrages für eindeutig. Die Beklagte behauptet, die Erklärung vom 10.09.2012 sei inhaltlich unzutreffend. Es handele sich um eine Gefälligkeitsmitteilung.

40

Die Berufungsbeantwortungsfrist ist durch Beschluss vom 28.01.2013 bis 28.02.2013 verlängert worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den am gleichen Tag bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 28.02.2013 und auf den Schriftsatz vom 03.06.2013 verwiesen (Blatt 158 – 162, Blatt 176 – 177 der Akte).

Entscheidungsgründe

41

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

I.

42

Die Berufung ist zulässig. Die Berufung ist fristgerecht bei Gericht eingegangen und fristgerecht begründet worden.

II.

43

Die Berufung ist aber unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit zutreffenden Gründen, auf die verwiesen wird, die zulässigen Klaganträge abgewiesen. Die von der Klägerin in der zweiten Instanz neu eingeführten Gesichtspunkte führen nicht zu einem anderen Ergebnis. Auf das Arbeitsverhältnis finden nur die allgemeinverbindlichen Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk Anwendung, nicht die anderen Tarifverträge für Gebäudereiniger. Damit entfällt zugleich der Zahlungsanspruch nebst Zinsen. Es kommt nicht darauf an, ob eventuelle Geltendmachungsfristen gewahrt wurden.

1.

44

Die vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellte Auslegung ist eindeutig.

a)

45

Es handelt sich bei § 1 des Rahmentarifvertrages um einen normativen Teil des Tarifvertrages, also um einen Teil, der nicht nur schuldrechtlich zwischen den tarifvertrags-abschließenden Parteien gelten soll. Bei der Auslegung normativer Teile eines Tarifvertrages gelten folgende Grundsätze (BAG vom 22.04.2010 – 6 AZR 962/08 –, in Juris veröffentlicht, Juris Rz. 17; BAG vom 18.10.2012 – 6 AZR 261/11 -, Juris Rz. 87; Treber in Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 14. Auflage, § 203, Rz. 4 – 14; Franzen in Erf. Kommentar, Auflage 2012, § 1 TVG, Rz. 92 f.): Es ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang sind Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien zu erschließen und Sinn und Zweck der Tarifnorm zu ermitteln. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, können ohne Bindung an eine Reihenfolge ergänzend die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, die praktische Tarifübung und die Praktikabilität berücksichtigt werden. Lässt sich auch danach der Normbefehl nicht hinreichend ermitteln, ist im Interesse des Normerhalts auf das Verständnis eines durchschnittlichen Normanwenders zurückzugreifen. Lässt sich danach ein eindeutiger Norminhalt feststellen, so gilt dieser; ansonsten ist die Norm wegen Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit nichtig. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

b)

46

Die Auslegung nach Wortlaut und Zusammenhang ergibt das vom Arbeitsgericht festgestellte Ergebnis. Die Sätze 2 und 3 von § 1 beschreiben sowohl nach der Überschrift des Paragraphen wie auch nach der Überschrift des Abschnittes den Geltungsbereich des Tarifvertrages. Nach dem Wortlaut von § 1 Satz 2 des Tarifvertrages gilt dieser nicht für Arbeitnehmer, die überwiegend Tätigkeiten im Sinne der Tarifverträge für das Gebäudereiniger-Handwerk ausüben. Das ist eine eindeutige Aussage. Würde Satz 3 von § 1 eine eigenständige Regelung enthalten, enthielte Satz 2 keine klare Aussage mehr, sondern wäre in sich unverständlich. Einerseits soll dann der Rahmentarifvertrag nicht für Gebäudereiniger gelten, andererseits soll der Tarifvertrag eine inhaltliche Regelung für Gebäudereiniger enthalten. Es ist der Auslegung der Vorzug zu geben, die zu dem Zusammenhang, nämlich zu den Überschriften passt, und die zu einem eindeutigen Ergebnis statt zu einem mehrdeutigen, unverständlichen Ergebnis führt. Für diese Auslegung sprechen im Übrigen auch sprachliche Gesichtspunkte. Der dritte Satz von § 1 ist von seiner Stellung her ein Satz mit einer Nebenbedeutung, nicht mit einer Hauptbedeutung.

c)

47

Eine Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift führt zu dem vom Arbeitsgericht gefundenen Ergebnis. Das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis führt zu einer eindeutigen, in sich stimmigen Aussage und ist sinnvoll. Die von der Klägerin bevorzugte Auslegung führt zu einer mehrdeutigen Aussage. Mehrdeutige Aussagen in Tarifverträgen sind nicht sinnvoll. Die Darstellung des Zusatzes „diese unterfallen den Tarifverträgen des Gebäudereiniger-Handwerks“ macht auch nach Maßgabe der Auslegung des Arbeitsgerichts Sinn. Es handelt sich um eine Erläuterung, was für Gebäudereiniger aus anderen Gründen als aus Gründen der Regelung im Rahmentarifvertrag vom 21.08.2008 gilt.

48

Die Argumentation, bei unterstellter Auslegung im Sinne des Arbeitsgerichts hätte sich der Zusatz „allgemeinverbindlich“ angeboten, ist nicht zwingend. Denn bei Eintritt der H. – H. G. Service GmbH in den Arbeitgeberverband könnten die Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks auch gelten, soweit sie nicht allgemeinverbindlich sind. Es erscheint im Übrigen nicht ausgeschlossen, dass einzelne Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber Arbeitsverträge abschließen, wonach die Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks komplett gelten. Eine Einschränkung auf die allgemeinverbindlichen Tarifverträge kann daher in bestimmten Situationen zu einer falschen Aussage führen.

d)

49

Ein eventueller Wille der Tarifvertragsparteien, also der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und der H. – H. G. Service GmbH, es sollen für Gebäudereiniger sämtliche Tarifverträge des Gebäudereiniger-Handwerks gelten, ist nicht Inhalt des Tarifvertrages geworden. Bei Tarifverträgen ist zwar der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien zu berücksichtigen, allerdings nur dann, wenn er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gewunden hat. Das ist vorliegend nicht der Fall. Bei isolierter Betrachtung des Satzes „Diese unterfallen den Tarifverträgen des Gebäudereiniger-Handwerks“ erscheint es zwar vertretbar, dass ein entsprechender Wille der Tarifvertragsparteien seinen Niederschlag im Wortlaut gefunden hat. Bei kombinierter Berücksichtigung des Wortlautes und des Zusammenhangs, insbesondere zu den Überschriften, ist dies allerdings nicht mehr der Fall. Danach gilt nur noch das oben dargestellte eindeutige Auslegungsergebnis. Tarifverträge sind stets nach dem Zusammenhang auszulegen, weil sich nur so der Tarifvertragsinhalt erschließen lässt.

50

Die von der Klägerin am 06.05.2013 vertretene Auslegung ist aus an späterer Stelle [II. 2. c)] dargestellten Gründen nicht erkennbarer Wille der Tarifvertragsparteien.

e)

51

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die getroffene Auslegung unpraktikabel ist. Sie führt zwar dazu, dass für die Gebäudereiniger keine Regelung getroffen wird. Das schadet jedoch nicht, weil wesentliche Regelungen in allgemeinverbindlichen Tarifverträgen für das Gebäudereiniger-Handwerk getroffen sind. Es macht Sinn, für die Nichtgebäudereiniger der H. – H. G. Service GmbH tarifliche Regelungen zu treffen.

f)

52

Angesichts des eindeutigen Auslegungsergebnisses kommt es nicht auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags an.

2.

53

Der Argumentation der Klägerin vom 06.05.2013, fußend auf einer Unzuständigkeit der Gewerkschaft, ist aus mehreren Gründen nicht zu folgen.

a)

54

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt war zuständig für den Abschluss tariflicher Regelungen für bestimmte Arbeitnehmer der H. – H. G. Service GmbH. Bei den DGB-Gewerkschaften gilt im Zweifel das Prinzip ein Betrieb, eine Gewerkschaft (Anlage 1 zur Satzung des DGB – Stand Juni 2010, Punkt 2 a Strich 2, Seite 26 der Internetausgabe http://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/satzung). Bei Zugrundelegung der (nicht bestrittenen) Annahme von Klägerseite, bei der H.– H. G. Service GmbH seien überwiegend Reinigungskräfte beschäftigt, handelt es sich um ein Unternehmen des Gebäudemanagements, für das die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt zuständig ist. Ein Indiz für die Zuständigkeit der Gewerkschaft ist die eingereichte Tarifauskunft, die eine Unzuständigkeit nicht erwähnt.

b)

55

Selbst wenn die Gewerkschaft unzuständig wäre, so würde dies der Klägerin nicht helfen. Der von der Klägerin am 06.05.2013 vorgeschlagene Auslegungsweg würde nicht greifen. Bei Unzuständigkeit der Gewerkschaft für das Unternehmen bzw. den Betrieb wäre der von der Klägerin als Anspruchsgrundlage ins Feld geführte Tarifvertrag vollständig unwirksam.

c)

56

Der von der Klägerin am 06.05.2013 vorgeschlagenen Auslegung ist nicht zu folgen. Sie würde dazu führen, dass zwei Sätze des Rahmentarifvertrages die eigentliche Regelung darstellen würden und 30 ½ Paragraphen ohne Bedeutung sind. Es liegt auf der Hand, dass dies nicht der Wille der damals tarifvertragsschließenden Parteien gewesen sein kann.

III.

57

Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Es ist keine Tarifauskunft einzuholen beim Geschäftsführer oder beim Tarifvertrags-Verhandlungsführer der H. – H. G. Service GmbH, und zwar aus mehreren Gründen.

1.

58

Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft besteht nur, wenn Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung führen (BAG vom 22.04.2010 – 6 AZR 962/08 -, Juris Rz. 32; BAG vom 13.06.2012 – 10 AZR 351/11 -, Juris Rz. 28). Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte zu einem eindeutigen Ergebnis führen, handelte das Arbeitsgericht richtig, keine Tarifauskunft einzuholen.

2.

59

Die von der Klägerin eingereichte Tarifauskunft gibt keinen Anlass zur Einholung einer weiteren Tarifauskunft. Wenn die eingereichte Tarifauskunft zu berücksichtigen wäre, so wäre es zwingend, eine weitere Tarifauskunft auch von der anderen Tarifvertragsseite einzuholen. Die eingereichte Tarifauskunft ist allerdings nicht zu berücksichtigen. Tarifauskünfte, die auf die Beantwortung einer prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sind, sind nicht zu berücksichtigen, sondern lediglich Tarifauskünfte, die Auskunft geben über das tatsächliche Tarifgeschehen oder eine einvernehmliche tarifliche Übung (ausführlich BAG vom 18.08.1999 – 4 AZR 247/98 -, Juris Rz. 57 f.; ferner BAG vom 14.03.2012 – 10 AZR 172/11 -, Juris Rz. 27; BAG vom 14.09.2011 – 10 AZR 358/10 -, Juris Rz. 28). Die von der Klägerin eingereichte Tarifauskunft stellt im Wesentlichen die Rechtsauffassung der Gewerkschaft dar. Sie schildert nicht das tatsächliche Geschehen bei den Tarifvertragsverhandlungen oder eine einvernehmliche tarifliche Übung. Die Tarifauskunft ist hinsichtlich eventueller innerer Tatsachen nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, wessen Wille geschildert wird und inwieweit Menschen ihren Willen während der Tarifvertragsverhandlungen verbal oder nonverbal äußerten.

3.

60

Eine ergänzende Auskunftanfrage sowohl an die Gewerkschaft wie auch an die H.- H. G. Service GmbH zum Wortlaut der Verhandlungen vor Abschluss des Tarifvertrages wäre zwar möglich. Auf das Ergebnis käme es jedoch nicht an, weil es im Tarifvertragswortlaut keinen Niederschlag fand.

IV.

61

Die Klägerin als in beiden Instanzen unterlegene Partei hat nach §§ 91, 97 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

V.

62

Es liegen keine Gründe für die Zulassung der Revision nach § 72 Abs. 2 ArbGG vor.

63

Die Frage, ob bei eindeutigem Auslegungsergebnis eine Tarifauskunft heranzuziehen ist, ist zwar grundsätzlich, aber nicht klärungsbedürftig. Sie ist durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes bereits geklärt.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Juni 2013 - 5 Sa 264/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Juni 2013 - 5 Sa 264/12

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Juni 2013 - 5 Sa 264/12 zitiert 10 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.

Betriebsverfassungsgesetz


§ 21a idF d. Art. 1 Nr. 51 G v. 23.7.2001 I 1852 dient der Umsetzung des Artikels 6 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim

Tarifvertragsgesetz - TVG | § 1 Inhalt und Form des Tarifvertrags


(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen könne

Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG | § 5 Arbeitnehmer


(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäfti

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 1 Beschäftigte


Versicherungspflichtig sind1.Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,2.behinderte Menschen, diea)in anerk

Handelsgesetzbuch - HGB | § 49


(1) Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt. (2) Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur er

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Juni 2013 - 5 Sa 264/12 zitiert oder wird zitiert von 6 Urteil(en).

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Juni 2013 - 5 Sa 264/12 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 18. Okt. 2012 - 6 AZR 261/11

bei uns veröffentlicht am 18.10.2012

Tenor 1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. März 2011 - 2 Sa 93/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Juni 2012 - 10 AZR 351/11

bei uns veröffentlicht am 13.06.2012

Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 8. März 2011 - 1 Sa 70 e/10 - aufgehoben.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. März 2012 - 10 AZR 172/11

bei uns veröffentlicht am 14.03.2012

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24. Januar 2011 - 12 Sa 1011/10 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 14. Sept. 2011 - 10 AZR 358/10

bei uns veröffentlicht am 14.09.2011

Tenor 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. April 2010 - 13 Sa 1297/09 - wird zurückgewiesen.

Bundesarbeitsgericht Urteil, 22. Apr. 2010 - 6 AZR 962/08

bei uns veröffentlicht am 22.04.2010

Tenor 1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil, 11. Juni 2013 - 5 Sa 264/12.

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein Urteil, 03. Nov. 2016 - 5 Sa 105/16

bei uns veröffentlicht am 03.11.2016

Tenor 1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 17.02.2016, Az. 1 Ca 312/15, wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin. 3. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatb

Referenzen

Versicherungspflichtig sind

1.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind; während des Bezuges von Kurzarbeitergeld nach dem Dritten Buch besteht die Versicherungspflicht fort,
2.
behinderte Menschen, die
a)
in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit oder bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches tätig sind,
b)
in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen in gewisser Regelmäßigkeit eine Leistung erbringen, die einem Fünftel der Leistung eines voll erwerbsfähigen Beschäftigten in gleichartiger Beschäftigung entspricht; hierzu zählen auch Dienstleistungen für den Träger der Einrichtung,
3.
Personen, die in Einrichtungen der Jugendhilfe oder in Berufsbildungswerken oder ähnlichen Einrichtungen für behinderte Menschen für eine Erwerbstätigkeit befähigt werden sollen; dies gilt auch für Personen während der individuellen betrieblichen Qualifizierung im Rahmen der Unterstützten Beschäftigung nach § 55 des Neunten Buches,
3a.
(weggefallen)
4.
Mitglieder geistlicher Genossenschaften, Diakonissen und Angehörige ähnlicher Gemeinschaften während ihres Dienstes für die Gemeinschaft und während der Zeit ihrer außerschulischen Ausbildung.
Personen, die Wehrdienst leisten und nicht in einem Dienstverhältnis als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit stehen, sind in dieser Beschäftigung nicht nach Satz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig; sie gelten als Wehrdienstleistende im Sinne des § 3 Satz 1 Nr. 2 oder 2a und Satz 4. Mitglieder des Vorstandes einer Aktiengesellschaft sind in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt, wobei Konzernunternehmen im Sinne des § 18 des Aktiengesetzes als ein Unternehmen gelten. Die in Satz 1 Nr. 2 bis 4 genannten Personen gelten als Beschäftigte im Sinne des Rechts der Rentenversicherung. Die folgenden Personen stehen den Beschäftigten zur Berufsausbildung im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 gleich:
1.
Auszubildende, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung im Rahmen eines Berufsausbildungsvertrages nach dem Berufsbildungsgesetz ausgebildet werden,
2.
Teilnehmer an dualen Studiengängen und
3.
Teilnehmer an Ausbildungen mit Abschnitten des schulischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung, für die ein Ausbildungsvertrag und Anspruch auf Ausbildungsvergütung besteht (praxisintegrierte Ausbildungen).

(1) Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) im Sinne dieses Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für den Betrieb arbeiten. Als Arbeitnehmer gelten ferner Beamte (Beamtinnen und Beamte), Soldaten (Soldatinnen und Soldaten) sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind.

(2) Als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes gelten nicht

1.
in Betrieben einer juristischen Person die Mitglieder des Organs, das zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen ist;
2.
die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft oder die Mitglieder einer anderen Personengesamtheit, soweit sie durch Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung der Personengesamtheit oder zur Geschäftsführung berufen sind, in deren Betrieben;
3.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient, sondern vorwiegend durch Beweggründe karitativer oder religiöser Art bestimmt ist;
4.
Personen, deren Beschäftigung nicht in erster Linie ihrem Erwerb dient und die vorwiegend zu ihrer Heilung, Wiedereingewöhnung, sittlichen Besserung oder Erziehung beschäftigt werden;
5.
der Ehegatte, der Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte ersten Grades, die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber leben.

(3) Dieses Gesetz findet, soweit in ihm nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, keine Anwendung auf leitende Angestellte. Leitender Angestellter ist, wer nach Arbeitsvertrag und Stellung im Unternehmen oder im Betrieb

1.
zur selbständigen Einstellung und Entlassung von im Betrieb oder in der Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmern berechtigt ist oder
2.
Generalvollmacht oder Prokura hat und die Prokura auch im Verhältnis zum Arbeitgeber nicht unbedeutend ist oder
3.
regelmäßig sonstige Aufgaben wahrnimmt, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens oder eines Betriebs von Bedeutung sind und deren Erfüllung besondere Erfahrungen und Kenntnisse voraussetzt, wenn er dabei entweder die Entscheidungen im Wesentlichen frei von Weisungen trifft oder sie maßgeblich beeinflusst; dies kann auch bei Vorgaben insbesondere aufgrund von Rechtsvorschriften, Plänen oder Richtlinien sowie bei Zusammenarbeit mit anderen leitenden Angestellten gegeben sein.
Für die in Absatz 1 Satz 3 genannten Beamten und Soldaten gelten die Sätze 1 und 2 entsprechend.

(4) Leitender Angestellter nach Absatz 3 Nr. 3 ist im Zweifel, wer

1.
aus Anlass der letzten Wahl des Betriebsrats, des Sprecherausschusses oder von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer oder durch rechtskräftige gerichtliche Entscheidung den leitenden Angestellten zugeordnet worden ist oder
2.
einer Leitungsebene angehört, auf der in dem Unternehmen überwiegend leitende Angestellte vertreten sind, oder
3.
ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das für leitende Angestellte in dem Unternehmen üblich ist, oder,
4.
falls auch bei der Anwendung der Nummer 3 noch Zweifel bleiben, ein regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt erhält, das das Dreifache der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch überschreitet.

(1) Die Prokura ermächtigt zu allen Arten von gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen, die der Betrieb eines Handelsgewerbes mit sich bringt.

(2) Zur Veräußerung und Belastung von Grundstücken ist der Prokurist nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnis besonders erteilt ist.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Strukturausgleich nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst(TVöD) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005.

2

Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 15. März 1989 in einer Forschungsanstalt der Beklagten als Chemielaborantin in der Funktion einer Chemisch-Technischen Assistentin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag(BAT) Anwendung. Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis aufgrund beiderseitiger Tarifbindung nach dem TVöD und dem TVÜ-Bund. Die Klägerin war zunächst in der Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 1, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Im Wege eines Zeitaufstiegs wurde sie zum 1. Januar 1997 in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert. Sie erhielt vor der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD zuletzt Grundgehalt dieser Vergütungsgruppe nach Lebensaltersstufe 39. Im Rahmen der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD wurde die Klägerin der Entgeltgruppe E 8 TVöD und einer ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe zugeordnet, weil das Vergleichsentgelt über der höchsten Stufe 6 der Entgeltgruppe E 8 TVöD lag.

3

In einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 unterrichtete die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel die Klägerin über die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD und teilte ua. mit, dass sie einen Strukturausgleich in Höhe von 40,00 Euro(auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung) erhält, dieser Ausgleichsbetrag ab dem 1. Oktober 2007 dauerhaft gezahlt, jedoch nicht dynamisiert wird und daher an künftigen Tariferhöhungen nicht teilnimmt. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass es der Information dient und keinen Rechtsanspruch begründet.

4

Die mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigte Klägerin hat ohne Erfolg von der Beklagten ab Oktober 2007 Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund iVm. Anlage 3 TVÜ-Bund (Strukturausgleichstabelle) in Höhe von monatlich 20,00 Euro verlangt. In dieser Tarifvorschrift und der Strukturausgleichstabelle heißt es:

        

㤠12 Strukturausgleich

        
        

(1) 1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O übergeleitete Beschäftigte erhalten ausschließlich in den in Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen Strukturausgleich. 2Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensalterstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist der 1. Oktober 2005, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.

        
        

(2) Die Zahlung des Strukturausgleichs beginnt im Oktober 2007, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht etwas anderes bestimmt ist.

        
        

(3) …

        
        

(4) Bei Teilzeitbeschäftigung steht der Strukturausgleich anteilig zu (§ 24 Abs. 2 TVöD). ...

        
        

Protokollerklärung zu Absatz 4:

        
        

Bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der/des Beschäftigten ändert sich der Strukturausgleich entsprechend.

        
        

…       

        
        

Anlage 3 TVÜ-Bund

        
        

Strukturausgleiche für Angestellte (Bund)

        
        

...

        
        

Entgeltgruppe

Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ

Aufstieg

Orts-Zuschlag Stufe 1, 2

Lebensaltersstufe

Höhe Ausgleichsbetrag

Dauer

bei In-Kraft-Treten TVÜ

        

2       

X       

IX b nach 2 Jahren

OZ 2

23   

40 €

für 4 Jahre

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…       

        

8       

V c

ohne

OZ 2

39   

40 €

dauerhaft

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…“   

5

Die Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund lauten:

        

„1.

1Die Tarifvertragsparteien sind sich angesichts der Fülle der denkbaren Fallgestaltungen bewusst, dass die Festlegung der Strukturausgleiche je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen kann. 2Sie nehmen diese Verwerfungen im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten hin.

        

2.   

1Die Tarifvertragsparteien erkennen unbeschadet der Niederschriftserklärung Nr. 1 an, dass die Strukturausgleiche in einem Zusammenhang mit der zukünftigen Entgeltordnung stehen. 2Die Tarifvertragsparteien werden nach einer Vereinbarung der Entgeltordnung zum TVöD, rechtzeitig vor Ablauf des 30. September 2007 prüfen, ob und in welchem Umfang sie neben den bereits verbindlich vereinbarten Fällen, in denen Strukturausgleichsbeträge festgelegt sind, für einen Zeitraum bis längstens Ende 2014 in weiteren Fällen Regelungen, die auch in der Begrenzung der Zuwächse aus Strukturausgleichen bestehen können, vornehmen müssen. 3Sollten zusätzliche Strukturausgleiche vereinbart werden, sind die sich daraus ergebenden Kostenwirkungen in der Entgeltrunde 2008 zu berücksichtigen.“

6

Die Klägerin hat gemeint, sie habe nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich in Höhe von monatlich 20,00 Euro. Sie sei bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund in der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT eingruppiert gewesen und habe alle anderen für diese Vergütungsgruppe in der Strukturausgleichstabelle genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Ohne Bedeutung sei, dass sie aus der Vergütungsgruppe VI b in die Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT aufgestiegen sei. Die tarifliche Regelung stelle für den Anspruch auf den Strukturausgleich nicht auf die „originäre“ Vergütungsgruppe oder die „Ausgangsvergütungsgruppe“ ab. Maßgeblich sei die Eingruppierung am Stichtag. Für die Monate Oktober und November 2007 stünde ihr aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung Strukturausgleich in Höhe von jeweils 20,00 Euro brutto zu.

7

Die Klägerin hat beantragt:

        

1.   

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.

        

2.   

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu bezahlen.

8

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, für den Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle sei nicht auf die am Stichtag tatsächlich erreichte, sondern die originäre Vergütungsgruppe abzustellen. Die Spalten 2 und 3 der Tabelle seien nur verständlich, wenn sie als Einheit verstanden würden. Die Tarifvertragsparteien hätten die Aufstiegsmöglichkeiten der Beschäftigten in der Strukturausgleichstabelle nachgezeichnet. So sei in Spalte 3 stets eine höhere Vergütungsgruppe als in Spalte 2 der Tabelle ausgewiesen. Anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund hätten die Tarifvertragsparteien in der Strukturausgleichstabelle nicht zwischen vorhandenem, vollzogenem und noch ausstehendem Aufstieg differenziert. Die Fallvariante „nach Aufstieg“ enthalte diese Tabelle nicht. Dies zeige, dass es für den Anspruch auf den Strukturausgleich auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme. Die Fallgruppe der originären Vergütungsgruppe ohne weitere Aufstiegsmöglichkeit könne nicht mit der nach erfolgtem Aufstieg erreichten Vergütungsgruppe gleichgestellt werden. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch, dass die nach dem Überleitungsstichtag vollzogenen Aufstiege gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund zum Wegfall des Strukturausgleichs führten.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung darf die Klage nicht abgewiesen werden. In der Sache kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es bedarf der Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht, ob sich die Tarifvertragsparteien - wie die Beklagte behauptet - in den Tarifvertragsverhandlungen einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in der Strukturausgleichstabelle nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist.

11

I. Die Klage ist zulässig.

12

1. Der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Strukturausgleich gerichtete Feststellungsantrag hat eine Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand(vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 528/03 - BAGE 112, 112, 115). Für diesen Antrag liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann erwartet werden, dass die Beklagte einem gegen sie ergangenen Feststellungsurteil nachkommen und die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird. Die Klägerin musste den beanspruchten Ausgleichsbetrag auch nicht beziffern, nachdem dieser Betrag bei Teilzeitbeschäftigung anteilig zu zahlen ist (§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) und die Höhe des Strukturausgleichs damit vom jeweiligen zeitlichen Umfang der Beschäftigung der Klägerin abhängt.

13

2. Allerdings bedarf der Feststellungsantrag bezüglich des Beginns des streitbefangenen Zeitraums der Auslegung, nachdem die Klägerin insoweit von einer Datumsangabe abgesehen hat. Die Klägerin beansprucht für die Monate Oktober und November 2007 Strukturausgleich im Wege der Zahlungsklage. Ihr Feststellungsbegehren ist daher so auszulegen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihr ab Dezember 2007 Strukturausgleich zu zahlen.

14

II. Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifbindung ua. nach den Bestimmungen des TVÜ-Bund. Der mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigten Klägerin könnte deshalb nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle ab dem 1. Oktober 2007 anteiliger Strukturausgleich(§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) in Höhe von monatlich 20,00 Euro brutto zustehen. Für die Monate Oktober und November 2007 schuldete ihr die Beklagte in diesem Fall Strukturausgleich in Höhe des im Wege der Zahlungsklage geltend gemachten Betrags von 40,00 Euro brutto.

15

1. Die Tarifvertragsparteien haben in der Strukturausgleichstabelle den Anspruch auf den Ausgleichsbetrag an fünf Voraussetzungen geknüpft. Sie haben zu jeder „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ für bestimmte Lebensaltersstufen und Stufen des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt. Die Klägerin hat am 1. Oktober 2005 und damit am gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund maßgeblichen Stichtag die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen dauerhaft zu zahlenden Strukturausgleich in Höhe von monatlich 40,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung nur dann erfüllt, wenn es für das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Sie wurde im Rahmen der Überleitung in den TVöD der Entgeltgruppe E 8 zugeordnet. Seit dem 1. Januar 1997 und damit bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund am 1. Oktober 2005 war sie in der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Darüber, dass der Klägerin bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 2 zustand, sie zu diesem Zeitpunkt die Lebensaltersstufe 39 erreicht hatte und im Wege eines Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstiegs nicht mehr höhergruppiert werden konnte, besteht kein Streit.

16

2. Strittig ist, ob es sich bei der in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle genannten Vergütungsgruppe entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsauffassung der Beklagten um die „originäre“ Vergütungsgruppe handelt und spätere Höhergruppierungen durch Bewährungs- oder Zeitaufstiege nicht zu berücksichtigen sind(so auch Kutzki RiA 2009, 256; Görgens ZTR 2009, 562; Kuner Der neue TVöD Rn. 114a; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Juni 2009 TVÜ-Bund § 12 Rn. 18, 19; Hinweise zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund des Bundesministeriums des Innern [Hinweise des BMI] vom 10. August 2007 - D II 2-220 210 1/12 - Nr. 3.4.1 und 3.4.2), oder ob es entsprechend der Ansicht der Klägerin auf die am Stichtag tatsächlich erreichte Vergütungsgruppe ankommt (so Hanau ZTR 2009, 403; Dannenberg PersR 2009, 193; Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12 Rn. 2 und 4).

17

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 209; 8. September 1999 - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 263) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

18

4. Der Wortlaut der tariflichen Regelungist nicht eindeutig. § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund bestimmt, dass maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen(Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) der 1. Oktober 2005 ist, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Damit verweist der Wortlaut der Tarifbestimmung zwar nicht auf eine „originäre“ Vergütungsgruppe, eine „Ausgangsvergütungsgruppe“ oder die „Vergütungsgruppe bei erstmaliger Übertragung der Tätigkeit“. Die in Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle unter der Überschrift „Aufstieg“ enthaltene Angabe „ohne“ kann vom Wortsinn her aber auch so verstanden werden, dass die in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle angegebene Vergütungsgruppe ohne vorherigen Aufstieg erreicht sein muss und keinen künftigen Aufstieg vorsehen darf. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund hindert nicht ein Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 die für die Überleitung in den TVöD maßgebliche Vergütungsgruppe nicht mit einem früheren oder zukünftigen Aufstieg verbunden sein darf.

19

5. Auch die Tarifsystematik führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis.

20

a) Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien in der Anlage 2 TVÜ-Bund, die die Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen regelt, in der Spalte 2 zwischen Vergütungsgruppen „ohne Aufstieg“, „nach Aufstieg“ und „mit ausstehendem Aufstieg“ unterschieden und in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle mit dem Wort „ohne“ von dieser Differenzierung abgesehen haben, spricht noch nicht entscheidend dafür, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausschließlich das Fehlen künftiger Aufstiegsmöglichkeiten erfasst und Vergütungsgruppen nach erfolgtem Aufstieg nicht vom Strukturausgleich ausgenommen sind. Die Strukturausgleichstabelle und die Anlage 2 TVÜ-Bund verfolgen nicht nur unterschiedliche Regelungszwecke. Sie unterscheiden sich auch in der Regelungstechnik, indem in der Strukturausgleichstabelle anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund der Aufstieg unter der entsprechenden Überschrift in einer gesonderten Spalte behandelt wird. Dies könnte gegen eine Anknüpfung an die in Anlage 2 TVÜ-Bund getroffenen Differenzierungen und für eine eigenständige Auslegung sprechen, zumal in der Strukturausgleichstabelle anders als in Anlage 2 Spalte 2 TVÜ-Bund nach dem Wort „ohne“ die für einen Aufstieg in Betracht kommende höhere Vergütungsgruppe nicht genannt wird. Würde das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in einem weiteren Sinne als die Worte „ohne Aufstieg“ in der Anlage 2 TVÜ-Bund verstanden, dürfte die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden sein.

21

b) Wenn die Strukturausgleichstabelle bei den genannten Vergütungsgruppen mit Aufstieg nur Vergütungsgruppen mit einem am Stichtag noch nicht erfolgten, also einem zukünftigen Aufstieg bezeichnet, liegt die Annahme nahe, auch das Wort „ohne“ erfasse nur einen zukünftigen Aufstieg. Allerdings lässt sich dieser Auslegung entgegenhalten, dass in den Fällen mit Aufstieg die höhere Vergütungsgruppe genannt ist, in den Fällen ohne Aufstieg dagegen nicht.

22

c) Aus dem Wort „ausschließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund kann zwar abgeleitet werden, dass die Zahlung von Strukturausgleich Ausnahmecharakter hat. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ auch solche Vergütungsgruppen vom Strukturausgleich ausschließen soll, die von den Beschäftigten im Wege des Aufstiegs erreicht wurden. Ob es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien mehr oder weniger Ausnahmefälle geben soll, in denen Strukturausgleich zu zahlen ist, erschließt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund nicht.

23

d) Das Argument, dass in den Fällen eines nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund nachgeholten Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt ein etwaiger Strukturausgleich entfällt und dass ein Wertungswiderspruch entstünde, wenn man die nach dem Stichtag erfolgte Gleichstellung mit den früher Aufgestiegenen mit dem Wegfall des Strukturausgleichs bestrafe, die früheren Höhergruppierungen hingegen noch durch Zahlungen eines Strukturausgleichs belohne, trägt nicht( aA Görgens ZTR 2009, 562, 563). Es berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Folgen der Überleitung nach einem Aufstieg aus einer höheren Vergütungsgruppe und der Überleitung vor einem nach dem alten Tarifrecht möglichen Aufstieg aus der niedrigeren Vergütungsgruppe. Die Tarifvertragsparteien waren aufgrund des Stichtagsprinzips nicht gehindert, nur danach zu differenzieren, ob am 1. Oktober 2005 ein (weiterer) Aufstieg noch möglich war.

24

6. Auch Sinn und Zweck des Strukturausgleichs geben kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor.

25

a) Mit dem Strukturausgleich wollten die Tarifvertragsparteien Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen nach dem bisherigen Tarifsystem Rechnung tragen. Bei der Ermittlung der begünstigten Personengruppen war entscheidend, welche Einkommensentwicklung bei der bisher erreichten Vergütungsgruppe und Lebensaltersstufe sowie dem jeweiligen Familienstand(Ortszuschlag Stufe 1 oder Stufe 2) noch möglich gewesen wäre. Dies erklärt, warum die Strukturausgleichsbeträge innerhalb einer Vergütungsgruppe bei verschiedenen Lebensaltersstufen nicht stets gleich hoch sind (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Dezember 2009 Teil IV/3 TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Rn. 150). Im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten haben die Tarifvertragsparteien Verwerfungen in Einzelfällen ausdrücklich hingenommen (Nr. 1 Satz 2 der Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund). Mit den Spalten 2 und 3 der Strukturausgleichstabelle haben sie zwar auch mögliche Karriereentwicklungen der Angestellten nach dem BAT/BAT-O abgebildet, soweit sie den Anspruch auf Strukturausgleich in der Spalte 3 an den Aufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe geknüpft haben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien mit dem Strukturausgleich nicht ausschließlich nach dem bisherigen Tarifsystem bestehenden Exspektanzen im Hinblick auf eine Höhergruppierung Rechnung getragen. Sie haben vielmehr auch Exspektanzverluste aufgrund der Beseitigung des Aufstiegs nach dem Lebensalter abmildern wollen. In Spalte 5 der Strukturausgleichstabelle haben sie deshalb auf die Lebensaltersstufe des Angestellten bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund abgestellt (vgl. Hanau ZTR 2009, 403, 408).

26

b) Dieses Abmilderungsziel spricht zwar für das Verständnis, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ bereits erfüllt ist, wenn am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Entgeltsteigerungen aufgrund des Erreichens einer höheren Lebensaltersstufe wären nach bisherigem Tarifrecht unabhängig davon eingetreten, ob die aktuelle Eingruppierung noch einen Bewährungs- oder Tätigkeitsaufstieg zugelassen hätte oder ein solcher Aufstieg bereits vor dem Inkrafttreten des TVÜ-Bund erfolgt war. Der Verlust der Altersexspektanz trifft alle Beschäftigte einer Vergütungsgruppe gleich, unabhängig davon, ob sie in diese originär eingruppiert waren oder durch Aufstieg gelangt sind(Hanau ZTR 2009, 403, 407). Eine Bindung des Anspruchs auf Strukturausgleich an eine originäre Vergütungsgruppe könnte deshalb dem Willen der Tarifvertragsparteien, auch mit der Abschaffung der Lebensaltersstufen verbundene Exspektanzverluste auszugleichen (vgl. Dannenberg PersR 2009, 193, 195), widersprechen.

27

c) Zwingend ist dies jedoch nicht. Auch eine Regelung, wonach das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde die Grenzen der autonomen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht überschreiten, sondern wäre von der Tarifautonomie gedeckt.

28

7. Das von der Klägerin befürwortete Auslegungsergebnis ist auch nicht nennenswert praktikabler als das Abstellen auf originäre Vergütungsgruppen. Die Prüfung, ob im Überleitungszeitpunkt eine bestimmte Aufstiegsmöglichkeit bzw. keine Aufstiegsmöglichkeit bestand, erfordert ohnehin den Rückgriff auf die bei der Überleitung einschlägige Fallgruppe der Vergütungsgruppe des BAT, so dass ohne Weiteres festgestellt werden kann, ob der Angestellte in die Vergütungsgruppe mit der entsprechenden Fallgruppe erst durch einen vorherigen Aufstieg gelangt ist. Aufgrund dieses notwendigen Rückgriffs auf die einschlägige Fallgruppe kann aus der Strukturausgleichstabelle auch dann nicht „problemlos“ abgelesen werden, wer ab wann für wie lange welchen Betrag erhält, wenn ohne Weiteres auf die Vergütungsgruppe abgestellt wird, in der der Angestellte bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund eingruppiert war(aA Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12).

29

8. Ob es nach § 12 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 für den Anspruch auf Strukturausgleich darauf ankommt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe ohne Aufstieg erreicht worden ist, ist für die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in der Anlage 3 TVÜ-Bund nicht entscheidend. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder auf die originäre Vergütungsgruppe abgestellt haben sollten, könnte daraus kein entsprechender Regelungswille der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund abgeleitet werden, die diesen Tarifvertrag bereits am 13. September 2005 vereinbart hatten.

30

9. Ebenso wenig Rückschlüsse auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund lässt der zeitgleich vereinbarte Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-VKA) mit seiner in Anlage 2 geregelten Strukturausgleichstabelle zu. Diese ist anders strukturiert als die Tabelle für die Beschäftigten des Bundes und nicht mit vergleichbaren Auslegungsproblemen verbunden. Soweit dort auch für einige Fälle ein Strukturausgleich vorgesehen ist, in denen der Angestellte im Wege des Aufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe gelangt war, unterscheidet er sich nach Betrag, Beginn und Dauer von den Fällen, in denen die Überleitung des Angestellten aus der originären Vergütungsgruppe erfolgte.

31

10. Bezogen auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund hat das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 5. Februar 2008 an das Eisenbahn-Bundesamt behauptet, die Gewerkschaften hätten in den Tarifvertragsverhandlungen umfangreiche Vergleichsberechnungen vorgelegt, die auf den „originären“ Vergütungsgruppen basierten und zur tariflichen Regelung des Strukturausgleichs geführt hätten. Die Beklagte hat dieses Schreiben in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt, sich darauf bezogen und sich damit die Behauptung des Bundesministeriums des Innern zu Eigen gemacht. Sollte diese Behauptung zutreffen und wären die Tarifvertragsparteien sich in den Tarifverhandlungen einig gewesen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich voraussetzt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde dies die Auslegung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten rechtfertigen(zu den Voraussetzungen eines Rückgriffs auf die Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung als für die Auslegung entscheidenden Anhaltspunkt vgl. auch BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 -).

32

Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund seiner Annahme, bereits die Systematik der tariflichen Regelung spreche entscheidend dafür, dass es zur Erfüllung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme, nicht geprüft, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund in den Tarifverhandlungen die Strukturausgleichsbeträge auf der Basis der originären Vergütungsgruppen mit und ohne Aufstiegsmöglichkeit festgelegt haben und sich einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist. Diese Prüfung hat es nachzuholen. Dazu hat es beiden Parteien zunächst Gelegenheit zu geben, ihren jeweiligen Sachvortrag zur Entstehungsgeschichte der Regelung des Strukturausgleichs zu ergänzen und weiter zu substantiieren. Sodann wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Tarifvertragsparteien sich einig gewesen sind, dass die originäre Vergütungsgruppe maßgeblich ist. Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung führen, kann auch Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft bestehen(vgl. BAG 17. Mai 1994 - 1 ABR 57/93 -). Gemäß § 293 ZPO können so Mittel der Rechtsanwendung und die dazu erforderlichen Erkenntnisquellen gewonnen werden, indem zB Auskünfte der Tarifvertragsparteien darüber eingeholt werden, ob es zu der Regelung des Strukturausgleichs Protokollnotizen oder vergleichbare Unterlagen gibt, aus denen ein übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ersichtlich ist(vgl. BAG 16. Oktober 1985 - 4 AZR 149/84 - BAGE 50, 9, 21).

33

11. Kann eine solche Einigkeit der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden, wäre das Merkmal „Aufstieg - ohne“ so auszulegen, dass es ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Für diese Auslegung streitet dann entscheidend der Gesichtspunkt der Normenklarheit. Wenn die Tarifvertragsparteien in den ersten fünf Spalten der Strukturausgleichstabelle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Strukturausgleich und in den Spalten 6 und 7 der Tabelle die Höhe des jeweiligen Ausgleichsbetrags bzw. die Bezugsdauer aufgelistet haben, spricht dies dafür, dass sie den Strukturausgleich möglichst transparent regeln wollten. Müsste erst ermittelt werden, ob der Beschäftigte in die in der Spalte 2 der Tabelle bezeichnete Vergütungsgruppe im Wege des Aufstiegs gelangt ist oder nicht, wäre die Regelung weniger durchschaubar. Für Normadressaten, die sich allein anhand des Wortlauts von § 12 TVÜ-Bund und der Strukturausgleichstabelle Gewissheit über Ansprüche auf Strukturausgleich verschaffen wollen, ist dies entscheidend. Auch die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel hat die tarifliche Regelung zunächst so verstanden, dass es für den Anspruch auf Strukturausgleich auf die „gegenwärtige Eingruppierung bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund“ ankommt. Sie hat der Klägerin deshalb in einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 mitgeteilt, dass diese Strukturausgleich erhält, und diese Mitteilung erst nach Kenntnis der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund korrigiert. Bei einem unbefangenen Durchlesen der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen liegt die Interpretation, entscheidend sei die bei der Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe des BAT ohne Rücksicht auf einen vorangegangenen Aufstieg, deutlich näher als die von der Beklagten befürwortete Auslegung. Wenn alle anderen Auslegungsgesichtspunkte zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, muss dies den Ausschlag geben, weil von den Normadressaten typischerweise nicht zu erwarten ist, dass sie sich zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sämtlicher Auslegungsmethoden bedienen und alle in Betracht kommenden Auslegungsgesichtspunkte heranziehen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Matiaske    

                 

Tenor

1. Die Revision des beklagten Landes gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. März 2011 - 2 Sa 93/10 - wird zurückgewiesen.

2. Das beklagte Land hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Der Kläger verlangt vom beklagten Land Strukturausgleich nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder(TV-L) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006.

2

Der Kläger ist seit dem 18. Oktober 1999 bei dem beklagten Land beschäftigt. Kraft einzelvertraglicher Vereinbarung finden auf das Arbeitsverhältnis der BAT-O sowie die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für die TdL jeweils geltenden Fassung Anwendung. Aufgrund seiner Tätigkeit war der Kläger in die VergGr. IV a Fallgr. 1 a des Teils I (Allgemeiner Teil) der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert. Nach vierjähriger Bewährung wurde er höhergruppiert in die VergGr. III Fallgr. 1 b BAT mit Wirkung zum 12. Juni 2004. Die geänderte Eingruppierung wurde in einem Änderungsvertrag festgehalten.

3

Zum 1. November 2006 wurde der zu diesem Zeitpunkt teilzeitbeschäftigte Kläger aus der VergGr. III BAT und der Lebensaltersstufe 41 in den TV-L übergeleitet und dort tarifgerecht in die EG 11 eingruppiert. Im November 2008 zahlte das beklagte Land ihm einen Strukturausgleich von 73,22 Euro brutto. Mit Schreiben vom 9. Januar 2009 teilte es dem Kläger mit, diese Zahlung sei versehentlich erfolgt. Die tarifliche Regelung stelle auf die originären Eingruppierungsmerkmale zum Stichtag 1. November 2006 ab. Das beklagte Land behielt deshalb vom Entgelt des Klägers für Dezember 2008 den im November 2008 gezahlten Strukturausgleich ein.

4

Nach rechtzeitiger erfolgloser Geltendmachung begehrt der Kläger mit seiner am 21. September 2009 anhängig gewordenen Klage zuletzt die Zahlung eines Strukturausgleichs von monatlich 73,22 Euro brutto seit November 2008.

5

Zum Strukturausgleich bestimmt § 12 TVÜ-Länder:

        

„(1) 1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O übergeleitete Beschäftigte erhalten einen nicht dynamischen Strukturausgleich ausschließlich in den in Anlage 3 aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt. 2Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensalterstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist der 1. November 2006, sofern in Anlage 3 nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.

        
        

…“    

        
        

„Anlage 3. Strukturausgleiche für Angestellte

        
        

...     

        
        

A. Angestellte (einschl. Lehrkräfte), mit Ausnahme des Pflegepersonals im Sinne der Anlage 1 b zum BAT/BAT-O

        
                          
        

Entgeltgruppe

Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ

Aufstieg

Orts-Zuschlag Stufe 1, 2

Lebensaltersstufe

Höhe Ausgleichsbetrag

Dauer 

        

bei In-Kraft-Treten TVÜ

        

 2     

 X     

 IX b nach 2 Jahren

 OZ 2 

 23    

 40 € 

 für 4 Jahre

        

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

        

 11    

 IV a 

 III nach 4, 6, 8 Jahren

 OZ 2 

 41    

 85 € 

 dauerhaft

        

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

        

 11    

 III   

 ohne 

 OZ 2 

 41    

 85 € 

 dauerhaft

        

 ...   

 ...   

 ...   

 ...   

 ...   

 ...   

 ...“ 

6

Für das Pflegepersonal im Sinne der Anlage 1 b zum BAT/BAT-O war im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ-Länder eine Strukturausgleichstabelle noch nicht erstellt. Eine diesbezügliche Einigung erzielten die Tarifvertragsparteien mit Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom 13. März 2008 wie folgt:

        

„B. Pflegepersonal im Sinne der Anlage 1 b zum BAT/BAT-O

        
        

EG    

Vergütungsgruppe

Ortszuschlag Stufe 1/2

Überleitung aus

nach   

für     

Betrag Tarifgebiet West

        

VergGr.

Stufe 

        

 12a   

 Kr. XII 5 Jahre Kr. XIII

 OZ 2 

 Kr. XII

 6     

 1 Jahr

 6 Jahre

 90,- €

        

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

        

 10a   

 Kr. IX 5 Jahre Kr. X

 OZ 2 

 Kr. IX

 5     

 3 Jahren

 2 Jahre, danach dauerhaft

 270,- €

        

 20,- €

                                   

 Kr. IX

 6     

 4 Jahren

 dauerhaft

 35,- €

                                   

 Kr. X

 7     

 2 Jahren

 dauerhaft

 35,- €

                                   

 Kr. X

 8     

 2 Jahren

 dauerhaft

 35,- €

                          

 …     

 …     

 …     

 …     

 …     

 …“    

7

Die Parteien streiten darüber, ob das Merkmal „ohne“ in Spalte 3 des Teils A. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder bereits erfüllt ist, wenn im Zeitpunkt der Überleitung des Angestellten in den TV-L kein (weiterer) Aufstieg aus seiner Vergütungsgruppe (mehr) möglich war, oder ob dieses Merkmal voraussetzt, dass der Angestellte bei seiner Überleitung ohne vorherigen Aufstieg, also „originär“, in einer Vergütungsgruppe eingruppiert war, aus der kein Aufstieg möglich war, ob also Vergütungsgruppen nach Aufstieg vom Strukturausgleich nicht erfasst sein sollten.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe Strukturausgleich nach den Merkmalen „Entgeltgruppe 11“, „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ III BAT“, „Aufstieg - ohne“, „OZ 2“ und „Lebensaltersstufe 41“ von 85,00 Euro brutto zu, der gemäß § 12 Abs. 3 und Abs. 4 TVÜ-Länder auf 73,22 Euro zu kürzen sei. Dies ergebe sich bereits daraus, dass er nicht im Wege des Bewährungsaufstiegs, sondern im Wege einer Neueingruppierung 2004 in die VergGr. III BAT eingruppiert worden sei. Er erfülle aber auch dann die Anspruchsvoraussetzungen für den Strukturausgleich, wenn er im Wege des Bewährungsaufstiegs aus der VergGr. IV a BAT in die VergGr. III BAT aufgestiegen wäre. Dies folge entgegen der Auffassung des beklagten Landes gerade aus der Tarifgeschichte. Die Tarifvertragsparteien hätten für die von der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 1 TVÜ-Länder und vom Teil B. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder erfassten Personenkreise eine nachträgliche Interpretation des Merkmals „ohne“ vorgenommen, die für alle anderen Arbeitnehmer und damit auch für den Kläger gerade nicht gelten solle.

9

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

        

1.    

das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger für die Monate November 2008 bis einschließlich März 2010 1.244,74 Euro brutto nebst fünf Prozent Zinsen über dem Basiszins in im Einzelnen aufgeführter, gestaffelter Höhe zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, ab dem 1. April 2010 für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses des Klägers diesem einen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Länder zu zahlen.

10

Das beklagte Land hat zur Begründung seines Klageabweisungsantrags unter Bezug auf eine Tarifauskunft des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom 28. Oktober 2010 vorgetragen, aus der Differenzierung der Tarifvertragsparteien zwischen Vergütungsgruppen mit und ohne Aufstieg folge zwingend, dass von dem Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur solche Vergütungsgruppen erfasst seien, die keinen Bewährungs- oder Zeitaufstieg vorgesehen hätten. Werde in Fällen wie dem des Klägers ein Strukturausgleich gewährt, führe dies zu einem Wertungswiderspruch zu § 8 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Länder und § 12 Abs. 5 TVÜ-Länder. Folge man der Auslegung des Klägers, erhalte ein Beschäftigter, der den Aufstieg vor Überleitung durchgeführt habe, im Ergebnis einerseits ein höheres Tabellenentgelt aufgrund der Überleitung in eine höhere Entgeltgruppe und andererseits einen Strukturausgleich. Ein gleichaltriger Beschäftigter, der in vergleichbarer Tätigkeit den Aufstieg erst nach der Überleitung nachhole, erhalte ein niedrigeres Tabellenentgelt aufgrund seiner Überleitung und zunächst den Strukturausgleich, der dann jedoch um den Höhergruppierungsgewinn gemäß § 12 Abs. 5 TVÜ-Länder gemindert werde bzw. gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Länder entfalle.

11

Im Unterschied zum TVÜ-Bund seien die Regelungen zum Strukturausgleich im TVÜ-Länder fortentwickelt worden. Insbesondere die Protokollerklärung zu § 12 Abs. 1 TVÜ-Länder weise darauf hin, dass die Tarifvertragsparteien spätestens ab März 2009 davon ausgegangen seien, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur solche Beschäftigten erfasse, die sich noch in ihrer originären Vergütungsgruppe befänden. Auch aus Teil B. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder sei ersichtlich, dass die Tarifvertragsparteien erkennbar davon ausgegangen seien, dass für die Zahlung des Strukturausgleichs Voraussetzung sei, dass der entsprechende Angestellte noch in seiner „originären“ Vergütungsgruppe eingruppiert sei. Sie hätten dort eine Einigung erzielt, dass in bestimmten Fallgestaltungen trotz eines vorherigen Aufstiegs ein Strukturausgleich gezahlt werden solle. Dies sei in der Spalte 4 des Teils B. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder im Einzelnen festgelegt. Insoweit verweist das beklagte Land beispielhaft auf die EG 10a TV-L (Strukturausgleich trotz Überleitung aus KR X), EG 9d TV-L (Strukturausgleich trotz Überleitung aus Kr. IX), EG 9c TV-L (Strukturausgleich trotz Überleitung aus Kr. VIII) sowie EG 9b TV-L (Strukturausgleich trotz Überleitung aus Kr. VII). Dies wäre überflüssig, wenn ein bereits erfolgter Aufstieg im Zeitpunkt der Überleitung unschädlich hätte sein sollen.

12

Schließlich spreche auch die Systematik des TVÜ-Länder für die vom beklagten Land vertretene Auffassung. Ein Beschäftigter, der vor Inkrafttreten des TV-L aus der VergGr. III BAT in die VergGr. II a BAT aufgestiegen sei und daraus in die EG 12 TV-L übergeleitet worden sei, erhalte keinen Strukturausgleich. Dies sei kein redaktionelles Versehen, sondern belege, dass nach erfolgtem Aufstieg gar keine Gewährung von Strukturausgleich vorgesehen sei.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat Auskünfte der dbb tarifunion vom 19. Oktober 2010, der TdL vom 21. Oktober 2010 und von ver.di vom 21. Oktober 2010 eingeholt. Außerdem sind ihm vom beklagtem Land eine Tarifauskunft des BMI vom 28. Oktober 2010, die im Verfahren - 13 Sa 73/10 - des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg erteilt worden ist, sowie eine Auskunft der TdL vom 2. August 2010, die im Verfahren des Arbeitsgerichts Leipzig - 11 Ca 1770/10 - eingeholt worden ist, vorgelegt worden. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers der Klage stattgegeben. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt das beklagte Land sein Begehren auf Klageabweisung weiter.

14

Der Senat hat mit Beschluss vom 26. September 2012 die Akten des Verfahrens - 6 AZR 932/11 -, in der sich Stellungnahmen der TdL vom 7. Juli 2011 und von ver.di vom 5. Juli 2011 befinden, sowie des Verfahrens - 6 AZR 11/12 -, in der sich Excel-Tabellen mit Berechnungen befinden, die für die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund Grundlage für den Strukturausgleich waren, beigezogen und diese Unterlagen den Parteien übermittelt. Dazu haben der Kläger mit Schriftsatz vom 8. Oktober 2012 und das beklagte Land mit Schriftsätzen vom 9. und 11. Oktober 2012 unter Bezug auf eine Stellungnahme des früheren stellvertretenden Geschäftsführers der TdL vom 9. Oktober 2012 Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler der Klage stattgegeben. Der Kläger hat seit dem 1. November 2008 Anspruch auf Strukturausgleich von monatlich 73,22 Euro brutto.

16

A. Die Klage ist zulässig. Der Feststellungsantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, obwohl er keine Angaben zur Höhe des zu zahlenden Strukturausgleichs enthält. Der Antrag ist dahin zu verstehen, dass der Kläger die monatliche Zahlung eines gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder nicht dynamischen Strukturausgleichs von 73,22 Euro brutto begehrt. Der Antrag ist außerdem dahin auszulegen, dass ein Strukturausgleich von 73,22 Euro brutto monatlich nur so lange gezahlt werden soll, wie für Angestellte, die aus der VergGr. III BAT mit der Lebensaltersstufe 41 und dem Ortszuschlag der Stufe 2 und höher in die EG 11 des TV-L übergeleitet worden sind, für das Merkmal „Aufstieg - ohne“ tariflich ein Strukturausgleich vorgesehen ist. In dieser Auslegung besteht das erforderliche Feststellungsinteresse.

17

B. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass von der Formulierung „Aufstieg - ohne“ in der Spalte 3 des Teils A. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder (künftig: Strukturausgleichstabelle) auch Angestellte wie der Kläger erfasst werden, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des TV-L in eine Vergütungsgruppe eingruppiert waren, in die sie im Wege des Aufstiegs gelangt waren, die aber keinen weiteren Aufstieg (mehr) zuließ.

18

I. Der Kläger ist entgegen seiner Ansicht nicht durch Beförderung oder Neueingruppierung in die VergGr. III Fallgr. 1 b BAT eingruppiert worden, sondern im Wege des Bewährungsaufstiegs. In diese Fallgruppe der VergGr. III BAT konnte der Angestellte nur im Wege des Bewährungsaufstiegs gelangen. Dementsprechend hat das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 20. April 2004 die Eingruppierung in diese Vergütungsgruppe unter dem Betreff „Höhergruppierung / hier: 4-jährige Bewährung“ mitgeteilt.

19

II. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 22. April 2010 (- 6 AZR 962/08 - BAGE 134, 184) zur Anlage 3 zum TVÜ-Bund angenommen, dass sich ein eindeutiges Begriffsverständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ anhand des Wortlauts, der Tarifsystematik, des Sinns und Zwecks und des Gesichtspunkts der Praktikabilität nicht ermitteln lasse. Er hat den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um aufzuklären, ob sich die Tarifvertragsparteien in den Tarifverhandlungen einig gewesen seien, dass der Anspruch auf Strukturausgleich voraussetze, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege des Aufstiegs erreicht worden sei. Er hat weiter ausgeführt, dass für den Fall, dass sich eine solche Einigkeit nicht feststellen lasse, das Merkmal „Aufstieg - ohne“ so auszulegen sei, dass es ausreiche, dass an dem für den Anspruch auf den Strukturausgleich nach dem TVÜ-Bund maßgeblichen Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich gewesen sei (zustimmend Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand August 2011 F § 12 Rn. 11; Kamanabrou Anm. AP TVÜ § 12 Nr. 2; kritisch BeckOK B/B/M/S/Kuner TV-L Stand 1. April 2012 § 12 TVÜ-Länder Rn. 3a; Kutzki öAT 2011, 73).

20

III. Für den Strukturausgleich des TVÜ-Länder lässt sich nach den genannten Auslegungskriterien ebenfalls kein eindeutiges tarifliches Begriffsverständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in der Strukturausgleichstabelle ermitteln. Die Tarifvertragsparteien haben bei diesem Merkmal nicht übereinstimmend auf „originäre“ Vergütungsgruppen abgestellt. Im Gegenteil bestand insoweit Dissens zwischen ihnen (noch offengelassen von BAG 22. April 20106 AZR 962/08 - Rn. 29, BAGE 134, 184).

21

1. Aus dem Wortlaut folgt nicht eindeutig, ob ein vollzogener Aufstieg den Anspruch auf Strukturausgleich ausschließt. Der Begriff „ohne“ kann vom Wortsinn so verstanden werden, dass die in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle angegebene Vergütungsgruppe ohne vorherigen Aufstieg erreicht sein muss und keinen künftigen Aufstieg vorsehen darf (BAG 22. April 20106 AZR 962/08 - Rn. 18, BAGE 134, 184). Andererseits folgt aus der Verwendung des Begriffs „ohne“ in der Spalte 3 der Tabelle entgegen der Annahme der TdL in ihrer Auskunft vom 7. Juli 2011 auf Seite 7 nicht notwendig, dass der Karriereverlauf bereits in der Vergangenheit „frei von“ einem Aufstieg gewesen sein müsse. Das Wort „ohne“ hat keinen eindeutigen Vergangenheitsbezug. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch drückt dieser Begriff aus, dass jemand oder etwas nicht beteiligt, nicht vorhanden, frei von ist, und zwar an dieser Stelle, zu dieser Zeit (Duden Das große Wörterbuch der deutschen Sprache 3. Aufl. Stichwort: „ohne“). So muss zum Beispiel eine Tarifnorm ohne Wirkung nicht notwendig nie eine Wirkung entfaltet haben. Zudem enthalten weder § 12 TVÜ-Länder noch die Spalten 2 oder 3 der Strukturausgleichstabelle einen Hinweis auf eine „originäre“ Vergütungsgruppe.

22

2. Auch der Tarifsystematik lassen sich keine eindeutigen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ solche Angestellte vom Strukturausgleich ausschließt, die bereits einen Aufstieg vollzogen haben.

23

a) Der Senat hat bereits ausgeführt, dass die unterschiedlichen Regelungszwecke und die unterschiedlichen Regelungstechniken der Anlagen 2 und 3 zum TVÜ-Bund für eine eigenständige Auslegung der Anlage 3 zum TVÜ-Bund sprechen (BAG 22. April 20106 AZR 962/08 - Rn. 20, BAGE 134, 184). Mit diesen Ausführungen, die sich uneingeschränkt auf den Strukturausgleich für den Bereich der Länder übertragen lassen, setzt sich die Revision nicht auseinander, sondern wiederholt nur ihre entgegenstehende Ansicht, ohne neue Gesichtspunkte anzuführen. Auch den vom beklagten Land eingeführten und vom Senat beigezogenen Stellungnahmen der TdL lassen sich keine neuen Argumente entnehmen.

24

b) Weder der Umstand, dass in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle nur Vergütungsgruppen mit künftigem Aufstieg angeführt sind, noch die Verwendung des Wortes „ausschließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder lassen den Schluss zu, dass ein vollzogener Aufstieg den Anspruch auf Strukturausgleich ausschließt(vgl. für den TVÜ-Bund BAG 22. April 20106 AZR 962/08 - Rn. 21 f., BAGE 134, 184; vgl. dazu auch Kamanabrou Anm. AP TVÜ § 12 Nr. 2 unter III).

25

c) Der Umstand, dass die Beschäftigten, die aus der VergGr. III BAT in die VergGr. II a BAT aufgestiegen und daraus in die EG 12 TV-L übergeleitet worden sind, keinen Strukturausgleich erhalten, belegt die Auffassung des beklagten Landes (vgl. dazu auch die Auskunft der TdL vom 7. Juli 2011 unter I 3 e auf Seite 12), nach erfolgtem Aufstieg sei generell kein Strukturausgleich vorgesehen, nicht.

26

aa) Die Beschäftigten, die aus der VergGr. II a BAT in den TV-L übergeleitet worden sind, sind nach Teil A. der Anlage 2 zum TVÜ-Länder in unterschiedliche Entgeltgruppen übergeleitet worden:

-       

Beschäftigte, die aus der VergGr. III BAT in die VergGr. II a BAT aufgestiegen waren, wurden ebenso wie Beschäftigte der VergGr. III BAT, deren Aufstieg in die VergGr. II a BAT noch ausstand, in die EG 12 TV-L übergeleitet;

-       

Beschäftigte der VergGr. II a BAT „ohne Aufstieg nach I b“ wurden in die EG 13 TV-L übergeleitet;

-       

Beschäftigte „mit ausstehendem Aufstieg nach I b nach 11 oder 15 Jahren“ wurden in die EG 13 Ü TV-L übergeleitet und

-       

Beschäftigte „mit ausstehendem Aufstieg nach I b nach 5 oder 6 Jahren“ wurden in die EG 14 TV-L übergeleitet.

27

bb) Das beklagte Land weist zutreffend darauf hin, dass sich die Kombination der Merkmale „Entgeltgruppe 12“ und „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ II a“ in der Strukturausgleichstabelle nicht findet. Ein Strukturausgleich ist für die aus der VergGr. III BAT in die VergGr. II a BAT aufgestiegenen, in die EG 12 TV-L übergeleiteten Beschäftigten nicht vorgesehen. Demgegenüber ist für Beschäftigte, die aus der VergGr. II a BAT in die EG 13 TV-L übergeleitet worden sind, bei einem Ortszuschlag der Stufe 2 in den Lebensaltersstufen 39, 41 und 43 ein Strukturausgleich ausgewiesen, wobei sich jeweils das Merkmal „Aufstieg - ohne“ findet (siehe auch Seite 12 der Auskunft der TdL vom 7. Juli 2011). Bei diesen Beschäftigten ist auch nach Auffassung des beklagten Landes das Merkmal „ohne“ erfüllt, weil für diesen Personenkreis von vornherein kein Aufstieg in die VergGr. I b BAT möglich war.

28

cc) Entgegen der Ansicht des beklagten Landes und der TdL belegt die Behandlung dieses Personenkreises jedoch nicht, dass nach erfolgtem Aufstieg generell keine Heranziehung der Konstellation „Aufstieg - ohne“ erlaubt sein sollte. Diese Argumentation berücksichtigt nicht ausreichend, wie die Angestellten der VergGr. II a BAT in der neuen Entgeltstruktur des TV-L behandelt worden sind und welchen Zweck der Strukturausgleich verfolgt.

29

(1) Die Tarifvertragsparteien haben nach den insoweit übereinstimmenden Tarifauskünften von ver.di, dbb tarifunion und des BMI nur für besondere, typisierte Karriereverläufe einen Strukturausgleich vorgesehen. Sie haben dabei für bestimmte Vergütungsgruppen die Lebenserwerbsverläufe von Beschäftigten verschiedener Lebensaltersstufen bei fiktivem Fortbestand des BAT einerseits und unter dem TVöD andererseits zukunftsbezogen verglichen. Ergaben sich dabei Einkommensdifferenzen zu Lasten des Angestellten (sog. „Exspektanzverluste“) und überschritten diese ein gewisses Maß, sollten diese durch den Strukturausgleich (teilweise) ausgeglichen werden (vgl. auch BAG 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - Rn. 25, BAGE 134, 184).

30

In die VergGr. II a BAT konnten die Angestellten im Wege des Bewährungsaufstiegs gelangen, aus ihr war aber auch ein Aufstieg in die nächsthöhere Gruppe möglich. Schließlich war sie auch eine „originäre“ Vergütungsgruppe im Sinne der Argumentation des beklagten Landes. Erst über die Fallgruppenzuordnung ließ sich erkennen, auf welchem Weg der Angestellte in diese Vergütungsgruppe gelangt war und welche Entwicklung er evtl. noch vor sich hatte. Die Wertigkeit dieser Fallgruppen war so unterschiedlich, dass die einheitlich in die VergGr. II a BAT eingruppierten und deshalb einheitlich vergüteten Angestellten in vier verschiedene Entgeltgruppen des TV-L übergeleitet worden sind.

31

(2) Diese Bandbreite der eingruppierungsrechtlichen Bewertung der der VergGr. II a BAT zugeordneten Tätigkeiten musste sich zwangsläufig bei der Entgeltentwicklung der aus dieser Vergütungsgruppe in den TV-L übergeleiteten Angestellten abbilden. Zwar erhielten diese bei identischen persönlichen Verhältnissen nach dem 1. November 2006 in den verschiedenen Entgeltgruppen zunächst unabhängig von ihrer Zuordnung zu den EG 12 bis 14 TV-L noch ein identisches Entgelt aus ihrer jeweiligen individuellen Zwischenstufe. Mit ihrem Aufstieg in die regulären Stufen der Entgelttabelle spätestens am 1. November 2008 lief jedoch die Entgeltentwicklung je nach der konkreten Entgeltgruppe, in die der Beschäftigte übergeleitet worden war, auseinander. Sie konnte in unterschiedlicher Weise vom fiktiven Vergütungsverlauf bei Weitergeltung des BAT abweichen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Tarifvertragsparteien allein wegen dieser unterschiedlichen Entgeltentwicklung die Notwendigkeit eines Strukturausgleichs für Beschäftigte, die zunächst aus der VergGr. III BAT in die VergGr. II a BAT aufgestiegen und daraus in die EG 12 TV-L übergeleitet worden sind, verneint haben, während sie für Beschäftigte, die aus der VergGr. II a BAT in höhere Entgeltgruppen mit anderen Erwerbsverläufen übergeleitet worden sind, einen Strukturausgleich teils für erforderlich gehalten haben.

32

(3) Vor diesem Hintergrund folgt daraus, dass kein Strukturausgleich für die aus der VergGr. III BAT in die VergGr. II a BAT aufgestiegenen, in die EG 12 TV-L übergeleiteten Beschäftigten vorgesehen ist, wohl aber für einige Gruppen der Beschäftigten, die „originär“ in die VergGr. II a BAT eingruppiert waren und daraus in die EG 13 TV-L übergeleitet worden sind, nichts Tragendes für die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“. Ein bewusstes „Aussparen“ des erstgenannten Personenkreises aus strukturellen Gründen ist nicht feststellbar.

33

dd) Darüber hinaus wäre selbst dann, wenn die Tarifvertragsparteien in der vom beklagten Land angeführten Konstellation tatsächlich nur Beschäftigten der „originären“ VergGr. II a BAT mit Überleitung in die EG 13 TV-L einen Strukturausgleich hätten gewähren wollen, nicht aber den im Wege des Bewährungsaufstiegs in die VergGr. II a BAT gelangten Beschäftigten, diese Stichprobe zu klein, um daraus Rückschlüsse auf den gesamten Aufbau der Strukturausgleichstabelle und für alle dort geregelten Fälle zu ziehen.

34

d) Unter systematischen Gesichtspunkten wird ferner darauf hingewiesen, dass in der Tabelle zum Strukturausgleich für jede Entgeltgruppe zunächst die Konstellationen mit noch nicht vollzogenem Aufstieg nach der nächsthöheren Vergütungsgruppe aufgeführt seien. Anschließend folgten dann die Konstellationen mit dem Zusatz in der Spalte 3 „ohne“. Diese Systematik mache nur Sinn, wenn in einer Gruppe der Tabelle jeweils diejenigen Vergütungsgruppen aufgeführt seien, welche über keinen Bewährungsaufstieg verfügten, sowie diejenigen, bei denen der Bewährungsaufstieg aus der nächstniedrigeren Vergütungsgruppe noch ausstehe. Daraus ergebe sich, dass die gesamte Systematik der Anlage 3 zum TVÜ-Länder so angelegt sei, dass sie generell keine Beschäftigten erfasse, welche zum Zeitpunkt der Überleitung bereits einen Bewährungsaufstieg vollzogen hatten.

35

Auch dieses Argument überzeugt nicht. Es zieht einen Zirkelschluss. Streitbefangen ist gerade, ob das Merkmal „Aufstieg - ohne“ so auszulegen ist, dass es (nur) die Angestellten erfasst, die bei Inkrafttreten des TV-L in einer Fallgruppe einer Vergütungsgruppe eingruppiert waren, die überhaupt keinen Aufstieg vorgesehen hat. Darüber hinaus ist zum Teil die Reihung der Konstellationen genau umgekehrt: Erst sind Fälle „ohne“ Aufstieg und dann solche mit noch ausstehendem Aufstieg aufgeführt.

36

e) Entgegen der Auffassung der Revision führt es zu keinem Widerspruch zu den Anrechnungsregelungen in § 8 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-Länder und § 12 Abs. 5 TVÜ-Länder, wenn das Merkmal „Aufstieg - ohne“ auch erfüllt ist, wenn kein weiterer Aufstieg möglich ist, dh. ein Anspruch auf Strukturausgleich auch nach bereits vollzogenem Aufstieg besteht.

37

aa) Die Revision macht insoweit geltend, in diesem Fall profitiere der Beschäftigte, der den Aufstieg vor der Überleitung bereits vollzogen habe, durch das höhere Tabellenentgelt infolge der Überleitung in eine höhere Entgeltgruppe und durch den Bezug des Strukturausgleichs doppelt, während der später Aufgestiegene sich das höhere Entgelt durch den nachgeholten Aufstieg auf den Strukturausgleich nach § 12 Abs. 5 TVÜ-Länder anrechnen lassen müsse bzw. nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Länder keinen Strukturausgleich mehr erhalte(vgl. auch die Argumentation unter I 3 c auf Seite 8 f. der Auskunft der TdL vom 7. Juli 2011).

38

bb) Ein solcher nach Auffassung des beklagten Landes vorliegender Wertungswiderspruch besteht tatsächlich nicht (vgl. für § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund BAG 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - Rn. 23, BAGE 134, 184). Nichts anderes ergibt sich aus dem vom beklagten Land angeführten Rechenbeispiel.

39

(1) Das beklagte Land stellt bei diesem Rechenbeispiel zwei Angestellte der VergGr. IV a BAT der Lebensaltersstufe 41 mit dem Ortszuschlag der Stufe 2 einander gegenüber. Es unterstellt bei dem einen Angestellten einen im Zeitpunkt seiner Überleitung in den TV-L noch ausstehenden Aufstieg in die VergGr. III BAT, bei dem anderen einen schon vollzogenen Aufstieg und kommt ausgehend von diesen Annahmen zu einem dauerhaften Entgeltvorteil für den zweiten Arbeitnehmer in Höhe des Strukturausgleichs, der nicht auf den bereits vor Überleitung in den TV-L erfolgten Entgeltgewinn angerechnet werde.

40

(2) Dieser Gegenüberstellung liegt jedoch bereits ein unzutreffender Ausgangspunkt zugrunde: Die Tarifvertragsparteien haben - insoweit stimmen die Tarifauskünfte und die Kommentarliteratur überein (Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand November bzw. September 2008 Teil B 3 § 12 TVÜ-Länder Rn. 4 - 6; Auskunft der dbb tarifunion vom 19. Oktober 2010 unter B 2 auf Seite 3 f.; Auskunft von ver.di vom 21. Oktober 2010 unter 2 auf Seite 2; Auskunft des BMI vom 28. Oktober 2010 unter 3 auf Seite 4 f.) - keinen individuellen Vergleich einzelner Karrieren vorgenommen, sondern typisierte Lebenserwerbsverläufe zukunftsbezogen miteinander verglichen. Sie sind dabei pauschal von einem einheitlichen, typischen Einstiegslebensalter der verglichenen Angestellten einer Vergütungsgruppe ausgegangen (Seite 3 der Auskunft der dbb tarifunion: 21 bis zur VergGr. V c BAT, 25 für die VergGr. V b bis VergGr. III BAT und 27 ab der VergGr. II a BAT; vgl. auch die Berechnungsbögen im beigezogenen Verfahren - 6 AZR 11/12 -). Ausgehend davon haben sie den Aufstieg in den Lebensaltersstufen berücksichtigt. Bei den „Lebenserwerbsverläufen mit Aufstieg“ (so die Formulierung des BMI) haben sie außerdem einen nach der Regelzeit erfolgten Bewährungsaufstieg eingerechnet (das BMI verweist auf Seite 5 der genannten Auskunft insoweit auf den Sprung zwischen der Vergütung von 3.651,67 Euro und von 3.929,97 Euro in der Spalte „Verlauf alt“ zwischen dem Beschäftigungsjahr 11 und 12). Ausgehend von dieser Berechnungsweise konnte bei gleichaltrigen Angestellten, die dieselben Tätigkeitsmerkmale einer Vergütungsgruppe erfüllten, bei den für den Strukturausgleich maßgeblichen Berechnungen kein unterschiedlicher Erwerbsverlauf vorliegen: Entweder hatten beide ihren Aufstieg schon hinter sich oder er stand bei beiden noch aus. Zu dem vom beklagten Land angenommenen Wertungswiderspruch durch die einmal erfolgende, einmal unterbleibende Berücksichtigung einer Verdienststeigerung durch einen ggf. nach Inkrafttreten des TV-L nachgeholten Bewährungsaufstieg konnte es nach dieser typisierenden Berechnungsweise nicht kommen. Ob die tatsächlichen Erwerbsverläufe mit diesen Berechnungen übereinstimmen, ist nach dem Zweck des Strukturausgleichs, nur die typisierten Exspektanzverluste auszugleichen, unerheblich. Diese Zusammenhänge berücksichtigt auch die Argumentation der TdL in ihrer Auskunft vom 7. Juli 2011 (dort Seite 9) nicht hinreichend.

41

(3) Wiesen die Angestellten - das Rechenbeispiel des beklagten Landes weitergedacht - bei ihrer Überleitung ein unterschiedliches Lebensalter auf, stiegen sie mit unterschiedlichen Ausgangsvergütungen in die Entgelttabelle des TV-L ein. Angesichts des unsystematischen Aufbaus dieser Tabelle konnten sie ab diesem Zeitpunkt eine gänzlich unterschiedliche Entgeltentwicklung erfahren, die durch unterschiedliche familiäre Verhältnisse (Berücksichtigung des Ortszuschlags der Stufe 1 oder 2 bei der Bildung des Vergleichsentgelts) noch verstärkt werden konnte (vgl. nur die Beispiele in BAG 8. Dezember 2011 - 6 AZR 319/09 - Rn. 38 ff., AP TVÜ § 6 Nr. 5 = EzA EG-Vertrag 1999 Richtlinie 2000/78 Nr. 26). Der vom beklagten Land angenommene Wertungswiderspruch besteht deshalb bei typisierender Betrachtung auch in dieser Konstellation nicht.

42

3. Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich aus der Entstehungs- und Tarifgeschichte des TVÜ-Länder und der darin enthaltenen Regelungen zum Strukturausgleich keine Einigkeit der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder darüber belegen, dass ein Anspruch auf Strukturausgleich nur zustehen soll, wenn die bei Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege des Aufstiegs erreicht worden ist. Aus den vom Landesarbeitsgericht eingeholten Tarifauskünften ergibt sich ebenso wenig wie aus den ihm von den Parteien vorgelegten und den vom Senat beigezogenen Auskünften ein Konsens der Tarifvertragsparteien über das Verständnis des streitbefangenen Merkmals „Aufstieg - ohne“. Im Gegenteil folgt daraus, dass die Tarifvertragsparteien für die von Teil A. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder erfassten Beschäftigten diesen Begriff unterschiedlich verstanden haben und weiterhin verstehen. Die Auflösung dieses Dissenses, den sie am Verhandlungstisch nicht bereinigt haben, überlassen sie nun den Arbeitsgerichten. Auch aus den späteren Änderungen der Regelungen zum Strukturausgleich im TVÜ-Länder lassen sich keine Rückschlüsse auf das Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in der Strukturausgleichstabelle durch die Tarifvertragsparteien ziehen.

43

a) Die Verfahrensrüge des beklagten Landes, die auf die Verwertung der Mitgliederinformation Nr. 32/09 vom 29. April 2009 der Gewerkschaft Technik und Naturwissenschaft - Bund der Technischen Beamten und Tarifbeschäftigten, Landesverband Sachsen (BTB Sachsen) zielt, ist zwar unter Berücksichtigung der Verfügung des Landesarbeitsgerichts vom 9. September 2010 und der darauf ergangenen Mitteilung des beklagten Landes im Schriftsatz vom 17. September 2010 unbegründet. Der Senat hat gleichwohl die Akten des Verfahrens - 6 AZR 932/11 - mit der darin enthaltenen Stellungnahme der TdL vom 7. Juli 2011 beigezogen, in der sich die TdL auf die genannte Mitgliederinformation bezogen hat. Diese ist damit entsprechend der Intention des beklagten Landes verwertbar.

44

b) Für den Willen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder ist zunächst maßgeblich, welchen Regelungsinhalt die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund dem Merkmal „Aufstieg - ohne“ beimessen wollten. Aus den Tarifauskünften ergibt sich übereinstimmend, dass diesbezüglich von den Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder die Regelung des TVÜ-Bund uneingeschränkt übernommen werden sollte und sie keine eigenständigen Verhandlungen zum Inhalt dieses Merkmals geführt haben.

45

aa) Allerdings hat das beklagte Land im Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 auf eine Stellungnahme des früheren stellvertretenden Geschäftsführers der TdL, Herrn Görgens, vom 9. Oktober 2012 Bezug genommen, wonach die TdL in einem Informationsgespräch vom 3. November 2005 die Auffassung vertreten habe, „kein Strukturausgleich nach erfolgtem Aufstieg“, und ver.di dieser Auffassung nicht entgegengetreten sei. Diese Darstellung widerspricht jedoch zum einen dem in der Stellungnahme der TdL vom 7. Juli 2011 auf Seite 3 wiedergegebenen Vermerk Herrn Görgens über das Gespräch vom 3. November 2005. Danach sollten Angestellte, die die am 30. September 2005 maßgebende Vergütungsgruppe im Wege des Aufstiegs erreicht hätten, keinen Strukturausgleich beanspruchen können. Weiter heißt es in diesem Vermerk: „Dies jedenfalls soll die Auffassung von Bund und VKA sein, die von ver.di (widerwillig) akzeptiert scheint“. Von einer eigenen Auffassung der TdL ist in diesem Vermerk keine Rede. Zum anderen hat auch nach der Darstellung Herrn Görgens in der Stellungnahme vom 9. Oktober 2012 am 3. November 2005 nur ein „Informationsgespräch“ stattgefunden. Auch aus dieser letzten Darstellung der Gespräche zwischen ver.di und der TdL ist damit nicht zu entnehmen, dass es zu eigenständigen Verhandlungen über das Begriffsverständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ zwischen diesen Tarifvertragsparteien gekommen ist.

46

bb) Den dem Senat vorliegenden Tarifauskünften und Berechnungsbeispielen lässt sich eine Einigkeit der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund über die Ziele des Strukturausgleichs und die Vorgehensweise bei seiner Berechnung entnehmen:

-       

Der Strukturausgleich dient nicht der Sicherung des Besitzstandes (dies geschieht vorwiegend durch §§ 8, 9 und 11 TVÜ-Bund), sondern dem typisierten Ausgleich sog. „Exspektanzverluste“.

-       

Zur Ermittlung des Strukturausgleichs sind verschiedene Berechnungslisten auf Excel-Basis für verschiedene Vergütungsgruppen, Familienstände und Kinderzahl erstellt worden, wobei Berechnungen sowohl für Vergütungsgruppen mit als auch für solche ohne Aufstieg angestellt worden sind.

-       

Bei diesen Berechnungen haben die Tarifvertragsparteien nicht nur den Aufstieg in den Lebensaltersstufen und den Ortszuschlag der Stufe 1 bzw. 2 berücksichtigt, sondern auch den in verschiedenen Vergütungsgruppen möglichen Bewährungsaufstieg (so ausdrücklich das BMI auf Seite 4 seiner Auskunft vom 28. Oktober 2010: Aufstiegsmöglichkeit in eine höhere Vergütungsgruppe unter Berücksichtigung der dafür maßgeblichen Zeitdauer). Diese Aufstiegsmöglichkeit haben sie in den Lebenserwerbsverlauf eingerechnet (das BMI verweist auf Seite 5 der genannten Auskunft insoweit auf den Sprung zwischen der Vergütung von 3.651,67 Euro und von 3.929,97 Euro in der Spalte „Verlauf alt“ zwischen den Beschäftigungsjahren 11 und 12).

-       

Die Berechnungen sind, wie sich aus den aus dem Verfahren - 6 AZR 11/12 - beigezogenen Berechnungsbeispielen ergibt, zukunftsbezogen erfolgt. Die „BAT-Vergangenheit“ ist in diesen Listen dadurch abgebildet worden, dass die Berechnungen mit unterschiedlichen Beschäftigungsjahren gestartet sind. Es handelt sich dabei nicht um fiktive Einstellungen mit dieser Lebensaltersstufe, sondern um schon „vorhandene“ Beschäftigte. Das ergibt sich daraus, dass die BAT-Vergütung mit einer Vergütung aus einer hohen Entwicklungsstufe der neuen Tabelle nach Überleitung verglichen worden ist, ferner aus der Überschrift jeden Berechnungsblattes, wonach der Einstieg mit 27 Jahren bzw. 25 oder 21 Jahren auch bei den Berechnungen für höhere Lebensaltersstufen erfolgt ist.

47

cc) Aus dieser insoweit unstreitigen Entstehungsgeschichte, insbesondere aus der Differenzierung in den Berechnungen zwischen Vergütungsgruppen mit und ohne Aufstieg, lässt sich entgegen der Auffassung des BMI jedoch nicht entnehmen, dass die Tarifvertragsparteien mit dem Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur originäre Vergütungsgruppen im Sinne des im Prozess vertretenen Verständnisses des beklagten Landes erfassen wollten. Zwar war, worauf das BMI in seiner Auskunft vom 28. Oktober 2010 auf Seite 6 zutreffend hinweist, Ausgangspunkt der Berechnungen über Lebenserwerbsverläufe in allen Fällen, auch bei den Berechnungen für die Vergütungsgruppen mit Aufstiegsmöglichkeit, stets die originäre und nicht die tatsächlich bei Überleitung erreichte Vergütungsgruppe. Aus dieser Differenzierung folgt jedoch lediglich, wie das BMI auf Seite 2 seiner Auskunft selbst zutreffend ausführt, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur erfüllt ist, wenn kein Bewährungsaufstieg möglich ist. Es ergibt sich aber daraus nicht, ob es ausreicht, dass im Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD kein Aufstieg mehr möglich ist, oder ob es auch erforderlich ist, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege des Aufstiegs erreicht wurde.

48

dd) Den dem Senat vorliegenden Tarifauskünften lässt sich keine Einigkeit der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund darüber entnehmen, welche Folgerungen aus der Verfahrensweise bei der Berechnung der Strukturausgleichsbeträge für die streitbefangene Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ zu ziehen sind.

49

(1) Die Tarifauskünfte lassen sich wie folgt zusammenfassen:

50

(a) Ver.di hat mit Schreiben vom 21. Oktober 2010 mitgeteilt, zwar seien die Einkommensverläufe getrennt nach Angestellten mit und solchen ohne einen ausstehenden Aufstieg in die nächsthöhere Vergütungsgruppe ermittelt worden. Dies sei jedoch unabhängig von der Frage des bisherigen Beschäftigungsverlaufs rein zukunftsbezogen erfolgt. Der Ausgleichsbedarf unterscheide sich nicht danach, wie die zur Zeit der Überleitung in den TVöD innegehabte Vergütungsgruppe erreicht worden sei. Er sei nur höher, wenn noch ein Aufstieg ausstehe. Es habe keine Einigkeit mit dem Bund bestanden, dass die originäre Vergütungsgruppe maßgeblich für die Zahlung des Strukturausgleichs sein solle. Einigkeit habe vielmehr darüber bestanden, dass auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVöD abgestellt werden solle. Bei noch ausstehendem Aufstieg habe in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle das Merkmal „… nach … Jahren“ zum Tragen kommen sollen, bei bereits erfolgtem Aufstieg das Merkmal „Aufstieg - ohne“. In der vom Senat aus der Akte - 6 AZR 932/11 - beigezogenen Auskunft vom 5. Juli 2011 hat ver.di mitgeteilt, in dem Gespräch vom 3. November 2005 sei von Gewerkschaftsseite „die gegenteilige Auffassung … mit der Bemerkung, dass wir an dieser Auffassung festhalten“ vorgetragen worden.

51

(b) Die dbb tarifunion hat mit Schreiben vom 19. Oktober 2010 mitgeteilt, auf Arbeitsebene sei für die EG 9 und höher festgestellt worden, dass ab einer bestimmten Lebensaltersstufe der Exspektanzverlust unabhängig davon, ob aus einer Vergütungsgruppe „ohne Aufstieg“ oder „mit Aufstieg nach xy Jahren“ in dieselbe Entgeltgruppe übergeleitet worden sei, stets dieselbe Höhe erreicht habe. Das habe sich in der Strukturausgleichstabelle niedergeschlagen. Die Anspruchsvoraussetzungen der Strukturausgleichstabelle seien unabhängig davon, ob der BAT-Aufstieg am 30. September 2005 bereits erreicht gewesen sei oder noch ausgestanden habe. Die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund hätten gerade keine Übereinstimmung erzielt, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur erfüllt sei, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege des Aufstiegs erreicht sei.

52

(c) Das BMI hat in seiner Auskunft vom 28. Oktober 2010 auf eine Niederschrift einer Sitzung zwischen Bund und ver.di am 10. Mai 2005 verwiesen. Darin heiße es unter III: „Betrifft die Zahlung eines Strukturausgleichs eine Vergütungsgruppe (Fallgruppe) mit Bewährungs- bzw. Zeitaufstieg, wird dies ebenfalls angegeben. Soweit keine Aufstiegszeiten angegeben sind, gelten die Ausgleichsbeträge für alle Aufstiege.“ Daraus ergebe sich, dass Vergütungsgruppen (Fallgruppen) mit Aufstieg nur insoweit in der Strukturausgleichstabelle erfasst seien, als diese auch ausdrücklich als Vergütungsgruppen „mit“ Aufstieg angegeben worden seien. Im Umkehrschluss bedeute dies, dass Vergütungsgruppen „ohne“ ausschließlich solche seien, die keinen Bewährungs- oder Zeitaufstieg vorgesehen hätten. Im Weiteren stellt das BMI die dem Strukturausgleich zugrunde liegenden Berechnungen näher dar und zieht daraus den Schluss, dass immer von der originären Vergütungsgruppe ausgegangen worden sei und dann entweder ein Verlauf mit oder ohne Aufstieg abgebildet worden sei.

53

(d) Die TdL verweist in ihrer Auskunft vom 7. Juli 2011 zunächst auf das Tarifverständnis von Untergruppierungen der dbb tarifunion. Sie gibt dann den Vermerk Herrn Görgens über ein Informationsgespräch vom 3. November 2005 zu den Strukturausgleichen im TVÜ-Bund zwischen ihm und Vertretern von ver.di wieder. Im Anschluss stellt die Tarifauskunft die Tarifgeschichte dar und zieht daraus und aus systematischen Überlegungen die Schlussfolgerung, das Merkmal „Aufstieg - ohne“ setze voraus, das der Angestellte bei seiner Überleitung in den TV-L in einem Tätigkeitsmerkmal eingruppiert gewesen sei, das überhaupt keinen Aufstieg vorgesehen habe. Die Gewerkschaften hätten aufgrund des Wortlauts und des tariflichen Gesamtzusammenhangs bereits bei Inkrafttreten des TV-L die Formulierung „ohne“ in diesem Sinne verstehen müssen. Auf die Anfrage des Landesarbeitsgerichts, ob über die Frage der Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ ausdrücklich verhandelt worden sei, nachdem sich im Bereich des Bundes gezeigt habe, dass eine unterschiedliche Auslegung der Tarifvertragsparteien erfolge, führt die TdL aus, dass dazu keine ausdrücklichen Verhandlungen erfolgt seien, weil die TdL im Zeitpunkt der Verhandlungen zum TVÜ-Länder habe davon ausgehen können, dass die Auslegung dieses Merkmals zwischen den Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht streitig sei.

54

(2) Aus diesen Tarifauskünften ergibt sich lediglich, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund das Merkmal „Aufstieg - ohne“ unterschiedlich interpretiert haben.

55

(a) Insbesondere folgt aus der vom BMI vorgelegten Niederschriftserklärung vom 10. Mai 2005, dass über das Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ gerade keine Einigkeit im Sinne des beklagten Landes erzielt worden ist. Im Anschluss an die vom BMI zitierte Passage:

        

„Betrifft die Zahlung eines Strukturausgleichs eine Vergütungsgruppe (Fallgruppe) mit Bewährungs- bzw. Zeitaufstieg, wird dies ebenfalls angegeben. Soweit keine Aufstiegszeiten angegeben sind, gelten die Ausgleichsbeträge für alle Aufstiege.“

heißt es nämlich - insoweit vom BMI nicht wiedergegeben -:

        

„Voraussetzung ist, dass der Aufstieg zum 1.10.2005 bereits erfolgt ist bzw. bis zum 30.9.2007 erfolgt wäre (offen, Verweis auf die Niederschriftserklärung in Ziffer IV).“

56

Unter IV der Niederschriftserklärungen „Noch nicht geeinte Überlegungen“ sind dann Überlegungen zu der Berücksichtigung von Bewährungsaufstiegen ab der EG 9 aufwärts in der Zeit vom 1. Oktober 2005 bis 30. September 2007 dargestellt, die letztlich in § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund Niederschlag gefunden haben. Aus dem Halbsatz „Voraussetzung ist, dass der Aufstieg zum 1.10.2005 bereits erfolgt ist“ folgt, dass der Bund jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auch Angestellten, die einen Aufstieg bereits vollzogen hatten, den Strukturausgleich nicht verwehren wollte.

57

(b) Nichts anderes ergibt sich aus dem von der TdL erst im Jahr 2011 in gerichtliche Verfahren eingeführten und von seinem Verfasser in seinem Aufsatz in der ZTR (2009, 562) nicht erwähnten Vermerk zu dem Informationsgespräch vom 3. November 2005. Danach ist zwar die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ angesprochen worden, die die Auffassung des Bundes sein „soll“. Es heißt dann aber weiter ganz unbestimmt, diese „scheine“ von ver.di (widerwillig) akzeptiert zu werden. Woraus der Verfasser die Auffassung des Bundes und das scheinbare Einverständnis bei bestehendem Widerwillen von ver.di abgeleitet hat, und wie Akzeptanz und Widerwillen von ver.di in Einklang zu bringen sein sollen, ergibt sich nicht. Die anschließenden Ausführungen in diesem Vermerk betreffen persönliche Schlussfolgerungen des Verfassers. In ihrer vom Senat aus dem Verfahren - 6 AZR 932/11 - beigezogenen Stellungnahme vom 5. Juli 2011 hat ver.di darüber hinaus mitgeteilt, dass die Gewerkschaftsseite in dem Gespräch vom 3. November 2005 eine andere Auffassung als die Arbeitgeberseite vertreten und daran festgehalten habe. Soweit Herr Görgens in seiner Stellungnahme vom 9. Oktober 2012 den Inhalt des Gesprächs vom 3. November 2005 anders als in seinem Vermerk dargestellt hat, lässt sich, wie bereits ausgeführt, auch dieser neuen Darstellung nicht entnehmen, dass es zu eigenständigen Verhandlungen über das Begriffsverständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ zwischen diesen Tarifvertragsparteien gekommen ist. Dies stünde im Übrigen auch im Widerspruch zu der Auskunft der TdL vom 7. Juli 2011, zum Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ seien gerade keine Verhandlungen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder geführt worden.

58

(c) Auch aus den von der TdL in Bezug genommenen Äußerungen von Unterorganisationen der dbb tarifunion folgt nichts anderes. Der BTB Sachsen hat das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nicht im Sinne des beklagten Landes verstanden. Vielmehr nimmt dieser auch nach einem Aufstieg vor Inkrafttreten des TV-L einen Anspruch auf den Strukturausgleich an. Das ergibt sich aus dem Schaubild auf Seite 2 der Tarifinfo und dem erläuternden Text dazu:

        

„Spalten 2 und 3 geben im Zusammenhang die BAT-Karriere gemäß der Vergütungsordnung zum BAT wieder: Der Ausgleichsbetrag ist deshalb unabhängig davon, ob bei der Überleitung ein BAT-Aufstieg bereits vollzogen war oder erst nach der Überleitung … zustehen würde …“

Darüber hinaus ist die in der Mitgliederinformation Nr. 32/09 wiedergegebene Auffassung ersichtlich die persönliche Interpretation des Verfassers. Dass dieser an den Tarifverhandlungen beteiligt gewesen wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

59

ee) Die vom Senat aus dem Verfahren - 6 AZR 11/12 - beigezogenen Berechnungsbeispiele der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund sprechen zwar eher für ein Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ im Sinne des Klägers. Auch daraus lässt sich aber nicht hinreichend eindeutig schließen, wie in der Strukturausgleichstabelle für den Bereich der Länder das Merkmal „Aufstieg - ohne“ zu verstehen ist.

60

(1) Diese Berechnungen weisen für ledige Angestellte der VergGr. II a BAT mit elfjährigem Aufstieg in die VergGr. I b BAT der Lebensaltersstufen 41, 43 und 45 einen Strukturausgleich von 80,00 Euro bzw. 60,00 Euro aus. Diese Angestellten hatten jedoch nach der bereits geschilderten Berechnungsweise der Tarifvertragsparteien und dem in der Kopfzeile der Tabelle ausgewiesenen Eintrittsalter 27 den Bewährungsaufstieg in die VergGr. I b BAT nach elf Jahren schon hinter sich. Der bei den jüngeren Beschäftigten zu findende Sprung zwischen dem 11. und 12. Beschäftigungsjahr ist bei den Angestellten der Lebensaltersstufen 41, 43 und 45, bei denen die Berechnungen mit den Beschäftigungsjahren 15, 17 und 19 beginnen, nicht mehr ausgewiesen. Gleichwohl sollte ihnen ein Strukturausgleich zustehen.

61

(2) Dies spricht dafür, dass die Tarifvertragsparteien jedenfalls des TVÜ-Bund auch Angestellten, die bei ihrer Überleitung in den TVöD bereits den möglichen Aufstieg vollzogen hatten, in den Fällen, in denen nach den typisierten Berechnungen der Tarifvertragsparteien noch Exspektanzverluste auftreten würden, einen Strukturausgleich zubilligen wollten. Dies ließe sich aus dem von der dbb tarifunion mitgeteilten Umstand (Seite 4 der Auskunft vom 19. Oktober 2010) erklären, dass nach den Berechnungen der Tarifvertragsparteien spätestens ab der Lebensaltersstufe 39, in der EG 14 ab der Lebensaltersstufe 41, die Exspektanzverluste unabhängig davon seien, ob die Überleitung aus einer Vergütungsgruppe ohne Aufstieg oder mit Aufstieg nach einer bestimmten Anzahl von Jahren erfolgt sei. Tatsächlich musste angesichts der dem Strukturausgleich zugrunde liegenden Annahmen (fiktives, stets gleiches Eintrittsalter für alle Berechnungen innerhalb einer Vergütungsgruppe und normaler Karriereverlauf) der Bewährungsaufstieg ab einer bestimmten Lebensaltersstufe vollzogen worden sein. Ein Strukturausgleich für diese Angestellten ließ sich aber aus Einkommensverlusten erklären, die aus der unterschiedlichen Struktur der Entgelttabellen im BAT und TVöD bzw. TV-L resultierten. Nach dieser Struktur kommt es zu Vergütungssteigerungen zu anderen Zeitpunkten (durch die Streckung des Aufstiegs in den Stufen im Vergleich zu den Lebensaltersstufen) und mit anderen Beträgen (durch die Zuweisung der Entgelte zu den einzelnen Stufen der Entgeltgruppe).

62

(3) Dann müsste sich für den von diesem Berechnungsbeispiel erfassten Personenkreis, also für die aus der VergGr. I b BAT nach Aufstieg aus der VergGr. II a BAT in die EG 14 übergeleiteten Beschäftigten, aus der Strukturausgleichstabelle für den Bereich des Bundes ein Strukturausgleich ablesen lassen. In dieser Tabelle finden sich aber für die Kombination der Merkmale „Entgeltgruppe 14“ und „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ I b“ nur in Verbindung mit dem Merkmal „Aufstieg - ohne“ Regelungen zum Strukturausgleich, und zwar exakt mit den in der Berechnung der Tarifvertragsparteien ausgewiesenen Beträgen. Das wiederholt sich bei den verheirateten Beschäftigten dieses Berechnungsbeispiels. Dies spricht für das Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ im Sinne des Klägers.

63

(4) Es lässt sich aber nicht gänzlich ausschließen, dass der von dem genannten Berechnungsbeispiel erfasste Personenkreis unter Zugrundelegung der Auffassung des beklagten Landes aufgrund eines redaktionellen Versehens von den Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht berücksichtigt worden ist.

64

(a) Ein Anspruch auf Strukturausgleich für diesen Personenkreis lässt sich der Strukturausgleichstabelle nicht durch Rückgriff auf die Ausgangsvergütungsgruppe II a BAT als die ursprüngliche Vergütungsgruppe dieser Angestellten entnehmen.

65

(aa) Das BMI hat in seiner Stellungnahme vom 28. Oktober 2010 auf Seite 5 mitgeteilt, das Berechnungsbeispiel „Bund IIa - 11J. Ib EG 14“ finde sich in der Strukturausgleichstabelle des Bundes wieder und zwar in der Kombination Spalte 2 „IIa“ und Spalte 3 „Ib nach 11 Jahren“. Eine Differenzierung zwischen solchen Angestellten, die den Aufstieg in die VergGr. I b BAT noch vor sich hatten, und solchen, die in den Lebensaltersstufen 41, 43 und 45 diesen Aufstieg schon vollzogen hatten, gleichwohl aber nach den vom BMI in seiner Auskunft ausdrücklich in Bezug genommenen Berechnungen einen Strukturausgleich erhalten sollten, hat das BMI dabei nicht vorgenommen. Die Auskunft lässt sich deshalb nur dahin verstehen, dass für alle Angestellten der VergGr. II a BAT mit Aufstiegsmöglichkeit in die VergGr. I b BAT ein Strukturausgleich in den aus den Berechnungsbeispielen ersichtlichen Fällen gezahlt werden soll, und zwar unabhängig davon, ob der Aufstieg schon vollzogen war oder nicht, ob also die Überleitung aus der VergGr. II a BAT oder VergGr. I b BAT erfolgte. Dies soll in der genannten Kombination in der Strukturausgleichstabelle Niederschlag gefunden haben, also auch für die Angestellten, die im Zeitpunkt ihrer Überleitung bereits in die VergGr. I b BAT aufgestiegen waren. Diese auf den ersten Blick verwirrende Einschätzung lässt sich dadurch erklären, dass der Bund zunächst die von ihm ausgehandelte Strukturausgleichstabelle dahin verstanden hat, dass für den Anspruch auf Strukturausgleich stets auf die Ausgangsvergütungsgruppe als die ursprüngliche Vergütungsgruppe des Angestellten zurückzugreifen ist. Nach diesem Verständnis würde die ursprüngliche, „originäre“ Vergütungsgruppe als Voraussetzung für einen Aufstieg auch nach einem solchen noch in die aktuelle Vergütungsgruppe „hineingelesen“ und könnte einen Anspruch auf den Strukturausgleich begründen.

66

Dieses Verständnis ergibt sich aus dem Beispiel 2 unter 3.4.2.1 des Rundschreibens des BMI vom 10. August 2007 zum Strukturausgleich. Darin wird dem originär in die VergGr. VII BAT eingruppierten, vor Inkrafttreten des TVöD in die Vergütungsgruppe VI b BAT aufgestiegenen Angestellten ein Strukturausgleich nur verwehrt, weil für die VergGr. VII BAT kein Strukturausgleich vorgesehen ist. Wörtlich heißt es in diesem Beispiel:

        

„Für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen sind diejenigen Zeilen der Tabelle maßgeblich, welche in Spalte 1 die Entgeltgruppe 6 und in Spalte 2 die originäre Vergütungsgruppe VII BAT ausweisen. …

        
        

Da es sich bei der VergGr. VIb nur um die tatsächliche, nicht aber um die originäre Eingruppierung handelt, wäre es falsch, folgende Zeile der Tabelle heranzuziehen:

        
                 

E       

VergGr

Aufstieg

OZ-Stufe

LASt   

Höhe   

Dauer 

                 

6       

VIb     

ohne   

OZ 2   

39    

50 €   

Dauerhaft“

67

Im Einklang mit diesem Tarifverständnis, das der von ihm in der Tarifauskunft vom 28. Oktober 2010 und im Verfahren - 6 AZR 962/08 - vertretenen Auffassung diametral entgegensteht, hat der Bund Angestellten, die am Stichtag bereits den Aufstieg vollzogen hatten, Strukturausgleich gewährt, wenn für ihre „originäre“ Vergütungsgruppe (unter Zugrundelegung der übrigen, zum Stichtag aktuellen Anspruchsvoraussetzungen!) nach der Strukturausgleichstabelle ein Strukturausgleich vorgesehen ist (3.4.2.2 des Rundschreibens vom 10. August 2007 mit Beispiel 2; er hat dies allerdings inkonsequent als „übertariflich“ angesehen, vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand August 2011 F § 12 Rn. 12).

68

(bb) Folgte man diesem Verständnis, hätte der Kläger den begehrten Anspruch auf Strukturausgleich nach der Strukturausgleichstabelle für den Bereich der Länder, denn für Angestellte, die aus der VergGr. IV a BAT mit einem Aufstieg nach vier, sechs oder acht Jahren übergeleitet worden sind, am 1. November 2006 der Lebensaltersstufe 41 zugeordnet waren und den Ortszuschlag der Stufe 2 hatten, weist die Strukturausgleichstabelle einen dauerhaften Ausgleichsbetrag von 85,00 Euro aus, der im Fall des Klägers auf 73,22 Euro zu kürzen wäre.

69

(cc) Diesem Rückgriff auf die Ausgangsvergütungsgruppe steht aber der eindeutige Zeitbezug entgegen, der in dem Zusatz in der Überschrift in Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle und dem Stichtagsprinzip des Strukturausgleichs zum Ausdruck kommt. Danach ist Stichtag für den Anspruch auf den Strukturausgleich der erste Geltungstag des neuen Tarifrechts und maßgeblich die Vergütungsgruppe „bei In-Kraft-Treten TVÜ“. Gleiches gilt für die Ortszuschlagsstufe und die Lebensaltersstufe. Für den Strukturausgleich kommt es damit ausschließlich auf die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Verhältnisse an. Er soll die Exspektanzverluste ausgleichen, die im Vergleich zur Vergütungsentwicklung bei Weitergeltung des BAT eintreten. Basis für die Vergleichsberechnung der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund war der bei dessen Ablösung durch den TVöD erreichte Ist-Zustand. Dies ist mit einem Rückgriff auf die Ausgangsvergütungsgruppe in der Spalte 2 der Tabelle nicht zu vereinbaren: Für die Spalte 2 soll es danach auf eine frühere, zum Zeitpunkt der Überleitung nicht mehr maßgebliche Vergütungsgruppe ankommen, für alle anderen Spalten aber auf die Verhältnisse bei Inkrafttreten des TVöD. Dementsprechend hat der Bund diese Auffassung nicht mehr explizit vertreten.

70

(b) Der Anspruch auf Strukturausgleich für den Bereich des Bundes für ledige Beschäftigte der EG 14 mit den Merkmalen „Vergütungsgruppe I b“ und „Aufstieg - ohne“ könnte eventuell auch allein aus den Berechnungen für die Angestellten dieser Vergütungsgruppe ohne jeden Aufstieg herrühren. Diesen Berechnungen der Tarifvertragsparteien für Beschäftigte der VergGr. I b BAT ohne Aufstieg lassen sich identische Strukturausgleichsbeträge wie den Berechnungen für aus der VergGr. II a BAT in die VergGr. I b BAT Aufgestiegenen entnehmen. Zudem ist auch dieser Personenkreis zu klein, um daraus Rückschlüsse auf einen generellen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund zu ziehen.

71

c) Für den Strukturausgleich nach dem TVÜ-Länder gilt nichts anderes.

72

aa) Das beklagte Land hat auf den rechtlichen Hinweis des Vorsitzenden des Senats vom 26. September 2012 in seinen Schriftsätzen vom 9. und 11. Oktober 2012 erklärt, ausgehend von seiner Rechtsauffassung seien Angestellte, die bereits den Bewährungsaufstieg in die VergGr. I b BAT vollzogen hätten, in der Strukturausgleichstabelle für den Bereich der Länder nicht aufgeführt. Es hat in diesen Schriftsätzen sowie in der mündlichen Verhandlung angedeutet, dass dies nicht auf einem redaktionellen Versehen bei der Anpassung der Strukturausgleichstabelle für den Bereich der Länder beruhe. Vielmehr sei dies bewusst auf die TdL-Auffassung, dass es keinen Strukturausgleich nach erfolgtem Aufstieg geben dürfe, und auf die Unterschiede durch die Einfügung der EG 13 Ü TV-L nur in die Strukturausgleichstabelle für den Bereich der Länder zurückzuführen.

73

bb) Dies widerspricht dem bisherigen Vorbringen des beklagten Landes, das sich für den Inhalt der Tarifvertragsverhandlungen auf die TdL bezogen hat. In ihrer Auskunft vom 7. Juli 2011 hat diese auf Seite 5 mitgeteilt, der von ver.di übermittelte Entwurf einer Strukturausgleichstabelle decke sich im Wesentlichen mit der Tabelle, die als Teil A. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder Tarifinhalt geworden sei. Der Entwurf sei in den Verhandlungen nur geringfügig verändert worden. So sei in den Fällen der „Vergütungsgruppe IIa mit Aufstieg nach Ib nach 11 bzw. 15 Jahren“ folgerichtig zu den Überleitungsregelungen die EG 14 TV-L durch die EG 13 Ü TV-L ersetzt worden und Beträge und Zahlungsdauer in wenigen Einzelfällen modifiziert worden. Zudem hat die TdL in dieser Stellungnahme auf Seite 12 f., wie bereits ausgeführt, ausdrücklich angegeben, dass zu dem Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ keine ausdrücklichen Verhandlungen erfolgt seien, weil die TdL im Zeitpunkt der Verhandlungen zum TVÜ-Länder habe davon ausgehen können, dass die Auslegung dieses Merkmals zwischen den Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht streitig sei.

74

cc) Es kann dahinstehen, ob und wie sich diese unterschiedlichen Darstellungen der Tarifverhandlungen in Einklang bringen lassen. Auch für die Strukturausgleichstabelle im Bereich der TdL verbleiben die unter Rn. 70 genannten Zweifel, die es ausschließen, aus den Berechnungsbeispielen für die Angestellten der VergGr. II a BAT mit Aufstieg in die VergGr. I b BAT nach elf Jahren endgültige Rückschlüsse für das Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ durch die Tarifvertragsparteien zu ziehen.

75

d) Unerheblich ist, ob die Gewerkschaften, wie die TdL in ihrer Auskunft vom 7. Juli 2011 annimmt, die streitbefangene Formulierung im Sinne der Arbeitgeberseite verstehen „mussten“ und ob sie zeitnah ablehnend auf das Rundschreiben des BMI vom 10. Oktober 2005 reagiert haben. Maßgeblich ist allein, ob sich der Tarifgeschichte entnehmen lässt, dass die Tarifvertragsparteien das Merkmal „Aufstieg - ohne“ übereinstimmend verstanden haben. Eine solche Einigkeit bestand bei Inkrafttreten des TV-L eindeutig nicht.

76

e) Aus den späteren Änderungen der Regelungen zum Strukturausgleich durch den 1. und 2. Änderungstarifvertrag zum TVÜ-Länder folgt nicht, dass die Tarifvertragsparteien für den vom Teil A. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder erfassten Personenkreis, zu dem der Kläger gehört, das Merkmal „Aufstieg - ohne“ spätestens seit dem Wirksamwerden dieser Änderungen übereinstimmend im Sinne des beklagten Landes interpretiert haben. Auch aus der Tarifgeschichte ergibt sich damit kein übereinstimmendes Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“ durch die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder. Es kann deshalb dahinstehen, ob ein solches Verständnis erst ab Inkrafttreten der Änderungen oder bereits ab Inkrafttreten des TVÜ-Länder Wirkung entfalten würde.

77

aa) Aus dem mit dem Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum TVÜ-Länder eingefügten Teil B. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder für das Pflegepersonal können keine Rückschlüsse auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien hinsichtlich des vom Teil A. dieser Anlage erfassten Personenkreises gezogen werden. Das folgt bereits daraus, dass Teil B. dieser Anlage eine gänzlich andere Regelungsstruktur aufweist als deren Teil A. Insbesondere fehlt das streitbefangene Merkmal „Aufstieg - ohne“. Wenn in der vierten Spalte der Tabelle des Teils B. auch Konstellationen erfasst sind, in denen der Aufstieg bereits vollzogen war, besagt dies nichts für die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in Teil A. der Tabelle.

78

(1) Unter Bezug auf die Stellungnahme Herrn Görgens vom 9. Oktober 2012 hat das beklagte Land mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2012 allerdings vorgetragen, die TdL habe bereits vor Inkrafttreten des TV-L deutlich gemacht, dass sie die für das Pflegepersonal im Bereich der VKA und im Bereich des Bundes bestehende Tariflage, wonach es für den Strukturausgleich bei Pflegekräften nicht darauf ankomme, ob ein Aufstieg bereits erfolgt sei oder nicht, nicht übernehmen wolle. Deshalb sei der Teil B. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder erst im Jahr 2008 vereinbart worden. Dabei sei aus Sicht der TdL der Grundsatz „Kein Strukturausgleich nach erfolgtem Aufstieg“ durchgesetzt worden. Lediglich im Wege des Verhandlungskompromisses seien davon einige Ausnahmen vereinbart worden.

79

(2) Dieser Vortrag ist nur schwerlich in Einklang mit der Auskunft der TdL vom 7. Juli 2011 zu bringen. Darin hat diese mitgeteilt, in Kenntnis des Streits um die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ habe sie auf eine „klarere Formulierung Wert gelegt“ bzw. durchgesetzt, ihre Auffassung zur Frage der „originären“ Eingruppierung deutlicher zu formulieren (Seite 5 und Seite 11 der Auskunft vom 7. Juli 2011).

80

(3) Selbst wenn die TdL bereits vor Abschluss des TV-L deutlich gemacht haben sollte, dass sie für das bei ihren Mitgliedern beschäftigte Pflegepersonal die Rechtslage bei VKA und Bund mit dem daraus folgenden Anspruch auf Strukturausgleich auch nach erfolgtem Aufstieg auf der Grundlage einer gänzlich anders gelagerten Tabellenstruktur nicht übernehmen wolle, folgt daraus nicht, dass die Arbeitnehmerkoalitionen bei Abschluss des Teils B. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder ihre abweichende Auffassung zum Verständnis des weitergeltenden Merkmals „Aufstieg - ohne“ im Teil A. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder aufgegeben hätten. Im Gegenteil folgt daraus, dass für die dort geregelten Fälle die Arbeitnehmerkoalitionen ihre Auffassung durchgesetzt haben, dass auch in Fällen nach vollzogenem Aufstieg ein Bedürfnis nach Strukturausgleich bestehen kann. Wenn sie dabei dem Anliegen der Arbeitgeberseite nach klarerer Formulierung nachgegeben haben und dies in einer anderen Tabellenstruktur Niederschlag gefunden hat, die an den Strukturausgleich für den Bereich der VKA angelehnt ist, ist dies ohne Weiteres daraus erklärbar, dass sich so ein erneuter Streit für den Bereich B. der Anlage 3 zum TVÜ-Länder vermeiden und die jeweils eigene Auffassung zum Teil A. unter beiderseitiger Gesichtswahrung aufrecht erhalten ließ.

81

bb) Auch aus der durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 zum TVÜ-Länder eingefügten Protokollerklärung zu § 12 Abs. 1 TVÜ-Länder ergibt sich hinsichtlich des von der Strukturausgleichstabelle uneingeschränkt erfassten Personenkreises kein nunmehr übereinstimmendes Tarifverständnis(aA Görgens ZTR 2009, 562, 563; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand Januar 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 380).

82

(1) Die Regelung betrifft die sog. „Erfüller“-Lehrkräfte aus dem Bereich der neuen Bundesländer. Die Eingruppierungsrichtlinien der neuen Länder unterscheiden bei Lehrkräften, die ihre Ausbildung noch in der ehemaligen DDR absolviert haben, zwischen sog. „Erfüllern“, dh. den Lehrkräften, die die fachlichen und pädagogischen Voraussetzungen für die Übernahme in das Beamtenverhältnis erfüllen, und den „Nichterfüllern“, bei denen dies nicht der Fall ist (vgl. beispielhaft die Regelungen in Sachsen-Anhalt, wiedergegeben bei BAG 30. Oktober 2003 - 8 AZR 494/02 - EzBAT BAT §§ 22, 23 M Nr. 117). Die „Erfüller“ wurden gegenüber vergleichbaren Lehrkräften mit einer Ausbildung der alten Bundesrepublik Deutschland zunächst eine Vergütungsgruppe niedriger eingruppiert, konnten nach einer Zeit der Bewährung das Eingangsvergütungsniveau eines Lehrers mit „Westausbildung“ erreichen und anschließend ebenso wie dieser einen „echten“ Bewährungsaufstieg absolvieren (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TV-L Stand Januar 2011 Teil IV/3 TVÜ-Länder Rn. 379; siehe auch Seite 10 der Auskunft der TdL vom 7. Juli 2011). In der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 1 TVÜ-Länder ist geregelt, welche Vergütungsgruppe für diesen Personenkreis die für den Strukturausgleich maßgebliche ist und dass insoweit jeweils auf das Merkmal „Aufstieg - ohne“ abzustellen ist. Der Aufstieg auf das „Westniveau“ sollte für den Strukturausgleich unschädlich sein, ebenso der bisher nicht erfolgte Aufstieg auf dieses Niveau.

83

(2) Bereits aus diesem Regelungsinhalt ergibt sich, dass die von der TdL und den genannten Literaturstellen gezogene Schlussfolgerung, diese von den Gewerkschaften geforderte Regelung sei überflüssig, wenn deren Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ zutreffe, weil dann den Lehrkräften, die schon einen Aufstieg auf Westeinstiegsniveau absolviert hätten, ohnehin der Strukturausgleich zustehe, nicht trägt. Sie übersieht, dass Regelungsbedarf auch aus Gewerkschaftssicht insoweit bestand, als das Eingruppierungsrecht für den von der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 1 TVÜ-Länder erfassten Personenkreis zwei Aufstiegsmöglichkeiten vorsah, von denen nach Auffassung der Gewerkschaften nur die zweite, nämlich der „echte“ Bewährungsaufstieg, unschädlich für den Strukturausgleich war, während unklar war, welche Folgen der erste Aufstieg auf das Westniveau hatte, den Lehrer mit Westausbildung nicht nehmen konnten, der aber auch kein „echter“ Bewährungsaufstieg war. Das Merkmal „Aufstieg - ohne“ konnte diese Teilgruppe des von der Protokollerklärung erfassten Personenkreises, die den ersten Aufstieg bereits vollzogen hatte, nach Auffassung der Arbeitnehmerkoalitionen nicht erfassen, weil sie noch einen Aufstieg vor sich hatte. Nur für diese Teilgruppe hat die Gewerkschaft ausweislich der Auskunft der TdL vom 7. Juli 2011 (Seite 10) eine Regelung gefordert. Diese Forderung war aus Gewerkschaftssicht konsequent und konzedierte nicht, dass die Auffassung der Arbeitgeberseite für den „echten“ Bewährungsaufstieg der „Erfüller“-Lehrkräfte und alle übrigen von der Strukturausgleichstabelle erfassten Angestellten nunmehr auch nach Auffassung der Arbeitnehmerkoalitionen zutreffen sollte. Insoweit bestand aus Sicht der Gewerkschaften kein Regelungsbedarf.

84

(3) Tatsächlich ist mit der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 1 TVÜ-Länder keine Regelung für „Erfüller“-Lehrkräfte, die beide Aufstiege bereits absolviert hatten, erfolgt. Die Regelung betrifft ausweislich der Auskunft der TdL vom 7. Juli 2011 nur die „Erfüller“-Lehrkräfte, die sich bei Inkrafttreten des TV-L entweder noch in ihrer Eingangsvergütungsgruppe befanden (Satz 2) oder nur den ersten Aufstieg auf Westniveau bereits erreicht hatten (Satz 1). Entgegen der Auffassung der TdL ist nicht in Satz 3 der Protokollerklärung geregelt, dass „nur“ die unter Satz 1 und Satz 2 der Protokollerklärung fallenden Lehrkräfte Anspruch auf Strukturausgleich über das Merkmal „Aufstieg - ohne“ haben sollten. Für die Lehrkräfte, die bereits beide Aufstiege absolviert hatten, ist vielmehr in der Protokollerklärung gar keine Regelung getroffen. Für sie gilt uneingeschränkt das Merkmal „Aufstieg - ohne“ der Strukturausgleichstabelle und damit der Auslegungsstreit der Tarifvertragsparteien.

85

IV. Entgegen der Auffassung der Revision liegt keine unbewusste Regelungslücke vor. Die Revision verkennt den Unterschied zwischen einer bewussten oder unbewussten Nichtregelung einerseits und einer unterschiedlichen Auslegung einer vereinbarten Regelung durch die Tarifvertragsparteien andererseits. Hier liegt ein schlichter Dissens der Tarifvertragsparteien über die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ vor.

86

V. Dieser Dissens hat nicht zur Folge, dass der TVÜ-Länder hinsichtlich des Strukturausgleichs oder jedenfalls des streitbefangenen Merkmals „Aufstieg - ohne“ als nicht geschlossen gilt. Ein Dissens der Tarifvertragsparteien vermag an der tarifrechtlichen Wirksamkeit einer wie hier gültig zustande gekommenen Norm wegen ihres Normcharakters nichts zu ändern. Das gilt auch dann, wenn die abweichenden Vorstellungen zur Auslegung des Tarifvertrags bereits zum Zeitpunkt des Tarifvertragsabschlusses bestanden haben. Maßgeblich ist der nach außen zum Ausdruck gekommene Normbefehl (vgl. BAG 23. Februar 2005 - 4 AZR 172/04 - zu I 2 c cc (2) der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Lufthansa Nr. 33 = EzA TVG § 4 Luftfahrt Nr. 12; 9. März 1983 - 4 AZR 61/80 - BAGE 42, 86, 93).

87

VI. Lässt sich der nach außen zum Ausdruck gekommene Normbefehl wie im vorliegenden Fall mit den üblichen Auslegungsmethoden nicht hinreichend sicher ermitteln, ist im Interesse des Normerhalts (vgl. zu diesem Grundsatz bei der verfassungskonformen Auslegung BVerfG in st. Rspr. seit 9. August 1978 - 2 BvR 831/76 - BVerfGE 49, 148) auf das Verständnis des durchschnittlichen Normanwenders zurückzugreifen (vgl. bereits BAG 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - Rn. 33, BAGE 134, 184). Lässt sich danach ein eindeutiger Norminhalt feststellen, ist die Norm nicht wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Normenklarheit nichtig. Dieses aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleitete Gebot, das auch für tarifvertragliche Regelungen gilt, verlangt, dass Betroffene die Rechtslage anhand der tariflichen Regelung so erkennen können müssen, dass sie ihr Verhalten danach ausrichten können. Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Normgeber die von ihm erlassenen Regelungen so bestimmt fasst, dass die Rechtsunterworfenen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die in der Rechtsnorm ausgesprochene Rechtsfolge erfüllt sind (vgl. BAG 19. April 2012 - 6 AZR 677/10 - Rn. 27 mwN, ZTR 2012, 468; vgl. BVerfG 26. Juli 2005 - 1 BvR 782/94, 1 BvR 957/96 - zu C I 3 a der Gründe, BVerfGE 114, 1).

88

VII. Für den durchschnittlichen Normanwender ist der Normbefehl des § 12 TVÜ-Länder iVm. der Strukturausgleichstabelle hinsichtlich des Merkmals „Aufstieg - ohne“ dahin zu verstehen, dass ein zum Zeitpunkt der Überleitung bereits vollzogener Aufstieg dem Anspruch auf Strukturausgleich nicht entgegensteht (vgl. bereits BAG 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - Rn. 33, BAGE 134, 184).

89

1. Der im Klammerzusatz in § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Länder sowie in der Überschrift der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle verwendete Begriff der „Vergütungsgruppe“ differenziert nicht zwischen „originärer“ bzw. „Ausgangsvergütungsgruppe“ und insbesondere nicht danach, wie der Beschäftigte die am Stichtag maßgebliche Vergütungsgruppe erreicht hat. Er ist insoweit unspezifisch. Der durchschnittliche Normunterworfene, der seinen vergütungsrechtlichen Werdegang und vor allem seine aktuelle Eingruppierung kennt, wird deshalb die Spalte 2 aufgrund des Zusatzes „bei In-Kraft-Treten TVÜ“ dahin verstehen, dass die Vergütungsgruppe maßgeblich sein soll, aus der er bei Inkrafttreten des TV-L seine Vergütung bezog, ohne danach zu differenzieren, ob er „originär“ dort eingruppiert war oder im Wege des Aufstiegs dorthin gelangt war.

90

2. Der durchschnittliche Normanwender wird sich nicht auf die Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle beschränken, sondern darüber hinaus in der Zusammenschau damit auch die Spalte 3 dieser Tabelle lesen. Er wird dabei nicht seine bisherige Vergütungsentwicklung im BAT, sondern die Überschrift der Spalte 2 „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ in den Blick nehmen, dies auf seine aktuelle Vergütungsgruppe beziehen und im Zusammenhang damit den Eintrag „ohne“ in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle dahin verstehen, dass er Anspruch auf den Strukturausgleich hat, wenn er künftig keine Aufstiegsmöglichkeit (mehr) hat. So hat im Übrigen zunächst auch das beklagte Land die Strukturausgleichstabelle verstanden, denn es hat dem Kläger für November 2008 zunächst Strukturausgleich gezahlt.

91

VIII. Diese Auslegung ist auch mit Sinn und Zweck des Strukturausgleichs vereinbar. Wenn die Tarifvertragsparteien von typisierten Lebenserwerbsverläufen mit einheitlichem Eintrittsalter, Aufstiegen in den Lebensaltersstufen und Bewährungsaufstiegen ausgegangen sind, mussten gerade bei den älteren Arbeitnehmern im Zeitpunkt ihrer Überleitung die „typischen“ Karrieren im öffentlichen Dienst innerhalb einer Vergütungsgruppe mit Bewährungszeiten von zwei bis sechs Jahren, in den oberen Vergütungsgruppen auch bis zu elf, zwölf oder fünfzehn Jahren, jedenfalls in den unteren Vergütungsgruppen durchlaufen sein, sie also den in ihrer originären Vergütungsgruppe möglichen Aufstieg vollzogen haben (vgl. dazu die Auskunft der dbb tarifunion vom 19. Oktober 2010 unter I 2 auf Seite 4). Umgekehrt machte sich gerade bei diesen älteren Arbeitnehmern das der neuen Entgelttabelle zugrunde liegende „Prinzip der Wippe“, dh. die Absenkung der höheren Stufen der neuen Entgelttabelle zugunsten der Eingangsstufen mit den daraus resultierenden Einkommensverlusten gegenüber dem bisherigen Tabellenverlauf (siehe dazu Breier/Dassau/Kiefer/Thivessen TV-L Stand November 2008 Teil B 3 § 12 TVÜ-Länder Rn. 2), nachteilig bemerkbar.

92

Nach dem Zweck des Strukturausgleichs ist es daher naheliegend, auch Arbeitnehmern, die bereits einen Aufstieg hinter sich haben, je nach dem Ergebnis des Vergleichs typisierter Lebenserwerbsverläufe einen Strukturausgleich zu gewähren. Wenn vor diesem Hintergrund für eine Vielzahl von Fällen, in denen bei typisierter Betrachtung der in der Vergütungsgruppe mögliche Aufstieg schon absolviert worden sein muss, ein Strukturausgleich zu gewähren ist, steht dies mit dem durch den Strukturausgleich verfolgten zukunftsbezogenen Abmilderungsziel ohne Weiteres im Einklang (vgl. bereits BAG 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - Rn. 26, BAGE 134, 184).

93

C. Das beklagte Land hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.

        

    Fischermeier    

        

    Gallner    

        

    Spelge     

        

        

        

    Lorenz     

        

    Kammann    

                 

(1) Der Tarifvertrag regelt die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien und enthält Rechtsnormen, die den Inhalt, den Abschluß und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen können.

(2) Tarifverträge bedürfen der Schriftform.

Tenor

1. Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg - Kammern Mannheim - vom 22. Oktober 2008 - 13 Sa 77/08 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Strukturausgleich nach § 12 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst(TVöD) und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) vom 13. September 2005.

2

Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 15. März 1989 in einer Forschungsanstalt der Beklagten als Chemielaborantin in der Funktion einer Chemisch-Technischen Assistentin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Bundes-Angestelltentarifvertrag(BAT) Anwendung. Seit dem 1. Oktober 2005 richtet sich das Arbeitsverhältnis aufgrund beiderseitiger Tarifbindung nach dem TVöD und dem TVÜ-Bund. Die Klägerin war zunächst in der Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 1, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Im Wege eines Zeitaufstiegs wurde sie zum 1. Januar 1997 in die Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT höhergruppiert. Sie erhielt vor der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD zuletzt Grundgehalt dieser Vergütungsgruppe nach Lebensaltersstufe 39. Im Rahmen der Überleitung des Arbeitsverhältnisses in den TVöD wurde die Klägerin der Entgeltgruppe E 8 TVöD und einer ihrem Vergleichsentgelt entsprechenden individuellen Endstufe zugeordnet, weil das Vergleichsentgelt über der höchsten Stufe 6 der Entgeltgruppe E 8 TVöD lag.

3

In einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 unterrichtete die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel die Klägerin über die Überleitung ihres Arbeitsverhältnisses in den TVöD und teilte ua. mit, dass sie einen Strukturausgleich in Höhe von 40,00 Euro(auf Basis einer Vollzeitbeschäftigung) erhält, dieser Ausgleichsbetrag ab dem 1. Oktober 2007 dauerhaft gezahlt, jedoch nicht dynamisiert wird und daher an künftigen Tariferhöhungen nicht teilnimmt. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass es der Information dient und keinen Rechtsanspruch begründet.

4

Die mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigte Klägerin hat ohne Erfolg von der Beklagten ab Oktober 2007 Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund iVm. Anlage 3 TVÜ-Bund (Strukturausgleichstabelle) in Höhe von monatlich 20,00 Euro verlangt. In dieser Tarifvorschrift und der Strukturausgleichstabelle heißt es:

        

㤠12 Strukturausgleich

        
        

(1) 1Aus dem Geltungsbereich des BAT/BAT-O übergeleitete Beschäftigte erhalten ausschließlich in den in Anlage 3 TVÜ-Bund aufgeführten Fällen zusätzlich zu ihrem monatlichen Entgelt einen nicht dynamischen Strukturausgleich. 2Maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen (Vergütungsgruppe, Lebensalterstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) ist der 1. Oktober 2005, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes geregelt ist.

        
        

(2) Die Zahlung des Strukturausgleichs beginnt im Oktober 2007, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht etwas anderes bestimmt ist.

        
        

(3) …

        
        

(4) Bei Teilzeitbeschäftigung steht der Strukturausgleich anteilig zu (§ 24 Abs. 2 TVöD). ...

        
        

Protokollerklärung zu Absatz 4:

        
        

Bei späteren Veränderungen der individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der/des Beschäftigten ändert sich der Strukturausgleich entsprechend.

        
        

…       

        
        

Anlage 3 TVÜ-Bund

        
        

Strukturausgleiche für Angestellte (Bund)

        
        

...

        
        

Entgeltgruppe

Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ

Aufstieg

Orts-Zuschlag Stufe 1, 2

Lebensaltersstufe

Höhe Ausgleichsbetrag

Dauer

bei In-Kraft-Treten TVÜ

        

2       

X       

IX b nach 2 Jahren

OZ 2

23   

40 €

für 4 Jahre

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…       

        

8       

V c

ohne

OZ 2

39   

40 €

dauerhaft

        

…       

…       

…       

…       

…       

…       

…“   

5

Die Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund lauten:

        

„1.

1Die Tarifvertragsparteien sind sich angesichts der Fülle der denkbaren Fallgestaltungen bewusst, dass die Festlegung der Strukturausgleiche je nach individueller Fallgestaltung in Einzelfällen sowohl zu überproportional positiven Folgen als auch zu Härten führen kann. 2Sie nehmen diese Verwerfungen im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten hin.

        

2.   

1Die Tarifvertragsparteien erkennen unbeschadet der Niederschriftserklärung Nr. 1 an, dass die Strukturausgleiche in einem Zusammenhang mit der zukünftigen Entgeltordnung stehen. 2Die Tarifvertragsparteien werden nach einer Vereinbarung der Entgeltordnung zum TVöD, rechtzeitig vor Ablauf des 30. September 2007 prüfen, ob und in welchem Umfang sie neben den bereits verbindlich vereinbarten Fällen, in denen Strukturausgleichsbeträge festgelegt sind, für einen Zeitraum bis längstens Ende 2014 in weiteren Fällen Regelungen, die auch in der Begrenzung der Zuwächse aus Strukturausgleichen bestehen können, vornehmen müssen. 3Sollten zusätzliche Strukturausgleiche vereinbart werden, sind die sich daraus ergebenden Kostenwirkungen in der Entgeltrunde 2008 zu berücksichtigen.“

6

Die Klägerin hat gemeint, sie habe nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich in Höhe von monatlich 20,00 Euro. Sie sei bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund in der Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT eingruppiert gewesen und habe alle anderen für diese Vergütungsgruppe in der Strukturausgleichstabelle genannten Anspruchsvoraussetzungen erfüllt. Ohne Bedeutung sei, dass sie aus der Vergütungsgruppe VI b in die Vergütungsgruppe V c der Anlage 1a zum BAT aufgestiegen sei. Die tarifliche Regelung stelle für den Anspruch auf den Strukturausgleich nicht auf die „originäre“ Vergütungsgruppe oder die „Ausgangsvergütungsgruppe“ ab. Maßgeblich sei die Eingruppierung am Stichtag. Für die Monate Oktober und November 2007 stünde ihr aufgrund ihrer Teilzeitbeschäftigung Strukturausgleich in Höhe von jeweils 20,00 Euro brutto zu.

7

Die Klägerin hat beantragt:

        

1.   

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 40,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2007 zu zahlen.

        

2.   

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin einen monatlichen Strukturausgleich gemäß § 12 TVÜ-Bund zu bezahlen.

8

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, für den Anspruch auf Strukturausgleich nach § 12 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle sei nicht auf die am Stichtag tatsächlich erreichte, sondern die originäre Vergütungsgruppe abzustellen. Die Spalten 2 und 3 der Tabelle seien nur verständlich, wenn sie als Einheit verstanden würden. Die Tarifvertragsparteien hätten die Aufstiegsmöglichkeiten der Beschäftigten in der Strukturausgleichstabelle nachgezeichnet. So sei in Spalte 3 stets eine höhere Vergütungsgruppe als in Spalte 2 der Tabelle ausgewiesen. Anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund hätten die Tarifvertragsparteien in der Strukturausgleichstabelle nicht zwischen vorhandenem, vollzogenem und noch ausstehendem Aufstieg differenziert. Die Fallvariante „nach Aufstieg“ enthalte diese Tabelle nicht. Dies zeige, dass es für den Anspruch auf den Strukturausgleich auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme. Die Fallgruppe der originären Vergütungsgruppe ohne weitere Aufstiegsmöglichkeit könne nicht mit der nach erfolgtem Aufstieg erreichten Vergütungsgruppe gleichgestellt werden. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch, dass die nach dem Überleitungsstichtag vollzogenen Aufstiege gemäß § 8 Abs. 2 Satz 3 TVÜ-Bund zum Wegfall des Strukturausgleichs führten.

9

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf anteiligen Strukturausgleich weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung darf die Klage nicht abgewiesen werden. In der Sache kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es bedarf der Aufklärung durch das Landesarbeitsgericht, ob sich die Tarifvertragsparteien - wie die Beklagte behauptet - in den Tarifvertragsverhandlungen einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in der Strukturausgleichstabelle nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist.

11

I. Die Klage ist zulässig.

12

1. Der auf die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Strukturausgleich gerichtete Feststellungsantrag hat eine Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand(vgl. BAG 29. September 2004 - 5 AZR 528/03 - BAGE 112, 112, 115). Für diesen Antrag liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor. Das angestrebte Feststellungsurteil ist geeignet, den Konflikt der Parteien endgültig beizulegen und weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Es kann erwartet werden, dass die Beklagte einem gegen sie ergangenen Feststellungsurteil nachkommen und die sich daraus ergebenden Leistungsansprüche erfüllen wird. Die Klägerin musste den beanspruchten Ausgleichsbetrag auch nicht beziffern, nachdem dieser Betrag bei Teilzeitbeschäftigung anteilig zu zahlen ist (§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) und die Höhe des Strukturausgleichs damit vom jeweiligen zeitlichen Umfang der Beschäftigung der Klägerin abhängt.

13

2. Allerdings bedarf der Feststellungsantrag bezüglich des Beginns des streitbefangenen Zeitraums der Auslegung, nachdem die Klägerin insoweit von einer Datumsangabe abgesehen hat. Die Klägerin beansprucht für die Monate Oktober und November 2007 Strukturausgleich im Wege der Zahlungsklage. Ihr Feststellungsbegehren ist daher so auszulegen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihr ab Dezember 2007 Strukturausgleich zu zahlen.

14

II. Das Arbeitsverhältnis richtet sich aufgrund beiderseitiger Tarifbindung ua. nach den Bestimmungen des TVÜ-Bund. Der mit der Hälfte der tariflichen Wochenarbeitszeit beschäftigten Klägerin könnte deshalb nach § 12 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 TVÜ-Bund iVm. der Strukturausgleichstabelle ab dem 1. Oktober 2007 anteiliger Strukturausgleich(§ 12 Abs. 4 Satz 1 TVÜ-Bund) in Höhe von monatlich 20,00 Euro brutto zustehen. Für die Monate Oktober und November 2007 schuldete ihr die Beklagte in diesem Fall Strukturausgleich in Höhe des im Wege der Zahlungsklage geltend gemachten Betrags von 40,00 Euro brutto.

15

1. Die Tarifvertragsparteien haben in der Strukturausgleichstabelle den Anspruch auf den Ausgleichsbetrag an fünf Voraussetzungen geknüpft. Sie haben zu jeder „Vergütungsgruppe bei In-Kraft-Treten TVÜ“ für bestimmte Lebensaltersstufen und Stufen des Ortszuschlags jeweils die Höhe des Ausgleichsbetrags und die Dauer der Zahlung des Strukturausgleichs festgelegt. Die Klägerin hat am 1. Oktober 2005 und damit am gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund maßgeblichen Stichtag die anspruchsbegründenden Voraussetzungen für einen dauerhaft zu zahlenden Strukturausgleich in Höhe von monatlich 40,00 Euro bei Vollzeitbeschäftigung nur dann erfüllt, wenn es für das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Sie wurde im Rahmen der Überleitung in den TVöD der Entgeltgruppe E 8 zugeordnet. Seit dem 1. Januar 1997 und damit bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund am 1. Oktober 2005 war sie in der Vergütungsgruppe V c, Fallgruppe 2, Teil II, Abschn. L, Unterabschn. II der Anlage 1a zum BAT eingruppiert. Darüber, dass der Klägerin bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund Ortszuschlag der Stufe 2 zustand, sie zu diesem Zeitpunkt die Lebensaltersstufe 39 erreicht hatte und im Wege eines Bewährungs-, Fallgruppen- oder Tätigkeitsaufstiegs nicht mehr höhergruppiert werden konnte, besteht kein Streit.

16

2. Strittig ist, ob es sich bei der in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle genannten Vergütungsgruppe entsprechend der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der Rechtsauffassung der Beklagten um die „originäre“ Vergütungsgruppe handelt und spätere Höhergruppierungen durch Bewährungs- oder Zeitaufstiege nicht zu berücksichtigen sind(so auch Kutzki RiA 2009, 256; Görgens ZTR 2009, 562; Kuner Der neue TVöD Rn. 114a; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Juni 2009 TVÜ-Bund § 12 Rn. 18, 19; Hinweise zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund des Bundesministeriums des Innern [Hinweise des BMI] vom 10. August 2007 - D II 2-220 210 1/12 - Nr. 3.4.1 und 3.4.2), oder ob es entsprechend der Ansicht der Klägerin auf die am Stichtag tatsächlich erreichte Vergütungsgruppe ankommt (so Hanau ZTR 2009, 403; Dannenberg PersR 2009, 193; Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12 Rn. 2 und 4).

17

3. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts(vgl. 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 - Rn. 30, BAGE 124, 110; 7. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 209; 8. September 1999 - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 263) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt.

18

4. Der Wortlaut der tariflichen Regelungist nicht eindeutig. § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund bestimmt, dass maßgeblicher Stichtag für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen(Vergütungsgruppe, Lebensaltersstufe, Ortszuschlag, Aufstiegszeiten) der 1. Oktober 2005 ist, sofern in Anlage 3 TVÜ-Bund nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Damit verweist der Wortlaut der Tarifbestimmung zwar nicht auf eine „originäre“ Vergütungsgruppe, eine „Ausgangsvergütungsgruppe“ oder die „Vergütungsgruppe bei erstmaliger Übertragung der Tätigkeit“. Die in Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle unter der Überschrift „Aufstieg“ enthaltene Angabe „ohne“ kann vom Wortsinn her aber auch so verstanden werden, dass die in der Spalte 2 der Strukturausgleichstabelle angegebene Vergütungsgruppe ohne vorherigen Aufstieg erreicht sein muss und keinen künftigen Aufstieg vorsehen darf. Der Wortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 2 TVÜ-Bund hindert nicht ein Verständnis des Merkmals „Aufstieg - ohne“, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 die für die Überleitung in den TVöD maßgebliche Vergütungsgruppe nicht mit einem früheren oder zukünftigen Aufstieg verbunden sein darf.

19

5. Auch die Tarifsystematik führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis.

20

a) Der Umstand, dass die Tarifvertragsparteien in der Anlage 2 TVÜ-Bund, die die Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen zu den Entgeltgruppen regelt, in der Spalte 2 zwischen Vergütungsgruppen „ohne Aufstieg“, „nach Aufstieg“ und „mit ausstehendem Aufstieg“ unterschieden und in der Spalte 3 der Strukturausgleichstabelle mit dem Wort „ohne“ von dieser Differenzierung abgesehen haben, spricht noch nicht entscheidend dafür, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ ausschließlich das Fehlen künftiger Aufstiegsmöglichkeiten erfasst und Vergütungsgruppen nach erfolgtem Aufstieg nicht vom Strukturausgleich ausgenommen sind. Die Strukturausgleichstabelle und die Anlage 2 TVÜ-Bund verfolgen nicht nur unterschiedliche Regelungszwecke. Sie unterscheiden sich auch in der Regelungstechnik, indem in der Strukturausgleichstabelle anders als in der Anlage 2 TVÜ-Bund der Aufstieg unter der entsprechenden Überschrift in einer gesonderten Spalte behandelt wird. Dies könnte gegen eine Anknüpfung an die in Anlage 2 TVÜ-Bund getroffenen Differenzierungen und für eine eigenständige Auslegung sprechen, zumal in der Strukturausgleichstabelle anders als in Anlage 2 Spalte 2 TVÜ-Bund nach dem Wort „ohne“ die für einen Aufstieg in Betracht kommende höhere Vergütungsgruppe nicht genannt wird. Würde das Merkmal „Aufstieg - ohne“ in einem weiteren Sinne als die Worte „ohne Aufstieg“ in der Anlage 2 TVÜ-Bund verstanden, dürfte die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden sein.

21

b) Wenn die Strukturausgleichstabelle bei den genannten Vergütungsgruppen mit Aufstieg nur Vergütungsgruppen mit einem am Stichtag noch nicht erfolgten, also einem zukünftigen Aufstieg bezeichnet, liegt die Annahme nahe, auch das Wort „ohne“ erfasse nur einen zukünftigen Aufstieg. Allerdings lässt sich dieser Auslegung entgegenhalten, dass in den Fällen mit Aufstieg die höhere Vergütungsgruppe genannt ist, in den Fällen ohne Aufstieg dagegen nicht.

22

c) Aus dem Wort „ausschließlich“ in § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund kann zwar abgeleitet werden, dass die Zahlung von Strukturausgleich Ausnahmecharakter hat. Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ auch solche Vergütungsgruppen vom Strukturausgleich ausschließen soll, die von den Beschäftigten im Wege des Aufstiegs erreicht wurden. Ob es nach dem Willen der Tarifvertragsparteien mehr oder weniger Ausnahmefälle geben soll, in denen Strukturausgleich zu zahlen ist, erschließt sich aus § 12 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Bund nicht.

23

d) Das Argument, dass in den Fällen eines nach § 8 Abs. 2 TVÜ-Bund nachgeholten Bewährungs- oder Fallgruppenaufstiegs ab dem individuellen Aufstiegszeitpunkt ein etwaiger Strukturausgleich entfällt und dass ein Wertungswiderspruch entstünde, wenn man die nach dem Stichtag erfolgte Gleichstellung mit den früher Aufgestiegenen mit dem Wegfall des Strukturausgleichs bestrafe, die früheren Höhergruppierungen hingegen noch durch Zahlungen eines Strukturausgleichs belohne, trägt nicht( aA Görgens ZTR 2009, 562, 563). Es berücksichtigt nicht die unterschiedlichen Folgen der Überleitung nach einem Aufstieg aus einer höheren Vergütungsgruppe und der Überleitung vor einem nach dem alten Tarifrecht möglichen Aufstieg aus der niedrigeren Vergütungsgruppe. Die Tarifvertragsparteien waren aufgrund des Stichtagsprinzips nicht gehindert, nur danach zu differenzieren, ob am 1. Oktober 2005 ein (weiterer) Aufstieg noch möglich war.

24

6. Auch Sinn und Zweck des Strukturausgleichs geben kein eindeutiges Auslegungsergebnis vor.

25

a) Mit dem Strukturausgleich wollten die Tarifvertragsparteien Erwartungen auf zukünftige Entgeltsteigerungen nach dem bisherigen Tarifsystem Rechnung tragen. Bei der Ermittlung der begünstigten Personengruppen war entscheidend, welche Einkommensentwicklung bei der bisher erreichten Vergütungsgruppe und Lebensaltersstufe sowie dem jeweiligen Familienstand(Ortszuschlag Stufe 1 oder Stufe 2) noch möglich gewesen wäre. Dies erklärt, warum die Strukturausgleichsbeträge innerhalb einer Vergütungsgruppe bei verschiedenen Lebensaltersstufen nicht stets gleich hoch sind (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Dezember 2009 Teil IV/3 TVÜ-Bund/TVÜ-VKA Rn. 150). Im Interesse einer für eine Vielzahl von Fallgestaltungen angestrebten Abmilderung von Exspektanzverlusten haben die Tarifvertragsparteien Verwerfungen in Einzelfällen ausdrücklich hingenommen (Nr. 1 Satz 2 der Niederschriftserklärungen zu § 12 TVÜ-Bund). Mit den Spalten 2 und 3 der Strukturausgleichstabelle haben sie zwar auch mögliche Karriereentwicklungen der Angestellten nach dem BAT/BAT-O abgebildet, soweit sie den Anspruch auf Strukturausgleich in der Spalte 3 an den Aufstieg in eine höhere Vergütungsgruppe geknüpft haben. Allerdings haben die Tarifvertragsparteien mit dem Strukturausgleich nicht ausschließlich nach dem bisherigen Tarifsystem bestehenden Exspektanzen im Hinblick auf eine Höhergruppierung Rechnung getragen. Sie haben vielmehr auch Exspektanzverluste aufgrund der Beseitigung des Aufstiegs nach dem Lebensalter abmildern wollen. In Spalte 5 der Strukturausgleichstabelle haben sie deshalb auf die Lebensaltersstufe des Angestellten bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund abgestellt (vgl. Hanau ZTR 2009, 403, 408).

26

b) Dieses Abmilderungsziel spricht zwar für das Verständnis, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ bereits erfüllt ist, wenn am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Entgeltsteigerungen aufgrund des Erreichens einer höheren Lebensaltersstufe wären nach bisherigem Tarifrecht unabhängig davon eingetreten, ob die aktuelle Eingruppierung noch einen Bewährungs- oder Tätigkeitsaufstieg zugelassen hätte oder ein solcher Aufstieg bereits vor dem Inkrafttreten des TVÜ-Bund erfolgt war. Der Verlust der Altersexspektanz trifft alle Beschäftigte einer Vergütungsgruppe gleich, unabhängig davon, ob sie in diese originär eingruppiert waren oder durch Aufstieg gelangt sind(Hanau ZTR 2009, 403, 407). Eine Bindung des Anspruchs auf Strukturausgleich an eine originäre Vergütungsgruppe könnte deshalb dem Willen der Tarifvertragsparteien, auch mit der Abschaffung der Lebensaltersstufen verbundene Exspektanzverluste auszugleichen (vgl. Dannenberg PersR 2009, 193, 195), widersprechen.

27

c) Zwingend ist dies jedoch nicht. Auch eine Regelung, wonach das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde die Grenzen der autonomen Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund nicht überschreiten, sondern wäre von der Tarifautonomie gedeckt.

28

7. Das von der Klägerin befürwortete Auslegungsergebnis ist auch nicht nennenswert praktikabler als das Abstellen auf originäre Vergütungsgruppen. Die Prüfung, ob im Überleitungszeitpunkt eine bestimmte Aufstiegsmöglichkeit bzw. keine Aufstiegsmöglichkeit bestand, erfordert ohnehin den Rückgriff auf die bei der Überleitung einschlägige Fallgruppe der Vergütungsgruppe des BAT, so dass ohne Weiteres festgestellt werden kann, ob der Angestellte in die Vergütungsgruppe mit der entsprechenden Fallgruppe erst durch einen vorherigen Aufstieg gelangt ist. Aufgrund dieses notwendigen Rückgriffs auf die einschlägige Fallgruppe kann aus der Strukturausgleichstabelle auch dann nicht „problemlos“ abgelesen werden, wer ab wann für wie lange welchen Betrag erhält, wenn ohne Weiteres auf die Vergütungsgruppe abgestellt wird, in der der Angestellte bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund eingruppiert war(aA Schmidt-Rudloff in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr Beck’scher Online-Kommentar Stand 1. März 2010 TVÜ-Bund § 12).

29

8. Ob es nach § 12 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-Länder) vom 12. Oktober 2006 für den Anspruch auf Strukturausgleich darauf ankommt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe ohne Aufstieg erreicht worden ist, ist für die Auslegung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ in der Anlage 3 TVÜ-Bund nicht entscheidend. Selbst wenn die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Länder auf die originäre Vergütungsgruppe abgestellt haben sollten, könnte daraus kein entsprechender Regelungswille der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund abgeleitet werden, die diesen Tarifvertrag bereits am 13. September 2005 vereinbart hatten.

30

9. Ebenso wenig Rückschlüsse auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund lässt der zeitgleich vereinbarte Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts(TVÜ-VKA) mit seiner in Anlage 2 geregelten Strukturausgleichstabelle zu. Diese ist anders strukturiert als die Tabelle für die Beschäftigten des Bundes und nicht mit vergleichbaren Auslegungsproblemen verbunden. Soweit dort auch für einige Fälle ein Strukturausgleich vorgesehen ist, in denen der Angestellte im Wege des Aufstiegs in eine höhere Vergütungsgruppe gelangt war, unterscheidet er sich nach Betrag, Beginn und Dauer von den Fällen, in denen die Überleitung des Angestellten aus der originären Vergütungsgruppe erfolgte.

31

10. Bezogen auf den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund hat das Bundesministerium des Innern mit Schreiben vom 5. Februar 2008 an das Eisenbahn-Bundesamt behauptet, die Gewerkschaften hätten in den Tarifvertragsverhandlungen umfangreiche Vergleichsberechnungen vorgelegt, die auf den „originären“ Vergütungsgruppen basierten und zur tariflichen Regelung des Strukturausgleichs geführt hätten. Die Beklagte hat dieses Schreiben in den vorliegenden Rechtsstreit eingeführt, sich darauf bezogen und sich damit die Behauptung des Bundesministeriums des Innern zu Eigen gemacht. Sollte diese Behauptung zutreffen und wären die Tarifvertragsparteien sich in den Tarifverhandlungen einig gewesen, dass der Anspruch auf Strukturausgleich voraussetzt, dass die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist, würde dies die Auslegung des Landesarbeitsgerichts und der Beklagten rechtfertigen(zu den Voraussetzungen eines Rückgriffs auf die Entstehungsgeschichte der tariflichen Regelung als für die Auslegung entscheidenden Anhaltspunkt vgl. auch BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 -).

32

Das Landesarbeitsgericht hat aufgrund seiner Annahme, bereits die Systematik der tariflichen Regelung spreche entscheidend dafür, dass es zur Erfüllung des Merkmals „Aufstieg - ohne“ auf die originäre Vergütungsgruppe ankomme, nicht geprüft, ob die Behauptung der Beklagten zutrifft, dass die Tarifvertragsparteien des TVÜ-Bund in den Tarifverhandlungen die Strukturausgleichsbeträge auf der Basis der originären Vergütungsgruppen mit und ohne Aufstiegsmöglichkeit festgelegt haben und sich einig gewesen sind, dass das Merkmal „Aufstieg - ohne“ nur dann erfüllt ist, wenn die für die Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe nicht im Wege eines Aufstiegs erreicht worden ist. Diese Prüfung hat es nachzuholen. Dazu hat es beiden Parteien zunächst Gelegenheit zu geben, ihren jeweiligen Sachvortrag zur Entstehungsgeschichte der Regelung des Strukturausgleichs zu ergänzen und weiter zu substantiieren. Sodann wird das Landesarbeitsgericht festzustellen haben, ob die Tarifvertragsparteien sich einig gewesen sind, dass die originäre Vergütungsgruppe maßgeblich ist. Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung führen, kann auch Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft bestehen(vgl. BAG 17. Mai 1994 - 1 ABR 57/93 -). Gemäß § 293 ZPO können so Mittel der Rechtsanwendung und die dazu erforderlichen Erkenntnisquellen gewonnen werden, indem zB Auskünfte der Tarifvertragsparteien darüber eingeholt werden, ob es zu der Regelung des Strukturausgleichs Protokollnotizen oder vergleichbare Unterlagen gibt, aus denen ein übereinstimmender Regelungswille der Tarifvertragsparteien ersichtlich ist(vgl. BAG 16. Oktober 1985 - 4 AZR 149/84 - BAGE 50, 9, 21).

33

11. Kann eine solche Einigkeit der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden, wäre das Merkmal „Aufstieg - ohne“ so auszulegen, dass es ausreicht, dass am Stichtag 1. Oktober 2005 kein (weiterer) Aufstieg mehr möglich war. Für diese Auslegung streitet dann entscheidend der Gesichtspunkt der Normenklarheit. Wenn die Tarifvertragsparteien in den ersten fünf Spalten der Strukturausgleichstabelle sämtliche Anspruchsvoraussetzungen für den Strukturausgleich und in den Spalten 6 und 7 der Tabelle die Höhe des jeweiligen Ausgleichsbetrags bzw. die Bezugsdauer aufgelistet haben, spricht dies dafür, dass sie den Strukturausgleich möglichst transparent regeln wollten. Müsste erst ermittelt werden, ob der Beschäftigte in die in der Spalte 2 der Tabelle bezeichnete Vergütungsgruppe im Wege des Aufstiegs gelangt ist oder nicht, wäre die Regelung weniger durchschaubar. Für Normadressaten, die sich allein anhand des Wortlauts von § 12 TVÜ-Bund und der Strukturausgleichstabelle Gewissheit über Ansprüche auf Strukturausgleich verschaffen wollen, ist dies entscheidend. Auch die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel hat die tarifliche Regelung zunächst so verstanden, dass es für den Anspruch auf Strukturausgleich auf die „gegenwärtige Eingruppierung bei Inkrafttreten des TVÜ-Bund“ ankommt. Sie hat der Klägerin deshalb in einem Schreiben vom 10. Oktober 2005 mitgeteilt, dass diese Strukturausgleich erhält, und diese Mitteilung erst nach Kenntnis der Hinweise des Bundesministeriums des Innern zur Anwendung der Regelungen über Strukturausgleiche gemäß § 12 TVÜ-Bund korrigiert. Bei einem unbefangenen Durchlesen der tarifvertraglichen Anspruchsvoraussetzungen liegt die Interpretation, entscheidend sei die bei der Überleitung maßgebliche Vergütungsgruppe des BAT ohne Rücksicht auf einen vorangegangenen Aufstieg, deutlich näher als die von der Beklagten befürwortete Auslegung. Wenn alle anderen Auslegungsgesichtspunkte zu keinem eindeutigen Ergebnis führen, muss dies den Ausschlag geben, weil von den Normadressaten typischerweise nicht zu erwarten ist, dass sie sich zur Klärung der Anspruchsvoraussetzungen sämtlicher Auslegungsmethoden bedienen und alle in Betracht kommenden Auslegungsgesichtspunkte heranziehen.

        

    Fischermeier    

        

    Brühler    

        

    Spelge    

        

        

        

    D. Knauß    

        

    Matiaske    

                 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 8. März 2011 - 1 Sa 70 e/10 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Zahlung von Zulagen wegen nicht ständiger Schicht-/Wechselschichtarbeit.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten als Wasserbauer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) in der für den Bund geltenden Fassung Anwendung.

3

Der Kläger wird immer wieder als Vertretung auf Fähren des Nord-Ostsee-Kanals eingesetzt, auf denen teilweise rund um die Uhr, teilweise im Schichtbetrieb gearbeitet wird. Im Jahr 2008 wurde der Kläger wie folgt als Fährdeckmann eingesetzt:

        

Zeitpunkt

Einsatz

Stundenumfang

        

05.03.2008

Fährstelle

6,25 h

F       

        

10.04.2008 - 21.04.2008 mit Unterbrechung am 21.04.2008 (Tagdienst)

Fährstelle

91,27 h

F       

        

18.05.2008 - 23.05.2008

Fährstelle

49,02 h

O       

        

03.06.2008 - 12.06.2008

Fährstelle

66,68 h

F       

        

14.07.2008 - 30.07.2008 mit Unterbrechung am 28.07.2008 (Tagdienst)

Fährstelle

89,87 h

O       

        

12.09.2008 - 15.09.2008

Fährstelle

30,68 h

H       

4

Bei der Fährstelle F arbeiten die Arbeitnehmer im Schichtbetrieb, die Fähre ist von 05:45 Uhr bis 22:15 Uhr in Betrieb. An den übrigen Fährstellen arbeiten die Arbeitnehmer rund um die Uhr. Dort wird Wechselschichtarbeit geleistet.

5

Der TVöD enthält ua. folgende Regelungen:

        

„§ 7   

        

Sonderformen der Arbeit

        

(1)     

Wechselschichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden. Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird. Nachtschichten sind Arbeitsschichten, die mindestens zwei Stunden Nachtarbeit umfassen.

        

(2)     

Schichtarbeit ist die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird.

        

…       

        
        

§ 8     

        

Ausgleich für Sonderformen der Arbeit

        

…       

        
        

(5)     

Beschäftigte, die ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 105 Euro monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 Euro pro Stunde.

        

(6)     

Beschäftigte, die ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 40 Euro monatlich. Beschäftigte, die nicht ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 0,24 Euro pro Stunde.“

6

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne als nicht ständig in Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit eingesetzter Arbeitnehmer ab der ersten Einsatzstunde die Zulagen nach § 8 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 Satz 2 TVöD beanspruchen. Auch kurzfristige Einsätze im Wechselschicht- oder Schichtdienst beeinträchtigten den Lebensrhythmus des Beschäftigten.

7

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 146,24 Euro brutto Zulagen für Schichtarbeit für den Zeitraum März bis September 2008 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. August 2009 zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, von einem regelmäßigen Wechsel könne nur nach einer bestimmten Dauer und Kontinuität gesprochen werden. Der Kläger sei aber weder regelmäßig in Schichtarbeit noch in Wechselschichtarbeit tätig. Sinn und Zweck der Zulagen bestünden im Ausgleich für längerfristige Erschwernisse und Belastungen, die sich auf den Lebensrhythmus des (Wechsel-)Schichtdienstleistenden auswirkten. Nennenswerte Belastungen seien bei kurzen Einsätzen nicht gegeben. Die Zulagenberechtigung setze deshalb voraus, dass zumindest einmal der Monatszeitraum erfüllt sei.

9

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann die Klage keinen Erfolg haben. Der Senat kann in der Sache mangels entsprechender Feststellungen nicht abschließend entscheiden. Die Revision führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

11

I. Beschäftigte, die nicht ständig Wechselschichtarbeit leisten, erhalten eine Wechselschichtzulage von 0,63 Euro pro Stunde (§ 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD). Beschäftigte, die nicht ständig Schichtarbeit leisten, erhalten eine Schichtzulage von 0,24 Euro pro Stunde (§ 8 Abs. 6 Satz 2 TVöD). Der Anspruch auf diese Zulagen setzt neben der vorübergehenden Zuweisung von Wechselschicht- oder Schichtarbeit die tatsächliche Leistung von Wechselschicht- oder Schichtarbeit im tariflichen Sinn voraus. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Vorschriften.

12

1. In den streitgegenständlichen Zeiträumen ist dem Kläger - abhängig von den Einsatzzeiten der jeweiligen Fährstelle - Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit vertretungsweise zugewiesen worden.

13

a) Wechselschichtarbeit ist im Geltungsbereich des TVöD die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten vorsieht, bei denen Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen werden (§ 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD). Wechselschichten sind wechselnde Arbeitsschichten, in denen ununterbrochen bei Tag und Nacht, werktags, sonntags und feiertags gearbeitet wird (§ 7 Abs. 1 Satz 2 TVöD).

14

Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinn liegt daher nur dann vor, wenn in dem Arbeitsbereich, in dem der Beschäftigte tätig ist, an allen Kalendertagen ununterbrochen 24 Stunden gearbeitet wird. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn beispielsweise an Sonn- und Feiertagen in aller Regel keine Schichtarbeit anfällt oder die tägliche Arbeit, sei es auch nur in geringfügiger Form, unterbrochen wird. Unerheblich ist hingegen, in wie viele Schichten der 24-Stunden-Tag aufgeteilt wird oder ob in allen Schichten der Arbeitsanfall gleich groß ist und deshalb in jeder Schicht die gleiche Anzahl von Arbeitnehmern arbeitet (st. Rspr., zB BAG 18. Mai 2011 - 10 AZR 255/10 - Rn. 13 f., ZTR 2011, 724; 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 15 f. mwN, BAGE 134, 34). Die Arbeit muss nach einem Dienst- oder Schichtplan erfolgen, der einen regelmäßigen Wechsel der täglichen Arbeitszeit in Wechselschichten im genannten Sinn vorsieht (vgl. dazu BAG 8. Juli 2009 - 10 AZR 589/08 - Rn. 22 ff., ZTR 2009, 576). Der Beschäftigte muss zur Arbeit in allen Schichtarten eingesetzt werden (BAG 24. September 2008 - 10 AZR 140/08 - Rn. 13 ff., AP TVöD § 7 Nr. 1). Dabei fordert § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD, dass der Beschäftigte durchschnittlich längstens nach Ablauf eines Monats erneut zur Nachtschicht herangezogen wird.

15

b) Schichtarbeit ist gemäß § 7 Abs. 2 TVöD die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird.

16

Der Begriff „Schichtarbeit“ ist in seiner allgemeinen arbeitsrechtlichen Bedeutung heranzuziehen. Danach ist für den Begriff „Schichtarbeit“ wesentlich, dass eine bestimmte Arbeitsaufgabe über einen erheblich längeren Zeitraum als die wirkliche Arbeitszeit eines Arbeitnehmers hinaus anfällt und daher von mehreren Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit erbracht wird. Bei der Schichtarbeit arbeiten nicht sämtliche Beschäftigten eines Betriebs zur gleichen Zeit, sondern ein Teil arbeitet, während der andere Teil arbeitsfreie Zeit hat. Die Arbeit muss dabei nach einem Schichtplan erfolgen, wobei nicht erforderlich ist, dass dieser vom Arbeitgeber vorgegeben ist (vgl. zuletzt BAG 23. Juni 2010 - 10 AZR 548/09 - Rn. 15 f., AP TVöD § 7 Nr. 4). § 7 Abs. 2 TVöD verlangt weiter, dass zwischen dem Beginn der frühesten Schicht und dem Ende der spätesten Schicht eine Zeitspanne von mindestens 13 Stunden liegt. Dabei genügt es, wenn diese Zeitspanne an unterschiedlichen Wochentagen erreicht wird (BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 70/09 - Rn. 18 ff., AP TVöD § 7 Nr. 3). Auf eine Durchschnittsberechnung ist nicht abzustellen (BAG 21. Oktober 2009 - 10 AZR 807/08 - Rn. 13 ff., ZTR 2010, 78).

17

c) Ständige Wechselschichtarbeit iSv. § 8 Abs. 5 Satz 1 TVöD liegt vor, wenn Beschäftigten kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung oder kraft Direktionsrechts dauerhaft diese Art von Tätigkeit zugewiesen ist. Um nicht ständige Wechselschichtarbeit iSv. § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD handelt es sich demgegenüber, wenn Beschäftigten Wechselschichtarbeit lediglich vertretungsweise(zB als „Springer“) oder gelegentlich zugewiesen wird (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 20, BAGE 134, 34; vgl. auch die Beispiele bei Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand April 2012 § 8 Rn. 52; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand März 2012 § 8 Rn. 68).

18

Gleiches gilt für die Unterscheidung zwischen ständiger und nicht ständiger Schichtarbeit; auch insoweit kommt es darauf an, ob diese Art von Tätigkeit dem Beschäftigten dauerhaft oder lediglich vertretungsweise oder gelegentlich zugewiesen wird (BAG 24. März 2010 - 10 AZR 570/09 - Rn. 18, ZTR 2010, 407).

19

d) Bei den Fährstellen, bei denen der Kläger eingesetzt war, wurde im streitgegenständlichen Zeitraum Wechselschichtarbeit (Fährstellen O und H) bzw. Schichtarbeit (Fährstelle F) geleistet. Diese wurde dem Kläger jeweils vorübergehend zur Vertretung zugewiesen. Dies steht zwischen den Parteien nicht im Streit.

20

2. Voraussetzung des Anspruchs auf die Zulagen für nicht ständige Wechselschicht- oder Schichtarbeit ist gemäß § 8 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 Satz 2 TVöD darüber hinaus die tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung in allen geforderten Schichten.

21

a) § 8 Abs. 5 TVöD gewährt Wechselschichtzulagen dem Beschäftigten, der Wechselschichtarbeit „leistet“. Dies gilt sowohl für den Fall der ständigen (Satz 1) als auch der nicht ständigen (Satz 2) Wechselschichtarbeit; der Wortlaut der Tarifnormen ist insoweit identisch. Hinsichtlich des Begriffs der Leistung haben sich die Tarifvertragsparteien - in Kenntnis der einschlägigen Rechtsprechung - an der Wortwahl des § 33a BAT bezogen auf die Nachtarbeitsstunden orientiert. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sie diesen Begriff in demselben Sinn, also als tatsächliche Erbringung der Arbeitsleistung, verstanden wissen wollten (vgl. BAG 23. September 2009 - 4 AZR 382/08 - Rn. 21, BAGE 132, 162). Im Gegensatz zur früheren Regelung bei ständiger Wechselschichtarbeit haben sie dabei nicht nach den Schichtarten differenziert, sodass nunmehr die tatsächliche Erbringung jeder der verschiedenen Schichtarten Anspruchsvoraussetzung für die Zulage wegen ständiger oder nicht ständiger Wechselschichtarbeit ist (vgl. zum Anspruch auf die Zulage für ständige Wechselschichtarbeit: BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 21 f., BAGE 134, 34; zum Anspruch auf Zusatzurlaub gemäß § 27 TVöD: BAG 17. November 2009 - 9 AZR 923/08 - Rn. 21, AP TVöD § 46 Nr. 1; ebenso Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck § 7 Rn. 6.1 unter Aufgabe der früheren Gegenauffassung; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 8 Rn. 68; aA Welkoborsky in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr TVöD Stand September 2011 § 8 Rn. 16 f.). Allerdings wird - abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen - weder eine gleichmäßige Verteilung der verschiedenen Schichtarten noch die Ableistung einer Mindestanzahl bestimmter Schichten verlangt.

22

b) Gleiches gilt für die Gewährung der Schichtzulage nach § 8 Abs. 6 Satz 2 TVöD. Auch hier wird die (nicht ständige) Leistung von Schichtarbeit im Tarifsinn verlangt; die tatsächliche Erbringung der Schichtarten ist damit Anspruchsvoraussetzung für die Zulage sowohl wegen ständiger als auch wegen nicht ständiger Schichtarbeit (vgl. zum Anspruch auf die Zulage für ständige Schichtarbeit: BAG 24. März 2010 - 10 AZR 570/09 - Rn. 20, ZTR 2010, 407).

23

3. Ob der Beschäftigte diese Voraussetzungen erfüllt, ist auch bei den Zulagen für nicht ständige Wechselschicht- oder Schichtarbeit monatsweise zu bestimmen (vgl. zu § 33a BAT: BAG 5. Juni 1996 - 10 AZR 610/95 - zu II 2 a der Gründe, AP BAT § 33a Nr. 10).

24

a) Hinsichtlich der Zulage für nicht ständige Schichtarbeit ist es nach § 7 Abs. 2 TVöD erforderlich, dass der notwendige Schichtwechsel längstens innerhalb eines Monats erfolgt. Hierbei handelt es sich nicht um einen Kalendermonat, sondern um einen Zeitmonat (Goodson in Bepler/Böhle/Meerkamp/Stöhr § 7 Rn. 9). Der Beginn der einen Schicht und der Beginn der anderen Schicht dürfen nicht mehr als einen Monat auseinander liegen (allgemeine Meinung, Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck § 8 Rn. 52; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 7 Rn. 12; vgl. zu § 33a BAT: BAG 5. Juni 1996 - 10 AZR 610/95 - zu III 1 b der Gründe, AP BAT § 33a Nr. 10). Mindestvoraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer, dem vertretungsweise oder gelegentlich Schichtarbeit zugewiesen wird, innerhalb eines Monatszeitraums mindestens einen Schichtwechsel absolviert. Ist dies der Fall, so sind alle in Schichtarbeit innerhalb des Monatszeitraums geleisteten Stunden zusätzlich mit der Zulage nach § 8 Abs. 6 Satz 2 TVöD zu vergüten. Die tarifliche Regelung verlangt nicht, dass der vertretungsweise Einsatz immer auf demselben Arbeitsplatz erfolgt, soweit es sich um Arbeitsplätze handelt, bei denen Schichtarbeit oder Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinn geleistet wird.

25

b) Hinsichtlich der Zulage für nicht ständige Wechselschichtarbeit nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD gelten die gleichen Grundsätze. Allerdings wird die Anspruchsentstehung dadurch erleichtert, dass der Monatsrhythmus - anders als nach § 7 Abs. 1 Satz 1 TVöD iVm. § 48 Abs. 2 TVöD-BT-K für den Bereich der Krankenhäuser - bei der Heranziehung zur Nachtschicht nur durchschnittlich eingehalten werden muss (vgl. zu § 33a BAT: BAG 5. Juni 1996 - 10 AZR 610/95 - zu III 1 der Gründe, AP BAT § 33a Nr. 10; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese § 7 Rn. 8). Eine Durchschnittsberechnung kommt aber nur dann in Betracht, wenn der Beschäftigte über einen längeren Zeitraum oder immer wieder zur nicht ständigen Wechselschichtarbeit herangezogen wird. Kommt es hingegen lediglich zu einzelnen Zuweisungen solcher Arbeit und/oder erfolgen diese in großen Abständen, so muss mangels der Möglichkeit einer Durchschnittsberechnung auf den jeweiligen Monatszeitraum abgestellt werden.

26

Auch hinsichtlich des Anspruchs auf die Zulage für nicht ständige Wechselschichtarbeit verlangt die tarifliche Regelung nicht, dass der vertretungsweise Einsatz immer auf demselben Arbeitsplatz erfolgt oder dass es sich ausschließlich um Arbeitsplätze handelt, auf denen Wechselschichtarbeit geleistet wird. Es genügt vielmehr, dass die erforderlichen Schichten auf verschiedenen Arbeitsplätzen erbracht werden, bei denen Schichtarbeit oder Wechselschichtarbeit im tariflichen Sinn geleistet wird. Absolviert der Beschäftigte innerhalb des Monatszeitraums bzw. hinsichtlich der Nachtschicht im entsprechenden Durchschnitt die erforderlichen Schichtwechsel, so sind alle in diesem Zeitraum in Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit geleisteten Stunden zusätzlich mit der Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 bzw. Abs. 6 Satz 2 TVöD zu vergüten. Erfolgt der vertretungsweise Einsatz ausschließlich auf Arbeitsplätzen, auf denen Wechselschichtarbeit geleistet wird, so besteht für diese Stunden ein Anspruch nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD. Erfolgt der Einsatz hingegen kombiniert auf Wechselschicht- und Schichtarbeitsplätzen, so besteht für die auf Wechselschichtarbeitsplätzen geleisteten Stunden ein Anspruch nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD, für die auf Schichtarbeitsplätzen geleisteten Stunden(nur) ein Anspruch nach § 8 Abs. 6 Satz 2 TVöD.

27

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nicht erforderlich, dass die Wechselschicht- oder Schichtarbeit durchgängig einen Monat geleistet wird. Dafür ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Systematik der tariflichen Regelung Anhaltspunkte. Anders als zB § 14 Abs. 1 TVöD verlangt § 7 Abs. 1 und Abs. 2 TVöD dies nicht. Auch Sinn und Zweck der Zulagen (vgl. dazu BAG 24. März 2010 - 10 AZR 58/09 - Rn. 32, BAGE 134, 34) erfordern keinen durchgängigen Mindesteinsatz. Vielmehr liegt eine Abweichung vom regulären Lebensrhythmus schon dann vor, wenn ein gelegentlicher oder vorübergehender Einsatz in Wechselschicht- oder Schichtarbeit erfolgt. Auch diese Einwirkung - die im Vergleich zur ständigen Wechselschicht- oder Schichtarbeit ein geringeres Maß erreicht - haben die Tarifvertragsparteien als ausgleichswürdig angesehen und deshalb die (im BAT nicht vorhandene) Zulagenregelung für nicht ständige Wechselschicht- bzw. Schichtarbeit geschaffen.

28

Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte zu einem zweifelsfreien Ergebnis führen, bedurfte es nicht der von der Beklagten angeregten Einholung einer Tarifauskunft.

29

II. Ob dem Kläger danach Zulagen nach § 8 Abs. 5 Satz 2 oder Abs. 6 Satz 2 TVöD für den streitgegenständlichen Zeitraum zustehen, kann der Senat anhand der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden.

30

1. Allerdings steht fest, dass der Kläger für die 6,25 Stunden, die er am 5. März 2008 bei der Fährstelle F gearbeitet hat, keinen Anspruch auf eine Zulage für nicht ständige Schichtarbeit hat. Er war innerhalb des Monatszeitraums lediglich an einem Tag in einer Schicht eingesetzt, hat keinen Schichtwechsel absolviert und damit keine Schichtarbeit im Tarifsinn geleistet.

31

2. Hinsichtlich der im Monat April bei der Fährstelle F geleisteten Arbeitsstunden steht nicht fest, ob er im Zeitraum vom 10. bis 20. April 2008 in verschiedenen Schichten eingesetzt war oder ob zumindest in Verbindung mit dem innerhalb des Monatszeitraums liegenden Einsatz ab 18. Mai 2008 ein Anspruch auf die Zulage für nicht ständige Schichtarbeit entstanden ist.

32

Hinsichtlich des Einsatzes bei der Fährstelle O im Zeitraum vom 18. bis 23. Mai 2008 ist nicht festgestellt, ob der Kläger in allen dort relevanten Schichten eingesetzt war. Ist dies zu bejahen, so besteht ein Anspruch auf die Zulage nach § 8 Abs. 5 Satz 2 TVöD für alle dortigen Einsatzstunden. Fehlt es - auch unter Berücksichtigung der Durchschnittsbetrachtung - am Einsatz in der Nachtschicht, so besteht bei entsprechendem Einsatz in den anderen Schichten ein Anspruch auf die Zulage nach § 8 Abs. 6 Satz 2 TVöD. Ein Anspruch auf die Zulage für nicht ständige Schichtarbeit ist auch für den im Monatszeitraum liegenden Einsatz vom 3. bis 12. Juni 2008 bei der Fährstelle F denkbar.

33

Für den Einsatz bei der Fährstelle O vom 14. bis 30. Juli 2008 kommen abhängig von der tatsächlichen Schichtverteilung sowohl die Zulage wegen nicht ständiger Wechselschichtarbeit als auch die Zulage wegen nicht ständiger Schichtarbeit in Betracht. Gleiches gilt je nach Schichteinsatz für den Einsatz vom 12. bis 15. September 2008 bei der Fährstelle H.

        

    Mikosch    

        

    Schmitz-Scholemann    

        

    W. Reinfelder    

        

        

        

    Schürmann    

        

    R. Bicknase    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 24. Januar 2011 - 12 Sa 1011/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf eine tarifliche Kompensationszahlung für eine im Jahr 1998 nicht gezahlte tarifliche Zuwendung.

2

Die 1954 geborene Klägerin stand seit dem 1. Juli 1989 zunächst in einem Arbeitsverhältnis zum „Arbeiterwohlfahrt Bezirksverband H e. V.“. Sie war als Verwaltungsangestellte in der Deister-Süntel-Klinik in M beschäftigt. Am 4. August 1994 wurde die „Arbeiterwohlfahrt Deister-Süntel-Klinik gGmbH“ (AWO DSK gGmbH) in das Handelsregister eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war „die medizinische und pflegerische Versorgung von Personen, insbesondere der Betrieb eines Akutkrankenhauses und eines medizinischen Rehabilitationszentrums in B, der Betrieb von Dialyseabteilungen (-stationen)“ sowie damit zusammenhängender Geschäfte.

3

Am 30. September 1994 schlossen die AWO DSK gGmbH und die Gewerkschaft ÖTV einen Tarifvertrag (TV AWO DSK), wonach ab dem 1. Januar 1995 für die Beschäftigten der AWO DSK gGmbH der Bundes-Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Arbeiterwohlfahrt (BMT-AW II) vom 1. November 1977 und seine Zusatztarifverträge in der jeweils gültigen Fassung Anwendung finden sollten. § 46 BMT-AW II sah einen Anspruch auf eine Zuwendung vor, § 54 BMT-AW II enthält folgende Regelung:

        

„Ausschlussfrist

        

(1)     

Ansprüche aus diesem Tarifvertrag müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden.

        

(2)     

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen Ansprüche aus diesem Tarifvertrag innerhalb von drei Monaten geltend gemacht werden.“

4

Am 19. Januar 1995 schlossen die Parteien mit Wirkung ab 1. Januar 1995 einen neuen schriftlichen Arbeitsvertrag, der den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die AWO DSK gGmbH regelte und dessen Nr. 12 lautet:

        

„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden innerhalb einer Ausschlussfrist von 6 Monaten nach Fälligkeit geltend zu machen. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses müssen Ansprüche innerhalb von 3 Monaten geltend gemacht werden. Im Falle der Ablehnung durch die Gegenpartei sind sie binnen einer Frist von 2 Monaten einzuklagen.“

5

Am 17. Oktober 1996 wurde eine Änderung der Firma und des Gegenstands des Unternehmens in das Handelsregister eingetragen. Die Beklagte erhielt ihren jetzigen Namen „Arbeiterwohlfahrt Gesundheitsdienste gGmbH“. Gegenstand des Unternehmens war nunmehr „die medizinische und pflegerische Versorgung von Personen, insbesondere der Betrieb von Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationskliniken, Pflegeeinrichtungen und der Betrieb von ambulanten Behandlungszentren“ sowie damit zusammenhängender Geschäfte.

6

Am 25. Juni 1997 schloss die Beklagte mit den Gewerkschaften ÖTV und DAG „infolge des politisch indizierten Belegungsrückganges in der Rehabilitationsklinik B (...) zur Sicherung der Arbeitsplätze der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter” einen „Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag zu den gleichlautenden Tarifverträgen vom 30.09.1994“ (1. ÄndErg-TV). Gegen eine von den Beschäftigten zu leistende „Beschäftigungssicherungsabgabe” wurde diesen für das Jahr 1997 der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen zugesagt. Nach § 3 des 1. ÄndErg-TV sollten im Falle eines positiven Betriebsergebnisses in definierter Größenordnung Kompensationszahlungen von der Beklagten erbracht werden. Gleichzeitig wurde ein sog. Transparenzausschuss eingerichtet. Die insoweit von den Beschäftigten erbrachten Einsparungen sind später kompensiert worden. Am 31. Dezember 1997 schlossen die Tarifparteien einen zweiten Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag (2. ÄndErg-TV), am 8. September 1998 einen dritten Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag (3. ÄndErg-TV). § 1 des 3. ÄndErg-TV bestimmt, dass die im Jahr 1998 als „Beschäftigungssicherungsabgabe” nach den allgemeinen tariflichen Bestimmungen zu zahlende Zuwendung je nach wirtschaftlicher Lage anteilig oder gar nicht gezahlt werden sollte. In Umsetzung dieser Bestimmung erhielt die Klägerin die ihr zustehende Sonderzahlung in Höhe von 1.938,89 Euro brutto nicht ausgezahlt.

7

§ 2 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV lautet:

        

„Kompensation

        

Zum Ausgleich der von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der AWO GSD gGmbH im Jahr 1998 getragenen Beschäftigungssicherungsabgabe wird zukünftig jährlich ab einem positiven Betriebsergebnis von 200.000,00 DM, höchstens 500.000,00 DM jährlich an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezahlt werden, bis die Mitarbeiterabgabe kompensiert ist.“

8

In Umsetzung dieser Vorschrift erhielt die Klägerin im Dezember 1998 und im November 1999 zwei Teilkompensationen in Höhe von insgesamt 723,36 Euro brutto.

9

Zum Zeitpunkt des Abschlusses der Änderungs- und Ergänzungstarifverträge betrieb die Beklagte im Wesentlichen die Klinik in B nebst zwei Dialyseeinrichtungen. Im Jahr 2003 erwarb sie das N Zentrum in M mit Nebeneinrichtungen und führte es als eigenen Betrieb weiter. Dies war zum Zeitpunkt des Abschlusses des 3. ÄndErg-TV nicht absehbar.

10

Bis einschließlich 2004 waren die Jahresabschlüsse der Beklagten negativ. Der am 12. Mai 2006 erstellte Jahresabschluss der Beklagten zum 31. Dezember 2005 wies für das Geschäftsjahr 2005 ein positives Ergebnis in Höhe von 312.247,33 Euro aus. Nach Angaben der Beklagten wurde er am 30. November 2006 im Bundesanzeiger veröffentlicht. In der Sitzung des Transparenzausschusses am 8. November 2006 legte die Beklagte den Vertretern des Betriebsrats eine auf den „Buchungskreis B” beschränkte Ergebnisrechnung vor, welche einen Verlust auswies.

11

Am 18. Januar 2008 wurde der Tarifvertrag für die AWO Gesundheitsdienste gGmbH (TV AWO GSD) unterzeichnet. § 40 TV AWO GSD lautet auszugsweise:

        

„(1)   

Diese Regelungen treten am 1. Januar 2008 in Kraft und ersetzten in ihrem Geltungsbereich zu diesem Zeitpunkt den Tarifvertrag der AWO Gesundheitsdienste vom 30.09.1994.“

12

§ 38 TV AWO GSD enthält folgende Regelung:

        

„(1)   

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von der/dem Beschäftigten oder vom Arbeitgeber schriftlich geltend gemacht werden. Für denselben Sachverhalt reicht die einmalige Geltendmachung des Anspruchs auch für später fällige Leistungen aus.

        

(2)     

Absatz 1 gilt nicht für Ansprüche aus einem Sozialplan.“

13

Mit Schreiben vom 2. Juli 2008 verlangte die Klägerin unter Fristsetzung bis zum 31. Juli 2008 die Zahlung eines Betrags in Höhe von 1.215,53 Euro als Kompensation für die Einbehaltung der Zuwendung.

14

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, für das Kalenderjahr 2005 sei ein Kompensationsanspruch zu ihren Gunsten entstanden. Abgestellt werde nach dem eindeutigen Tarifwortlaut lediglich auf ein positives Betriebsergebnis der Beklagten. Unerheblich sei, durch welche Betriebsstätte das positive Ergebnis erwirtschaftet worden sei. Der Anspruch auf eine Kompensationszahlung sei weder nach arbeitsvertraglichen noch nach tarifvertraglichen Ausschlussfristen verfallen. Die Regelung in Nr. 12 des Arbeitsvertrags vom 19. Januar 1995 sei unwirksam, da dort ein Hinweis auf die Rechtsfolgen des fruchtlosen Ablaufs der Frist fehle. Die Ausschlussfrist aus § 38 TV AWO GSD habe noch nicht zu laufen begonnen, da die Beklagte der Klägerin nicht diejenigen Auskünfte erteilt habe, die die Klägerin überhaupt in die Lage versetzen würden, den ihr zustehenden Anspruch geltend zu machen. Die Beklagte habe der Klägerin weder das Jahresergebnis 2005 mitgeteilt, noch welche weiteren Ansprüche anderer Arbeitnehmer aus diesem Überschuss bedient werden müssten. Auch habe keine Empfehlung des Transparenzausschusses vorgelegen.

15

Die Klägerin hat, soweit noch erheblich, beantragt,

        

        

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.215,53 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2008 zu zahlen.

16

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Voraussetzungen für weitere Kompensationszahlungen hätten weder 2005 noch in den Folgejahren vorgelegen. Es fehle schon an einer positiven Empfehlung des Transparenzausschusses. Zudem komme es für das Jahr 2005 darauf an, dass der Standort B einen Fehlbetrag von mehr als 64.000,00 Euro aufzuweisen gehabt habe. Dieses isolierte Ergebnis sei maßgeblich. Die Tarifvertragsparteien hätten bei Abschluss der Änderungs- und Ergänzungstarifverträge 1997 und 1998 nicht vorhersehen können, dass die Beklagte im Jahr 2003 das N Zentrum in M erwerben werde. Es sei daher eine planwidrige Regelungslücke eingetreten, die nicht von den Gerichten geschlossen werden könne. Im Übrigen habe der TV AWO GSD alle zuvor abgeschlossenen Tarifverträge - auch etwaige Ansprüche aus den Änderungs- und Ergänzungstarifverträgen von 1997 und 1998 - abgelöst. Schließlich sei der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch verfallen. Die Klägerin sei nicht gehindert gewesen, ihren Anspruch zumindest dem Grunde nach geltend zu machen.

17

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Klägerin hat Anspruch auf eine Kompensationszahlung nach § 2 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV vom 8. September 1998 in Höhe von 1.215,53 Euro. Dieser Anspruch ist nicht verfallen.

19

I. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV liegen vor.

20

1. Die Beklagte hat der Klägerin die ihr nach § 46 f. BMT-AW II zustehende Zuwendung im Jahr 1998 gemäß § 1 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV nicht gezahlt (sog. Beschäftigungssicherungsabgabe). Eine Kompensation ist in den Jahren 1998 und 1999 lediglich in Höhe von insgesamt 723,36 Euro brutto erfolgt.

21

2. Die Beklagte hat im Jahr 2005 ein positives Betriebsergebnis iSv. § 2 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV erzielt. Dabei ist auf das Betriebsergebnis der Beklagten insgesamt, nicht auf das Ergebnis einzelner Betriebe oder Betriebsteile abzustellen. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Regelung.

22

a) Der Wortlaut der Regelung, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 15, NZA 2011, 1358), spricht bereits deutlich für eine solche Annahme.

23

Bei dem Begriff „Betriebsergebnis“ handelt es sich um einen betriebswirtschaftlichen Fachbegriff. Er bezeichnet „im Rechnungswesen das getrennt vom Unternehmensergebnis ermittelte Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses (Betriebsgewinn oder -verlust), festzustellen durch Gegenüberstellung der Kosten und Betriebserträge“ (Gabler Wirtschaftslexikon 17. Aufl. Stichwort: Betriebsergebnis). Enthält eine Tarifnorm einen bestimmten Fachbegriff, ist im Zweifel anzunehmen, dass dieser im Geltungsbereich des betreffenden Tarifvertrags in seiner allgemeinen fachlichen Bedeutung Geltung haben soll (st. Rspr., zB BAG 19. Mai 2011 - 6 AZR 841/09 - Rn. 15, AP TVG § 1 Krankenanstalten Nr. 9). Abweichende Anhaltspunkte gibt es nicht, insbesondere haben die Tarifvertragsparteien den Begriff nicht selbst definiert. Deshalb ist nach dem Wortlaut auf das Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses der Beklagten insgesamt und nicht auf das Ergebnis eines Betriebs im betriebsverfassungs- oder kündigungsrechtlichen Sinn abzustellen. Auch enthält die Regelung keine Beschränkung auf ein Teilbetriebsergebnis oder einen bestimmten Buchungskreis.

24

b) Dieses Ergebnis wird gestützt von der Systematik der tariflichen Regelung. Der Geltungsbereich der Änderungs- und Ergänzungstarifverträge entsprach demjenigen des TV AWO DSK; erfasst waren alle Arbeitnehmer der Beklagten. Die Präambel des 3. ÄndErg-TV spricht ausdrücklich von der „derzeitigen wirtschaftlichen Situation der AWO Gesundheitsdienste gGmbH“. Zwar wird in der Präambel des 1. ÄndErg-TV vor allem auf die Belegungssituation in B abgestellt; Ziel ist aber die Sicherung der Arbeitsplätze aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der als Ausgleich für die Beschäftigungssicherungsabgabe zugesagte Kündigungsschutz nach § 4 des 3. ÄndErg-TV differenziert nicht danach, ob die Arbeitnehmer unmittelbar in der Klinik B, in der Verwaltung oder in einem Dialysezentrum beschäftigt waren. Alle damaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten kraft Tarifvertrags die Beschäftigungssicherungsabgabe leisten, erhielten dafür Kündigungsschutz für einen bestimmten Zeitraum und die Aussicht auf eine zukünftige Kompensation.

25

c) Diese Tarifauslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung. Das Landesarbeitsgericht weist zutreffend daraufhin, dass ein zwischen Gewerkschaft und Unternehmen abgeschlossener Sanierungstarifvertrag im Zweifel der Sicherung aller Arbeitsplätze im Unternehmen und der wirtschaftlichen Stabilisierung des gesamten Unternehmens dient. Würde es auf das positive Betriebsergebnis einzelner Standorte ankommen, könnte dies die Verpflichtung zur Zahlung einer Kompensation begründen, selbst wenn der Arbeitgeber aufgrund anderweitiger Verluste aus dem betrieblichen Leistungsprozess nicht leistungsfähig wäre. Für eine solche Auslegung bräuchte es konkrete Anhaltspunkte. Zwar stellt die tarifliche Regelung nicht auf das Unternehmensergebnis, sondern auf das Ergebnis des betrieblichen Leistungsprozesses ab. Dies liegt aber nahe, da die Beschäftigten nur hierauf durch die Erbringung ihrer Arbeitsleistung mindestens mittelbar Einfluss nehmen können. Dass der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 2 des 3. ÄndErg-TV ebenfalls einen Beitrag zur Sicherung der Arbeitsplätze geleistet hat, ist entgegen der Auffassung der Revision ein weiteres Indiz dafür, dass es auf seine wirtschaftliche Lage und nicht auf die Ergebnisse einzelner Betriebe ankommt.

26

d) Hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke gibt es nicht. Zwar bestanden zum Zeitpunkt der Vereinbarung des 3. ÄndErg-TV lediglich die Klinik in B, zwei Dialysezentren und die Verwaltung. Deswegen konnten damals auch nur diese Teile des Unternehmens zum Betriebsergebnis beitragen und nur die dort beschäftigten Arbeitnehmer mussten die Beschäftigungssicherungsabgabe leisten. Auch war nicht absehbar, dass es im Jahr 2003 zum Erwerb des Standorts M kommen werde. Allerdings war nach den Eintragungen im Handelsregister seit 1996 Gegenstand des Unternehmens nicht mehr ausschließlich oder vorrangig der Betrieb der Klinik in B. Vielmehr ist dieser durch Änderung des Gesellschaftsvertrags allgemein auf den Betrieb von Krankenhäusern, medizinischen Rehabilitationseinrichtungen etc. erweitert worden. Kommt es vor diesem Hintergrund zum Abschluss einer tariflichen Regelung, die allgemein auf das Betriebsergebnis abstellt und keine Beschränkung auf ein bestimmtes Teilbetriebsergebnis oder auf einen bestimmten Buchungskreis enthält, ist die Regelung nicht lückenhaft. Vielmehr musste den tarifvertragschließenden Parteien zumindest die Möglichkeit einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs klar sein.

27

e) Entgegen der Rüge der Revision musste das Landesarbeitsgericht dem Vortrag der Beklagten zur Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags nicht nachgehen. Nur dann, wenn bei der Auslegung einer Tarifnorm nach Wortlaut, Wortsinn und tariflichem Gesamtzusammenhang Zweifel an deren Inhalt und dem wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien bleiben, kann auf die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags zurückgegriffen werden (BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 29 mwN, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 220). Führt die Auslegung aber zu einem zweifelsfreien Ergebnis, bedarf es keiner Einholung einer Tarifauskunft. Eine solche darf zudem nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein (BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 28, NZA 2011, 1358). Der Vortrag der Beklagten in der Berufung benennt im Übrigen keine konkreten Abläufe oder Erklärungen einer oder beider Tarifvertragsparteien aus den Verhandlungen, sondern weist lediglich auf den - nicht streitigen - Umstand hin, dass keine Tarifvertragspartei in den Jahren 1997 und 1998 Kenntnis über die zum 1. Januar 2003 erfolgende Übernahme des Standorts M hatte; ansonsten handelt es sich um Wertungen der tariflichen Regelungen, die einem Zeugenbeweis nicht zugänglich sind.

28

3. Eine Empfehlung des Transparenzausschusses ist keine Voraussetzung für das Entstehen eines Anspruchs nach § 2 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV. Zwar geht § 1 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV vom Bestehen des Transparenzausschusses, der im 1. ÄndErg-TV etabliert wurde, aus. Seine Aufgabe bestand jedoch lediglich in der Abgabe einer Empfehlung über den Umfang der Zuwendungsminderung. Hinsichtlich der vom Arbeitgeber zu zahlenden Kompensation hatte der Transparenzausschuss schon nach § 8 Abs. 2 des 1. ÄndErg-TV nur eine Überwachungsaufgabe. Wegen der paritätischen Besetzung des Transparenzausschusses wäre eine andere Regelung auch zwecklos, da jeweils eine Seite eine Empfehlung blockieren und den Kompensationsanspruch damit beseitigen könnte.

29

4. Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Beklagte im Jahr 2005 ein positives Betriebsergebnis im og. Sinn in Höhe von 312.247,33 Euro erzielt hat. Ebenso wendet sich die Beklagte nicht gegen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass diese Summe für die vollständige Kompensation der Ansprüche aller Arbeitnehmer ausreicht. Auch steht die Höhe der noch zu kompensierenden Zuwendung zwischen den Parteien nicht im Streit.

30

II. Der Anspruch der Klägerin aus § 2 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV ist nicht durch den TV AWO GSD vom 18. Januar 2008 beseitigt worden.

31

Im Verhältnis zweier zeitlich aufeinanderfolgender gleichrangiger Tarifnormen gilt das Ablösungsprinzip (st. Rspr., zB BAG 14. September 2011 - 10 AZR 358/10 - Rn. 17 mwN, NZA 2011, 1358). Dementsprechend legt § 40 Abs. 1 TV AWO GSD fest, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens am 1. Januar 2008 der TV AWO DSK vom 30. September 1994 (und damit auch der BMT-AW II) ersetzt wird. Die Regelungen des TV AWO GSD lassen aber keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass bereits in den Vorjahren entstandene Ansprüche auf Kompensationszahlungen rückwirkend beseitigt werden sollten. Um einen solchen Anspruch wird vorliegend gestritten. Maßgebliche Anspruchsvoraussetzung nach § 2 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV ist das im Jahr 2006 festgestellte Betriebsergebnis des Jahres 2005; der Kompensationsanspruch ist damit im Jahr 2006 entstanden, weit vor Inkrafttreten des TV AWO GSD.

32

III. Der Anspruch der Klägerin ist nicht verfallen.

33

1. Der Anspruch auf Kompensationszahlung unterfiel der Ausschlussfrist des § 54 BMT-AW II. Es handelte sich um einen Anspruch „aus diesem Tarifvertrag“.

34

a) Zwar sind Ausschlussfristen grundsätzlich eng auszulegen. Im Vordergrund steht aber die Ausgestaltung des einzelnen Tarifvertrags. Eine enge Auslegung setzt voraus, dass der weitergehende Umfang der Ausschlussfrist nicht zweifelsfrei feststeht (BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 26, ZTR 2012, 31; 7. Februar 1995 - 3 AZR 483/94 - zu II 1 e der Gründe, AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr. 54 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 112). Letzteres ist hier der Fall.

35

b) Durch den TV AWO DSK wurde die Anwendung des BMT-AW II auf die Beschäftigten der damaligen „Arbeiterwohlfahrt Deister-Süntel-Klinik gGmbH“ mit Wirkung ab 1. Januar 1995 vereinbart. Die drei Änderungs- und Ergänzungstarifverträge aus den Jahren 1997 und 1998 gestalteten den Inhalt des TV AWO DSK und damit des BMT-AW II für die Beschäftigten der Beklagten in Teilen befristet um. Vergütungs- und Zuwendungsansprüche sind entfallen und durch Ansprüche auf Kompensationszahlungen nach bestimmten Maßgaben ersetzt worden. Damit sind auch solche Kompensationsansprüche Ansprüche aus dem BMT-AW II (in der geänderten und ergänzten Fassung). Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien diese Ansprüche aus der Anwendung der allgemeinen Regeln des BMT-AW II ausnehmen wollten.

36

2. Mit Wirkung ab 1. Januar 2008 wurde § 54 BMT-AW II durch § 38 TV AWO GSD ersetzt. Bei den Kompensationszahlungen handelt es sich um Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis iSd. Tarifnorm.

37

3. Entgegen der Auffassung der Beklagten konnten die Fristen nach § 54 BMT-AW II bzw. § 38 Abs. 1 TV AWO GSD so lange nicht anlaufen, wie die Beklagte nicht ihr Betriebsergebnis des Jahres 2005 und dessen Bedeutung für den Ausgleich noch ausstehender Kompensationsansprüche gegenüber den Arbeitnehmern bekannt gemacht hat. Eine Fälligkeit iSd. Ausschlussfristen trat damit erst im Laufe des Rechtsstreits ein.

38

a) Nach den tariflichen Regelungen beginnt die Ausschlussfrist von sechs Monaten mit der Fälligkeit des Anspruchs. Nach § 2 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV entsteht der Kompensationsanspruch, wenn ein positives Betriebsergebnis vorliegt. Dabei bestimmt die Tarifnorm keinen Zeitpunkt, zu dem dies festzustellen ist oder zu dem die Kompensationszahlung zu erfolgen hat. Da es auf eine bestimmte betriebswirtschaftliche Kennziffer ankommt, kann die Fälligkeit des Anspruchs erst dann eintreten, wenn das Betriebsergebnis nach den einschlägigen betriebswirtschaftlichen Regelungen feststeht. Dies ist mit Feststellung des Jahresabschlusses durch Erteilung des entsprechenden Testats des Wirtschaftsprüfers der Fall. Vorliegend war dies der 12. Mai 2006.

39

b) Die Fälligkeit des Anspruchs gemäß § 271 BGB ist allerdings nicht stets mit der Fälligkeit im Sinne tariflicher oder vertraglicher Ausschlussfristen gleichzusetzen. Vielmehr ist ein Anspruch regelmäßig erst dann im Sinne einer Ausschlussfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann (vgl. BAG 18. August 2011 - 8 AZR 187/10 - Rn. 43, ZTR 2012, 31; 27. Oktober 2005 - 8 AZR 3/05 - AP BGB § 310 Nr. 5 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 181). Die Forderung muss in ihrem Bestand feststellbar sein und geltend gemacht werden können (BAG 27. November 1984 - 3 AZR 596/82 - zu II 2 a der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 89 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 64).

40

Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden müssen, ob und welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden. Ferner soll er sich darauf verlassen können, dass nach Fristablauf gegen ihn keine Ansprüche mehr erhoben werden (BAG 11. Oktober 2000 - 5 AZR 313/99 - zu II 2 c der Gründe, BAGE 96, 28). Voraussetzung dafür ist aber, dass der Gläubiger weiß, dass überhaupt Ansprüche bestehen. Diese Annahme korrespondiert mit der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist erst beginnt, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

41

Eine solche Kenntnis ist für den Arbeitnehmer hinsichtlich der Ansprüche, die von der Erbringung seiner Arbeitsleistung abhängen, im Normalfall unproblematisch zu erlangen. Gleiches gilt für Gegenansprüche des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der erbrachten Arbeitsleistung. Anders ist es beispielsweise bei Schadensersatzansprüchen. Eine Fälligkeit tritt erst dann ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann (vgl. BAG 20. Juni 2002 - 8 AZR 488/01 - zu II 2 d der Gründe, EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 11). Feststellbar ist der Schaden, sobald der Gläubiger vom Schadensereignis Kenntnis erlangt oder bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt Kenntnis erlangt hätte (vgl. BAG 27. April 1995 - 8 AZR 582/94 - zu B I 2 der Gründe; 16. Mai 1984 - 7 AZR 143/81 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 85 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 58). Geltend gemacht werden können Schadensersatzforderungen, sobald der Gläubiger in der Lage ist, sich den erforderlichen Überblick ohne schuldhaftes Zögern zu verschaffen, und er seine Forderungen wenigstens annähernd beziffern kann (vgl. BAG 30. Oktober 2008 - 8 AZR 886/07 - EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 192). Gleiches gilt bei Ansprüchen auf Freistellung eines Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber wegen Schädigung eines Dritten. In einem solchen Fall wird der Anspruch iSd. tariflichen Ausschlussfristen erst dann fällig, wenn feststeht, dass der schädigende Arbeitnehmer von dem Geschädigten mit Erfolg in Anspruch genommen werden kann (BAG 25. Juni 2009 - 8 AZR 236/08 - Rn. 24, AP BAT § 70 Nr. 40). Ausschlussfristen laufen auch nicht an, wenn der Arbeitgeber eine erforderliche Abrechnung unterlässt. Allerdings unterliegt auch der Abrechnungsanspruch selbst ggf. solchen Ausschlussfristen (BAG 10. August 1994 - 10 AZR 937/93 - zu II 1 d der Gründe, AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 126 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 105; 27. November 1984 - 3 AZR 596/82 - AP TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 89 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 64).

42

c) Geht man von diesen Grundsätzen aus, so setzt die Erkennbarkeit des Bestehens eines Kompensationsanspruchs aus § 2 Abs. 1 des 3. ÄndErg-TV für die Arbeitnehmer voraus, dass die Beklagte das Betriebsergebnis des jeweiligen Jahres bekannt macht und im Falle eines positiven Ergebnisses deutlich macht, in welchem Umfang es für den Ausgleich noch offener Kompensationsansprüche ausreicht. Erst wenn dies erfolgt ist und die Arbeitgeberin trotzdem nicht leistet oder die Arbeitnehmer von einem weitergehenden Anspruch ausgehen, besteht Veranlassung, eine Kompensationsleistung in einer bestimmten Höhe nach den tariflichen Bestimmungen schriftlich geltend zu machen. Es ist den Arbeitnehmern in einer solchen Lage auch nicht zuzumuten, jährlich die Veröffentlichungen des Bundesanzeigers nach entsprechenden Angaben über die Beklagte zu durchsuchen. Eine von der Revision geforderte Geltendmachung dem Grunde nach wäre ohne Kenntnis der entsprechenden Zahlen zwecklos und würde dem Arbeitgeber keinerlei Klarheit über den Umfang noch offener Ansprüche verschaffen.

43

d) Vorliegend hat die Beklagte die Höhe des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses erst im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits mitgeteilt, sodass es im Hinblick auf das Klageverfahren keiner gesonderten Geltendmachung mehr bedurfte.

44

4. Es kann deshalb dahinstehen, ob die vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist (Nr. 12 des Arbeitsvertrags vom 19. Januar 1995) einer AGB-Kontrolle standhielte (vgl. dazu BAG 31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - BAGE 115, 372).

45

IV. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 BGB.

46

V. Die Beklagte hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    W. Guthier    

        

    Petri    

                 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. April 2010 - 13 Sa 1297/09 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf tarifliche Mehrarbeitszuschläge im Zeitraum von Juli 2008 bis Januar 2009.

2

Die Beklagte ist ein Unternehmen des Wach- und Sicherheitsgewerbes. Der Kläger ist seit 2003 bei ihr bzw. ihren Rechtsvorgängern im Geldtransportdienst beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden im streitgegenständlichen Zeitraum kraft arbeitsvertraglicher Regelung der Mantelrahmentarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Dezember 2006, gültig ab 1. Januar 2007 (MRTV 2006), der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Niedersachsen vom 10. Oktober 2005, gültig ab 1. Januar 2006 (MTV Niedersachsen 2005), und der Lohntarifvertrag für die Geld- und Wertdienste im Lande Niedersachsen vom 9. Januar 2008, gültig ab 1. November 2007, Anwendung. Die beiden letztgenannten Tarifverträge waren darüber hinaus allgemeinverbindlich. Der tarifliche Stundenlohn des Klägers betrug 12,00 Euro.

3

§ 6 MRTV 2006 lautet auszugsweise:

        

„§ 6   

Arbeitszeit

        

1.1.   

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit soll 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann ohne Vorliegen von Arbeitsbereitschaft auf bis zu 10 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von 12 Kalendermonaten im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Darüber hinaus kann die Arbeitszeit auch ohne Ausgleich über 10 Stunden täglich verlängert werden, wenn in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt.

        

1.2.   

Die tägliche Ruhezeit beträgt 11 Stunden, mindestens jedoch 9 Stunden. Eine Verkürzung der 11-stündigen Ruhezeit ist nur dann zulässig, wenn ein Ausgleich innerhalb von 3 Monaten vorgenommen wird.

        

1.3.   

Bei Kurzeinsätzen besteht ein Vergütungsanspruch von mindestens 4 Stunden. Diese Regelung gilt nicht für Beschäftigte mit Arbeitsverträgen, in denen eine kapazitätsorientierte und/oder variable Arbeitszeit vereinbart ist.

        

1.4.   

Die monatliche Regelarbeitszeit kann auf bis zu 264 Stunden ausgedehnt werden, ab dem 1. Oktober 2010 jedoch nur noch auf 248 Stunden.

        

1.5.   

Für kerntechnische Anlagen gelten die Arbeitszeitregelungen der länderspezifischen Tarifverträge unter Berücksichtigung der Ziffern 1.1 und 3 dieses Paragrafen.

                 

Die monatliche Regelarbeitszeit im Geld- und Werttransport und für Angestellte beträgt 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres.

        

2.1.   

Abweichend von Ziffer 1 kann im Werkfeuerwehrdienst und im Objektschutzdienst bei der Bewachung militärischer Anlagen …

        

3.    

Länderspezifisch können jedoch zu den Ziffern 1 und 2 abweichende monatliche Regelarbeitszeiten vereinbart werden. Die in Ziffern 1.4 und 1.5 sowie Ziffer 2 festgelegten monatlichen Regelarbeitszeiten sollen dabei nicht überschritten werden. Mehrarbeitszuschläge können länderspezifisch unabhängig von den vorstehenden Regelarbeitszeiten vereinbart werden.

        

…“    

        
4

Die 3. Protokollnotiz zum MRTV 2006 hat folgenden Wortlaut:

        

„Die Tarifvertragsparteien sind sich darüber einig, dass abweichende länderspezifische Regelarbeitszeiten, die nach dem 31. August 2005 auf der Grundlage von § 6 Ziffer 3 des Mantelrahmentarifvertrags vom 30. August 2005 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen wurden, auch nach dem Abschluss des Mantelrahmentarifvertrags vom 1. Dezember 2006 für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland gültig bleiben.“

5

§ 6 des Mantelrahmentarifvertrags für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 30. August 2005 (MRTV 2005), der im Zeitraum vom 1. September 2005 bis 31. Dezember 2006 in Kraft war, lautete auszugsweise:

        

„§ 6   

Arbeitszeit

        

…       

        
        

1.5.   

Hinsichtlich der monatlichen Regelarbeitszeit gilt folgende abweichende Regelung:

                 

im Geld- und Werttransport 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres.

                 

Hinsichtlich der monatlichen Regelarbeitszeit in kerntechnischen Anlagen gelten weiterhin die jeweiligen länderspezifischen Regelungen.

        

…       

        
        

3.    

Länderspezifisch können jedoch … abweichende monatliche Regelarbeitszeiten vereinbart werden. …

        

…“    

        
6

§ 8 Ziffer 1 MTV Niedersachsen 2005 bestimmt:

        

„1.     

Der Mehrarbeitszuschlag beträgt 25 %.“

7

Gleichzeitig mit der Unterzeichnung des MTV Niedersachen 2005 am 10. Oktober 2005 vereinbarten die Tarifvertragsparteien folgende „1. Protokollnotiz“:

        

„Der Mehrarbeitszuschlag beträgt gemäß § 8 Ziffer 1 des Manteltarifvertrags 25 %.

        

Er wird grundsätzlich ab der 265. tatsächlich geleisteten Monatsarbeitsstunde fällig.

        

Für Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutzdienst/Separatwachdienst gilt folgende Abweichung:

        

Der Mehrarbeitszuschlag wird

        

bis zum 31.12.2007 ab der 289. tatsächlich geleisteten Monatsarbeitsstunde,

        

ab dem 01.01.2008 ab der 265. tatsächlich geleisteten Monatsarbeitsstunde

        

fällig.

        

Für Mitarbeiter der Geld- und Wertdienste ist eine von § 6 Ziffer 1.5 MRTV abweichende Einteilung der monatlichen Regelarbeitszeit zulässig. Für diese Mitarbeiter werden Regelungen bezüglich eines Jahresarbeitszeitkontos getroffen.

        

Für Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen wird auf § 5 Ziffer 5 des Manteltarifvertrags verwiesen.“

8

Die Beklagte zahlte bis einschließlich Juni 2008 für Arbeit ab der 174. Monatsstunde einen Mehrarbeitszuschlag von 25 %. Dies war in den vom Arbeitgeberverband Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e. V. bis Ende des Jahres 2007 herausgegebenen Entgeltübersichten entsprechend vermerkt. In den im Jahr 2008 herausgegebenen Entgeltübersichten war eine Zuschlagspflicht erst ab der 265. Stunde angegeben.

9

Der Kläger leistete im Monat Juli 2008 218,6 Stunden, im August 2008 202,38 Stunden, im September 2008 196,39 Stunden, im Dezember 2008 198,32 Stunden und im Januar 2009 176,35 Stunden. Zuletzt mit Schreiben von Oktober 2008 verlangte er ergebnislos die Zahlung von Mehrarbeitszuschlägen für die über 173 Monatsstunden hinaus geleistete Arbeit.

10

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die 1. Protokollnotiz mit einer Festlegung der Zuschlagspflicht ab der 265. Stunde sei auf den Geld- und Werttransportdienst nicht anzuwenden. Die Regelung betreffe den Wachdienst mit erheblichen Zeiten der Arbeitsbereitschaft. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Lande Niedersachsen vom 6. März 1997 (MTV Niedersachsen 1997) durch eine Protokollnotiz vom 10. Oktober 2005 wieder in Kraft gesetzt worden sei. Daraus sei zu entnehmen, dass dieser Tarifvertrag zur Schließung etwaiger Tariflücken weiter anwendbar sein sollte. Er sehe einen Mehrarbeitszuschlag bei Überschreitung der täglichen Regelarbeitszeit von 8 Stunden vor.

11

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 381,12 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 136,80 Euro seit dem 16. August 2008, aus 88,14 Euro seit dem 16. September 2008, aus 70,17 Euro seit dem 16. Oktober 2008, aus 75,96 Euro seit dem 16. Januar 2009 und aus 10,05 Euro seit dem 16. Januar 2009 zu zahlen.

12

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, nach der 1. Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 2005 bestehe eine Zuschlagspflicht erst ab der 265. Stunde. Auf den MTV Niedersachsen 1997 könne sich der Kläger nicht berufen; dieser sei durch den MTV Niedersachsen 2005 abgelöst worden. Der frühere Tarifvertrag sei nur wieder in Kraft gesetzt worden, um einen möglichst lückenfreien Bestand tariflicher Regelungen zu gewährleisten und dadurch leichter eine Allgemeinverbindlicherklärung zu erreichen.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist unbegründet. Der Kläger hat Anspruch auf einen Zuschlag von 25 % seines Stundengrundlohns für jede monatlich ab der 174. Stunde tatsächlich geleistete Arbeitsstunde nach § 6 Ziff. 1.5 MRTV 2006 iVm. § 8 Ziff. 1 MTV Niedersachsen 2005 und der 1. Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 2005. Dies ergibt eine Auslegung der tariflichen Vorschriften.

15

I. Der Wortlaut der einschlägigen tariflichen Regelungen, von dem bei der Tarifauslegung vorrangig auszugehen ist (st. Rspr., vgl. zB BAG 23. Februar 2011 - 10 AZR 299/10 - Rn. 14, ZTR 2011, 491; 24. Februar 2010 - 10 AZR 1035/08 - Rn. 15, AP TVG § 1 Auslegung Nr. 220), führt zu keinem eindeutigen Auslegungsergebnis. § 8 Ziff. 1 MTV Niedersachsen 2005 bestimmt lediglich die Höhe des Mehrarbeitszuschlags, legt aber nicht selbst fest, ab welcher Arbeitsstunde dieser zu zahlen ist. § 6 Ziff. 1.5 MRTV 2006 bestimmt die monatliche Regelarbeitszeit im Geld- und Werttransport mit 173 Stunden im Durchschnitt des Kalenderjahres. Diese Regelung lässt sowohl die Deutung zu, dass ein Anspruch bei Überschreitung der monatlichen Regelarbeitszeit, nämlich ab der 174. Monatsstunde besteht, als auch die Deutung, dass ein Zuschlag nur dann fällig wird, wenn bei einer kalenderjährlichen Betrachtung der monatliche Durchschnitt über 173 Stunden liegt. Die 1. Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 2005 legt wiederum fest, dass der Mehrarbeitszuschlag „grundsätzlich“ ab der 265. tatsächlich geleisteten Monatsarbeitsstunde fällig wird. Damit sind Ausnahmen vorgesehen. Solche Ausnahmen werden ausdrücklich für Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutzdienst/Separatwachdienst und für Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen benannt. Für Mitarbeiter der Geld- und Wertdienste wird eine von § 6 Ziff. 1.5 des damals geltenden MRTV 2005 abweichende Einteilung der monatlichen Regelarbeitszeit erlaubt und auf noch zu treffende Regelungen über ein Jahresarbeitszeitkonto verwiesen.

16

II. Die Systematik der tariflichen Regelung macht damit deutlich, dass Anknüpfungspunkt die regelmäßige Monatsarbeitszeit der im Geld- und Werttransport Beschäftigten ist. Andernfalls wäre die diese Beschäftigten betreffende Regelung der Protokollnotiz überflüssig. Ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag bei Überschreitung der monatlichen Regelarbeitszeit von 173 Stunden besteht, solange keine abweichende monatliche Regelarbeitszeit nach der 1. Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 2005 iVm. § 6 Ziff. 3 MRTV 2005 und der 3. Protokollnotiz zum MRTV 2006 bestimmt ist.

17

1. Entgegen der Auffassung des Klägers sind nur die Vorschriften des MRTV 2006 (und ggf. des MRTV 2005) sowie des MTV Niedersachsen 2005 heranzuziehen. Ein Rückgriff auf die Regelungen des MTV Niedersachsen 1997 ist nicht möglich, da dieser durch den MRTV 2005 iVm. dem MTV Niedersachsen 2005 als nachfolgende Tarifregelungen abgelöst worden ist. Im Verhältnis zweier zeitlich aufeinanderfolgender gleichrangiger Tarifnormen gilt das Ablösungsprinzip (st. Rspr., zB BAG 15. April 2008 - 9 AZR 159/07 - Rn. 50, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 38 = EzA TVG § 4 Tarifkonkurrenz Nr. 21; 24. Oktober 2007 - 10 AZR 878/06 - Rn. 18, NZA 2008, 131; vgl. 23. Oktober 2001 - 3 AZR 74/01 - zu I 1 a der Gründe, BAGE 99, 183). Etwas anderes ergibt sich nicht aus der Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 1997 vom 10. Oktober 2005. Durch diese wurde der zum 31. Oktober 2003 gekündigte MTV Niedersachsen 1997 wieder in Kraft gesetzt. Der gleichzeitig abgeschlossene MTV Niedersachsen 2005 galt hingegen noch nicht. Mit dessen Inkrafttreten am 1. Januar 2006 erfolgte dann die Ablösung der wieder in Kraft gesetzten früheren tariflichen Regelung. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien eines Tarifgebiets zwei Manteltarifverträgen (teilweise) nebeneinander Geltung verschaffen wollten.

18

2. Die Tarifnormen des Wach- und Sicherheitsgewerbes unterscheiden zwischen verschiedenen Gruppen von Mitarbeitern, für die in Abhängigkeit von der jeweiligen Tätigkeit unterschiedliche tarifliche Regelungen gelten. Die Bestimmung der Mitarbeitergruppen findet sich in § 3 MRTV 2006, aber auch in den entsprechenden Vorgängerregelungen. Der Kläger gehört zur Gruppe der Sicherheitsmitarbeiter in Geld- und Wertdiensten (§ 3 Ziff. 6 MRTV 2006).

19

Wegen der unterschiedlichen Tätigkeiten gelten für diese Mitarbeitergruppen differenzierte Arbeitszeitregelungen (§ 6 MRTV 2006). Nach allgemeinen Regelungen zur täglichen Dauer der Arbeitszeit (Ziff. 1.1) sowie zu Ruhezeiten und Kurzeinsätzen bestimmt Ziff. 1.4, dass die monatliche Regelarbeitszeit auf bis zu 264 Stunden ausgedehnt werden kann. Ziff. 1.5 macht von dieser Grundregel Ausnahmen: Für kerntechnische Anlagen wird auf die Arbeitszeitregelungen der länderspezifischen Tarifverträge verwiesen, für Angestellte und Mitarbeiter im Geld- und Werttransport wird die monatliche Regelarbeitszeit - die im Durchschnitt des Kalenderjahres zu erreichen ist - mit 173 Stunden festgelegt. Weitere Sonderregeln sind in Ziff. 2.1 für den Werkfeuerwehrdienst und den Objektschutzdienst bei der Bewachung militärischer Anlagen getroffen. Darüber hinaus lässt § 6 Ziff. 3 MRTV 2006 länderspezifisch die Festlegung abweichender monatlicher Regelarbeitszeiten und eine Entkopplung der Mehrarbeitszuschläge von den tariflich genannten Regelarbeitszeiten zu. Ebenso können in Ländertarifverträgen Regelungen zur Einrichtung von Arbeitszeitkonten getroffen werden (§ 6 Ziff. 5 MRTV 2006).

20

3. Was als zuschlagspflichtige Mehrarbeit iSv. § 8 Ziff. 1 MTV Niedersachsen 2005 iVm. der 1. Protokollnotiz anzusehen ist, muss daher nach der Tarifsystematik für die jeweilige Arbeitnehmergruppe spezifisch bestimmt werden.

21

a) Grundsätzlich knüpfen die Tarifverträge des Wach- und Sicherheitsgewerbes an die jeweils gruppenspezifisch definierte „regelmäßige Arbeitszeit“ an, nämlich die Arbeitszeiten, in denen der Arbeitnehmer bei normalem Lauf der Dinge nach den tariflichen Vorstellungen seine Hauptleistungspflicht erfüllt (vgl. dazu BAG 11. Juni 2008 - 5 AZR 389/07 - Rn. 14, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 19).

22

Die 1. Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 2005, die nach ihrem Regelungsinhalt selbst Tarifcharakter besitzt (vgl. zu den Voraussetzungen: BAG 18. April 2007 - 4 AZR 661/05 - Rn. 18) und die Frage der Mehrarbeitszuschläge näher regelt, folgt dabei der Systematik der unterschiedlichen Arbeitnehmergruppen im MRTV 2005 und MRTV 2006. Nach der Wiederholung der Regelung des § 8 Ziff. 1 MTV Niedersachsen 2005 korrespondiert ihr zweiter Absatz mit der gemäß § 6 Ziff. 1.4 MRTV 2005/MRTV 2006 möglichen Ausdehnung der monatlichen Regelarbeitszeit auf bis zu 264 Stunden und lässt insoweit eine Zuschlagspflicht erst ab der 265. Stunde entstehen. Dies gilt („grundsätzlich“) für alle Mitarbeiter, die nicht in den nachfolgenden Regelungen ausgenommen werden. Dies sind die Sicherheitsmitarbeiter im Objektschutzdienst/Separatwachdienst (§ 3 Ziff. 2 MRTV 2005/MRTV 2006), bei denen ein Anspruch bis 31. Dezember 2007 erst ab der 289. Monatsarbeitsstunde bestand, und die Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen. Für Letztere wird auf § 5 Ziff. 5 MTV Niedersachsen 2005 verwiesen, der als Anknüpfungspunkt den jeweiligen Schichtplan bestimmt. Die Regelung in der 1. Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 2005 stimmt insoweit mit § 6 Ziff. 1.5 Abs. 3 MRTV 2005 bzw. § 6 Ziff. 1.5 Abs. 1 MRTV 2006 überein, die für diese Beschäftigtengruppe ebenfalls auf die länderspezifischen Regelungen verweisen.

23

Auch für Mitarbeiter der Geld- und Wertdienste normiert Abs. 5 der 1. Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 2005 eine Ausnahme zu der Regelung in Abs. 2. Abs. 5 der 1. Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 2005 lässt eine abweichende Einteilung der monatlichen Regelarbeitszeit gegenüber § 6 Ziff. 1.5 MRTV 2005/MRTV 2006 zu. Damit wird die grundsätzliche Anknüpfung an diese Regelarbeitszeit zum Ausdruck gebracht; andernfalls bedürfte es nicht der Öffnung für eine Abweichung. Eine solche abweichende Einteilung könnte beispielsweise darin liegen, in bestimmten Monaten des Jahres eine höhere und in anderen Monaten eine niedrigere Regelarbeitszeit festzulegen oder einen anderen Anknüpfungszeitpunkt als das Kalenderjahr zu wählen. Die nähere Ausgestaltung legt die Protokollnotiz, abgesehen von dem Hinweis auf zu treffende Regelungen über ein Jahresarbeitszeitkonto, nicht fest. Zwar flexibilisiert § 6 Ziff. 1.5 MRTV 2005/MRTV 2006 die Arbeitszeit bereits insofern, als die monatliche Regelarbeitszeit nur im Durchschnitt des Kalenderjahres erreicht werden muss. Dies erlaubt dem Arbeitgeber, in einzelnen Monaten auch eine geringere Anzahl von Arbeitsstunden abzurufen, ohne dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Leistung von 173 Stunden hätte, sofern nur im Durchschnitt eines Kalenderjahres diese Stundenzahl erreicht wird. Diese Flexibilisierungsregelung sagt aber noch nichts über die Frage aus, wann Mehrarbeitszuschläge zu leisten sind, und schließt nicht aus, dass beim Abruf einer höheren Stundenzahl - und damit einer erhöhten tatsächlichen Belastung für den Arbeitnehmer (vgl. dazu BAG 11. Juni 2008 - 5 AZR 389/07 - Rn. 15, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 19) - ein Anspruch auf einen Zuschlag entsteht. Erst Abs. 5 der 1. Protokollnotiz zum MTV Niedersachsen 2005 lässt eine Veränderung der den Mehrarbeitszuschlag auslösenden monatlichen Regelarbeitszeit zu und damit eine Abweichung von den Regelungen des MRTV 2005. Nur bei dieser Auslegung kommt der Protokollnotiz Bedeutung zu. Die niedersächsischen Tarifvertragsparteien haben damit im Grundsatz von der Öffnungsklausel des § 6 Ziff. 3 MRTV 2005 Gebrauch gemacht, ohne dass es allerdings im konkreten Fall zu einer solchen abweichenden Einteilung oder zu Regelungen über ein Jahresarbeitszeitkonto gekommen ist. Die nach § 6 Ziff. 3 MRTV 2005 zulässige Entkopplung der Mehrarbeitszuschläge von den Regelarbeitszeiten ist nicht erfolgt. Soweit von der Öffnungsklausel aber kein Gebrauch gemacht wurde, bleibt es für die Mitarbeiter der Geld- und Wertdienste beim Anknüpfungspunkt der monatlichen Regelarbeitszeit von 173 Stunden für die Bestimmung des Beginns der Mehrarbeit. Aus dem Hinweis auf zu treffende Regelungen über ein Jahresarbeitszeitkonto wird im Übrigen auch deutlich, dass die Zahlung des Mehrarbeitszuschlags nach der bestehenden Regelung nicht jahresbezogen bestimmt werden sollte. Eine solche Auslegung zieht auch keine der Parteien in Betracht.

24

b) Einer solchen Auslegung steht die Rechtsprechung des Vierten Senats (10. März 2004 - 4 AZR 126/03 -) zur Auslegung der Zuschlagsregelung des MTV Niedersachsen 1997 für die Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen nicht entgegen. Der Fall betraf eine andere Beschäftigtengruppe und unterschied sich im Übrigen dadurch, dass § 6 Ziff. 3 Buchst. d MTV Niedersachsen 1997 lediglich von einer „monatlichen Arbeitszeit“ sprach. Gerade aus dem Fehlen des Wortes „regelmäßig“ schloss der Vierte Senat, dass ein Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der Mehrarbeit fehlte. Hinzu kam, dass die Tarifnormen für Mitarbeiter in kerntechnischen Anlagen - wie auch heute - einen Anspruch an die Überschreitung des Schichtplans geknüpft hatten.

25

c) Das gefundene Auslegungsergebnis wird durch die Tarifgeschichte gestützt. Bereits der MTV Niedersachsen 1997 sah unterschiedliche Anknüpfungspunkte für verschiedene Arbeitnehmergruppen vor, allerdings weitgehend bezogen auf die tägliche Arbeitszeit (vgl. zB § 6 Ziff. 2 und Ziff. 4 MTV Niedersachsen 1997). Die tarifliche Neuregelung lässt insofern einen deutlich flexibleren Einsatz der Mitarbeiter zu und löst Zuschläge grundsätzlich erst dann aus, wenn auf den Monat bezogen eine Überschreitung der regelmäßigen Arbeitszeit vorliegt. Dass die Tarifvertragsparteien über diese Flexibilisierung hinaus für Mitarbeiter im Geld- und Werttransportdienst jeglichen Mehrarbeitszuschlag beseitigen wollten, liegt nicht nahe. Eine solche faktische Beseitigung läge aber vor, folgte man der Interpretation der Beklagten. Eine Arbeitszeit von 265 Stunden pro Monat kann ein Mitarbeiter im Geld- und Werttransportdienst ohne Verstoß gegen die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes nicht erreichen, da Arbeitsbereitschaft bei dieser Tätigkeit - anders als bei anderen Beschäftigtengruppen - nicht anfällt.

26

d) Die Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck der Gewährung eines Mehrarbeitszuschlags. Mehrarbeitszuschläge sollen in der Regel besondere Belastungen ausgleichen. Eine tarifvertragliche Bestimmung, die den Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag allein davon abhängig macht, dass über ein bestimmtes Monatssoll hinaus gearbeitet wird, bezweckt regelmäßig, eine grundsätzlich zu vermeidende besondere Arbeitsbelastung durch ein zusätzliches Entgelt auszugleichen (vgl. BAG 11. Juni 2008 - 5 AZR 389/07 - Rn. 15, AP TVG § 1 Tarifverträge: Bewachungsgewerbe Nr. 19). Dieser Sinn wäre nicht erreicht, wenn für die Mitarbeiter im Geld- und Werttransportdienst ein Ausgleich von Mehrarbeit faktisch nicht gegeben wäre, obwohl sie über die tariflich bestimmte monatliche regelmäßige Arbeitszeit hinaus Arbeitsleistungen erbringen.

27

Die Auffassung der Revision, § 8 Ziff. 2 MTV Niedersachsen 2005 gewähre bereits einen Zuschlag von 35 % für nicht gewährte Freischichten und kombiniert mit dem Mehrarbeitszuschlag würde sich ein ungewöhnlich hoher Zuschlag von 60 % ergeben, überzeugt nicht. Die beiden Zuschläge betreffen unterschiedliche Fallkonstellationen und unterschiedliche Erschwernisse. Da die Freischichten gemäß § 8 MRTV 2005 bzw. § 7 MRTV 2006 pro Woche zu gewähren sind, führt der Ausfall einer Freischicht wegen der monatlichen Betrachtung der Regelarbeitszeit keineswegs zwingend zum Anspruch auf Mehrarbeitszuschläge. Im Übrigen ist in § 8 Ziff. 8 MTV Niedersachsen 2005 ausdrücklich festgelegt, in welchen Fällen keine Zusammenrechnung von Zuschlägen vorzunehmen ist; die Zuschläge nach Ziff. 1 und Ziff. 2 gehören nicht dazu. Letztlich ist darauf hinzuweisen, dass der MTV Niedersachsen 1997 für den Fall der nicht gewährten Freischichten einen Zuschlag von 50 % vorsah. Beim Zusammentreffen mit Mehrarbeit ergab sich damals sogar ein Zuschlag in Höhe von 75 %.

28

e) Da Wortlaut, systematischer Zusammenhang und sonstige Auslegungsgesichtspunkte zu einem zweifelsfreien Ergebnis führen, bedurfte es keiner Einholung einer Tarifauskunft (vgl. BAG 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - Rn. 32, ZTR 2010, 417; 4. Dezember 2002 - 10 AZR 138/02 - zu II 2 b cc der Gründe, AP BGB § 611 Gratifikation Nr. 245 = EzA BGB 2002 § 611 Gratifikation, Prämie Nr. 3). Eine Tarifauskunft darf zudem nicht auf die Beantwortung der prozessentscheidenden Rechtsfrage gerichtet sein (BAG 24. Februar 2010 - 10 AZR 40/09 - Rn. 23; 18. August 1999 - 4 AZR 247/98 - zu I 2.3.1 der Gründe, BAGE 92, 229).

29

III. Die Rüge, das Landesarbeitsgericht habe seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt, ist unzulässig. Die Beklagte trägt nicht vor, was sie im Fall der Erteilung eines Hinweises noch vorgetragen hätte. Fehlt solcher Vortrag, so lässt sich nicht absehen, ob die Erfüllung der (vermeintlichen) Hinweispflicht zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (vgl. BAG 19. Januar 2006 - 6 AZR 600/04 - Rn. 22 mwN, BAGE 117, 14).

30

IV. Die Anzahl der im Streitzeitraum tatsächlich geleisteten Stunden und die Höhe des dem Kläger daraus zustehenden Mehrarbeitszuschlags ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Zinsanspruch folgt aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.

31

V. Die Beklagte hat die Kosten ihrer erfolglosen Revision gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

        

    Mikosch    

        

    W. Reinfelder    

        

    Mestwerdt    

        

        

        

    Thiel    

        

    A. Effenberger    

                 

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.