Landesarbeitsgericht München Urteil, 19. Apr. 2018 - 3 Sa 690/17

published on 19/04/2018 00:00
Landesarbeitsgericht München Urteil, 19. Apr. 2018 - 3 Sa 690/17
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Arbeitsgericht Regensburg, 2 Ca 709/17, 13/09/2017

Gericht

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Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 13.09.2017 – 2 Ca 709/17 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen auf ihr Arbeitsverhältnis und daraus folgende Vergütungsansprüche des Klägers.

Der Kläger war zunächst befristet als Montagemitarbeiter bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der M. R. GmbH (im Folgenden: MR) beschäftigt. Die MR war und ist Mitglied mit Tarifbindung im Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie. Durch Änderungsvereinbarung vom 11.11.2008 wurde der Kläger mit Wirkung zum 01.11.2008 im Bereich Hochleistungskunststoffe – Produktion in Schichtarbeit in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Darüber hinaus regelte die Änderungsvereinbarung Folgendes:

„...

Für Ihr Arbeitsverhältnis kommt der jeweils gültige Tarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie, solange unser Unternehmen Mitglied mit Tarifbindung im Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie ist. Nach einer Beendigung dieser Mitgliedschaft, welche die Tarifbindung auflöst, gelten die gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Regelungen.

...“

Der Bereich Hochleistungskunststoffe wurde 2009 ausgegliedert und auf die Beklagte, die nicht dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie angehört, überführt. Hierüber wurden die Mitarbeiter durch Schreiben vom 21.07.2009 unterrichtet, insbesondere auch hinsichtlich der Weitergeltung des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer/innen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie nach den gesetzlichen Regelungen (Anlage B1 = Bl. 78 f. d.A.). Ebenfalls am 21.07.2009 vereinbarten die MR und der bei ihr bestehende Betriebsrat eine sog. Überleitungsvereinbarung, die in Ziff. 4 in Abhängigkeit von den Vorbeschäftigungszeiten der Mitarbeiter/innen zeitlich gestaffelt die tarifliche Entgeltentwicklung nach dem Teilbetriebsübergang absicherte. Begünstigte der Überleitungsvereinbarung sollten Mitarbeiter/innen sein, die dem Betriebsübergang nicht widersprechen würden und mindestens zwei Jahre Betriebszugehörigkeit zum Stichtag 01.09.2009 vorweisen könnten (Anlage B2 = Bl. 40 ff. d.A.). Nach Ziff. 4 Überleitungsvereinbarung galt die Absicherung dynamischer Entgeltentwicklung nach dem Übergang unabhängig davon, ob in den geltenden Arbeitsverträgen eine Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag enthalten war oder nicht.

Mit Wirkung zum 01.08.2009 ging das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der MR auf die Beklagte über. Der Kläger gehörte nicht zum begünstigten Personenkreis gemäß Überleitungsvereinbarung. In den Jahren 2009–2014 erhöhte die Beklagte die Vergütung entsprechend den von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Tariferhöhungen. Jedenfalls in Bezug auf die Entgelterhöhung gemäß Aushang vom 31.03.2015 unterschied die Beklagte dabei zwischen Mitarbeitern mit und ohne Entgeltabsicherung gemäß Überleitungsvereinbarung (vgl. Anlage B3 = Bl. 53 f. d.A.).

Durch Tarifvereinbarung über Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen für die gewerblichen Arbeitnehmer/innen und für die Angestellten der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie vom 13.05.2016 erhielten die Arbeitnehmer/innen, auf die die Tarifverträge für die Arbeitnehmer/innen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie anzuwenden waren, eine Einmalzahlung von 150,00 € brutto für den Monat Juni 2016, eine Tarifentgelterhöhung von 2,8 % ab 01.07.2016 sowie eine weitere Erhöhung von 2 % ab 01.04.2017.

Die Beklagte teilte durch Aushang vom 16.09.2016 (Anlage B4 = Bl. 44 d.A.) mit, dass sie für alle Mitarbeiter, die nicht nach der Überleitungsvereinbarung abgesichert seien, zum 01.11.2016 eine Entgelterhöhung von 2,8 % durchführen werde. Mit Schreiben vom 10.10.2016 machte der Kläger den Klagebetrag von 365,54 € brutto geltend, der sich aus der Einmalzahlung von 150,00 € brutto für Juni 2016 und dem Erhöhungsbetrag seiner Vergütung um 2,8 % zum 01.07.2016 für Juli, August und September 2016 zusammensetzte. Mit Klageschrift vom 29.03.2017, die der Beklagten am 04.04.2017 zugestellt worden ist, hat der Kläger diesen Zahlungsanspruch gerichtlich weiterverfolgt und mit Klageerweiterung vom 20.06.2017 Feststellung begehrt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die zwischen dem Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und der Gewerkschaft IG Metall, Bezirk Bayern abgeschlossenen und jeweils gültigen Tarifverträge Anwendung fänden.

Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass die individualvertragliche Bezugnahmeklausel als sogenannte unbedingte zeitdynamische Verweisung auszulegen sei. Der Begriff „unser Unternehmen“ in der Verweisungsklausel sei weit auszulegen und erfasse die Beklagte als 100prozentiges Tochterunternehmen der MR automatisch mit. Durch den Feststellungsantrag könnten weitere Rechtsstreitigkeiten hinsichtlich weiterer Lohnerhöhungen vermieden werden.

Die Beklagte hat für ihren Klageabweisungsantrag die Meinung vertreten, die arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel sei als sogenannte auflösend bedingte zeitdynamische Bezugnahme auf die Tarifverträge der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie ausgestaltet. Die Verweisungsregelung enthalte die ausdrückliche Bedingung, dass der jeweils gültige Tarifvertrag nur so lange zur Anwendung komme, wie das Unternehmen Mitglied im Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie sei. Diese Bedingung treffe auf die Beklagte, die nie tarifgebunden gewesen sei, nicht zu.

Das Arbeitsgericht Regensburg hat durch Urteil vom 13.09.2017 – 2 Ca 709/17 – die Klage abgewiesen. Soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung hat es zur Begründung ausgeführt, dass sowohl der Zahlungs- als auch der zulässige Feststellungsantrag unbegründet seien. Die Tarifverträge zwischen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und der Gewerkschaft IG-Metall, Bezirk Bayern, fänden auf das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien keine Anwendung. Die Geltung der streitgegenständlichen Tarifverträge folge mangels Tarifbindung der Beklagten nicht aus § 4 Abs. 1 TVG. Sie lasse sich auch nicht aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel begründen. Dies ergebe die Auslegung der Klausel gemäß §§ 133, 157 BGB. Die in der Klausel formulierte Bedingung „solange unser Unternehmen Mitglied mit Tarifbindung im Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie ist“ sei von den Parteien des Arbeitsvertrags nach Treu und Glauben so zu verstehen, dass es für die Anwendbarkeit der in Bezug genommenen Tarifverträge darauf ankomme, ob das jeweilige Arbeitgeberunternehmen tarifgebunden sei oder nicht. Der Begriff „Unternehmen“ könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass es für die dynamische Verweisung auf die streitgegenständlichen Tarifverträge auf die Tarifgebundenheit des Einstellungsunternehmens – hier der MR – ankommen solle. Bei einem Unternehmen handele es sich nach der Definition des Bundesarbeitsgerichts um eine organisatorische Einheit, die aus einem oder mehreren Betrieben bestehen könne und die durch einen gemeinsamen wirtschaftlichen oder ideellen Zweck verbunden sei. Ein Unternehmen setze regelmäßig einen einheitlichen Rechtsträger voraus. Vorliegend sei das Mutterunternehmen – die MR – eine eigenständige juristische Person in der Rechtsform einer GmbH mit eigener Rechtspersönlichkeit und damit Trägerin von Rechten und Pflichten ebenso wie dies auf die Beklagte als Tochterunternehmen zutreffe. Die seitens des Klägers vertretene Auffassung hätte zur Folge, dass es für die Frage der Anwendbarkeit der in Bezug genommenen Tarifverträge niemals entscheidend auf die jeweils aktuellen Arbeitsvertragsparteien ankommen würde. Vielmehr wäre allein die (fortbestehende) Tarifgebundenheit des ursprünglich einstellenden Unternehmens entscheidend, was als Auslegungsergebnis fernliege. Hieraus ergäben sich auch Rechtsunsicherheiten, da schon bei nur einem zwischenzeitlichen Betriebsübergang die aktuellen Arbeitsvertragsparteien in Bezug auf synallagmatische Hauptleistungsbestandteile in Form der Vergütungshöhe von einer dritten juristischen Person und deren Tun oder Unterlassen bezüglich ihrer Tarifgebundenheit abhingen. Ein zukünftiger Betriebsübergang habe seitens der MR nicht geregelt werden müssen. Die Bedingung aus der Bezugnahmeklausel habe für die MR als damaliges Arbeitgeberunternehmen ebenso wie für die Beklagte als aktuelles Arbeitgeberunternehmen gegolten und würde entsprechend bei einem weiteren Betriebsübergang auch für ein künftiges Arbeitnehmerunternehmen gelten. Soweit die Klausel nur von einer Beendigung der Tarifbindung spreche, die hiesige Beklagte hingegen nie tarifgebunden gewesen sei, stehe dies der Eindeutigkeit der Regelung nicht entgegen. Die MR habe als damaliger Verwender die Klausel folgerichtig formuliert. Alternative Formulierungen der Verweisungsklausel wie „...kommt der jeweils gültige Tarifvertrag...zur Anwendung, wenn/falls der Arbeitgeber Mitglied mit Tarifbindung im Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie ist/wird“ oder ähnliches wäre vor dem damaligen Hintergrund, dass die MR Mitglied im Arbeitgeberverband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie gewesen sei, verwirrend und nicht sinnstiftend. Den Parteien des Arbeitsvertrages habe nach Treu und Glauben bewusst sein müssen, dass, wenn schon die nachträgliche Beendigung einer bestehenden Mitgliedschaft mit Tarifbindung der dynamischen Anwendung der in Bezug genommenen Tarifverträge entgegenstehen sollte, dies erst recht gelten müsse, wenn eine Tarifbindung eines (Folge-)Arbeitgeberunternehmens von vornherein nicht bestehe. Da die Klausel nach allem nicht mehrdeutig sei, ergebe sich aus § 305 c Abs. 2 BGB nichts anderes. Ebenso sei eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erkennbar. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB liege gleichfalls nicht vor, da die Klausel die entscheidende Bedingung, dass es für die Anwendbarkeit der entsprechenden Tarifverträge darauf ankomme, ob das Arbeitgeberunternehmen tarifgebunden sei oder nicht, klar und verständlich formuliere. Für die Frage der Wirksamkeit der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel komme es auf ihren zweiten Satz mit dem Wortlaut „Nach einer Beendigung dieser Mitgliedschaft, welche die Tarifbindung auflöst, gelten die gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Regelungen“ nicht an. Dieser Zusatz könne wegen seines eigenständigen Gehaltes und einem abtrennbaren Inhalt nach dem sog. blue-pencil-Test im Falle einer Unwirksamkeit gestrichen werden, ohne dass dies Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Verweisungsklausel hätte. Die geltend gemachten Ansprüche rechtfertigten sich schließlich nicht nach den Grundsätzen der betrieblichen Übung. Selbst der Kläger habe nicht behauptet, dass sich aus dem Verhalten der Beklagten oder den Begleitumständen erkennbar der Wille der Beklagten ergeben hätte, auf Dauer die von den Tarifvertragsparteien jeweils ausgehandelten Erhöhungen ohne Weiteres übernehmen zu wollen.

Wegen des weiteren unstreitigen und streitigen Vorbringens der Parteien, die erstinstanzlich gestellten Anträge und die weiteren Entscheidungsgründe wird auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses, seiner Prozessbevollmächtigten am 22.09.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.10.2017 Berufung beim Landesarbeitsgericht München eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.12.2017 am 21.12.2017 begründet.

Die geltend gemachten Ansprüche ergäben sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel, die zutreffend dahingehend auszulegen sei, dass es für die Anwendbarkeit der jeweils gültigen Tarifverträge auf die fortdauernde Mitgliedschaft der den ursprünglichen Vertrag abschließenden Vorgängerfirma MR ankomme und nicht auf die Beklagte, die unstreitig nicht Mitglied im tarifschließenden Verband sei. Die gesetzliche Wertung des § 613 a BGB, dass Arbeitnehmer infolge eines Betriebsübergangs keine Nachteile erleiden sollten, sei bei der Auslegung der Klausel mit zu berücksichtigen. Augenscheinlich sei einer der Hauptgründe des Teilbetriebsübergangs gewesen, dass Arbeitnehmer wie der Kläger infolge des Betriebsübergangs aus der Tarifbindung herausgenommen werden sollten und gemäß dem arbeitsgerichtlichen Urteil auch herausgenommen worden seien. Dies widerspreche jedoch dem Schutzzweck des § 613 a BGB. Die seitens des Klägers vertretene Auslegung führe nicht zu Rechtsunsicherheiten. Der Beklagten sei als 100prozentiger Tochter der MR im Zeitpunkt des Betriebsübergangs klar gewesen, dass der Arbeitsvertrag und die entsprechende Klausel mit dem Kläger so vereinbart gewesen sei. Insoweit habe der Beklagten auch bekannt sein müssen, dass die künftige Lohnentwicklung des Klägers von der Mitgliedschaft der MR abhängig sei. Jedenfalls begründe sich seine Auffassung aus § 305 c Abs. 2 BGB. Die Anwendung der Tarifverträge folge schließlich aus den Grundsätzen der betrieblichen Übung.

Der Kläger beantragt:

  • 1.Das Urteil des Arbeitsgerichts Regensburg, AZ: 2 Ca 709/17, vom 13.09.2017 wird abgeändert.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 365,54 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit 01.11.2016 zu bezahlen.

  • 3.Es wird festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die zwischen dem Verband der bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. und der Gewerkschaft IG-Metall, Bezirk Bayern, abgeschlossenen und jeweils gültigen Tarifverträge Anwendung finden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel durch den Kläger sei fehlerhaft. Zum einen hätten die Vertragsparteien bewusst im Arbeitsvertrag einen terminustechnicus verwandt, der nicht nur üblich, sondern hinsichtlich seiner Bedeutung in § 14 BGB festgeschrieben sei. Danach sei „Unternehmer...eine natürliche juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt“. Die bewusste Verwendung von Fachbegriffen, wie hier dem Begriff des Unternehmens entziehe sich einer Auslegung, wenn sie in einem zutreffenden und nachvollziehbaren Kontext stehe. Zum anderen werde übersehen, dass die Beklagte seinerzeit noch gar nicht existiert habe. Die Verweisungsklausel sei auch nicht unklar. Die ursprüngliche Arbeitgeberin habe mit der Formulierung für den Vertragspartner hinreichend deutlich gemacht, dass die Mitgliedschaft in einem entsprechenden Arbeitgeberverband und damit die Tarifbindung des Arbeitgeberunternehmens entscheidende Voraussetzung und Bedingung für die Anwendung der streitgegenständlichen Tarifverträge sein solle. Die Bedingung aus der Bezugnahmeklausel habe für die MR als damaliges Arbeitgeberunternehmen gegolten und würde entsprechend bei einem weiteren Betriebsübergang auch für ein künftiges Arbeitgeberunternehmen gelten. Eine Vertragsklausel, die alle Eventualitäten in der Zukunft erfasse, sei gar nicht machbar.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 21.12.2017 (Bl. 148–154 d.A.), den Schriftsatz der Beklagten vom 26.02.2018 (Bl. 176–181 d.A.) und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.04.2018 (Bl. 182–184 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I.

Die nach § 64 Abs. 2 lit. b) ArbGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO, und damit zulässig.

II.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit ausführlichen, zutreffenden Erwägungen sowohl den Zahlungs- als auch den Feststellungsantrag als unbegründet abgewiesen. Hierauf wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Die Angriffe der Berufung geben Anlass zu folgenden Ausführungen:

1. Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel ergibt, dass die Tarifgebundenheit des jeweiligen Arbeitgebers des Klägers Bedingung für die Anwendung der jeweils gültigen Tarifverträge für die Arbeitnehmer/innen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie und sich hieraus ableitender Vergütungsansprüche ist.

a) Unstreitig handelt es sich bei der Änderungsvereinbarung vom 11.11.2008 um einen Formularvertrag. Als Formularvertrag ist er nach den Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen (vgl. BAG, Urteil vom 05.07.2017 – 4 AZR 867/16 – Rn. 21).

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen der jeweiligen Vertragspartner zu orientierenden Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dies gem. § 305 c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305 c BGB setzt allerdings voraus, dass die Auslegung einer einzelnen AGB-Bestimmung mindestens zwei Ergebnisse als vertretbar erscheinen lässt und von diesen keines den klaren Vorzug verdient. Es müssen „erhebliche Zweifel“ an der richtigen Auslegung bestehen. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt für die Anwendung der Bestimmung nicht (st. Rspr., z.B. BAG, Urteil vom 25.10.2017 – 7 AZR 632/15 – Rn. 22; vom 21.01.2015 – 10 AZR 64/14 – Rn. 26 m.w.N.; vom 19.03.2014 – 10 AZR 622/13 –, Rn. 29 jeweils m.w.N.).

Eine Bezugnahmeklausel im Sinne einer nur bedingten zeitdynamischen Verweisung auf Tarifverträge setzt nach der Rechtsprechung des BAG voraus, dass die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers in einer für den Arbeitnehmer erkennbaren Weise zur auflösenden Bedingung der Vereinbarung gemacht worden ist. Dies ist – auch bei nach dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 01.01.2002 abgeschlossenen Neuverträgen – jedenfalls dann anzunehmen, wenn bereits im Wortlaut der Klausel mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck kommt, dass die Anwendung der Tarifverträge von der Tarifbindung des Arbeitgebers abhängig ist (vgl. BAG, Urteil vom 05.07.2017 – 4 AZR 867/16 – Rn. 22 m.w.N.).

c) Danach ist im vorliegenden Fall von einer bedingten zeitdynamischen Verweisung auf die Tarifverträge für die Arbeitnehmer/innen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie auszugehen.

aa) Das Wort „solange“ schränkt die in dem vorangegangenen Satzteil aufgestellte Aussage, dass für das Arbeitsverhältnis des Klägers der jeweils gültige Tarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie zur Anwendung kommt, ausdrücklich ein. Erkennbar soll die Geltung der jeweils gültigen Tarifverträge unter eine Bedingung gestellt werden. Sind die Voraussetzungen der Bedingung nicht erfüllt, sollen die Tarifverträge nicht zur Anwendung kommen. Im nachfolgenden Satz der Klausel sind auch die Folgen der Regelung zum Ausdruck gebracht, nämlich dass nach einer Beendigung der Mitgliedschaft, die die Tarifbindung auflöst, die gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Regelungen gelten.

Im Fall des Betriebsübergangs tritt nach der gesetzlichen Regelung des § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB der neue Inhaber „in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses ein.“ Für die arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien bedeutet dies, dass anstelle der früheren Arbeitgeberin MR die Beklagte zu lesen ist. Der Begriff „unser Unternehmen“ in der streitgegenständlichen Klausel bezieht sich deshalb nach dem zum 01.09.2009 stattgefundenen Betriebsübergang auf die Beklagte allein auf diese. Weitere Wertungen des § 613 a BGB sind für die Auslegung der streitgegenständlichen Klausel im Anschluss an die dargestellten Auslegungsgrundsätze nicht zu berücksichtigen. Für den hier vorliegenden Formulararbeitsvertrag kommt es vorrangig auf den Vertragswortlaut an, der gerade nicht auf § 613 a BGB Bezug nimmt. Auch nach dem Sinn und Zweck der Regelung, die Anwendung der streitgegenständlichen Tarifverträge an die Mitgliedschaft mit Tarifbindung auf Seiten der Arbeitgeberin zu binden, gebietet keine Einbeziehung des Schutzzwecks des § 613 a BGB. Eine solche Auslegung wäre aber auch nicht geboten. Der Inhalt des Arbeitnehmerschutzes im Fall des Betriebsübergangs wird durch § 613 a BGB selbst zwingend geregelt. Die Regelungen des § 613 a BGB müssen deshalb nicht gesondert in arbeitsvertragliche Vereinbarungen aufgenommen werden. Im Übrigen würden die Tarifverträge für die Arbeitnehmer/innen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie gemäß § 613 a Abs. 1 S. 2 BGB nur statisch weitergelten (vgl. ErfK/Preis, 18. Aufl. 2018, § 613 a BGB, Rn. 112) und dem Kläger gerade keine Ansprüche auf zukünftige tarifliche Entgelterhöhungen vermitteln. Es ist zudem rechtlich nicht zu beanstanden, wenn die MR die Ausgründung des Bereichs Hochleistungskunststoffe-Produktion vorgenommen hat, um hierdurch durch eine Tochtergesellschaft ohne Tarifbindung zu betreiben.

bb) Zu Gunsten der Auslegung des Klägers spricht auch nicht die weitere Regelung in der Bezugnahmeklausel, dass nach einer Beendigung der Mitgliedschaft, die die Tarifbindung auflöst, die gesetzlichen und arbeitsvertraglichen Regelungen gelten. Zwar kann diese Regelung nur auf die MR zutreffen, weil die Beklagte niemals Mitglied im betreffenden Arbeitgeberverband war und folglich ihre Mitgliedschaft auch nicht beenden konnte. Im Falle des Betriebsübergangs, bei dem die Person des Arbeitgebers ausgetauscht wird, sind arbeitsvertragliche Regelungen jedoch sinngemäß auszulegen. Statt „nach einer Beendigung dieser Mitgliedschaft“ wäre deshalb beispielsweise zu lesen „besteht keine Mitgliedschaft“. Eine Vorwegnahme aller tatsächlichen und rechtlichen Veränderungen eines möglicherweise jahrzehntelang bestehenden Arbeitsverhältnisses ist nicht möglich und wegen einer stets vorzunehmenden Vertragsauslegung auch nicht erforderlich.

cc) Für die hier vertretene Auffassung spricht schließlich, dass auch der Betriebsrat die streitgegenständliche Klausel so verstanden hat. In Ziff. 4 der Überleitungsvereinbarung vom 21.07.2009 ist allen Mitarbeitern, „unabhängig davon, ob in den geltenden Arbeitsverträgen eine Bezugnahmeklausel auf einen Tarifvertrag enthalten ist“, die dynamische Entgeltentwicklung abgesichert worden. Als Beispiel eines typischen und redlichen Geschäftspartners hätte der Betriebsrat die Bezugnahmeklausel in dem Sinne verstanden, dass sie nach dem Betriebsübergang die Anwendung der streitgegenständlichen Tarifverträge nicht mehr vermittelt.

dd) Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des BAG vom 23.11.2017 – 6 AZR 683/16 – stützt, ist ihm nicht zuzustimmen. Die Entscheidung betrifft einen gänzlich anderen Sachverhalt. Es besteht auch kein Widerspruch zur Entscheidung des BAG vom 18.04.2007 – 4 AZR 652/05 –. In der streitgegenständlichen Bezugnahmeklausel ist ausdrücklich die Bedingung „Mitglied mit Tarifbindung“ getroffen worden.

d) Im Hinblick auf das gefundene Auslegungsergebnis ist für die Anwendung der Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB kein Raum. § 305 c Abs. 2 BGB setzt voraus, dass die Auslegung nach den einschlägigen Auslegungsregeln zu nicht behebbaren Zweifeln führt. Im vorliegenden Fall fehlt es im Anschluss an die vorstehenden Ausführungen an einer ernsthaft in Betracht kommenden anderen Bedeutung der Klausel.

e) Da die hinsichtlich der Dynamik der Verweisung vereinbarte auflösende Bedingung – Mitglied mit Tarifbindung im Arbeitgeberverband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e.V. – unstreitig auf die Beklagte nicht zutrifft, kommt der jeweils gültige Tarifvertrag für die Arbeitnehmer/innen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie für das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht zur Anwendung.

2. Die Zahlungsansprüche und die Anwendung der betreffenden Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie ergeben sich auch nicht aus der Tatsache, dass die Beklagte zwischen 2009 und 2014 tarifliche Gehaltserhöhungen an den Kläger weitergegeben hat. Hierin liegt nicht das konkludente Angebot, abweichend von der Regelung in der Änderungsvereinbarung vom 11.11.2008 zukünftig alle Tariflohnerhöhungen weiterzugeben (vgl. BAG, Urteil vom 05.07.2017 – 4 AZR 867/16 – Rn. 32 m.w.N.). Die diesbezügliche Behauptung des Klägers bleibt ohne Begründung. Aus der Zahlung von Tariferhöhungen lässt sich darüber hinaus nicht auf die Anwendung der betreffenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis überhaupt schließen.

III.

Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 64 Abs. 6 ArbGG.

IV.

Es bestand nach § 72 Abs. 2 ArbGG kein Grund, die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.

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(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben,

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist.
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published on 25/10/2017 00:00

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 24. August 2015 - 9 Sa 1202/14 - wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klagea
published on 05/07/2017 00:00

Tenor 1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. November 2016 - 6 Sa 110/16 - wird zurückgewiesen.
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Tenor 1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 7. Mai 2013 - 6 Sa 731/12 - aufgehoben.
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(1) Die Rechtsnormen des Tarifvertrags, die den Inhalt, den Abschluß oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, gelten unmittelbar und zwingend zwischen den beiderseits Tarifgebundenen, die unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Diese Vorschrift gilt entsprechend für Rechtsnormen des Tarifvertrags über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen.

(2) Sind im Tarifvertrag gemeinsame Einrichtungen der Tarifvertragsparteien vorgesehen und geregelt (Lohnausgleichskassen, Urlaubskassen usw.), so gelten diese Regelungen auch unmittelbar und zwingend für die Satzung dieser Einrichtung und das Verhältnis der Einrichtung zu den tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

(3) Abweichende Abmachungen sind nur zulässig, soweit sie durch den Tarifvertrag gestattet sind oder eine Änderung der Regelungen zugunsten des Arbeitnehmers enthalten.

(4) Ein Verzicht auf entstandene tarifliche Rechte ist nur in einem von den Tarifvertragsparteien gebilligten Vergleich zulässig. Die Verwirkung von tariflichen Rechten ist ausgeschlossen. Ausschlußfristen für die Geltendmachung tariflicher Rechte können nur im Tarifvertrag vereinbart werden.

(5) Nach Ablauf des Tarifvertrags gelten seine Rechtsnormen weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

*

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.

(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.

(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.

(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.

(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird;
2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.

(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.

(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.

(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:

1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge);
2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt;
3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten;
4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.

(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:

1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt;
2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.

(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,

a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist,
b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt,
c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder
d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.

(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft
a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen,
b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder
c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.

(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.

(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.

(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.

(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.