Landesarbeitsgericht München Beschluss, 18. Okt. 2017 - 3 Ta 170/17

bei uns veröffentlicht am18.10.2017
vorgehend
Arbeitsgericht München, 8 Ca 4119/16, 19.09.2017

Gericht

Landesarbeitsgericht München

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 30.05.2017 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 28.03.2017 - 8 Ca 4119/16 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den teilweisen Einsatz einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zur Finanzierung der Rechtsverfolgungskosten.

Der Beschwerdeführer und Kläger hat zu 1. in der Klageschrift einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 21.610,80 € und zu 2. einen Schadensersatzanspruch gemäß § 15 Abs. 1 AGG in Höhe von 2.124,60 € erhoben sowie zu 3. Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jedweden materiellen Schaden zu erstatten, der ihm daraus entstehe, dass er bei der Besetzung der Stelle „Verkaufsberater Kundenservice Outbound Beschäftigungsbeginn 01.03.2016“ nicht berücksichtigt worden sei.

Durch Beschluss vom 28.11.2016 hat das Arbeitsgericht München - 8 Ca 4119/16 - festgestellt, dass zwischen den Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO ein gerichtlicher Vergleich zustande gekommen ist, nach dessen Ziff. 1 die Beklagte „an den Kläger unter Aufrechterhaltung der wechselseitigen Rechtsstandpunkte zur Abgeltung der mit dem zu Nr. 1 angekündigten Klageantrag geltend gemachten Forderung einen Betrag in Höhe von 15.000,00 €“ zahle. Damit sollten sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus und im Zusammenhang mit den streitgegenständlichen Bewerbungen des Klägers bei der Beklagten abgegolten und erledigt sein, Ziff. 2 des Vergleichs. Gleichzeitig hat das Arbeitsgericht München in diesem Beschluss dem Kläger für den Antrag zu 1. in Höhe von 10.802,40 € sowie für die Anträge zu 2. und 3. rückwirkend ab 06.05.2016 Prozesskostenhilfe für die erste Instanz einschließlich des Vergleichsabschlusses bewilligt und Herrn Rechtsanwalt B. beigeordnet. Monatsraten wurden nicht festgesetzt. Im Übrigen wurde der Antrag auf Prozesskostenhilfegewährung zurückgewiesen.

Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigten am 05.12.2016 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 07.12.2016 sofortige Beschwerde beim Arbeitsgericht München eingelegt und beantragt, Prozesskostenhilfe für die Klage insgesamt zu bewilligen. Durch Beschluss vom 12.12.2016 hat das Arbeitsgericht unter Abänderung seines früheren Beschlusses dem Kläger in einer Höhe von insgesamt 25.610,80 € Prozesskostenhilfe bewilligt und Herrn Rechtsanwalt B. beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 23.12.2016 erklärte der Kläger, dass mit der Abänderung des Prozesskostenhilfebeschlusses durch das Gericht Einverständnis bestehe und die weitergehende sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss insoweit zurückgenommen werde.

Im zum Gz. 25 Ca 10418/16 vor dem Arbeitsgericht München geführten Rechtsstreit machte der Kläger gegen die dortige Beklagte einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Mit in der mündlichen Verhandlung vom 24.11.2016 geschlossenen Vergleich erwarb der Kläger einen Zahlungsanspruch in Höhe von 3.500,00 €.

Durch Beschluss vom 24.01.2017 hat das Arbeitsgericht München die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung antragsgemäß auf 1.739,78 € festgesetzt.

Nachdem das Verfahren gemäß Eingangsstempel am 26.01.2017 der Bezirksrevisorin am Landesarbeitsgericht München vorgelegt worden ist, hat diese am 30.01.2017 sofortige Beschwerde beim Arbeitsgericht München eingelegt. Die Entschädigungszahlungen in Höhe von insgesamt 18.500,00 € aus dem hiesigen und dem Verfahren zum Gz. 25 Ca 10418/16 habe der Kläger zur Deckung der Prozesskosten einzusetzen. Die geleisteten Entschädigungszahlungen seien im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH (vgl. Beschluss vom 10.01.2006 - VI ZB 26/05 - NJW 2006, 1068) nicht mit einem Schmerzensgeld vergleichbar. Die AGG-Entschädigung diene der Prävention, während beim Schmerzensgeld vor allem die schadensausgleichende Funktion, nach der das Leben des Geschädigten dadurch im gewissen Umfang erleichtert werden solle, opferbezogene Merkmale wie auch die Verhältnisse des Schädigers im Vordergrund stünden.

Auf den Hinweis des Arbeitsgerichts München durch Beschluss vom 09.03.2017, dass es beabsichtigte, der sofortigen Beschwerde der Staatskasse insofern abzuhelfen, als der Kläger ein Vermögen von 5.400,00 € einzusetzen habe, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 23.03.2017 Stellung genommen. Es handele sich bei § 15 Abs. 2 AGG um einen eigenständigen Rechtsanspruch, zu dessen grundsicherungsrechtlicher Einordnung das Bundessozialgericht durch seine Entscheidung vom 22.08.2012 - W 14 AS 164/16 R -Stellung genommen habe. Es habe festgestellt, dass Zahlungen aufgrund von § 15 Abs. 2 AGG grundsicherungsrechtlich einem Schmerzensgeldanspruch gleichstünden und nach § 11 a Abs. 2 SGB II bei der Ermittlung der Hilfsbedürftigkeit nicht zu berücksichtigen seien. Dies folge aus dem Willen des Gesetzgebers, der auch vorliegend zum Tragen kommen müsse. Es wäre widersprüchlich, wenn der Kläger zum einen Zahlungen bei der Beantragung von ALG II bzw. ALG I nicht angerechnet erhielte, zum anderen diese jedoch nicht als Schonvermögen bei der Gewährung von Prozesskostenhilfe gelten würden. Die zuvor erwähnte Wertung des Gesetzgebers spiegele sich auch darin wieder, dass eine Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG nach § 14 SGB IV kein sozialversicherungspflichtiges Entgelt darstelle. Es handele sich um keine Einnahme aus der Beschäftigung, sondern um einen Schadensausgleich.

Durch Beschluss vom 28.03.2017 hat das Arbeitsgericht München der sofortigen Beschwerde der Staatskasse vom 27.01.2017 gegen den Beschluss vom 28.11.2016 (richtig: Beschluss vom 28.11.2016 in der Fassung des Abänderungsbeschlusses vom 12.12.2016) insofern abgeholfen, als der Kläger ein Vermögen von 5.400,00 € einzusetzen habe. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass die Entschädigungszahlung grundsätzlich zu berücksichtigendes Vermögen darstelle. Zum Vermögen gehörten nach § 120 a Abs. 3 Satz 1 ZPO auch diejenigen Geldzuflüsse, die durch den Rechtsstreit, für den Prozesskostenhilfe begehrt werde, erlangt worden seien. Lediglich soweit die Zahlung reinen Entschädigungscharakter für die Diskriminierung habe, sei sie nicht als Vermögen des Klägers zu berücksichtigen. Dies folge aus der Anwendung der Grundsätze zum Einsatz von Schmerzensgeldzahlungen zur Finanzierung eines Rechtsstreits (vgl. BGH, Beschluss vom 10.01.20106 - VI ZB 26/05 - Rz. 13; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 13.08.2015 - 5 W 68/15 - Rz. 10) auf Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs. 2 AGG. Einerseits diene die Entschädigungszahlung wie die Schmerzensgeldzahlung der Kompensation für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts, die anders nicht ausgeglichen werden könne. Andererseits verfolge die Entschädigungszahlung auch den Zweck der Prävention, die das Gericht mit einem Drittel der Entschädigungssumme bemesse. Dieser Teil wäre vollständig einzusetzen, der reine Entschädigungsteil wie bei Schmerzensgeldzahlungen dem Geschädigten zu erhalten. Diese Aufteilung verstoße nicht gegen die gesetzgeberische Wertung im Sozialhilferecht. Denn die Kosten für den Prozess, mit dem die Entschädigung erstritten werde, aus diesem „Gewinn“ zu nehmen, entspreche dem Wirtschaften auch nicht prozesskostenhilfebedürftiger Parteien, jedenfalls dann, wenn wie hier, ein überwiegender Großteil der Summe dem Kläger verbleibe. Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergebe sich ein einsetzbares Vermögen des Klägers in Höhe von 5.400,00 €. Für die Einzelheiten der Berechnung wird auf Ziff. 3 des Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 28.03.2017 Bezug genommen (Bl. 274 d. A.).

Dieser Beschluss wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gemäß Zustellungsurkunde am 23.05.2017 zugestellt. Daraufhin erklärte der Kläger mit dem am 19.06.2017 beim Landesarbeitsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom 30.05.2017, dass er seine sofortige Beschwerde aufrechterhalte, auch im Hinblick auf die nunmehr teilweise Abhilfe durch das Gericht. Zur Begründung werde auf den Schriftsatz vom 23.03.2017 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht München hat durch Beschluss vom 19.09.2017 der sofortigen Beschwerde des Klägers gegen den Teilabhilfebeschluss vom 28.03.2017 nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Schriftsatz des Klägers vom 30.05.2017 war entsprechend §§ 133, 157 BGB als sofortige Beschwerde gegen den Abänderungsbeschluss des Arbeitsgerichts München vom 28.03.2017 - 8 Ca 4119/16 - auszulegen. Die am 07.12.2016 mit Telefax vom selben Tage eingelegt sofortige Beschwerde hat der Kläger nach Erlass des Abänderungsbeschlusses des Arbeitsgerichts München vom 12.12.2016 ausdrücklich mit Schriftsatz vom 23.12.2016 zurückgenommen. Dort hat er mitgeteilt, dass mit der Abänderung des Prozesskostenhilfebeschlusses Einverständnis bestehe und die weitergehende sofortige Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfebeschluss insoweit zurückgenommen werde. Jedoch lässt sich dem Schriftsatz vom 30.05.2017 auch der Wille des Klägers entnehmen, den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 28.03.2017 anfechten zu wollen. Er wendet sich ausdrücklich dagegen, dass „die Entschädigungszahlung gemäß § 15 Abs. 2 AGG“ zur Begleichung der Prozesskosten aufgewandt werden soll.

2. Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 127 Abs. 2 Satz 3, 567 Abs. 1 und Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO) und damit zulässig. Wegen der unterbliebenen Rechtsmittelbelehrungim Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 28.03.2017 hatte die Frist des § 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht begonnen, § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG. Der Eingang des Schriftsatzes vom 30.05.2017 am 19.06.2017 beim Landesarbeitsgericht München liegt innerhalb der Jahresfrist des § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG.

3. Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht München hat zu Recht entschieden, dass der Kläger die in Ziffer 1 des gerichtlichen Vergleichs vom 28.11.2016 geregelte Zahlung zur Finanzierung des hiesigen Rechtsstreits einzusetzen hat, § 115 Abs. 3 ZPO.

a) Nach § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Wann dies zumutbar ist, bestimmt sich nach § 90 SGB XII, der gemäß § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsprechend gilt. Mit der Regelung, dass der Einsatz oder die Verwertung eines Vermögens dann nicht gefordert werden darf, soweit dies für den Antragsteller und seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde, ermöglicht es § 90 Abs. 3 SGB XII, in besonders begünstigten Einzelfällen von dem Grundsatz des § 90 Abs. 1 und Abs. 2 SGB XII, wonach das sämtliche Vermögen bis auf das Schonvermögen zu verwerten ist, Ausnahmen zuzulassen (vgl. Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl. 2016, § 115 Rn. 48). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt der Einsatz von Schmerzensgeld als Vermögen grundsätzlich eine Härte nach § 90 Abs. 3 SGB XII dar (vgl. aktuell BVerwG vom 26.05.2011 - 5 B 26/11 - BeckRS 2011, 51679, Rn. 6), weil der Einsatz des Schmerzensgeldes im Rahmen der Prozesskostenhilfe seiner besonderen Zwecksetzung zuwiderliefe. Das Schmerzensgeld stünde den Betroffenen nicht mehr zu den Zwecken zur Verfügung, für die es bestimmt sei. Nach § 253 Abs. 2 BGB handele es sich bei dem Schmerzensgeld um eine Geldleistung für die Abdeckung eines immateriellen Schadens und diene vor allem dem Ausgleich erlittener oder andauernder Beeinträchtigungen der körperlichen und seelischen Integrität, insbesondere auch dem Ausgleich von Erschwernissen, Nachteilen und Leiden, die über den Schadensfall hinaus anhalten und die durch die materielle Schadensersatzleistung nicht abgedeckt seien. Das Schmerzensgeld trage zugleich dem Gedanken Rechnung, dass der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan habe, Genugtuung schulde. Der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes entspreche es, dass das Leben des Geschädigten dadurch in gewissem Umfange erleichtert werden solle, was aber nur gewährleistet sei, wenn der Geschädigte das Schmerzensgeld zur freien Verfügung behalte und nicht für Prozesskosten oder seinen notwendigen Lebensunterhalt aufwenden müsse. Schmerzensgeld sei deshalb im Rahmen der Prozesskostenhilfe regelmäßig nicht als Vermögen einzusetzen (vgl. BVerwG vom 26.05.2011 - 5 B 26/11 - a.a.O. m.w.N.). Weil seine Höhe von der Schwere der Schädigung und dem Gewicht des erlittenen Unrechts abhänge, sei es nicht gerechtfertigt, die freie Verfügbarkeit des zu deren Ausgleich und Genugtuung erhaltenen Schmerzensgeldes auch nur in Teilen einzuschränken (vgl. BVerwG vom 26.05.2011 - 5 B 26/11 - Rz. 7).

Das BSG hat für die Grundsicherung für Arbeitsuchende (§ 11 SGB II) Entschädigungszahlungen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Schmerzensgeld eingestuft und von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen (vgl. Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 164/11 R - BeckRS 2012, 75932). Zwar ergebe sich dies nicht aus der aktuellen zivilrechtlichen Systematik, weil sich der Gesetzgeber bewusst dagegen entschieden habe, § 253 Abs. 2 BGB bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts analog anzuwenden und die umfassende Prüfung mit Güter- und Interessabwägung aufrechterhalten habe. Der Gesetzgeber habe aber für das SGB II vor dem Hintergrund der Historie des Sozialhilferechts keine Veränderung zur Rechtslage angestrebt. Dies setze allerdings voraus, dass eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG auch tatbestandlich vorliege, d.h. dass die Voraussetzung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot positiv festgestellt worden sei (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 -B 14 AS 164/11 R - Rn. 16, 18 und 20 m.w.N.). Werde in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich die Zahlung eines Geldbetrages vereinbart, so könne dies nur dann als eine nach § 11 SGB II von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellende Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG gewertet werden, wenn dieser Rechtsgrund im arbeitsgerichtlichen Vergleich zum Ausdruck gekommen sei und der Vergleich nicht lediglich zur Beseitigung der Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens abgeschlossen worden sei. Für den Fall, dass sich den maßgebenden Vergleichen nicht entnehmen ließe, dass sie im Hinblick auf die Regelung des § 15 Abs. 2 AGG geschlossen worden seien, seien die Zahlungen an den Antragsteller ab dem jeweiligen Zuflussmonat als Einkommen zu berücksichtigen und auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen, wie dies bereits im Hinblick auf die in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes bzw. in Bezug auf Nachzahlungen von Arbeitsentgelt und Abfindung in Raten aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich entschieden worden sei (vgl. BSG, Urteil vom 22.08.2012 - B 14 AS 164/11 R - Rn. 20 und 21).

b) Danach ist die in Ziff. 1 des Vergleiches vom 28.11.2016 vereinbarte Zahlung von 15.000,00 € als Vermögen einzusetzen, § 115 Abs. 3 ZPO i.V.m. § 90 Abs. 3 SGB XII. Es liegt tatbestandlich keine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 AGG vor.

Die Beklagte hat sich im gerichtlichen Vergleich vom 28.11.2016 zur Zahlung von 15.000,00 € „unter Aufrechterhaltung der wechselseitigen Rechtsstandpunkte zur Abgeltung der mit dem zu Nr. 1 angekündigten Klageantrag geltend gemachten Forderung“ verpflichtet. Damit ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot weiterhin strittig und nicht positiv festgestellt. Entsprechendes ergibt sich auch aus der Verfahrensakte. Nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 26.09.2016 hat die Beklagte die Indizwirkung bestimmter Umstände für die Vermutung der Benachteiligung bestritten. Das Arbeitsgericht schien in der Verhandlung vom 26.09.2016 zwar eine Vermutung einer Benachteiligung zu bejahen, hielt aber ausweislich des Beschlusses, der Klagepartei die Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift eines von ihr benannten Zeugen aufzugeben, eine weitere Sachaufklärung für geboten. Darüber hinaus hätte die Beklagte die Vermutung einer Benachteiligung widerlegen können, § 22 AGG. Den Vergleichsvorschlag des Arbeitsgerichts vom 25.10.2016 zu Ziff. I, die Beklagte zahle an den Kläger als Entschädigung gemäß § 15 Abs. 4 AGG (gemeint wohl: § 15 Abs. 2 AGG) 15.000,00 €, hat die Beklagte nicht angenommen, sondern in Verhandlungen mit dem Kläger den Vergleich in der Fassung vom 28.11.2016 durchgesetzt.

Im vorliegenden Fall kann daher offenbleiben, ob der Auffassung des BSG zu folgen ist oder ob nicht im Hinblick auf den Präventionszweck der Entschädigungszahlung gemäß § 15 Abs. 2 AGG (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 11.08.2016 - 8 AZR 809/14 - Rn. 104) der Einsatz desjenigen Teiles der Entschädigung zu verlangen ist, dem keine Ausgleichsfunktion zukommt.

Da die dem Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 1.739,78 € festgesetzt wurde, genügte die Anordnung des Arbeitsgerichts, einen Betrag von 5.400,00 € einzusetzen.

c) Es begegnet keinen Bedenken, wenn das Arbeitsgericht bei der Bemessung des Entschädigungsanspruchs nach 1. den durch Antrag zu 2. beabsichtigten Ausgleich eines Schadensersatzes für materielle Schäden berücksichtigt (vgl. Steinau-Steinrück/Volker Schneider in Boecken/Düwell/Diller/Hanau, Gesamtes Arbeitsrecht, 1. Aufl. 2016, § 15 AGG, Rn. 6 m.w.N.).

III.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde bestehen nicht, § 78 Satz 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG.

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(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Das Gericht soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht sein.

(2) Der mündlichen Verhandlung geht zum Zwecke der gütlichen Beilegung des Rechtsstreits eine Güteverhandlung voraus, es sei denn, es hat bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden oder die Güteverhandlung erscheint erkennbar aussichtslos. Das Gericht hat in der Güteverhandlung den Sach- und Streitstand mit den Parteien unter freier Würdigung aller Umstände zu erörtern und, soweit erforderlich, Fragen zu stellen. Die erschienenen Parteien sollen hierzu persönlich gehört werden. § 128a Absatz 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche soll das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet werden. § 141 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Erscheinen beide Parteien in der Güteverhandlung nicht, ist das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

(5) Das Gericht kann die Parteien für die Güteverhandlung sowie für weitere Güteversuche vor einen hierfür bestimmten und nicht entscheidungsbefugten Richter (Güterichter) verweisen. Der Güterichter kann alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen.

(6) Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Parteien dem Gericht einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten oder einen schriftlichen oder zu Protokoll der mündlichen Verhandlung erklärten Vergleichsvorschlag des Gerichts durch Schriftsatz oder durch Erklärung zu Protokoll der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen. Das Gericht stellt das Zustandekommen und den Inhalt eines nach Satz 1 geschlossenen Vergleichs durch Beschluss fest. § 164 gilt entsprechend.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

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in dem Rechtsstreit
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und die Richter Pauge und Zoll

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des 9. Zivilsenats des Kammergerichts vom 10. Mai 2005 (9 W 7/05) aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen. Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

1
Mit Beschluss vom 10. Mai 2005 hat das Beschwerdegericht auf die Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 16. November 2004 den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 7. Oktober 2004 abgeändert, den Antrag des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe vom 11. Oktober 2004 zurückgewiesen tragstellers auf Prozesskostenhilfe vom 11. Oktober 2004 zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen.
2
Zur Begründung führt das Kammergericht aus, dass der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung aufbringen könne. Ihm sei zumutbar, sein Vermögen einzusetzen. Er habe Geldentschädigung für Persönlichkeitsverletzungen erhalten, deren Einsatz keine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG a.F. bzw. nunmehr § 90 Abs. 3 SGB XII darstelle. Eine Geldentschädigung für die Verletzung des Persönlichkeitsrechts sei nicht mit einer Schmerzensgeldzahlung vergleichbar, deren Einsatz zur Finanzierung von Prozesskosten teilweise abgelehnt werde. Anders als beim Schmerzensgeld stehe bei der Entschädigung wegen der Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Gesichtspunkt der Genugtuung für das Opfer und weniger der Ausgleichsgedanke im Vordergrund, zumal der Rechtsbehelf auch der Prävention dienen solle.
3
Gegen den ihm am 8. Juni 2005 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 9. Juni 2005 Rechtsbeschwerde eingelegt und diese am 15. Juni 2005 begründet.
4
Zugleich hat er für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Auf die gerichtliche Anfrage vom 8. August 2005 hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, im Jahr 2004 insgesamt 45.000 € als Entschädigungszahlungen erhalten zu haben. Die Mittel habe er bis auf einen Betrag von 2.301 € zur Zahlung einer Mietkaution, für Mietvorauszahlungen von April bis Dezember 2005 und in Höhe von 13.000 € für nicht weiter belegbare Anschaffungen von Hausrat aufgewendet. Auch habe sein Prozessbevollmächtigter auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 15. Dezember 2004 und vom 15. Februar 2005 ein Pauschalhonorar in Höhe von 22.736 € von den an ihn überwiesenen Entschädigungszahlungen einbehalten. Dafür habe er ihm am 24. August 2005 die Rechnung gestellt. Schließlich sei eine titulierte Forderung gegen die Firma D. in Höhe von 3.760,53 € beglichen worden. (Das diesbezügliche Forderungskonto 289/04 mit Stand vom 13. August 2004 weist allerdings den Beschwerdeführer selbst als Gläubiger aus.)

II.

5
1. Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angegriffenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache, weil der für die Prüfung durch den Senat maßgebliche Sachverhalt darin nicht wiedergegeben ist. Die Entscheidung muss deshalb von Amts wegen aufgehoben werden.
6
Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, müssen den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben (BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2002 - IX ZB 56/01 - VersR 2003, 926 und vom 7. April 2005 - IX ZB 63/03 - WM 2005, 1246 f. m.w.N.; Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 577 Rdn. 2). Denn nach § 577 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 559 Abs. 2 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht grundsätzlich von demjenigen Sachverhalt auszugehen, den das Beschwerdegericht festgestellt hat (vgl. Musielak /Ball, ZPO, 4. Aufl., § 577 Rdn. 3). Fehlen tatsächliche Feststellungen, ist es zu einer rechtlichen Überprüfung nicht in der Lage. Ausführungen des Beschwerdegerichts , die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im zivilprozessualen Sinne; sie ziehen die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nach sich (§ 576 Abs. 3, § 547 Nr. 6 ZPO). Der Verfahrensmangel ist von Amts wegen zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 5. August 2002 - IX ZB 51/02 - ZIP 2002, 1695 f.; vom 5. Februar 2004 - IX ZB 29/03 - ZIP 2004, 1466; BayObLG NZI 2000, 434; OLG Celle NZI 2001, 596; vgl. für die Revision auch Senat, BGHZ 156, 216, 218; BGHZ 154, 99, 101; 156, 97, 99; Beschluss vom 12. Februar 2004 - V ZR 125/03 - WM 2004, 2223, 2224).
7
Im vorliegenden Fall vermag der Senat mangels der erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen nicht zu beurteilen, ob es dem Beschwerdeführer nach den tatsächlichen Umständen zumutbar wäre, das ihm in Form von Entschädigungszahlungen zugeflossene Vermögen für die bereits in den bisherigen Instanzen entstandenen Prozesskosten einzusetzen oder ob er dafür Prozesskostenhilfe beanspruchen könnte, deren Ablehnung Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist.
8
2. Dem Beschwerdeführer ist jedenfalls für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe nicht zu bewilligen, weil er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, diese Kosten selbst zu tragen. Ihm ist zumutbar, erforderlichenfalls neben seinen Einkünften sein Vermögen für die Prozessführung einzusetzen, auch wenn ihm dann nicht mehr der so genannte Schonbetrag nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 b der Durchführungsverordnung zu § 90 Abs. 2 Ziff. 9 SGB XII verbleibt.
9
a) Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe stünde nicht schon der Grundsatz entgegen, dass grundsätzlich für das Prozesskostenhilfeverfahren Prozesskostenhilfe nicht gewährt werden kann (vgl. BGHZ 91, 311). Denn die nach § 574 Abs. 1 ZPO n.F. statthafte Rechtsbeschwerde gegen Entscheidungen des Beschwerdegerichts kann wirksam nur durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 21. März 2002 - IX ZB 18/02 - NJW 2002, 2181).
10
b) Eine Partei erhält nur dann auf ihren Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet - was vorliegend zu bejahen ist - und sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Dies ist nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Antragstellers jedoch nicht der Fall.
11
aa) Nach seinen Einkommensverhältnissen wäre dem Beschwerdeführer zwar grundsätzlich Prozesskostenhilfe mit Ratenzahlungen von 60 € monatlich zu bewilligen, da bei Zugrundelegung eines Arbeitslosengeldes von 910 € nach Abzug des Freibetrages für den Beschwerdeführer nach § 115 Abs. 1 ZPO in Höhe von 380 € und der Kosten für Unterkunft und Heizung ein einzusetzendes Einkommen von 199 € verbleibt. Unabhängig von seinen laufenden Einkünften kann der Beschwerdeführer die geringen Prozesskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren jedoch aus dem Vermögen begleichen, das er durch die Entschädigungszahlungen in Höhe von 45.000 € erhalten hat.
12
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hält der Senat den Einsatz von Entschädigungszahlungen für Persönlichkeitsrechtsverletzungen zur Begleichung von Prozesskosten nicht in jedem Fall für unzumutbar.
13
(1) Das steht nicht im Widerspruch zur Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts , die dem Urteil vom 18. Mai 1995 (- 5 C 22/93 - NJW 1995, 3001, 3002) zugrunde liegt, wonach der Einsatz von Vermögen, das auf einer Schmerzensgeldzahlung an den Hilfesuchenden beruht, grundsätzlich eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG a.F. (an dessen Stelle seit dem 1. Januar 2005 § 90 Abs. 3 SGB XII getreten ist) darstellt. Auch das Bundesverwaltungsgericht hält Schmerzensgeld grundsätzlich für verwertbares Vermögen im Sinne des Bundessozialhilfegesetzes, denn nach § 88 Abs. 2 BSHG a.F. in Verbindung mit § 77 Abs. 2 BSHG a.F., bei denen es sich um die Vorgängerregelungen zu § 90 SGB XII handelt, ist Schmerzensgeld weder als Ein- kommen noch als Vermögen ausdrücklich vom Einsatz zur Deckung der anstehenden Bedürfnisse des Hilfebedürftigen ausgenommen. In dem entschiedenen Fall hat das Bundesverwaltungsgericht es aber als Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG a.F. angesehen, dass der Kläger sein Schmerzensgeld für die Kosten der Werkstatt für Behinderte hätte einsetzen müssen, da es ihm dann nicht mehr zum angemessenen Ausgleich des zugefügten immateriellen Schadens und zur Genugtuung für das erlittene Unrecht zur Verfügung gestanden hätte. Die Frage, ob beim Schmerzensgeld für die Härteprüfung nach § 88 Abs. 3 BSHG a.F. noch weitere Gesichtspunkte maßgeblich sein können, etwa bei einem um der Prävention willen erhöhten Schmerzensgeld oder im Falle des Zugriffs auf das Schmerzensgeld durch einen Dritten, z.B. bei absehbarer Pfändung, hat das Bundesverwaltungsgericht mangels entsprechender Anhaltspunkte ausdrücklich offen gelassen (vgl. BVerwG NJW 1995, 3001, 3002).
14
(2) Eine Entschädigung wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist außerdem nicht mit dem Schmerzensgeld vergleichbar (vgl. BVerfG, VersR 2000, 897 f.). Darauf weist auch das Beschwerdegericht zutreffend hin.
15
Beim Schmerzensgeld stehen vor allem die schadensausgleichende Funktion und opferbezogene Merkmale wie Umfang und Dauer der Schmerzen, Entstellungen, Leiden und Eingriffe in das Leben des Opfers im Vordergrund. Zu berücksichtigen sind aber auch die Verhältnisse sowohl des Geschädigten als auch des Schädigers und dessen etwaige Absicherung durch eine Haftpflichtversicherung , der Grad des Verschuldens und die Umstände, die zum Schaden geführt haben (vgl. Großer Senat, BGHZ 18, 149, 157 ff.). Der Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes entspricht es, dass das Leben des Geschädigten dadurch in gewissem Umfang erleichtert werden soll. Bei einer mehr oder weniger weitgehenden Zerstörung der Persönlichkeit soll das Schmer- zensgeld über die Möglichkeit des Zuteilwerdens von Annehmlichkeiten hinaus auch deren Verlust ausgleichen (vgl. Senat BGHZ 120, 1, 7 f.). Das alles ist nur gewährleistet, wenn das Opfer das Schmerzensgeld zur eigenen freien Verfügung behält und nicht für Prozesskosten oder seinen notwendigen Lebensunterhalt aufwenden muss.
16
Diese Bedeutung des Schmerzensgeldes (für das Opfer) kann nicht ohne weiteres auf Entschädigungszahlungen für Verletzungen des Persönlichkeitsrechts übertragen werden. So besteht ein Unterschied darin, dass die Beeinträchtigung , für die Entschädigung beansprucht wird, nicht in anderer Weise - etwa durch Widerruf - befriedigend ausgeglichen werden kann (Senat, BGHZ 128, 1, 12 f.; Steffen, NJW 1997, 10, 12; Müller, VersR 2003, 1, 5). Auch sind die zugebilligten Beträge zur Entschädigung einer Persönlichkeitsrechtsverletzung im Vergleich etwa zu Schmerzensgeldansprüchen bei schwersten Körperschäden (vgl. hierzu Senat, BGHZ 120, 1 ff.) oder anderen Eingriffen mit tragischen Folgen deutlich höher. Die Zubilligung einer hohen Geldentschädigung beruht in materieller Hinsicht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, dass der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94 - VersR 1995, 305, 309). Von der Höhe der Geldentschädigung soll aber auch ein echter Hemmeffekt gegen eine rücksichtslose Vermarktung der Persönlichkeit ausgehen , wenn ein Presseunternehmen unter vorsätzlichem Rechtsbruch die Verletzung des Persönlichkeitsrechts als Mittel zur Auflagensteigerung und damit zur Verfolgung eigener kommerzieller Interessen eingesetzt hat (vgl. Senatsurteil vom 15. November 1994 - VI ZR 56/94 - aaO und vom 5. Dezember 1995 - VI ZR 332/94 - VersR 1996, 339, 340). Maßgebend für die Bemessung der Höhe der Entschädigung sind deshalb auch Präventionsgesichtspunkte.
Aus den dargelegten Gründen steht bei der Entschädigung wegen Persönlichkeitsverletzungen anders als beim Schmerzensgeld weniger im Vordergrund, dass dem Geschädigten finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, um die mit der Rechtsverletzung verbundenen Einbußen in seiner Lebensführung ausgleichen zu können. Vielmehr ist vorrangiger Zweck der Geldentschädigung, dem Geschädigten Genugtuung für die Eingriffe in seine Persönlichkeitssphäre zu verschaffen und weiteren Rechtsverletzungen vorzubeugen.
17
(3) Die zwischen beiden Ansprüchen bestehenden sachlichen Unterschiede rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung bei der Prüfung, ob das aus den Zahlungen stammende Vermögen zur Deckung der Prozesskosten einzusetzen ist. Die Frage ist allerdings nicht allgemeingültig ohne Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu beantworten. Vielmehr ist zu prüfen, ob mit der Entschädigung beispielsweise ein Ausgleich für fortdauernde Einbußen in der Lebensführung gewährt, ob damit eine besondere Genugtuung geleistet oder ob vor allem eine rücksichtslose Vermarktung im oben dargelegten Sinn unterbunden werden sollte. Auch kann nicht außer Betracht bleiben, in welchem Verhältnis die Höhe der Entschädigungszahlung zu dem Betrag steht, der zur Vermeidung der Inanspruchnahme staatlicher Hilfe eingesetzt werden soll. Nach dem zuletzt genannten Gesichtspunkt ist dem Beschwerdeführer jedenfalls zuzumuten, aus einem Kapital von 45.000 € die Prozesskosten für das vorliegende Rechtsbeschwerdeverfahren zu begleichen.
18
bb) Erfolglos beruft er sich darauf, dass ihm das Kapital nur noch zu einem geringen Teil zur Verfügung stehe.
19
Zwar kommt es für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung bzw. der Entscheidungsreife an (vgl. Bork in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 114 Rdn. 37 und 39; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 119 Rdn. 44; OLG Bamberg, FamRZ 1995, 374, 375). Dies ergibt sich zum einen aus der Abänderungsmöglichkeit in § 120 Abs. 4 ZPO, zum anderen aus der Regelung in § 124 Nr. 3 ZPO, wonach die zum jeweiligen Entscheidungszeitpunkt bestehenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse maßgebend sind (vgl. auch Burgard, NJW 1990, 3240, 3244). Auch gilt für die Gewährung von Prozesskostenhilfe der Grundsatz, dass es unerheblich ist, ob eine Partei ihre Mittellosigkeit im allgemeinen oder ihr Unvermögen, die Prozesskosten aufzubringen, durch früheres Verhalten verschuldet hat.
20
cc) Im vorliegenden Fall ist naheliegend, dass sich der Beschwerdeführer durch eigenes Verhalten weitgehend mittellos gemacht hat. Die Beanspruchung von Prozesskostenhilfe stellt sich dann aber als rechtsmissbräuchlich dar.
21
So hat der Beschwerdeführer im Prozesskostenhilfeantrag seine monatliche Mietbelastung einkommensmindernd geltend gemacht, obwohl er behauptet , eine erhebliche Mietvorauszahlung ohne deren Fälligkeit geleistet zu haben. Auch die übrigen, sein Vermögen aufzehrenden Ausgaben - wie die behauptete Anschaffung von Hausrat für 13.000 €, die Begleichung einer Forderung für die Firma D. an sich selbst und die Vereinbarung eines Pauschalhonorars für seinen anwaltschaftlichen Vertreter, dessen Höhe einen Großteil der Entschädigungszahlungen ausmacht, und für das erst nach Eingang der gerichtlichen Anfrage nach dem Verbleib des Vermögens die Rechnung erstellt wurde - drängen den Schluss auf, dass sie dazu dienten, das Prozesskostenrisiko durch Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe auf die Allgemeinheit zu übertragen.
22
dd) Unter diesen Umständen ist dem Beschwerdeführer jedenfalls zuzumuten , die geringfügigen Beträge, die im Rechtsbeschwerdeverfahren an Kosten anfallen, aus seinem verbliebenen Vermögen zu begleichen, soweit sein Einkommen zu deren Deckung nicht ausreicht (vgl. auch Bamberg, JurBüro 1992, 622 f.; OLG Hamm, MDR 2000, 297; OLG Karlsruhe, FamRZ 1987, 845 f.).
23
3. Gerichtskosten sind nach § 21 Abs. 1 GKG für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht zu erheben.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 07.10.2004 - 27 O 792/04 -
KG Berlin, Entscheidung vom 10.05.2005 - 9 W 7/05 -

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

(1) Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes für betriebliche Altersversorgung in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen.

(2) Ist ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, gelten als Arbeitsentgelt die Einnahmen des Beschäftigten einschließlich der darauf entfallenden Steuern und der seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung. Sind bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden, gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart.

(3) Wird ein Haushaltsscheck (§ 28a Absatz 7) verwendet, bleiben Zuwendungen unberücksichtigt, die nicht in Geld gewährt worden sind.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

(1) Das Verfahren ist in allen Rechtszügen zu beschleunigen.

(2) Die Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes über Zustellungs- und Vollstreckungsbeamte, über die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, über die Gerichtssprache, über die Wahrnehmung richterlicher Geschäfte durch Referendare und über Beratung und Abstimmung gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landesarbeitsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesarbeitsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Arbeitsgerichtsgesetz tritt.

(3) Die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger gelten in allen Rechtszügen entsprechend. Als Rechtspfleger können nur Beamte bestellt werden, die die Rechtspflegerprüfung oder die Prüfung für den gehobenen Dienst bei der Arbeitsgerichtsbarkeit bestanden haben.

(4) Zeugen und Sachverständige erhalten eine Entschädigung oder Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz.

(5) Alle mit einem befristeten Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen enthalten die Belehrung über das Rechtsmittel. Soweit ein Rechtsmittel nicht gegeben ist, ist eine entsprechende Belehrung zu erteilen. Die Frist für ein Rechtsmittel beginnt nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsmittels nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung der Entscheidung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsmittel nicht gegeben sei; § 234 Abs. 1, 2 und § 236 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gelten für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Juli 2011 aufgehoben und das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.12.2009 bis zum 30.6.2010. Streitig ist, ob das beklagte Jobcenter bei der Leistungsberechnung Zahlungen als Einkommen berücksichtigen durfte, die der Kläger aus arbeitsgerichtlichen Vergleichen erhalten hat.

2

Der 1955 geborene Kläger ist gelernter Bibliothekar. Er ist schwerbehindert mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 vH. Seit Juli 2008 stand er bei dem Beklagten im Leistungsbezug. Er erhielt Leistungen in unterschiedlicher Höhe, zuletzt änderte der Beklagte mit Bescheid vom 1.9.2009 die Bewilligung für die Monate Juli bis Dezember 2009 und gewährte 581,13 Euro, bestehend aus einer Regelleistung von 359 Euro und anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 222,13 Euro. Ab November 2009 setzte der Kläger den Beklagten von verschiedenen Vergleichen in arbeitsgerichtlichen Verfahren in Kenntnis, aus denen er Entschädigungen empfangen habe, weil seine Bewerbungen bei verschiedenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften abgelehnt worden seien, ohne dabei seinen Status als Schwerbehinderten hinreichend zu berücksichtigen. Der Kläger teilte folgende Vergleichszahlungen mit:

3

- Arbeitsgericht Bonn, Az. 2 Ca 2521/09, Vergleich vom 30.10.2009: Zahlung von 3708 Euro, am 2.12.2009 dem Konto des Klägers gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Karlsruhe, Az. 6 Ca 540/09, Vergleich vom 25.11.2009: Zahlung von 1300 Euro, dem Konto des Klägers am 21.12.2009 gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Freiburg, Az. 10 Ca 217/09, Vergleich vom 12.1.2010: Zahlung von 1800 Euro, dem Konto des Klägers am 3.3.2010 gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Köln, Az. 15 Ca 7409/09, Vergleich vom 8.3.2010: Zahlung von 2900 Euro, dem Konto des Klägers am 1.4.2010 gutgeschrieben.
- Zahlung von 2300 Euro aufgrund einer außergerichtlichen Einigung wegen Ablehnung der Bewerbung des Klägers als Bibliothekar, der Betrag wurde dem Konto des Klägers am 6.12.2010 gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Köln, Az. 15 Ca 2227/10, Vergleich über eine Zahlung von 4000 Euro, dem Konto des Klägers am 17.12.2010 gutgeschrieben.

4

Der Beklagte bewertete diese aus den Vergleichen zugeflossenen Zahlungen als anrechenbares Einkommen des Klägers und berücksichtigte die Einnahmen jeweils verteilt auf zwölf Monate. Vorliegend geht es um die Berücksichtigung der bis zum 30.6.2010 zugeflossenen Zahlungen. Mit Bescheid vom 18.2.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für Dezember 2009 unter teilweiser Aufhebung des Bewilligungsbescheides zunächst Leistungen in Höhe von 193,80 Euro. Er ging dabei - wie zuvor - von einem Bedarf des Klägers in Höhe von 581,13 Euro aus und berücksichtigte 417,33 Euro als Einkommen abzüglich einer Pauschale von 30 Euro für private Versicherungen. Mit Bescheid vom 27.5.2010 korrigierte der Beklagte die Leistungsbewilligung auf 302,13 Euro im Monat und berücksichtigte nur noch Einkommen des Klägers in Höhe von 309 Euro. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.5.2010 als unbegründet zurückgewiesen, der Kläger hat daraufhin Klage erhoben.

5

Mit vorläufigem Bescheid vom 8.3.2010 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Monate Januar bis Juni 2010 zunächst wiederum Leistungen in Höhe von 193,80 Euro monatlich. Diese Leistungsbewilligung wurde, wie für den Monat Dezember 2009, auf 302,13 Euro endgültig festgesetzt, wobei wiederum Einkommen in Höhe von 309 Euro berücksichtigt wurde. Der insoweit eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 28.5.2010 als unbegründet zurückgewiesen.

6

Nach Eingang der Zahlung von 1800 Euro am 3.3.2010 aus dem Rechtsstreit 10 Ca 217/09 vor dem Arbeitsgericht Freiburg und Eingang von 2900 Euro am 1.4.2010 aus dem Verfahren 15 Ca 7409/09 vor dem Arbeitsgericht Köln änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Monate Januar bis Juni 2010 nochmals ab. Zuletzt wurden mit Bescheid vom 2.6.2010 für die Monate Januar bis März 2010 152,13 Euro gewährt und weitere Leistungen für die Monate April bis Juni ganz versagt. Bei der Berechnung berücksichtigte der Beklagte die Summen aus den zuvor genannten Vergleichen und legte sie jeweils auf zwölf Monate um. Dagegen hat der Kläger nochmals Widerspruch eingelegt und sodann im Juni 2010 Klage erhoben.

7

Zuvor hatte er einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, der vor dem Sozialgericht (SG) ohne Erfolg geblieben ist. Die eingelegte Beschwerde war bei dem Landessozialgericht (LSG) teilweise erfolgreich. Bei der erhaltenen Zahlung handele es sich um eine anrechnungsfreie Entschädigungsleistung für einen Nichtvermögensschaden wegen Missachtung der spezifischen Rechte als Schwerbehinderter im Bewerbungsverfahren. Das SG hat sodann die beiden zuvor genannten Klageverfahren verbunden und ist mit dem angegriffenen Urteil vom 14.7.2011 der Begründung des LSG gefolgt. Unter Abänderung der angefochtenen Bescheide hat es den Beklagten verurteilt, dem Kläger monatlich Leistungen in Höhe von 581,13 Euro zu gewähren. Von der Berücksichtigung als Einkommen seien gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF Einnahmen ausgenommen, soweit sie als Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geleistet werden. Es sei dabei davon auszugehen, dass es sich bei den zugeflossenen Summen aus den jeweiligen Vergleichen um Ausgleichszahlungen nach § 15 Abs 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) handele, die unter § 253 Abs 2 BGB zu fassen seien, weil Schmerzensgeld auch bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts gewährt werde.

8

Mit der von ihm eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend, die im Bedarfszeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 zugeflossenen Vergleichszahlungen seien leistungsmindernd als Einkommen zu berücksichtigen. Das SG habe zu Unrecht ohne Weiteres unterstellt, dass es sich dabei jeweils um einen Anspruch aus § 15 Abs 2 AGG gehandelt habe. Tatsächlich sei den arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Feststellung zu entnehmen, ob und inwieweit überhaupt eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers im Sinne des AGG vorgelegen habe. Es handele sich damit um normale Vergleiche nach § 779 BGB. Selbst wenn Rechtsgrundlage sämtlicher geschlossener Vergleiche tatsächlich § 15 Abs 1 und 2 AGG sei, seien die Zahlungen auf dieser Grundlage dennoch nicht von der Einkommensberechnung auszunehmen. Dies sei nur ein Aspekt von mehreren, es sei deshalb auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Anrechnung von Abfindungszahlungen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes abzustellen. Danach sei eine Berücksichtigung als Einkommen zulässig, obwohl den Vergleichszahlungen sowohl ein materieller als auch ein immaterieller Charakter zukomme. Schließlich scheitere eine Privilegierung selbst für den Fall, dass man die Einnahmen des Klägers als Entschädigung iS von § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF ansehe, an der sogenannten Gerechtfertigkeitsprüfung.

9

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist zusätzlich darauf, dass mit dem Verbot der Diskriminierung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch und der Einführung des AGG europarechtliche Vorgaben umgesetzt worden seien. § 15 AGG sei die zentrale Haftungsnorm wegen einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbots. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass er es von vornherein darauf angelegt habe, Entschädigungszahlungen zu erhalten, er sei seit 2004 arbeitslos und bemühe sich seitdem ernsthaft um freigewordene Stellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig (§ 161 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz) und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Verweisung an das LSG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 und 4 SGG) begründet. Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, denn es fehlt sowohl an ausdrücklichen Feststellungen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) als auch an Feststellungen zur Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 SGB II, die nach dem Antrag des Klägers vor dem SG vom Streitgegenstand umfasst sind. Insbesondere hat das SG nicht ausreichend festgestellt, ob es sich bei den Zahlungen aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen um Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs 2 AGG gehandelt hat.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 18.2.2010, mit dem Leistungen nach dem SGB II vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 bewilligt worden sind, und der Änderungsbescheid vom 27.5.2010, mit dem die Leistungen abgesenkt wurden, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.5.2010, sowie der Bescheid vom 8.3.2010, mit dem vorläufig Leistungen für die Monate Januar bis Juni 2010 bewilligt worden sind, mit (endgültigem) Änderungsbescheid vom 17.3.2010, beide in Gestalt eines Widerspruchsbescheids ebenfalls vom 28.5.2010. Hinzu kommt ein weiterer während des Laufs der Klagefrist ergangener Änderungsbescheid vom 2.6.2010, nochmals betreffend die Monate Januar bis März 2010 und sodann April bis Juni 2010, für diese letzten drei Monate wurden keine Leistungen mehr bewilligt, weil aufgrund der Höhe des angerechneten Einkommens kein Leistungsanspruch verblieb. Diese Bescheide hat der Kläger in zulässiger Weise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen (§ 54 Abs 4 SGG). Bei der Antragstellung ist allerdings ebenso wenig wie in der Tenorierung des SG berücksichtigt worden, dass von Dezember 2009 bis März 2010 jeweils Teilleistungen gewährt wurden, die von dem beantragten Betrag von 581,13 Euro in Abzug zu bringen gewesen wären. Dieser Betrag besteht aus der Regelleistung in Höhe von damals 359 Euro und offenbar unstreitigen und anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 222,13 Euro. Es geht vorliegend um die Differenz zwischen dem Betrag von 581,13 Euro und den bewilligten Beträgen, die sich ergibt, wenn der Zahlungszufluss aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen anteilig als Einkommen berücksichtigt wird.

14

2. Ob der Beklagte die Zuflüsse aus den geschlossenen Vergleichen, soweit sie für den vorliegenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.12.2009 bis zum 30.6.2010 maßgeblich sind, gemäß § 11 Abs 1 SGB II(in der bis zum 31.3.2011 unveränderten Fassung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, im Folgenden: SGB II aF) als Einkommen berücksichtigen durfte, konnte nicht abschließend entschieden werden.

15

Nach § 11 Abs 1 SGB II aF sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen. Ausnahmen gibt es zum einen nach § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II aF für die vorliegend ersichtlich nicht einschlägigen zweckbestimmten Einnahmen und für Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege. Darüber hinaus sind von der Berücksichtigung als Einkommen gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF nur Entschädigungen freigestellt, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs 2 BGB geleistet werden. Zu den Entschädigungen nach § 253 Abs 2 BGB zählen im Ergebnis auch auf der Grundlage von § 15 Abs 2 AGG geleistete Zahlungen.

16

a) Dies ergibt sich allerdings nicht aus der aktuellen zivilrechtlichen Systematik. Zum 1.8.2002 hat der Gesetzgeber in § 253 BGB einen einheitlichen Schmerzensgeldanspruch geschaffen, der bisherige Wortlaut wurde als Abs 1 vorangestellt, Abs 2 ersetzt § 847 BGB aF. Die Neuregelung bezweckte einen stärkeren Opferschutz (BT-Drucks 14/7752, S 14). Die Regelung gilt jedoch nur für die ausdrücklich in § 253 Abs 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter; diese Aufzählung hat abschließenden Charakter (Oetker in Münchener Kommentar, BGB, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl 2007, § 253 RdNr 27). Damit sind von einer Entschädigung nach § 253 Abs 2 BGB nicht nur das Eigentum und diesem vergleichbar absolut geschützte Vermögensrechte ausgenommen, sondern auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sofern dieses nicht über den Tatbestand der sexuellen Selbstbestimmung erfasst wird. Der Gesetzgeber ist damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gefolgt, der einen Anspruch auf Ersatz eines ideellen Schadens wegen einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ursprünglich auf eine Analogie zu § 847 BGB aF gestützt hatte. Später wurde ein Anspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedoch in ständiger Rechtsprechung unmittelbar aus § 823 BGB iVm Art 1 Abs 1 und Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) hergeleitet(vgl zB BGH, Urteil vom 5.10.2004 - VI ZR 255/03 - BGHZ 160, 298). Der Gesetzgeber hat § 253 Abs 2 BGB ausdrücklich nicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht erstreckt(BT-Drucks 14/7752, S 25). Soweit daher für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt wird, ist grundsätzlich weiter § 823 BGB iVm Art 1 Abs 1 und Art 2 Abs 1 GG unter Ausschluss des § 253 Abs 2 BGB Anspruchsgrundlage(Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl 2012, § 253 RdNr 10). Eine Entschädigungszahlung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterliegt somit auch weiterhin den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen (Vieweg in jurisPK-BGB, § 253 RdNr 44 mit Bezug auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1991 - 1 BvR 382/85 - NJW 1992, 815, 816). Der Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, § 253 Abs 2 BGB bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts analog anzuwenden(vgl Oetker in Münchener Kommentar, BGB, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl 2007, § 253 RdNr 27). Es sollte vielmehr bei diesem komplexen Rechtsgut die umfassende Prüfung mit Güter- und Interessenabwägung aufrechterhalten werden.

17

b) Der Gesetzgeber hat allerdings diesen aktuellen systematischen Ansatz aus dem zivilrechtlichen Bereich nicht in das Sozialrecht übernommen. Bereits zu Zeiten der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ist in den Materialien zum Entwurf von § 77 BSHG(BT-Drucks 7/308 vom 13.3.1973 S 17 zu Nr 24) festgehalten worden, dass "der neue Absatz 2 (des § 77 BSHG) den Anwendungsbereich des § 847 BGB insgesamt erfassen(soll), also auch die Fälle, in denen die Rechtsprechung in Anlehnung an § 847 BGB einen Schmerzensgeldanspruch zuerkennt …".

18

Für das SGB II strebte der Gesetzgeber keine Veränderung zur Rechtslage nach dem BSHG an, sondern lehnte sich ausdrücklich an die Regelungen der Einkommensberücksichtigung an, wie sie im Sozialhilferecht gegolten hatten. Im Entwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drucks 15/1516 vom 5.9.2003, S 53 zu § 11) heißt es im Hinblick auf die Ausnahmebestimmung in § 11 Abs 3 SGB II aF in der dortigen Fassung: "Absatz 3 orientiert sich ebenfalls am Sozialhilferecht und nimmt bestimmte Einnahmen wegen ihres Charakters oder der Zweckbestimmung von der Einkommensberücksichtigung aus." Ausgehend von dieser Willensbekundung des Gesetzgebers sollte sowohl die Auslegung von § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF als auch die nun ab dem 1.4.2011 geltende Vorschrift des § 11a Abs 2 SGB II nF, in der § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF aufgegangen ist, an die Vorgängernorm § 77 Abs 2 BSHG anknüpfen.

19

c) Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs 2 AGG sind daher wegen der Entscheidung des Gesetzgebers, im Sozialrecht alle Schmerzensgeldansprüche gleich zu behandeln, auch dann unter § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF zu subsumieren, wenn der Anspruch auf einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität(§ 1 AGG)seitens des Arbeitgebers beruht und deshalb zivilrechtlich nicht unter § 253 Abs 2 BGB fallen würde(Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 6/2010, K § 11 RdNr 689; Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 1/2009, § 11 RdNr 68; Söhngen in jurisPK-SGB II, Stand 7/2009, § 11 RdNr 65; Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 11 RdNr 71).

20

Dies setzt allerdings voraus, dass eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs 2 AGG tatbestandlich vorliegt, dh dass die Voraussetzung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot positiv festgestellt worden ist(vgl Roloff in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Arbeitsrecht Kommentar 2008, § 15 AGG RdNr 6 und 8). Der Senat kann die rechtliche Bewertung im Revisionsverfahren nicht nachholen, da es an jeglichen tatsächlichen Feststellungen zu den Grundlagen und zum Inhalt der arbeitsgerichtlichen Vergleiche fehlt. Die Aussage des SG, "nach dem Hintergrund der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen und den in den Vergleichen gewählten Formulierungen" handele es sich bei den dem Kläger zugeflossenen Zahlungen um Schadensersatz für Nichtvermögensschäden wegen der Missachtung seiner spezifischen Rechte als Schwerbehinderter im Bewerbungsverfahren, lässt nicht erkennen, an welche Feststellungen das SG seine Wertung anknüpft. Wird in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich die Zahlung eines Geldbetrages vereinbart, so kann dies nur dann als eine gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellende Entschädigung nach § 15 Abs 2 AGG gewertet werden, wenn dieser Rechtsgrund im arbeitsgerichtlichen Vergleich zum Ausdruck gekommen ist und der Vergleich nicht lediglich zur Beseitigung der Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens abgeschlossen wurde.

21

d) Ergeben die weiteren Feststellungen, dass sich den maßgebenden Vergleichen nicht entnehmen lässt, dass sie im Hinblick auf die Regelung in § 15 Abs 2 AGG geschlossen wurden, so sind die Zahlungen an den Kläger ab dem jeweiligen Zuflussmonat als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF zu berücksichtigen und gemäß § 2 Abs 4 Arbeitslosengeld II-Verordnung in der Fassung vom 18.12.2008 (BGBl I 2780) auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 15; Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R) wie dies bereits im Hinblick auf die in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 24) bzw in Bezug auf Nachzahlungen von Arbeitsentgelt und Abfindung in Raten aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 86/08 R) entschieden worden ist.

22

Das LSG wird schließlich noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.

(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Juli 2011 aufgehoben und das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.12.2009 bis zum 30.6.2010. Streitig ist, ob das beklagte Jobcenter bei der Leistungsberechnung Zahlungen als Einkommen berücksichtigen durfte, die der Kläger aus arbeitsgerichtlichen Vergleichen erhalten hat.

2

Der 1955 geborene Kläger ist gelernter Bibliothekar. Er ist schwerbehindert mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 vH. Seit Juli 2008 stand er bei dem Beklagten im Leistungsbezug. Er erhielt Leistungen in unterschiedlicher Höhe, zuletzt änderte der Beklagte mit Bescheid vom 1.9.2009 die Bewilligung für die Monate Juli bis Dezember 2009 und gewährte 581,13 Euro, bestehend aus einer Regelleistung von 359 Euro und anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 222,13 Euro. Ab November 2009 setzte der Kläger den Beklagten von verschiedenen Vergleichen in arbeitsgerichtlichen Verfahren in Kenntnis, aus denen er Entschädigungen empfangen habe, weil seine Bewerbungen bei verschiedenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften abgelehnt worden seien, ohne dabei seinen Status als Schwerbehinderten hinreichend zu berücksichtigen. Der Kläger teilte folgende Vergleichszahlungen mit:

3

- Arbeitsgericht Bonn, Az. 2 Ca 2521/09, Vergleich vom 30.10.2009: Zahlung von 3708 Euro, am 2.12.2009 dem Konto des Klägers gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Karlsruhe, Az. 6 Ca 540/09, Vergleich vom 25.11.2009: Zahlung von 1300 Euro, dem Konto des Klägers am 21.12.2009 gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Freiburg, Az. 10 Ca 217/09, Vergleich vom 12.1.2010: Zahlung von 1800 Euro, dem Konto des Klägers am 3.3.2010 gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Köln, Az. 15 Ca 7409/09, Vergleich vom 8.3.2010: Zahlung von 2900 Euro, dem Konto des Klägers am 1.4.2010 gutgeschrieben.
- Zahlung von 2300 Euro aufgrund einer außergerichtlichen Einigung wegen Ablehnung der Bewerbung des Klägers als Bibliothekar, der Betrag wurde dem Konto des Klägers am 6.12.2010 gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Köln, Az. 15 Ca 2227/10, Vergleich über eine Zahlung von 4000 Euro, dem Konto des Klägers am 17.12.2010 gutgeschrieben.

4

Der Beklagte bewertete diese aus den Vergleichen zugeflossenen Zahlungen als anrechenbares Einkommen des Klägers und berücksichtigte die Einnahmen jeweils verteilt auf zwölf Monate. Vorliegend geht es um die Berücksichtigung der bis zum 30.6.2010 zugeflossenen Zahlungen. Mit Bescheid vom 18.2.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für Dezember 2009 unter teilweiser Aufhebung des Bewilligungsbescheides zunächst Leistungen in Höhe von 193,80 Euro. Er ging dabei - wie zuvor - von einem Bedarf des Klägers in Höhe von 581,13 Euro aus und berücksichtigte 417,33 Euro als Einkommen abzüglich einer Pauschale von 30 Euro für private Versicherungen. Mit Bescheid vom 27.5.2010 korrigierte der Beklagte die Leistungsbewilligung auf 302,13 Euro im Monat und berücksichtigte nur noch Einkommen des Klägers in Höhe von 309 Euro. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.5.2010 als unbegründet zurückgewiesen, der Kläger hat daraufhin Klage erhoben.

5

Mit vorläufigem Bescheid vom 8.3.2010 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Monate Januar bis Juni 2010 zunächst wiederum Leistungen in Höhe von 193,80 Euro monatlich. Diese Leistungsbewilligung wurde, wie für den Monat Dezember 2009, auf 302,13 Euro endgültig festgesetzt, wobei wiederum Einkommen in Höhe von 309 Euro berücksichtigt wurde. Der insoweit eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 28.5.2010 als unbegründet zurückgewiesen.

6

Nach Eingang der Zahlung von 1800 Euro am 3.3.2010 aus dem Rechtsstreit 10 Ca 217/09 vor dem Arbeitsgericht Freiburg und Eingang von 2900 Euro am 1.4.2010 aus dem Verfahren 15 Ca 7409/09 vor dem Arbeitsgericht Köln änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Monate Januar bis Juni 2010 nochmals ab. Zuletzt wurden mit Bescheid vom 2.6.2010 für die Monate Januar bis März 2010 152,13 Euro gewährt und weitere Leistungen für die Monate April bis Juni ganz versagt. Bei der Berechnung berücksichtigte der Beklagte die Summen aus den zuvor genannten Vergleichen und legte sie jeweils auf zwölf Monate um. Dagegen hat der Kläger nochmals Widerspruch eingelegt und sodann im Juni 2010 Klage erhoben.

7

Zuvor hatte er einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, der vor dem Sozialgericht (SG) ohne Erfolg geblieben ist. Die eingelegte Beschwerde war bei dem Landessozialgericht (LSG) teilweise erfolgreich. Bei der erhaltenen Zahlung handele es sich um eine anrechnungsfreie Entschädigungsleistung für einen Nichtvermögensschaden wegen Missachtung der spezifischen Rechte als Schwerbehinderter im Bewerbungsverfahren. Das SG hat sodann die beiden zuvor genannten Klageverfahren verbunden und ist mit dem angegriffenen Urteil vom 14.7.2011 der Begründung des LSG gefolgt. Unter Abänderung der angefochtenen Bescheide hat es den Beklagten verurteilt, dem Kläger monatlich Leistungen in Höhe von 581,13 Euro zu gewähren. Von der Berücksichtigung als Einkommen seien gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF Einnahmen ausgenommen, soweit sie als Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geleistet werden. Es sei dabei davon auszugehen, dass es sich bei den zugeflossenen Summen aus den jeweiligen Vergleichen um Ausgleichszahlungen nach § 15 Abs 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) handele, die unter § 253 Abs 2 BGB zu fassen seien, weil Schmerzensgeld auch bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts gewährt werde.

8

Mit der von ihm eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend, die im Bedarfszeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 zugeflossenen Vergleichszahlungen seien leistungsmindernd als Einkommen zu berücksichtigen. Das SG habe zu Unrecht ohne Weiteres unterstellt, dass es sich dabei jeweils um einen Anspruch aus § 15 Abs 2 AGG gehandelt habe. Tatsächlich sei den arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Feststellung zu entnehmen, ob und inwieweit überhaupt eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers im Sinne des AGG vorgelegen habe. Es handele sich damit um normale Vergleiche nach § 779 BGB. Selbst wenn Rechtsgrundlage sämtlicher geschlossener Vergleiche tatsächlich § 15 Abs 1 und 2 AGG sei, seien die Zahlungen auf dieser Grundlage dennoch nicht von der Einkommensberechnung auszunehmen. Dies sei nur ein Aspekt von mehreren, es sei deshalb auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Anrechnung von Abfindungszahlungen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes abzustellen. Danach sei eine Berücksichtigung als Einkommen zulässig, obwohl den Vergleichszahlungen sowohl ein materieller als auch ein immaterieller Charakter zukomme. Schließlich scheitere eine Privilegierung selbst für den Fall, dass man die Einnahmen des Klägers als Entschädigung iS von § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF ansehe, an der sogenannten Gerechtfertigkeitsprüfung.

9

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist zusätzlich darauf, dass mit dem Verbot der Diskriminierung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch und der Einführung des AGG europarechtliche Vorgaben umgesetzt worden seien. § 15 AGG sei die zentrale Haftungsnorm wegen einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbots. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass er es von vornherein darauf angelegt habe, Entschädigungszahlungen zu erhalten, er sei seit 2004 arbeitslos und bemühe sich seitdem ernsthaft um freigewordene Stellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig (§ 161 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz) und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Verweisung an das LSG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 und 4 SGG) begründet. Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, denn es fehlt sowohl an ausdrücklichen Feststellungen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) als auch an Feststellungen zur Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 SGB II, die nach dem Antrag des Klägers vor dem SG vom Streitgegenstand umfasst sind. Insbesondere hat das SG nicht ausreichend festgestellt, ob es sich bei den Zahlungen aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen um Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs 2 AGG gehandelt hat.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 18.2.2010, mit dem Leistungen nach dem SGB II vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 bewilligt worden sind, und der Änderungsbescheid vom 27.5.2010, mit dem die Leistungen abgesenkt wurden, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.5.2010, sowie der Bescheid vom 8.3.2010, mit dem vorläufig Leistungen für die Monate Januar bis Juni 2010 bewilligt worden sind, mit (endgültigem) Änderungsbescheid vom 17.3.2010, beide in Gestalt eines Widerspruchsbescheids ebenfalls vom 28.5.2010. Hinzu kommt ein weiterer während des Laufs der Klagefrist ergangener Änderungsbescheid vom 2.6.2010, nochmals betreffend die Monate Januar bis März 2010 und sodann April bis Juni 2010, für diese letzten drei Monate wurden keine Leistungen mehr bewilligt, weil aufgrund der Höhe des angerechneten Einkommens kein Leistungsanspruch verblieb. Diese Bescheide hat der Kläger in zulässiger Weise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen (§ 54 Abs 4 SGG). Bei der Antragstellung ist allerdings ebenso wenig wie in der Tenorierung des SG berücksichtigt worden, dass von Dezember 2009 bis März 2010 jeweils Teilleistungen gewährt wurden, die von dem beantragten Betrag von 581,13 Euro in Abzug zu bringen gewesen wären. Dieser Betrag besteht aus der Regelleistung in Höhe von damals 359 Euro und offenbar unstreitigen und anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 222,13 Euro. Es geht vorliegend um die Differenz zwischen dem Betrag von 581,13 Euro und den bewilligten Beträgen, die sich ergibt, wenn der Zahlungszufluss aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen anteilig als Einkommen berücksichtigt wird.

14

2. Ob der Beklagte die Zuflüsse aus den geschlossenen Vergleichen, soweit sie für den vorliegenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.12.2009 bis zum 30.6.2010 maßgeblich sind, gemäß § 11 Abs 1 SGB II(in der bis zum 31.3.2011 unveränderten Fassung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, im Folgenden: SGB II aF) als Einkommen berücksichtigen durfte, konnte nicht abschließend entschieden werden.

15

Nach § 11 Abs 1 SGB II aF sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen. Ausnahmen gibt es zum einen nach § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II aF für die vorliegend ersichtlich nicht einschlägigen zweckbestimmten Einnahmen und für Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege. Darüber hinaus sind von der Berücksichtigung als Einkommen gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF nur Entschädigungen freigestellt, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs 2 BGB geleistet werden. Zu den Entschädigungen nach § 253 Abs 2 BGB zählen im Ergebnis auch auf der Grundlage von § 15 Abs 2 AGG geleistete Zahlungen.

16

a) Dies ergibt sich allerdings nicht aus der aktuellen zivilrechtlichen Systematik. Zum 1.8.2002 hat der Gesetzgeber in § 253 BGB einen einheitlichen Schmerzensgeldanspruch geschaffen, der bisherige Wortlaut wurde als Abs 1 vorangestellt, Abs 2 ersetzt § 847 BGB aF. Die Neuregelung bezweckte einen stärkeren Opferschutz (BT-Drucks 14/7752, S 14). Die Regelung gilt jedoch nur für die ausdrücklich in § 253 Abs 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter; diese Aufzählung hat abschließenden Charakter (Oetker in Münchener Kommentar, BGB, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl 2007, § 253 RdNr 27). Damit sind von einer Entschädigung nach § 253 Abs 2 BGB nicht nur das Eigentum und diesem vergleichbar absolut geschützte Vermögensrechte ausgenommen, sondern auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sofern dieses nicht über den Tatbestand der sexuellen Selbstbestimmung erfasst wird. Der Gesetzgeber ist damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gefolgt, der einen Anspruch auf Ersatz eines ideellen Schadens wegen einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ursprünglich auf eine Analogie zu § 847 BGB aF gestützt hatte. Später wurde ein Anspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedoch in ständiger Rechtsprechung unmittelbar aus § 823 BGB iVm Art 1 Abs 1 und Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) hergeleitet(vgl zB BGH, Urteil vom 5.10.2004 - VI ZR 255/03 - BGHZ 160, 298). Der Gesetzgeber hat § 253 Abs 2 BGB ausdrücklich nicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht erstreckt(BT-Drucks 14/7752, S 25). Soweit daher für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt wird, ist grundsätzlich weiter § 823 BGB iVm Art 1 Abs 1 und Art 2 Abs 1 GG unter Ausschluss des § 253 Abs 2 BGB Anspruchsgrundlage(Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl 2012, § 253 RdNr 10). Eine Entschädigungszahlung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterliegt somit auch weiterhin den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen (Vieweg in jurisPK-BGB, § 253 RdNr 44 mit Bezug auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1991 - 1 BvR 382/85 - NJW 1992, 815, 816). Der Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, § 253 Abs 2 BGB bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts analog anzuwenden(vgl Oetker in Münchener Kommentar, BGB, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl 2007, § 253 RdNr 27). Es sollte vielmehr bei diesem komplexen Rechtsgut die umfassende Prüfung mit Güter- und Interessenabwägung aufrechterhalten werden.

17

b) Der Gesetzgeber hat allerdings diesen aktuellen systematischen Ansatz aus dem zivilrechtlichen Bereich nicht in das Sozialrecht übernommen. Bereits zu Zeiten der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ist in den Materialien zum Entwurf von § 77 BSHG(BT-Drucks 7/308 vom 13.3.1973 S 17 zu Nr 24) festgehalten worden, dass "der neue Absatz 2 (des § 77 BSHG) den Anwendungsbereich des § 847 BGB insgesamt erfassen(soll), also auch die Fälle, in denen die Rechtsprechung in Anlehnung an § 847 BGB einen Schmerzensgeldanspruch zuerkennt …".

18

Für das SGB II strebte der Gesetzgeber keine Veränderung zur Rechtslage nach dem BSHG an, sondern lehnte sich ausdrücklich an die Regelungen der Einkommensberücksichtigung an, wie sie im Sozialhilferecht gegolten hatten. Im Entwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drucks 15/1516 vom 5.9.2003, S 53 zu § 11) heißt es im Hinblick auf die Ausnahmebestimmung in § 11 Abs 3 SGB II aF in der dortigen Fassung: "Absatz 3 orientiert sich ebenfalls am Sozialhilferecht und nimmt bestimmte Einnahmen wegen ihres Charakters oder der Zweckbestimmung von der Einkommensberücksichtigung aus." Ausgehend von dieser Willensbekundung des Gesetzgebers sollte sowohl die Auslegung von § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF als auch die nun ab dem 1.4.2011 geltende Vorschrift des § 11a Abs 2 SGB II nF, in der § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF aufgegangen ist, an die Vorgängernorm § 77 Abs 2 BSHG anknüpfen.

19

c) Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs 2 AGG sind daher wegen der Entscheidung des Gesetzgebers, im Sozialrecht alle Schmerzensgeldansprüche gleich zu behandeln, auch dann unter § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF zu subsumieren, wenn der Anspruch auf einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität(§ 1 AGG)seitens des Arbeitgebers beruht und deshalb zivilrechtlich nicht unter § 253 Abs 2 BGB fallen würde(Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 6/2010, K § 11 RdNr 689; Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 1/2009, § 11 RdNr 68; Söhngen in jurisPK-SGB II, Stand 7/2009, § 11 RdNr 65; Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 11 RdNr 71).

20

Dies setzt allerdings voraus, dass eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs 2 AGG tatbestandlich vorliegt, dh dass die Voraussetzung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot positiv festgestellt worden ist(vgl Roloff in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Arbeitsrecht Kommentar 2008, § 15 AGG RdNr 6 und 8). Der Senat kann die rechtliche Bewertung im Revisionsverfahren nicht nachholen, da es an jeglichen tatsächlichen Feststellungen zu den Grundlagen und zum Inhalt der arbeitsgerichtlichen Vergleiche fehlt. Die Aussage des SG, "nach dem Hintergrund der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen und den in den Vergleichen gewählten Formulierungen" handele es sich bei den dem Kläger zugeflossenen Zahlungen um Schadensersatz für Nichtvermögensschäden wegen der Missachtung seiner spezifischen Rechte als Schwerbehinderter im Bewerbungsverfahren, lässt nicht erkennen, an welche Feststellungen das SG seine Wertung anknüpft. Wird in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich die Zahlung eines Geldbetrages vereinbart, so kann dies nur dann als eine gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellende Entschädigung nach § 15 Abs 2 AGG gewertet werden, wenn dieser Rechtsgrund im arbeitsgerichtlichen Vergleich zum Ausdruck gekommen ist und der Vergleich nicht lediglich zur Beseitigung der Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens abgeschlossen wurde.

21

d) Ergeben die weiteren Feststellungen, dass sich den maßgebenden Vergleichen nicht entnehmen lässt, dass sie im Hinblick auf die Regelung in § 15 Abs 2 AGG geschlossen wurden, so sind die Zahlungen an den Kläger ab dem jeweiligen Zuflussmonat als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF zu berücksichtigen und gemäß § 2 Abs 4 Arbeitslosengeld II-Verordnung in der Fassung vom 18.12.2008 (BGBl I 2780) auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 15; Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R) wie dies bereits im Hinblick auf die in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 24) bzw in Bezug auf Nachzahlungen von Arbeitsentgelt und Abfindung in Raten aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 86/08 R) entschieden worden ist.

22

Das LSG wird schließlich noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

(2) Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Dies gilt auch für Einnahmen, die an einzelnen Tagen eines Monats aufgrund von kurzzeitigen Beschäftigungsverhältnissen erzielt werden.

(3) Würde der Leistungsanspruch durch die Berücksichtigung einer als Nachzahlung zufließenden Einnahme, die nicht für den Monat des Zuflusses erbracht wird, in diesem Monat entfallen, so ist diese Einnahme auf einen Zeitraum von sechs Monaten gleichmäßig aufzuteilen und monatlich ab dem Monat des Zuflusses mit einem entsprechenden monatlichen Teilbetrag zu berücksichtigen.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Juli 2011 aufgehoben und das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.12.2009 bis zum 30.6.2010. Streitig ist, ob das beklagte Jobcenter bei der Leistungsberechnung Zahlungen als Einkommen berücksichtigen durfte, die der Kläger aus arbeitsgerichtlichen Vergleichen erhalten hat.

2

Der 1955 geborene Kläger ist gelernter Bibliothekar. Er ist schwerbehindert mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 60 vH. Seit Juli 2008 stand er bei dem Beklagten im Leistungsbezug. Er erhielt Leistungen in unterschiedlicher Höhe, zuletzt änderte der Beklagte mit Bescheid vom 1.9.2009 die Bewilligung für die Monate Juli bis Dezember 2009 und gewährte 581,13 Euro, bestehend aus einer Regelleistung von 359 Euro und anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 222,13 Euro. Ab November 2009 setzte der Kläger den Beklagten von verschiedenen Vergleichen in arbeitsgerichtlichen Verfahren in Kenntnis, aus denen er Entschädigungen empfangen habe, weil seine Bewerbungen bei verschiedenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften abgelehnt worden seien, ohne dabei seinen Status als Schwerbehinderten hinreichend zu berücksichtigen. Der Kläger teilte folgende Vergleichszahlungen mit:

3

- Arbeitsgericht Bonn, Az. 2 Ca 2521/09, Vergleich vom 30.10.2009: Zahlung von 3708 Euro, am 2.12.2009 dem Konto des Klägers gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Karlsruhe, Az. 6 Ca 540/09, Vergleich vom 25.11.2009: Zahlung von 1300 Euro, dem Konto des Klägers am 21.12.2009 gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Freiburg, Az. 10 Ca 217/09, Vergleich vom 12.1.2010: Zahlung von 1800 Euro, dem Konto des Klägers am 3.3.2010 gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Köln, Az. 15 Ca 7409/09, Vergleich vom 8.3.2010: Zahlung von 2900 Euro, dem Konto des Klägers am 1.4.2010 gutgeschrieben.
- Zahlung von 2300 Euro aufgrund einer außergerichtlichen Einigung wegen Ablehnung der Bewerbung des Klägers als Bibliothekar, der Betrag wurde dem Konto des Klägers am 6.12.2010 gutgeschrieben.
- Arbeitsgericht Köln, Az. 15 Ca 2227/10, Vergleich über eine Zahlung von 4000 Euro, dem Konto des Klägers am 17.12.2010 gutgeschrieben.

4

Der Beklagte bewertete diese aus den Vergleichen zugeflossenen Zahlungen als anrechenbares Einkommen des Klägers und berücksichtigte die Einnahmen jeweils verteilt auf zwölf Monate. Vorliegend geht es um die Berücksichtigung der bis zum 30.6.2010 zugeflossenen Zahlungen. Mit Bescheid vom 18.2.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger für Dezember 2009 unter teilweiser Aufhebung des Bewilligungsbescheides zunächst Leistungen in Höhe von 193,80 Euro. Er ging dabei - wie zuvor - von einem Bedarf des Klägers in Höhe von 581,13 Euro aus und berücksichtigte 417,33 Euro als Einkommen abzüglich einer Pauschale von 30 Euro für private Versicherungen. Mit Bescheid vom 27.5.2010 korrigierte der Beklagte die Leistungsbewilligung auf 302,13 Euro im Monat und berücksichtigte nur noch Einkommen des Klägers in Höhe von 309 Euro. Der dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.5.2010 als unbegründet zurückgewiesen, der Kläger hat daraufhin Klage erhoben.

5

Mit vorläufigem Bescheid vom 8.3.2010 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Monate Januar bis Juni 2010 zunächst wiederum Leistungen in Höhe von 193,80 Euro monatlich. Diese Leistungsbewilligung wurde, wie für den Monat Dezember 2009, auf 302,13 Euro endgültig festgesetzt, wobei wiederum Einkommen in Höhe von 309 Euro berücksichtigt wurde. Der insoweit eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid ebenfalls vom 28.5.2010 als unbegründet zurückgewiesen.

6

Nach Eingang der Zahlung von 1800 Euro am 3.3.2010 aus dem Rechtsstreit 10 Ca 217/09 vor dem Arbeitsgericht Freiburg und Eingang von 2900 Euro am 1.4.2010 aus dem Verfahren 15 Ca 7409/09 vor dem Arbeitsgericht Köln änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Monate Januar bis Juni 2010 nochmals ab. Zuletzt wurden mit Bescheid vom 2.6.2010 für die Monate Januar bis März 2010 152,13 Euro gewährt und weitere Leistungen für die Monate April bis Juni ganz versagt. Bei der Berechnung berücksichtigte der Beklagte die Summen aus den zuvor genannten Vergleichen und legte sie jeweils auf zwölf Monate um. Dagegen hat der Kläger nochmals Widerspruch eingelegt und sodann im Juni 2010 Klage erhoben.

7

Zuvor hatte er einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt, der vor dem Sozialgericht (SG) ohne Erfolg geblieben ist. Die eingelegte Beschwerde war bei dem Landessozialgericht (LSG) teilweise erfolgreich. Bei der erhaltenen Zahlung handele es sich um eine anrechnungsfreie Entschädigungsleistung für einen Nichtvermögensschaden wegen Missachtung der spezifischen Rechte als Schwerbehinderter im Bewerbungsverfahren. Das SG hat sodann die beiden zuvor genannten Klageverfahren verbunden und ist mit dem angegriffenen Urteil vom 14.7.2011 der Begründung des LSG gefolgt. Unter Abänderung der angefochtenen Bescheide hat es den Beklagten verurteilt, dem Kläger monatlich Leistungen in Höhe von 581,13 Euro zu gewähren. Von der Berücksichtigung als Einkommen seien gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF Einnahmen ausgenommen, soweit sie als Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geleistet werden. Es sei dabei davon auszugehen, dass es sich bei den zugeflossenen Summen aus den jeweiligen Vergleichen um Ausgleichszahlungen nach § 15 Abs 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) handele, die unter § 253 Abs 2 BGB zu fassen seien, weil Schmerzensgeld auch bei einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts gewährt werde.

8

Mit der von ihm eingelegten Sprungrevision macht der Beklagte geltend, die im Bedarfszeitraum vom 1.12.2009 bis 30.6.2010 zugeflossenen Vergleichszahlungen seien leistungsmindernd als Einkommen zu berücksichtigen. Das SG habe zu Unrecht ohne Weiteres unterstellt, dass es sich dabei jeweils um einen Anspruch aus § 15 Abs 2 AGG gehandelt habe. Tatsächlich sei den arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Feststellung zu entnehmen, ob und inwieweit überhaupt eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers im Sinne des AGG vorgelegen habe. Es handele sich damit um normale Vergleiche nach § 779 BGB. Selbst wenn Rechtsgrundlage sämtlicher geschlossener Vergleiche tatsächlich § 15 Abs 1 und 2 AGG sei, seien die Zahlungen auf dieser Grundlage dennoch nicht von der Einkommensberechnung auszunehmen. Dies sei nur ein Aspekt von mehreren, es sei deshalb auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Anrechnung von Abfindungszahlungen wegen Verlustes des Arbeitsplatzes abzustellen. Danach sei eine Berücksichtigung als Einkommen zulässig, obwohl den Vergleichszahlungen sowohl ein materieller als auch ein immaterieller Charakter zukomme. Schließlich scheitere eine Privilegierung selbst für den Fall, dass man die Einnahmen des Klägers als Entschädigung iS von § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF ansehe, an der sogenannten Gerechtfertigkeitsprüfung.

9

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 14. Juli 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält das Urteil des SG für zutreffend und verweist zusätzlich darauf, dass mit dem Verbot der Diskriminierung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch und der Einführung des AGG europarechtliche Vorgaben umgesetzt worden seien. § 15 AGG sei die zentrale Haftungsnorm wegen einer Verletzung des arbeitsrechtlichen Benachteiligungsverbots. Im Übrigen treffe es nicht zu, dass er es von vornherein darauf angelegt habe, Entschädigungszahlungen zu erhalten, er sei seit 2004 arbeitslos und bemühe sich seitdem ernsthaft um freigewordene Stellen.

Entscheidungsgründe

12

Die Sprungrevision des Beklagten ist zulässig (§ 161 Abs 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz) und im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und Verweisung an das LSG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 und 4 SGG) begründet. Der Senat konnte nicht abschließend entscheiden, denn es fehlt sowohl an ausdrücklichen Feststellungen hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) als auch an Feststellungen zur Angemessenheit der Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 SGB II, die nach dem Antrag des Klägers vor dem SG vom Streitgegenstand umfasst sind. Insbesondere hat das SG nicht ausreichend festgestellt, ob es sich bei den Zahlungen aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen um Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs 2 AGG gehandelt hat.

13

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 18.2.2010, mit dem Leistungen nach dem SGB II vom 1.10.2009 bis 31.12.2009 bewilligt worden sind, und der Änderungsbescheid vom 27.5.2010, mit dem die Leistungen abgesenkt wurden, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.5.2010, sowie der Bescheid vom 8.3.2010, mit dem vorläufig Leistungen für die Monate Januar bis Juni 2010 bewilligt worden sind, mit (endgültigem) Änderungsbescheid vom 17.3.2010, beide in Gestalt eines Widerspruchsbescheids ebenfalls vom 28.5.2010. Hinzu kommt ein weiterer während des Laufs der Klagefrist ergangener Änderungsbescheid vom 2.6.2010, nochmals betreffend die Monate Januar bis März 2010 und sodann April bis Juni 2010, für diese letzten drei Monate wurden keine Leistungen mehr bewilligt, weil aufgrund der Höhe des angerechneten Einkommens kein Leistungsanspruch verblieb. Diese Bescheide hat der Kläger in zulässiger Weise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage angegriffen (§ 54 Abs 4 SGG). Bei der Antragstellung ist allerdings ebenso wenig wie in der Tenorierung des SG berücksichtigt worden, dass von Dezember 2009 bis März 2010 jeweils Teilleistungen gewährt wurden, die von dem beantragten Betrag von 581,13 Euro in Abzug zu bringen gewesen wären. Dieser Betrag besteht aus der Regelleistung in Höhe von damals 359 Euro und offenbar unstreitigen und anerkannten Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 222,13 Euro. Es geht vorliegend um die Differenz zwischen dem Betrag von 581,13 Euro und den bewilligten Beträgen, die sich ergibt, wenn der Zahlungszufluss aus den arbeitsgerichtlichen Vergleichen anteilig als Einkommen berücksichtigt wird.

14

2. Ob der Beklagte die Zuflüsse aus den geschlossenen Vergleichen, soweit sie für den vorliegenden streitgegenständlichen Zeitraum vom 1.12.2009 bis zum 30.6.2010 maßgeblich sind, gemäß § 11 Abs 1 SGB II(in der bis zum 31.3.2011 unveränderten Fassung durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954, im Folgenden: SGB II aF) als Einkommen berücksichtigen durfte, konnte nicht abschließend entschieden werden.

15

Nach § 11 Abs 1 SGB II aF sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen bei der Leistungsberechnung zu berücksichtigen. Ausnahmen gibt es zum einen nach § 11 Abs 3 Nr 1 SGB II aF für die vorliegend ersichtlich nicht einschlägigen zweckbestimmten Einnahmen und für Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege. Darüber hinaus sind von der Berücksichtigung als Einkommen gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF nur Entschädigungen freigestellt, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs 2 BGB geleistet werden. Zu den Entschädigungen nach § 253 Abs 2 BGB zählen im Ergebnis auch auf der Grundlage von § 15 Abs 2 AGG geleistete Zahlungen.

16

a) Dies ergibt sich allerdings nicht aus der aktuellen zivilrechtlichen Systematik. Zum 1.8.2002 hat der Gesetzgeber in § 253 BGB einen einheitlichen Schmerzensgeldanspruch geschaffen, der bisherige Wortlaut wurde als Abs 1 vorangestellt, Abs 2 ersetzt § 847 BGB aF. Die Neuregelung bezweckte einen stärkeren Opferschutz (BT-Drucks 14/7752, S 14). Die Regelung gilt jedoch nur für die ausdrücklich in § 253 Abs 2 BGB aufgezählten Rechtsgüter; diese Aufzählung hat abschließenden Charakter (Oetker in Münchener Kommentar, BGB, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl 2007, § 253 RdNr 27). Damit sind von einer Entschädigung nach § 253 Abs 2 BGB nicht nur das Eigentum und diesem vergleichbar absolut geschützte Vermögensrechte ausgenommen, sondern auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, sofern dieses nicht über den Tatbestand der sexuellen Selbstbestimmung erfasst wird. Der Gesetzgeber ist damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gefolgt, der einen Anspruch auf Ersatz eines ideellen Schadens wegen einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ursprünglich auf eine Analogie zu § 847 BGB aF gestützt hatte. Später wurde ein Anspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedoch in ständiger Rechtsprechung unmittelbar aus § 823 BGB iVm Art 1 Abs 1 und Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) hergeleitet(vgl zB BGH, Urteil vom 5.10.2004 - VI ZR 255/03 - BGHZ 160, 298). Der Gesetzgeber hat § 253 Abs 2 BGB ausdrücklich nicht auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht erstreckt(BT-Drucks 14/7752, S 25). Soweit daher für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts Ersatz eines immateriellen Schadens verlangt wird, ist grundsätzlich weiter § 823 BGB iVm Art 1 Abs 1 und Art 2 Abs 1 GG unter Ausschluss des § 253 Abs 2 BGB Anspruchsgrundlage(Grüneberg in Palandt, BGB, 71. Aufl 2012, § 253 RdNr 10). Eine Entschädigungszahlung wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterliegt somit auch weiterhin den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen (Vieweg in jurisPK-BGB, § 253 RdNr 44 mit Bezug auf BVerfG, Beschluss vom 19.12.1991 - 1 BvR 382/85 - NJW 1992, 815, 816). Der Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, § 253 Abs 2 BGB bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts analog anzuwenden(vgl Oetker in Münchener Kommentar, BGB, Schuldrecht Allgemeiner Teil, 5. Aufl 2007, § 253 RdNr 27). Es sollte vielmehr bei diesem komplexen Rechtsgut die umfassende Prüfung mit Güter- und Interessenabwägung aufrechterhalten werden.

17

b) Der Gesetzgeber hat allerdings diesen aktuellen systematischen Ansatz aus dem zivilrechtlichen Bereich nicht in das Sozialrecht übernommen. Bereits zu Zeiten der Geltung des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) ist in den Materialien zum Entwurf von § 77 BSHG(BT-Drucks 7/308 vom 13.3.1973 S 17 zu Nr 24) festgehalten worden, dass "der neue Absatz 2 (des § 77 BSHG) den Anwendungsbereich des § 847 BGB insgesamt erfassen(soll), also auch die Fälle, in denen die Rechtsprechung in Anlehnung an § 847 BGB einen Schmerzensgeldanspruch zuerkennt …".

18

Für das SGB II strebte der Gesetzgeber keine Veränderung zur Rechtslage nach dem BSHG an, sondern lehnte sich ausdrücklich an die Regelungen der Einkommensberücksichtigung an, wie sie im Sozialhilferecht gegolten hatten. Im Entwurf des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (BT-Drucks 15/1516 vom 5.9.2003, S 53 zu § 11) heißt es im Hinblick auf die Ausnahmebestimmung in § 11 Abs 3 SGB II aF in der dortigen Fassung: "Absatz 3 orientiert sich ebenfalls am Sozialhilferecht und nimmt bestimmte Einnahmen wegen ihres Charakters oder der Zweckbestimmung von der Einkommensberücksichtigung aus." Ausgehend von dieser Willensbekundung des Gesetzgebers sollte sowohl die Auslegung von § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF als auch die nun ab dem 1.4.2011 geltende Vorschrift des § 11a Abs 2 SGB II nF, in der § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF aufgegangen ist, an die Vorgängernorm § 77 Abs 2 BSHG anknüpfen.

19

c) Entschädigungszahlungen nach § 15 Abs 2 AGG sind daher wegen der Entscheidung des Gesetzgebers, im Sozialrecht alle Schmerzensgeldansprüche gleich zu behandeln, auch dann unter § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF zu subsumieren, wenn der Anspruch auf einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität(§ 1 AGG)seitens des Arbeitgebers beruht und deshalb zivilrechtlich nicht unter § 253 Abs 2 BGB fallen würde(Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 6/2010, K § 11 RdNr 689; Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 1/2009, § 11 RdNr 68; Söhngen in jurisPK-SGB II, Stand 7/2009, § 11 RdNr 65; Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 11 RdNr 71).

20

Dies setzt allerdings voraus, dass eine Entschädigungszahlung nach § 15 Abs 2 AGG tatbestandlich vorliegt, dh dass die Voraussetzung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot positiv festgestellt worden ist(vgl Roloff in Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, Arbeitsrecht Kommentar 2008, § 15 AGG RdNr 6 und 8). Der Senat kann die rechtliche Bewertung im Revisionsverfahren nicht nachholen, da es an jeglichen tatsächlichen Feststellungen zu den Grundlagen und zum Inhalt der arbeitsgerichtlichen Vergleiche fehlt. Die Aussage des SG, "nach dem Hintergrund der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen und den in den Vergleichen gewählten Formulierungen" handele es sich bei den dem Kläger zugeflossenen Zahlungen um Schadensersatz für Nichtvermögensschäden wegen der Missachtung seiner spezifischen Rechte als Schwerbehinderter im Bewerbungsverfahren, lässt nicht erkennen, an welche Feststellungen das SG seine Wertung anknüpft. Wird in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich die Zahlung eines Geldbetrages vereinbart, so kann dies nur dann als eine gemäß § 11 Abs 3 Nr 2 SGB II aF von der Berücksichtigung als Einkommen freizustellende Entschädigung nach § 15 Abs 2 AGG gewertet werden, wenn dieser Rechtsgrund im arbeitsgerichtlichen Vergleich zum Ausdruck gekommen ist und der Vergleich nicht lediglich zur Beseitigung der Ungewissheit über den Ausgang des Verfahrens abgeschlossen wurde.

21

d) Ergeben die weiteren Feststellungen, dass sich den maßgebenden Vergleichen nicht entnehmen lässt, dass sie im Hinblick auf die Regelung in § 15 Abs 2 AGG geschlossen wurden, so sind die Zahlungen an den Kläger ab dem jeweiligen Zuflussmonat als Einkommen gemäß § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II aF zu berücksichtigen und gemäß § 2 Abs 4 Arbeitslosengeld II-Verordnung in der Fassung vom 18.12.2008 (BGBl I 2780) auf einen angemessenen Zeitraum zu verteilen (BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 15; Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R) wie dies bereits im Hinblick auf die in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes (BSG Urteil vom 3.3.2009 - B 4 AS 47/08 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 24) bzw in Bezug auf Nachzahlungen von Arbeitsentgelt und Abfindung in Raten aus einem arbeitsgerichtlichen Vergleich (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 86/08 R) entschieden worden ist.

22

Das LSG wird schließlich noch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Die Partei hat ihr Einkommen einzusetzen. Zum Einkommen gehören alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Von ihm sind abzusetzen:

1.
a)
die in § 82 Abs. 2 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bezeichneten Beträge;
b)
bei Parteien, die ein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, ein Betrag in Höhe von 50 vom Hundert des Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
2.
a)
für die Partei und ihren Ehegatten oder ihren Lebenspartner jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für den alleinstehenden oder alleinerziehenden Leistungsberechtigten vom Bund gemäß der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
b)
bei weiteren Unterhaltsleistungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht für jede unterhaltsberechtigte Person jeweils ein Betrag in Höhe des um 10 vom Hundert erhöhten Regelsatzes, der für eine Person ihres Alters vom Bund gemäß den Regelbedarfsstufen 3 bis 6 nach der Anlage zu § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch festgesetzt oder fortgeschrieben worden ist;
3.
die Kosten der Unterkunft und Heizung, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den Lebensverhältnissen der Partei stehen;
4.
Mehrbedarfe nach § 21 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und nach § 30 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch;
5.
weitere Beträge, soweit dies mit Rücksicht auf besondere Belastungen angemessen ist; § 1610a des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt entsprechend.
Maßgeblich sind die Beträge, die zum Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gelten. Soweit am Wohnsitz der Partei aufgrund einer Neufestsetzung oder Fortschreibung nach § 29 Absatz 2 bis 4 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch höhere Regelsätze gelten, sind diese heranzuziehen. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz gibt bei jeder Neufestsetzung oder jeder Fortschreibung die maßgebenden Beträge nach Satz 3 Nummer 1 Buchstabe b und Nummer 2 und nach Satz 5 im Bundesgesetzblatt bekannt. Diese Beträge sind, soweit sie nicht volle Euro ergeben, bis zu 0,49 Euro abzurunden und von 0,50 Euro an aufzurunden. Die Unterhaltsfreibeträge nach Satz 3 Nr. 2 vermindern sich um eigenes Einkommen der unterhaltsberechtigten Person. Wird eine Geldrente gezahlt, so ist sie an Stelle des Freibetrages abzusetzen, soweit dies angemessen ist.

(2) Von dem nach den Abzügen verbleibenden Teil des monatlichen Einkommens (einzusetzendes Einkommen) sind Monatsraten in Höhe der Hälfte des einzusetzenden Einkommens festzusetzen; die Monatsraten sind auf volle Euro abzurunden. Beträgt die Höhe einer Monatsrate weniger als 10 Euro, ist von der Festsetzung von Monatsraten abzusehen. Bei einem einzusetzenden Einkommen von mehr als 600 Euro beträgt die Monatsrate 300 Euro zuzüglich des Teils des einzusetzenden Einkommens, der 600 Euro übersteigt. Unabhängig von der Zahl der Rechtszüge sind höchstens 48 Monatsraten aufzubringen.

(3) Die Partei hat ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. § 90 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.

(4) Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.

(1) Einzusetzen ist das gesamte verwertbare Vermögen.

(2) Die Sozialhilfe darf nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder von der Verwertung

1.
eines Vermögens, das aus öffentlichen Mitteln zum Aufbau oder zur Sicherung einer Lebensgrundlage oder zur Gründung eines Hausstandes erbracht wird,
2.
eines nach § 10a oder Abschnitt XI des Einkommensteuergesetzes geförderten Altersvorsorgevermögens im Sinne des § 92 des Einkommensteuergesetzes; dies gilt auch für das in der Auszahlungsphase insgesamt zur Verfügung stehende Kapital, soweit die Auszahlung als monatliche oder als sonstige regelmäßige Leistung im Sinne von § 82 Absatz 5 Satz 3 erfolgt; für diese Auszahlungen ist § 82 Absatz 4 und 5 anzuwenden,
3.
eines sonstigen Vermögens, solange es nachweislich zur baldigen Beschaffung oder Erhaltung eines Hausgrundstücks im Sinne der Nummer 8 bestimmt ist, soweit dieses Wohnzwecken von Menschen mit einer wesentlichen Behinderung oder einer drohenden wesentlichen Behinderung (§ 99 Absatz 1 und 2 des Neunten Buches) oder von blinden Menschen (§ 72) oder pflegebedürftigen Menschen (§ 61) dient oder dienen soll und dieser Zweck durch den Einsatz oder die Verwertung des Vermögens gefährdet würde,
4.
eines angemessenen Hausrats; dabei sind die bisherigen Lebensverhältnisse der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
5.
von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Berufsausbildung oder der Erwerbstätigkeit unentbehrlich sind,
6.
von Familien- und Erbstücken, deren Veräußerung für die nachfragende Person oder ihre Familie eine besondere Härte bedeuten würde,
7.
von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, insbesondere wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienen und deren Besitz nicht Luxus ist,
8.
eines angemessenen Hausgrundstücks, das von der nachfragenden Person oder einer anderen in den § 19 Abs. 1 bis 3 genannten Person allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden soll. Die Angemessenheit bestimmt sich nach der Zahl der Bewohner, dem Wohnbedarf (zum Beispiel behinderter, blinder oder pflegebedürftiger Menschen), der Grundstücksgröße, der Hausgröße, dem Zuschnitt und der Ausstattung des Wohngebäudes sowie dem Wert des Grundstücks einschließlich des Wohngebäudes,
9.
kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte; dabei ist eine besondere Notlage der nachfragenden Person zu berücksichtigen,
10.
eines angemessenen Kraftfahrzeuges.

(3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Dies ist bei der Leistung nach dem Fünften bis Neunten Kapitel insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.

(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.

(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.

(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. August 2014 - 4 Sa 402/14 - aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zu zahlen.

2

Der 1953 geborene Kläger ist promoviert und als Einzelanwalt in Regensburg schwerpunktmäßig in den Bereichen Arbeitsrecht, Arztrecht, Arzthaftungsrecht, Medizinrecht, Erbrecht, Familienrecht, Forderungsbeitreibung, Mietrecht, Strafrecht und Zivilrecht tätig. In den Jahren 1979 und 1983 absolvierte er die beiden juristischen Staatsprüfungen in Baden-Württemberg jeweils mit der Note befriedigend (7 Punkte).

3

Die Beklagte ist eine in England und Wales eingetragene Limited Liability Partnership (LLP). In Deutschland unterhält sie Standorte in D, F, M sowie H. Im März 2013 veröffentlichte die Beklagte in der Printausgabe der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) eine Stellenanzeige mit folgendem Inhalt:

        

Bird&Bird&You

        

Banking & Finance

        

F - 3 bis 5 Jahre Berufserfahrung

        

Commercial Contracts

        

F - 3 bis 5 Jahre Berufserfahrung

        

IP / Medien

        

H - bis zu 2 Jahre Berufserfahrung

                 
        

IT    

        

D, F & M - Berufseinsteiger sowie bis zu 5 Jahre Berufserfahrung

        

Patentrecht

        

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Für unsere vier deutschen Standorte suchen wir ab sofort Rechtsanwälte (m/w)

        

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Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!

        

Senden Sie uns bitte Ihre vollständigen Bewerbungsunterlagen (Anschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse) per E-Mail.

        

…“    

4

Der Kläger bewarb sich mit E-Mail vom 21. März 2013 auf diese Stellenanzeige und fügte seine Bewerbungsunterlagen bei. In der E-Mail heißt es:

        

„...   

        

ich bewerbe mich auf Ihre Stellenanzeige. Ich bin seit 1988 hier in R als Rechtsanwalt tätig, jedoch im Prinzip örtlich ungebunden. Ich habe, wie aus den beigefügten Bewerbungsunterlagen ersichtlich, zwei Prädikatsexamen und bin darüber hinaus promoviert.

        

Die von Ihnen genannten Rechtsgebiete kenne ich bereits aus meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt und habe z. T. auch schon darin gearbeitet (IT, IP/Medien).

        

Sehr gute Englisch- und MSOffice-Kenntnisse sind selbstverständlich.

        

Ich freue mich, demnächst von Ihnen zu hören.

        

Mit freundlichen Grüßen

        

…“    

5

In einer E-Mail vom 26. März 2013 teilte die Mitarbeiterin R der Beklagten dem Kläger unter Bezugnahme auf dessen Bewerbung mit:

        

„…    

        

Wir haben Ihre Bewerbungsunterlagen sorgfältig geprüft. Leider können wir Ihnen zum aktuellen Zeitpunkt keine passende Position in unserem Hause anbieten. Mit Ihrem Einverständnis werden wir Ihre Eckdaten in unserem Haus behalten, um bei einer möglicherweise für Sie interessanten Vakanz erneut auf Sie zukommen zu können.

        

…“    

6

Mit Schreiben vom 27. März 2013 forderte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung und Schadensersatz. In diesem Schreiben heißt es:

        

„… ich hatte mich mit Schreiben vom 21. März 2013 unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen auf die von Ihnen in der NJW ausgeschriebene Stelle als Rechtsanwalt beworben. Mit Schreiben vom 26. März 2013 haben Sie mir mitgeteilt, daß man mir aktuell keine passende Position anbieten könne.

        

Die Behandlung meiner Bewerbung erfolgte ganz offensichtlich unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 AGG. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen ihres Alters oder wegen eines anderen in § 1 genannten Grundes benachteiligen. Das gilt auch für Stellenbewerber (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AGG). Daß Sie gegen diese Vorschrift verstoßen haben, belegt bereits ein Blick in die Stellenanzeige, wo ganz offen gesagt wird, man suche ‚Berufseinsteiger‘ bzw. Kollegen mit maximal ‚5 Jahre Berufserfahrung‘, also wesentlich jüngere Bewerber als mich mit 30 Jahren Berufserfahrung.

        

Sie schulden demnach eine Entschädigung und Schadensersatz nach § 15 AGG. Mangels genauer Kenntnis der näheren Umstände und der von Ihnen gezahlten Gehälter etc. können diese Forderungen derzeit nur geschätzt werden. Insoweit fordere ich eine angemessene Entschädigung in Höhe von 10.000,00 EUR und Schadensersatz in Höhe von 50.000,00 EUR. Hinzu kommen meine unten berechneten Rechtsanwaltsgebühren, so daß bis spätestens

        

Mittwoch, den 10. April 2013

        

insgesamt (10.000,00 EUR+50.000,00 EUR

        

+1.761,08 EUR)

        

61.761,08 EUR

        

auf mein Konto bei der Sparkasse R Nr. (BLZ:) zu zahlen sind andernfalls ich ohne Weiteres Klage erheben werde.

        

Sollte der oben genannte Betrag pünktlich gezahlt werden, werde ich keine weiteren Forderungen mehr geltend machen, was hiermit ausdrücklich versichert wird.

        

Für den Fall der Fristversäumung fordere ich Sie bereits jetzt auf, Auskunft über die eingestellten Bewerber und deren Qualifikation sowie deren Bezahlung zu erteilen.

        

…“    

7

Die Beklagte erwiderte hierauf mit Schreiben vom 3. April 2013:

        

„…    

        

Es ist bereits unzutreffend, dass die Entscheidung, Ihnen kein Bewerbungsgespräch anzubieten, Ausdruck einer irgendwie nach dem AGG verbotenen Diskriminierung wäre. Frau R hat in Ihrem Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir, Ihr Einverständnis vorausgesetzt, zukünftig bei einer interessanten Vakanz erneut auf Sie zukommen.

        

Demzufolge liegt bereits keine diskriminierende Entscheidung vor, die nach dem AGG zu einem Schadensausgleich verpflichten würde.

        

Unabhängig davon vermögen wir aber auch nicht zu erkennen, wodurch Sie hinreichend im Sinne des § 22 AGG Indizien vorgetragen haben wollen, die Ihre Schlussfolgerung rechtfertigen.

        

Einen Anlass zur Zahlung der von Ihnen begehrten Summe vermögen wir daher nicht zu erkennen.

        

…“    

8

Mit seiner am 23. April 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 30. April 2013 zugestellten Klage hat der Kläger zunächst Auskunft über die Jahresvergütung der in der NJW ausgeschriebenen Stelle sowie Zahlung einer Entschädigung und Schadensersatz in Höhe der erteilten Auskunft nebst Zinsen begehrt. Mit Schriftsatz vom 9. September 2013 hat er den Auskunftsantrag zurückgenommen und sein Begehren auf die Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beschränkt. Die auf der ausgeschriebenen Stelle erzielbare Jahresvergütung hat er mit 60.000,00 Euro beziffert.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Ablehnung seiner Bewerbung beruhe auf einer Benachteiligung wegen seines Alters. Die Stellenanzeige, mit der mehrere Stellen ausgeschrieben worden seien, sei ausdrücklich an „Berufseinsteiger“ bzw. Kollegen mit maximal „5 Jahre Berufserfahrung“ gerichtet gewesen. Dieser Umstand begründe die Vermutung, dass er wegen seines Alters benachteiligt worden sei. Er sei auch objektiv für die ausgeschriebenen Stellen geeignet gewesen, die er bei diskriminierungsfreier Auswahl hätte erhalten müssen, da er promoviert sei und zwei Prädikatsexamina sowie jahrzehntelange Berufserfahrung vorzuweisen habe. Seinem Entschädigungsanspruch stehe auch nicht der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegen. Eine Vielzahl von Bewerbungen und Entschädigungsklagen lasse nicht den Schluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung zu. Zwar bewerbe er sich systematisch auf Stellenanzeigen, aber nicht, um sich auf Altersdiskriminierung zu berufen, sondern um eine faire Bewerbungschance zu erhalten. Diese werde ihm insbesondere von großen (Anwalts-)Firmen verwehrt, die offenbar meinten, dass für sie ein anderes Recht gelte als für alle anderen.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine angemessene Entschädigung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. April 2013 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, das Entschädigungsverlangen des Klägers sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt. Die Bewerbung des Klägers sei nicht ernsthaft, dieser sei an der Stelle nicht interessiert gewesen. Dies zeige sich bereits daran, dass seine Bewerbung nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bewerbung entsprochen habe. Sie habe weder erkennen lassen, auf welche der acht ausgeschriebenen Stellen noch für welchen Standort der Kläger sich beworben habe. Ebenso wenig habe er einen möglichen Eintrittstermin genannt und angeben, was ihn für welche Stelle qualifiziere und warum er einen Wechsel in ein Angestelltenverhältnis anstrebe. Ferner sei zu berücksichtigen, dass der Kläger unmittelbar nach Erhalt der Absage Schadensersatz und Entschädigung iHv. 60.000,00 Euro sowie die Zahlung seiner eigenen Rechtsanwaltsgebühren gefordert habe. Auffällig sei auch, dass er nicht nur sie, die Beklagte, auf Schadensersatz und Entschädigung wegen angeblicher Diskriminierung in Anspruch nehme, sondern eine Vielzahl gleichgelagerter Prozesse gegen andere potentielle Arbeitgeber führe. Aus dem Text der Stellenausschreibung ergebe sich kein Indiz für eine Diskriminierung des Klägers wegen seines Alters. Die Formulierungen in der Stellenausschreibung knüpften weder unmittelbar noch mittelbar an das Lebensalter an. Der Umfang der Berufserfahrung sage nichts über das Lebensalter aus. Eine kurze Berufserfahrung könne auch eine Person aufweisen, die ungewöhnlich lange studiert oder erst in vorgerücktem Alter ihren Abschluss gemacht habe. Zudem sei eine etwaige Benachteiligung durch ein legitimes Ziel und die Wahl verhältnismäßiger Mittel gerechtfertigt. Sie habe mit der Ausschreibung bewusst Interessenten mit einer kürzeren Berufserfahrung ansprechen wollen, um so zugunsten einer ausgewogenen und wirtschaftlich sinnvollen Unternehmensstruktur die Gruppe der Berufseinsteiger zu erweitern. Die Berufserfahrenheit eines Anwalts spiegele sich im Stundensatz für die Abrechnung gegenüber dem Mandanten wieder. Mit einer ausgewogenen Struktur von berufserfahrenen Anwälten mit höheren Stundensätzen und Berufseinsteigern mit - im Vergleich zu diesen - geringeren Stundensätzen, werde dem Mandanten ein angemessener Dienst geboten, der spezifisch abgerechnet werden könne. Diese Mischung sei Teil ihrer Unternehmensstruktur.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Entschädigungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist zulässig und begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Berufung des Klägers nicht zurückgewiesen werden. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 561 ZPO). Ob und ggf. in welchem Umfang die zulässige Klage begründet ist, kann vom Senat aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden; den Parteien ist zudem Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

14

A. Die Revision ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht eingelegt worden.

15

I. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 ArbGG beträgt die Frist für die Einlegung der Revision einen Monat. Sie beginnt gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 ArbGG mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Ausweislich des vom - sich selbst vertretenden - Kläger zurückgereichten Empfangsbekenntnisses wurde diesem das in vollständiger Form abgefasste Urteil des Landesarbeitsgerichts am 20. November 2014 zugestellt. Die Revision des Klägers ist am 18. Dezember 2014, und damit fristgerecht beim Bundesarbeitsgericht eingegangen.

16

II. Der Umstand, dass ein früherer Zustellversuch gegen Empfangsbekenntnis wegen eines Umzugs des Klägers mit seiner Rechtsanwaltspraxis scheiterte und dieses Empfangsbekenntnis, mit Poststempel vom 12. November 2014 versehen, mit der Bemerkung an das Landesarbeitsgericht zurückging „Empfänger verzogen nach R“, führt entgegen der Rechtsauffassung der Beklagen nicht dazu, dass von einem früheren Zustellungszeitpunkt auszugehen wäre.

17

1. Anders als die Beklagte meint, folgt aus § 14 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) - unabhängig davon, ob der Prozessbevollmächtigte alles Erforderliche getan hat, um die Zustellung gerichtlicher Schriftstücke sicherzustellen - keine Zustellungsfiktion. Zwar hat der Rechtsanwalt nach dieser Bestimmung ordnungsgemäße Zustellungen entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit dem Datum versehen unverzüglich zu erteilen; verweigert er bei einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung die Mitwirkung, muss er dies dem Absender unverzüglich mitteilen. Allerdings richtet sich die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung allein nach den Vorschriften des einschlägigen Zustellungsrechts (BeckOK BORA/Römermann/Günther Stand 1. Juni 2016 BORA § 14 Rn. 2).

18

2. Auch aus § 179 Satz 3 ZPO, wonach mit der Annahmeverweigerung das Schriftstück als zugestellt gilt, folgt kein früherer Zustellungszeitpunkt. § 179 ZPO findet auf die Zustellung nach § 174 ZPO keine Anwendung. Dort, wo - wie bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis - die Äußerung des Willens, das Schriftstück zur Zustellung anzunehmen (Empfangsbereitschaft) zwingende Voraussetzung der wirksamen Zustellung ist und der Anwalt - jedenfalls nach Verfahrensrecht - nicht verpflichtet ist, eine Zustellung nach § 174 Abs. 1 ZPO entgegenzunehmen, kommt § 179 ZPO nicht zur Anwendung(vgl. MüKoZPO/Häublein 5. Aufl. § 179 Rn. 2). Der Rechtsanwalt muss daher vom Zugang des zuzustellenden Schriftstücks Kenntnis erlangen, bevor er es als zugestellt annehmen kann (MüKoZPO/Häublein aaO § 174 Rn. 6).

19

3. Der Kläger muss sich schließlich entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) so behandeln lassen, als sei die Zustellung bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgt.

20

Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) kann zwar grundsätzlich auch im Recht der Zustellung begründet sein (vgl. Staudinger/Looschelders/Olzen (2015) § 242 BGB Rn. 1133; BGH 7. Oktober 2010 - V ZB 37/10 - Rn. 17; 28. April 2008 - II ZR 61/07 - Rn. 2 ff.; 26. Oktober 1971 - X ZB 15/71 - zu B III 2 f der Gründe, BGHZ 57, 160). Es kann vorliegend dahinstehen, ob der Rechtsmissbrauchseinwand auch bei einer Zustellung nach § 174 ZPO in Betracht kommt. Jedenfalls reicht es für die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung nicht aus, wenn der Rechtsanwalt dem Gericht eine neue Anschrift nicht mitteilt, während ein Nachsendeauftrag läuft. In einem solchen Fall spricht gerade nichts dafür, dass der Rechtsanwalt zielgerichtet versucht hat, eine Zustellung, mit der er sicher rechnen musste, zu verhindern (vgl. BGH 7. Oktober 2010 - V ZB 37/10 - Rn. 17). Anhaltspunkte, die im vorliegenden Verfahren ausnahmsweise eine andere Beurteilung gebieten könnten, hat die Beklagte nicht vorgetragen.

21

B. Die Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte die Klage nicht abgewiesen werden.

22

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, ein etwaiger Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt. Die Gesamtschau aller Umstände begründe die Überzeugung der Kammer, dass der Kläger sich nicht ernstlich auf eine der ausgeschriebenen Stellen beworben habe, sondern dass er es von vornherein allein auf eine Entschädigung bzw. auf Schadensersatz abgesehen habe. Es sei bereits im Ausgangspunkt eher unwahrscheinlich, dass sich ein Rechtsanwalt mit alteingesessener Kanzlei in R im Alter von 57 Jahren ernstlich auf eine der ausgeschriebenen Stellen in F, H, D oder M mit den dort ausgewiesenen Fachgebieten bewerbe. Der Kläger habe hierzu nichts erklärt. Gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers spreche ferner die Vielzahl der von ihm betriebenen Diskriminierungsklagen auf vergleichbare Stellenanzeigen anderer Anwaltskanzleien. Zwar sei die genaue Anzahl der Prozesse der Kammer nicht bekannt. Eine Recherche in Juris habe allerdings ergeben, dass er drei weitere Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten Berlin-Brandenburg und Hamburg geführt habe bzw. führe. Eine vierte Diskriminierungsklage sei vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf anhängig gewesen; diese habe sich anderweitig erledigt. Bei diesem Bild spreche eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass sich der Kläger gezielt auf Stellenausschreibungen bewerbe, die Anhaltspunkte für eine Diskriminierung böten, ohne an der jeweils angebotenen Stelle ernsthaft interessiert zu sein. Diese Einschätzung werde durch das Verhalten des Klägers nach der Ablehnung seiner Bewerbung bestätigt. Dieser habe sofort ein Geltendmachungsschreiben an die Beklagte gerichtet, in welchem er seine Diskriminierung wegen des Alters gerügt und neben Schadensersatz iHv. 10.000,00 Euro eine Entschädigung von 50.000,00 Euro gefordert habe zuzüglich des Ausgleichs seiner Kostennote. Diese zügige Reaktion spreche für ein vorbereitetes und vorbedachtes Handeln. Das Bewerbungsschreiben des Klägers runde schließlich das Bild ab. Der Kläger habe in diesem Schreiben keinerlei Erklärungen zu seiner Motivlage abgegeben.

23

II. Mit dieser Begründung durfte die Berufung des Klägers nicht zurückgewiesen werden. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Voraussetzungen des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands (§ 242 BGB) seien im vorliegenden Verfahren erfüllt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

24

1. Zwar wäre das Entschädigungsverlangen des Klägers nach § 15 Abs. 2 AGG - entgegen dessen Rechtsansicht - dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand(§ 242 BGB)ausgesetzt, sofern dieser sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

25

a) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. etwa BAG 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 44; 21. Oktober 2014 - 3 AZR 866/12 - Rn. 48; 23. November 2006 - 8 AZR 349/06 - Rn. 33; BGH 6. Februar 2002 - X ZR 215/00 - zu I 2 c der Gründe; 6. Oktober 1971 - VIII ZR 165/69 - zu I der Gründe, BGHZ 57, 108). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor(etwa BGH 28. Oktober 2009 - IV ZR 140/08 - Rn. 21).

26

Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen, die den - rechtshindernden - Einwand des Rechtsmissbrauchs begründen, trägt nach den allgemeinen Regeln der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast derjenige, der diesen Einwand geltend macht (vgl. ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 26; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 37; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 54).

27

b) Danach hätte der Kläger die Rechtsstellung als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig erworben mit der Folge, dass die Ausnutzung dieser Rechtsposition rechtsmissbräuchlich wäre, wenn er sich nicht beworben haben sollte, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihm darum gegangen sein sollte, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen(vgl. etwa BAG 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 53 mwN; vgl. auch BVerwG 3. März 2011 - 5 C 16.10 - Rn. 33, BVerwGE 139, 135).

28

Nach § 1 AGG ist es das Ziel des AGG, in seinem Anwendungsbereich Benachteiligungen aus den in dieser Bestimmung genannten Gründen zu verhindern oder zu beseitigen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG wird auch der Zugang zur Beschäftigung vom sachlichen Anwendungsbereich des AGG erfasst. Nach dieser Bestimmung sind Benachteiligungen aus einem in § 1 AGG genannten Grund nach Maßgabe des Gesetzes ua. unzulässig in Bezug auf die Bedingungen, einschließlich Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen, für den Zugang zu unselbstständiger und selbstständiger Erwerbstätigkeit. Aus diesem Grund fallen nicht nur Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG, sondern auch Bewerber/innen für ein Beschäftigungsverhältnis gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG unter den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes, sie gelten danach als Beschäftigte iSv. § 6 Abs. 1 Satz 1 AGG.

29

Bereits mit diesen Bestimmungen des AGG hat der nationale Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nur derjenige den Schutz des AGG vor Diskriminierung einschließlich der in § 15 AGG geregelten Ersatzleistungen für sich beanspruchen kann, der auch tatsächlich Schutz vor Diskriminierung beim Zugang zur Erwerbstätigkeit sucht und dass hingegen eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, sich nicht auf den durch das AGG vermittelten Schutz berufen kann; sie kann nicht Opfer einer verbotenen Diskriminierung sein mit der Folge, dass ihr die in § 15 AGG vorgesehenen Sanktionen mit abschreckender Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber(vgl. etwa EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63) zugutekommen müssten. Eine Person, die ihre Position als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG treuwidrig herbeiführt, missbraucht vielmehr den vom AGG gewährten Schutz vor Diskriminierung.

30

c) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB auch keinen unionsrechtlichen Bedenken(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

31

aa) Das Verbot des Rechtsmissbrauchs ist ein anerkannter Grundsatz des Unionsrechts (vgl. ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 37; 28. Januar 2016 - C-50/14 - [CASTA ua.] Rn. 65). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Unionsrecht nicht gestattet (etwa EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 55 mwN; 9. März 1999 - C-212/97 - [Centros] Rn. 24, Slg. 1999, I-1459; 2. Mai 1996 - C-206/94 - [Paletta] Rn. 24, Slg. 1996, I-2357).

32

bb) Dabei ergeben sich aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den Voraussetzungen, unter denen Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, vergleichbar strenge Anforderungen wie nach deutschem Recht.

33

Die Feststellung einer missbräuchlichen Praxis verlangt das Vorliegen eines objektiven und eines subjektiven Elements. Hinsichtlich des objektiven Elements muss sich aus einer Gesamtwürdigung der objektiven Umstände ergeben, dass trotz formaler Einhaltung der in der betreffenden Unionsregelung vorgesehenen Bedingungen das Ziel dieser Regelung nicht erreicht wurde. In Bezug auf das subjektive Element muss aus einer Reihe objektiver Anhaltspunkte (ua. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 36 mwN) die Absicht ersichtlich sein, sich einen ungerechtfertigten Vorteil aus der Unionsregelung dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden (zu der hier einschlägigen Richtlinie 2000/78/EG vgl. EuGH 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 56 mwN; vgl. iÜ. etwa EuGH 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 31 ff.; 16. Oktober 2012 - C-364/10 - [Ungarn/Slowakei] Rn. 58; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 74 ff., Slg. 2006, I-1609; 21. Juli 2005 - C-515/03 - [Eichsfelder Schlachtbetrieb] Rn. 39, Slg. 2005, I-7355; 14. Dezember 2000 - C-110/99 - [Emsland-Stärke] Rn. 52 und 53, Slg. 2000, I-11569). Das Missbrauchsverbot ist allerdings nicht relevant, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils (etwa EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 40; 13. März 2014 - C-155/13 - [SICES ua.] Rn. 33; 21. Februar 2006 - C-255/02 - [Halifax ua.] Rn. 75, aaO). Die Prüfung, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer missbräuchlichen Praxis erfüllt sind, hat gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts zu erfolgen. Diese Regeln dürfen jedoch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigen (ua. EuGH 17. Dezember 2015 - C-419/14 - [WebMindLicenses] Rn. 65 mwN).

34

cc) Sowohl aus dem Titel, als auch aus den Erwägungsgründen und dem Inhalt und der Zielsetzung der Richtlinie 2000/78/EG folgt, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem dem Betroffenen ein wirksamer Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe - darunter das Alter - geboten wird(ua. EuGH 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 23; 8. September 2011 - C-297/10 und C-298/10 - [Hennigs und Mai] Rn. 49, Slg. 2011, I-7965). Ferner ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG - ebenso wie aus Art. 1 Satz 2 Buchst. a und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/54/EG -, dass diese Richtlinie für eine Person gilt, die eine Beschäftigung sucht und dies auch in Bezug auf die Auswahlkriterien und Einstellungsbedingungen für diese Beschäftigung (vgl. EuGH 19. April 2012 - C-415/10 - [Meister] Rn. 33).

35

Damit handelt eine Person, die mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen will mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen, auch nach Unionsrecht rechtsmissbräuchlich(vgl. EuGH 28. Juli 2016 - C-423/15 - [Kratzer] Rn. 35 ff.).

36

2. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Voraussetzungen des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands seien im vorliegenden Verfahren erfüllt, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

37

a) Die Würdigung der Tatsachengerichte, ob bei einer bestimmten Sachlage ein Verstoß gegen § 242 BGB und damit eine unzulässige Rechtsausübung vorliegt, ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt überprüfbar(vgl. etwa BAG 16. Oktober 2012 - 9 AZR 183/11 - Rn. 25, BAGE 143, 194; 19. August 2010 - 8 AZR 645/09 - Rn. 66; 9. Dezember 2009 - 10 AZR 850/08 - Rn. 34 mwN; 15. Juli 2009 - 5 AZR 867/08 - Rn. 31, BAGE 131, 215; BGH 7. Oktober 2015 - VIII ZR 247/14 - Rn. 25 mwN). Die Kontrolle durch das Bundesarbeitsgericht beschränkt sich darauf zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es sich bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die maßgebliche Rechtsnorm den Vorgaben von § 286 Abs. 1 ZPO entsprechend mit dem Prozessstoff umfassend auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und des Weiteren rechtlich möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt.

38

b) Das Berufungsurteil hält einer solchen eingeschränkten Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsbegriff des Rechtsmissbrauchs iSv. § 242 BGB verkannt und diese Bestimmung in einer Weise ausgelegt und angewandt, die das Benachteiligungsverbot des AGG und der Richtlinie 2000/78/EG zu unterlaufen geeignet ist. Die vom Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Umstände lassen weder jeweils für sich betrachtet noch in der Gesamtschau einen Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers zu.

39

aa) Dies gilt zunächst, soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, es sei bereits im Ausgangspunkt eher unwahrscheinlich, dass sich ein Rechtsanwalt mit alteingesessener Kanzlei in R im Alter von 57 Jahren ernstlich auf eine der ausgeschriebenen Stellen in F, H, D oder M mit den dort ausgewiesenen Fachgebieten bewerbe. Soweit das Landesarbeitsgericht im Alter des Klägers einen erheblichen Umstand gesehen hat, ist seine Würdigung bereits deshalb revisionsrechtlich zu beanstanden, weil das „Alter“ ein Grund iSv. § 1 AGG ist und das AGG Betroffene gerade auch vor einer Diskriminierung wegen dieses Grundes schützen will, weshalb sich eine Anknüpfung an das Alter des Klägers insoweit von vornherein verbietet. Auch der Umstand, dass der Kläger in R eine alteingesessene Rechtsanwaltskanzlei betreibt, während Stellen in F, H, D und M ausgeschrieben waren, ist von vornherein kein Umstand, aus dem auf ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen des Klägers geschlossen werden könnte. Dass ein bisher in eigener Kanzlei tätiger Anwalt - wie der Kläger - einen beruflichen Wechsel anstrebt, kann vielfältige Gründe haben, zB dass sich seine Tätigkeit als Einzelanwalt als nicht hinreichend auskömmlich oder sogar als Zuschussgeschäft erwiesen hatte und dass es ihm darum ging, für sich die Möglichkeit einer neuen beruflichen Betätigung mit einem gesicherten Einkommen zu eröffnen, auch wenn dies mit einem Ortswechsel verbunden war. Im Übrigen hatte der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben ausdrücklich darauf hingewiesen, im Prinzip örtlich ungebunden zu sein. Letztlich ist auch der Umstand, dass der Kläger sich auf Stellen mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten beworben hat, kein Anzeichen für einen Rechtsmissbrauch. Ein solches Verhalten kann ebenso dafür sprechen, dass der Kläger eine neue berufliche Herausforderung suchte und es ihm deshalb mit seiner Bewerbung bei der Beklagten ernst war.

40

bb) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts lassen sich dem Bewerbungsschreiben des Klägers vom 21. März 2013 ebenfalls keine objektiven Umstände entnehmen, die den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Klägers erlauben würden. Soweit das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, der Kläger sei in seinem Bewerbungsschreiben, das im Übrigen teilweise offenkundig fehlerhaft sei, nicht auf seine Motivlage für einen einschneidenden beruflichen Wechsel eingegangen, legt das Landesarbeitsgericht seiner Würdigung seine Vorstellungen darüber zugrunde, wodurch sich ein gutes, ansprechendes und erfolgversprechendes Bewerbungsschreiben auszeichnet. Wie viel „Mühe“ ein Bewerber sich mit seinem Bewerbungsschreiben gegeben hat, wie intensiv er auf die in der Stellenanzeige formulierten Anforderungen eingeht und wie eindringlich und überzeugend er ein Interesse an der ausgeschriebenen Stelle bekundet und erläutert hat, mag zwar ein Umstand sein, der für die konkrete Auswahlentscheidung des Arbeitgebers den Ausschlag geben kann. Es existiert hingegen weder ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass nur derjenige, der ein solches Bewerbungsschreiben verfasst, an der Stelle interessiert ist, noch der gegenteilige Erfahrungssatz, dass derjenige, dessen Bewerbungsschreiben diesen Vorgaben nicht entspricht, sich nur mit dem Ziel bewirbt, die formale Position des Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen zu können.

41

cc) Auch der Inhalt und der Zeitpunkt des Geltendmachungsschreibens des Klägers vom 27. März 2013 sowie die Umstände der späteren gerichtlichen Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG sind für sich betrachtet kein Beleg für ein fehlendes Interesse des Klägers an der Stelle. Eine zügige Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen verlangen schon die in § 15 Abs. 4 AGG sowie § 61b Abs. 1 ArbGG bestimmten Fristen. Soweit das Landesarbeitsgericht des Weiteren darauf abgestellt hat, der Kläger habe neben Schadensersatz iHv. 10.000,00 Euro eine Entschädigung iHv. 50.000,00 Euro verlangt, hat es seiner Würdigung einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt. Der Kläger hatte nicht Schadensersatz iHv. 10.000,00 Euro sowie Entschädigung iHv. 50.000,00 Euro geltend gemacht, sondern - umgekehrt - eine Entschädigung iHv. 10.000,00 Euro sowie Schadensersatz iHv. 50.000,00 Euro verlangt. Dabei ist er von einem erzielbaren Jahresverdienst iHv. 60.000,00 Euro, mithin von einem monatlichen Verdienst iHv. 5.000,00 Euro ausgegangen. Vor dem Hintergrund der in § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG getroffenen Regelung, wonach die Entschädigung bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen darf, hält sich eine Entschädigungsforderung iHv. zwei geschätzten Bruttomonatsverdiensten im üblichen Rahmen und kann nicht als überhöht angesehen werden. Soweit das Landesarbeitsgericht schließlich ausgeführt hat, der Kläger habe, obwohl die Beklagte in Aussicht gestellt habe, seine Daten für eine mögliche künftige Vakanz zu berücksichtigen, postwendend Entschädigung und Schadensersatz verlangt, verkennt es, dass die Beklagte dem Kläger bereits eine klare Absage erteilt hatte, weshalb der Kläger keine Veranlassung hatte, mit der Geltendmachung seiner Ansprüche zuzuwarten.

42

dd) Auch die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Entschädigungsanspruch des Klägers sei insbesondere deshalb dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt, weil dieser in vier weiteren Fällen im Wesentlichen gleichliegende Rechtsstreite anhängig gemacht habe, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die vom Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Umstände lassen nicht den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers zu, das auf der Annahme beruht, letztlich werde ein auskömmlicher „Ertrag“ verbleiben, weil die Beklagte - sei es bereits unter dem Druck des Geltendmachungsschreibens oder im Verlaufe des Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.

43

(1) Auf Rechtsmissbrauch kann nicht bereits daraus geschlossen werden, dass eine Person eine Vielzahl erfolgloser Bewerbungen versandt und mehrere Entschädigungsprozesse geführt hat oder führt (vgl. etwa BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 63; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 56 mwN; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 52, BAGE 131, 232). Ein solches Verhalten für sich betrachtet lässt sich ebenso damit erklären, dass ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der jeweiligen Stelle bestand und dass der/die Bewerber/in, weil er/sie sich entgegen den Vorgaben des AGG bei der Auswahl- und Besetzungsentscheidung diskriminiert sieht, mit der Entschädigungsklage zulässigerweise seine/ihre Rechte nach dem AGG wahrnimmt.

44

(2) Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Person sich häufig auf solche Stellenausschreibungen beworben hat, die Formulierungen, insb. Anforderungen enthalten, die mittelbar oder unmittelbar an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen und deshalb „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe die Stelle entgegen § 11 AGG, wonach ein Arbeitsplatz nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 AGG ausgeschrieben werden darf, ausgeschrieben. Dies folgt bereits daraus, dass der/die Bewerber/in auch in einem solchen Fall mit einer Entschädigungsklage grundsätzlich ein nicht unerhebliches Risiko eingeht, den Prozess zu verlieren und damit nicht nur keine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu erlangen, sondern auch mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden.

45

(a) Der Arbeitgeber schuldet einem/einer abgelehnten Bewerber/in eine Entschädigung nicht bereits deshalb, weil die Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und damit erst recht nicht allein deshalb, weil die Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben. Das Gesetz knüpft an einen Verstoß gegen § 11 AGG keine unmittelbaren Rechtsfolgen.

46

(b) Voraussetzung für den Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG ist vielmehr, dass der/die abgelehnte Bewerber/in entgegen § 7 Abs. 1 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde.

47

(aa) Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen des Alters. § 7 Abs. 1 AGG verbietet sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen ihres Alters, eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich.

48

(bb) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst allerdings nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Dafür ist es nicht erforderlich, dass der betreffende Grund iSv. § 1 AGG das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; es muss nicht - gewissermaßen als vorherrschender Beweggrund, Hauptmotiv oder „Triebfeder“ des Verhaltens - handlungsleitend oder bewusstseinsdominant gewesen sein; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung an einen Grund iSv. § 1 AGG anknüpft oder durch diesen motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt(vgl. etwa BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 34 mwN).

49

(aaa) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt nach § 22 AGG die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat. Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist(vgl. BAG 21. Juni 2012 - 8 AZR 364/11 - Rn. 33, BAGE 142, 158; 15. März 2012 - 8 AZR 37/11 - Rn. 65, BAGE 141, 48). Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12  - [Asociatia ACCEPT] Rn. 55 mwN; 10. Juli 2008 -  C-54/07  - [Feryn] Rn. 32 , Slg. 2008, I-5187; BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12  - Rn. 27 ). Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises (vgl. etwa BAG 18. September 2014 - 8 AZR 753/13 - Rn. 33). Der Arbeitgeber muss demnach Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben(vgl. etwa BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 58; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 45).

50

(bbb) Auch wenn eine Stellenausschreibung Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, begründet dies nicht ohne Weiteres die Vermutung, der/die Bewerber/in sei im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt worden. Eine solche Vermutung kann vielmehr nur dann bestehen, wenn die Stellenausschreibung gegen § 11 AGG verstößt. Dies ist indes bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine unmittelbare Benachteiligung wegen eines § 1 AGG genannten Grundes bewirken, dann nicht der Fall, wenn die Diskriminierung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG zulässig ist. Und bei Formulierungen, insb. Anforderungen in Stellenausschreibungen, die eine mittelbare Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes bewirken können, scheidet nach § 3 Abs. 2 AGG ein Verstoß gegen § 11 AGG dann aus, wenn die Anforderung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Obwohl § 11 AGG nach seinem Wortlaut nur auf § 7 Abs. 1 AGG verweist, muss die Bestimmung so ausgelegt werden, dass ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG nicht vorliegt, wenn die mögliche mittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 2 AGG oder die unmittelbare Benachteiligung nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG gerechtfertigt ist. Es ist kein Grund ersichtlich, warum Stellenausschreibungen strengeren Anforderungen unterliegen sollten, als dies bei allen anderen benachteiligenden Handlungen iSd. AGG der Fall ist.

51

(ccc) Aber auch dann, wenn die Stelle unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und die Vermutung besteht, dass der/die erfolglose Bewerber/in im Auswahl-/Stellenbesetzungsverfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt wurde, genügt dies nicht ohne Weiteres für eine erfolgreiche Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs. Dem Arbeitgeber bleibt es nämlich unbenommen, Tatsachen vorzutragen und ggf. zu beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.

52

(cc) Obgleich nicht zu verkennen ist, dass eine erfolglose Bewerbung auf eine Stellenausschreibung, die Formulierungen, insb. Anforderungen enthält, die mittelbar oder unmittelbar an einen der in § 1 AGG genannten Gründe anknüpfen und deshalb „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, der Arbeitgeber habe den Arbeitsplatz unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben, die Erfolgsaussichten einer späteren Entschädigungsklage erhöht, ist es keinesfalls ausgeschlossen, dass die Klage letztlich abgewiesen wird, weil der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen dem Grund iSv. § 1 AGG und der benachteiligenden Handlung nicht gegeben ist oder weil sich die mit der Ablehnung der Bewerbung verbundene unmittelbare Benachteiligung des Bewerbers/der Bewerberin iSv. § 3 Abs. 1 AGG nach §§ 8, 9 oder § 10 AGG als zulässig erweist.

53

(3) Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung des Umstands, dass selbst dann, wenn die Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen aufgrund anderer erfolgloser Bewerbungen rechtsmissbräuchlich (gewesen) sein sollte, dies nicht ohne Weiteres auch für die jeweils streitgegenständliche Entschädigungsklage gelten muss, sind an die Annahme des durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwands hohe Anforderungen zu stellen. Es müssen im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, die ausnahmsweise den Schluss auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten rechtfertigen. Dies kann in diesem Zusammenhang nur angenommen werden, wenn sich ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen der Person feststellen lässt, das auf der Erwägung beruht, bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise werde letztlich ein auskömmlicher „Gewinn“ verbleiben, weil der Arbeitgeber - sei es bereits unter dem Druck einer angekündigten Entschädigungsklage oder im Verlaufe eines Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.

54

(4) Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, der vom Kläger geltend gemachte Entschädigungsanspruch sei dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand ausgesetzt. Die bislang vom Landesarbeitsgericht festgestellten Umstände rechtfertigen nicht den Schluss, auch die Bewerbung des Klägers auf die von der Beklagten ausgeschriebenen Stellen und die sich an die Ablehnung anschließende Entschädigungsklage seien Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens des Klägers im Rahmen des unter Rn. 53 dargestellten „Geschäftsmodells“. Vielmehr verbleibt die „gute Möglichkeit“, dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse an dem Erhalt der Stelle hatte, und dass er mit der Erhebung der Entschädigungsklage zulässigerweise seine Rechte nach dem AGG wahrgenommen hat.

55

(a) Selbst wenn der Kläger sich häufig oder stets auf Stellen mit sehr unterschiedlichen Schwerpunkten beworben hat und bewirbt, rechtfertigt dies nicht den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers im oben beschriebenen Sinne. Ein solches Verhalten kann - wie unter Rn. 39 ausgeführt - ebenso dafür sprechen, dass es dem Kläger mit seiner Bewerbung bei der Beklagten ernst war, weil er aus seiner Tätigkeit als Einzelanwalt keine hinreichenden Einkünfte erzielen konnte und deshalb eine berufliche Veränderung in eine Festanstellung anstrebte oder dass er schlicht eine neue berufliche Herausforderung suchte.

56

(b) Auch der Umstand, dass der Kläger in anderen Fällen nach der Ablehnung seiner Bewerbung stets 60.000,00 Euro gefordert haben mag, stellt die Ernsthaftigkeit seiner Bewerbung bei der Beklagten nicht infrage. Zum einen ist die Annahme, der Kläger habe darauf spekuliert, die Beklagte sei nicht in der Lage, die Risiken eines Prozesses einzuschätzen und werde sich deshalb bereits durch das Geltendmachungsschreiben so sehr beeindrucken lassen, dass sie allein zur Vermeidung weiterer Kosten frühzeitig „klein beigibt“, in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem potentieller Arbeitgeber eine Rechtsanwaltskanzlei ist, fernliegend. Zudem hat der Kläger in seinem Geltendmachungsschreiben vom 27. März 2013 - wie unter Rn. 41 ausgeführt - eine Entschädigung iHv. zwei geschätzten Bruttomonatsverdiensten à 5.000,00 Euro, insgesamt mithin einen Betrag iHv. 10.000,00 Euro gefordert, was sich im durchaus üblichen Rahmen hält.

57

(c) Umstände, die im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung ggf. eine andere Beurteilung gebieten könnten, hat das Landesarbeitsgericht nicht festgestellt. Es gibt weder Feststellungen dazu, wie häufig der Kläger sich insgesamt auf Stellenausschreibungen beworben hat, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erweckten, die Stelle sei unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden, noch, wie arbeitgeberseitig auf ein Geltendmachungsschreiben des Klägers reagiert wurde, noch, wie der Kläger sich in den vier vom Landesarbeitsgericht festgestellten Entschädigungsprozessen prozessual verhalten hat. Bereits deshalb kommt es auf die Frage, ob der Kläger sich auch auf Stellenausschreibungen beworben hat, deren Inhalt keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung bot, nicht an.

58

C. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Klage sei unbegründet, stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

59

I. Der persönliche Anwendungsbereich des AGG ist eröffnet. Für den Kläger ergibt sich dies aus § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG.

60

Der Kläger ist als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis Beschäftigter iSd. AGG (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG). Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass er eine Bewerbung eingereicht hat. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG enthält einen formalen Bewerberbegriff. Soweit teilweise in der Rechtsprechung des Senats zusätzlich die „subjektive Ernsthaftigkeit der Bewerbung“ gefordert wurde (ua. BAG 18. Juni 2015 - 8 AZR 848/13 (A) - Rn. 24; 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 - Rn. 28; 21. Juli 2009 - 9 AZR 431/08 - Rn. 50, BAGE 131, 232; vgl. jedoch offenlassend oder entgegengesetzt ua.: BAG 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 51 bis 56; 19. August 2010 - 8 AZR 530/09 - Rn. 32), hält der Senat hieran nicht fest. Eine solche Voraussetzung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem durch ihn vermittelten Wortsinn, noch aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung oder ihrem Sinn und Zweck. Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft vielmehr die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB)den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat, weshalb der Ausnutzung dieser Rechtsposition der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegenstehen könnte (vgl. auch BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 25; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 18; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 24).

61

II. Der Kläger wurde dadurch, dass er von der Beklagten nicht eingestellt wurde, auch unmittelbar iSv. § 3 Abs. 1 AGG benachteiligt. Er hat eine ungünstigere Behandlung erfahren als der letztlich eingestellte Bewerber/die letztlich eingestellte Bewerberin.

62

III. Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch auch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG).

63

IV. Die Beklagte kann sich - entgegen ihrer Rechtsauffassung - gegenüber dem vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger sei wegen der nur mit der Note „befriedigend“ bestandenen Staatsexamina für die ausgeschriebene Stelle schon objektiv nicht geeignet.

64

1. Zwar befindet sich eine Person nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats nur dann in einer vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG, wenn sie für die ausgeschriebene Stelle „objektiv geeignet“ ist(vgl. etwa BAG 23. Januar 2014 - 8 AZR 118/13 - Rn. 18; 14. November 2013 - 8 AZR 997/12 - Rn. 29; 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 20 ff.; 21. Februar 2013 - 8 AZR 180/12 - Rn. 28, BAGE 144, 275; 16. Februar 2012 - 8 AZR 697/10 - Rn. 35; 13. Oktober 2011 - 8 AZR 608/10 - Rn. 26; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 37; ausdrücklich offengelassen neuerdings von BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 21; 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 29). Dies hat der Senat im Wesentlichen damit begründet, dass eine Benachteiligung nur angenommen werden könne, wenn eine Person, die an sich für die Tätigkeit geeignet sei, nicht ausgewählt oder nicht in Betracht gezogen worden sei. Könne hingegen auch ein objektiv ungeeigneter Bewerber immaterielle Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verlangen, stehe dies nicht im Einklang mit dem Schutzzweck des AGG, das nur vor ungerechtfertigter Benachteiligung schützen, nicht aber eine unredliche Gesinnung des (potentiellen) Arbeitgebers sanktionieren wolle.

65

2. An dieser Rechtsprechung hält der Senat allerdings nicht fest.

66

a) Wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ausgeführt hat, spricht gegen das Erfordernis der „objektiven Eignung“ bereits der Umstand, dass § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG den Entschädigungsanspruch für Personen, die „bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden“ wären, nicht ausschließt, sondern lediglich der Höhe nach begrenzt. Denn auch bei „benachteiligungsfreier Auswahl“ würden die Bewerber nicht eingestellt, denen die objektive Eignung für die zu besetzende Stelle fehlt.

67

b) Könnte nur ein „objektiv geeigneter“ Bewerber eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beanspruchen, würde dies auch dazu führen, dass ihm die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung - hier: durch die Richtlinie 2000/78/EG - verliehenen Rechte entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union(ua. EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23; vgl. auch BAG 26. Juni 2014 - 8 AZR 547/13 - Rn. 28) durch einen zu eng gefassten Vergleichsmaßstab praktisch unmöglich gemacht, jedenfalls aber übermäßig erschwert würde.

68

aa) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG würde den Entschädigungsprozess mit der schwierigen Abgrenzung der „objektiven Eignung“ von der „individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation“ belasten und dadurch die Wahrnehmung der durch das AGG und die Richtlinie 2000/78/EG verliehenen Rechte erschweren.

69

Insoweit hat der Senat in seiner Rechtsprechung stets ausgeführt, dass maßgeblich für die objektive Eignung nicht allein das formelle Anforderungsprofil sei, welches der Arbeitgeber erstellt habe, sondern dass es insoweit auf die Anforderungen ankomme, die der Arbeitgeber an einen Stellenbewerber zulässigerweise stellen dürfe. Der Arbeitgeber dürfe an den Bewerber keine Anforderungen stellen, die nach der im Arbeitsleben herrschenden Verkehrsanschauung durch die Erfordernisse der wahrzunehmenden Aufgaben unter keinem nachvollziehbaren Gesichtspunkt gedeckt seien (vgl. etwa BAG 26. September 2013 - 8 AZR 650/12 - Rn. 21 mwN; 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 38; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08  - Rn. 55). Die objektive Eignung sei allerdings zu unterscheiden von der individuellen fachlichen und persönlichen Qualifikation des Bewerbers, die nur als Kriterium der Auswahlentscheidung auf der Ebene der Kausalität zwischen Benachteiligung und Grund iSv. § 1 AGG eine Rolle spiele. Damit werde gewährleistet, dass der Arbeitgeber über den der Stelle zugeordneten Aufgabenbereich frei entscheiden könne, wie Art. 12 Abs. 1 GG es gebiete, aber nicht durch das Stellen hierfür nicht erforderlicher Anforderungen an Bewerber die Vergleichbarkeit der Situation selbst gestalten und den Schutz des AGG de facto beseitigen könne. Denn auch Bewerber, welche die auf der zu besetzenden Stelle auszuübenden Tätigkeiten grundsätzlich verrichten könnten, ohne aber jede Voraussetzung des Anforderungsprofils zu erfüllen, bedürften des Schutzes vor Diskriminierung, weil gerade Anforderungsprofile in Stellenanzeigen häufig Qualifikationen benennen, deren Vorhandensein der Arbeitgeber sich für den Idealfall zwar wünsche, die aber keinesfalls zwingende Voraussetzung einer erfolgreichen Bewerbung seien (vgl. etwa BAG 7. April 2011 - 8 AZR 679/09 - Rn. 39; 22. Juli 2010 - 8 AZR 1012/08 - Rn. 55).

70

bb) Das Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Anspruchstellers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG würde die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG aber auch aus einem anderen Grund übermäßig erschweren.

71

Wie der Senat in seinen Urteilen vom 20. Januar 2016 (- 8 AZR 194/14 - Rn. 19 ff.) sowie vom 22. Oktober 2015 (- 8 AZR 384/14 - Rn. 21 ff.) ebenfalls ausgeführt hat, kann die Frage, ob eine „vergleichbare Situation“ iSv. § 3 Abs. 1 AGG vorliegt, nicht ohne Vergleichsbetrachtung beantwortet werden. Denn an einer „vergleichbaren Situation“ würde es - soweit es um die „objektive Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers geht - nur dann fehlen, wenn diese/r die geforderte „objektive Eignung“ nicht aufweist, während andere Bewerber/innen, jedenfalls aber der/die ausgewählte Bewerber/in objektiv geeignet sind. Das aus dem Merkmal der vergleichbaren Situation abgeleitete Erfordernis der „objektiven Eignung“ des Bewerbers würde mithin zu einer Verengung des Vergleichsmaßstabs führen. Hierdurch würde die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG übermäßig erschwert. Dies gilt zunächst, soweit den/die Bewerber/in für das Vorliegen einer vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG die volle Darlegungs- und Beweislast treffen sollte. Dies gilt aber auch dann, wenn vor dem Hintergrund, dass dem/der Bewerber/in in der Regel nicht bekannt ist, wer sich außer ihm/ihr mit welcher Qualifikation/Eignung auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat und für welchen Bewerber/welche Bewerberin der potentielle Arbeitgeber sich entschieden hat und er/sie gegen diesen auch keinen dahingehenden Auskunftsanspruch hat (vgl. BAG 25. April 2013 - 8 AZR 287/08 - Rn. 56 unter Hinweis auf EuGH 19. April 2012 -  C-415/10  - [Meister]), von einer abgestuften Darlegungs- und Beweislast auszugehen wäre, wonach es ausreichen würde, wenn der/die Bewerber/in die objektive Eignung anderer Bewerber/innen oder des/der letztlich eingestellten Bewerbers/Bewerberin bestreitet mit der Folge, dass der Arbeitgeber dann jedenfalls zur objektiven Eignung dieser Personen substantiiert vorzutragen hätte. In diesem Fall würde der Prozess in der Regel mit einer aufwändigen Tatsachenfeststellung und Klärung der Eignung oder Nichteignung der anderen Bewerber/innen, jedenfalls aber des/der ausgewählten Bewerbers/Bewerberin belastet, ohne dass sich in den Bestimmungen des AGG und den unionsrechtlichen Vorgaben, insbesondere in denen der Richtlinie 2000/78/EG für die Zulässigkeit einer solchen Verengung des Vergleichsmaßstabs hinreichende Anhaltspunkte finden (vgl. BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 21; 22. Oktober 2015 - 8 AZR 384/14 - Rn. 23).

72

cc) Es kommt hinzu, dass das Erfordernis der „objektiven Eignung“ der/des Bewerberin/Bewerbers als Kriterium der vergleichbaren Situation iSv. § 3 Abs. 1 AGG die Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs aus § 15 Abs. 2 AGG dann nahezu praktisch unmöglich machen würde, wenn diese/r die/der einzige Bewerber/in um die Stelle war. In diesem Fall existiert nämlich keine konkrete Vergleichsperson; vielmehr würde es nach § 3 Abs. 1 AGG auf eine hypothetische Vergleichsperson ankommen, deren objektive Eignung oder Nichteignung sich nicht feststellen ließe.

73

V. Der Entschädigungsanspruch des Klägers ist auch nicht aufgrund anderer als der vom Landesarbeitsgericht seiner Würdigung zugrunde gelegten Umstände dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB)ausgesetzt.

74

1. Soweit die Beklagte den Rechtsmissbrauchseinwand darauf stützt, die mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung des Klägers ergebe sich bereits daraus, dass seine Bewerbung weder habe erkennen lassen, auf welche der acht ausgeschriebenen Stellen noch für welchen Standort der Kläger sich beworben habe, verkennt sie, dass der Kläger sich erkennbar auf alle ausgeschriebenen Stellen beworben hatte. Der Kläger hatte in seiner Bewerbung ausdrücklich ausgeführt, die von der Beklagten „genannten Rechtsgebiete“ bereits aus seiner langjährigen beruflichen Tätigkeit als Rechtsanwalt zu kennen und zT (IT, IP/Medien) auch schon darin gearbeitet zu haben.

75

2. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, der Kläger habe, nachdem seine Bewerbung abgelehnt worden war, keinerlei Bemühungen entfaltet, ein Vorstellungsgespräch zu erhalten, er habe sich auch nicht nach den Gründen für die Ablehnung erkundigt, verkennt sie, dass für den Kläger, nachdem die Beklagte ihm eine klare Absage erteilt hatte, keine Veranlassung bestand, weitere Bemühungen zu entfalten, ein Vorstellungsgespräch führen zu können oder sich nach den Gründen für die Absage zu erkundigen und mit der Geltendmachung seiner Ansprüche zuzuwarten.

76

3. Soweit die Beklagte - erstmals in der Revision - geltend macht, ausweislich des in der Zeitschrift „J“ erschienenen Artikels bewerbe der Kläger sich unabhängig vom Rechtsgebiet, der Kanzlei oder dem Einsatzort ausschließlich auf Stellenanzeigen, mit denen unter Verstoß gegen § 11 AGG Berufseinsteiger/innen oder Rechtsanwälte/innen mit erster Berufserfahrung gesucht würden, und fordere nach der Ablehnung seiner Bewerbung mit gleichlautenden Geltendmachungsschreiben 60.000,00 Euro, wobei er nach den Recherchen der Zeitschrift „J“ bundesweit allein im Kalenderjahr 2013 16 Entschädigungsklagen anhängig gemacht habe, kann dahinstehen, ob dieser Vortrag, soweit er neues Sachvorbringen enthält, in der Revisionsinstanz überhaupt berücksichtigt werden kann, § 559 ZPO. Das Vorbringen der Beklagten ist nicht ausreichend, um die Annahme des Rechtsmissbrauchs zu begründen. Die von der Beklagten insoweit vorgetragenen Umstände lassen nicht den Schluss auf ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers zu, das auf der Annahme beruht, letztlich werde ein auskömmlicher „Ertrag“ verbleiben, weil die Beklagte - sei es bereits unter dem Druck des Geltendmachungsschreibens oder im Verlaufe des Entschädigungsprozesses - freiwillig die Forderung erfüllt oder sich vergleichsweise auf eine Entschädigungszahlung einlässt.

77

Zwar kann der Umstand, dass eine Person sich lediglich oder fast ausschließlich auf Stellenausschreibungen bewirbt, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, die Stelle sei unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden, ein Indiz (Hilfstatsache) sein, das im jeweiligen Streitfall - ggf. zusammen mit weiteren Umständen - den Schluss darauf erlaubt, die Person habe mit ihrer Bewerbung nicht die betreffende Stelle erhalten wollen, sondern nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG angestrebt mit dem alleinigen Ziel, eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend zu machen. Bewirbt sich eine Person lediglich oder fast ausschließlich auf derartige Stellenausschreibungen, kann die Annahme gerechtfertigt sein, ihr sei es nur darum gegangen, die Erfolgsaussichten eines Entschädigungsprozesses zu erhöhen. In einem solchen Fall könnte die Person ihrer Darlegungslast im Hinblick auf die Kausalität des Grundes iSv. § 1 AGG für die Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 AGG allein mit dem Hinweis auf den Inhalt der Ausschreibung genügen, sodass es nun Sache des Arbeitgebers wäre, entweder darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass die Stelle nicht unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde oder den Anforderungen des § 22 AGG entsprechend die Vermutung der Kausalität zu widerlegen oder die unmittelbare Benachteiligung, die die Person durch die Ablehnung ihrer Bewerbung erfahren hat, zu rechtfertigen. Allerdings hängt die Annahme, der Person sei es im konkreten Streitfall nur darum gegangen, die Voraussetzungen für einen möglichst erfolgversprechenden Entschädigungsprozess zu schaffen, nicht nur davon ab, auf wie viele Stellenausschreibungen, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, die Stelle sei unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden, die Person sich im Übrigen beworben hat, sondern auch und insb. davon, ob sich das Vorgehen (auch) im Streitfall als Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens im Rahmen des unter Rn. 53 erläuterten Geschäftsmodells darstellt. Dies kann regelmäßig nur angenommen werden, wenn über die im Streitfall vom Arbeitgeber konkret ausgeschriebene Stelle hinaus in demselben Medium weitere Stellen ausgeschrieben waren, deren Inhalt keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung wegen des von der Person geltend gemachten Grundes bot und auf die die Person sich ohne Weiteres hätte bewerben können, dies aber unterlassen hat. Vor diesem Hintergrund reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber - wie hier die Beklagte - nur behauptet, der Kläger habe sich - auch im Übrigen - lediglich oder fast ausschließlich auf Stellenausschreibungen beworben, die „auf den ersten Blick“ den Anschein erwecken, die Stelle sei unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben worden; sie hätte zumindest auch substantiiert darlegen müssen, dass in der Ausgabe der Neuen Juristischen Wochenschrift, in der die bei ihr zu besetzenden Stellen ausgeschrieben waren, weitere Stellen ausgeschrieben waren, deren Inhalt keinen Anlass für die Annahme einer Diskriminierung wegen des Alters bot, und dass der Kläger sich auf diese Stellen hätte bewerben können.

78

D. Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob und ggf. in welcher Höhe die zulässige Klage begründet ist. Zudem ist den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen zu geben. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

79

I. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht geprüft, ob der Kläger entgegen den Bestimmungen des AGG im Bewerbungsverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde und hierzu keine Feststellungen getroffen. Dies wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.

80

1. Das Landesarbeitsgericht wird zunächst zu beachten haben, dass die Vermutung iSv. § 22 AGG, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, dann bestünde, wenn die Beklagte die Stellen, auf die sich der Kläger bei dieser beworben hat, entgegen den Vorgaben von § 11 AGG unter Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters(§ 7 Abs. 1 iVm. § 1 AGG)ausgeschrieben hat.

81

a) Dabei wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass die in der Stellenausschreibung enthaltenen Anforderungskriterien, mit denen Rechtsanwälte (m/w) als „Berufseinsteiger“ bzw. als Kollegen mit maximal fünf Jahren Berufserfahrung gesucht werden, - entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten - Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können iSv. § 3 Abs. 2 AGG.

82

Sowohl bei dem Begriff „Berufseinsteiger“ als auch bei der Wendung „bis zu 5 Jahre Berufserfahrung“ handelt es sich um Anforderungen, die dem Anschein nach neutral sind iSv. § 3 Abs. 2 AGG. Unmittelbar wird damit nicht auf ein bestimmtes Alter Bezug genommen. Jedoch sind die Begriffe mittelbar mit dem in § 1 AGG genannten Grund „Alter“ verknüpft. Bewerber/innen mit einer längeren Berufserfahrung weisen gegenüber Berufsanfänger/innen und gegenüber Bewerber/innen mit bis zu fünf Jahren Berufserfahrung typischerweise ein höheres Lebensalter auf (vgl. nur BAG 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 33, BAGE 131, 342). Da die Beklagte sowohl mit der in der Stellenausschreibung enthaltenen Anforderung „Berufseinsteiger“ als auch mit der Anforderung „bis zu 5 Jahre Berufserfahrung“ signalisiert, lediglich Interesse an der Gewinnung jüngerer Mitarbeiter/innen zu haben, sind diese Anforderungen geeignet, ältere gegenüber jüngeren Personen wegen des Alters in besonderer Weise zu benachteiligen. Typischerweise werden ältere Personen allein wegen dieser Anforderungen häufig von vornherein von einer Bewerbung absehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass berufliche Lebensläufe heutzutage vielfältiger sind als früher und ein Wechsel von einer juristischen Tätigkeit in eine andere juristische Tätigkeit auch nach längeren Berufsjahren, ggf. auch erst nach dem Erreichen des regulären Pensionsalters erfolgen kann und dass eine kurze Berufserfahrung im anwaltlichen Beruf auch Personen aufweisen können, die ungewöhnlich lange studiert oder erst in vorgerücktem Alter ihren Abschluss gemacht haben. Der Befund, dass Berufsanfänger/innen und Menschen mit einer „Berufserfahrung von bis zu 5 Jahren“ im anwaltlichen Beruf typischerweise junge Menschen sind, besteht nach wie vor.

83

b) Zwar können - wie unter Rn. 82 ausgeführt - die in der Stellenausschreibung enthaltenen Anforderungskriterien, mit denen Rechtsanwälte als „Berufseinsteiger“ oder mit „bis zu 5 Jahren Berufserfahrung“ gesucht werden, Personen wegen des in § 1 AGG genannten Grundes „Alter“ gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen iSv. § 3 Abs. 2 AGG und damit grundsätzlich die Vermutung begründen, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde. Das Landesarbeitsgericht wird insoweit allerdings zu beachten haben, dass die Vermutung iSv. § 22 AGG dann nicht bestünde, wenn die Beklagte substantiiert dazu vortragen und im Bestreitensfall beweisen sollte, dass die og. Anforderungskriterien durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sowie zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. In diesem Fall würde bereits der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung nach § 3 Abs. 2 AGG entfallen.

84

aa) § 3 Abs. 2 AGG dient der Umsetzung von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 3 Abs. 2 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen.

85

Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG unterscheidet zwischen Diskriminierungen, die unmittelbar auf den in Art. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angeführten Merkmalen beruhen, und den mittelbaren Diskriminierungen. Während eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nur nach Maßgabe von Art. 6 Abs. 1 und - des hier nicht einschlägigen Abs. 2 - der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt werden kann, können diejenigen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die mittelbare Diskriminierungen bewirken können, nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG schon der Qualifikation als Diskriminierung entgehen, sofern sie durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind ( EuGH 5. März 2009 - C-388/07  - [Age Concern England] Rn. 59, Slg. 2009, I-1569; vgl. etwa BAG 16. Oktober 2014 - 6 AZR 661/12 - Rn. 41, BAGE 149, 297; 18. Februar 2014 - 3 AZR 833/12 - Rn. 42; 18. August 2009 - 1 ABR 47/08 - Rn. 31, BAGE 131, 342).

86

Das von dem neutralen Kriterium verfolgte „rechtmäßige“ Ziel, das über das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung entscheidet, muss deshalb zwar kein „legitimes“ Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG sowie von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG insbesondere aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung sein, sondern schließt andere von der Rechtsordnung anerkannte Gründe für die Verwendung des neutralen Kriteriums ein. Es muss sich aber um ein objektives Ziel handeln, das selbst nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des verbotenen Anknüpfungsgrundes nach § 1 AGG zu tun hat(vgl. etwa EuGH 20. März 2003 - C-187/00 - [Kutz-Bauer] Rn. 50 mwN, Slg. 2003, I-2741; 17. Juni 1998 - C-243/95 - [Hill und Stapleton] Rn. 34 mwN, Slg. 1998, I-3739). Zudem muss das differenzierende Kriterium zur Erreichung des rechtmäßigen Ziels erforderlich und angemessen sein.

87

bb) Die Darlegungs- und Beweislast für die die Rechtfertigung iSv. § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG begründenden Tatsachen trägt der Arbeitgeber.

88

Für eine solche Auslegung von § 3 Abs. 2 AGG spricht nicht nur die inhaltsgleiche Formulierung in Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/78/EG „es sei denn“, sondern auch der Umstand, dass der Tatbestand einer mittelbaren Diskriminierung nicht erfüllt ist, wenn ua. das neutrale Kriterium durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt sowie zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Bei § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG handelt es sich demnach um eine für den Arbeitgeber günstige Ausnahmebestimmung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Entstehungsgeschichte von § 3 Abs. 2 AGG. Zwar ist der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung davon ausgegangen, dass der sehr weite Anwendungsbereich, der von § 3 Abs. 2 Halbs. 1 AGG eröffnet werde, nach § 3 Abs. 2 Halbs. 2 AGG einer Einschränkung bedürfe, für die der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast trage (BT-Drs16/1780 S. 33). Diese Vorstellung des nationalen Gesetzgebers ist jedoch unbeachtlich. Eine Auslegung von § 3 Abs. 2 AGG dahin, dass der Arbeitnehmer, der den Grund für die neutralen Vorschriften, Kriterien oder Verfahren iSv. § 3 Abs. 2 AGG regelmäßig nicht kennt, darzulegen und zu beweisen hätte, dass die Voraussetzungen für eine Rechtfertigung nicht vorliegen, wäre unvereinbar mit den Vorgaben des Unionsrechts, wonach dem Arbeitnehmer die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung - hier: die Richtlinie 2000/78/EG - verliehenen Rechte nicht übermäßig erschwert werden darf(vgl. etwa EuGH 16. Januar 2014 - C-429/12 - [Pohl] Rn. 23).

89

cc) Vorliegend hat die Beklagte zwar geltend gemacht, die Stellen nicht unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben zu haben. Insoweit hat sie sich darauf berufen, eine etwaige mittelbare Benachteiligung sei durch ein legitimes Ziel und die Wahl verhältnismäßiger Mittel gerechtfertigt. Sie habe mit der Ausschreibung bewusst Interessenten mit einer kürzeren Berufserfahrung ansprechen wollen. Die Differenzierung nach der Berufserfahrung sei durch die unterschiedliche Alters- und Abrechnungsstruktur in ihrem Unternehmen begründet. Die Berufserfahrenheit eines Anwalts spiegele sich im Stundensatz für die Abrechnung gegenüber dem Mandanten wieder. Mit einer ausgewogenen Struktur von berufserfahrenen Anwälten mit höheren Stundensätzen und Berufseinsteigern mit - im Vergleich zu diesen - geringeren Stundensätzen, werde dem Mandanten ein angemessener Dienst geboten, der spezifisch abgerechnet werden könne. Diese Mischung sei Teil ihrer Unternehmensstruktur. Dieses Vorbringen lässt allerdings die Erforderlichkeit der (mittelbaren) Anknüpfung an das Alter nicht erkennen. Es erschließt sich nicht, warum es nicht möglich sein soll, eine/n ältere/n Kollegin/Kollegen mit längerer Berufserfahrung zu den Bedingungen eines Berufsanfängers/einer Berufsanfängerin bzw. eines Kollegen/einer Kollegin mit kürzerer Berufserfahrung zu beschäftigen.

90

2. Sollte das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen, dass die Stelle, auf die der Kläger sich beworben hat, von der Beklagten unter Verstoß gegen § 11 AGG ausgeschrieben wurde und deshalb die Vermutung iSv. § 22 AGG besteht, dass der Kläger im späteren Auswahlverfahren wegen seines Alters benachteiligt wurde, wird es zu prüfen haben, ob die Beklagte Tatsachen vorgetragen und im Bestreitensfall bewiesen hat, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe, hier: das Alter, zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben.

91

a) Solche Gründe können zwar in der Regel nicht darin liegen, dass der Arbeitgeber später von einer Einstellung oder Beschäftigung eines anderen Bewerbers absieht, die Stelle also nach Beginn der eigentlichen Bewerberauswahl unbesetzt bleibt (vgl. im Einzelnen BAG 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 23 mwN). Die Auslegung und Anwendung von § 22 AGG darf nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber es in der Hand hat, durch eine geeignete Verfahrensgestaltung die Chancen von Bewerbern und Bewerberinnen wegen der in § 1 AGG genannten Gründe so zu mindern, dass seine Entscheidung praktisch unangreifbar wird(vgl. BVerfG 21. September 2006 - 1 BvR 308/03 - Rn. 13 mwN, BVerfGK 9, 218). Eine andere Bewertung ist aber dann geboten, wenn der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren aus sachlichen und nachvollziehbaren Gründen, zB weil zwischenzeitlich das Erfordernis, die Stelle überhaupt (neu) zu besetzen, entfallen ist, abgebrochen wurde, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. In einem solchen Fall hat es kein Auswahlverfahren mehr gegeben, im Rahmen dessen die klagende Partei hätte diskriminiert werden können.

92

b) Der Arbeitgeber kann die Vermutung, er habe die klagende Partei wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt, aber auch dadurch widerlegen, dass er substantiiert dazu vorträgt und im Bestreitensfall beweist, dass er bei der Behandlung aller Bewerbungen nach einem bestimmten Verfahren vorgegangen ist, das eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ausschließt. Dies kann zum Beispiel anzunehmen sein, wenn der Arbeitgeber ausnahmslos alle Bewerbungen in einem ersten Schritt darauf hin sichtet, ob die Bewerber/innen eine zulässigerweise gestellte Anforderung erfüllen und er all die Bewerbungen von vornherein aus dem weiteren Auswahlverfahren ausscheidet, bei denen dies nicht der Fall ist. Der Arbeitgeber, der sich hierauf beruft, muss dann allerdings nicht nur darlegen und ggf. beweisen, dass ein solches Verfahren praktiziert wurde, sondern auch, dass er das Verfahren konsequent zu Ende geführt hat. Deshalb muss er auch substantiiert dartun und im Bestreitensfall beweisen, wie viele Bewerbungen eingegangen sind, welche Bewerber/innen aus demselben Grund ebenso aus dem Auswahlverfahren ausgenommen wurden, welche Bewerber/innen, weil sie die Anforderung erfüllten, im weiteren Auswahlverfahren verblieben sind und dass der/die letztlich ausgewählte Bewerber/in die Anforderung, wegen deren Fehlens die klagende Partei aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen wurde, erfüllt.

93

Dabei muss sich die Anforderung, wegen deren Nichterfüllung die klagende Partei und ggf. andere Bewerber/innen aus dem weiteren Auswahlverfahren vorab ausgenommen werden, nicht ausdrücklich aus der Stellenausschreibung ergeben. Insoweit reicht es in jedem Fall aus, wenn die Anforderung in der Stellenausschreibung „Anklang“ gefunden hat oder sich aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lässt. Wird beispielsweise mit einer Stellenausschreibung eine Person gesucht, die über eine „herausragende“, „hervorragende“ oder „erstklassige“ (hier: juristische) Qualifikation verfügt, ist es jedenfalls dem privaten Arbeitgeber unbenommen, all die Bewerber/innen, die eine bestimmte Examensnote nicht erzielt haben, aus dem weiteren Auswahlverfahren auszunehmen. Jede/r Bewerber/in muss in einem solchen Fall bereits aufgrund der Stellenausschreibung damit rechnen, dass in einem Stellenbesetzungsverfahren, insbesondere wenn viele Bewerbungen eingehen, womöglich nur die Bewerbungen mit bestimmten Examensnoten eine Vorsichtung erfolgreich durchlaufen. Allerdings ist zu beachten, dass Anforderungen, die in der Stellenausschreibung keinen „Anklang“ gefunden haben und sich auch nicht aus dem in der Stellenausschreibung formulierten Anforderungsprofil ableiten lassen, vom Arbeitgeber seiner Vorauswahl nicht ohne Weiteres zugrunde gelegt werden dürfen. Insoweit muss der Arbeitgeber dartun und im Bestreitensfall beweisen, dass diese Anforderungen nicht nur vorgeschoben wurden (BAG 28. Mai 2009 - 8 AZR 536/08 - Rn. 43 mwN, BAGE 131, 86).

94

c) Soweit der Arbeitgeber darlegt und im Bestreitensfall beweist, dass die klagende Partei eine formale Qualifikation nicht aufweist oder eine formale Anforderung nicht erfüllt, die unverzichtbare Voraussetzung für die Ausübung der Tätigkeit/den Beruf an sich ist, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass die Bewerbung ausschließlich aus diesem Grund ohne Erfolg blieb; in einem solchen Fall besteht demzufolge regelmäßig kein Kausalzusammenhang zwischen der benachteiligenden Behandlung und einem in § 1 AGG genannten Grund.

95

d) Entsprechendes kann gelten, sofern der Arbeitgeber substantiiert vorträgt und ggf. beweist, dass das Auswahlverfahren bereits abgeschlossen war, bevor die Bewerbung der klagenden Partei bei ihm eingegangen ist. Allerdings schließt der Umstand, dass eine ausgeschriebene Stelle bereits vor Eingang der Bewerbung der klagenden Partei besetzt wurde, nicht generell deren Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG aus(BAG 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - Rn. 42). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an, beispielsweise darauf, ob ggf. eine vom Arbeitgeber gesetzte Bewerbungsfrist unterlaufen wird und/oder ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine bereits vor Eingang einer Bewerbung erfolgte Stellenbesetzung gleichwohl zu einer Benachteiligung des nicht berücksichtigten Bewerbers führt (vgl. dazu BAG 19. August 2010 - 8 AZR 370/09 - Rn. 30; 17. August 2010 - 9 AZR 839/08 - aaO).

96

3. Sollte sich ergeben, dass nicht ausschließlich andere Gründe als das Alter zu einer ungünstigeren Behandlung des Klägers geführt haben, wird das Landesarbeitsgericht auf ein entsprechendes Vorbringen der Beklagten, das im Bestreitensfall zu beweisen wäre, auch der Frage nachzugehen haben, ob die unmittelbare Benachteiligung, die der Kläger durch die Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren wegen seines Alters erfahren hat, ausnahmsweise nach § 8 Abs. 1 AGG oder § 10 AGG zulässig war. Sowohl § 8 Abs. 1 AGG als auch § 10 AGG enthalten für den Arbeitgeber günstige Ausnahmen vom grundsätzlichen Verbot der Diskriminierung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, hier des Alters(vgl. hierzu etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 72 und 81, Slg. 2011, I-8003; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569), weshalb den Arbeitgeber - hier die Beklagte - bereits nach den allgemeinen Regeln des nationalen Rechts die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der in diesen Bestimmungen enthaltenen Voraussetzungen trifft (zur Darlegungs- und Beweislast nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG vgl. etwa EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 83, Slg. 2011, I-6919).

97

a) Nach § 8 Abs. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist.

98

§ 8 Abs. 1 AGG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht. § 8 Abs. 1 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters ist nach § 8 Abs. 1 AGG nur gerechtfertigt, wenn sämtliche in der Bestimmung genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Das Landesarbeitsgericht wird bei einer evtl. Anwendung von § 8 Abs. 1 AGG nicht nur zu beachten haben, dass nicht der Grund, auf den die Ungleichbehandlung gestützt ist, sondern nur ein mit diesem Grund im Zusammenhang stehendes Merkmal eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellen kann, sondern auch, dass ein solches Merkmal - oder sein Fehlen - nur dann eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSd. § 8 Abs. 1 AGG ist, wenn davon die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit abhängt(vgl. etwa EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 66, Slg. 2011, I-8003; 12. Januar 2010 - C-229/08 - [Wolf] Rn. 35, Slg. 2010, I-1; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 34, BAGE 148, 158). Stellt ein Merkmal, das insbesondere mit dem Alter zusammenhängt, eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung dar, kann eine unterschiedliche Behandlung zudem nur unter sehr begrenzten Bedingungen gerechtfertigt sein (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 71, aaO).

99

b) Nach § 10 Satz 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Nach § 10 Satz 2 AGG müssen die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sein. § 10 Satz 3 AGG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Tatbeständen, nach denen unterschiedliche Behandlungen wegen des Alters iSv. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG insbesondere gerechtfertigt sein können(vgl. etwa BAG 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 - Rn. 45; 25. Februar 2010 - 6 AZR 911/08 - Rn. 35, BAGE 133, 265; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07  - Rn. 40 , BAGE 129, 181 ). Bei einer evtl. Anwendung von § 10 AGG wird das Landesarbeitsgericht Folgendes zu beachten haben:

100

aa) § 10 AGG dient der Umsetzung von Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG in das nationale Recht(dazu auch BAG 18. März 2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 21, BAGE 147, 279), wobei die Richtlinie ihrerseits das primärrechtliche Verbot der Diskriminierung wegen des Alters als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (EuGH 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 75, Slg. 2005, I-9981; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 12 BvR 1989/12 - Rn. 63, BVerfGE 139, 19) sowie das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters konkretisiert(EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 38, Slg. 2011, I-8003; BVerfG 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12 - aaO). § 10 AGG ist unionsrechtskonform in Übereinstimmung mit der Richtlinie unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union auszulegen(dazu auch BAG 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 - Rn. 17, BAGE 149, 315; 12. Juni 2013 - 7 AZR 917/11 - Rn. 32; 5. März 2013 - 1 AZR 417/12 - Rn. 40).

101

bb) § 10 Satz 1 AGG definiert nicht, was unter einem legitimen Ziel zu verstehen ist. Für die Konkretisierung des Begriffs des legitimen Ziels ist deshalb auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zurückzugreifen. Legitime Ziele iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG, dh. Ziele, die als geeignet angesehen werden können, eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbots von Diskriminierungen aus Gründen des Alters zu rechtfertigen, sind - obgleich die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG enthaltene Aufzählung nicht erschöpfend ist (EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 80, Slg. 2011, I-8003) - wegen der als Beispiele genannten Bereiche Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung nur solche, die mit der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung im Zusammenhang stehen, und damit nur rechtmäßige Ziele aus dem Bereich „Sozialpolitik“ (vgl. EuGH 13. September 2011 - C-447/09 - [Prigge ua.] Rn. 81, aaO; dazu auch BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - Rn. 36, BAGE 152, 134; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 790/12 - Rn. 26 mwN, BAGE 147, 89). Ziele, die als legitim iSd. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG angesehen werden können, stehen als „sozialpolitische Ziele“ im Allgemeininteresse. Dadurch unterscheiden sie sich von Zielen, die im Eigeninteresse des Arbeitgebers liegen, wie Kostenreduzierung und Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit. Dabei ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass eine nationale Vorschrift den Arbeitgebern bei der Verfolgung der sozialpolitischen Ziele einen gewissen Grad an Flexibilität einräumt (EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 52, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 46, Slg. 2009, I-1569). Ein unabhängig von Allgemeininteressen verfolgtes Ziel eines Arbeitgebers kann eine Ungleichbehandlung jedoch nicht rechtfertigen (vgl. BAG 23. Juli 2015 - 6 AZR 457/14 - aaO).

102

cc) Nach § 10 Satz 1 AGG reicht es - ebenso wie nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG - für die Rechtfertigung einer unmittelbaren Benachteiligung wegen des Alters nicht aus, dass der Arbeitgeber mit der unterschiedlichen Behandlung ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG verfolgt; hinzukommen muss nach § 10 Satz 2 AGG, dass die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Beides ist im Hinblick auf das konkret angestrebte Ziel zu beurteilen (vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] Rn. 43; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 55 f.). Dabei sind in unionsrechtskonformer Auslegung von § 10 Satz 2 AGG die Mittel nur dann angemessen und erforderlich, wenn sie es erlauben, das mit der unterschiedlichen Behandlung verfolgte Ziel zu erreichen, ohne zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der legitimen Interessen derjenigen Personen zu führen, die wegen ihres Alters benachteiligt werden(vgl. etwa EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. Februar 2015 - C-515/13 - [Ingeniørforeningen i Danmark] Rn. 25; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 56) und die Maßnahme nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig ist (vgl. EuGH 9. September 2015 - C-20/13 - [Unland] aaO; 26. September 2013 - C-546/11 - [Dansk Jurist- og Økonomforbund] Rn. 59; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65 mwN, Slg. 2005, I-9981).

103

dd) Um darzutun, dass eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters nach § 10 AGG gerechtfertigt ist, reicht es nicht aus, wenn der Arbeitgeber allgemein behauptet, dass die die unterschiedliche Behandlung bewirkende Maßnahme oder Regelung geeignet sei, der Beschäftigungspolitik, dem Arbeitsmarkt und der beruflichen Bildung zu dienen. Derartige allgemeine Behauptungen lassen nämlich nicht den Schluss zu, dass die gewählten Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 77, Slg. 2011, I-6919; 5. März 2009 - C-388/07 - [Age Concern England] Rn. 51, Slg. 2009, I-1569; 22. November 2005 - C-144/04 - [Mangold] Rn. 65, Slg. 2005, I-9981; vgl. auch BAG 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08 - Rn. 35, BAGE 131, 61). Der Arbeitgeber hat hierzu vielmehr substantiierten Sachvortrag zu leisten (vgl. EuGH 21. Juli 2011 - C-159/10, C-160/10 - [Fuchs und Köhler] Rn. 82, aaO).

104

II. Sofern das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis gelangen sollte, das Benachteiligungsverbot des AGG sei verletzt und dem Kläger stehe nach § 15 Abs. 2 AGG dem Grunde nach eine Entschädigung zu, wird es zu beachten haben, dass auch bei der Beurteilung der angemessenen Höhe der festzusetzenden Entschädigung nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG alle Umstände des Einzelfalls, wie etwa die Art und Schwere der Benachteiligung, ihre Dauer und Folgen, der Anlass und der Beweggrund des Handelns und der Sanktionszweck der Entschädigungsnorm zu berücksichtigen sind(vgl. ua. BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 44, BAGE 148, 158; 23. August 2012 - 8 AZR 285/11 - Rn. 38; 17. Dezember 2009 - 8 AZR 670/08 - Rn. 38; 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 - Rn. 82 mwN, BAGE 129, 181). Die Entschädigung muss einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz gewährleisten (vgl. EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63; 22. April 1997 - C-180/95 - [Draehmpaehl] Rn. 24, 39 f., Slg. 1997, I-2195; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO). Die Härte der Sanktionen muss der Schwere des Verstoßes entsprechen, indem sie insbesondere eine wirklich abschreckende Wirkung gegenüber dem Arbeitgeber gewährleistet, zugleich aber den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (EuGH 25. April 2013 - C-81/12 - [Asociatia ACCEPT] Rn. 63 mwN; BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - aaO).

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E. Im Hinblick auf die vom Landesarbeitsgericht zu treffende Kostenentscheidung weist der Senat darauf hin, dass sich diese - entgegen der Rechtsauffassung des Klägers - nach § 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 91 ff. ZPO richtet, wobei bei einem nur teilweisen Unterliegen des Klägers Veranlassung bestehen kann, von der in § 92 Abs. 2 Nr. 2 ZPO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen. Zwar trifft es zu, dass Verfahren, die Klagen wegen Verstößen gegen das Benachteiligungsverbot des AGG zum Gegenstand haben, nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als Klageverfahren, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz) und dass die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert werden darf (Grundsatz der Effektivität) (st. Rspr. des EuGH, vgl. nur 28. Januar 2015 - C-417/13 - [Starjakob] Rn. 61 mwN). Dies ist aber bei Anwendung der §§ 91 ff. ZPO, nach denen sich der gerichtliche Kostenausspruch generell und einheitlich nach Obsiegen und Unterliegen richtet, ohne nach der „Herkunft“ des geltend gemachten Klageanspruchs zu differenzieren, nicht der Fall.

        

    Schlewing    

        

    Winter    

        

    Roloff    

        

        

        

    Wroblewski    

        

    Wein    

                 

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.