Landesarbeitsgericht Hamm Beschluss, 14. Nov. 2016 - 12 Ta 475/16
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 04.08.2016 – 3 Ca 1338/15 – wird zurückgewiesen.
Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert wird auf 5.200,- € festgesetzt.
1
Gründe:
2I. Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren darum, ob die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus einem Vergleich, ein Zeugnis nach einem Entwurf des Gläubigers zu erteilen, nachgekommen ist.
3Der Gläubiger stand bei der Schuldnerin in der Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.07.2015 als Verkehrsfachwirt in einem befristeten Arbeitsverhältnis.
4In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit, in dem es um Vergütungsansprüche sowie um Arbeitspapiere und das Zeugnis ging, schlossen die Parteien am 28.10.2015 einen gerichtlichen Vergleich, indem es u. a. in Ziffer 3 heißt:
5„Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dem Kläger bleibt nachgelassen, der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Diese darf hiervon nur aus wichtigem Grund abweichen.“
6Am 17.12.2015 übermittelte der Gläubiger der Schuldnerin einen Zeugnisentwurf. Mit Schreiben vom 18.01.2016 übersandte die Schuldnerin dem Gläubiger ein unter dem 31.07.2015 gefertigtes Zeugnis, welches von dem übermittelten Entwurf in einigen Punkten sprachlich durch Synonyme oder Steigerungen abweicht:
7Entwurf des Gläubigers |
Zeugnis der Schuldnerin |
stets sicher und |
zu jeder Zeit sicher und |
seiner sehr guten Auffassungsgabe |
seiner extrem guten Auffassungsgabe |
war Herr F immer |
war Herr F selbstverständlich immer |
Aufgaben mit beispielhaftem Engagement |
Aufgaben mit äußerst beispielhaftem Engagement |
auf ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse |
auf sehr ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse |
seine sehr gut entwickelte Fähigkeit |
seine extrem gut entwickelte Fähigkeit |
haben sich erfreulich entwickelt |
haben sich äußerst erfreulich entwickelt |
Herr F stets ein kompetenter |
Herr F zu jeder Zeit ein äußerst kompetenter |
bei wechselnden Anforderungen immer ausgezeichnet |
bei wechselnden Anforderungen immer hervorragend |
Wir bewerten ihn mit „sehr gut“. |
Wenn es bessere Note als „sehr gut“ geben würde, würden wir ihn damit beurteilen. |
Wegen seines freundlichen |
Wegen seines extrem freundlichen |
und Kunden war immer vorbildlich. |
und Kunden war zu jeder Zeit vorbildlich. |
für die stets sehr gute Zusammenarbeit |
für die stets hervorragende Zusammenarbeit |
“
9Zudem heißt es im Zeugnisentwurf:
10„Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.07.2015 auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern.“
11Im erteilten Zeugnis heißt es demgegenüber:
12„Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.07.2015 auf eigenen Wunsch, was wir zur Kenntnis nehmen.“
13Nach Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs von Anwalt zu Anwalt beantragte der Gläubiger am 20.06.2016 beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes, weil er der Auffassung war, die Schuldnerin habe ihrer Pflicht zu Erstellung eines Zeugnisses nicht genügt. Die geänderten Formulierungen seien erheblich und dazu geeignet, das gesamte Zeugnis wertlos zu machen. Die Änderungen dienten nicht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit, sondern zögen vielmehr den Zeugnistext ins Lächerliche.
14Die Schuldnerin hat um Zurückweisung des Antrags gebeten.
15Sie hat die Auffassung vertreten, das Zeugnis sei ordnungsgemäß erteilt. Es weiche nur in wenigen Punkten aus wichtigem Grund ab. Das begehrte Zeugnis entspreche nicht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit, da sie das Verlassen des Betriebes durch den Gläubiger nicht bedauere. Die weiteren Abweichungen beschränkten sich lediglich auf eine alternative Wortwahl ohne Auswirkung auf den Gesamteindruck und die Gesamtbewertung der Arbeitsleitung. Letztlich sei die Frage, ob die Abweichungen im Entwurf gerechtfertigt seien, nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären, sondern im Wege des Erkenntnisverfahrens auf Zeugnisberichtigung.
16Mit Beschluss vom 04.08.2016, der der Schuldnerin am 09.08.2016 zugestellt worden ist und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- € und im Falle der Uneinbringlichkeit für je 250,- € durch einen Tag Zwangshaft zu vollstrecken an dem Geschäftsführer festgesetzt.
17Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der Regelung im Vergleich hätten die Parteien das Ziel verfolgt, einen weiteren Streit über Zeugnisformulierungen zu vermeiden. Damit sei die Formulierungshoheit des Arbeitgebers maßgeblich eingeschränkt worden und auf den Arbeitnehmer übertragen worden. Die allerdings einzuhaltende Grenze der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit sei hier eingehalten. Das erteilte Zeugnis erwecke beim neutralen Leser einen spöttisch ironischen Gesamteindruck und ziehe den Zeugnistext ins lächerliche. Die Formulierung, man nehme sein Ausscheiden zur Kenntnis, sei für den neutralen Leser ein deutlich negativer Hinweis darauf, dass die Parteien nicht im Einvernehmen auseinander gegangen seien.
18Gegen den ihr am 09.08.2016 zugegangenen Beschluss hat die Schuldnerin am 15.08.2016 sofortige Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ihre Einwände wiederholt. Bei den Ersetzungen im erteilten Zeugnis handle es sich um sinnverwandte Ausdrücke, sodass schon keine Abweichungen vorlägen, zudem seien die Begriffe positiv.
19Der Gläubiger hat die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde unter Vertiefung seines Vorbringens beantragt.
20Mit Beschluss vom 06.09.2016 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Beschwerdegericht vorgelegt.
21Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Prozessakte verwiesen.
22II. Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin (§§ 62 Abs. 2, 78 ArbGG, 567, 569, 793, 888 ZPO) ist zulässig, jedoch unbegründet.
23Bislang ist die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus dem Vergleich vom 28.10.2015 nicht nachgekommen, sodass das Arbeitsgericht zu Recht ein Zwangsgeld und ersatzweise Zwangshaft gemäß § 888 ZPO festgesetzt hat.
241. Die allgemeinen Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung liegen vor. Der gerichtliche Vergleich vom 28.10.2015 ist als Titel gemäß § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zur Zwangsvollstreckung geeignet. Die vollstreckbare Ausfertigung wurde erteilt und der Schuldnerin zugestellt (§§ 724 Abs. 1, 750 Abs. 1 ZPO).
252. Die im Vergleich unter Ziffer 3 titulierte Pflicht zur Zeugniserteilung hat die Schuldnerin nicht erfüllt.
26a) Gemäß § 109 GewO hat der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis, das sich nach seinem Verlangen auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt (§ 109 Abs. 1 GewO). Nach Absatz 2 dieser Vorschrift muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein und darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
27b) Grundsätzlich ist es Sache des Arbeitgebers, dass Zeugnis zu formulieren. Er hat insoweit über den Wortlaut und den Duktus des Zeugnisses die Formulierungshoheit, der er sich aber begeben kann.
28aa) Hier haben die Parteien im Vergleich zulässigerweise eine abweichende Vereinbarung getroffen, die den Spielraum des Arbeitgebers einschränkt und die Formulierungshoheit dem Arbeitnehmer überträgt (vgl. vgl. BAG, Beschluss v. 09.09.2011 – 3 AZB 35/11, AP-Nr. 53 zu § 794 ZPO LAG Hamm, Urteil v. 18.02.2016 – 18 Sa 1577/15, juris; LAG Hamm, Beschluss v. 04.08.2010 – 1 Ta 196/10, juris). Dies kommt dadurch zum Ausdruck, dass dem Gläubiger nachgelassen bleibt, der Schuldnerin einen Zeugnisentwurf vorzulegen, von dem sie nur aus wichtigem Grund abweichen darf. Damit hat sich allerdings die Schuldnerin nicht verpflichtet, den Entwurf des Schuldners ohne weitere Prüfung und ohne jede Änderung zu übernehmen (vgl. BAG, Beschluss v. 09.09.2011 – 3 AZB 35/11, AP-Nr. 53 zu § 794 ZPO). In dem der Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Fall hatte sich der Schuldner verpflichtet „ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis“ zu erteilen. Demgegenüber hat sich die Schuldnerin hier noch weiter gebunden, indem sie mit dem Gläubiger im Vergleich vereinbart hat, nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abzuweichen. Mit der Anforderung des „wichtigen Grundes“ wird allerdings ausgeschlossen, dass die Schuldnerin nach dem Vergleich verpflichtet wäre, inhaltlich Unwahres in den Zeugnistext zu übernehmen. Denn der – in einer Vielzahl von Fällen – vereinbarte Passus ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Zeugniswahrheit auszulegen (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 18.02.2016 – 18 Sa 1577/15, juris). Dieser Grundsatz und der der Zeugnisklarheit, wie er in § 109 Abs. 2 GewO zum Ausdruck kommt, werden als wesentliche Prinzipien des Zeugnisrechts verstanden (vgl. Erfk-Müller-Glöge, 17. Aufl 2017, § 109 GewO Rn. 22; BAG, Urt.v. 18.11.2014– 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435, 437). Vor diesem Hintergrund kann die Schuldnerin auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht angehalten werden, ein Zeugnis zu erteilen, das gegen die Zeugniswahrheit verstößt (vgl. BAG, 09.09.2011 – 3 AZB 35/11 a.a.O.).
29bb) Entgegen der Ansicht der Schuldnerin ist das Zeugnisbegehren des Gläubigers nicht zunächst im Erkenntnisverfahren zu klären. Vielmehr sind die Arbeitsgerichte berufen, im Rahmen der Zwangsvollstreckung zu klären, ob das erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf entspricht. Deswegen kann die Schuldnerin im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO angehalten werden, ein dem Entwurf des Gläubigers entsprechendes Zeugnis zu erteilen. Im Vollstreckungsverfahren kann allerdings nach der Rechtsprechung des BAG nicht geklärt werden, ob das begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht oder nicht (vgl. BAG, 09.09.2011 – 3 AZB 35/11 a.a.O.).
30c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das Arbeitsgericht zu Recht festgestellt, dass die im Vergleich vom 28.10.2015 titulierte Verpflichtung von der Schuldnerin bislang nicht erfüllt worden ist.
31Bis auf die „Bedauernsformel“ befassen sich die Änderungen und Abweichungen vom Entwurf des Gläubigers mit Wertungen, nicht aber mit Tatsachen. Abgesehen von einigen Wendungen, die möglicherweise synonym sind („stets“ bzw. „immer“ ersetzt durch „zu jeder Zeit“), zeichnet sich das erteilte Zeugnis dadurch aus, dass die Schuldnerin die Begriffe gesteigert hat („selbstverständlich“, „äußerst“, „sehr“, „extrem“, „hervorragend“). Sinn und Zweck des Zeugnisses ist es, einem potentiellen Arbeitgeber ein möglichst wahres Urteil über die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis zu geben (BAG, Urt.v. 18.11.2014– 9 AZR 584/13, NZA 2015, 435, 437). Insofern leistet das erteilte Zeugnis nichts. Denn aufgrund der an vielen Stellen gesteigerten Formulierungen wird jeder unbefangene Leser des Zeugnisses erkennen, dass diese Formulierungen nicht ernstlich gemeint sind. Es handelt sich um Formulierungen, die den Zweck haben, eine andere als aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Gläubiger zu treffen (vgl. § 109 Abs. 2 S 2 GewO). Dies wird nicht nur durch die Steigerungen deutlich, sondern aus der abschließenden Leistungsbeurteilung "wenn es bessere Note als sehr gut geben würde, würden wir ihn damit beurteilen“. Abgesehen davon, dass dieser Satz grammatikalisch misslungen ist (zum Anspruch auf ein „gehöriges“ Zeugnis vgl. BAG im Urteil v. 3. 3. 1993, AP Nr. 20 zu § 630 BGB), wird dadurch der ironisierende Charakter des Gesamtzeugnisses deutlich, nämlich dass sie ihre Beurteilungen nicht ernst meint. Dies wird auch im Vorbringen der Schuldnerin erkennbar, wenn sie in Bezug auf die „Bedauernsformel“, ausdrücklich mitteilt, dass das Ausscheiden des Gläubigers für sie keinen Verlust bedeute. Wäre der Gläubiger tatsächlich ein Mitarbeiter gewesen, der nach Einschätzung der Schuldnerin noch besser als „sehr gut“ war, wäre sein Ausscheiden – für jeden Arbeitgeber – ein Verlust.
32d) Der Schuldnerin ist es auch nicht gelungen, einen „wichtigen Grund“ - wie zwischen den Parteien vereinbart – darzulegen (zur Darlegungs- und Beweislast im Erkenntnisverfahren vgl. LAG Hamm, Urteil v. 18.02.2016 – 18 Sa 1577/15, juris) Ihrer eigenen Auffassung nach sind die gewählten Formulierungen allesamt „Synonyme“ oder allenfalls „Ergänzungen ohne Veränderung des Sinngehaltes“. Warum deswegen Änderungen vorgenommen werden mussten, erschließt sich deswegen nicht.
333. Danach hat das Arbeitsgericht zu Recht Zwangsmittel gegen die Schuldnerin festgesetzt. Die Höhe der Zwangsmittel wurde von dieser nicht angegriffen. Sie bewegt sich im gesetzlichen Rahmen und liegt eher im unteren Bereich des Angemessenen.
344. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 891, 97 ZPO. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach den §§ 72, 78 ArbGG besteht kein Grund.
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(1) Urteile der Arbeitsgerichte, gegen die Einspruch oder Berufung zulässig ist, sind vorläufig vollstreckbar. Macht der Beklagte glaubhaft, daß die Vollstreckung ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde, so hat das Arbeitsgericht auf seinen Antrag die vorläufige Vollstreckbarkeit im Urteil auszuschließen. In den Fällen des § 707 Abs. 1 und des § 719 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung kann die Zwangsvollstreckung nur unter derselben Voraussetzung eingestellt werden. Die Einstellung der Zwangsvollstreckung nach Satz 3 erfolgt ohne Sicherheitsleistung. Die Entscheidung ergeht durch unanfechtbaren Beschluss.
(2) Im übrigen finden auf die Zwangsvollstreckung einschließlich des Arrests und der einstweiligen Verfügung die Vorschriften des Achten Buchs der Zivilprozeßordnung Anwendung. Die Entscheidung über den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung kann in dringenden Fällen, auch dann, wenn der Antrag zurückzuweisen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen. Eine in das Schutzschriftenregister nach § 945a Absatz 1 der Zivilprozessordnung eingestellte Schutzschrift gilt auch als bei allen Arbeitsgerichten der Länder eingereicht.
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:
- 1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind; - 2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen; - 2a.
(weggefallen) - 2b.
(weggefallen) - 3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet; - 3a.
(weggefallen) - 4.
aus Vollstreckungsbescheiden; - 4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind; - 4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c; - 5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat; - 6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006; - 7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind; - 8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind; - 9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.
(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.
(1) Die Zwangsvollstreckung wird auf Grund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (vollstreckbare Ausfertigung) durchgeführt.
(2) Die vollstreckbare Ausfertigung wird von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts des ersten Rechtszuges erteilt. Ist der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig, so kann die vollstreckbare Ausfertigung auch von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erteilt werden.
(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.
Tenor
-
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2011 - 13 Ta 203/11 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
- 1
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I. Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren über eine Verpflichtung zur Zeugniserteilung.
-
Im Rahmen eines zuvor beim Arbeitsgericht Essen geführten Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien am 4. August 2010 einen gerichtlichen Vergleich, der neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zum 30. April 2010 auch folgende Regelungen zu einem von der Beklagten zu erteilenden Zeugnis enthält:
-
„Die Beklagte erstellt zugunsten des Klägers ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der dortigen Beschäftigung des Klägers seit dem Jahre 1987 entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf, der innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von zwei Wochen ab Überlassung des Entwurfes auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 04.05.2010 ausgefertigt, von dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet und als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht wird.“
- 3
-
Der Kläger/Vollstreckungsgläubiger (im Folgenden: Kläger) übermittelte der Beklagten/Vollstreckungsschuldnerin (im Folgenden: Beklagte) einen Zeugnisentwurf. Darauf erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zeugnis, das ua. in der Tätigkeitsbeschreibung sowie in der Bewertung von Leistung und Verhalten von dem Entwurf des Klägers abweicht.
- 4
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Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2011 hat der Kläger beantragt, gegen die Beklagte zur Erzwingung der im Vergleich niedergelegten Verpflichtung auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses entsprechend dem als Anlage beigefügten Entwurf ein Zwangsgeld von bis zu 25.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu sechs Monaten festzusetzen.
- 5
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Die Beklagte hat die Zurückweisung des Antrags begehrt, da der Inhalt des verlangten Zeugnisses nicht der Wahrheit entspreche.
- 6
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Mit Beschluss vom 16. März 2011 hat das Arbeitsgericht gegen die Beklagte ein Zwangsgeld iHv. 500,00 Euro festgesetzt. Gegen diesen der Beklagten am 23. März 2011 zugestellten Beschluss hat sie am 4. April 2011 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die sofortige Beschwerde den Vollstreckungsbeschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Zwangsvollstreckungsantrag zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
- 7
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II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 8
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Beschlusses ohne Einschränkung zugelassen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 10. Juni 2011 ist dem Kläger am 20. Juni 2011 zugestellt worden. Die Rechtsbeschwerde nebst Begründung ist am 19. Juli 2011 und damit rechtzeitig iSv. § 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Die Rechtsbeschwerde erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen des § 575 ZPO.
- 9
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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Dem Vollstreckungstitel mangelt es - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht an einer ausreichenden Bestimmtheit und damit einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Ob die Beklagte als Vollstreckungsschuldnerin den Vergleich bereits ausreichend erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB) hat, kann der Senat nicht beurteilen. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 577 Abs. 4 ZPO).
- 10
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a) Zu Recht hat der Kläger einen Antrag gem. § 888 ZPO gestellt. Bei Nichterteilung des Zeugnisses, wie im Prozessvergleich vereinbart, handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der die Beklagte, wenn sie sie nicht vornimmt, durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann (§ 888 ZPO).
- 11
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b) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der gerichtliche Vergleich vom 4. August 2010 im Rechtsstreit - 6 Ca 1532/10 - beim Arbeitsgericht Essen stellt einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) dar. Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Vollstreckungsgläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).
- 12
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c) Der Prozessvergleich vom 4. August 2010 ist für die Zwangsvollstreckung hinreichend bestimmt.
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aa) Grundlage der Zwangsvollstreckung ist der Prozessvergleich vom 4. August 2010. Dieser ist ein Prozessvertrag, der eine rechtliche Doppelnatur hat. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkung sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BGH 19. Mai 1982 - IVb ZR 705/80 - FamRZ 1982, 782). Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervorgetretenen - Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat(vgl. Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber ZPO 28. Aufl. § 794 Rn. 14). Ob und ggf. in welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Stein/Jonas/Münzberg vor § 704 Rn. 26 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (vgl. BGH 26. April 1978 - VIII ZR 236/76 - zu I 1 b aa der Gründe, BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BGH 31. März 1993 - XII ZR 234/91 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1995; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195).
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Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7).
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bb) Ausgehend hiervon enthält der Vergleich vom 4. August 2010 einen vollstreckbaren Inhalt. Dies ergibt eine Auslegung des protokollierten Prozessvergleichs nach den vorgenannten Grundsätzen unter Beachtung der gesetzlichen Regelung zum Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 109 GewO.
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(1) Der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 320; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu III 2 der Gründe, BAGE 108, 86). Ein Zeugnis ist regelmäßig Bewerbungsunterlage und damit gleichzeitig Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber. Deshalb hat es Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers (vgl. BT-Drucks. 14/8796 S. 25). Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistungen beurteilt (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - aaO; 8. Februar 1972 - 1 AZR 189/71 - BAGE 24, 112). Vom Arbeitgeber wird dabei verlangt, dass er den Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tatsachen beurteilt und, soweit das möglich ist, ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermittelt (BAG 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 97, 57). Daraus ergeben sich die Gebote der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit.
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Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erstreckt sich auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 114, 320). Das Gebot der Zeugnisklarheit ist nach § 109 Abs. 2 GewO in seiner ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung gesetzlich normiert. Danach muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Abzustellen ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Lesers des Zeugnisses. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl verbindet (BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 130).
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In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält (so schon BAG 29. Juli 1971 - 2 AZR 250/70 - zu II der Gründe, AP BGB § 630 Nr. 6). Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere (BAG 23. September 1992 - 5 AZR 573/91 - zu II der Gründe, EzA BGB § 630 Nr. 16). Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers (BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 19, BAGE 127, 232).
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(2) In dem Prozessvergleich vom 4. August 2010 haben die Parteien zunächst die Verpflichtung der Beklagten festgelegt, dem Kläger ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der Beschäftigung des Klägers seit dem Jahr 1987 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2010 zu erteilen. Damit haben die Parteien festgelegt, auf welchen Zeitraum des Arbeitsverhältnisses sich das Zeugnis zu beziehen hat. Insoweit haben die Parteien vereinbart, dass dieser Zeitraum auch die von 1987 bis 1990 dauernde Berufsausbildung zu umfassen hat. Durch die Formulierung „qualifiziertes Zeugnis“ stellen die Parteien erkennbar den Bezug zur gesetzlichen Regelung in § 109 GewO her. Die zusätzliche Einfügung des Wortes „pflichtgemäß“ ist ebenfalls als Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung des § 109 GewO zu verstehen. Mit der Wendung „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf“ haben die Parteien jedoch eine wesentliche Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zum Zeugnisanspruch nach § 109 GewO vereinbart. Die Parteien haben damit die Formulierungshoheit der Beklagten als vormaliger Arbeitgeberin maßgeblich eingeschränkt, indem sie die Formulierungshoheit auf den Kläger übertragen haben. Es liegt damit beim Kläger darüber zu entscheiden, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will. Allerdings muss auch die vom Kläger vorzuschlagende Formulierung des Zeugnisses die Grenze der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit berücksichtigen (vgl. BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 20 ff., BAGE 127, 232), wie es die Parteien im Vergleich auch vereinbart haben.
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Weiter sind die Parteien in dem Prozessvergleich übereingekommen, dass der Beklagten ab dem Zeitpunkt der Überlassung des Entwurfs zwei Wochen verbleiben sollten, um den Entwurf des Klägers auf Briefpapier der Beklagten unter dem Ausstellungsdatum des 4. Mai 2010 auszufertigen und vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet an den Kläger als ordnungsgemäßes Zeugnis zurückzureichen. Damit haben die Parteien zunächst eine Zeitdauer für die Umsetzung des Entwurfs und Ausfertigung des Zeugnisses unter dem vereinbarten Ausstellungsdatum geregelt und die Pflicht zur Unterzeichnung des Zeugnisses durch den Geschäftsführer ausdrücklich aufgenommen. Die Formulierungen „als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht“ stellt auch klar, dass das dann erstellte Zeugnis in optisch einwandfreier Form dem Kläger zu überlassen ist.
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Mit diesen Regelungen verpflichtet der Prozessvergleich die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nicht, seinen Vorschlag ungeprüft und ohne jede Änderung zu übernehmen. Vielmehr ist die Beklagte gehalten, ein „pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis“ zu erteilen und das Zeugnis „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger vorzulegenden Entwurf“ auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 4. Mai 2010 auszufertigen. Dies schließt eine einschränkungslose Verpflichtung zur ungeprüften und unabänderlichen Übernahme des Entwurfs aus. Die Beklagte kann vielmehr prüfen, ob der vorgelegte Entwurf einem „pflichtgemäßen“ qualifizierten Zeugnis, dh. einem unter Beachtung der in § 109 GewO bestimmten Grundsätze erstellten Zeugnis, entspricht. Die Verpflichtung zur Erstellung eines dem Entwurf „entsprechenden“ Zeugnisses ermöglicht es der Beklagten, den Entwurf ggf. an die Vorgaben des § 109 GewO anzupassen.
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d) Der Senat kann nicht nach § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat weder den Text des Zeugnisentwurfs des Klägers noch denjenigen des von der Beklagten bislang erteilten Zeugnisses festgestellt. Diese Unterlagen wurden zwar ausweislich des Eingangsstempels wohl mit dem Zwangsgeldantrag vom 21. Januar 2011 beim Arbeitsgericht eingereicht. Sie befinden sich jedoch nicht (mehr) bei den Akten. Die Sache ist daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
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e) Im Rahmen der neuen Entscheidung wird das Beschwerdegericht zu prüfen haben, ob der Kläger der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorgelegt hat und ob die Beklagte ein diesem Entwurf entsprechendes pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis erteilt hat. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären, ob das von der Beklagten erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf „entspricht“. Dies erfordert nicht, dass der Zeugnisentwurf Wort für Wort übernommen worden ist. So ist die Beklagte insbesondere nicht verpflichtet, Grammatik-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler zu übernehmen. Das Zwangsvollstreckungsverfahren kann auch nicht dazu führen, dass die Beklagte ein Zeugnis erteilen muss, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Bis zu dieser Grenze ist die Beklagte aber im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO anzuhalten, ein dem Entwurf des Klägers entsprechendes Zeugnis zu erteilen. Allerdings ist das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht geeignet, die im Vergleich offengelassene Frage des Zeugnisinhaltes abschließend zu klären. Ob das vom Kläger begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht, kann im Vollstreckungsverfahren nicht geklärt werden. Sind Umstände nachvollziehbar vorgetragen, die ergeben, dass das verlangte Zeugnis nicht der Wahrheit entspricht und gelangt das Beschwerdegericht zur Auffassung, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der vorgetragenen Umstände mit dem erteilten Zeugnis den titulierten Anspruch erfüllt hat, hat das Landesarbeitsgericht den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Dem Kläger bleibt dann nur die Möglichkeit, eine Zeugnisberichtigung im Wege eines neuen Erkenntnisverfahrens zu verlangen.
-
III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben.
-
Gräfl
Zwanziger
Spinner
(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:
- 1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind; - 2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen; - 2a.
(weggefallen) - 2b.
(weggefallen) - 3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet; - 3a.
(weggefallen) - 4.
aus Vollstreckungsbescheiden; - 4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind; - 4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c; - 5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat; - 6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006; - 7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind; - 8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind; - 9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.
(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.09.2015 – 4 Ca 435/15 – dahin abgeändert, dass das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.07.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 80 % und der Kläger zu 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, folgenden Satz in das Zeugnis des Klägers aufzunehmen: „Wir betrachten es als besondere Leistung, dass er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert und unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus gebunden hat“.
3Der Kläger war vom 01.07.2010 bis zum 31.10.2013 bei der Beklagten als Gebietsverkaufsleiter tätig. Die Beklagte sprach im Juli und August 2013 Kündigungen gegenüber dem Kläger aus. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und nahm die Beklagte zudem auf Weiterbeschäftigung, Entfernung von Abmahnungsschreiben aus der Personalakte und auf Zeugniserteilung in Anspruch. Dieser Rechtsstreit, den die Parteien vor dem Arbeitsgericht Hagen unter dem Geschäftszeichen 4 Ca 1628/13 führten, wurde durch den Abschluss eines Vergleichs am 27.08.2013 erledigt. Der Vergleich sah unter anderem vor, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2013 endet und die Beklagte an den Kläger eine Abfindungszahlung leistet. Darüber hinaus heißt es in dem Vergleich: „Die Beklagte erteilt dem Kläger unter dem 31.10.2013 ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger ein Vorschlagsrecht zusteht, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grunde abweichen darf.“
4Im September 2014 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten einen Zeugnisentwurf mit der Bitte um Übernahme und Erteilung. Die Beklagte erteilte dem Kläger ein Arbeitszeugnis, das von dem übersandten Zeugnisentwurf abwich. Der Kläger erhob daraufhin Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses nach Maßgabe des Zeugnisentwurfs zu verpflichten. Nachdem die Beklagte dem Kläger im Laufe des Rechtsstreits ein neues Arbeitszeugnis erteilt hatte, das dem Zeugnisentwurf – mit Ausnahme des einleitend im Tatbestand wiedergegebenen Satzes – entsprach, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit erledigt erklärt.
5Im Kammertermin vom 09.07.2015, den die Beklagte nicht wahrgenommen hat, ist ein Versäumnisurteil erlassen worden, durch das die Beklagte verpflichtet wurde, den noch fehlenden Satz aus dem Zeugnisentwurf in das Arbeitszeugnis des Klägers zu übernehmen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt.
6Der Kläger hat behauptet, dass er unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an die Beklagte gebunden habe. Die Angaben zu den von dem Kläger getätigten Umsätzen basierten auf einer Auskunft des vormaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn C. Die nach den Gebietsübernahmen erfolgten Umsatzrückgänge seien letztlich darauf zurückzuführen, dass die Lieferanten sehr lange auf ihre Bezahlung hätten warten müssen und dann nur schlechte Qualität geliefert hätten. Dies habe sich nachteilig auf die Umsätze ausgewirkt.
7Der Kläger hat beantragt,
8das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufrecht zu erhalten.
9Die Beklagte hat beantragt,
10das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger mit seinem Begehren die Grenze zum offenkundigen Rechtsmissbrauch überschritten habe, da oberster Grundsatz für die Zeugnisausstellung die Wahrheit des Zeugnisses sei. Weder habe er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert noch unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus der Beklagten gebunden. Die Frage, ob in dem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert und ob unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus gebunden worden seien, sei keine Frage der Wertung, sondern eine auf objektiven Zahlen basierende Tatsache und einem Beweis zugänglich. Der Kläger sei seiner Beweislast für die Richtigkeit der begehrten Angaben nicht nachgekommen. Darüber hinaus zeige die Darstellung der „neuen Verkaufsgebiete“ mit Stand 20.12.2011 (Blatt 54 der Akte), dass das Gebiet West neu aufgeteilt und dem Kläger die Postleitzahlengebiete 33 bis 37, 60 bis 63 und 65 zugeteilt worden seien. Aus den Umsatzzahlen (Blatt 55 der Akte) ergebe sich zwar, dass durch die Übernahme der Kundengebiete ein Umsatzsprung erfolgte. Die Umsatzzahlen der Jahre 2011 und 2012 für die Kundengebiete L und G belegten aber, dass nach Übernahme dieser Gebiete durch den Kläger ein Umsatzrückgang zu verzeichnen gewesen sei.
12Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten und zur Begründung im Wesentlichen aufgeführt, die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der vom Kläger gewünschten Formulierung ergebe sich aus dem gerichtlichen Vergleich im Verfahren 4 Ca 1628/13. Wenn die Beklagte im Vergleich zugesagt habe, dem Kläger ein Arbeitszeugnis nach seinem Entwurf zu erteilen und von dem Entwurf nur aus wichtigem Grunde abzuweichen, so stelle dies ein Schuldanerkenntnis dar. Einwendungen gegenüber dem anerkannten Anspruch seien von der Beklagten zu beweisen. Es sei der Beklagten nicht gelungen nachzuweisen, dass die vom Kläger gewünschten Formulierungen inhaltlich falsch seien. Die Beklagte habe insbesondere lediglich die Umsatzzahlen des Klägers in den Jahren 2010 bis 2012 dargelegt und sich nicht hinreichend mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt, er habe Umsatzzuwächse im Zeitraum von 2010 bis 2013 erzielt. Im Übrigen wird,, auch zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.
13Das Urteil erster Instanz ist der Beklagten am 08.10.2015 zugestellt worden. Sie hat mit einem Schriftsatz, der am 28.10.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am 11.11.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
14Die Beklagte vertritt die Auffassung, den Kläger treffe die Darlegungslast für die behaupteten Tatsachen, auf die er seinen Anspruch hinsichtlich der Ergänzung des Zeugnisses stütze. Die Beklagte habe insoweit bei Abschluss des Vergleichs vom 27.08.2013 kein Schuldanerkenntnis abgegeben, sondern sich das Recht vorbehalten, vom Formulierungsvorschlag des Klägers abzuweichen. Die Behauptung des Klägers, er habe unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an die Beklagte gebunden, könne die Beklagte nur bestreiten. Als Anlage mit einem am 01.12.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte die Umsatzzahlen des Klägers im Zeitraum von 2010 bis 2013 dargestellt.
15Die Beklagte beantragt,
16unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.09.2015, Az. 4 Ca 435/15, das Versäumnisurteil vom 09.07.2015, Arbeitsgericht Hagen, aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie noch nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.
17Der Kläger beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Darlegungslast im Streitfall die Beklagte treffe. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz eine Aufstellung der vom Kläger erzielten Umsätze in den Jahren 2010 bis 2013 vorgelegt habe, sei dieser Vortrag nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgt; zudem könne die Bezugnahme auf eine Anlage nicht den ordnungsgemäßen Parteivortrag ersetzen. Aus den Umsatzzahlen, die die Beklagte vorgelegt habe, ergebe sich, dass sich der Umsatz des Klägers bei einem Vergleich der Monate Juli 2010 und Oktober 2010 um 33 % gesteigert habe.
20Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22I
23Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
24Die Beklagte hat die Berufung insbesondere rechtzeitig gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet.
25II
26Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
27Das arbeitsgerichtliche Urteil war abzuändern und das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 auf den zulässigen Einspruch der Beklagten aufzuheben. Dem Kläger steht kein Anspruch auf die begehrte Ergänzung des Zeugnisses aus § 109 Abs. 1 GewO in Verbindung mit dem Vergleich vom 27.08.2013 zu. Eine andere Anspruchsgrundlage kommt nicht in Betracht.
281. Die Beklagte ist nicht einschränkungslos verpflichtet, dem Kläger ein „wunschgemäßes“ Zeugnis nach dessen Vorstellungen zu erteilen.
29Zwar ergibt sich aus § 109 Abs. 1 GewO ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Zeugniserteilung. Wie sich aus dem Sinn der Vorschrift des § 109 Abs. 1 GewO ergibt, muss der Arbeitgeber das Zeugnis wohlwollend abfassen, damit es das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht ungerechtfertigt erschwert (Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, § 109 GewO, Rdnr. 27 m.w.N.). Die Vorschrift sieht jedoch keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Wortlaut vor. Vielmehr ist der Arbeitgeber frei in der Wahl seiner Formulierungen (BAG, Urteil vom 16.10.2007 – 9 AZR 248/07, Urteil vom 21.06.2005 – 9 AZR 352/04).
30Der Vergleich vom 27.08.2013 engt zwar den Spielraum ein, welcher der Beklagten bei der Formulierung des Zeugnisses zusteht. Der Vergleich sieht im Grundsatz vor, dass die Beklagte den vom Kläger erstellten Formulierungsvorschlag für das Zeugnis zu übernehmen hat. Die Parteien haben bei Abschluss des Vergleichs vom 27.08.2013 allerdings durch den Vorbehalt des wichtigen Grundes klargestellt, dass die Beklagte den Vorschlag des Klägers nicht ungeprüft und ohne jede Änderung übernehmen muss. Das Prüfungsrecht des Arbeitgebers besteht schon dann, wenn in einem Prozessvergleich vereinbart ist, er habe ein „pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis“ zu erstellen (BAG, Beschluss vom 09.09.2011 – 3 AZB 35/11). Das muss erst recht dann gelten, wenn ausdrücklich der Vorbehalt einer Abweichung von der vorgeschlagenen Zeugnisformulierung aus wichtigem Grunde – wie hier – im Vergleich vereinbart ist.
312. Es liegt ein wichtiger Grund dafür vor, dass die Beklagte den Formulierungsvorschlag des Klägers, soweit er im Hinblick auf Umsatzsteigerung und die Bindung unzufriedener Kunden zwischen den Parteien streitig ist, nicht übernahm.
32a) Durch den Vorbehalt der Abweichung „aus wichtigem Grunde“ ist klargestellt, dass die Beklagte nach dem Vergleich nicht verpflichtet ist, inhaltlich Unwahres in den Zeugnistext zu übernehmen.
33Denn der Begriff des wichtigen Grundes ist vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Zeugniswahrheit zu verstehen. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit und –klarheit bildet den obersten Grundsatz des Zeugnisrechts (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 22; Preis, in: Staudinger, § 630 BGB Rdnr. 41, jeweils m.w.N.). Der Arbeitgeber, der zugunsten des Arbeitnehmers Unwahres im Zeugnis bekundet, muss damit rechnen, Schadensersatzansprüchen Dritter ausgesetzt zu sein (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 68). Vor diesem Hintergrund kann der Arbeitgeber auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht dazu angehalten werden, ein Zeugnis zu erteilen, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt (BAG, Beschluss vom 09.09.2011 – 3 AZB 35/11).
34b) Die vom Kläger begehrten Änderungen betreffen nicht Wertungsfragen, sondern Tatsachen. Sowohl die Frage, ob der Kläger Umsatzzuwächse erreicht hat, als auch die Frage, ob es ihm gelang, starke Umsatzträger wieder an die Beklagte zu binden, beziehen sich auf sinnlich wahrnehmbare Geschehnisse der Außenwelt, die dem Beweis zugänglich sind.
35c) Mit der angestrebten Formulierung begehrt der Kläger insoweit die Aufnahme inhaltlich unrichtiger Tatsachen in das Zeugnis.
36Das ergibt sich aus der Auswertung des beiderseitigen Parteivorbringens. Es spricht einiges dafür, dass die Darlegungs- und Beweislast (wie es das Arbeitsgericht angenommen hat) für die Unrichtigkeit der Tatsachen im Streitfall die Beklagte trifft. Ist ein Vergleichstext so formuliert wie hier, stellt die Abweichung aus wichtigem Grund eine Einwendung gegen den grundsätzlich bestehenden Anspruch des Arbeitnehmers auf Übernahme der von ihm vorgeschlagenen Zeugnisformulierungen dar. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Arbeitgeber für die Einwendungen darlegungs- und beweispflichtig, die ihm zum Vorteil gereichen. Anderenfalls stünde der Arbeitnehmer nach dem Abschluss des Vergleichs nicht besser als wenn er einen regulären Zeugnisberichtigungsstreit führen müsste. Das widerspräche dem Sinn des Vergleichsabschlusses (LAG Hamm, Beschluss vom 04.08.2010 – 1 Ta 196/10 m.w.N.). Mit einer derartigen Regelung zur Zeugniserteilung im Vergleich soll gerade ein weiterer, unter Umständen wiederum gerichtlich auszutragender Streit zwischen den Parteien um die Zeugnisformulierung vermieden werden. Der Arbeitnehmer, der – wie hier der Kläger – über einen Vergleich den Arbeitsplatz verliert, will zumindest ein für ihn vorteilhaftes Zeugnis garantiert haben, auf dessen Inhalt er weitestgehenden Einfluss nehmen kann. Der vorliegende Rechtsstreit nötigt jedoch nicht dazu, einen abstrakten Rechtssatz über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast aufzustellen.
37Im Zivilprozess gilt der Grundsatz der abgestuften Darlegungslast, der sich aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO ergibt (vgl. dazu und zum Folgenden: BAG, Urteil vom 20.11.2003 – 8 AZR 580/02 m.w.N.). Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Eine allgemeine Auskunftspflicht auch über die gegnerischen Behauptungen hinaus kennt das materielle Recht nicht, und es ist nicht Sache des Prozessrechts, sie einzuführen. Keine Partei ist gehalten, den Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt. Daher genügt einfaches Bestreiten eines nur pauschalen Vorbringens. Dagegen ist zu den einzelnen Behauptungen der gegnerischen Partei gezielt Stellung zu nehmen, soweit diese sich substantiiert geäußert hat; pauschales Bestreiten genügt dann nicht, sondern hat die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge. Ist substantiiertes Bestreiten erforderlich, muss die gegnerische Prozesspartei eine Gegendarstellung des Sachverhalts geben, soweit sie dazu in der Lage ist. Insbesondere wird dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei dann eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast auferlegt, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.
38Danach ist festzustellen, dass der Kläger die ihn jedenfalls treffende treffende Darlegungspflicht im Hinblick auf die Richtigkeit der Tatsachen, die Grundlage der beantragten Änderung des Zeugnistextes sein sollen, nicht hinreichend erfüllt hat.
39aa) Dies gilt zunächst für die „Umsatzzuwächse“ von bis zu 33 %“, die der Kläger in seinem Verkaufsgebiet generiert haben will.
40Dass der Kläger derartige Umsatzzuwächse erreichte, ist dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen. Der Kläger hat keine näheren Angaben zu seinen Umsatzzahlen gemacht. Die Beklagte hat demgegenüber bereits erstinstanzlich (Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 18.05.2015) eine Aufstellung über den Umsatz des Klägers im Zeitraum von 2010 bis 2012 vorgelegt. In der Berufungsinstanz hat sie diese Angaben mit der Anlage, die dem Schriftsatz vom 30.11.2015, der am 01.12.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, um die Zahlen für das Jahr 2013 ergänzt.
41Die von der Beklagten vorgetragenen Umsatzzahlen für das Jahr 2013 sind im Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Der Vortrag ist nicht nach § 67 ArbGG ausgeschlossen. Der Schriftsatz vom 30.11.2015 ging innerhalb der noch bis zum 08.12.2015 laufenden Berufungsbegründungsfrist ein. Die Berücksichtigung des Vortrages führt nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits.
42Dass die Beklagte die Umsatzzahlen in Tabellenform vorgelegt und nicht schriftsätzlich ausformuliert hat, begegnet keinen Bedenken. Zwar mag die Bezugnahme auf Anlagen dann bedenklich sein, wenn sie erforderlichen substantiierten Sachvortragen ersetzen soll (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2012 – 5 AZR 347/11): Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Angaben aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen. Im Streitfall ist es für das Berufungsgericht nicht notwendig, sich streitige oder unstreitige Angaben aus der Tabelle über die Umsatzzahlen zusammenzusuchen. Die Tabelle besteht nur aus einer Seite. Sie ist selbsterklärend. Die Umsatzzahlen des Klägers sind nach Jahren und Monaten aufgeführt. Die Prozessführung des Klägers wird durch die Bezugnahme auf die Anlage nicht erschwert. Er ist ohne Weiteres in der Lage, das Zahlenwerk nachzuvollziehen und sich mit den Angaben der Beklagten auseinanderzusetzen.
43Aus den Zahlen, deren Richtigkeit der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, ergibt sich zwar eine Steigerung des Umsatzes um etwa 300.000,00 Euro im Vergleich der Jahre 2010 und 2011. Das ist gleichbedeutend mit einer Umsatzsteigerung von 25 %. Die Beklagte hat jedoch schon erstinstanzlich vorgetragen, dass es sich insoweit nicht um Umsatzzuwächse handelt, die der Kläger durch seine Arbeitsleistung generierte, sondern dass der Umsatzzuwachs darauf zurückzuführen war, dass durch den Ausfall eines Mitarbeiters das Gebiet „West“ neu aufgeteilt und dem Kläger ein weiteres Postleitzahlengebiet zugeteilt wurde. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten, so dass das Vorbringen der Beklagten insoweit als unstreitig gelten muss. Die Aufstellungen über die Umsatzzahlen, die von der Beklagten zu den Gerichtsakten gereicht worden sind, weisen den Umsatz der Gebiete gesondert aus, die dem Verkaufsgebiet des Klägers zugeschlagen wurden. Subtrahiert man den Umsatz, der in diesen Gebieten erzielt wurde, vom Gesamtumsatz des Klägers, so lässt sich keine Umsatzsteigerung mehr feststellen.
44Unbehilflich ist der Vortrag des Klägers zu einem Telefongespräch mit dem vormaligen Geschäftsführer der Beklagten, das „nach ca. einem Jahr“ der Tätigkeit des Klägers geführt worden sein soll und in dessen Rahmen der Geschäftsführer dem Kläger mitgeteilt haben soll, der Kläger habe den Umsatz in seinem Gebiet um 33 % gesteigert. Diese Äußerung des vormaligen Geschäftsführers mag vor dem Hintergrund der Gebietserweiterung erfolgt sein. Der Verweis auf die Äußerung im Rahmen eines Telefongesprächs ersetzt jedenfalls nicht die Auseinandersetzung mit den konkreten Umsatzzahlen, die die Beklagte vortragen hat.
45Wenn der Kläger geltend macht, im Zeitraum von Juli 2010 bis Oktober 2010 eine etwa 33%ige Umsatzsteigerung erreicht zu haben, so muss er sich entgegenhalten lassen, dass das Zeugnis nach dem Grundsatz der Zeugnisklarheit auf die Leistungen während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen hat; einzelne Vorfälle dürfen nur dann hervorgehoben werden, wenn sie für das Vertragsverhältnis charakteristisch waren (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 40). Die Umsatzsteigerung, auf die der Kläger sich berufen will, war nicht charakteristisch für das Arbeitsverhältnis, sondern ergibt sich nur unter Zugrundelegung eines nicht aussagekräftigen Zeitraums zu Beginn des Arbeitsverhältnisses. In jedem Jahr waren die Umsatzzahlen des Klägers schwankend. Durch das beliebige Herausgreifen einzelner Monate lässt sich sowohl eine Umsatzsteigerung als auch ein Umsatzrückgang belegen. Dies gilt auch für das Jahr 2010: Vergleicht man die Umsätze der Monate März und April, so ist ein etwa 25%-iger Umsatzrückgang festzustellen. Aussagekräftige und damit im Sinne des Zeugnisrechts wahre Angaben zu den Umsatzzahlen lassen sich nur bei Betrachtung eines größeren (jährlichen oder halbjährlichen) Zeitraumes machen. Insoweit sind aber keine Zeiträume ersichtlich, aus denen sich ein Umsatzplus in der vom Kläger gewünschten Größenordnung ableiten ließe. Dabei verkennt das Berufungsgericht nicht, dass der Kläger lediglich die Formulierung begehrt, Umsatzzuwächse „von bis zu 33 %“ generiert zu haben. Selbst diese einschränkende Formulierung erweist sich indes bei einem Vergleich der aussagekräftigen längeren Referenzzeiträume als unzutreffend. Die „bereinigten“ Umsatzzahlen (abzüglich der zusätzlich übernommenen Gebiete) weisen nur im Vergleich der Jahre 2011 und 2012 eine leichte (weniger als 10%-ige) Steigerung auf. Im Vergleich der Jahre 2010 zu 2011 sowie 2012 und 2013 ist jedoch ein Umsatzrückgang festzustellen.
46bb) Auch im Hinblick auf die Richtigkeit der Zeugnisformulierung, die auf eine erneute Bindung unzufriedener Kunden als starke Umsatzträger an die Beklagte abhebt, ist der Kläger seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.
47Die Beklagte hat insoweit bestritten, dass der Kläger Derartiges leistete. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, daraufhin zumindest beispielhaft darzulegen, welche Umsatzträger oder unzufriedenen Kunden er mit welchen Maßnahmen dazu brachte, weiterhin Geschäftsbeziehungen zur Beklagten zu pflegen. Der Kläger hat aber keinen einzigen Kunden und keine einzige Maßnahme benannt, die die Aufnahme der von ihm erstrebten Zeugnisformulierung in das Zeugnis rechtfertigen könnte.
48Der Kläger ist insoweit die Prozesspartei mit der größeren Sachnähe, da er die von ihm betreuten Kunden kennt und weiß, welcher Kunde unzufrieden und womöglich im Begriff war, die Geschäftsbeziehungen zur Beklagten abzubrechen. Der Kläger weiß auch, durch welche Leistungen er diese Kunden wieder an die Beklagten zu binden verstand. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Beklagte etwa durch Vorlage von Arbeitsberichten oder ähnlichen Unterlagen unschwer in der Lage gewesen wäre, die Leistungen des Klägers insoweit nachzuvollziehen.
49cc) Das Berufungsgericht hat sich nicht veranlasst gesehen, dem Kläger einen rechtlichen Hinweis zu den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast zu erteilen.
50Die Frage, inwieweit die Darlegungslast (und die Beweislast) zwischen den Parteien zu verteilen ist, war zwischen den Parteien im Streit. Ist die Rechtslage umstritten oder problematisch, muss ein Prozessbevollmächtigter alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und bei seinem Sachvortrag berücksichtigen (BAG, Urteil vom 12.12.2012 – 5 AZR 858/12 m.w.N.). Das Berufungsgericht ist nicht zur Aufklärung verpflichtet, wenn eine Partei bereits darauf hingewiesen hat, dass nötiges Vorbringen fehlt (BAG, Urteil vom 30.09.2014 – 3 AZR 998/12 m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall: Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung (dort Seite 6 f.) vorgetragen, die Regeln der abgestuften Beweislast seien anwendbar und der Kläger habe weder schlüssig zu den Umsatzsteigerungen noch zur Bindung unzufriedener Kunden vorgetragen.
51III
52Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des Rechtsstreits erster Instanz aus § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante ZPO. Die Kosten waren verhältnismäßig zu teilen, da beide Parteien teils obsiegten, teils unterlagen. Die Beklagte hat den größeren Anteil der Kosten zu tragen, da der Kläger nur mit seiner Forderung nach Aufnahme des Satzes scheiterte, der im Berufungsverfahren noch zwischen den Parteien streitig war. Die Beklagte ist den Wünschen des Klägers im Übrigen entgegengekommen und hat sich damit in die Rolle des Unterlegenen begeben. Insoweit waren die Kosten der Beklagten gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen. Die Parteien haben den Rechtstreit im Hinblick auf diese Punkten übereinstimmend für erledigt erklärt. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes waren billigem Ermessen der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Hinsichtlich der Kostenquotelung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil (dort Seite 10, unter D der Entscheidungsgründe) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht ist richtigerweise davon ausgegangen, dass der Gesamtstreitwert für alle vom Kläger erstrebten Änderungen des Zeugnisses ein Monatseinkommen und die zuletzt zwischen den Parteien noch streitige Änderung 20 % hiervon beträgt.
53Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hat sich erst in der Berufungsinstanz hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die vom Kläger gewünschte Änderung des Zeugnistextes auf der Grundlage wahrer Tatsachen erfolgen kann. Sie hat erst in der Berufungsbegründung (dort Seite 7) vorgetragen, die Behauptung, der Kläger habe unzufriedene Kunden gebunden, mangels Substantiierung und eigener Kenntnisse nur bestreiten zu können. Zuvor hat sie die Aussagen schlicht als „falsch“ bezeichnet (Schriftsatz vom 18.05.2015, dort Seite 3) bzw. vorgetragen, der Kläger habe seine Behauptungen „mit keinem Satz erklärt“ (Schriftsatz vom 14.07.2015, dort Seite 2). Auch eine vollständige Aufstellung der Umsatzzahlen (einschließlich des Jahres 2013) hat die Beklagte erst im Berufungsverfahren vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass es für die Beklagte nicht bereits erstinstanzlich möglich war, sich mit dem Vorbringen des Klägers auseinanderzusetzen und vollständige Angaben zu den Umsatzzahlen zu machen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keine Angaben dazu machen, seit wann die Zahlen für das Jahr 2013 bei der Beklagten vorlagen.
54IV
55Es bestand keine Veranlassung, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere wirft der Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2011 - 13 Ta 203/11 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
- 1
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I. Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren über eine Verpflichtung zur Zeugniserteilung.
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Im Rahmen eines zuvor beim Arbeitsgericht Essen geführten Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien am 4. August 2010 einen gerichtlichen Vergleich, der neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zum 30. April 2010 auch folgende Regelungen zu einem von der Beklagten zu erteilenden Zeugnis enthält:
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„Die Beklagte erstellt zugunsten des Klägers ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der dortigen Beschäftigung des Klägers seit dem Jahre 1987 entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf, der innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von zwei Wochen ab Überlassung des Entwurfes auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 04.05.2010 ausgefertigt, von dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet und als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht wird.“
- 3
-
Der Kläger/Vollstreckungsgläubiger (im Folgenden: Kläger) übermittelte der Beklagten/Vollstreckungsschuldnerin (im Folgenden: Beklagte) einen Zeugnisentwurf. Darauf erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zeugnis, das ua. in der Tätigkeitsbeschreibung sowie in der Bewertung von Leistung und Verhalten von dem Entwurf des Klägers abweicht.
- 4
-
Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2011 hat der Kläger beantragt, gegen die Beklagte zur Erzwingung der im Vergleich niedergelegten Verpflichtung auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses entsprechend dem als Anlage beigefügten Entwurf ein Zwangsgeld von bis zu 25.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu sechs Monaten festzusetzen.
- 5
-
Die Beklagte hat die Zurückweisung des Antrags begehrt, da der Inhalt des verlangten Zeugnisses nicht der Wahrheit entspreche.
- 6
-
Mit Beschluss vom 16. März 2011 hat das Arbeitsgericht gegen die Beklagte ein Zwangsgeld iHv. 500,00 Euro festgesetzt. Gegen diesen der Beklagten am 23. März 2011 zugestellten Beschluss hat sie am 4. April 2011 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die sofortige Beschwerde den Vollstreckungsbeschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Zwangsvollstreckungsantrag zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
- 7
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II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 8
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Beschlusses ohne Einschränkung zugelassen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 10. Juni 2011 ist dem Kläger am 20. Juni 2011 zugestellt worden. Die Rechtsbeschwerde nebst Begründung ist am 19. Juli 2011 und damit rechtzeitig iSv. § 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Die Rechtsbeschwerde erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen des § 575 ZPO.
- 9
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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Dem Vollstreckungstitel mangelt es - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht an einer ausreichenden Bestimmtheit und damit einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Ob die Beklagte als Vollstreckungsschuldnerin den Vergleich bereits ausreichend erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB) hat, kann der Senat nicht beurteilen. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 577 Abs. 4 ZPO).
- 10
-
a) Zu Recht hat der Kläger einen Antrag gem. § 888 ZPO gestellt. Bei Nichterteilung des Zeugnisses, wie im Prozessvergleich vereinbart, handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der die Beklagte, wenn sie sie nicht vornimmt, durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann (§ 888 ZPO).
- 11
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b) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der gerichtliche Vergleich vom 4. August 2010 im Rechtsstreit - 6 Ca 1532/10 - beim Arbeitsgericht Essen stellt einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) dar. Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Vollstreckungsgläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).
- 12
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c) Der Prozessvergleich vom 4. August 2010 ist für die Zwangsvollstreckung hinreichend bestimmt.
- 13
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aa) Grundlage der Zwangsvollstreckung ist der Prozessvergleich vom 4. August 2010. Dieser ist ein Prozessvertrag, der eine rechtliche Doppelnatur hat. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkung sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BGH 19. Mai 1982 - IVb ZR 705/80 - FamRZ 1982, 782). Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervorgetretenen - Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat(vgl. Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber ZPO 28. Aufl. § 794 Rn. 14). Ob und ggf. in welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Stein/Jonas/Münzberg vor § 704 Rn. 26 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (vgl. BGH 26. April 1978 - VIII ZR 236/76 - zu I 1 b aa der Gründe, BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BGH 31. März 1993 - XII ZR 234/91 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1995; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195).
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Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7).
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bb) Ausgehend hiervon enthält der Vergleich vom 4. August 2010 einen vollstreckbaren Inhalt. Dies ergibt eine Auslegung des protokollierten Prozessvergleichs nach den vorgenannten Grundsätzen unter Beachtung der gesetzlichen Regelung zum Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 109 GewO.
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(1) Der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 320; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu III 2 der Gründe, BAGE 108, 86). Ein Zeugnis ist regelmäßig Bewerbungsunterlage und damit gleichzeitig Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber. Deshalb hat es Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers (vgl. BT-Drucks. 14/8796 S. 25). Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistungen beurteilt (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - aaO; 8. Februar 1972 - 1 AZR 189/71 - BAGE 24, 112). Vom Arbeitgeber wird dabei verlangt, dass er den Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tatsachen beurteilt und, soweit das möglich ist, ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermittelt (BAG 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 97, 57). Daraus ergeben sich die Gebote der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit.
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Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erstreckt sich auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 114, 320). Das Gebot der Zeugnisklarheit ist nach § 109 Abs. 2 GewO in seiner ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung gesetzlich normiert. Danach muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Abzustellen ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Lesers des Zeugnisses. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl verbindet (BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 130).
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In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält (so schon BAG 29. Juli 1971 - 2 AZR 250/70 - zu II der Gründe, AP BGB § 630 Nr. 6). Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere (BAG 23. September 1992 - 5 AZR 573/91 - zu II der Gründe, EzA BGB § 630 Nr. 16). Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers (BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 19, BAGE 127, 232).
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(2) In dem Prozessvergleich vom 4. August 2010 haben die Parteien zunächst die Verpflichtung der Beklagten festgelegt, dem Kläger ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der Beschäftigung des Klägers seit dem Jahr 1987 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2010 zu erteilen. Damit haben die Parteien festgelegt, auf welchen Zeitraum des Arbeitsverhältnisses sich das Zeugnis zu beziehen hat. Insoweit haben die Parteien vereinbart, dass dieser Zeitraum auch die von 1987 bis 1990 dauernde Berufsausbildung zu umfassen hat. Durch die Formulierung „qualifiziertes Zeugnis“ stellen die Parteien erkennbar den Bezug zur gesetzlichen Regelung in § 109 GewO her. Die zusätzliche Einfügung des Wortes „pflichtgemäß“ ist ebenfalls als Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung des § 109 GewO zu verstehen. Mit der Wendung „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf“ haben die Parteien jedoch eine wesentliche Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zum Zeugnisanspruch nach § 109 GewO vereinbart. Die Parteien haben damit die Formulierungshoheit der Beklagten als vormaliger Arbeitgeberin maßgeblich eingeschränkt, indem sie die Formulierungshoheit auf den Kläger übertragen haben. Es liegt damit beim Kläger darüber zu entscheiden, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will. Allerdings muss auch die vom Kläger vorzuschlagende Formulierung des Zeugnisses die Grenze der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit berücksichtigen (vgl. BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 20 ff., BAGE 127, 232), wie es die Parteien im Vergleich auch vereinbart haben.
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Weiter sind die Parteien in dem Prozessvergleich übereingekommen, dass der Beklagten ab dem Zeitpunkt der Überlassung des Entwurfs zwei Wochen verbleiben sollten, um den Entwurf des Klägers auf Briefpapier der Beklagten unter dem Ausstellungsdatum des 4. Mai 2010 auszufertigen und vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet an den Kläger als ordnungsgemäßes Zeugnis zurückzureichen. Damit haben die Parteien zunächst eine Zeitdauer für die Umsetzung des Entwurfs und Ausfertigung des Zeugnisses unter dem vereinbarten Ausstellungsdatum geregelt und die Pflicht zur Unterzeichnung des Zeugnisses durch den Geschäftsführer ausdrücklich aufgenommen. Die Formulierungen „als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht“ stellt auch klar, dass das dann erstellte Zeugnis in optisch einwandfreier Form dem Kläger zu überlassen ist.
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Mit diesen Regelungen verpflichtet der Prozessvergleich die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nicht, seinen Vorschlag ungeprüft und ohne jede Änderung zu übernehmen. Vielmehr ist die Beklagte gehalten, ein „pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis“ zu erteilen und das Zeugnis „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger vorzulegenden Entwurf“ auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 4. Mai 2010 auszufertigen. Dies schließt eine einschränkungslose Verpflichtung zur ungeprüften und unabänderlichen Übernahme des Entwurfs aus. Die Beklagte kann vielmehr prüfen, ob der vorgelegte Entwurf einem „pflichtgemäßen“ qualifizierten Zeugnis, dh. einem unter Beachtung der in § 109 GewO bestimmten Grundsätze erstellten Zeugnis, entspricht. Die Verpflichtung zur Erstellung eines dem Entwurf „entsprechenden“ Zeugnisses ermöglicht es der Beklagten, den Entwurf ggf. an die Vorgaben des § 109 GewO anzupassen.
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d) Der Senat kann nicht nach § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat weder den Text des Zeugnisentwurfs des Klägers noch denjenigen des von der Beklagten bislang erteilten Zeugnisses festgestellt. Diese Unterlagen wurden zwar ausweislich des Eingangsstempels wohl mit dem Zwangsgeldantrag vom 21. Januar 2011 beim Arbeitsgericht eingereicht. Sie befinden sich jedoch nicht (mehr) bei den Akten. Die Sache ist daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
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e) Im Rahmen der neuen Entscheidung wird das Beschwerdegericht zu prüfen haben, ob der Kläger der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorgelegt hat und ob die Beklagte ein diesem Entwurf entsprechendes pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis erteilt hat. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären, ob das von der Beklagten erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf „entspricht“. Dies erfordert nicht, dass der Zeugnisentwurf Wort für Wort übernommen worden ist. So ist die Beklagte insbesondere nicht verpflichtet, Grammatik-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler zu übernehmen. Das Zwangsvollstreckungsverfahren kann auch nicht dazu führen, dass die Beklagte ein Zeugnis erteilen muss, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Bis zu dieser Grenze ist die Beklagte aber im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO anzuhalten, ein dem Entwurf des Klägers entsprechendes Zeugnis zu erteilen. Allerdings ist das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht geeignet, die im Vergleich offengelassene Frage des Zeugnisinhaltes abschließend zu klären. Ob das vom Kläger begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht, kann im Vollstreckungsverfahren nicht geklärt werden. Sind Umstände nachvollziehbar vorgetragen, die ergeben, dass das verlangte Zeugnis nicht der Wahrheit entspricht und gelangt das Beschwerdegericht zur Auffassung, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der vorgetragenen Umstände mit dem erteilten Zeugnis den titulierten Anspruch erfüllt hat, hat das Landesarbeitsgericht den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Dem Kläger bleibt dann nur die Möglichkeit, eine Zeugnisberichtigung im Wege eines neuen Erkenntnisverfahrens zu verlangen.
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III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben.
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Gräfl
Zwanziger
Spinner
(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:
- 1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind; - 2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen; - 2a.
(weggefallen) - 2b.
(weggefallen) - 3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet; - 3a.
(weggefallen) - 4.
aus Vollstreckungsbescheiden; - 4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind; - 4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c; - 5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat; - 6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006; - 7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind; - 8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind; - 9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.
(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.09.2015 – 4 Ca 435/15 – dahin abgeändert, dass das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.07.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 80 % und der Kläger zu 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand
2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, folgenden Satz in das Zeugnis des Klägers aufzunehmen: „Wir betrachten es als besondere Leistung, dass er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert und unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus gebunden hat“.
3Der Kläger war vom 01.07.2010 bis zum 31.10.2013 bei der Beklagten als Gebietsverkaufsleiter tätig. Die Beklagte sprach im Juli und August 2013 Kündigungen gegenüber dem Kläger aus. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und nahm die Beklagte zudem auf Weiterbeschäftigung, Entfernung von Abmahnungsschreiben aus der Personalakte und auf Zeugniserteilung in Anspruch. Dieser Rechtsstreit, den die Parteien vor dem Arbeitsgericht Hagen unter dem Geschäftszeichen 4 Ca 1628/13 führten, wurde durch den Abschluss eines Vergleichs am 27.08.2013 erledigt. Der Vergleich sah unter anderem vor, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2013 endet und die Beklagte an den Kläger eine Abfindungszahlung leistet. Darüber hinaus heißt es in dem Vergleich: „Die Beklagte erteilt dem Kläger unter dem 31.10.2013 ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger ein Vorschlagsrecht zusteht, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grunde abweichen darf.“
4Im September 2014 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten einen Zeugnisentwurf mit der Bitte um Übernahme und Erteilung. Die Beklagte erteilte dem Kläger ein Arbeitszeugnis, das von dem übersandten Zeugnisentwurf abwich. Der Kläger erhob daraufhin Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses nach Maßgabe des Zeugnisentwurfs zu verpflichten. Nachdem die Beklagte dem Kläger im Laufe des Rechtsstreits ein neues Arbeitszeugnis erteilt hatte, das dem Zeugnisentwurf – mit Ausnahme des einleitend im Tatbestand wiedergegebenen Satzes – entsprach, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit erledigt erklärt.
5Im Kammertermin vom 09.07.2015, den die Beklagte nicht wahrgenommen hat, ist ein Versäumnisurteil erlassen worden, durch das die Beklagte verpflichtet wurde, den noch fehlenden Satz aus dem Zeugnisentwurf in das Arbeitszeugnis des Klägers zu übernehmen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt.
6Der Kläger hat behauptet, dass er unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an die Beklagte gebunden habe. Die Angaben zu den von dem Kläger getätigten Umsätzen basierten auf einer Auskunft des vormaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn C. Die nach den Gebietsübernahmen erfolgten Umsatzrückgänge seien letztlich darauf zurückzuführen, dass die Lieferanten sehr lange auf ihre Bezahlung hätten warten müssen und dann nur schlechte Qualität geliefert hätten. Dies habe sich nachteilig auf die Umsätze ausgewirkt.
7Der Kläger hat beantragt,
8das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufrecht zu erhalten.
9Die Beklagte hat beantragt,
10das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger mit seinem Begehren die Grenze zum offenkundigen Rechtsmissbrauch überschritten habe, da oberster Grundsatz für die Zeugnisausstellung die Wahrheit des Zeugnisses sei. Weder habe er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert noch unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus der Beklagten gebunden. Die Frage, ob in dem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert und ob unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus gebunden worden seien, sei keine Frage der Wertung, sondern eine auf objektiven Zahlen basierende Tatsache und einem Beweis zugänglich. Der Kläger sei seiner Beweislast für die Richtigkeit der begehrten Angaben nicht nachgekommen. Darüber hinaus zeige die Darstellung der „neuen Verkaufsgebiete“ mit Stand 20.12.2011 (Blatt 54 der Akte), dass das Gebiet West neu aufgeteilt und dem Kläger die Postleitzahlengebiete 33 bis 37, 60 bis 63 und 65 zugeteilt worden seien. Aus den Umsatzzahlen (Blatt 55 der Akte) ergebe sich zwar, dass durch die Übernahme der Kundengebiete ein Umsatzsprung erfolgte. Die Umsatzzahlen der Jahre 2011 und 2012 für die Kundengebiete L und G belegten aber, dass nach Übernahme dieser Gebiete durch den Kläger ein Umsatzrückgang zu verzeichnen gewesen sei.
12Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten und zur Begründung im Wesentlichen aufgeführt, die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der vom Kläger gewünschten Formulierung ergebe sich aus dem gerichtlichen Vergleich im Verfahren 4 Ca 1628/13. Wenn die Beklagte im Vergleich zugesagt habe, dem Kläger ein Arbeitszeugnis nach seinem Entwurf zu erteilen und von dem Entwurf nur aus wichtigem Grunde abzuweichen, so stelle dies ein Schuldanerkenntnis dar. Einwendungen gegenüber dem anerkannten Anspruch seien von der Beklagten zu beweisen. Es sei der Beklagten nicht gelungen nachzuweisen, dass die vom Kläger gewünschten Formulierungen inhaltlich falsch seien. Die Beklagte habe insbesondere lediglich die Umsatzzahlen des Klägers in den Jahren 2010 bis 2012 dargelegt und sich nicht hinreichend mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt, er habe Umsatzzuwächse im Zeitraum von 2010 bis 2013 erzielt. Im Übrigen wird,, auch zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.
13Das Urteil erster Instanz ist der Beklagten am 08.10.2015 zugestellt worden. Sie hat mit einem Schriftsatz, der am 28.10.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am 11.11.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
14Die Beklagte vertritt die Auffassung, den Kläger treffe die Darlegungslast für die behaupteten Tatsachen, auf die er seinen Anspruch hinsichtlich der Ergänzung des Zeugnisses stütze. Die Beklagte habe insoweit bei Abschluss des Vergleichs vom 27.08.2013 kein Schuldanerkenntnis abgegeben, sondern sich das Recht vorbehalten, vom Formulierungsvorschlag des Klägers abzuweichen. Die Behauptung des Klägers, er habe unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an die Beklagte gebunden, könne die Beklagte nur bestreiten. Als Anlage mit einem am 01.12.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte die Umsatzzahlen des Klägers im Zeitraum von 2010 bis 2013 dargestellt.
15Die Beklagte beantragt,
16unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.09.2015, Az. 4 Ca 435/15, das Versäumnisurteil vom 09.07.2015, Arbeitsgericht Hagen, aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie noch nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.
17Der Kläger beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Darlegungslast im Streitfall die Beklagte treffe. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz eine Aufstellung der vom Kläger erzielten Umsätze in den Jahren 2010 bis 2013 vorgelegt habe, sei dieser Vortrag nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgt; zudem könne die Bezugnahme auf eine Anlage nicht den ordnungsgemäßen Parteivortrag ersetzen. Aus den Umsatzzahlen, die die Beklagte vorgelegt habe, ergebe sich, dass sich der Umsatz des Klägers bei einem Vergleich der Monate Juli 2010 und Oktober 2010 um 33 % gesteigert habe.
20Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22I
23Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
24Die Beklagte hat die Berufung insbesondere rechtzeitig gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet.
25II
26Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
27Das arbeitsgerichtliche Urteil war abzuändern und das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 auf den zulässigen Einspruch der Beklagten aufzuheben. Dem Kläger steht kein Anspruch auf die begehrte Ergänzung des Zeugnisses aus § 109 Abs. 1 GewO in Verbindung mit dem Vergleich vom 27.08.2013 zu. Eine andere Anspruchsgrundlage kommt nicht in Betracht.
281. Die Beklagte ist nicht einschränkungslos verpflichtet, dem Kläger ein „wunschgemäßes“ Zeugnis nach dessen Vorstellungen zu erteilen.
29Zwar ergibt sich aus § 109 Abs. 1 GewO ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Zeugniserteilung. Wie sich aus dem Sinn der Vorschrift des § 109 Abs. 1 GewO ergibt, muss der Arbeitgeber das Zeugnis wohlwollend abfassen, damit es das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht ungerechtfertigt erschwert (Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, § 109 GewO, Rdnr. 27 m.w.N.). Die Vorschrift sieht jedoch keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Wortlaut vor. Vielmehr ist der Arbeitgeber frei in der Wahl seiner Formulierungen (BAG, Urteil vom 16.10.2007 – 9 AZR 248/07, Urteil vom 21.06.2005 – 9 AZR 352/04).
30Der Vergleich vom 27.08.2013 engt zwar den Spielraum ein, welcher der Beklagten bei der Formulierung des Zeugnisses zusteht. Der Vergleich sieht im Grundsatz vor, dass die Beklagte den vom Kläger erstellten Formulierungsvorschlag für das Zeugnis zu übernehmen hat. Die Parteien haben bei Abschluss des Vergleichs vom 27.08.2013 allerdings durch den Vorbehalt des wichtigen Grundes klargestellt, dass die Beklagte den Vorschlag des Klägers nicht ungeprüft und ohne jede Änderung übernehmen muss. Das Prüfungsrecht des Arbeitgebers besteht schon dann, wenn in einem Prozessvergleich vereinbart ist, er habe ein „pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis“ zu erstellen (BAG, Beschluss vom 09.09.2011 – 3 AZB 35/11). Das muss erst recht dann gelten, wenn ausdrücklich der Vorbehalt einer Abweichung von der vorgeschlagenen Zeugnisformulierung aus wichtigem Grunde – wie hier – im Vergleich vereinbart ist.
312. Es liegt ein wichtiger Grund dafür vor, dass die Beklagte den Formulierungsvorschlag des Klägers, soweit er im Hinblick auf Umsatzsteigerung und die Bindung unzufriedener Kunden zwischen den Parteien streitig ist, nicht übernahm.
32a) Durch den Vorbehalt der Abweichung „aus wichtigem Grunde“ ist klargestellt, dass die Beklagte nach dem Vergleich nicht verpflichtet ist, inhaltlich Unwahres in den Zeugnistext zu übernehmen.
33Denn der Begriff des wichtigen Grundes ist vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Zeugniswahrheit zu verstehen. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit und –klarheit bildet den obersten Grundsatz des Zeugnisrechts (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 22; Preis, in: Staudinger, § 630 BGB Rdnr. 41, jeweils m.w.N.). Der Arbeitgeber, der zugunsten des Arbeitnehmers Unwahres im Zeugnis bekundet, muss damit rechnen, Schadensersatzansprüchen Dritter ausgesetzt zu sein (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 68). Vor diesem Hintergrund kann der Arbeitgeber auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht dazu angehalten werden, ein Zeugnis zu erteilen, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt (BAG, Beschluss vom 09.09.2011 – 3 AZB 35/11).
34b) Die vom Kläger begehrten Änderungen betreffen nicht Wertungsfragen, sondern Tatsachen. Sowohl die Frage, ob der Kläger Umsatzzuwächse erreicht hat, als auch die Frage, ob es ihm gelang, starke Umsatzträger wieder an die Beklagte zu binden, beziehen sich auf sinnlich wahrnehmbare Geschehnisse der Außenwelt, die dem Beweis zugänglich sind.
35c) Mit der angestrebten Formulierung begehrt der Kläger insoweit die Aufnahme inhaltlich unrichtiger Tatsachen in das Zeugnis.
36Das ergibt sich aus der Auswertung des beiderseitigen Parteivorbringens. Es spricht einiges dafür, dass die Darlegungs- und Beweislast (wie es das Arbeitsgericht angenommen hat) für die Unrichtigkeit der Tatsachen im Streitfall die Beklagte trifft. Ist ein Vergleichstext so formuliert wie hier, stellt die Abweichung aus wichtigem Grund eine Einwendung gegen den grundsätzlich bestehenden Anspruch des Arbeitnehmers auf Übernahme der von ihm vorgeschlagenen Zeugnisformulierungen dar. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Arbeitgeber für die Einwendungen darlegungs- und beweispflichtig, die ihm zum Vorteil gereichen. Anderenfalls stünde der Arbeitnehmer nach dem Abschluss des Vergleichs nicht besser als wenn er einen regulären Zeugnisberichtigungsstreit führen müsste. Das widerspräche dem Sinn des Vergleichsabschlusses (LAG Hamm, Beschluss vom 04.08.2010 – 1 Ta 196/10 m.w.N.). Mit einer derartigen Regelung zur Zeugniserteilung im Vergleich soll gerade ein weiterer, unter Umständen wiederum gerichtlich auszutragender Streit zwischen den Parteien um die Zeugnisformulierung vermieden werden. Der Arbeitnehmer, der – wie hier der Kläger – über einen Vergleich den Arbeitsplatz verliert, will zumindest ein für ihn vorteilhaftes Zeugnis garantiert haben, auf dessen Inhalt er weitestgehenden Einfluss nehmen kann. Der vorliegende Rechtsstreit nötigt jedoch nicht dazu, einen abstrakten Rechtssatz über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast aufzustellen.
37Im Zivilprozess gilt der Grundsatz der abgestuften Darlegungslast, der sich aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO ergibt (vgl. dazu und zum Folgenden: BAG, Urteil vom 20.11.2003 – 8 AZR 580/02 m.w.N.). Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Eine allgemeine Auskunftspflicht auch über die gegnerischen Behauptungen hinaus kennt das materielle Recht nicht, und es ist nicht Sache des Prozessrechts, sie einzuführen. Keine Partei ist gehalten, den Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt. Daher genügt einfaches Bestreiten eines nur pauschalen Vorbringens. Dagegen ist zu den einzelnen Behauptungen der gegnerischen Partei gezielt Stellung zu nehmen, soweit diese sich substantiiert geäußert hat; pauschales Bestreiten genügt dann nicht, sondern hat die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge. Ist substantiiertes Bestreiten erforderlich, muss die gegnerische Prozesspartei eine Gegendarstellung des Sachverhalts geben, soweit sie dazu in der Lage ist. Insbesondere wird dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei dann eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast auferlegt, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.
38Danach ist festzustellen, dass der Kläger die ihn jedenfalls treffende treffende Darlegungspflicht im Hinblick auf die Richtigkeit der Tatsachen, die Grundlage der beantragten Änderung des Zeugnistextes sein sollen, nicht hinreichend erfüllt hat.
39aa) Dies gilt zunächst für die „Umsatzzuwächse“ von bis zu 33 %“, die der Kläger in seinem Verkaufsgebiet generiert haben will.
40Dass der Kläger derartige Umsatzzuwächse erreichte, ist dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen. Der Kläger hat keine näheren Angaben zu seinen Umsatzzahlen gemacht. Die Beklagte hat demgegenüber bereits erstinstanzlich (Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 18.05.2015) eine Aufstellung über den Umsatz des Klägers im Zeitraum von 2010 bis 2012 vorgelegt. In der Berufungsinstanz hat sie diese Angaben mit der Anlage, die dem Schriftsatz vom 30.11.2015, der am 01.12.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, um die Zahlen für das Jahr 2013 ergänzt.
41Die von der Beklagten vorgetragenen Umsatzzahlen für das Jahr 2013 sind im Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Der Vortrag ist nicht nach § 67 ArbGG ausgeschlossen. Der Schriftsatz vom 30.11.2015 ging innerhalb der noch bis zum 08.12.2015 laufenden Berufungsbegründungsfrist ein. Die Berücksichtigung des Vortrages führt nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits.
42Dass die Beklagte die Umsatzzahlen in Tabellenform vorgelegt und nicht schriftsätzlich ausformuliert hat, begegnet keinen Bedenken. Zwar mag die Bezugnahme auf Anlagen dann bedenklich sein, wenn sie erforderlichen substantiierten Sachvortragen ersetzen soll (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2012 – 5 AZR 347/11): Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Angaben aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen. Im Streitfall ist es für das Berufungsgericht nicht notwendig, sich streitige oder unstreitige Angaben aus der Tabelle über die Umsatzzahlen zusammenzusuchen. Die Tabelle besteht nur aus einer Seite. Sie ist selbsterklärend. Die Umsatzzahlen des Klägers sind nach Jahren und Monaten aufgeführt. Die Prozessführung des Klägers wird durch die Bezugnahme auf die Anlage nicht erschwert. Er ist ohne Weiteres in der Lage, das Zahlenwerk nachzuvollziehen und sich mit den Angaben der Beklagten auseinanderzusetzen.
43Aus den Zahlen, deren Richtigkeit der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, ergibt sich zwar eine Steigerung des Umsatzes um etwa 300.000,00 Euro im Vergleich der Jahre 2010 und 2011. Das ist gleichbedeutend mit einer Umsatzsteigerung von 25 %. Die Beklagte hat jedoch schon erstinstanzlich vorgetragen, dass es sich insoweit nicht um Umsatzzuwächse handelt, die der Kläger durch seine Arbeitsleistung generierte, sondern dass der Umsatzzuwachs darauf zurückzuführen war, dass durch den Ausfall eines Mitarbeiters das Gebiet „West“ neu aufgeteilt und dem Kläger ein weiteres Postleitzahlengebiet zugeteilt wurde. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten, so dass das Vorbringen der Beklagten insoweit als unstreitig gelten muss. Die Aufstellungen über die Umsatzzahlen, die von der Beklagten zu den Gerichtsakten gereicht worden sind, weisen den Umsatz der Gebiete gesondert aus, die dem Verkaufsgebiet des Klägers zugeschlagen wurden. Subtrahiert man den Umsatz, der in diesen Gebieten erzielt wurde, vom Gesamtumsatz des Klägers, so lässt sich keine Umsatzsteigerung mehr feststellen.
44Unbehilflich ist der Vortrag des Klägers zu einem Telefongespräch mit dem vormaligen Geschäftsführer der Beklagten, das „nach ca. einem Jahr“ der Tätigkeit des Klägers geführt worden sein soll und in dessen Rahmen der Geschäftsführer dem Kläger mitgeteilt haben soll, der Kläger habe den Umsatz in seinem Gebiet um 33 % gesteigert. Diese Äußerung des vormaligen Geschäftsführers mag vor dem Hintergrund der Gebietserweiterung erfolgt sein. Der Verweis auf die Äußerung im Rahmen eines Telefongesprächs ersetzt jedenfalls nicht die Auseinandersetzung mit den konkreten Umsatzzahlen, die die Beklagte vortragen hat.
45Wenn der Kläger geltend macht, im Zeitraum von Juli 2010 bis Oktober 2010 eine etwa 33%ige Umsatzsteigerung erreicht zu haben, so muss er sich entgegenhalten lassen, dass das Zeugnis nach dem Grundsatz der Zeugnisklarheit auf die Leistungen während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen hat; einzelne Vorfälle dürfen nur dann hervorgehoben werden, wenn sie für das Vertragsverhältnis charakteristisch waren (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 40). Die Umsatzsteigerung, auf die der Kläger sich berufen will, war nicht charakteristisch für das Arbeitsverhältnis, sondern ergibt sich nur unter Zugrundelegung eines nicht aussagekräftigen Zeitraums zu Beginn des Arbeitsverhältnisses. In jedem Jahr waren die Umsatzzahlen des Klägers schwankend. Durch das beliebige Herausgreifen einzelner Monate lässt sich sowohl eine Umsatzsteigerung als auch ein Umsatzrückgang belegen. Dies gilt auch für das Jahr 2010: Vergleicht man die Umsätze der Monate März und April, so ist ein etwa 25%-iger Umsatzrückgang festzustellen. Aussagekräftige und damit im Sinne des Zeugnisrechts wahre Angaben zu den Umsatzzahlen lassen sich nur bei Betrachtung eines größeren (jährlichen oder halbjährlichen) Zeitraumes machen. Insoweit sind aber keine Zeiträume ersichtlich, aus denen sich ein Umsatzplus in der vom Kläger gewünschten Größenordnung ableiten ließe. Dabei verkennt das Berufungsgericht nicht, dass der Kläger lediglich die Formulierung begehrt, Umsatzzuwächse „von bis zu 33 %“ generiert zu haben. Selbst diese einschränkende Formulierung erweist sich indes bei einem Vergleich der aussagekräftigen längeren Referenzzeiträume als unzutreffend. Die „bereinigten“ Umsatzzahlen (abzüglich der zusätzlich übernommenen Gebiete) weisen nur im Vergleich der Jahre 2011 und 2012 eine leichte (weniger als 10%-ige) Steigerung auf. Im Vergleich der Jahre 2010 zu 2011 sowie 2012 und 2013 ist jedoch ein Umsatzrückgang festzustellen.
46bb) Auch im Hinblick auf die Richtigkeit der Zeugnisformulierung, die auf eine erneute Bindung unzufriedener Kunden als starke Umsatzträger an die Beklagte abhebt, ist der Kläger seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.
47Die Beklagte hat insoweit bestritten, dass der Kläger Derartiges leistete. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, daraufhin zumindest beispielhaft darzulegen, welche Umsatzträger oder unzufriedenen Kunden er mit welchen Maßnahmen dazu brachte, weiterhin Geschäftsbeziehungen zur Beklagten zu pflegen. Der Kläger hat aber keinen einzigen Kunden und keine einzige Maßnahme benannt, die die Aufnahme der von ihm erstrebten Zeugnisformulierung in das Zeugnis rechtfertigen könnte.
48Der Kläger ist insoweit die Prozesspartei mit der größeren Sachnähe, da er die von ihm betreuten Kunden kennt und weiß, welcher Kunde unzufrieden und womöglich im Begriff war, die Geschäftsbeziehungen zur Beklagten abzubrechen. Der Kläger weiß auch, durch welche Leistungen er diese Kunden wieder an die Beklagten zu binden verstand. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Beklagte etwa durch Vorlage von Arbeitsberichten oder ähnlichen Unterlagen unschwer in der Lage gewesen wäre, die Leistungen des Klägers insoweit nachzuvollziehen.
49cc) Das Berufungsgericht hat sich nicht veranlasst gesehen, dem Kläger einen rechtlichen Hinweis zu den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast zu erteilen.
50Die Frage, inwieweit die Darlegungslast (und die Beweislast) zwischen den Parteien zu verteilen ist, war zwischen den Parteien im Streit. Ist die Rechtslage umstritten oder problematisch, muss ein Prozessbevollmächtigter alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und bei seinem Sachvortrag berücksichtigen (BAG, Urteil vom 12.12.2012 – 5 AZR 858/12 m.w.N.). Das Berufungsgericht ist nicht zur Aufklärung verpflichtet, wenn eine Partei bereits darauf hingewiesen hat, dass nötiges Vorbringen fehlt (BAG, Urteil vom 30.09.2014 – 3 AZR 998/12 m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall: Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung (dort Seite 6 f.) vorgetragen, die Regeln der abgestuften Beweislast seien anwendbar und der Kläger habe weder schlüssig zu den Umsatzsteigerungen noch zur Bindung unzufriedener Kunden vorgetragen.
51III
52Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des Rechtsstreits erster Instanz aus § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante ZPO. Die Kosten waren verhältnismäßig zu teilen, da beide Parteien teils obsiegten, teils unterlagen. Die Beklagte hat den größeren Anteil der Kosten zu tragen, da der Kläger nur mit seiner Forderung nach Aufnahme des Satzes scheiterte, der im Berufungsverfahren noch zwischen den Parteien streitig war. Die Beklagte ist den Wünschen des Klägers im Übrigen entgegengekommen und hat sich damit in die Rolle des Unterlegenen begeben. Insoweit waren die Kosten der Beklagten gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen. Die Parteien haben den Rechtstreit im Hinblick auf diese Punkten übereinstimmend für erledigt erklärt. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes waren billigem Ermessen der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Hinsichtlich der Kostenquotelung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil (dort Seite 10, unter D der Entscheidungsgründe) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht ist richtigerweise davon ausgegangen, dass der Gesamtstreitwert für alle vom Kläger erstrebten Änderungen des Zeugnisses ein Monatseinkommen und die zuletzt zwischen den Parteien noch streitige Änderung 20 % hiervon beträgt.
53Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hat sich erst in der Berufungsinstanz hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die vom Kläger gewünschte Änderung des Zeugnistextes auf der Grundlage wahrer Tatsachen erfolgen kann. Sie hat erst in der Berufungsbegründung (dort Seite 7) vorgetragen, die Behauptung, der Kläger habe unzufriedene Kunden gebunden, mangels Substantiierung und eigener Kenntnisse nur bestreiten zu können. Zuvor hat sie die Aussagen schlicht als „falsch“ bezeichnet (Schriftsatz vom 18.05.2015, dort Seite 3) bzw. vorgetragen, der Kläger habe seine Behauptungen „mit keinem Satz erklärt“ (Schriftsatz vom 14.07.2015, dort Seite 2). Auch eine vollständige Aufstellung der Umsatzzahlen (einschließlich des Jahres 2013) hat die Beklagte erst im Berufungsverfahren vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass es für die Beklagte nicht bereits erstinstanzlich möglich war, sich mit dem Vorbringen des Klägers auseinanderzusetzen und vollständige Angaben zu den Umsatzzahlen zu machen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keine Angaben dazu machen, seit wann die Zahlen für das Jahr 2013 bei der Beklagten vorlagen.
54IV
55Es bestand keine Veranlassung, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere wirft der Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.
Tenor
-
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. März 2013 - 18 Sa 2133/12 - aufgehoben.
-
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
- 1
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Die Parteien streiten über die Gesamtbewertung der Leistung der Klägerin in einem Zeugnis.
- 2
-
Die Klägerin war in der Zahnarztpraxis der Beklagten ab dem 1. Juli 2010 im Empfangsbereich und als Bürofachkraft beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörten ua. die Praxisorganisation, Betreuung der Patienten, Terminvergabe, Führung und Verwaltung der Patientenkartei, Ausfertigung von Rechnungen und Aufstellung der Dienst- und Urlaubspläne. Darüber hinaus half die Klägerin bei der Erstellung des Praxisqualitätsmanagements. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 30. Juni 2011. Nachdem diese die Beklagte Ende September 2011 an die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses erinnert hatte, erhielt sie ein Arbeitszeugnis.
- 3
-
Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen den Inhalt des von der Beklagten erteilten Zeugnisses gewandt. Hinsichtlich der in der Revisionsinstanz allein noch streitigen Gesamtbewertung ihrer Leistungen hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ihr stünde die Beurteilung „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu, weil ihre Arbeit tadellos gewesen sei, sie verschiedene Verbesserungen in der Praxis eingeführt habe und die von der Beklagten angeführten Mängel nicht zuträfen.
- 4
-
Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,
-
die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen mit dem Inhalt:
„…
In der Zusammenarbeit erlebten wir Frau … als engagierte Mitarbeiterin, die sich für die Belange unserer Praxis einsetzte und die ihr übertragenen Arbeiten stets zu unserer vollen Zufriedenheit ausführte.
…“
- 5
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Klägerin sei allenfalls die Gesamtbewertung „zur vollen Zufriedenheit“ zu attestieren. Die Klägerin habe keine überdurchschnittlichen Leistungen erbracht. Es sei zu zahlreichen Fehlleistungen in Bezug auf das im Arbeitsvertrag vereinbarte Leistungsspektrum gekommen.
- 6
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Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die auf die Gesamtbewertung beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihr Ziel der Klageabweisung hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Gesamtbewertung weiter.
Entscheidungsgründe
- 7
-
Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durfte die Berufung der Beklagten nicht zurückgewiesen werden. Ob die Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO Anspruch auf ein Zeugnis mit der Endnote „gut“ hat und sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis als richtig erweist, lässt sich auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Die Sache ist daher nicht zur Endentscheidung reif und war somit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
- 8
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I. Das Landesarbeitsgericht ist zwar unter Hinweis auf die vom Senat im Urteil vom 14. Oktober 2003 (- 9 AZR 12/03 - zu IV 2 b der Gründe, BAGE 108, 86) aufgestellten Rechtssätze zur Darlegungs- und Beweislast zutreffend davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer, der eine überdurchschnittliche Beurteilung im Zeugnis erstrebt, entsprechende Leistungen vortragen und ggf. beweisen muss. Jedoch hat es den Begriff „überdurchschnittliche Beurteilung“ verkannt. Entgegen seiner Annahme liegt eine überdurchschnittliche Leistung vor, wenn sie der Schulnote „gut“ oder „sehr gut“ entspricht. Welche Schulnoten in den Zeugnissen einer Branche am häufigsten vergeben werden, ist ohne unmittelbaren Einfluss auf die Darlegungs- und Beweislast.
- 9
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1. Nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO kann der Arbeitnehmer verlangen, dass sich die Angaben im Zeugnis auch auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Allerdings begründet diese Vorschrift keinen Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis, sondern „nur“ auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Erst wenn der Arbeitnehmer dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber die Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu IV 2 b cc der Gründe, BAGE 108, 86; ähnlich zur Leistungsbeurteilung bei tariflichem Leistungsentgelt BAG 18. Juni 2014 - 10 AZR 699/13 - Rn. 43).
- 10
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a) Die Rechtsprechung zur Darlegungslast des Arbeitnehmers, wenn er mit der Gesamtbewertung „befriedigend“ im Zeugnis nicht einverstanden ist, wurde nicht auf der Grundlage empirischer Untersuchungen entwickelt. Solche Erkenntnisse sind nur zur Ermittlung eines sogenannten Zeugnisbrauchs, der zB in häufig verwendeten Formulierungen („Zeugnissprache“) seinen Ausdruck finden kann, von Bedeutung. Insofern hat der Senat auf eine empirische Untersuchung von Weuster/Scheer zurückgegriffen, um zu ermitteln, welchen Bedeutungsgehalt die in qualifizierten Zeugnissen häufig genutzte sogenannte Zufriedenheitsskala hat (vgl. BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu III 4 a der Gründe, BAGE 108, 86). Ausgehend von den dem Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeiten und dem sich daraus ergebenden Anforderungsprofil wird danach die Leistung des Arbeitnehmers daran gemessen, wie der Arbeitgeber mit der Aufgabenerfüllung „zufrieden“ war. Der Begriff „zufrieden“ bezeichnet abweichend vom üblichen Sprachgebrauch nicht die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers. Er enthält vielmehr eine auf die Arbeitsaufgabe abgestellte Beurteilung, die sich an den objektiven Anforderungen orientiert, die üblicherweise an einen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Aufgabe gestellt werden (vgl. dagegen zum individuellen Maßstab im Kündigungsrecht: BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 125, 257; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 109, 87). Verstärkende oder abschwächende Zusätze führen zu einer Schul- oder Prüfungsnoten vergleichbaren Skala, die von „sehr gut“ bis hin zu „mangelhaft“ reicht.
- 11
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b) Wird dem Arbeitnehmer bescheinigt, er habe „zur vollen Zufriedenheit“ oder „stets zur Zufriedenheit“ des Arbeitgebers gearbeitet, wird das der Note „befriedigend“ zugerechnet, teils einer Zwischennote „voll befriedigend“ oder auch als „gutes befriedigend“ oder „gehobenes befriedigend“ verstanden. In gleicher Weise werden den Graden der Zufriedenheitsskala - ausgehend von einer durchschnittlichen Leistung - Aussagen wie über- oder unterdurchschnittlich zugerechnet. Danach setzt die Endnote „gut“ voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr als die „volle Zufriedenheit“ bescheinigt. Das kann durch Berücksichtigung des für die Beurteilung besonders wichtigen Zeitmoments geschehen, mit dem der Arbeitgeber die Beständigkeit der Leistungen charakterisiert. „Gut“ im Sinne der Zufriedenheitsskala ist ein Arbeitnehmer nur dann, wenn ihm bescheinigt wird, er habe „stets“, „immer“ oder „durchgehend“ zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers gearbeitet (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu III 4 a der Gründe mwN, BAGE 108, 86). Dieses Verständnis der mithilfe der Begriffe der Zufriedenheitsskala zum Ausdruck gebrachten Gesamtbeurteilung gilt unverändert. Auch die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass die Formulierung „stets zur vollen Zufriedenheit“ inzwischen der Schulnote „befriedigend“ entspreche. Ebenso wenig finden sich in der Literatur Anhaltspunkte für eine entsprechende Veränderung der Zeugnissprache (vgl. ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 109 GewO Rn. 32 f.; HWK/Gäntgen 6. Aufl. § 109 GewO Rn. 32; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 147 Rn. 23; Küttner/Poeche Personalbuch 2014 Zeugnis Rn. 31; Schleßmann Das Arbeitszeugnis 20. Aufl. S. 194 ff.; Huber/Müller Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis 15. Aufl. S. 69 ff.).
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c) Daran gemessen handelt es sich bei der von der Beklagten zugestandenen Gesamtbeurteilung „zur vollen Zufriedenheit“ um die Bescheinigung einer durchschnittlichen Leistung entsprechend einer mittleren Note in der Zufriedenheitsskala. Dies gilt unabhängig davon, ob man von einer sechsstufigen (Schaub/Linck aaO) oder einer fünfstufigen (ErfK/Müller-Glöge aaO Rn. 32; zu „Zwischennoten“ vgl. Schleßmann aaO S. 196) Skala ausgeht. Der Senat hat im Urteil vom 14. Oktober 2003 (- 9 AZR 12/03 - zu III 4 a der Gründe mwN, BAGE 108, 86) auf eine Schul- oder Prüfungsnoten vergleichbare Skala abgestellt, die von „sehr gut“ über „gut“ und „befriedigend“ bis hin zu „ausreichend“ und „mangelhaft“ reicht. Es ist weder von der Klägerin behauptet worden noch sonst erkennbar, dass sich in der Praxis oberhalb der Beurteilung „stets zur vollsten Zufriedenheit“ bzw. der Endnote „sehr gut“ eine weitere Beurteilungsstufe etabliert hätte mit der Folge, dass die Beurteilung „zur vollen Zufriedenheit“ der unteren Hälfte der Skala zuzuordnen wäre. Einer neuen Höchstnote in der Zufriedenheitsskala, zB durch eine - gegen jedes Sprachempfinden verstoßende - weitere Steigerung der „vollsten“ Zufriedenheit durch eine „allervollste“ Zufriedenheit, bedarf es nicht (zur Wortschöpfung „vollste“: vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu I 2 der Gründe, BAGE 115, 130; ErfK/Müller-Glöge aaO).
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d) Nach der verbreiteten Definition der Schulnoten (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 3. Oktober 1968; vgl. § 58 Abs. 3 SchulG Berlin; § 48 Abs. 3 SchulG NRW; § 5 Abs. 2 Notenbildungsverordnung Baden-Württemberg; § 59 Abs. 2 Thüringer SchulO) soll die Note „befriedigend“ erteilt werden, wenn die Leistung im Allgemeinen den Anforderungen entspricht. Dagegen wird mit „gut“ bewertet, wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht. Ein „sehr gut“ ist zu erteilen, wenn die Leistung den Anforderungen in besonderem Maße entspricht. Die von der Klägerin begehrte Gesamtbewertung ihrer Leistung mit „stets zur vollen Zufriedenheit“ bringt vor diesem Hintergrund zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer weniger Fehler gemacht und/oder mehr bzw. bessere Leistungen erbracht hat, als nach den objektiven Anforderungen erwartet werden konnte, die üblicherweise an einen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Aufgabe gestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass auch die Ausdrücke „stets“ oder „immer“ im vorliegenden Zusammenhang der Zeugnissprache eine eigenständige Bedeutung haben. Sie bedeuten ein „Mehr“ im Vergleich zu dem, was üblicherweise erwartet werden konnte. Sie meinen aber nicht, dass dem Arbeitnehmer während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses nie ein Fehler unterlaufen ist. Dies kann ein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer regelmäßig nicht erwarten.
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2. Die vom Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen zu den Ergebnissen der Untersuchungen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Personalmanagement Services GmbH sind auch aus anderen Gründen nicht geeignet, der Beklagten die Darlegungs- und Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die Leistungen der Klägerin nicht mit der Schlussbeurteilung „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu bewerten sind. Bei diesen Studien handelt es sich nicht um Sachverständigengutachten iSd. § 144 iVm. §§ 402 ff. ZPO (vgl. zur Zuziehung eines Sachverständigen zur Feststellung eines Zeugnisbrauchs BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 25, BAGE 127, 232) oder amtliche Statistiken. Die Klägerin hat sie weder als Privatgutachten und damit urkundlich belegtes Parteivorbringen nach § 138 ZPO(Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Übers. § 402 Rn. 21) in das Verfahren eingeführt, noch wurden sie auf andere Art und Weise Bestandteil der Gerichtsakte. Auch hat das Landesarbeitsgericht die Offenkundigkeit iSd. § 291 ZPO der von ihm angenommenen Ergebnisse dieser Untersuchungen, die ihm nach dem Inhalt der Gerichtsakte nicht vorlagen, nicht ausdrücklich festgestellt. Allerdings hat die Beklagte gegen die vom Landesarbeitsgericht - aufgrund der vom Arbeitsgericht herangezogenen Studien - getroffenen Feststellungen keine zulässigen Revisionsangriffe erhoben, sodass die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gemäß § 559 Abs. 2 ZPO für den Senat bindend sind. Sie sind jedoch nicht geeignet, die Klägerin von ihrer Darlegungs- und Beweislast zu entbinden.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 15. November 2011 (- 9 AZR 386/10 - BAGE 140, 15) darauf abgestellt, Adressat eines Zeugnisses sei ein größerer Personenkreis, der nicht zwangsläufig über ein einheitliches Sprachverständnis verfüge. Dementsprechend sei als maßgeblicher objektiver Empfängerhorizont die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlich Beteiligten oder Angehörigen des vom Zeugnis angesprochenen Personenkreises zugrunde zu legen. Zur Beurteilung einer Formulierung sei auf die Sicht eines objektiven und damit unbefangenen Arbeitgebers mit Berufs- und Branchenkenntnissen abzustellen.
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b) Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beziehen sich jedoch nicht auf die Gesundheitsbranche. Die Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg basiert auf der Auswertung von 802 anonymisierten Zeugnissen, die eine entsprechende Anzahl von Arbeitnehmern (ein Zeugnis pro Person) der Manpower GmbH & Co. KG von ihren vorangegangenen Arbeitgebern erhalten hatten. Dabei stammten gemäß dem vom Landesarbeitsgericht zitierten Aufsatz von Düwell/Dahl 47,6 % der Zeugnisse aus dem Bereich kaufmännisch/verwaltend, 17,1 % aus dem Bereich Kundenservice/Verkauf, 16,2 % aus dem Bereich gewerblich/handwerklich, 9,5 % aus dem Bereich technisch/Konstruktion, 2,0 % aus dem Bereich Forschung/Entwicklung, 1,6 % aus dem Bereich Gesundheit/Pflege sowie 6,0 % aus anderen Arbeitsbereichen (Düwell/Dahl NZA 2011, 958, 959). In Bezug auf den streitgegenständlichen Arbeitsbereich ist die Datenbasis damit nicht aussagekräftig. Es wurden lediglich die Zeugnisse von etwa 13 Arbeitnehmern aus dem Bereich Gesundheit/Pflege, in dem die Beklagte tätig ist, ausgewertet (1,6 % von 802). Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass Rückschlüsse auf die „Durchschnittsnote“ in diesem Bereich danach nicht möglich sind, zumal nach Angaben des Statistischen Bundesamts zum 31. Dezember 2012 rund 5,2 Millionen Menschen und damit etwa jeder achte Beschäftigte in Deutschland im Gesundheitswesen tätig war (Pressemitteilung Nr. 75/14 des Statistischen Bundesamts vom 5. März 2014).
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c) Entsprechendes gilt für die zweite vom Landesarbeitsgericht herangezogene Untersuchung der Personalberatungsgesellschaft Personalmanagement Services GmbH. Aus welchen Branchen die Zeugnisse stammten, die in dieser Untersuchung analysiert wurden, wird weder im Berufungsurteil erläutert noch in dem dort zitierten Aufsatz, in dem diese Studie ohnehin nur im Rahmen einer Fußnote ergänzend erwähnt wird (Düwell/Dahl NZA 2011, 958 [Fn. 15]).
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d) Selbst wenn die Ergebnisse der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Studien repräsentativ wären und im Bereich Gesundheit/Pflege überwiegend gute oder sehr gute Endnoten vergeben würden, muss ein Arbeitnehmer, wenn er eine bessere Schlussbeurteilung als „zur vollen Zufriedenheit“ beansprucht, im Zeugnisrechtsstreit entsprechend bessere Leistungen vortragen und ggf. beweisen.
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aa) Ein vom Arbeitgeber gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO auszustellendes qualifiziertes Zeugnis muss in erster Linie wahr sein(st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 144, 103). Der Gesetzesentwurf zu dieser Bestimmung spricht von einem „schutzwürdigen Interesse der einstellenden Arbeitgeber an einer möglichst wahrheitsgemäßen Unterrichtung über die fachlichen und persönlichen Qualifikationen“ (BT-Drucks. 14/8796 S. 25). Bei der Wahrheitspflicht handelt es sich um den bestimmenden Grundsatz des Zeugnisrechts (Müller AiB 2012, 387, 388: „oberster Grundsatz“; vgl. auch ErfK/Müller-Glöge aaO Rn. 22 ff.). Sie umfasst alle Fragen des Zeugnisrechts (BAG 9. September 1992 - 5 AZR 509/91 - zu III der Gründe). Insbesondere wird auch der Wohlwollensgrundsatz, wonach das Fortkommen des Arbeitnehmers durch den Zeugnisinhalt nicht unnötig erschwert werden darf, durch die Wahrheitspflicht begrenzt. Ein Zeugnis muss nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein (BAG 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - aaO).
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bb) Auch in der Literatur werden die Ergebnisse der angeführten Untersuchungen nicht notwendig als Zeichen einer generell gestiegenen Leistungsfähigkeit gewertet (Düwell/Dahl NZA 2011, 958, 959: „Sicher dürfte sein, dass bei 86,6 % [sehr] guten Leistungsbeurteilungen dem Arbeitszeugnis nichts mehr über die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers entnommen werden kann“). Vielmehr wird die von den „Personalern selbst verschuldete … Noteninflation“ (Dahl jurisPR-ArbR 6/2013 Anm. 5) damit erklärt, dass Arbeitgeber die Kosten und Mühen eines Zeugnisrechtsstreits verstärkt scheuen und deshalb eine Neigung zu „Gefälligkeitszeugnissen“ bestehe (laut Düwell/Dahl aaO entspricht dies einer Selbsteinschätzung der „Personaler“; vgl. auch Sende/Galais/Dahl Personalwirtschaft 7/2011, 35: „Tendenz zu Kuschelnoten“).
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cc) Wird von einer Tendenz zur Erteilung von „Gefälligkeitszeugnissen“ ausgegangen, kann diese freilich keine Rechtspflicht eines Arbeitgebers begründen, dieser Tendenz Rechnung zu tragen und trotz einer nur durchschnittlichen Leistung des Arbeitnehmers diesem eine gute Leistung zu bescheinigen. Dadurch würden zugleich Arbeitnehmer benachteiligt, die den Anforderungen „gut“ gerecht geworden sind. Zwar mag es für manchen Arbeitgeber nachvollziehbare Gründe geben, als „lästig“ empfundene Zeugnisstreitigkeiten zu meiden und infolgedessen dem Wohlwollensgrundsatz mehr Raum zu geben als ihm rechtlich zusteht (vgl. Sende/Galais/Dahl aaO: „zu gut verstandene … Wohlwollenspflicht“). Zeugnisse mit Schlussnoten, die den Leistungen eines Arbeitnehmers nicht entsprechen, sind jedoch unwahr und damit gesetzeswidrig. Eine Rechtspflicht, sich einer gesetzeswidrigen Übung anzuschließen, existiert nicht.
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II. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil tatsächliche Feststellungen nachzuholen sind und eine umfassende tatrichterliche Würdigung des Vorbringens der Parteien im Rahmen des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorzunehmen ist.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht geprüft, ob die Klägerin Tatsachen vorgetragen hat, die eine Beurteilung mit „stets zur vollen Zufriedenheit“ rechtfertigen. Dies wird es nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Rechtfertigt der Vortrag der Klägerin - vor allem zu ihren überobligatorischen und tadellosen Leistungen - die von ihr verlangte Gesamtbewertung, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte beachtliche Einwände vorgebracht und insbesondere dargetan hat, aus welchen Gründen sie der Klägerin über die vertraglich vereinbarte Vergütung hinaus einen Bonus gezahlt hat, obwohl die Leistungen der Klägerin ihrer Ansicht nach weder „sehr gut“ noch „gut“ waren. Diese Zahlung könnte dafür sprechen, dass auch die Beklagte der Auffassung war, dass die Klägerin besondere Anerkennung verdiente (zur Bindung des Arbeitgebers an frühere Beurteilungen des Arbeitnehmers nach Treu und Glauben vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu I 2 der Gründe mwN, BAGE 115, 130).
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2. Angesichts der Darlegungs- und Beweislastverteilung wird der Klägerin ggf. die Möglichkeit zu eröffnen sein, weitere Tatsachen zur Stützung ihres Klagebegehrens vorzutragen, und der Beklagten ggf. Gelegenheit zu geben sein, ihre Einwände zu ergänzen. Im Hinblick auf die Substanziierungslast der Klägerin wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass der Grad der notwendigen Konkretisierung immer auch von den Einlassungen der Gegenseite abhängt.
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3. Obgleich der Beklagten bei der Bewertung der Leistungen der Klägerin ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (vgl. BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu IV 2 b cc der Gründe, BAGE 108, 86), hätte die Beklagte diesen überschritten, wenn sie sich bei der Beurteilung erkennbar von sachfremden Motiven hätte leiten lassen. Dafür könnten die Formulierungen in dem der Klägerin von der Beklagten zunächst erteilten Zeugnis sprechen. Insofern wird das Landesarbeitsgericht zu bewerten haben, ob die Gesamtbeurteilung im Zeugnis auch Ausdruck der Enttäuschung der Beklagten über den mit der Eigenkündigung zum Ausdruck gebrachten Abkehrwillen der Klägerin war.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
W. Schmid
Ropertz
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2011 - 13 Ta 203/11 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren über eine Verpflichtung zur Zeugniserteilung.
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Im Rahmen eines zuvor beim Arbeitsgericht Essen geführten Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien am 4. August 2010 einen gerichtlichen Vergleich, der neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zum 30. April 2010 auch folgende Regelungen zu einem von der Beklagten zu erteilenden Zeugnis enthält:
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„Die Beklagte erstellt zugunsten des Klägers ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der dortigen Beschäftigung des Klägers seit dem Jahre 1987 entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf, der innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von zwei Wochen ab Überlassung des Entwurfes auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 04.05.2010 ausgefertigt, von dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet und als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht wird.“
- 3
-
Der Kläger/Vollstreckungsgläubiger (im Folgenden: Kläger) übermittelte der Beklagten/Vollstreckungsschuldnerin (im Folgenden: Beklagte) einen Zeugnisentwurf. Darauf erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zeugnis, das ua. in der Tätigkeitsbeschreibung sowie in der Bewertung von Leistung und Verhalten von dem Entwurf des Klägers abweicht.
- 4
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Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2011 hat der Kläger beantragt, gegen die Beklagte zur Erzwingung der im Vergleich niedergelegten Verpflichtung auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses entsprechend dem als Anlage beigefügten Entwurf ein Zwangsgeld von bis zu 25.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu sechs Monaten festzusetzen.
- 5
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Die Beklagte hat die Zurückweisung des Antrags begehrt, da der Inhalt des verlangten Zeugnisses nicht der Wahrheit entspreche.
- 6
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Mit Beschluss vom 16. März 2011 hat das Arbeitsgericht gegen die Beklagte ein Zwangsgeld iHv. 500,00 Euro festgesetzt. Gegen diesen der Beklagten am 23. März 2011 zugestellten Beschluss hat sie am 4. April 2011 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die sofortige Beschwerde den Vollstreckungsbeschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Zwangsvollstreckungsantrag zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
- 7
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II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
- 8
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Beschlusses ohne Einschränkung zugelassen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 10. Juni 2011 ist dem Kläger am 20. Juni 2011 zugestellt worden. Die Rechtsbeschwerde nebst Begründung ist am 19. Juli 2011 und damit rechtzeitig iSv. § 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Die Rechtsbeschwerde erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen des § 575 ZPO.
- 9
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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Dem Vollstreckungstitel mangelt es - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht an einer ausreichenden Bestimmtheit und damit einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Ob die Beklagte als Vollstreckungsschuldnerin den Vergleich bereits ausreichend erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB) hat, kann der Senat nicht beurteilen. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 577 Abs. 4 ZPO).
- 10
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a) Zu Recht hat der Kläger einen Antrag gem. § 888 ZPO gestellt. Bei Nichterteilung des Zeugnisses, wie im Prozessvergleich vereinbart, handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der die Beklagte, wenn sie sie nicht vornimmt, durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann (§ 888 ZPO).
- 11
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b) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der gerichtliche Vergleich vom 4. August 2010 im Rechtsstreit - 6 Ca 1532/10 - beim Arbeitsgericht Essen stellt einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) dar. Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Vollstreckungsgläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).
- 12
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c) Der Prozessvergleich vom 4. August 2010 ist für die Zwangsvollstreckung hinreichend bestimmt.
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aa) Grundlage der Zwangsvollstreckung ist der Prozessvergleich vom 4. August 2010. Dieser ist ein Prozessvertrag, der eine rechtliche Doppelnatur hat. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkung sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BGH 19. Mai 1982 - IVb ZR 705/80 - FamRZ 1982, 782). Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervorgetretenen - Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat(vgl. Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber ZPO 28. Aufl. § 794 Rn. 14). Ob und ggf. in welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Stein/Jonas/Münzberg vor § 704 Rn. 26 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (vgl. BGH 26. April 1978 - VIII ZR 236/76 - zu I 1 b aa der Gründe, BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BGH 31. März 1993 - XII ZR 234/91 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1995; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195).
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Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7).
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bb) Ausgehend hiervon enthält der Vergleich vom 4. August 2010 einen vollstreckbaren Inhalt. Dies ergibt eine Auslegung des protokollierten Prozessvergleichs nach den vorgenannten Grundsätzen unter Beachtung der gesetzlichen Regelung zum Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 109 GewO.
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(1) Der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 320; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu III 2 der Gründe, BAGE 108, 86). Ein Zeugnis ist regelmäßig Bewerbungsunterlage und damit gleichzeitig Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber. Deshalb hat es Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers (vgl. BT-Drucks. 14/8796 S. 25). Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistungen beurteilt (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - aaO; 8. Februar 1972 - 1 AZR 189/71 - BAGE 24, 112). Vom Arbeitgeber wird dabei verlangt, dass er den Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tatsachen beurteilt und, soweit das möglich ist, ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermittelt (BAG 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 97, 57). Daraus ergeben sich die Gebote der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit.
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Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erstreckt sich auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 114, 320). Das Gebot der Zeugnisklarheit ist nach § 109 Abs. 2 GewO in seiner ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung gesetzlich normiert. Danach muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Abzustellen ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Lesers des Zeugnisses. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl verbindet (BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 130).
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In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält (so schon BAG 29. Juli 1971 - 2 AZR 250/70 - zu II der Gründe, AP BGB § 630 Nr. 6). Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere (BAG 23. September 1992 - 5 AZR 573/91 - zu II der Gründe, EzA BGB § 630 Nr. 16). Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers (BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 19, BAGE 127, 232).
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(2) In dem Prozessvergleich vom 4. August 2010 haben die Parteien zunächst die Verpflichtung der Beklagten festgelegt, dem Kläger ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der Beschäftigung des Klägers seit dem Jahr 1987 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2010 zu erteilen. Damit haben die Parteien festgelegt, auf welchen Zeitraum des Arbeitsverhältnisses sich das Zeugnis zu beziehen hat. Insoweit haben die Parteien vereinbart, dass dieser Zeitraum auch die von 1987 bis 1990 dauernde Berufsausbildung zu umfassen hat. Durch die Formulierung „qualifiziertes Zeugnis“ stellen die Parteien erkennbar den Bezug zur gesetzlichen Regelung in § 109 GewO her. Die zusätzliche Einfügung des Wortes „pflichtgemäß“ ist ebenfalls als Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung des § 109 GewO zu verstehen. Mit der Wendung „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf“ haben die Parteien jedoch eine wesentliche Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zum Zeugnisanspruch nach § 109 GewO vereinbart. Die Parteien haben damit die Formulierungshoheit der Beklagten als vormaliger Arbeitgeberin maßgeblich eingeschränkt, indem sie die Formulierungshoheit auf den Kläger übertragen haben. Es liegt damit beim Kläger darüber zu entscheiden, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will. Allerdings muss auch die vom Kläger vorzuschlagende Formulierung des Zeugnisses die Grenze der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit berücksichtigen (vgl. BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 20 ff., BAGE 127, 232), wie es die Parteien im Vergleich auch vereinbart haben.
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Weiter sind die Parteien in dem Prozessvergleich übereingekommen, dass der Beklagten ab dem Zeitpunkt der Überlassung des Entwurfs zwei Wochen verbleiben sollten, um den Entwurf des Klägers auf Briefpapier der Beklagten unter dem Ausstellungsdatum des 4. Mai 2010 auszufertigen und vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet an den Kläger als ordnungsgemäßes Zeugnis zurückzureichen. Damit haben die Parteien zunächst eine Zeitdauer für die Umsetzung des Entwurfs und Ausfertigung des Zeugnisses unter dem vereinbarten Ausstellungsdatum geregelt und die Pflicht zur Unterzeichnung des Zeugnisses durch den Geschäftsführer ausdrücklich aufgenommen. Die Formulierungen „als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht“ stellt auch klar, dass das dann erstellte Zeugnis in optisch einwandfreier Form dem Kläger zu überlassen ist.
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Mit diesen Regelungen verpflichtet der Prozessvergleich die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nicht, seinen Vorschlag ungeprüft und ohne jede Änderung zu übernehmen. Vielmehr ist die Beklagte gehalten, ein „pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis“ zu erteilen und das Zeugnis „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger vorzulegenden Entwurf“ auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 4. Mai 2010 auszufertigen. Dies schließt eine einschränkungslose Verpflichtung zur ungeprüften und unabänderlichen Übernahme des Entwurfs aus. Die Beklagte kann vielmehr prüfen, ob der vorgelegte Entwurf einem „pflichtgemäßen“ qualifizierten Zeugnis, dh. einem unter Beachtung der in § 109 GewO bestimmten Grundsätze erstellten Zeugnis, entspricht. Die Verpflichtung zur Erstellung eines dem Entwurf „entsprechenden“ Zeugnisses ermöglicht es der Beklagten, den Entwurf ggf. an die Vorgaben des § 109 GewO anzupassen.
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d) Der Senat kann nicht nach § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat weder den Text des Zeugnisentwurfs des Klägers noch denjenigen des von der Beklagten bislang erteilten Zeugnisses festgestellt. Diese Unterlagen wurden zwar ausweislich des Eingangsstempels wohl mit dem Zwangsgeldantrag vom 21. Januar 2011 beim Arbeitsgericht eingereicht. Sie befinden sich jedoch nicht (mehr) bei den Akten. Die Sache ist daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
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e) Im Rahmen der neuen Entscheidung wird das Beschwerdegericht zu prüfen haben, ob der Kläger der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorgelegt hat und ob die Beklagte ein diesem Entwurf entsprechendes pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis erteilt hat. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären, ob das von der Beklagten erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf „entspricht“. Dies erfordert nicht, dass der Zeugnisentwurf Wort für Wort übernommen worden ist. So ist die Beklagte insbesondere nicht verpflichtet, Grammatik-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler zu übernehmen. Das Zwangsvollstreckungsverfahren kann auch nicht dazu führen, dass die Beklagte ein Zeugnis erteilen muss, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Bis zu dieser Grenze ist die Beklagte aber im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO anzuhalten, ein dem Entwurf des Klägers entsprechendes Zeugnis zu erteilen. Allerdings ist das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht geeignet, die im Vergleich offengelassene Frage des Zeugnisinhaltes abschließend zu klären. Ob das vom Kläger begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht, kann im Vollstreckungsverfahren nicht geklärt werden. Sind Umstände nachvollziehbar vorgetragen, die ergeben, dass das verlangte Zeugnis nicht der Wahrheit entspricht und gelangt das Beschwerdegericht zur Auffassung, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der vorgetragenen Umstände mit dem erteilten Zeugnis den titulierten Anspruch erfüllt hat, hat das Landesarbeitsgericht den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Dem Kläger bleibt dann nur die Möglichkeit, eine Zeugnisberichtigung im Wege eines neuen Erkenntnisverfahrens zu verlangen.
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III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben.
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Gräfl
Zwanziger
Spinner
(1) Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei. Das einzelne Zwangsgeld darf den Betrag von 25 000 Euro nicht übersteigen. Für die Zwangshaft gelten die Vorschriften des Zweiten Abschnitts über die Haft entsprechend.
(2) Eine Androhung der Zwangsmittel findet nicht statt.
(3) Diese Vorschriften kommen im Falle der Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag nicht zur Anwendung.
Tenor
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Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 10. Juni 2011 - 13 Ta 203/11 - aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
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I. Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren über eine Verpflichtung zur Zeugniserteilung.
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Im Rahmen eines zuvor beim Arbeitsgericht Essen geführten Kündigungsschutzprozesses schlossen die Parteien am 4. August 2010 einen gerichtlichen Vergleich, der neben der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien zum 30. April 2010 auch folgende Regelungen zu einem von der Beklagten zu erteilenden Zeugnis enthält:
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„Die Beklagte erstellt zugunsten des Klägers ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der dortigen Beschäftigung des Klägers seit dem Jahre 1987 entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf, der innerhalb eines angemessenen Zeitraumes von zwei Wochen ab Überlassung des Entwurfes auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 04.05.2010 ausgefertigt, von dem Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet und als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht wird.“
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Der Kläger/Vollstreckungsgläubiger (im Folgenden: Kläger) übermittelte der Beklagten/Vollstreckungsschuldnerin (im Folgenden: Beklagte) einen Zeugnisentwurf. Darauf erteilte die Beklagte dem Kläger ein Zeugnis, das ua. in der Tätigkeitsbeschreibung sowie in der Bewertung von Leistung und Verhalten von dem Entwurf des Klägers abweicht.
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Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2011 hat der Kläger beantragt, gegen die Beklagte zur Erzwingung der im Vergleich niedergelegten Verpflichtung auf Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses entsprechend dem als Anlage beigefügten Entwurf ein Zwangsgeld von bis zu 25.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, ersatzweise Zwangshaft von bis zu sechs Monaten festzusetzen.
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Die Beklagte hat die Zurückweisung des Antrags begehrt, da der Inhalt des verlangten Zeugnisses nicht der Wahrheit entspreche.
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Mit Beschluss vom 16. März 2011 hat das Arbeitsgericht gegen die Beklagte ein Zwangsgeld iHv. 500,00 Euro festgesetzt. Gegen diesen der Beklagten am 23. März 2011 zugestellten Beschluss hat sie am 4. April 2011 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat auf die sofortige Beschwerde den Vollstreckungsbeschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und den Zwangsvollstreckungsantrag zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger die Wiederherstellung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
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II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft. Das Landesarbeitsgericht hat sie im Tenor seines Beschlusses ohne Einschränkung zugelassen. Der Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 10. Juni 2011 ist dem Kläger am 20. Juni 2011 zugestellt worden. Die Rechtsbeschwerde nebst Begründung ist am 19. Juli 2011 und damit rechtzeitig iSv. § 575 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO beim Bundesarbeitsgericht eingegangen. Die Rechtsbeschwerde erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen des § 575 ZPO.
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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Dem Vollstreckungstitel mangelt es - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - nicht an einer ausreichenden Bestimmtheit und damit einem vollstreckungsfähigen Inhalt. Ob die Beklagte als Vollstreckungsschuldnerin den Vergleich bereits ausreichend erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB) hat, kann der Senat nicht beurteilen. Dies führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 577 Abs. 4 ZPO).
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a) Zu Recht hat der Kläger einen Antrag gem. § 888 ZPO gestellt. Bei Nichterteilung des Zeugnisses, wie im Prozessvergleich vereinbart, handelt es sich um eine unvertretbare Handlung, zu der die Beklagte, wenn sie sie nicht vornimmt, durch Zwangsgeld und Zwangshaft angehalten werden kann (§ 888 ZPO).
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b) Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der gerichtliche Vergleich vom 4. August 2010 im Rechtsstreit - 6 Ca 1532/10 - beim Arbeitsgericht Essen stellt einen zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) dar. Eine vollstreckbare Ausfertigung wurde dem Kläger als Vollstreckungsgläubiger erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO).
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c) Der Prozessvergleich vom 4. August 2010 ist für die Zwangsvollstreckung hinreichend bestimmt.
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aa) Grundlage der Zwangsvollstreckung ist der Prozessvergleich vom 4. August 2010. Dieser ist ein Prozessvertrag, der eine rechtliche Doppelnatur hat. Er ist sowohl eine Prozesshandlung, deren Wirkung sich nach den Grundsätzen des Verfahrensrechts richtet, als auch ein privatrechtlicher Vertrag, für den die Regeln des materiellen Rechts gelten (BGH 19. Mai 1982 - IVb ZR 705/80 - FamRZ 1982, 782). Inhalt und Umfang der materiell-rechtlichen Vereinbarung einerseits und des prozessualen Vertrags als Vollstreckungstitel andererseits können auseinanderfallen. Während die Parteien durch den Prozessvergleich materiell-rechtlich gebunden sind, soweit es ihrem übereinstimmenden - unter Umständen nicht eindeutig nach außen hervorgetretenen - Willen entspricht, ist ein Prozessvergleich Vollstreckungstitel iSv. § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nur insoweit, als er einen aus sich heraus bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt hat(vgl. Stein/Jonas/Münzberg 22. Aufl. § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber ZPO 28. Aufl. § 794 Rn. 14). Ob und ggf. in welchem Umfang das der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Maßgebend hierfür ist allein der protokollierte Inhalt des Vergleichs (Stein/Jonas/Münzberg vor § 704 Rn. 26 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Für dessen Auslegung ist nicht in erster Linie der übereinstimmende Wille der Parteien maßgebend, der den Inhalt eines privatrechtlichen Vertrags bestimmt und für diesen selbst dann maßgebend bleibt, wenn die Erklärungen der Vertragspartner objektiv eine andere Bedeutung haben sollten (vgl. BGH 26. April 1978 - VIII ZR 236/76 - zu I 1 b aa der Gründe, BGHZ 71, 243). Vielmehr ist darauf abzustellen, wie das hierzu berufene Vollstreckungsorgan, in erster Linie also das Vollstreckungsgericht oder auch ein Beschwerdegericht, den Inhalt der zu erzwingenden Leistungen verständigerweise versteht und festlegt (BGH 31. März 1993 - XII ZR 234/91 - zu 1 der Gründe, NJW 1993, 1995; Stein/Jonas/Münzberg § 794 Rn. 34 ff.; Zöller/Stöber § 794 Rn. 14a). Unklarheiten über den Inhalt der Verpflichtung dürfen nicht aus dem Erkenntnisverfahren in das Vollstreckungsverfahren verlagert werden. Dessen Aufgabe ist es zu klären, ob der Vollstreckungsschuldner seiner festgelegten Verpflichtung nachgekommen ist, nicht aber, worin diese besteht (BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195).
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Bei der Auslegung ist zudem zu beachten, dass für den Schuldner aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein muss, in welchen Fällen er mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 - 1 AZB 53/02 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 - 1 BvL 1/89 - zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv, auch mit Hilfe der Zwangsvollstreckung, durchgesetzt werden können. Deshalb ist das Vollstreckungsgericht nicht der Notwendigkeit enthoben, eine möglicherweise schwierige Klärung der Frage herbeizuführen, ob die aus einem Titel folgende Verpflichtung erfüllt wurde (vgl. BAG 25. August 2004 - 1 AZB 41/03 - zu B II 2 c bb der Gründe, AP BetrVG 1972 § 23 Nr. 41 = EzA ArbGG 1979 § 78 Nr. 7).
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bb) Ausgehend hiervon enthält der Vergleich vom 4. August 2010 einen vollstreckbaren Inhalt. Dies ergibt eine Auslegung des protokollierten Prozessvergleichs nach den vorgenannten Grundsätzen unter Beachtung der gesetzlichen Regelung zum Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses nach § 109 GewO.
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(1) Der gesetzlich geschuldete Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich nach den mit ihm verfolgten Zwecken (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 114, 320; 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu III 2 der Gründe, BAGE 108, 86). Ein Zeugnis ist regelmäßig Bewerbungsunterlage und damit gleichzeitig Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber. Deshalb hat es Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers (vgl. BT-Drucks. 14/8796 S. 25). Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistungen beurteilt (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - aaO; 8. Februar 1972 - 1 AZR 189/71 - BAGE 24, 112). Vom Arbeitgeber wird dabei verlangt, dass er den Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tatsachen beurteilt und, soweit das möglich ist, ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermittelt (BAG 20. Februar 2001 - 9 AZR 44/00 - zu B I 2 a der Gründe, BAGE 97, 57). Daraus ergeben sich die Gebote der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit.
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Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erstreckt sich auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann (BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 261/04 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 114, 320). Das Gebot der Zeugnisklarheit ist nach § 109 Abs. 2 GewO in seiner ab 1. Januar 2003 geltenden Fassung gesetzlich normiert. Danach muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Abzustellen ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Lesers des Zeugnisses. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl verbindet (BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu II 2 der Gründe, BAGE 115, 130).
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In diesem Rahmen ist der Arbeitgeber grundsätzlich in der Formulierung frei, solange das Zeugnis nichts Falsches enthält (so schon BAG 29. Juli 1971 - 2 AZR 250/70 - zu II der Gründe, AP BGB § 630 Nr. 6). Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere (BAG 23. September 1992 - 5 AZR 573/91 - zu II der Gründe, EzA BGB § 630 Nr. 16). Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers (BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 19, BAGE 127, 232).
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(2) In dem Prozessvergleich vom 4. August 2010 haben die Parteien zunächst die Verpflichtung der Beklagten festgelegt, dem Kläger ein pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis über den Gesamtzeitraum der Beschäftigung des Klägers seit dem Jahr 1987 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 30. April 2010 zu erteilen. Damit haben die Parteien festgelegt, auf welchen Zeitraum des Arbeitsverhältnisses sich das Zeugnis zu beziehen hat. Insoweit haben die Parteien vereinbart, dass dieser Zeitraum auch die von 1987 bis 1990 dauernde Berufsausbildung zu umfassen hat. Durch die Formulierung „qualifiziertes Zeugnis“ stellen die Parteien erkennbar den Bezug zur gesetzlichen Regelung in § 109 GewO her. Die zusätzliche Einfügung des Wortes „pflichtgemäß“ ist ebenfalls als Bezugnahme auf die gesetzliche Regelung des § 109 GewO zu verstehen. Mit der Wendung „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger noch vorzulegenden Entwurf“ haben die Parteien jedoch eine wesentliche Abweichung von den gesetzlichen Regelungen zum Zeugnisanspruch nach § 109 GewO vereinbart. Die Parteien haben damit die Formulierungshoheit der Beklagten als vormaliger Arbeitgeberin maßgeblich eingeschränkt, indem sie die Formulierungshoheit auf den Kläger übertragen haben. Es liegt damit beim Kläger darüber zu entscheiden, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will. Allerdings muss auch die vom Kläger vorzuschlagende Formulierung des Zeugnisses die Grenze der Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit berücksichtigen (vgl. BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 20 ff., BAGE 127, 232), wie es die Parteien im Vergleich auch vereinbart haben.
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Weiter sind die Parteien in dem Prozessvergleich übereingekommen, dass der Beklagten ab dem Zeitpunkt der Überlassung des Entwurfs zwei Wochen verbleiben sollten, um den Entwurf des Klägers auf Briefpapier der Beklagten unter dem Ausstellungsdatum des 4. Mai 2010 auszufertigen und vom Geschäftsführer der Beklagten unterzeichnet an den Kläger als ordnungsgemäßes Zeugnis zurückzureichen. Damit haben die Parteien zunächst eine Zeitdauer für die Umsetzung des Entwurfs und Ausfertigung des Zeugnisses unter dem vereinbarten Ausstellungsdatum geregelt und die Pflicht zur Unterzeichnung des Zeugnisses durch den Geschäftsführer ausdrücklich aufgenommen. Die Formulierungen „als ordnungsgemäßes Zeugnis an den Kläger zurückgereicht“ stellt auch klar, dass das dann erstellte Zeugnis in optisch einwandfreier Form dem Kläger zu überlassen ist.
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Mit diesen Regelungen verpflichtet der Prozessvergleich die Beklagte entgegen der Auffassung des Klägers nicht, seinen Vorschlag ungeprüft und ohne jede Änderung zu übernehmen. Vielmehr ist die Beklagte gehalten, ein „pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis“ zu erteilen und das Zeugnis „entsprechend einem der Beklagten vom Kläger vorzulegenden Entwurf“ auf dem Briefkopf der Beklagten mit dem Datum des 4. Mai 2010 auszufertigen. Dies schließt eine einschränkungslose Verpflichtung zur ungeprüften und unabänderlichen Übernahme des Entwurfs aus. Die Beklagte kann vielmehr prüfen, ob der vorgelegte Entwurf einem „pflichtgemäßen“ qualifizierten Zeugnis, dh. einem unter Beachtung der in § 109 GewO bestimmten Grundsätze erstellten Zeugnis, entspricht. Die Verpflichtung zur Erstellung eines dem Entwurf „entsprechenden“ Zeugnisses ermöglicht es der Beklagten, den Entwurf ggf. an die Vorgaben des § 109 GewO anzupassen.
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d) Der Senat kann nicht nach § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO in der Sache selbst entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat weder den Text des Zeugnisentwurfs des Klägers noch denjenigen des von der Beklagten bislang erteilten Zeugnisses festgestellt. Diese Unterlagen wurden zwar ausweislich des Eingangsstempels wohl mit dem Zwangsgeldantrag vom 21. Januar 2011 beim Arbeitsgericht eingereicht. Sie befinden sich jedoch nicht (mehr) bei den Akten. Die Sache ist daher an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
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e) Im Rahmen der neuen Entscheidung wird das Beschwerdegericht zu prüfen haben, ob der Kläger der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorgelegt hat und ob die Beklagte ein diesem Entwurf entsprechendes pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis erteilt hat. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären, ob das von der Beklagten erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf „entspricht“. Dies erfordert nicht, dass der Zeugnisentwurf Wort für Wort übernommen worden ist. So ist die Beklagte insbesondere nicht verpflichtet, Grammatik-, Rechtschreib- oder Zeichensetzungsfehler zu übernehmen. Das Zwangsvollstreckungsverfahren kann auch nicht dazu führen, dass die Beklagte ein Zeugnis erteilen muss, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Bis zu dieser Grenze ist die Beklagte aber im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO anzuhalten, ein dem Entwurf des Klägers entsprechendes Zeugnis zu erteilen. Allerdings ist das Zwangsvollstreckungsverfahren nicht geeignet, die im Vergleich offengelassene Frage des Zeugnisinhaltes abschließend zu klären. Ob das vom Kläger begehrte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspricht, kann im Vollstreckungsverfahren nicht geklärt werden. Sind Umstände nachvollziehbar vorgetragen, die ergeben, dass das verlangte Zeugnis nicht der Wahrheit entspricht und gelangt das Beschwerdegericht zur Auffassung, dass die Beklagte unter Berücksichtigung der vorgetragenen Umstände mit dem erteilten Zeugnis den titulierten Anspruch erfüllt hat, hat das Landesarbeitsgericht den Zwangsgeldantrag zurückzuweisen. Dem Kläger bleibt dann nur die Möglichkeit, eine Zeugnisberichtigung im Wege eines neuen Erkenntnisverfahrens zu verlangen.
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III. Das Landesarbeitsgericht wird auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde zu entscheiden haben.
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Gräfl
Zwanziger
Spinner
Tenor
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1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. März 2013 - 18 Sa 2133/12 - aufgehoben.
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2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Gesamtbewertung der Leistung der Klägerin in einem Zeugnis.
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Die Klägerin war in der Zahnarztpraxis der Beklagten ab dem 1. Juli 2010 im Empfangsbereich und als Bürofachkraft beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörten ua. die Praxisorganisation, Betreuung der Patienten, Terminvergabe, Führung und Verwaltung der Patientenkartei, Ausfertigung von Rechnungen und Aufstellung der Dienst- und Urlaubspläne. Darüber hinaus half die Klägerin bei der Erstellung des Praxisqualitätsmanagements. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung der Klägerin mit Ablauf des 30. Juni 2011. Nachdem diese die Beklagte Ende September 2011 an die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses erinnert hatte, erhielt sie ein Arbeitszeugnis.
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Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen den Inhalt des von der Beklagten erteilten Zeugnisses gewandt. Hinsichtlich der in der Revisionsinstanz allein noch streitigen Gesamtbewertung ihrer Leistungen hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ihr stünde die Beurteilung „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu, weil ihre Arbeit tadellos gewesen sei, sie verschiedene Verbesserungen in der Praxis eingeführt habe und die von der Beklagten angeführten Mängel nicht zuträfen.
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Die Klägerin hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, ihr ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen mit dem Inhalt:
„…
In der Zusammenarbeit erlebten wir Frau … als engagierte Mitarbeiterin, die sich für die Belange unserer Praxis einsetzte und die ihr übertragenen Arbeiten stets zu unserer vollen Zufriedenheit ausführte.
…“
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, der Klägerin sei allenfalls die Gesamtbewertung „zur vollen Zufriedenheit“ zu attestieren. Die Klägerin habe keine überdurchschnittlichen Leistungen erbracht. Es sei zu zahlreichen Fehlleistungen in Bezug auf das im Arbeitsvertrag vereinbarte Leistungsspektrum gekommen.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die auf die Gesamtbewertung beschränkte Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihr Ziel der Klageabweisung hinsichtlich der von der Klägerin begehrten Gesamtbewertung weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durfte die Berufung der Beklagten nicht zurückgewiesen werden. Ob die Klägerin gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO Anspruch auf ein Zeugnis mit der Endnote „gut“ hat und sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts im Ergebnis als richtig erweist, lässt sich auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Die Sache ist daher nicht zur Endentscheidung reif und war somit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
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I. Das Landesarbeitsgericht ist zwar unter Hinweis auf die vom Senat im Urteil vom 14. Oktober 2003 (- 9 AZR 12/03 - zu IV 2 b der Gründe, BAGE 108, 86) aufgestellten Rechtssätze zur Darlegungs- und Beweislast zutreffend davon ausgegangen, dass der Arbeitnehmer, der eine überdurchschnittliche Beurteilung im Zeugnis erstrebt, entsprechende Leistungen vortragen und ggf. beweisen muss. Jedoch hat es den Begriff „überdurchschnittliche Beurteilung“ verkannt. Entgegen seiner Annahme liegt eine überdurchschnittliche Leistung vor, wenn sie der Schulnote „gut“ oder „sehr gut“ entspricht. Welche Schulnoten in den Zeugnissen einer Branche am häufigsten vergeben werden, ist ohne unmittelbaren Einfluss auf die Darlegungs- und Beweislast.
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1. Nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO kann der Arbeitnehmer verlangen, dass sich die Angaben im Zeugnis auch auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken. Allerdings begründet diese Vorschrift keinen Anspruch auf ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Zeugnis, sondern „nur“ auf ein leistungsgerechtes Zeugnis. Erst wenn der Arbeitnehmer dargelegt hat, leistungsgerecht sei ausschließlich eine überdurchschnittliche Beurteilung, hat der Arbeitgeber die Tatsachen vorzutragen, die dem entgegenstehen sollen (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu IV 2 b cc der Gründe, BAGE 108, 86; ähnlich zur Leistungsbeurteilung bei tariflichem Leistungsentgelt BAG 18. Juni 2014 - 10 AZR 699/13 - Rn. 43).
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a) Die Rechtsprechung zur Darlegungslast des Arbeitnehmers, wenn er mit der Gesamtbewertung „befriedigend“ im Zeugnis nicht einverstanden ist, wurde nicht auf der Grundlage empirischer Untersuchungen entwickelt. Solche Erkenntnisse sind nur zur Ermittlung eines sogenannten Zeugnisbrauchs, der zB in häufig verwendeten Formulierungen („Zeugnissprache“) seinen Ausdruck finden kann, von Bedeutung. Insofern hat der Senat auf eine empirische Untersuchung von Weuster/Scheer zurückgegriffen, um zu ermitteln, welchen Bedeutungsgehalt die in qualifizierten Zeugnissen häufig genutzte sogenannte Zufriedenheitsskala hat (vgl. BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu III 4 a der Gründe, BAGE 108, 86). Ausgehend von den dem Arbeitnehmer übertragenen Tätigkeiten und dem sich daraus ergebenden Anforderungsprofil wird danach die Leistung des Arbeitnehmers daran gemessen, wie der Arbeitgeber mit der Aufgabenerfüllung „zufrieden“ war. Der Begriff „zufrieden“ bezeichnet abweichend vom üblichen Sprachgebrauch nicht die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers. Er enthält vielmehr eine auf die Arbeitsaufgabe abgestellte Beurteilung, die sich an den objektiven Anforderungen orientiert, die üblicherweise an einen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Aufgabe gestellt werden (vgl. dagegen zum individuellen Maßstab im Kündigungsrecht: BAG 17. Januar 2008 - 2 AZR 536/06 - Rn. 15 mwN, BAGE 125, 257; 11. Dezember 2003 - 2 AZR 667/02 - zu B I 2 b der Gründe, BAGE 109, 87). Verstärkende oder abschwächende Zusätze führen zu einer Schul- oder Prüfungsnoten vergleichbaren Skala, die von „sehr gut“ bis hin zu „mangelhaft“ reicht.
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b) Wird dem Arbeitnehmer bescheinigt, er habe „zur vollen Zufriedenheit“ oder „stets zur Zufriedenheit“ des Arbeitgebers gearbeitet, wird das der Note „befriedigend“ zugerechnet, teils einer Zwischennote „voll befriedigend“ oder auch als „gutes befriedigend“ oder „gehobenes befriedigend“ verstanden. In gleicher Weise werden den Graden der Zufriedenheitsskala - ausgehend von einer durchschnittlichen Leistung - Aussagen wie über- oder unterdurchschnittlich zugerechnet. Danach setzt die Endnote „gut“ voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr als die „volle Zufriedenheit“ bescheinigt. Das kann durch Berücksichtigung des für die Beurteilung besonders wichtigen Zeitmoments geschehen, mit dem der Arbeitgeber die Beständigkeit der Leistungen charakterisiert. „Gut“ im Sinne der Zufriedenheitsskala ist ein Arbeitnehmer nur dann, wenn ihm bescheinigt wird, er habe „stets“, „immer“ oder „durchgehend“ zur vollen Zufriedenheit des Arbeitgebers gearbeitet (BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu III 4 a der Gründe mwN, BAGE 108, 86). Dieses Verständnis der mithilfe der Begriffe der Zufriedenheitsskala zum Ausdruck gebrachten Gesamtbeurteilung gilt unverändert. Auch die Klägerin hat nicht geltend gemacht, dass die Formulierung „stets zur vollen Zufriedenheit“ inzwischen der Schulnote „befriedigend“ entspreche. Ebenso wenig finden sich in der Literatur Anhaltspunkte für eine entsprechende Veränderung der Zeugnissprache (vgl. ErfK/Müller-Glöge 15. Aufl. § 109 GewO Rn. 32 f.; HWK/Gäntgen 6. Aufl. § 109 GewO Rn. 32; Schaub/Linck ArbR-HdB 15. Aufl. § 147 Rn. 23; Küttner/Poeche Personalbuch 2014 Zeugnis Rn. 31; Schleßmann Das Arbeitszeugnis 20. Aufl. S. 194 ff.; Huber/Müller Das Arbeitszeugnis in Recht und Praxis 15. Aufl. S. 69 ff.).
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c) Daran gemessen handelt es sich bei der von der Beklagten zugestandenen Gesamtbeurteilung „zur vollen Zufriedenheit“ um die Bescheinigung einer durchschnittlichen Leistung entsprechend einer mittleren Note in der Zufriedenheitsskala. Dies gilt unabhängig davon, ob man von einer sechsstufigen (Schaub/Linck aaO) oder einer fünfstufigen (ErfK/Müller-Glöge aaO Rn. 32; zu „Zwischennoten“ vgl. Schleßmann aaO S. 196) Skala ausgeht. Der Senat hat im Urteil vom 14. Oktober 2003 (- 9 AZR 12/03 - zu III 4 a der Gründe mwN, BAGE 108, 86) auf eine Schul- oder Prüfungsnoten vergleichbare Skala abgestellt, die von „sehr gut“ über „gut“ und „befriedigend“ bis hin zu „ausreichend“ und „mangelhaft“ reicht. Es ist weder von der Klägerin behauptet worden noch sonst erkennbar, dass sich in der Praxis oberhalb der Beurteilung „stets zur vollsten Zufriedenheit“ bzw. der Endnote „sehr gut“ eine weitere Beurteilungsstufe etabliert hätte mit der Folge, dass die Beurteilung „zur vollen Zufriedenheit“ der unteren Hälfte der Skala zuzuordnen wäre. Einer neuen Höchstnote in der Zufriedenheitsskala, zB durch eine - gegen jedes Sprachempfinden verstoßende - weitere Steigerung der „vollsten“ Zufriedenheit durch eine „allervollste“ Zufriedenheit, bedarf es nicht (zur Wortschöpfung „vollste“: vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu I 2 der Gründe, BAGE 115, 130; ErfK/Müller-Glöge aaO).
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d) Nach der verbreiteten Definition der Schulnoten (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 3. Oktober 1968; vgl. § 58 Abs. 3 SchulG Berlin; § 48 Abs. 3 SchulG NRW; § 5 Abs. 2 Notenbildungsverordnung Baden-Württemberg; § 59 Abs. 2 Thüringer SchulO) soll die Note „befriedigend“ erteilt werden, wenn die Leistung im Allgemeinen den Anforderungen entspricht. Dagegen wird mit „gut“ bewertet, wenn die Leistung den Anforderungen voll entspricht. Ein „sehr gut“ ist zu erteilen, wenn die Leistung den Anforderungen in besonderem Maße entspricht. Die von der Klägerin begehrte Gesamtbewertung ihrer Leistung mit „stets zur vollen Zufriedenheit“ bringt vor diesem Hintergrund zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer weniger Fehler gemacht und/oder mehr bzw. bessere Leistungen erbracht hat, als nach den objektiven Anforderungen erwartet werden konnte, die üblicherweise an einen Arbeitnehmer mit vergleichbarer Aufgabe gestellt werden. Dabei ist zu beachten, dass auch die Ausdrücke „stets“ oder „immer“ im vorliegenden Zusammenhang der Zeugnissprache eine eigenständige Bedeutung haben. Sie bedeuten ein „Mehr“ im Vergleich zu dem, was üblicherweise erwartet werden konnte. Sie meinen aber nicht, dass dem Arbeitnehmer während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses nie ein Fehler unterlaufen ist. Dies kann ein Arbeitgeber von einem Arbeitnehmer regelmäßig nicht erwarten.
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2. Die vom Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen zu den Ergebnissen der Untersuchungen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und der Personalmanagement Services GmbH sind auch aus anderen Gründen nicht geeignet, der Beklagten die Darlegungs- und Beweislast dafür aufzuerlegen, dass die Leistungen der Klägerin nicht mit der Schlussbeurteilung „stets zur vollen Zufriedenheit“ zu bewerten sind. Bei diesen Studien handelt es sich nicht um Sachverständigengutachten iSd. § 144 iVm. §§ 402 ff. ZPO (vgl. zur Zuziehung eines Sachverständigen zur Feststellung eines Zeugnisbrauchs BAG 12. August 2008 - 9 AZR 632/07 - Rn. 25, BAGE 127, 232) oder amtliche Statistiken. Die Klägerin hat sie weder als Privatgutachten und damit urkundlich belegtes Parteivorbringen nach § 138 ZPO(Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 73. Aufl. Übers. § 402 Rn. 21) in das Verfahren eingeführt, noch wurden sie auf andere Art und Weise Bestandteil der Gerichtsakte. Auch hat das Landesarbeitsgericht die Offenkundigkeit iSd. § 291 ZPO der von ihm angenommenen Ergebnisse dieser Untersuchungen, die ihm nach dem Inhalt der Gerichtsakte nicht vorlagen, nicht ausdrücklich festgestellt. Allerdings hat die Beklagte gegen die vom Landesarbeitsgericht - aufgrund der vom Arbeitsgericht herangezogenen Studien - getroffenen Feststellungen keine zulässigen Revisionsangriffe erhoben, sodass die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts gemäß § 559 Abs. 2 ZPO für den Senat bindend sind. Sie sind jedoch nicht geeignet, die Klägerin von ihrer Darlegungs- und Beweislast zu entbinden.
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a) Das Landesarbeitsgericht hat unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Senats vom 15. November 2011 (- 9 AZR 386/10 - BAGE 140, 15) darauf abgestellt, Adressat eines Zeugnisses sei ein größerer Personenkreis, der nicht zwangsläufig über ein einheitliches Sprachverständnis verfüge. Dementsprechend sei als maßgeblicher objektiver Empfängerhorizont die Verständnismöglichkeit eines durchschnittlich Beteiligten oder Angehörigen des vom Zeugnis angesprochenen Personenkreises zugrunde zu legen. Zur Beurteilung einer Formulierung sei auf die Sicht eines objektiven und damit unbefangenen Arbeitgebers mit Berufs- und Branchenkenntnissen abzustellen.
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b) Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beziehen sich jedoch nicht auf die Gesundheitsbranche. Die Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg basiert auf der Auswertung von 802 anonymisierten Zeugnissen, die eine entsprechende Anzahl von Arbeitnehmern (ein Zeugnis pro Person) der Manpower GmbH & Co. KG von ihren vorangegangenen Arbeitgebern erhalten hatten. Dabei stammten gemäß dem vom Landesarbeitsgericht zitierten Aufsatz von Düwell/Dahl 47,6 % der Zeugnisse aus dem Bereich kaufmännisch/verwaltend, 17,1 % aus dem Bereich Kundenservice/Verkauf, 16,2 % aus dem Bereich gewerblich/handwerklich, 9,5 % aus dem Bereich technisch/Konstruktion, 2,0 % aus dem Bereich Forschung/Entwicklung, 1,6 % aus dem Bereich Gesundheit/Pflege sowie 6,0 % aus anderen Arbeitsbereichen (Düwell/Dahl NZA 2011, 958, 959). In Bezug auf den streitgegenständlichen Arbeitsbereich ist die Datenbasis damit nicht aussagekräftig. Es wurden lediglich die Zeugnisse von etwa 13 Arbeitnehmern aus dem Bereich Gesundheit/Pflege, in dem die Beklagte tätig ist, ausgewertet (1,6 % von 802). Die Beklagte verweist zutreffend darauf, dass Rückschlüsse auf die „Durchschnittsnote“ in diesem Bereich danach nicht möglich sind, zumal nach Angaben des Statistischen Bundesamts zum 31. Dezember 2012 rund 5,2 Millionen Menschen und damit etwa jeder achte Beschäftigte in Deutschland im Gesundheitswesen tätig war (Pressemitteilung Nr. 75/14 des Statistischen Bundesamts vom 5. März 2014).
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c) Entsprechendes gilt für die zweite vom Landesarbeitsgericht herangezogene Untersuchung der Personalberatungsgesellschaft Personalmanagement Services GmbH. Aus welchen Branchen die Zeugnisse stammten, die in dieser Untersuchung analysiert wurden, wird weder im Berufungsurteil erläutert noch in dem dort zitierten Aufsatz, in dem diese Studie ohnehin nur im Rahmen einer Fußnote ergänzend erwähnt wird (Düwell/Dahl NZA 2011, 958 [Fn. 15]).
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d) Selbst wenn die Ergebnisse der vom Landesarbeitsgericht herangezogenen Studien repräsentativ wären und im Bereich Gesundheit/Pflege überwiegend gute oder sehr gute Endnoten vergeben würden, muss ein Arbeitnehmer, wenn er eine bessere Schlussbeurteilung als „zur vollen Zufriedenheit“ beansprucht, im Zeugnisrechtsstreit entsprechend bessere Leistungen vortragen und ggf. beweisen.
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aa) Ein vom Arbeitgeber gemäß § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO auszustellendes qualifiziertes Zeugnis muss in erster Linie wahr sein(st. Rspr., vgl. zuletzt BAG 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - Rn. 21 mwN, BAGE 144, 103). Der Gesetzesentwurf zu dieser Bestimmung spricht von einem „schutzwürdigen Interesse der einstellenden Arbeitgeber an einer möglichst wahrheitsgemäßen Unterrichtung über die fachlichen und persönlichen Qualifikationen“ (BT-Drucks. 14/8796 S. 25). Bei der Wahrheitspflicht handelt es sich um den bestimmenden Grundsatz des Zeugnisrechts (Müller AiB 2012, 387, 388: „oberster Grundsatz“; vgl. auch ErfK/Müller-Glöge aaO Rn. 22 ff.). Sie umfasst alle Fragen des Zeugnisrechts (BAG 9. September 1992 - 5 AZR 509/91 - zu III der Gründe). Insbesondere wird auch der Wohlwollensgrundsatz, wonach das Fortkommen des Arbeitnehmers durch den Zeugnisinhalt nicht unnötig erschwert werden darf, durch die Wahrheitspflicht begrenzt. Ein Zeugnis muss nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein (BAG 11. Dezember 2012 - 9 AZR 227/11 - aaO).
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bb) Auch in der Literatur werden die Ergebnisse der angeführten Untersuchungen nicht notwendig als Zeichen einer generell gestiegenen Leistungsfähigkeit gewertet (Düwell/Dahl NZA 2011, 958, 959: „Sicher dürfte sein, dass bei 86,6 % [sehr] guten Leistungsbeurteilungen dem Arbeitszeugnis nichts mehr über die tatsächliche Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers entnommen werden kann“). Vielmehr wird die von den „Personalern selbst verschuldete … Noteninflation“ (Dahl jurisPR-ArbR 6/2013 Anm. 5) damit erklärt, dass Arbeitgeber die Kosten und Mühen eines Zeugnisrechtsstreits verstärkt scheuen und deshalb eine Neigung zu „Gefälligkeitszeugnissen“ bestehe (laut Düwell/Dahl aaO entspricht dies einer Selbsteinschätzung der „Personaler“; vgl. auch Sende/Galais/Dahl Personalwirtschaft 7/2011, 35: „Tendenz zu Kuschelnoten“).
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cc) Wird von einer Tendenz zur Erteilung von „Gefälligkeitszeugnissen“ ausgegangen, kann diese freilich keine Rechtspflicht eines Arbeitgebers begründen, dieser Tendenz Rechnung zu tragen und trotz einer nur durchschnittlichen Leistung des Arbeitnehmers diesem eine gute Leistung zu bescheinigen. Dadurch würden zugleich Arbeitnehmer benachteiligt, die den Anforderungen „gut“ gerecht geworden sind. Zwar mag es für manchen Arbeitgeber nachvollziehbare Gründe geben, als „lästig“ empfundene Zeugnisstreitigkeiten zu meiden und infolgedessen dem Wohlwollensgrundsatz mehr Raum zu geben als ihm rechtlich zusteht (vgl. Sende/Galais/Dahl aaO: „zu gut verstandene … Wohlwollenspflicht“). Zeugnisse mit Schlussnoten, die den Leistungen eines Arbeitnehmers nicht entsprechen, sind jedoch unwahr und damit gesetzeswidrig. Eine Rechtspflicht, sich einer gesetzeswidrigen Übung anzuschließen, existiert nicht.
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II. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO), weil tatsächliche Feststellungen nachzuholen sind und eine umfassende tatrichterliche Würdigung des Vorbringens der Parteien im Rahmen des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO vorzunehmen ist.
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1. Das Landesarbeitsgericht hat - aus seiner Sicht konsequent - nicht geprüft, ob die Klägerin Tatsachen vorgetragen hat, die eine Beurteilung mit „stets zur vollen Zufriedenheit“ rechtfertigen. Dies wird es nach der Zurückverweisung nachzuholen haben. Rechtfertigt der Vortrag der Klägerin - vor allem zu ihren überobligatorischen und tadellosen Leistungen - die von ihr verlangte Gesamtbewertung, wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Beklagte beachtliche Einwände vorgebracht und insbesondere dargetan hat, aus welchen Gründen sie der Klägerin über die vertraglich vereinbarte Vergütung hinaus einen Bonus gezahlt hat, obwohl die Leistungen der Klägerin ihrer Ansicht nach weder „sehr gut“ noch „gut“ waren. Diese Zahlung könnte dafür sprechen, dass auch die Beklagte der Auffassung war, dass die Klägerin besondere Anerkennung verdiente (zur Bindung des Arbeitgebers an frühere Beurteilungen des Arbeitnehmers nach Treu und Glauben vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 352/04 - zu I 2 der Gründe mwN, BAGE 115, 130).
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2. Angesichts der Darlegungs- und Beweislastverteilung wird der Klägerin ggf. die Möglichkeit zu eröffnen sein, weitere Tatsachen zur Stützung ihres Klagebegehrens vorzutragen, und der Beklagten ggf. Gelegenheit zu geben sein, ihre Einwände zu ergänzen. Im Hinblick auf die Substanziierungslast der Klägerin wird das Landesarbeitsgericht zu berücksichtigen haben, dass der Grad der notwendigen Konkretisierung immer auch von den Einlassungen der Gegenseite abhängt.
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3. Obgleich der Beklagten bei der Bewertung der Leistungen der Klägerin ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist (vgl. BAG 14. Oktober 2003 - 9 AZR 12/03 - zu IV 2 b cc der Gründe, BAGE 108, 86), hätte die Beklagte diesen überschritten, wenn sie sich bei der Beurteilung erkennbar von sachfremden Motiven hätte leiten lassen. Dafür könnten die Formulierungen in dem der Klägerin von der Beklagten zunächst erteilten Zeugnis sprechen. Insofern wird das Landesarbeitsgericht zu bewerten haben, ob die Gesamtbeurteilung im Zeugnis auch Ausdruck der Enttäuschung der Beklagten über den mit der Eigenkündigung zum Ausdruck gebrachten Abkehrwillen der Klägerin war.
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Brühler
Krasshöfer
Klose
W. Schmid
Ropertz
(1) Der Arbeitnehmer hat bei Beendigung eines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf ein schriftliches Zeugnis. Das Zeugnis muss mindestens Angaben zu Art und Dauer der Tätigkeit (einfaches Zeugnis) enthalten. Der Arbeitnehmer kann verlangen, dass sich die Angaben darüber hinaus auf Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes Zeugnis) erstrecken.
(2) Das Zeugnis muss klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Merkmale oder Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen.
(3) Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen.
Bei der Beendigung eines dauernden Dienstverhältnisses kann der Verpflichtete von dem anderen Teil ein schriftliches Zeugnis über das Dienstverhältnis und dessen Dauer fordern. Das Zeugnis ist auf Verlangen auf die Leistungen und die Führung im Dienst zu erstrecken. Die Erteilung des Zeugnisses in elektronischer Form ist ausgeschlossen. Wenn der Verpflichtete ein Arbeitnehmer ist, findet § 109 der Gewerbeordnung Anwendung.
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.09.2015 – 4 Ca 435/15 – dahin abgeändert, dass das Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Hagen vom 09.07.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen wird.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagte zu 80 % und der Kläger zu 20 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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Tatbestand
2Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, folgenden Satz in das Zeugnis des Klägers aufzunehmen: „Wir betrachten es als besondere Leistung, dass er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert und unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus gebunden hat“.
3Der Kläger war vom 01.07.2010 bis zum 31.10.2013 bei der Beklagten als Gebietsverkaufsleiter tätig. Die Beklagte sprach im Juli und August 2013 Kündigungen gegenüber dem Kläger aus. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und nahm die Beklagte zudem auf Weiterbeschäftigung, Entfernung von Abmahnungsschreiben aus der Personalakte und auf Zeugniserteilung in Anspruch. Dieser Rechtsstreit, den die Parteien vor dem Arbeitsgericht Hagen unter dem Geschäftszeichen 4 Ca 1628/13 führten, wurde durch den Abschluss eines Vergleichs am 27.08.2013 erledigt. Der Vergleich sah unter anderem vor, dass das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2013 endet und die Beklagte an den Kläger eine Abfindungszahlung leistet. Darüber hinaus heißt es in dem Vergleich: „Die Beklagte erteilt dem Kläger unter dem 31.10.2013 ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger ein Vorschlagsrecht zusteht, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grunde abweichen darf.“
4Im September 2014 übersandte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten einen Zeugnisentwurf mit der Bitte um Übernahme und Erteilung. Die Beklagte erteilte dem Kläger ein Arbeitszeugnis, das von dem übersandten Zeugnisentwurf abwich. Der Kläger erhob daraufhin Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Erteilung eines Arbeitszeugnisses nach Maßgabe des Zeugnisentwurfs zu verpflichten. Nachdem die Beklagte dem Kläger im Laufe des Rechtsstreits ein neues Arbeitszeugnis erteilt hatte, das dem Zeugnisentwurf – mit Ausnahme des einleitend im Tatbestand wiedergegebenen Satzes – entsprach, haben die Parteien den Rechtsstreit insoweit erledigt erklärt.
5Im Kammertermin vom 09.07.2015, den die Beklagte nicht wahrgenommen hat, ist ein Versäumnisurteil erlassen worden, durch das die Beklagte verpflichtet wurde, den noch fehlenden Satz aus dem Zeugnisentwurf in das Arbeitszeugnis des Klägers zu übernehmen. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Beklagte fristgerecht Einspruch eingelegt.
6Der Kläger hat behauptet, dass er unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an die Beklagte gebunden habe. Die Angaben zu den von dem Kläger getätigten Umsätzen basierten auf einer Auskunft des vormaligen Geschäftsführers der Beklagten, Herrn C. Die nach den Gebietsübernahmen erfolgten Umsatzrückgänge seien letztlich darauf zurückzuführen, dass die Lieferanten sehr lange auf ihre Bezahlung hätten warten müssen und dann nur schlechte Qualität geliefert hätten. Dies habe sich nachteilig auf die Umsätze ausgewirkt.
7Der Kläger hat beantragt,
8das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufrecht zu erhalten.
9Die Beklagte hat beantragt,
10das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger mit seinem Begehren die Grenze zum offenkundigen Rechtsmissbrauch überschritten habe, da oberster Grundsatz für die Zeugnisausstellung die Wahrheit des Zeugnisses sei. Weder habe er in seinem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert noch unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus der Beklagten gebunden. Die Frage, ob in dem Verkaufsgebiet Umsatzzuwächse von bis zu 33 % generiert und ob unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an das Haus gebunden worden seien, sei keine Frage der Wertung, sondern eine auf objektiven Zahlen basierende Tatsache und einem Beweis zugänglich. Der Kläger sei seiner Beweislast für die Richtigkeit der begehrten Angaben nicht nachgekommen. Darüber hinaus zeige die Darstellung der „neuen Verkaufsgebiete“ mit Stand 20.12.2011 (Blatt 54 der Akte), dass das Gebiet West neu aufgeteilt und dem Kläger die Postleitzahlengebiete 33 bis 37, 60 bis 63 und 65 zugeteilt worden seien. Aus den Umsatzzahlen (Blatt 55 der Akte) ergebe sich zwar, dass durch die Übernahme der Kundengebiete ein Umsatzsprung erfolgte. Die Umsatzzahlen der Jahre 2011 und 2012 für die Kundengebiete L und G belegten aber, dass nach Übernahme dieser Gebiete durch den Kläger ein Umsatzrückgang zu verzeichnen gewesen sei.
12Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten und zur Begründung im Wesentlichen aufgeführt, die Verpflichtung der Beklagten zur Übernahme der vom Kläger gewünschten Formulierung ergebe sich aus dem gerichtlichen Vergleich im Verfahren 4 Ca 1628/13. Wenn die Beklagte im Vergleich zugesagt habe, dem Kläger ein Arbeitszeugnis nach seinem Entwurf zu erteilen und von dem Entwurf nur aus wichtigem Grunde abzuweichen, so stelle dies ein Schuldanerkenntnis dar. Einwendungen gegenüber dem anerkannten Anspruch seien von der Beklagten zu beweisen. Es sei der Beklagten nicht gelungen nachzuweisen, dass die vom Kläger gewünschten Formulierungen inhaltlich falsch seien. Die Beklagte habe insbesondere lediglich die Umsatzzahlen des Klägers in den Jahren 2010 bis 2012 dargelegt und sich nicht hinreichend mit der Behauptung des Klägers auseinandergesetzt, er habe Umsatzzuwächse im Zeitraum von 2010 bis 2013 erzielt. Im Übrigen wird,, auch zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz auf das arbeitsgerichtliche Urteil Bezug genommen.
13Das Urteil erster Instanz ist der Beklagten am 08.10.2015 zugestellt worden. Sie hat mit einem Schriftsatz, der am 28.10.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, Berufung eingelegt und die Berufung mit einem am 11.11.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
14Die Beklagte vertritt die Auffassung, den Kläger treffe die Darlegungslast für die behaupteten Tatsachen, auf die er seinen Anspruch hinsichtlich der Ergänzung des Zeugnisses stütze. Die Beklagte habe insoweit bei Abschluss des Vergleichs vom 27.08.2013 kein Schuldanerkenntnis abgegeben, sondern sich das Recht vorbehalten, vom Formulierungsvorschlag des Klägers abzuweichen. Die Behauptung des Klägers, er habe unzufriedene Kunden als starke Umsatzträger wieder an die Beklagte gebunden, könne die Beklagte nur bestreiten. Als Anlage mit einem am 01.12.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte die Umsatzzahlen des Klägers im Zeitraum von 2010 bis 2013 dargestellt.
15Die Beklagte beantragt,
16unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hagen vom 17.09.2015, Az. 4 Ca 435/15, das Versäumnisurteil vom 09.07.2015, Arbeitsgericht Hagen, aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit sie noch nicht übereinstimmend für erledigt erklärt wurde.
17Der Kläger beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Das Arbeitsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Darlegungslast im Streitfall die Beklagte treffe. Soweit die Beklagte in der Berufungsinstanz eine Aufstellung der vom Kläger erzielten Umsätze in den Jahren 2010 bis 2013 vorgelegt habe, sei dieser Vortrag nicht innerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgt; zudem könne die Bezugnahme auf eine Anlage nicht den ordnungsgemäßen Parteivortrag ersetzen. Aus den Umsatzzahlen, die die Beklagte vorgelegt habe, ergebe sich, dass sich der Umsatz des Klägers bei einem Vergleich der Monate Juli 2010 und Oktober 2010 um 33 % gesteigert habe.
20Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe
22I
23Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
24Die Beklagte hat die Berufung insbesondere rechtzeitig gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 und 2 ArbGG eingelegt und begründet.
25II
26Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
27Das arbeitsgerichtliche Urteil war abzuändern und das Versäumnisurteil vom 09.07.2015 auf den zulässigen Einspruch der Beklagten aufzuheben. Dem Kläger steht kein Anspruch auf die begehrte Ergänzung des Zeugnisses aus § 109 Abs. 1 GewO in Verbindung mit dem Vergleich vom 27.08.2013 zu. Eine andere Anspruchsgrundlage kommt nicht in Betracht.
281. Die Beklagte ist nicht einschränkungslos verpflichtet, dem Kläger ein „wunschgemäßes“ Zeugnis nach dessen Vorstellungen zu erteilen.
29Zwar ergibt sich aus § 109 Abs. 1 GewO ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Zeugniserteilung. Wie sich aus dem Sinn der Vorschrift des § 109 Abs. 1 GewO ergibt, muss der Arbeitgeber das Zeugnis wohlwollend abfassen, damit es das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers nicht ungerechtfertigt erschwert (Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 16. Aufl. 2016, § 109 GewO, Rdnr. 27 m.w.N.). Die Vorschrift sieht jedoch keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses mit einem bestimmten Wortlaut vor. Vielmehr ist der Arbeitgeber frei in der Wahl seiner Formulierungen (BAG, Urteil vom 16.10.2007 – 9 AZR 248/07, Urteil vom 21.06.2005 – 9 AZR 352/04).
30Der Vergleich vom 27.08.2013 engt zwar den Spielraum ein, welcher der Beklagten bei der Formulierung des Zeugnisses zusteht. Der Vergleich sieht im Grundsatz vor, dass die Beklagte den vom Kläger erstellten Formulierungsvorschlag für das Zeugnis zu übernehmen hat. Die Parteien haben bei Abschluss des Vergleichs vom 27.08.2013 allerdings durch den Vorbehalt des wichtigen Grundes klargestellt, dass die Beklagte den Vorschlag des Klägers nicht ungeprüft und ohne jede Änderung übernehmen muss. Das Prüfungsrecht des Arbeitgebers besteht schon dann, wenn in einem Prozessvergleich vereinbart ist, er habe ein „pflichtgemäßes qualifiziertes Zeugnis“ zu erstellen (BAG, Beschluss vom 09.09.2011 – 3 AZB 35/11). Das muss erst recht dann gelten, wenn ausdrücklich der Vorbehalt einer Abweichung von der vorgeschlagenen Zeugnisformulierung aus wichtigem Grunde – wie hier – im Vergleich vereinbart ist.
312. Es liegt ein wichtiger Grund dafür vor, dass die Beklagte den Formulierungsvorschlag des Klägers, soweit er im Hinblick auf Umsatzsteigerung und die Bindung unzufriedener Kunden zwischen den Parteien streitig ist, nicht übernahm.
32a) Durch den Vorbehalt der Abweichung „aus wichtigem Grunde“ ist klargestellt, dass die Beklagte nach dem Vergleich nicht verpflichtet ist, inhaltlich Unwahres in den Zeugnistext zu übernehmen.
33Denn der Begriff des wichtigen Grundes ist vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Zeugniswahrheit zu verstehen. Der Grundsatz der Zeugniswahrheit und –klarheit bildet den obersten Grundsatz des Zeugnisrechts (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 22; Preis, in: Staudinger, § 630 BGB Rdnr. 41, jeweils m.w.N.). Der Arbeitgeber, der zugunsten des Arbeitnehmers Unwahres im Zeugnis bekundet, muss damit rechnen, Schadensersatzansprüchen Dritter ausgesetzt zu sein (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 68). Vor diesem Hintergrund kann der Arbeitgeber auch im Wege der Zwangsvollstreckung nicht dazu angehalten werden, ein Zeugnis zu erteilen, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt (BAG, Beschluss vom 09.09.2011 – 3 AZB 35/11).
34b) Die vom Kläger begehrten Änderungen betreffen nicht Wertungsfragen, sondern Tatsachen. Sowohl die Frage, ob der Kläger Umsatzzuwächse erreicht hat, als auch die Frage, ob es ihm gelang, starke Umsatzträger wieder an die Beklagte zu binden, beziehen sich auf sinnlich wahrnehmbare Geschehnisse der Außenwelt, die dem Beweis zugänglich sind.
35c) Mit der angestrebten Formulierung begehrt der Kläger insoweit die Aufnahme inhaltlich unrichtiger Tatsachen in das Zeugnis.
36Das ergibt sich aus der Auswertung des beiderseitigen Parteivorbringens. Es spricht einiges dafür, dass die Darlegungs- und Beweislast (wie es das Arbeitsgericht angenommen hat) für die Unrichtigkeit der Tatsachen im Streitfall die Beklagte trifft. Ist ein Vergleichstext so formuliert wie hier, stellt die Abweichung aus wichtigem Grund eine Einwendung gegen den grundsätzlich bestehenden Anspruch des Arbeitnehmers auf Übernahme der von ihm vorgeschlagenen Zeugnisformulierungen dar. Nach allgemeinen Grundsätzen ist der Arbeitgeber für die Einwendungen darlegungs- und beweispflichtig, die ihm zum Vorteil gereichen. Anderenfalls stünde der Arbeitnehmer nach dem Abschluss des Vergleichs nicht besser als wenn er einen regulären Zeugnisberichtigungsstreit führen müsste. Das widerspräche dem Sinn des Vergleichsabschlusses (LAG Hamm, Beschluss vom 04.08.2010 – 1 Ta 196/10 m.w.N.). Mit einer derartigen Regelung zur Zeugniserteilung im Vergleich soll gerade ein weiterer, unter Umständen wiederum gerichtlich auszutragender Streit zwischen den Parteien um die Zeugnisformulierung vermieden werden. Der Arbeitnehmer, der – wie hier der Kläger – über einen Vergleich den Arbeitsplatz verliert, will zumindest ein für ihn vorteilhaftes Zeugnis garantiert haben, auf dessen Inhalt er weitestgehenden Einfluss nehmen kann. Der vorliegende Rechtsstreit nötigt jedoch nicht dazu, einen abstrakten Rechtssatz über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast aufzustellen.
37Im Zivilprozess gilt der Grundsatz der abgestuften Darlegungslast, der sich aus § 138 Abs. 1 und 2 ZPO ergibt (vgl. dazu und zum Folgenden: BAG, Urteil vom 20.11.2003 – 8 AZR 580/02 m.w.N.). Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Eine allgemeine Auskunftspflicht auch über die gegnerischen Behauptungen hinaus kennt das materielle Recht nicht, und es ist nicht Sache des Prozessrechts, sie einzuführen. Keine Partei ist gehalten, den Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt. Daher genügt einfaches Bestreiten eines nur pauschalen Vorbringens. Dagegen ist zu den einzelnen Behauptungen der gegnerischen Partei gezielt Stellung zu nehmen, soweit diese sich substantiiert geäußert hat; pauschales Bestreiten genügt dann nicht, sondern hat die Geständnisfiktion des § 138 Abs. 3 ZPO zur Folge. Ist substantiiertes Bestreiten erforderlich, muss die gegnerische Prozesspartei eine Gegendarstellung des Sachverhalts geben, soweit sie dazu in der Lage ist. Insbesondere wird dem Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei dann eine gewisse (sekundäre) Behauptungslast auferlegt, wenn eine darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner sie hat und ihm nähere Angaben zumutbar sind.
38Danach ist festzustellen, dass der Kläger die ihn jedenfalls treffende treffende Darlegungspflicht im Hinblick auf die Richtigkeit der Tatsachen, die Grundlage der beantragten Änderung des Zeugnistextes sein sollen, nicht hinreichend erfüllt hat.
39aa) Dies gilt zunächst für die „Umsatzzuwächse“ von bis zu 33 %“, die der Kläger in seinem Verkaufsgebiet generiert haben will.
40Dass der Kläger derartige Umsatzzuwächse erreichte, ist dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen. Der Kläger hat keine näheren Angaben zu seinen Umsatzzahlen gemacht. Die Beklagte hat demgegenüber bereits erstinstanzlich (Anlage B 3 zum Schriftsatz vom 18.05.2015) eine Aufstellung über den Umsatz des Klägers im Zeitraum von 2010 bis 2012 vorgelegt. In der Berufungsinstanz hat sie diese Angaben mit der Anlage, die dem Schriftsatz vom 30.11.2015, der am 01.12.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen ist, um die Zahlen für das Jahr 2013 ergänzt.
41Die von der Beklagten vorgetragenen Umsatzzahlen für das Jahr 2013 sind im Berufungsverfahren zu berücksichtigen. Der Vortrag ist nicht nach § 67 ArbGG ausgeschlossen. Der Schriftsatz vom 30.11.2015 ging innerhalb der noch bis zum 08.12.2015 laufenden Berufungsbegründungsfrist ein. Die Berücksichtigung des Vortrages führt nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits.
42Dass die Beklagte die Umsatzzahlen in Tabellenform vorgelegt und nicht schriftsätzlich ausformuliert hat, begegnet keinen Bedenken. Zwar mag die Bezugnahme auf Anlagen dann bedenklich sein, wenn sie erforderlichen substantiierten Sachvortragen ersetzen soll (vgl. BAG, Urteil vom 16.05.2012 – 5 AZR 347/11): Beigefügte Anlagen können den schriftsätzlichen Vortrag lediglich erläutern oder belegen, verpflichten das Gericht aber nicht, sich die unstreitigen oder streitigen Angaben aus den Anlagen selbst zusammenzusuchen. Im Streitfall ist es für das Berufungsgericht nicht notwendig, sich streitige oder unstreitige Angaben aus der Tabelle über die Umsatzzahlen zusammenzusuchen. Die Tabelle besteht nur aus einer Seite. Sie ist selbsterklärend. Die Umsatzzahlen des Klägers sind nach Jahren und Monaten aufgeführt. Die Prozessführung des Klägers wird durch die Bezugnahme auf die Anlage nicht erschwert. Er ist ohne Weiteres in der Lage, das Zahlenwerk nachzuvollziehen und sich mit den Angaben der Beklagten auseinanderzusetzen.
43Aus den Zahlen, deren Richtigkeit der Kläger nicht in Abrede gestellt hat, ergibt sich zwar eine Steigerung des Umsatzes um etwa 300.000,00 Euro im Vergleich der Jahre 2010 und 2011. Das ist gleichbedeutend mit einer Umsatzsteigerung von 25 %. Die Beklagte hat jedoch schon erstinstanzlich vorgetragen, dass es sich insoweit nicht um Umsatzzuwächse handelt, die der Kläger durch seine Arbeitsleistung generierte, sondern dass der Umsatzzuwachs darauf zurückzuführen war, dass durch den Ausfall eines Mitarbeiters das Gebiet „West“ neu aufgeteilt und dem Kläger ein weiteres Postleitzahlengebiet zugeteilt wurde. Der Kläger ist dem nicht entgegengetreten, so dass das Vorbringen der Beklagten insoweit als unstreitig gelten muss. Die Aufstellungen über die Umsatzzahlen, die von der Beklagten zu den Gerichtsakten gereicht worden sind, weisen den Umsatz der Gebiete gesondert aus, die dem Verkaufsgebiet des Klägers zugeschlagen wurden. Subtrahiert man den Umsatz, der in diesen Gebieten erzielt wurde, vom Gesamtumsatz des Klägers, so lässt sich keine Umsatzsteigerung mehr feststellen.
44Unbehilflich ist der Vortrag des Klägers zu einem Telefongespräch mit dem vormaligen Geschäftsführer der Beklagten, das „nach ca. einem Jahr“ der Tätigkeit des Klägers geführt worden sein soll und in dessen Rahmen der Geschäftsführer dem Kläger mitgeteilt haben soll, der Kläger habe den Umsatz in seinem Gebiet um 33 % gesteigert. Diese Äußerung des vormaligen Geschäftsführers mag vor dem Hintergrund der Gebietserweiterung erfolgt sein. Der Verweis auf die Äußerung im Rahmen eines Telefongesprächs ersetzt jedenfalls nicht die Auseinandersetzung mit den konkreten Umsatzzahlen, die die Beklagte vortragen hat.
45Wenn der Kläger geltend macht, im Zeitraum von Juli 2010 bis Oktober 2010 eine etwa 33%ige Umsatzsteigerung erreicht zu haben, so muss er sich entgegenhalten lassen, dass das Zeugnis nach dem Grundsatz der Zeugnisklarheit auf die Leistungen während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses abzustellen hat; einzelne Vorfälle dürfen nur dann hervorgehoben werden, wenn sie für das Vertragsverhältnis charakteristisch waren (Müller-Glöge, a.a.O., Rdnr. 40). Die Umsatzsteigerung, auf die der Kläger sich berufen will, war nicht charakteristisch für das Arbeitsverhältnis, sondern ergibt sich nur unter Zugrundelegung eines nicht aussagekräftigen Zeitraums zu Beginn des Arbeitsverhältnisses. In jedem Jahr waren die Umsatzzahlen des Klägers schwankend. Durch das beliebige Herausgreifen einzelner Monate lässt sich sowohl eine Umsatzsteigerung als auch ein Umsatzrückgang belegen. Dies gilt auch für das Jahr 2010: Vergleicht man die Umsätze der Monate März und April, so ist ein etwa 25%-iger Umsatzrückgang festzustellen. Aussagekräftige und damit im Sinne des Zeugnisrechts wahre Angaben zu den Umsatzzahlen lassen sich nur bei Betrachtung eines größeren (jährlichen oder halbjährlichen) Zeitraumes machen. Insoweit sind aber keine Zeiträume ersichtlich, aus denen sich ein Umsatzplus in der vom Kläger gewünschten Größenordnung ableiten ließe. Dabei verkennt das Berufungsgericht nicht, dass der Kläger lediglich die Formulierung begehrt, Umsatzzuwächse „von bis zu 33 %“ generiert zu haben. Selbst diese einschränkende Formulierung erweist sich indes bei einem Vergleich der aussagekräftigen längeren Referenzzeiträume als unzutreffend. Die „bereinigten“ Umsatzzahlen (abzüglich der zusätzlich übernommenen Gebiete) weisen nur im Vergleich der Jahre 2011 und 2012 eine leichte (weniger als 10%-ige) Steigerung auf. Im Vergleich der Jahre 2010 zu 2011 sowie 2012 und 2013 ist jedoch ein Umsatzrückgang festzustellen.
46bb) Auch im Hinblick auf die Richtigkeit der Zeugnisformulierung, die auf eine erneute Bindung unzufriedener Kunden als starke Umsatzträger an die Beklagte abhebt, ist der Kläger seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.
47Die Beklagte hat insoweit bestritten, dass der Kläger Derartiges leistete. Es wäre Aufgabe des Klägers gewesen, daraufhin zumindest beispielhaft darzulegen, welche Umsatzträger oder unzufriedenen Kunden er mit welchen Maßnahmen dazu brachte, weiterhin Geschäftsbeziehungen zur Beklagten zu pflegen. Der Kläger hat aber keinen einzigen Kunden und keine einzige Maßnahme benannt, die die Aufnahme der von ihm erstrebten Zeugnisformulierung in das Zeugnis rechtfertigen könnte.
48Der Kläger ist insoweit die Prozesspartei mit der größeren Sachnähe, da er die von ihm betreuten Kunden kennt und weiß, welcher Kunde unzufrieden und womöglich im Begriff war, die Geschäftsbeziehungen zur Beklagten abzubrechen. Der Kläger weiß auch, durch welche Leistungen er diese Kunden wieder an die Beklagten zu binden verstand. Jedenfalls hat der Kläger nicht dargelegt, dass die Beklagte etwa durch Vorlage von Arbeitsberichten oder ähnlichen Unterlagen unschwer in der Lage gewesen wäre, die Leistungen des Klägers insoweit nachzuvollziehen.
49cc) Das Berufungsgericht hat sich nicht veranlasst gesehen, dem Kläger einen rechtlichen Hinweis zu den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast zu erteilen.
50Die Frage, inwieweit die Darlegungslast (und die Beweislast) zwischen den Parteien zu verteilen ist, war zwischen den Parteien im Streit. Ist die Rechtslage umstritten oder problematisch, muss ein Prozessbevollmächtigter alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und bei seinem Sachvortrag berücksichtigen (BAG, Urteil vom 12.12.2012 – 5 AZR 858/12 m.w.N.). Das Berufungsgericht ist nicht zur Aufklärung verpflichtet, wenn eine Partei bereits darauf hingewiesen hat, dass nötiges Vorbringen fehlt (BAG, Urteil vom 30.09.2014 – 3 AZR 998/12 m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall: Die Beklagte hat in der Berufungsbegründung (dort Seite 6 f.) vorgetragen, die Regeln der abgestuften Beweislast seien anwendbar und der Kläger habe weder schlüssig zu den Umsatzsteigerungen noch zur Bindung unzufriedener Kunden vorgetragen.
51III
52Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich des Rechtsstreits erster Instanz aus § 92 Abs. 1 Satz 1, 2. Variante ZPO. Die Kosten waren verhältnismäßig zu teilen, da beide Parteien teils obsiegten, teils unterlagen. Die Beklagte hat den größeren Anteil der Kosten zu tragen, da der Kläger nur mit seiner Forderung nach Aufnahme des Satzes scheiterte, der im Berufungsverfahren noch zwischen den Parteien streitig war. Die Beklagte ist den Wünschen des Klägers im Übrigen entgegengekommen und hat sich damit in die Rolle des Unterlegenen begeben. Insoweit waren die Kosten der Beklagten gemäß § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen. Die Parteien haben den Rechtstreit im Hinblick auf diese Punkten übereinstimmend für erledigt erklärt. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes waren billigem Ermessen der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Hinsichtlich der Kostenquotelung wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im erstinstanzlichen Urteil (dort Seite 10, unter D der Entscheidungsgründe) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht ist richtigerweise davon ausgegangen, dass der Gesamtstreitwert für alle vom Kläger erstrebten Änderungen des Zeugnisses ein Monatseinkommen und die zuletzt zwischen den Parteien noch streitige Änderung 20 % hiervon beträgt.
53Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 97 Abs. 2 ZPO. Die Beklagte hat sich erst in der Berufungsinstanz hinreichend mit der Frage auseinandergesetzt, ob die vom Kläger gewünschte Änderung des Zeugnistextes auf der Grundlage wahrer Tatsachen erfolgen kann. Sie hat erst in der Berufungsbegründung (dort Seite 7) vorgetragen, die Behauptung, der Kläger habe unzufriedene Kunden gebunden, mangels Substantiierung und eigener Kenntnisse nur bestreiten zu können. Zuvor hat sie die Aussagen schlicht als „falsch“ bezeichnet (Schriftsatz vom 18.05.2015, dort Seite 3) bzw. vorgetragen, der Kläger habe seine Behauptungen „mit keinem Satz erklärt“ (Schriftsatz vom 14.07.2015, dort Seite 2). Auch eine vollständige Aufstellung der Umsatzzahlen (einschließlich des Jahres 2013) hat die Beklagte erst im Berufungsverfahren vorgelegt. Es ist nicht ersichtlich, dass es für die Beklagte nicht bereits erstinstanzlich möglich war, sich mit dem Vorbringen des Klägers auseinanderzusetzen und vollständige Angaben zu den Umsatzzahlen zu machen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht keine Angaben dazu machen, seit wann die Zahlen für das Jahr 2013 bei der Beklagten vorlagen.
54IV
55Es bestand keine Veranlassung, die Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen. Insbesondere wirft der Rechtsstreit keine entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.
Die nach den §§ 887 bis 890 zu erlassenden Entscheidungen ergehen durch Beschluss. Vor der Entscheidung ist der Schuldner zu hören. Für die Kostenentscheidung gelten die §§ 91 bis 93, 95 bis 100, 106, 107 entsprechend.
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 entsprechend. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, über die Rechtsbeschwerde das Bundesarbeitsgericht.