Landesarbeitsgericht Düsseldorf Urteil, 23. Sept. 2015 - 4 Sa 301/15
Gericht
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 05.02.2015 - 5 Ca 2256/14 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Mit seiner Klage wehrt sich der Kläger gegen eine seitens der Beklagten ausgesprochene betriebsbedingte Änderungskündigung zur Reduzierung der Jahresarbeitszeit.
3Die Beklagte, die Standorte in T. und in T. betreibt, produziert Konserven aus Gurken und Kohl und stellt verschiedene Essig- und Senfprodukte her. Am Standort T., an dem die Klägerin eingesetzt wird, beschäftigt sie fest ca. 300 Arbeitnehmer. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Saisonbetrieb, der hohen Produktionsschwankungen unterliegt. In der Produktionszeit (von Juni bis ca. Anfang Februar eines Jahres) fällt saisonbedingt mehr Arbeit an, als innerhalb der tariflichen und gesetzlich festgelegten Arbeitszeithöchstgrenzen geleistet werden kann. Die Beklagte beschäftigt daher in dieser Zeit bis zu 300 Saisonkräfte zusätzlich. Die produktionsfreie Zeit, in der auch Stammmitarbeiter wegen fehlender Rohwaren nicht beschäftigt werden können, wird durch Abbau von auf den Arbeitszeitkonten befindlichen Gutstunden und Urlaub abgedeckt.
4Der 51-jährige, verheiratete Kläger ist seit dem 21.06.2011 bei der Beklagten als Gabelstaplerfahrer und Maschinenbediener in der Konservenproduktion auf der Basis einer Arbeitszeit von zuletzt 90 % der tariflichen Arbeitszeit des auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Manteltarifvertrages für die Obst-, Gemüse- und Kartoffel verarbeitende Industrie, Essigindustrie, Senfindustrie zu einem monatlichen Bruttolohn in Höhe von 1.957,50 € beschäftigt.
5Unstreitig hat die Beklagte Produktionsvolumina vom Standort T. an den Standort in T. verlagert, weil der Standort T. nach Angaben der Beklagten kostengünstiger ist als der Standort T..
6Aufgrund der rückläufigen Produktion für den Standort T. hat die Beklagte zunächst entschieden, die Jahresarbeitzeit im Bereich Konserve auf 70 % der Jahresarbeitssollzeit zu reduzieren. Sie hat - nach ihren Angaben aufgrund der bestehenden betrieblichen Gepflogenheiten - mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat Gespräche zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Jahresarbeitszeit für den Bereich Konserve geführt. Nach dem Einwand des Betriebsrats, dass eine Absenkung der Jahresarbeitszeit auf 70 % in Ansehung des Entgeltgefüges im Bereich Konserve zu teilweise existentiell bedrohenden Entgelteinbußen bei den Mitarbeitern führen würde, hat die Beklagte dem Wunsch des Betriebsrats entsprochen, aus Solidaritätsgründen alle vergleichbaren gewerblichen Funktionen aus der Essig- und Senfherstellung, die ohne besondere spezifische Erfahrung nach einer Einarbeitungszeit im Wesentlichen beherrschbar sind, in die Arbeitszeitabsenkung mit einzubeziehen. Die Beklagte hat sodann entschieden, im Bereich Essig-/Senfherstellung eine Arbeitszeitabsenkung um 10 % auf 90 % des Jahressollarbeitszeitvolumens vorzunehmen mit der Folge einer Arbeitszeitabsenkung auf 80 % im Bereich Konserve.
7Unter dem Datum vom 06.05.2014 hat die Beklagte mit dem Betriebsrat eine "Betriebsvereinbarung über die Reduzierung der Jahresarbeitszeit" abgeschlossen. Unter Ziffer 3. der Betriebsvereinbarung wird Folgendes ausgeführt:
8"3. Dauer der Absenkung
9Die Reduzierung der Arbeitszeit ist grundsätzlich zunächst nur für die Dauer bis zum 30.06.2016 befristet vorgesehen. Sollte nach übereinstimmender Auffassung von Werksleitung und Betriebsrat noch keine Auslastung vorhanden sein, die eine Rückführung auf das aktuelle Arbeitszeitvolumen rechtfertigen, verlängern sich die unter Punkt 2. genannten Arbeitszeitreduzierungen um ein weiteres GJ (bis zum 30.06.2017)."
10Ziffer 8. enthält unter anderem folgende Regelungen:
11"Die Änderung der Arbeitsbedingungen erfolgt möglichst durch einvernehmliche Änderungen der Arbeitsverträge zum 01.06.2014.
12Ist dies nicht möglich, erfolgt diese durch Ausspruch einer arbeitgeberseitigen, fristgerechten, betriebsbedingten Änderungskündigung.
13Das Änderungsangebot darf in beiden Fällen lediglich die befristete Absenkung der Arbeitszeit und die daraus resultierenden Bezüge zum Inhalt haben. Alle sonstigen Bedingungen des Anstellungsverhältnisses bleiben unberührt.
14….."
15Wegen des Inhalts der Betriebsvereinbarung im Einzelnen wird auf Bl. 39 bis 43 der Akte Bezug genommen.
16Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten sollte nach gemeinsamem Verständnis der Betriebspartner die Absenkung von Jahresarbeitszeit und Einkünften zunächst für eine Dauer von maximal drei Jahren vorgenommen werden (S. 10 des Schriftsatzes vom 12.11.2014, Bl. 25 der Akte). Die mit dem Betriebsrat vereinbarten Regelungen konnten in großem Umfang mit den Mitarbeitern einvernehmlich vollzogen werden.
17Da der Kläger sich mit einer einvernehmlichen Regelung nicht einverstanden erklärte, hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 09.09.2014 zu einer beabsichtigten ordentlichen Änderungskündigung des Klägers zum 31.10.2014 an. Auf S. 4 des Anhörungsschreibens ist auszugsweise Folgendes ausgeführt:
18"Es ist dem Verhandlungsergebnis geschuldet, dass wir die nunmehr für die beiden Bereiche mit der Absenkung der Jahresarbeitszeit verbundenen finanziellen Einschnitte zunächst einmal auf die Dauer von maximal 3 Jahren vorgenommen haben.
19…..
20Von der Reduzierung der Arbeitszeit ist Herr C. wie folgt betroffen:
21….
22Alle sonstigen Bedingungen des Anstellungsverhältnisses bleiben unberührt. Darüber hinaus gelten der Interessenausgleich sowie die Regelungen der BV "über die Reduzierung der JAZ vom 06.05.2014"."
23Wegen des Inhalts des Anhörungsschreibens im Einzelnen wird auf B. 50 bis 53 der Akte Bezug genommen.
24Der Betriebsrat hat keine Stellungnahme abgegeben.
25Mit Schreiben vom 17.09.2014 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine Änderungskündigung aus. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.2014 und bot dem Kläger an, das Arbeitsverhältnis ab dem 01.11.2014 mit einer auf 80 % der Jahresarbeitszeit reduzierten Arbeitszeit und einer entsprechenden Anpassung des Lohns fortzusetzen. Eine Befristung enthält das Änderungsangebot nicht. Wegen des Inhalts der Änderungskündigung im Einzelnen wird auf Bl. 4 bis 5 der Akte Bezug genommen.
26Der Kläger hat die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt angenommen, dass die Änderungen der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt sind.
27Mit seiner am 30.09.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Änderungskündigung. Er hat das Vorliegen dringender betrieblicher Erfordernisse für den Ausspruch der streitgegenständlichen Änderungskündigung bestritten und die Auffassung vertreten, dass die Beklagte den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eklatant verletzt habe. Mit der Absenkung der Jahresarbeitszeit versuche die Beklagte, das von ihr zu tragende Betriebsrisiko auf die Arbeitnehmer zu verschieben. Der Kläger hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats gerügt und dazu vorgetragen, in der Anhörung werde auf die Betriebsvereinbarung über die Reduzierung der Jahresarbeitszeit Bezug genommen, die aber wegen der abschließenden Regelung der Arbeitszeit im Manteltarifvertrag unzulässig sei.
28Der Kläger hat beantragt,
29festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 17.09.2014 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam ist.
30Die Beklagte hat beantragt,
31die Klage abzuweisen.
32Sie hat die Auffassung vertreten, die Änderungskündigung sei durch dringende betriebliche Gründe bedingt. Sie - die Beklagte - habe einen eklatanten Rückgang des Produktionsvolumens in den letzten drei Geschäftsjahren zu verzeichnen. Durch die Verlagerung von Produktionsvolumina nach T. sei ein Rückgang der Fertigungsstunden von über 30 % zu verzeichnen, was zu einem massiven Beschäftigungsproblem geführt habe. Der Bedarf an Fertigungsstunden im laufenden Geschäftsjahr 2014/2015 sei bezogen auf das Geschäftsjahr 2011/2012 als Referenzjahr um 31 %, und damit von 183.512 Stunden auf 127.119 Stunden gesunken. Davon sei auch für das Folgejahr auszugehen. Damit sei für den Kläger das Weiterbeschäftigungsbedürfnis auf Basis des derzeitigen Jahresarbeitszeitvolumens entfallen. Eine Reduzierung des Arbeitszeitvolumens im Zuge einer Teilzeitregelung sei unabdingbar. In Ansehung des Umstandes, dass für den Kläger ansonsten der Verlust des Arbeitsplatzes gedroht hätte, sei ihm die Annahme des Änderungsangebotes auch zumutbar. Die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Befristung sei dem zwischen den Betriebsparteien getroffenen Verhandlungsergebnis geschuldet gewesen. Tatsächlich handele es sich nicht nur um einen vorübergehenden, sondern um einen nachhaltig verminderten Arbeitsanfall.
33Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 05.02.2015, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Es fehle an dem notwendigen Kündigungsgrund, da die Beklagte die Durchführbarkeit der Maßnahme nicht überzeugend und nachvollziehbar dargelegt habe.
34Gegen das ihr am 20.02.2015 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 13.03.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese - nach Verlängerung der Frist bis zum 20.05.2015 - mit einem am 20.05.2015 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
35Mit ihrer Berufung rügt die Beklagte, das Arbeitsgericht habe es versäumt, einen gerichtlichen Hinweis zu erteilen und stellt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vertiefend dar, wie sie die zukünftig erforderliche Jahresarbeitszeit der im Bereich Konserve tätigen Mitarbeiter ermittelt hat. Die Anpassung der Jahresarbeitszeit an den Rückgang der Produktionsmenge sei erforderlich, um Vergütungsanspruch und Arbeitsleistung im erforderlichen Austauschverhältnis zu halten. Damit werde den Besonderheiten eines Saisonbetriebes Rechnung getragen. Soweit das Arbeitsgericht darauf abgestellt habe, dass sie - die Beklagte - mit dem Betriebsrat in der - wenn auch unwirksamen - Betriebsvereinbarung nur eine befristete und eben nicht dauerhafte Arbeitszeitverkürzung vereinbart habe, so habe das Gericht den erstinstanzlichen Vortrag nicht hinreichend berücksichtigt. Den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung für die Darlegung der Nachhaltigkeit einer unternehmerischen Entscheidung sei sie hinreichend nachgekommen. Allein der Umstand, dass die Betriebsvereinbarung befristeter Natur sei, könne ihr zur Frage der Nachhaltigkeit der unternehmerischen Entscheidung nicht entgegen gehalten werden, denn bei der in der Betriebsvereinbarung enthaltenen Befristungsabrede handele es sich um ein Verhandlungsergebnis. Die Inhalte der Betriebsvereinbarung und damit die Befristung seien jedoch völlig unabhängig von der unternehmerischen Entscheidung zu sehen, die zu einer Reduzierung des Jahresarbeitszeitvolumens geführt habe.
36Die Beklagte beantragt,
37das Urteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 05.02.2015, 5 Ca 2256/14, abzuändern und die Klage abzuweisen.
38Der Kläger beantragt,
39die Berufung zurückzuweisen.
40Er verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hält auch unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung für nicht nachvollziehbar, worauf die Beklagte ihre Prognose eines Produktionsrückgangs für das Geschäftsjahr 2015/2016 von 31 % herleite. Die Nachhaltigkeit der Maßnahme sei ebenfalls nicht zu erkennen. In der - wenn auch ungültigen - Betriebsvereinbarung sei letztlich dargelegt, dass die Maßnahme spätestens mit Ablauf des 30.06.2017 aufgehoben werden solle. Die unternehmerische Entscheidung sei nach wie vor nicht klar erkennbar.
41Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf die in beiden Instanzen zu den Akten gereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen.
42Entscheidungsgründe:
43Die statthafte (§ 64 Abs. 1 ArbGG), nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige (§ 64 Abs. 2 ArbGG), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. §§ 519, 520 Abs. 3 ZPO) ist zulässig.
44I.Die Berufung ist allerdings unbegründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Die Berufungsbegründung ist nicht geeignet, die Entscheidung des Arbeitsgerichts in Frage zu stellen.
45Eine ordentliche Änderungskündigung muss im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes, der vorliegend gegeben ist, sozial gerechtfertigt sein. Die streitgegenständliche Änderungskündigung ist unwirksam, weil die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist.
46Maßstab für die Prüfung der Sozialwidrigkeit einer ordentlichen Änderungskündigung ist nicht die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern allein die soziale Rechtfertigung der Änderung von Arbeitsbedingungen (vgl. BAG, Urteil vom 10.09.2009, 2 AZR 822/07, zitiert nach juris). Die Prüfung der Sozialwidrigkeit erfolgt in zwei Stufen. Das Gericht muss klären, ob Gründe in der Person, dem Verhalten oder dringende betriebliche Erfordernisse das Änderungsangebot bedingen und ob die vorgeschlagene Änderung gesetzeskonform bzw. tarifkonform und vom Arbeitnehmer billigerweise hinzunehmen ist.
471.Dringende betriebliche Erfordernisse zur Änderung der Arbeitsbedingungen im Sinne von § 1 Abs. 2 S. 1, § 2 KSchG liegen vor, wenn das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist (st. Rspr. des BAG, vgl. z.B. BAG, Urteil vom 29.09.2011, 2 AZR 451/10, Rn. 17; Urteil vom 10.09.2009, 2 AZR 822/07, Rn. 24, jeweils zitiert nach juris). Eine Reduzierung des bisherigen Beschäftigungsbedarfs kann sich insbesondere aus innerbetrieblichen Umständen als Folge einer Organisationsentscheidung ergeben. Eine Organisationsentscheidung kann ein dringendes betriebliches Erfordernis im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 KSchG begründen, wenn sie sich konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirkt. Solche Organisationsentscheidungen unterliegen im Kündigungsschutzprozess nur einer eingeschränkten Missbrauchskontrolle darauf hin, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich und ob sie ursächlich für den vom Arbeitgeber geltend gemachten Änderungsbedarf sind (vgl. BAG, Urteil vom 26.11.2009, 2 AZR 658/08, zitiert nach juris).
48Eine Arbeitszeitreduzierung - zu der die Beklagte sich vorliegend entschieden hat - kann als dringendes betriebliches Erfordernis für eine Änderungskündigung in Betracht kommen, wenn der Arbeitgeber sich infolge eines Rückgangs des im Betrieb vorhandenen Arbeitsvolumens dazu entschließt, die Arbeitszeit der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zu reduzieren und neu zu verteilen. Dabei kann der Arbeitgeber weitgehend frei die Entscheidung treffen, ob das noch verbleibende Arbeitsvolumen durch weniger Vollzeitkräfte oder durch alle beschäftigten Arbeitnehmer in Teilzeit erledigt wird. Es unterliegt seiner - vom Gericht nur beschränkt überprüfbaren - Gestaltungsfreiheit, wie er auf einen Rückgang des Beschäftigungsbedarfs reagiert (vgl. BAG, Urteil vom 26.11.2009, 2 AZR 658/08, m.w.N., zitiert nach juris).
49Die Beklagte hat vorliegend die unternehmerische Entscheidung getroffen, wegen der Verlagerung von Teilen der Produktion nach T. die Jahressollarbeitszeit im Betrieb in T. zu reduzieren und die verbleibende Arbeit durch Arbeitnehmer in Teilzeit erledigen zu lassen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Entscheidung offenbar unvernünftig oder willkürlich ist, liegen nicht vor. Von dieser Organisationsentscheidung ist die Klägerin auch unmittelbar betroffen.
50Allerdings bestehen dringende betriebliche Erfordernisse dann nicht, wenn es auch auf der Grundlage der Organisationsentscheidung des Arbeitgebers nicht zu einer Verringerung des vorhandenen Beschäftigungsvolumens in einem Umfang kommt, welcher der dem Arbeitnehmer angebotenen, reduzierten Arbeitszeit entspricht. In diesem Fall kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer in Wirklichkeit mit der bisher vereinbarten oder doch mit einer höheren als der angebotenen Arbeitszeit beschäftigen (vgl. BAG, a.a.O.).
51Diese Frage ist zwischen den Parteien streitig. Sie kann vorliegend jedoch offen bleiben, denn selbst wenn zugunsten der Beklagten unterstellt wird, dass das vorhandene Beschäftigungsvolumen der angebotenen reduzierten Arbeitszeit entspricht, ist die Änderungskündigung jedenfalls deshalb unwirksam, weil die vorgeschlagene Änderung den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt.
522.Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bestehende vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (vgl. BAG, Urteil vom 13.06.2012, 10 AZR 296/11, zitiert nach juris). Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar werden, dass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen Verpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die notwendig gewordene Anpassung auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken (vgl. BAG, Urteil vom 26.03.2009, 2 AZR 879/07, Rn. 51 ff, zitiert nach juris).
53Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die streitgegenständliche Änderungskündigung unwirksam, denn die Beklagte hat die angebotene Änderung nicht auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt und hat sich damit weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als es zur Anpassung an die geänderte Beschäftigungsmöglichkeit erforderlich ist. Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
54Die Entscheidung der Beklagten, die Jahresarbeitssollzeit zu reduzieren, ist zeitlich begrenzt. Das ergibt sich eindeutig aus der mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung vom 06.05.2014. Dabei kann dahinstehen, ob diese Betriebsvereinbarung wirksam ist oder nicht. Entscheidend in diesem Zusammenhang ist, dass sich aus ihr der Inhalt der unternehmerischen Entscheidung, die Arbeitszeitreduzierung zunächst nur befristet vorzunehmen, klar ergibt, auch wenn die Entscheidung, Teile der Produktion zu verlegen, dauerhaft getroffen worden sein mag. Die Behauptung der Beklagten, hierbei handele es sich nur um ein "Verhandlungsergebnis" mit dem Betriebsrat, vermag diese Einschätzung nicht zu ändern, denn wie die unternehmerische Entscheidung zustande gekommen ist, ist letztlich unerheblich. Die Beklagte hat aufgrund der Einwände des Betriebsrates von ihrer ursprünglichen Entscheidung, die Arbeitszeit im Bereich Konserve auf 70 % zu reduzieren, Abstand genommen und hat sich sodann nicht nur entschlossen, stattdessen die Arbeitszeit im Bereich Konserve nur auf 80 % und die im Bereich Essig- und Senfherstellung auf 90 % zu reduzieren, sondern zusätzlich, eine zeitliche Begrenzung dieser Organisationsentscheidung vorzusehen. Gegenüber dem Betriebsrat hat sie in Ziffer 8 der Betriebsvereinbarung erklärt, dass im Falle einer Änderungskündigung das Änderungsangebot lediglich die befristete Absenkung der Arbeitszeit zum Inhalt haben darf. Noch in der Anhörung des Betriebsrats vom 09.09.2014 und somit unmittelbar vor Ausspruch der Kündigung hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Regelungen der Betriebsvereinbarung gelten. Dementsprechend hat die Beklagte mit einer Vielzahl von Mitarbeitern einvernehmliche Arbeitszeitänderungen auch befristet vereinbart. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist für die Berufungskammer nicht nachvollziehbar, wie die Beklagte zu der Einschätzung kommt, sie habe eine unbefristet vorgesehene Arbeitszeitreduzierung zum Anlass für die Änderungskündigung genommen.
55Selbst wenn die Beklagte aufgrund der teilweisen Verlagerung der Produktion von einem dauerhaften Produktionsrückgang ausgegangen sein sollte, hat sie ihre Entscheidung, die Arbeitszeit zu reduzieren, zeitlich befristet und kann deshalb auch nur diese Entscheidung zur Grundlage des Änderungsangebots machen. Ein Arbeitnehmer muss billigerweise keine Arbeitszeitminderung auf Dauer hinnehmen, wenn der Arbeitgeber nur eine befristete Arbeitszeitreduzierung zum Grund für die Kündigung nimmt (vgl. BAG zur Entgeltkürzung: Urteil vom 20.08.1998, 2 AZR 84/98, zitiert nach juris). In diesem Fall entfernt der Arbeitgeber sich nämlich weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist.
56Unter Berücksichtigung vorstehender Ausführungen ist die streitgegenständliche Änderungskündigung mithin sozial ungerechtfertigt. Ob die Änderungskündigung zusätzlich - wofür viel spricht - wegen einer nicht ordnungsgemäßen Betriebsratsanhörung unwirksam ist, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht darauf hingewiesen hat, dass sie der Klägerin ein unbefristetes Änderungsangebot erklärt hat, sondern den Eindruck erweckte, sich an die Betriebsvereinbarung zu halten, kann danach dahinstehen.
57Die Berufung der Beklagten war somit zurückzuweisen.
58II. Die Kosten des erfolglos gebliebenen Rechtsmittels waren gemäß §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO der Beklagten aufzugeben.
59III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 72 Abs. 2 ArbGG) sind nicht gegeben. Demgemäß war auszusprechen, dass die Revision nicht zugelassen wird.
60RECHTSMITTELBELEHRUNG
61Gegen dieses Urteil ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.
62Wegen der Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde wird auf § 72a ArbGG verwiesen.
63Quecke Klossek Jäckle
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Annotations
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Die Frist für die Einlegung der Berufung beträgt einen Monat, die Frist für die Begründung der Berufung zwei Monate. Beide Fristen beginnen mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Berufung muß innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung beantwortet werden. Mit der Zustellung der Berufungsbegründung ist der Berufungsbeklagte auf die Frist für die Berufungsbeantwortung hinzuweisen. Die Fristen zur Begründung der Berufung und zur Berufungsbeantwortung können vom Vorsitzenden einmal auf Antrag verlängert werden, wenn nach seiner freien Überzeugung der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn die Partei erhebliche Gründe darlegt.
(2) Die Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung muss unverzüglich erfolgen. § 522 Abs. 1 der Zivilprozessordnung bleibt unberührt; die Verwerfung der Berufung ohne mündliche Verhandlung ergeht durch Beschluss des Vorsitzenden. § 522 Abs. 2 und 3 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung.
(1) Die Berufung wird durch Einreichung der Berufungsschrift bei dem Berufungsgericht eingelegt.
(2) Die Berufungsschrift muss enthalten:
- 1.
die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird; - 2.
die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.
(3) Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
(4) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsschrift anzuwenden.
(1) Der Berufungskläger muss die Berufung begründen.
(2) Die Frist für die Berufungsbegründung beträgt zwei Monate und beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, wenn der Gegner einwilligt. Ohne Einwilligung kann die Frist um bis zu einem Monat verlängert werden, wenn nach freier Überzeugung des Vorsitzenden der Rechtsstreit durch die Verlängerung nicht verzögert wird oder wenn der Berufungskläger erhebliche Gründe darlegt.
(3) Die Berufungsbegründung ist, sofern sie nicht bereits in der Berufungsschrift enthalten ist, in einem Schriftsatz bei dem Berufungsgericht einzureichen. Die Berufungsbegründung muss enthalten:
- 1.
die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden (Berufungsanträge); - 2.
die Bezeichnung der Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt; - 3.
die Bezeichnung konkreter Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 4.
die Bezeichnung der neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie der Tatsachen, auf Grund derer die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel nach § 531 Abs. 2 zuzulassen sind.
(4) Die Berufungsbegründung soll ferner enthalten:
- 1.
die Angabe des Wertes des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes, wenn von ihm die Zulässigkeit der Berufung abhängt; - 2.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.
(5) Die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze sind auch auf die Berufungsbegründung anzuwenden.
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
Kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis und bietet er dem Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen an, so kann der Arbeitnehmer dieses Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen nicht sozial ungerechtfertigt ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 bis 3, Abs. 3 Satz 1 und 2). Diesen Vorbehalt muß der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber innerhalb der Kündigungsfrist, spätestens jedoch innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung erklären.
(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.
(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn
- 1.
in Betrieben des privaten Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, - 2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts - a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt, - b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.
(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.
(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.
(1) Gegen die Urteile der Arbeitsgerichte findet, soweit nicht nach § 78 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben ist, die Berufung an die Landesarbeitsgerichte statt.
(2) Die Berufung kann nur eingelegt werden,
- a)
wenn sie in dem Urteil des Arbeitsgerichts zugelassen worden ist, - b)
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt, - c)
in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses oder - d)
wenn es sich um ein Versäumnisurteil handelt, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist, wenn die Berufung oder Anschlussberufung darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe.
(3) Das Arbeitsgericht hat die Berufung zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
die Rechtssache Rechtsstreitigkeiten betrifft - a)
zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über das Bestehen oder Nichtbestehen von Tarifverträgen, - b)
über die Auslegung eines Tarifvertrags, dessen Geltungsbereich sich über den Bezirk eines Arbeitsgerichts hinaus erstreckt, oder - c)
zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich um Maßnahmen zum Zwecke des Arbeitskampfs oder um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt, oder
- 3.
das Arbeitsgericht in der Auslegung einer Rechtsvorschrift von einem ihm im Verfahren vorgelegten Urteil, das für oder gegen eine Partei des Rechtsstreits ergangen ist, oder von einem Urteil des im Rechtszug übergeordneten Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht.
(3a) Die Entscheidung des Arbeitsgerichts, ob die Berufung zugelassen oder nicht zugelassen wird, ist in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Über den Antrag kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(4) Das Landesarbeitsgericht ist an die Zulassung gebunden.
(5) Ist die Berufung nicht zugelassen worden, hat der Berufungskläger den Wert des Beschwerdegegenstands glaubhaft zu machen; zur Versicherung an Eides Statt darf er nicht zugelassen werden.
(6) Für das Verfahren vor den Landesarbeitsgerichten gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Berufung entsprechend. Die Vorschriften über das Verfahren vor dem Einzelrichter finden keine Anwendung.
(7) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1 und 3, des § 50, des § 51 Abs. 1, der §§ 52, 53, 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 9, Abs. 2 und 4, des § 54 Absatz 6, des § 54a, der §§ 56 bis 59, 61 Abs. 2 und 3 und der §§ 62 und 63 über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellungen, persönliches Erscheinen der Parteien, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, Güterichter, Mediation und außergerichtliche Konfliktbeilegung, Vorbereitung der streitigen Verhandlung, Verhandlung vor der Kammer, Beweisaufnahme, Versäumnisverfahren, Inhalt des Urteils, Zwangsvollstreckung und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen gelten entsprechend.
(8) Berufungen in Rechtsstreitigkeiten über das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses sind vorrangig zu erledigen.
(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.
(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn
- 1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.
(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.
(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.
(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.
(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.
(1) Die Nichtzulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden.
(2) Die Beschwerde ist bei dem Bundesarbeitsgericht innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils schriftlich einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beigefügt werden, gegen das die Revision eingelegt werden soll.
(3) Die Beschwerde ist innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefaßten Urteils zu begründen. Die Begründung muss enthalten:
- 1.
die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage und deren Entscheidungserheblichkeit, - 2.
die Bezeichnung der Entscheidung, von der das Urteil des Landesarbeitsgerichts abweicht, oder - 3.
die Darlegung eines absoluten Revisionsgrundes nach § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Entscheidungserheblichkeit der Verletzung.
(4) Die Einlegung der Beschwerde hat aufschiebende Wirkung. Die Vorschriften des § 719 Abs. 2 und 3 der Zivilprozeßordnung sind entsprechend anzuwenden.
(5) Das Landesarbeitsgericht ist zu einer Änderung seiner Entscheidung nicht befugt. Das Bundesarbeitsgericht entscheidet unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluß, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Die ehrenamtlichen Richter wirken nicht mit, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen wird, weil sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Dem Beschluss soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist, oder wenn der Beschwerde stattgegeben wird. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht wird das Urteil rechtskräftig.
(6) Wird der Beschwerde stattgegeben, so wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Revision. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Revisionsbegründungsfrist.
(7) Hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, so kann das Bundesarbeitsgericht abweichend von Absatz 6 in dem der Beschwerde stattgebenden Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverweisen.