Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 18. Jan. 2018 - 3 K 154/16

ECLI:ECLI:DE:FGSH:2018:0118.3K154.16.00
bei uns veröffentlicht am18.01.2018

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 07. Juli 2016 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. September 2016 werden aufgehoben.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist der Kindergeldanspruch der Klägerin für die Tochter A ab August 2016.

2

Mit Bescheid vom 07. Juli 2016 hat die Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Tochter A ab dem Monat August 2016 mit der Begründung aufgehoben, dass die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für die Berücksichtigung volljähriger Kinder nicht vorliegen würden.

3

Mit Schreiben vom 18. Juli 2016 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid form- und fristgerecht Einspruch ein. Sie vertrat die Auffassung, dass sie die für den Nachweis der Kindergeldberechtigung erforderlichen Unterlagen bereits mehrfach eingereicht habe. Ihre Tochter studiere seit dem Monat Mai 2016 Tierphysiotherapie am Institut C in G. Dieses Studium werde A voraussichtlich im Mai 2018 abschließen. Dies sei ein Fernstudium, bei dem jeweils an einem Wochenende im Monat Präsenzschulungen stattfinden würden, während die übrige Zeit auf das Selbststudium zu verwenden sei. Die Schule habe bescheinigt, dass mindestens 24 Wochenstunden erforderlich seien, um das Studium erfolgreich abschließen zu können. An den Präsenzwochenenden würden vereinzelt Lernkontrollen stattfinden, in denen der Stoff der zum Selbststudium zur Verfügung gestellten Unterlagen abgefragt werde. Eine Benotung dieser Lernkontrollen fände nicht statt.

4

Mit Entscheidung vom 20. September 2016 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind die besonderen Anspruchsvoraussetzungen zur Berücksichtigung volljähriger Kinder beim Kindergeld nicht erfülle. Zumindest seien die Voraussetzungen nicht durchgehend nachgewiesen worden. Als Berufsausbildung im Sinne von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) Einkommensteuergesetz -EStG- sei die Ausbildung für einen künftigen Beruf anzusehen, z.B. die Ausbildung für einen handwerklichen, kaufmännischen, technischen oder wissenschaftlichen Beruf. In Berufsausbildung befinde sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht habe, sich jedoch ernsthaft auf dieses Berufsziel vorbereite. Die vom Kind absolvierten Ausbildungsmaßnahmen müssten konkret berufsbezogen sein; dies sei insbesondere nicht der Fall, wenn die Vermittlung nur allgemein nützlicher Fertigkeiten oder allgemeiner Lebenserfahrung oder die Herausbildung sozialer Eigenschaften im Vordergrund stehe. Die Ausbildung müsse darüber hinaus in ihrer zeitlichen Gestaltung einem von vornherein festgelegten Plan entsprechen. Die freie Selbstausbildung - zu welchem Ausbildungsziel auch immer - sei keine Berufsausbildung. Dies gelte auch dann, wenn der Auszubildende sich zeitweise nach Plan ausbilden lasse, weil es für die Anerkennung als Berufsausbildung nicht auf Teilabschnitte, sondern auf die Gesamtausbildung ankomme. Die Ausbildung müsse ernsthaft betrieben werden, damit sie berücksichtigungsfähig sei. Sie müsse Zeit und Arbeitskraft des Kindes dermaßen in Anspruch nehmen, dass ein greifbarer Bezug zu dem angestrebten Berufsziel hergestellt werden könne und Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit ausgeschlossen würden. Bei Ausbildungsgängen, die keine regelmäßige Präsenz an einer Ausbildungsstätte erfordern (z. B. Universitäts- und Fachhochschulstudiengänge einschließlich der als Fernstudium angebotenen, anderen Fernlehrgänge), solle die Ernsthaftigkeit durch Vorlage von Leistungsnachweisen (,,Scheine", Bescheinigungen des Betreuenden über Einreichung von Arbeiten zur Kontrolle), die Aufschluss über die Fortschritte des Lernenden geben, nachgewiesen werden. Im vorliegenden Fall besuche das Kind eine Maßnahme, bei der an einem Wochenende im Monat Unterricht in Form von Präsenzunterricht angeboten werde. Im Übrigen finde die Ausbildung als freie Selbstausbildung statt. Nachweise darüber, dass tatsächlich festgelegter Lernstoff existiere und dieser zu bestimmten Zeiten erarbeitet sein müsse, habe die Klägerin nicht eingereicht. Nach Aktenlage könne nicht festgestellt werden, ob sich das Kind tatsächlich ernsthaft auf das Erreichen seines Berufszieles vorbereite.

5

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12. Oktober 2016 beim Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht erhobenen Klage. Zur Begründung wiederholt sie im Wesentlichen die bereits im Einspruchsverfahren vorgebrachten Argumente. Darüber hinaus trägt sie vor, dass ihre Tochter A in ihrem Hause wohne und eine Ausbildung zur Tierphysiotherapie an dem Institut C in G absolviere. Das Kind habe diese Ausbildung mit Wirkung zum 07. Mai 2016 aufgenommen.

6

Zu dem Institut C, G, sei anzumerken, dass dies seit mehr als 15 Jahren als anerkannte Ausbildungsstätte an mehreren Seminarorten eine verbandszertifizierte Ausbildung anbiete, die eine umfassende Fachkompetenz vermittele. Das Institut C sei eine zertifizierte Ausbildungseinrichtung des BVFT (Bundesverband für Tierheilpraktiker, Tierphysiotherapeuten und Tierverhaltenstherapeuten). Der Tätigkeitsschwerpunkt der Ausbildung sowie der beabsichtigten beruflichen Tätigkeit der Tochter der Klägerin liege in der Behandlung von gesundheitlichen Problemen von Tieren, insbesondere von Pferden und Hunden, wie z.B. die Behandlung von Schmerzen im Rücken- und Nackenbereich, degenerative Skeletterkrankungen, Erkrankungen des Bewegungsapparates, neurologische Erkrankungen, Sehnen- und Bänderverletzungen, Muskelfaserrisse usw.. Das Institut C biete insofern eine umfassende und insbesondere auch bundesweit anerkannte Ausbildung an.

7

Die Ausbildung der Tochter der Klägerin erfolge zum einen in Gestalt einer theoretischen Schulung durch Fernstudium, darüber hinaus allerdings auch über regelmäßig stattfindende praktische Ausbildungstage. Zusätzlich habe das Institut C schriftlich bestätigt, dass an Seminarzeit sowie für Vor- und Nachbereitung der Lerninhalte mindestens 24 Wochenstunden aufgewendet werden müssten. Bei der Ausbildung, in der sich die Tochter der Klägerin befinde, handele es sich um eine äußerst anspruchsvolle und umfangreiche Ausbildung. Zwei Abschlusstests habe A auch bereits erfolgreich bestanden und habe dabei gute und sehr gute Ergebnisse erzielt. An der Ernsthaftigkeit des Kindes, die Ausbildung erfolgreich abzuschließen, dürften damit keine Zweifel bestehen.

8

Es komme auch nicht darauf an, ob die von A wahrgenommene Ausbildung staatlich anerkannt sei oder nicht. Es komme nur darauf an, ob sie eine solide, qualifizierte Ausbildung wahrnehme. Wesentliche Grundlage für die Anerkennung als Tierphysiotherapeutin des Kindes sei, dass diese erfolgreich an den Seminaren des Instituts teilnehme. Es sei nahezu ausgeschlossen, dass die berufliche Ausbildung erfolgreich absolviert werden könne, wenn das Kind nicht an den vom Institut C angebotenen Seminaren erfolgreich teilnehme und die Vor- und Nachbereitung mit Hilfe der ausgehändigten Materialien nicht im Eigenstudium durchführe. Das Kind müsse mindestens 15 Stunden pro Woche begleitende Studienarbeit tätigen, um entsprechend erfolgreich zu sein.

9

Das Institut C, G habe die Ausbildungskosten für den Studienlehrgang Tierphysiotherapeut für die Studiendauer 01. Mai 2016 bis 30. April 2018 mit einem Betrag in Höhe von X.XXX,XX EUR in Rechnung gestellt, den die Tochter der Klägerin in monatlichen Raten begleiche.

10

Letztlich gäbe es keine gesetzlichen und gerichtlichen Vorgaben über eine tatsächliche Mindestunterrichts- und Ausbildungszeit. Diese habe der Bundesfinanzhof -BFH- nur für Au-Pair-Aufenthalte im Ausland festgelegt. A mache keine Sprachausbildung und befinde sich auch nicht im Ausland. Demgegenüber führe der BFH selbst aus, dass, anders als bei einem Sprachunterricht im Ausland, bei einer Schul-, Universitäts- oder sonstigen klassischen Ausbildung regelmäßig eine Abgrenzung zur reinen Freizeitgestaltung oder zum bloßen Müßiggang oder zu längeren Urlauben oder sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung, nicht erforderlich sei (BFH, Urteil vom 08. September 2016- III R  27/15; vgl. auch BFH, Urteil vom 28. April 2010- III R 93/08-. BFHE 229, 267, BStBI II 2010, 1060; BFH, Urteil vom 18. März 2009 - 111 R 26/06 -, BFHE 225, 331, BStBI 11 2010, 296).

11

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 07. Juli 2016 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. September 2016 aufzuheben.

12

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung verweist sie zunächst auf den Inhalt ihrer Einspruchsentscheidung. Darüber hinaus trägt sie vor, dass eine Maßnahme zur Ausbildung zum Tierphysiotherapeuten kein staatlich geregelter Ausbildungsberuf sei. Die Berufsbezeichnung Tierphysiotherapeut sei auch nicht gesetzlich geschützt. Die Ausbildung selbst unterliege keinen staatlichen oder anzuerkennenden berufsständischen Regelungen. Sie bleibe dem Teilnehmer weitestgehend selbst überlassen. Die Teilnahme an den Wochenendseminaren sei nicht erkennbar verbindlich. Ob Zwischenprüfungen erfolgen würden oder andere Leistungsnachweise erbracht werden müssen, sei nicht nachgewiesen worden. Auch sehe das BBiG keine Trennung zwischen der Ausbildung und dem Ausbildungsberuf vor.

14

Einzelne Lehrgänge für Tierphysiotherapeuten seien zwar über die staatliche Zentralstelle für Fernunterricht staatlich zugelassen. Eine staatliche Zulassung sei aber nicht gleichbedeutend mit einer staatlichen Anerkennung. Zwar seien nach der Dienstanweisung der Beklagten auch die Vervollkommnung und Abrundung von Fähigkeiten und Kenntnissen dienende Maßnahmen einzubeziehen, die außerhalb eines geregelten Bildungsganges ergriffen werden und damit über das vorgeschriebene Maß hinausgehen. Es sei auch nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme einem im BBiG geregelten fest umrissenen Bildungsgang entspreche, sie in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sei, auf ein deutsches Studium angerechnet werde oder dem Erwerb von Kenntnissen oder Fähigkeiten diene, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig seien. Die freie Selbstausbildung erfülle aber – unabhängig vom Ausbildungsziel – nicht den Grundtatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG. Außerdem genüge der Zeitaufwand von umgerechnet 3,5 Wochenstunden als Ausbildungsaufwand nicht. Ein detaillierter Ausbildungsplan wurde ebenfalls nicht vorgelegt. Die Beklagte könne nicht erkennen, dass die Tochter der Klägerin die Ausbildung ernsthaft betreibe.

Entscheidungsgründe

I.

15

Die zulässige Klage ist begründet.

16

Der Aufhebungsbescheid vom 07. Juli 2016 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20. September 2016 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Die Beklagte hat die Kindergeldfestsetzung für das Kind A zu Unrecht ab August 2016 aufgehoben. Denn das Kind befand sich, entgegen der Auffassung der Beklagten, im Streitzeitraum in Berufsausbildung und hatte eine erstmalige Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen.

1.

17

Nach § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG ist ein Kind kindergeldrechtlich zu berücksichtigen, das für einen Beruf ausgebildet wird.

a)

18

Nach der Übernahme des Kindergeldrechts in das EStG durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) hat der BFH den Begriff der Berufsausbildung neu bestimmt und erweiternd ausgelegt (vgl. Grundsatzurteil des BFH vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; BFH-Urteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294). Danach umfasst dieser Begriff jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. Zur Berufsausbildung gehört z. B. auch die Schulausbildung (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 34/98, BFHE 189, 95, BStBl II 1999, 705). In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03 in BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294, m.w.N.). Einzubeziehen sind alle Maßnahmen, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind (BFH-Urteile vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523; vom 15. Juli 2003 VIII R 47/02, BFHE 203, 106, BStBl II 2003, 848). Sie müssen nicht zwingend in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sein, auch muss die Ausbildungsmaßnahme nicht überwiegend Zeit und Arbeitskraft des Kindes in Anspruch nehmen (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701).

b)

19

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Schulausbildung nicht nur dann anzuerkennen, wenn der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden ist, die eine gewisse Lernkontrolle ermöglicht. Auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Begriff der Schulausbildung in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Bundeskindergeldgesetzes a.F. (BSG-Urteile vom 7. September 1988 10 RKg 6/87, juris, und vom 22. November 1994 10 RKg 3/93, Neue Zeitschrift für Sozialrecht 1995, 234), kann nur eingeschränkt zurückgegriffen werden, da seit der Systemumstellung zum 1. Januar 1996 der steuerrechtliche Begriff der Berufsausbildung im Kindergeldrecht gilt und somit eine einheitliche steuerrechtliche Auslegung geboten ist. Bei der Auslegung ist insbesondere der Zweck des Kindergelds zu berücksichtigen, das Existenzminimum eines Kindes von der Besteuerung auszunehmen (vgl. § 31 Satz 1 EStG), weil durch den kindbedingten Aufwand die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern gemindert wird (vgl. Grundsatzurteil des BFH vom 09. Juni 1999 VI R 33/98 in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701, m.w.N.).

2.

20

Nach diesen Grundsätzen stellt das von der Tochter der Klägerin absolvierte (Fern-)Studium eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG dar.

a)

21

Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitert die Annahme einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a) EStG nicht an dem geringen Umfang von durchschnittlich 3,5 Semesterwochenstunden, die blockweise an einigen Wochenenden während des Semesters durchgeführt wurden.

22

Das Tatbestandsmerkmal der Berufsausbildung enthält kein einschränkendes Erfordernis eines zeitlichen Mindestumfangs von Ausbildungsmaßnahmen. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich um Ausbildungsmaßnahmen handelt, die als Grundlage für den angestrebten Beruf geeignet sind. Daher können die konkreten beruflichen Pläne eines Kindes die Würdigung von Tätigkeiten beeinflussen, deren Ausbildungscharakter zweifelhaft ist (BFH-Urteil vom 8. Mai 2014 III R 41/13, BFHE 245, 237, BStBl II 2014, 717). Darüber hinaus kann die Beurteilung als Berufsausbildung entfallen, wenn eine ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung auf das Erreichen eines bestimmten Berufsziels unterbleibt. Auch die Art der Ausbildungsmaßnahme kann ein Abgrenzungskriterium sein. So kann bei einem Sprachunterricht im Ausland im Hinblick auf die dann erforderliche Abgrenzung zu Urlaubsaufenthalten von einer Berufsausbildung regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn das Kind an einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden teilnimmt (BFH-Urteil vom 09. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Ist hingegen der Auslandaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorgeschrieben oder dient er dazu, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum angestrebten Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest (z.B. TOEFL oder IELTS) zu erlangen, kann ein Sprachaufenthalt auch dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Unterricht weniger als zehn Wochenstunden umfasst (BFH-Urteil vom 08. Mai 2014 III R 41/13, BFHE 245, 237, BStBl II 2014, 717).

23

Die Grundsätze, die der BFH für die Anerkennung eines Sprachschulunterrichts im Rahmen eines Au-pair-Aufenthalts als Berufsausbildung aufgestellt hat, führen aber zu keiner Mindestgrenze für eine im Inland absolvierte Schul- oder Universitätsausbildung (BFH-Urteil vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296, Rz 13). Denn anders als bei einem Sprachunterricht im Ausland, ist bei einer Schul-, Universitätsausbildung oder einer sonstigen "klassischen" Ausbildung regelmäßig eine Abgrenzung zur "reinen Freizeitgestaltung oder zum bloßen Müßiggang" (BFH-Urteil vom 08. September 2016 III R 27/15, BFHE 255, 202, BStBl. II 2017, 278; FG München, Urteil vom 18. August 2010 10 K 2169/09, juris) oder zu "längeren Urlauben oder sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung" (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2012 VI R 102/10, BFH/NV 2013, 366) nicht erforderlich. Dementsprechend hat der Senat einen Mindestumfang für die Ausbildungsmaßnahmen beispielsweise für die Vorbereitung auf ein Abitur für Nichtschüler nicht als notwendig angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 02. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298).

24

Darüber hinaus sollen nach dem Wegfall des Grenzbetrags in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. zusätzlich Ausbildungsgänge (zum Beispiel Abendschulen, Fernstudium), die neben einer (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit ohne eine vorhergehende Berufsausbildung durchgeführt werden, begünstigt werden (Gesetzesbegründung zu der ab 1. Januar 2012 geltenden Neufassung des § 32 Abs. 4 Satz 2 ff. EStG -Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011, BGBl I 2011, 2131, BStBl I 2011, 986-, BTDrucks 17/5125, S. 1, 41).

bb)

25

Soweit allerdings Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, indem etwa nur eine "Pro-forma-Immatrikulation" besteht, dürfte eine Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG regelmäßig ausgeschlossen sein. Eine strenge Prüfung der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Ausbildungsbemühungen trägt dazu bei, Missbrauch zu vermeiden (BFH-Urteil vom 03. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 32), erfordert aber auch insoweit keine feste Mindestgrenze im Hinblick auf den zeitlichen Umfang einer Ausbildungsmaßnahme.

b)

26

Bereitet sich ein Kind ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbstständig auf Prüfungen u. ä. vor, sind an den Nachweis und die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen (BFH-Urteil vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl. II 2010, 296; BFH-Beschluss vom 09. November 2012 III B 98/12, BFH/NV 2013, 192 f.). Zweifel gehen nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten.

27

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze geht das Gericht davon aus, dass sich die Tochter der Klägerin über den Monat August 2016 hinaus (noch) in Ausbildung befand. Im Streitfall ist das Gericht davon überzeugt, dass die Tochter der Klägerin ihr Studium nachhaltig und ernsthaft betrieben hat. Der Umstand, dass das Institut C keine staatlich anerkannte Hochschule ist, ändert an dieser Beurteilung nichts. Dieses Institut ist unstreitig von der staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht zum Abhalten von Lehrgängen zugelassen. Die IHK zertifiziert einzelne Lehrgänge, u. a. auch den Lehrgang der Tochter der Klägerin zum Tierphysiotherapeuten.

28

Darüber hinaus ist ein Indiz für die Ernsthaftigkeit des Betreibens der Ausbildung durch die Tochter der Klägerin auch der Umstand, dass diese eine nicht unerhebliche Studiengebühr bezahlt, um überhaupt an den Lehrgängen teilnehmen zu können. Dass die Tochter der Klägerin einen Betrag in Höhe von X.XXX,XX € für die Freizeitgestaltung zahlt, hält das Gericht für abwegig.

29

Es ist auch schwer vorstellbar, dass das Kind aus reinem Freizeitvergnügen den Skelett-aufbau von Pferden und Hunden gelernt hat, um sich dann einer Lernkontrolle zu unterziehen.

30

Es mag zwar sein, dass der Beruf „Tierphysiotherapeut“ kein staatlich anerkannter Beruf ist und die Berufsbezeichnung auch nicht besonders geschützt wird. Dennoch ist gerichtsbekannt, dass dieses Berufsfeld existiert und die Tochter der Klägerin nach entsprechendem Abschluss also als Tierphysiotherapeutin arbeiten kann.

31

Die Ausbildung beinhaltet nach dem Akteninhalt zumindest die Physis von Pferden und Hunden. Auf diese Kenntnisse aus diesem Fernstudium kann sich auch ein Studium der Tiermedizin an einer Hochschule bzw. Universität anschließen und darauf aufbauen. Die Tochter der Klägerin erfüllt die allgemeinen Zugangsvoraussetzungen. Sie hat ihre Schulausbildung mit dem Abitur abgeschlossen. Da nach der ständigen Rechtsprechung des BFH alle Maßnahmen mit einzubeziehen sind, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufes geeignet sind, geht das Gericht im Streitfall davon aus, dass sich die Tochter der Klägerin in einer Berufsausbildung befindet, da sie ihre Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (BFH-Urteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03 in BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294, m.w.N.).

II.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

III.

33

Gründe, die die Zulassung der Revision rechtfertigen könnten, sind nicht gegeben (§ 115 Abs. 2 FGO).

IV.

34

Die Entscheidung ergeht gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung und gem. § 79 a Abs. 3, 4 FGO durch die Berichterstatterin anstelle des Senats.


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Referenzen

Tatbestand

1

I. Der im September 1985 geborene Sohn (S) des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) besuchte im Schuljahr 2003/2004 die Jungarbeiterklasse einer Staatlichen Berufsschule. Die Unterrichtszeit betrug acht (Schul-)Stunden pro Woche. Im Oktober 2004 begann er mit einer berufsvorbereitenden Maßnahme.

2

Auf den im Oktober 2005 gestellten Antrag des Klägers setzte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) im Februar 2006 Kindergeld für S für die Zeit ab August 2004 fest und lehnte eine Festsetzung für die Monate Oktober 2003 bis Juli 2004 mit der Begründung ab, der Besuch der Jungarbeiterklasse stelle keine Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) dar. Der Einspruch des Klägers blieb erfolglos.

3

Das Finanzgericht (FG) gab der auf die Festsetzung von Kindergeld für die Monate Oktober 2003 bis Juli 2004 gerichteten Klage mit Urteil vom 12. November 2008 III 103/2006 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 597) statt.

4

Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse eine Verletzung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.

5

Zu klären sei, in welchem Umfang Zeit und Arbeitskraft des Kindes bei einer schulischen Ausbildung, die eine ernsthafte Vorbereitung auf das Berufsziel beinhalte, gebunden sein müssten. Nach der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes i.d.F. vom 5. August 2004 --DA-FamEStG 2004-- 63.3.2 Abs. 5 (BStBl I 2004, 742) müsse die Ausbildung Zeit und Arbeitskraft des Kindes dermaßen in Anspruch nehmen, dass ein greifbarer Bezug zu dem angestrebten Berufsziel hergestellt werde und Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit ausgeschlossen erschienen. Eine tatsächliche Unterrichts- und Ausbildungszeit von weniger als zehn Wochenstunden könne danach nur dann als ausreichende Ausbildung anerkannt werden, wenn Umstände vorlägen, nach denen der zusätzliche ausbildungsbezogene Zeitaufwand über das übliche Maß hinausgehe. Da das Gesetz keinen zeitlichen Mindestrahmen vorgebe und es nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch nicht erforderlich sei, dass die Ausbildungsmaßnahme Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nehme, stütze sich die DA-FamEStG auf die Rechtsprechung des BFH zu Au-pair-Verhältnissen, die für die Berücksichtigung als Berufsausbildung wöchentlich mindestens zehn Unterrichtsstunden verlange. Die Grundsätze für Au-pair-Verhältnisse seien nach Sinn und Zweck auch für andere Ausbildungsverhältnisse generell anwendbar. Kindergeldrechtlich sei es unerheblich, ob die Jungarbeiterklasse nur besucht worden sei, um die gesetzliche Schulpflicht zu erfüllen, oder ob der Schulbesuch --wie bei Au-pair-Verhältnissen-- freiwillig gewesen sei.

6

Die Familienkasse beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Entscheidung des FG, S habe sich in den Monaten Oktober 2003 bis Juli 2004 in Ausbildung befunden, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

9

Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG --unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen-- Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.

10

In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298, m.w.N.).

11

Zur Berufsausbildung in diesem Sinne gehört auch die Schulausbildung, an der das Kind teilnimmt, um der Schulpflicht nachzukommen. Entgegen DA-FamEStG 2004  63.3.2 Abs. 5 Satz 5 (ebenso DA-FamEStG 63.3.2 Abs. 5 Satz 5 i.d.F. vom 30. September 2009, BStBl I 2009, 1030) kommt es insoweit nicht darauf an, ob die tatsächliche Unterrichtszeit (mindestens) zehn Wochenstunden beträgt. Entscheidend ist allein, ob das Kind an der entsprechenden Schulausbildung teilnimmt, wie sie durch die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen zur Erfüllung der Schulpflicht vorgesehen ist.

12

Die Grundsätze, die der BFH für die Anerkennung eines Sprachschulunterrichts im Rahmen eines Au-pair-Aufenthaltes als Berufsausbildung aufgestellt hat (vgl. BFH-Urteile vom 9. Juni 1999 VI R 143/98, BFHE 189, 107, BStBl II 1999, 710; VI R 24/99, BFH/NV 2000, 27; VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701; vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; BFH-Beschluss vom 31. August 2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256), finden auf die Teilnahme am Schulunterricht zur Erfüllung der Schulpflicht keine Anwendung. Denn anders als bei einem Sprachunterricht im Rahmen eines Au-pair-Aufenthaltes, der auf einem freiwilligen Entschluss des Kindes beruht und bei dem das Erfordernis der Teilnahme an einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden der Abgrenzung zu Urlaubsaufenthalten dient (vgl. Senatsurteil vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296), ist das Kind zur Teilnahme am Schulunterricht zur Erfüllung der Schulpflicht verpflichtet.

13

Das FG hat seiner Entscheidung diese Rechtsgrundsätze zugrunde gelegt und hat in Würdigung der Umstände des Einzelfalls für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, dass S im Streitzeitraum Oktober 2003 bis Juli 2004 an einer staatlichen Berufsschule die Fachklasse für gewerblich tätige Jungarbeiter mit einer wöchentlichen Unterrichtsstundenzahl von acht Stunden tatsächlich und regelmäßig besucht hat und hierzu nach den Regelungen des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen in Verbindung mit der im Streitzeitraum gültigen Schulordnung für die Berufsschulen in Bayern zur Erfüllung seiner Schulpflicht verpflichtet war.

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1) Als Kinder werden auch berücksichtigt

1.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten oder Lebenspartners,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Berechtigte durch ein familienähnliches, auf Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht),
3.
vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.

(2) Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat oder
2.
sich an Stelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes, bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt. Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend. Absatz 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(4) Kinder, für die einer anderen Person nach dem Einkommensteuergesetz Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag zusteht, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht für Kinder, die in den Haushalt des Anspruchsberechtigten nach § 1 aufgenommen worden sind oder für die dieser die höhere Unterhaltsrente zahlt, wenn sie weder in seinen Haushalt noch in den Haushalt eines nach § 62 des Einkommensteuergesetzes Anspruchsberechtigten aufgenommen sind.

(5) Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, werden nicht berücksichtigt. Dies gilt nicht gegenüber Berechtigten nach § 1 Absatz 1 Nummer 2 und 3, wenn sie die Kinder in ihren Haushalt aufgenommen haben.

(6) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu bestimmen, dass einem Berechtigten, der in Deutschland erwerbstätig ist oder sonst seine hauptsächlichen Einkünfte erzielt, für seine in Absatz 5 Satz 1 bezeichneten Kinder Kindergeld ganz oder teilweise zu leisten ist, soweit dies mit Rücksicht auf die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten für Kinder in deren Wohnland und auf die dort gewährten dem Kindergeld vergleichbaren Leistungen geboten ist.

1Die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung wird im gesamten Veranlagungszeitraum entweder durch die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 oder durch Kindergeld nach Abschnitt X bewirkt.2Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie.3Im laufenden Kalenderjahr wird Kindergeld als Steuervergütung monatlich gezahlt.4Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die nach Satz 1 gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Absatz 6 vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt.5Bei der Prüfung der Steuerfreistellung und der Hinzurechnung nach Satz 4 bleibt der Anspruch auf Kindergeld für Kalendermonate unberücksichtigt, in denen durch Bescheid der Familienkasse ein Anspruch auf Kindergeld festgesetzt, aber wegen § 70 Absatz 1 Satz 2 nicht ausgezahlt wurde.6Satz 4 gilt entsprechend für mit dem Kindergeld vergleichbare Leistungen nach § 65.7Besteht nach ausländischem Recht Anspruch auf Leistungen für Kinder, wird dieser insoweit nicht berücksichtigt, als er das inländische Kindergeld übersteigt.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Vater eines im September 1991 geborenen Sohnes, der im Juni 2011 die allgemeine Hochschulreife erwarb und seit dem 1. Juli 2011 unter Berufung in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit bei der Bundeswehr zum Reserveoffizier ausgebildet wird.

2

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2011 gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf und wies den dagegen gerichteten Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2012 als unbegründet zurück, weil die Ausbildung als Reserveoffiziersanwärter nicht als Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG angesehen werden könne.

3

Die Klage blieb hinsichtlich der Monate August bis Dezember 2011 wegen Überschreitung des Grenzbetrages ohne Erfolg (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F.). Das Finanzgericht (FG) gab der Klage jedoch statt, soweit sie die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Januar und Februar 2012 betraf, da es nach Einholung von Auskünften beim Heeresamt davon ausging, dass es sich bei der 36 Monate dauernden Ausbildung zum Reserveoffizier um eine Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG handele. Die Ausbildung zum Reserveoffizier entspreche nach Ablauf, Inhalten und Dauer der Ausbildung zum aktiven Offiziersanwärter des Truppendienstes ohne Studium. Laufbahnrechtlich könnten Reserveoffiziersanwärter als Offiziersanwärter übernommen und Reserveoffiziere zu Berufsoffizieren ernannt werden. Von dieser Möglichkeit mache ein Teil der Anwärter und der Reserveoffiziere tatsächlich Gebrauch. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verlange im Übrigen nicht die Absicht des Kindes, im erlernten Beruf tatsächlich tätig zu werden.

4

Die Familienkasse rügt die Verletzung materiellen Rechts.

5

Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil aufzuheben, soweit der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben wurden, und die Klage auch insofern abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend entschieden, dass der Sohn des Klägers als Reserveoffiziersanwärter für einen Beruf ausgebildet wurde.

8

Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Der Begriff der Berufsausbildung wird vom EStG mehrfach verwendet (z.B. auch in § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 12 Nr. 5, § 33a Abs. 2 EStG), aber nicht näher beschrieben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) befindet sich in Berufsausbildung, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (z.B. Senatsurteil vom 15. März 2012 III R 82/10, BFH/NV 2012, 1588).

9

a) Das FG hat --für den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend-- festgestellt, dass die vom Sohn des Klägers betriebene Ausbildung zum Reserveoffizier der Ausbildung der aktiven Offiziersanwärter des Truppendienstes ohne Studium entspricht, die nach dem BFH-Urteil vom 16. April 2002 VIII R 58/01 (BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523) eine Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist.

10

b) Das FG hat weiter festgestellt, dass Reserveoffiziersanwärter wie der Sohn des Klägers als Offiziersanwärter übernommen oder Reserveoffiziere nach bestandener Offiziersprüfung zu Berufsoffizieren ernannt werden können. Daher eignet sich die Ausbildung zum Reserveoffiziersanwärter auch als Grundlage für die Ausübung des Offiziersberufs.

11

c) Unerheblich ist, dass sich der Sohn des Klägers noch nicht festgelegt hat, ob er einen Antrag auf Verlängerung der Dienstzeit oder auf Übernahme als Berufssoldat stellen, oder am Ende der Dienstzeit als Reserveoffizier aus der Bundeswehr ausscheiden wird.

12

aa) Wer sich ernsthaft und nachhaltig Fähigkeiten aneignet, die sich als Grundlage für die Ausübung eines Berufs eignen, befindet sich auch dann in Berufsausbildung, wenn er diesen Beruf später tatsächlich nicht ausüben will. Nimmt ein Kind an einem regulären, typischen Ausbildungsgang teil, so bedarf es keiner weiteren Prüfung, wie die dort erlangten Kenntnisse in Zukunft beruflich verwertet werden sollen.

13

bb) Dies gilt umso mehr, wenn die durch die Ausbildung vermittelten Kenntnisse, Fähigkeiten oder Abschlüsse bzw. Titel auch für andere Berufe nützlich sind, was für die Reserveoffiziersausbildung z.B. wegen der dabei vermittelten fachlichen- und Führungsfähigkeiten oder im Hinblick auf die Anstellung bei einem für die Bundeswehr tätigen Unternehmen zutrifft.

14

cc) Die Rechtsprechung hat --worauf die Familienkasse zutreffend hinweist-- unter Berufsausbildung i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die Erlangung der für die Ausübung des angestrebten Berufs geeigneten Grundlagen verstanden (z.B. BFH-Urteile in BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523, betr. freiwilliges soziales Jahr; vom 26. August 2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26, betr. Traineetätigkeit). Dabei wurde indessen eine Berücksichtigung in keinem Falle abgelehnt, weil das Kind nicht einen der Ausbildung entsprechenden Beruf anstrebte. Die gründliche und systematische Erlangung von berufsnützlichen Kenntnissen wurde vielmehr auch dann als Ausbildung angesehen, wenn das Kind noch keine oder andersartige berufliche Pläne hatte.

15

Der Senat hat dementsprechend z.B. in mehreren Entscheidungen zu Au-pair-Verhältnissen den Umfang der begleitenden Sprachkurse geprüft und diese als Ausbildung gewürdigt, wenn sie mindestens zehn Wochenstunden umfassten, ohne zu erörtern, welchen Beruf das Kind anstrebte und ob der Sprachunterricht dazu einen konkreten Bezug aufwies.

16

dd) Ein Kind wird nicht für einen Beruf ausgebildet, wenn nicht die Erlangung beruflicher Qualifikationen, sondern die Erbringung von Arbeitsleistungen im Vordergrund steht (Senatsurteil in BFH/NV 2011, 26), oder wenn --wie regelmäßig bei Freiwilligendiensten (Senatsurteil vom 9. Februar 2012 III R 78/09, BFH/NV 2012, 940)-- die Erlangung sozialer Erfahrungen und die Stärkung des Verantwortungsbewusstseins und nicht die Vorbereitung auf einen Beruf bezweckt wird.

17

ee) Die konkreten beruflichen Pläne eines Kindes können jedoch die Würdigung von Tätigkeiten beeinflussen, deren Ausbildungscharakter zweifelhaft ist, sofern ein enger Bezug zwischen ihnen und einem späteren Studium, einer betrieblichen Ausbildung oder einem angestrebten Beruf besteht. Deshalb kann z.B. ein Sprachaufenthalt im Ausland auch dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Unterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber der Auslandsaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorgeschrieben ist oder dazu dient, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum angestrebten Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest (z.B. TOEFL oder IELTS) zu erlangen (Senatsurteil in BFH/NV 2012, 1588, betr. Au-pair).

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2015  3 K 3221/15 in vollem Umfang sowie der Kindergeldablehnungsbescheid vom 26. Februar 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2015, soweit der Zeitraum Juni 2013 bis September 2014 betroffen ist, aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, Kindergeld für den Zeitraum Juni 2013 bis September 2014 für die Tochter der Klägerin in gesetzlicher Höhe festzusetzen.

Die Kosten des Klageverfahrens, soweit der Zeitraum September 2012 bis Mai 2013 betroffen ist, hat die Klägerin, im Übrigen die Beklagte zu tragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Streitig ist der Kindergeldanspruch für die Tochter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für die Zeit von Juni 2013 bis September 2014.

2

Die im Juli 1990 geborene Tochter der Klägerin (L) wurde nach ihrem Realschulabschluss in der Zeit vom 1. Oktober 2007 bis 30. September 2010 an der S-Schule zur Physiotherapeutin ausgebildet. Am 1. Oktober 2010 erhielt sie die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Physiotherapeutin".

3

Bereits im Mai 2010 hatte L eine Zusage zum Besuch einer Fachoberschule, Fachrichtung Sozialwesen, die sie von August 2010 bis Juni 2011 besuchte und mit dem Zeugnis der Fachhochschulreife abschloss. Im Juli 2011 erhielt sie die Zulassung der Hochschule X zum zulassungsbeschränkten Studiengang "Physiotherapie Dual" für das Wintersemester 2011/2012 und wurde dort im September 2011 immatrikuliert.

4

Die Hochschule X führte ab Wintersemester 2010/2011 einen neu strukturierten Studiengang "Bachelor of Science Physiotherapie" ein. Der Fachbereichsrat beschloss im Mai 2011 die Studien- und Prüfungsordnung für den Bachelor-Studiengang "Physiotherapie mit dem Profil Präventions- und Rehabilitationssport (dual)". Zulassungsvoraussetzung war die allgemeine oder fachgebundene Hochschulreife oder die Fachhochschulreife.

5

Das Studium war wie folgt aufgebaut: Die Regelstudienzeit des Studiums umfasste 9 Semester. Die duale Phase der ersten 6 Semester (3 Jahre) bestand aus einer (externen) Ausbildung an einer staatlich anerkannten Berufsfachschule für Physiotherapie mit theoretischem und praktischem Unterricht zum staatlich anerkannten Physiotherapeuten. Parallel wurde an der Hochschule in jedem Semester ein Basismodul von 5 Semesterwochenstunden unterrichtet. Dieser akademische Unterricht fand --mit Rücksicht auf die externe Ausbildung-- ausschließlich in Blöcken, je nach Art der Lehrveranstaltung, pro Semester an 3 bis 5 Wochenenden statt (in der Zeit von Freitag ab 15 Uhr bis Sonntag 18 Uhr). Am Ende des 6. Semesters erwarben die Studierenden extern den Abschluss als staatlich anerkannter Physiotherapeut. Vom 7. bis 9. Semester folgte eine "Präsenzphase". Im 7. und 8. Semester waren jeweils sechs Module zu absolvieren, im 9. drei sowie eine Bachelorarbeit. Nach erfolgreichem Studium wurde der akademische Grad eines "B. Sc. Physiotherapie" verliehen.

6

Studierende, die --wie die Tochter der Klägerin-- bereits vor Aufnahme dieses Studiengangs die Ausbildung als Physiotherapeut(in) erfolgreich abgeschlossen hatten, erhielten diese angerechnet. Sie hatten daher in den ersten sechs Semestern nur jeweils ein Modul (fünf Semesterwochenstunden ausschließlich in Wochenendblöcken nebst Vor- und Nachbereitung im Eigenstudium) zu belegen; im Übrigen hatten sie frei. Der Studiengang war in den ersten sechs Semestern nach seiner Konzeption ein dualer und kein berufsbegleitender, wurde jedoch für die Studieninteressenten mit bereits abgeschlossener Berufsausbildung geöffnet und daher für diese faktisch in den ersten sechs Semestern berufs- (oder freizeit-)begleitend.

7

L arbeitete neben ihrem Studium im Streitzeitraum 30 Stunden pro Woche als angestellte Physiotherapeutin.

8

Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) lehnte mit Bescheid vom 26. Februar 2015 das Kindergeld u.a. für den Streitzeitraum ab. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte nach teilweise zurückgenommener Klage für den noch verbliebenen streitigen Zeitraum zur Begründung aus, dass das Studium zwar eine (mehraktige) Erstausbildung darstelle, es sich aber aufgrund des zeitlichen Umfangs der Ausbildung (5 Semesterwochenstunden) jedenfalls in Zusammenschau mit ihrer zeitlichen Verteilung (nur Wochenendblöcke) nicht um eine Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) handele.

9

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Revision. Zur Begründung trägt sie vor, das FG sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass im Streitzeitraum keine Berufsausbildung vorliege, weil der zeitliche Umfang der Ausbildung zu gering sei. Die Tochter habe ihre Ausbildung nach Maßgabe des vorgesehenen Umfangs ernsthaft und nachhaltig betrieben. Darüber hinaus müssten noch Vor- und Nachbereitungen hinzugerechnet werden, die mindestens fünf weitere Stunden ausmachten. Der Wegfall der Einkommensobergrenze rechtfertige zudem keine Bezugnahme auf eine Untergrenze.

10

Die Klägerin beantragt,
die Familienkasse unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Februar 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juli 2015 zu verpflichten, für das Kind L für den Zeitraum Juni 2013 bis September 2014 Kindergeld zu gewähren.

11

Die Familienkasse beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

13

Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Denn L befand sich entgegen der Auffassung des FG im Streitzeitraum in Berufsausbildung und hatte eine erstmalige Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen.

14

1. Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigt, wenn es noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und für einen Beruf ausgebildet wird. Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch sind unschädlich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG).

15

a) In Berufsausbildung befindet sich, wer "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 3. Juli 2014 III R 52/13, BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 29, m.w.N.). Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des "angestrebten" Berufs geeignet sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298, Rz 9, m.w.N.).

16

b) Der Bundesfinanzhof (BFH) erkennt damit an, dass von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung der Ausbildung besteht (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (Senatsurteil vom 24. Juni 2004 III R 3/03, BFHE 206, 413, BStBl II 2006, 294). Insoweit wird der Tatbestand der Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch nicht durch eine daneben ausgeübte Teilzeit- oder Vollzeiterwerbstätigkeit ausgeschlossen, wenn die Ausbildung ernsthaft und nachhaltig betrieben wird (Senatsurteil vom 21. Januar 2010 III R 68/08, BFH/NV 2010, 872, Rz 11, m.w.N.).

17

2. Nach diesen Grundsätzen stellte das von L absolvierte Studium eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar.

18

Im Streitfall war die Erlangung des akademischen Grads eines "Bachelor of Science Physiotherapie" das Ausbildungsziel von L. Das Studium vermittelte ihr auch in den ersten sechs Semestern aufgrund der vorgeschriebenen Basismodule Kenntnisse und Fähigkeiten, die Grundlage für ihr angestrebtes Ausbildungsziel waren. Zudem waren diese Basismodule Voraussetzung, um in die "Präsenzphase" der nachfolgenden Semester (7. bis 9.) und damit zu einem Studienabschluss zu gelangen.

19

a) Entgegen der Ansicht des FG scheitert die Annahme einer Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG nicht an dem geringen Umfang von durchschnittlich 5 Semesterwochenstunden, die blockweise an einigen Wochenenden während des Semesters durchgeführt wurden.

20

aa) Das Tatbestandsmerkmal der Berufsausbildung enthält kein einschränkendes Erfordernis eines zeitlichen Mindestumfangs von Ausbildungsmaßnahmen. Entscheidend ist vielmehr, dass es sich um Ausbildungsmaßnahmen handelt, die als Grundlage für den angestrebten Beruf geeignet sind. Daher können die konkreten beruflichen Pläne eines Kindes die Würdigung von Tätigkeiten beeinflussen, deren Ausbildungscharakter zweifelhaft ist (Senatsurteil vom 8. Mai 2015 III R 41/13, BFHE 245, 237, BStBl II 2014, 717, Rz 17). Darüber hinaus kann die Beurteilung als Berufsausbildung entfallen, wenn eine ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung auf das Erreichen eines bestimmten Berufsziels unterbleibt. Auch die Art der Ausbildungsmaßnahme kann ein Abgrenzungskriterium sein. So kann bei einem Sprachunterricht im Ausland im Hinblick auf die dann erforderliche Abgrenzung zu Urlaubsaufenthalten von einer Berufsausbildung regelmäßig nur dann ausgegangen werden, wenn das Kind an einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht mit grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden teilnimmt (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Ist hingegen der Auslandaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorgeschrieben oder dient er dazu, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum angestrebten Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest (z.B. TOEFL oder IELTS) zu erlangen, kann ein Sprachaufenthalt auch dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Unterricht weniger als zehn Wochenstunden umfasst (Senatsurteil in BFHE 245, 237, BStBl II 2014, 717, Rz 17).

21

Die Grundsätze, die der BFH für die Anerkennung eines Sprachschulunterrichts im Rahmen eines Au-pair-Aufenthalts als Berufsausbildung aufgestellt hat, führen ebenfalls zu keiner Mindestgrenze für eine im Inland absolvierte Schul- oder Universitätsausbildung (Senatsurteil vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl II 2010, 296, Rz 13). Denn anders als bei einem Sprachunterricht im Ausland, ist bei einer Schul-, Universitätsausbildung oder einer sonstigen "klassischen" Ausbildung regelmäßig eine Abgrenzung zur "reinen Freizeitgestaltung oder zum bloßen Müßiggang" (FG München, Urteil vom 18. August 2010  10 K 2169/09, Rz 16) oder zu "längeren Urlauben oder sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung" (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2012 VI R 102/10, BFH/NV 2013, 366, Rz 14) nicht erforderlich. Dementsprechend hat der Senat einen Mindestumfang für die Ausbildungsmaßnahmen beispielsweise für die Vorbereitung auf ein Abitur für Nichtschüler nicht als notwendig angesehen (vgl. Senatsurteil in BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298). Darüber hinaus sollen nach dem Wegfall des Grenzbetrags in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG a.F. auch "Ausbildungsgänge (zum Beispiel Abendschulen, Fernstudium), die neben einer (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit ohne eine vorhergehende Berufsausbildung durchgeführt werden", begünstigt werden (Gesetzesbegründung zu der ab 1. Januar 2012 geltenden Neufassung des § 32 Abs. 4 Satz 2 ff. EStG --Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011, BGBl I 2011, 2131, BStBl I 2011, 986--, BTDrucks 17/5125, S. 1, 41).

22

b) Soweit allerdings Anhaltspunkte dafür bestehen, dass das Kind seinem gewählten Ausbildungsgang nicht ernsthaft und hinreichend nachgeht, indem etwa nur eine "Pro-forma-Immatrikulation" besteht, dürfte eine Berufsausbildung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG regelmäßig ausgeschlossen sein. Eine strenge Prüfung der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Ausbildungsbemühungen trägt dazu bei, Missbrauch zu vermeiden (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 32), erfordert aber auch insoweit keine feste Mindestgrenze im Hinblick auf den zeitlichen Umfang einer Ausbildungsmaßnahme.

23

c) Anhaltspunkte dafür, dass L ihr Studium nicht nachhaltig und ernsthaft betrieben hat, hat das FG nicht festgestellt. Das FG hat vielmehr ausgeführt, dass sich L mittlerweile im 8. Fachsemester (2015) befand. Somit ist davon auszugehen, dass sie ihrem Studium ernsthaft und hinreichend nachgegangen ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298, Rz 12).

24

3. Der Anspruch auf Kindergeld ist auch nicht wegen der Erwerbstätigkeit der L in einem Umfang von 30 Wochenstunden im Streitzeitraum ausgeschlossen. Denn L hatte in diesem Zeitraum noch keine erstmalige Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschlossen. Das Studium stellte vielmehr einen Teil der Erstausbildung dar. Mangels Abschlusses einer erstmaligen Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG war die Erwerbstätigkeit der L im Streitzeitraum nicht anspruchsausschließend. Eine Prüfung des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG entfällt.

25

a) Da es im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG auf das angestrebte Berufsziel des Kindes ankommt, muss der Tatbestand "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss (z.B. in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang) erfüllt sein (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 25 ff.). Dies folgt u.a. aus einer gegenüber § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Kind, das "für einen Beruf ausgebildet wird") engeren Auslegung des Berufsausbildungsbegriffs (BFH-Urteil vom 3. September 2015 VI R 9/15, BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166, Rz 15).

26

Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führt oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist nach nunmehr ständiger Rechtsprechung darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt (BFH-Urteile in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 25; vom 15. April 2015 V R 27/14, BFHE 249, 500, Rz 20; in BFH/NV 2015, 1378, Rz 26; in BFHE 251, 10, BStBl II 2016, 166, Rz 16). Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Hierfür ist auch erforderlich, dass aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar wird, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat (BFH-Urteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz 30).

27

b) Nach diesen Grundsätzen hat der erste berufsqualifizierende Abschluss zur Physiotherapeutin der L noch nicht zu einem "Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung" geführt. Das Studium steht in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zur ersten berufsqualifizierenden Maßnahme. Das von L angestrebte Berufsziel konnte im Streitfall nur über einen weiteren Abschluss --also eine weiterführende Ausbildungsmaßnahme im Rahmen einer mehraktigen Ausbildung-- erreicht werden. Bereits während ihrer Ausbildung zur Physiotherapeutin hatte sich L bei einer weiterführenden Schule beworben, um die Fachhochschulreife zu erlangen, die wiederum Voraussetzung für das von ihr angestrebte Studium war. Das Studium schloss sich unmittelbar an die Schulausbildung an. Der erforderliche fachliche Zusammenhang ergibt sich schon daraus, dass sich die Ausbildungsgänge inhaltlich und schwerpunktmäßig auf denselben Fachbereich derselben Berufssparte bezogen und auf dasselbe Berufsfeld vorbereiteten.

28

4. L ist als Kind auch dann zu berücksichtigen, wenn sie aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit möglicherweise gegenüber ihren Eltern --mangels Bedürftigkeit-- keinen Unterhaltsanspruch hatte, da eine typische Unterhaltssituation seitens der Eltern für den Kindergeldanspruch bei volljährigen Kindern nicht erforderlich ist (vgl. BFH-Urteile vom 17. Oktober 2013 III R 22/13, BFHE 243, 246, BStBl II 2014, 257, Rz 15; vom 5. März 2014 XI R 32/13, BFH/NV 2014, 1031, Rz 21).

29

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 136 Abs. 2 und § 135 Abs. 1 FGO.

30

Da die Revision der Klägerin Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Aufgrund der Klagerücknahme für den Zeitraum September 2012 bis Mai 2013 im erstinstanzlichen Verfahren hat der Senat nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. Senatsurteil vom 13. April 2016 III R 7/13, BFH/NV 2016, 1462, Rz 24) über die Kosten des gesamten Verfahrens (Klageverfahren und Revisionsverfahren) zu entscheiden (§ 143 Abs. 1 FGO). Für das Klageverfahren hat die Klägerin, soweit sie die Klage zurückgenommen hat (§ 136 Abs. 2 FGO), die Kosten zu tragen, im Übrigen die Beklagte (§ 135 Abs. 1 FGO). Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Beklagte zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO).

Tatbestand

1

I. Streitig ist die Kindergeldberechtigung des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) für die Zeit eines Au-pair-Aufenthalts seiner Tochter A.

2

Die am … März 1984 geborene Tochter des Klägers befand sich von August 2003 bis Januar 2005 in einem Au-pair-Programm in den USA und lebte bei freier Unterkunft und Verpflegung bei einer amerikanischen Gastfamilie. Sie erhielt ein Taschengeld in Höhe von 139 US$ pro Woche.

3

Mit Schreiben vom 30. März 2005 beantragte der Kläger für seine Tochter Kindergeld. Dem Antrag waren verschiedene in englischer Sprache abgefasste Zertifikate beigefügt:

4

- US Presidents Course, 3 Credits, vom 11. Dezember 2004

- EurAuPair, Teilnahme am EurAupair Programm USA, vom 21. Januar 2005

- Au Pair Programm, 3 Credits, vom 5. Juni 2004

- American history and culture (von Februar bis Dezember 2004), 10 Stunden die Woche, vom 24. Oktober 2004

- EurAupair Au Pair Workshop, 3 credits, vom 11. Mai 2004

- EurAuPair 21. Juli 2004 bis 21. Januar 2005 Au Pair, 3 credits oder 36 Unterrichtsstunden, vom 25. Oktober 2004

5

Nachfolgend forderte die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) den Kläger auf, (weitere) Unterlagen und Nachweise vorzulegen. Die Tochter des Klägers wies sodann darauf hin, dass sie nach Rückkehr aus den USA diese Nachweise nicht mehr vorlegen könne bzw. die Zertifikate bereits vorgelegt worden seien.

6

Mit Bescheid vom 29. Juli 2005 lehnte die Familienkasse den Antrag für den Zeitraum August 2003 bis Januar 2005 ab und führte aus, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung des Au-pair-Aufenthalts als Berufsausbildung nicht erfüllt seien.

7

Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 997 veröffentlichten Gründen ab.

8

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. A habe sich während des Au-pair-Aufenthalts in einer Sprachausbildung (einschließlich Vor- und Nachbereitung u.ä.) mit mehr als zehn Wochenstunden befunden. Dies habe das FG verfahrensfehlerhaft verkannt. Denn es habe die von A im Rahmen der Sprachausbildung erzielten "credits" nicht mit je 30 Arbeitsstunden angesetzt.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 10. November 2009  4 K 90/06 sowie den Ablehnungsbescheid vom 29. Juli 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 2005 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für den Zeitraum August 2003 bis einschließlich Januar 2005 Kindergeld zu gewähren.

10

Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

12

1. Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298).

13

a) Eine Berufsausbildung kann auch im Ausland absolviert werden. Sofern ein Kind dort z.B. eine Universität oder Fachschule besucht oder ein Praktikum zur Erlangung beruflicher Qualifikationen ableistet (BFH-Urteil vom 26. August 2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26), kann es auch dann berücksichtigt werden, wenn zugleich ein Au-pair-Verhältnis besteht. Ein Au-pair-Verhältnis dient regelmäßig nicht der Ausbildung; es schließt die Berücksichtigung eines Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wegen einer anderweitigen Ausbildung jedoch ebenso wenig aus wie ein neben der Ausbildung bestehendes Wehrdienstverhältnis (vgl. BFH-Urteil vom 27. August 2008 III R 88/07, BFH/NV 2009, 132).

14

b) Nicht jeder Auslandsaufenthalt, der zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führt, erfüllt das Tatbestandsmerkmal der Ausbildung für einen Beruf (BFH-Entscheidungen vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00, BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; vom 31. August 2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256; vom 14. September 2009 III B 119/08, BFH/NV 2010, 34). Zwecks Abgrenzung von längeren Urlauben und sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung --z.B. zur Verbesserung der Selbständigkeit oder um andere Länder und Kulturen kennenzulernen--, werden Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses nach ständiger Rechtsprechung daher nur dann als Berufsausbildung angesehen, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der nach seinem Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt und grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden umfassen muss (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Dabei ist eine Durchschnittsbetrachtung für die Dauer des gesamten Aufenthalts anzustellen, so dass bei insgesamt hinreichend umfangreichem Unterricht die Berücksichtigung in einem Ferienmonat nicht unterbrochen wird. Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate gleichwohl als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie --z.B. infolge von Blockunterricht oder Lehrgängen-- durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden (BFH-Urteil vom 15. März 2012 III R 58/08, BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743).

15

c) Sprachaufenthalte im Ausland können darüber hinaus unter besonderen Umständen des Einzelfalls als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vor- und Nachbereitung hinausgehenden erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand des Kindes erfordert. Dies kann z.B. darauf beruhen, dass Einzelunterricht oder fachlich orientierter Sprachunterricht (z.B. Englisch für Juristen) erteilt wird oder das Kind Vorträge in der Fremdsprache hält (BFH-Urteil in BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743, m.w.N.).

16

d) Bezwecken der Auslandsaufenthalt und der Sprachunterricht, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest zu erlangen (z.B. TOEFL oder IELTS), oder wird ein Auslandsaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt, so kann ein Auslandsaufenthalt ebenfalls als Berufsausbildung zu qualifizieren sein, obwohl weniger als zehn Wochenstunden Sprachunterricht erteilt werden (BFH-Urteil in BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743).

17

e) Ein Auslandsaufenthalt ohne gründliche Sprachausbildung gehört demgegenüber nicht bereits deshalb zur Berufsausbildung, weil er Erfahrungen und Fähigkeiten vermittelt, die sich allgemein förderlich auf die Aussichten auswirken, für einen Ausbildungsplatz oder eine Beschäftigung ausgewählt zu werden, ohne dafür indessen erforderlich zu sein. Denn derartige Vorteile können auch durch eine vorübergehende Berufstätigkeit im Ausland oder längere Besuche bei im Ausland lebenden Verwandten erreicht werden, die ebenfalls nicht als Berufsausbildung eingestuft werden könnten (BFH-Urteil in BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743).

18

Im Übrigen berücksichtigen einige Hochschulen und Arbeitgeber bei der Bewerberauswahl auch die Ausübung von Mannschaftssportarten oder Leistungssport sowie soziales oder politisches Engagement von Jugendlichen, weil sie Kooperationsfähigkeit, Initiative oder Leistungsbereitschaft indizieren; um eine Berufsausbildung handelt es sich indessen bei der Mitgliedschaft in einer Sportmannschaft oder der Mitarbeit in einer Hilfsorganisation oder der Jugendorganisation einer politischen Partei unzweifelhaft nicht (BFH-Urteil in BFHE 237, 64, BStBl II 2012, 743).

19

2. Gemessen an diesen Grundsätzen, die das FG der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt hat, ist die Würdigung des FG, dass der Kläger die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld für seine Tochter A für die Zeit von August 2003 bis Januar 2005 nicht ausreichend nachgewiesen habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

20

a) Ob die von der Tochter des Klägers absolvierten Kurse als theoretisch-systematischer Fremdsprachenunterricht zu werten sind, hat das FG aufgrund der Umstände des Einzelfalls als Tatsacheninstanz zu entscheiden. Seine Sachverhaltswürdigung bindet den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO, wenn sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt, und zwar auch dann, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich ist (BFH-Urteil vom 29. April 2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842).

21

aa) Mangels detaillierter Angaben des gemäß § 90 Abs. 2 der Abgabenordnung in erhöhtem Maße zur Mitwirkung an der Aufklärung des Auslandssachverhalts verpflichteten Klägers zu Inhalt und Form des Unterrichts ist es nicht zu beanstanden, dass das FG die Teilnahme an den Kursen "American history and culture" sowie "US Presidents" nicht als hinreichend gründliche theoretisch-systematische Sprachausbildung gewürdigt hat. Denn es verstößt weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze, wenn das FG davon ausgeht, dass ein Geschichtskurs und ein Kurs mit allgemeinbildendem Inhalt auch bei einem Zeitaufwand von zehn Wochenstunden (Unterricht einschließlich Vor- und Nachbereitungszeit) keine qualifizierte Sprachausbildung vermitteln. Eine solche Würdigung ist vielmehr möglich. Insoweit zutreffend weist das FG darauf hin, dass allein die Beschäftigung mit der amerikanischen Geschichte und Kultur nur mittelbar der Sprachausbildung dient.

22

bb) Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Entscheidung des FG insoweit, als es den von der Tochter des Klägers in der Zeit vom 20. Januar 2004 bis 11. Mai 2004 belegten Sprachkurs "advanced english, intensive writing" (36 Unterrichtsstunden, 3 "Credit-Points") weder für sich noch im Zusammenhang mit den übrigen Aktivitäten der Tochter des Klägers gesehen als ausreichend für eine sprachliche Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gewertet hat. Denn auch bei einer Zusammenschau von englischsprachig vermittelter Allgemeinbildung in den Kursen "American history and culture" und "US Presidents" sowie dem theoretisch-systematischen Sprachunterricht von wöchentlich 2,25 bis 2,4 Stunden und einer Berücksichtigung der vom Kläger behaupteten weiteren Vor- und Nachbereitungszeit von etwa 3,5 Stunden je Woche (entspricht 3 "Credit-Points" = 90 Arbeitsstunden) ist diese Wertung möglich. Besondere Umstände, die eine solche Würdigung als lebensfremd und nicht nachvollziehbar erscheinen lassen, hat der Kläger insoweit jedenfalls nicht vorgetragen.

23

b) Die von A belegten Au-pair-Kurse hinsichtlich der Sicherheitsmaßnahmen für (Klein)Kinder und der Kindesentwicklung sind auch nicht für sich als Berufsausbildung einzuordnen. Sie wurden nicht im Rahmen einer anerkannten Form der Berufsausbildung belegt, sollten nicht zu einem fachlich anerkannten Abschluss führen und waren für das anschließend im Inland betriebene Studium ohne Bedeutung (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2012 III R 82/10, BFH/NV 2012, 1588).

24

c) Schließlich hat das FG auch rechtsfehlerfrei darauf erkannt, dass die absolvierten Kurse mangels entsprechender Anforderungen in der Studienordnung des nachfolgend von A belegten Diplomstudiengangs Betriebswirtschaftslehre der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der … Universität nicht als Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG die streitige Kindergeldberechtigung vermitteln können. Denn nach den insoweit ebenfalls bindenden Feststellungen des FG ist in der entsprechenden Studienordnung ein Sprachaufenthalt weder vorgeschrieben noch empfohlen.

25

3. Die geltend gemachten Verfahrensrügen der mangelhaften Sachverhaltsaufklärung und des Verstoßes gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs greifen nicht durch. Von einer Begründung sieht der Senat ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

(1) Kinder sind

1.
im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandte Kinder,
2.
Pflegekinder (Personen, mit denen der Steuerpflichtige durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie nicht zu Erwerbszwecken in seinen Haushalt aufgenommen hat und das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht).

(2)1Besteht bei einem angenommenen Kind das Kindschaftsverhältnis zu den leiblichen Eltern weiter, ist es vorrangig als angenommenes Kind zu berücksichtigen.2Ist ein im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandtes Kind zugleich ein Pflegekind, ist es vorrangig als Pflegekind zu berücksichtigen.

(3) Ein Kind wird in dem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wurde, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt.

(4)1Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, wird berücksichtigt, wenn es

1.
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist oder
2.
noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und
a)
für einen Beruf ausgebildet wird oder
b)
sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes, einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer oder als Dienstleistender im Ausland nach § 14b des Zivildienstgesetzes oder der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes oder der Ableistung eines freiwilligen Dienstes im Sinne des Buchstaben d liegt, oder
c)
eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann oder
d)
einen der folgenden freiwilligen Dienste leistet:
aa)
ein freiwilliges soziales Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
bb)
ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstegesetzes,
cc)
einen Bundesfreiwilligendienst im Sinne des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
dd)
eine Freiwilligentätigkeit im Rahmen des Europäischen Solidaritätskorps im Sinne der Verordnung (EU) 2021/888 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2021 zur Aufstellung des Programms für das Europäische Solidaritätskorps und zur Aufhebung der Verordnungen (EU) 2018/1475 und (EU) Nr. 375/2014 (ABl. L 202 vom 8.6.2021, S. 32),
ee)
einen anderen Dienst im Ausland im Sinne von § 5 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes,
ff)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts“ im Sinne der Förderleitlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. Januar 2016,
gg)
einen Freiwilligendienst aller Generationen im Sinne von § 2 Absatz 1a des Siebten Buches Sozialgesetzbuch oder
hh)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 4. Januar 2021 (GMBl S. 77) oder
3.
wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.
2Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht.3Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.

(5)1In den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2 Buchstabe a und b wird ein Kind, das

1.
den gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst geleistet hat, oder
2.
sich anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hat, oder
3.
eine vom gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer im Sinne des § 1 Absatz 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ausgeübt hat,
für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen Grundwehrdienstes oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen Zivildienstes über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.2Wird der gesetzliche Grundwehrdienst oder Zivildienst in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, geleistet, so ist die Dauer dieses Dienstes maßgebend.3Absatz 4 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(6)1Bei der Veranlagung zur Einkommensteuer wird für jedes zu berücksichtigende Kind des Steuerpflichtigen ein Freibetrag von 3 012 Euro für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie ein Freibetrag von 1 464 Euro für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vom Einkommen abgezogen.2Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, verdoppeln sich die Beträge nach Satz 1, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht.3Die Beträge nach Satz 2 stehen dem Steuerpflichtigen auch dann zu, wenn

1.
der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
2.
der Steuerpflichtige allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht.
4Für ein nicht nach § 1 Absatz 1 oder 2 unbeschränkt einkommensteuerpflichtiges Kind können die Beträge nach den Sätzen 1 bis 3 nur abgezogen werden, soweit sie nach den Verhältnissen seines Wohnsitzstaates notwendig und angemessen sind.5Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach den Sätzen 1 bis 4 nicht vorliegen, ermäßigen sich die dort genannten Beträge um ein Zwölftel.6Abweichend von Satz 1 wird bei einem unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaar, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen, auf Antrag eines Elternteils der dem anderen Elternteil zustehende Kinderfreibetrag auf ihn übertragen, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt oder der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist; die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.7Eine Übertragung nach Satz 6 scheidet für Zeiträume aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden.8Bei minderjährigen Kindern wird der dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf Antrag des anderen Elternteils auf diesen übertragen, wenn bei dem Elternpaar die Voraussetzungen des § 26 Absatz 1 Satz 1 nicht vorliegen.9Eine Übertragung nach Satz 8 scheidet aus, wenn der Übertragung widersprochen wird, weil der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut.10Die den Eltern nach den Sätzen 1 bis 9 zustehenden Freibeträge können auf Antrag auch auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat oder dieser einer Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind unterliegt.11Die Übertragung nach Satz 10 kann auch mit Zustimmung des berechtigten Elternteils erfolgen, die nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden kann.12Voraussetzung für die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b der Abgabenordnung).13Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Absatz 2 der Abgabenordnung), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren.14Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die übrigen Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderfreibetrags sowie des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes vorliegen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter ihres 1988 geborenen Sohnes (S). S nahm nach dem Abitur ein duales Hochschulstudium zum Bachelor im Studiengang Steuerrecht auf, das am 29. Februar 2012 enden sollte. Parallel dazu absolvierte er in einer Steuerberatungskanzlei eine studienintegrierte praktische Ausbildung zum Steuerfachangestellten, die er am 1. August 2008 begann und im Juni 2011 mit der Prüfung zum Steuerfachangestellten beendete. Im März 2013 beendete S erfolgreich sein Bachelorstudium.

2

Nach Beendigung seiner Ausbildung zum Steuerfachangestellten arbeitete S ab 1. August 2011 mehr als 20 Stunden pro Woche in einer anderen Steuerberatungskanzlei. Nach deren Erklärungen vom 12. April 2012 und 12. Juni 2012 setzte S dort seine Ausbildung durch eine studienbegleitende Betreuung fort. Ein schriftlicher Vertrag über Inhalt und Umfang der Tätigkeit bestand nicht. Die Entlohnung entsprach der eines Steuerfachangestellten.

3

Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob die gegenüber der Klägerin erfolgte Kindergeldfestsetzung für S mit Bescheid vom 16. Februar 2012 ab 1. Januar 2012 auf und forderte das für die Monate Januar und Februar 2012 bereits ausbezahlte Kindergeld von der Klägerin zurück. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2012 zurückgewiesen.

4

Auf die dagegen gerichtete Klage hob das Finanzgericht (FG) den Aufhebungsbescheid und die Einspruchsentscheidung mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 57 veröffentlichten Gründen auf.

5

Mit der hiergegen gerichteten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, dass S mit der bestandenen Prüfung zum Steuerfachangestellten seine Erstausbildung beendet habe. Die anschließend aufgenommene Vollzeittätigkeit in einer Steuerberatungskanzlei sei daher nach § 32 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Streitzeitraum geltenden Fassung anspruchsschädlich gewesen.

6

Die Familienkasse beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

8

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- i.V.m. § 121 FGO).

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision der Familienkasse ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

10

1. Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass S im Streitzeitraum Januar 2012 bis August 2012 (Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 31. Juli 2012) beim Kindergeldanspruch der Klägerin nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen ist, weil er das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hatte und für einen Beruf ausgebildet wurde.

11

Die durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011 (BGBl I 2011, 2131, BStBl I 2011, 986) bewirkte Änderung des § 32 Abs. 4 Satz 2 ff. EStG berührt den in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendeten Begriff der Berufsausbildung nicht (s. hierzu auch die Gesetzesbegründung in BRDrucks 54/11, S. 56, wonach eine Einschränkung dieses Berufsausbildungsbegriffs nicht erfolgen sollte). Das von S durchgeführte Studium bildet daher einen Berücksichtigungstatbestand, unabhängig davon, ob es sich um eine Erst- oder Zweitausbildung handelte (Senatsurteil vom 27. Januar 2011 III R 57/10, BFH/NV 2011, 1316). Anhaltspunkte dafür, dass S sich im Streitzeitraum Januar 2012 bis August 2012 nicht ernsthaft und nachhaltig auf sein Berufsziel vorbereitet hatte (s. zu dieser Anforderung z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Oktober 2012 VI R 102/10, BFH/NV 2013, 366; vom 22. November 2012 V R 60/10, BFH/NV 2013, 531; Senatsurteil vom 22. Dezember 2011 III R 67/10, BFH/NV 2012, 930), wurden vom FG nicht festgestellt.

12

2. Zutreffend ist das FG auch davon ausgegangen, dass nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG eine Erwerbstätigkeit nicht nur dann schädlich sein kann, wenn das zu berücksichtigende Kind neben einer erstmaligen Berufsausbildung zusätzlich (kumulativ) ein Erststudium abgeschlossen hat.

13

a) Das FG legte insoweit noch den im Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 zugrunde, wonach ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung und eines Erststudiums in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt wird, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Das FG hat den Begriff "und" implizit so interpretiert, dass es sich hierbei um alternative und nicht um kumulative Voraussetzungen handelt. Anderenfalls hätte sich die vom FG behandelte Abgrenzungsfrage, ob mit dem Abschluss der Ausbildung zum Steuerfachangestellten eine neben dem Studium ausgeübte Erwerbstätigkeit kindergeldschädlich ist, nicht gestellt.

14

b) Der Senat hat indes die mittlerweile eingetretene Rechtsänderung zu berücksichtigen (s. hierzu Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 118 FGO Rz 78, m.w.N.) und bereits § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des Art. 2 Nr. 13 des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809, BStBl I 2013, 802, Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz --AmtshilfeRLUmsG--) anzuwenden. Danach wird ein Kind nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in den Fällen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG nur berücksichtigt, wenn es keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Die Regelung trat rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft (Art. 31 Abs. 2 AmtshilfeRLUmsG).

15

c) Offen bleiben kann, ob die durch das AmtshilfeRLUmsG bewirkte Änderung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG eine unzulässige Rückwirkung im Sinne der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- (Beschluss vom 17. Dezember 2013  1 BvL 5/08, BGBl I 2014, 255) enthält. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, müsste der dann geltende § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 in dem Sinne ausgelegt werden, wie es das FG getan hat.

16

aa) Das BVerfG entscheidet in diesen Fällen allein über die Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung, nicht über die verbindliche Auslegung des einfachen Rechts, das der Gesetzgeber rückwirkend ändern wollte. Hält das BVerfG die Rückwirkung für verfassungswidrig, ist es weiterhin der Fachgerichtsbarkeit aufgegeben, den Inhalt der alten Rechtslage durch Auslegung zu klären. Dabei kann sich auch ergeben, dass die Norm gerade so zu verstehen ist, wie es der Gesetzgeber nachträglich festgestellt wissen wollte (s. im Einzelnen BVerfG-Beschluss in BGBl I 2014, 255, unter B.II.2.b cc (1) (b)).

17

bb) Nach Auffassung des Senats ist auch die ursprüngliche Formulierung ("und" statt "oder") nicht als eine Aufzählung verschiedener Tatbestandsvoraussetzungen zu verstehen. Zwar sollte bei der sprachlichen Fassung von Gesetzestexten das Wort "und" immer dann verwendet werden, wenn in einer Rechtsvorschrift verschiedene Tatbestandsvoraussetzungen oder Rechtsfolgen kumulativ festgelegt werden sollen (s. Rz 90 des Handbuchs der Rechtsförmlichkeiten, Bundesanzeiger Nr. 160a vom 22. Oktober 2008). Die Gesetzeshistorie spricht jedoch dafür, dass dies im vorliegenden Fall nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprach. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Steuervereinfachungsgesetz 2011 (BRDrucks 54/11, S. 6) verwendete noch den Ausdruck "oder". Auch in der Gesetzesbegründung wurde ausgeführt, dass zukünftig eine Erwerbstätigkeit nur noch bis zum Abschluss der ersten Berufsausbildung oder eines Erststudiums eines Kindes außer Betracht bleiben soll (BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Der Finanzausschuss des Bundestags empfahl hingegen, den Ausdruck "oder" durch das Wort "und" zu ersetzen (BTDrucks 17/6105, S. 12), um die Formulierung an § 12 Nr. 5 EStG anzupassen (BTDrucks 17/6146, S. 14). Dem folgte der Bundestag (BRDrucks 360/11, S. 5). In der Folge wies der Finanzausschuss des Bundesrates darauf hin, dass der verwendeten Formulierung im Rahmen des § 12 Nr. 5 EStG eine andere Bedeutung zukomme als im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Er führte zudem aus, dass eine kumulative Voraussetzung (Berufsausbildung und Erststudium) weder gewollt noch sinnvoll sei und deshalb zum ursprünglichen Wortlaut zurückzukehren sei (BRDrucks 360/1/11, S. 5). Dieser Anregung ist der Gesetzgeber zwar im weiteren Gesetzgebungsverfahren nach Durchführung des Vermittlungsverfahrens nicht gefolgt. Da jedoch nicht ersichtlich ist, dass mit dem Änderungsbegehren des Finanzausschusses des Bundestages eine über die bloße redaktionelle Anpassung an § 12 Nr. 5 EStG hinausgehende inhaltliche Änderung des Gesetzentwurfs bezweckt wurde, und sich ein derartiges Anliegen auch aus dem Vermittlungsverfahren (BTDrucks 17/7025, BRDrucks 568/11) nicht ergibt, geht der Senat davon aus, dass die Rückkehr zum ursprünglichen Wortlaut entweder nur wegen eines redaktionellen Versehens im Vermittlungsverfahren unterblieben ist oder der Begriff "und" nur zur Kennzeichnung eines Fallbeispiels (Erststudium als Unterfall der Erstausbildung) Verwendung finden sollte. Entsprechend wäre auch die ursprüngliche Gesetzesfassung trotz der Verwendung des Wortes "und" nicht im Sinne von kumulativen, sondern von alternativen Voraussetzungen zu lesen gewesen (ebenso Bering/Friedenberger NWB 2012, 278, 282, die die Formulierung im Sinne von "sowohl ... als auch" interpretieren; Felix, NJW 2012, 22, 24 f., wonach eine andere Auslegung ihrerseits verfassungsrechtliche Probleme aufwürfe).

18

3. Zu Recht ist das FG weiter davon ausgegangen, dass ein Kind, das ein duales Studium durchführt, seine Erstausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG noch nicht mit der erfolgreichen Absolvierung der studienintegrierten praktischen Ausbildung im Lehrberuf (hier zum Steuerfachangestellten) beendet, sondern die Erstausbildung bis zum Abschluss des parallel zum Studium durchgeführten Bachelorstudiums fortdauert. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

19

a) § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist dahin auszulegen, dass der Begriff des Erststudiums nur einen Unterfall des Oberbegriffes der erstmaligen Berufsausbildung darstellt.

20

Der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG lässt zwar sowohl die Interpretation zu, dass durch den Begriff der erstmaligen Berufsausbildung nur Ausbildungsgänge erfasst werden, die kein Studium an einer Hochschule beinhalten, als auch die Interpretation, dass die erstmalige Berufsausbildung den Oberbegriff bildet und das Erststudium nur einen Unterfall der erstmaligen Berufsausbildung darstellt. Der normale Sprachgebrauch spricht jedoch eher für die zweite Auslegungsvariante, da danach üblicherweise --wie im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG-- auch ein Studium als Berufsausbildung anzusehen ist.

21

Diese Auslegung wird auch durch die Gesetzesmaterialien gestützt. So führte der Gesetzgeber aus, nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums bestehe die widerlegbare Vermutung, dass das Kind in der Lage sei, sich selbst zu unterhalten, und dass diese Vermutung durch den Nachweis als widerlegt gelte, dass das Kind sich in "einer weiteren Berufsausbildung" befinde und tatsächlich keiner weiteren (schädlichen) Erwerbstätigkeit nachgehe (BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Insoweit verwendet der Gesetzgeber den Begriff der weiteren Berufsausbildung als Oberbegriff für ein weiteres Studium und eine weitere andere Art der Berufsausbildung. Entsprechendes gilt, soweit der Gesetzgeber ausführt, dass ein Studium dann ein erstmaliges Studium darstelle, wenn es sich um eine "Erstausbildung" handele (BRDrucks 54/11, S. 55 f.).

22

b) Der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendete Berufsausbildungsbegriff ist enger auszulegen als das in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG verwendete Tatbestandsmerkmal "Kind, das ... für einen Beruf ausgebildet wird".

23

Der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gibt auf die Frage, ob der Begriff der Berufsausbildung --wie im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG-- dahin auszulegen ist, dass darunter jede allgemein berufsqualifizierende Maßnahme zu fassen ist, oder ein engeres Verständnis erfordert, allenfalls insoweit eine Antwort, als der Begriff "erstmaligen" darauf hindeutet, dass die Berufsausbildung auf einen Abschluss ausgerichtet sein muss.

24

Auch die Gesetzesmaterialien sprechen dafür, dass der Gesetzgeber für den in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Begriff der Berufsausbildung einen eingeschränkteren Anwendungsbereich vorsehen wollte als für den in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG geregelten Berücksichtigungstatbestand. Danach soll der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendete Begriff der Berufsausbildung enger gefasst sein und sicherstellen, dass nicht bereits jede allgemein berufsqualifizierende Maßnahme zum Verbrauch der Erstausbildung führt (BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Voraussetzung soll danach zum einen sein, dass das Kind durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen, weshalb insbesondere der Besuch einer allgemein bildendenden Schule keine erstmalige Berufsausbildung vermitteln soll. Zum anderen muss der Beruf nach der Gesetzesbegründung durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt werden und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen werden, weshalb beispielsweise ein bloßer Computerkurs nicht für eine Erstausbildung ausreichen soll (BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Ziel dieser beiden Einschränkungen ist es, die berücksichtigungsschädliche Wirkung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu begrenzen.

25

c) Für die Frage, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang zum Verbrauch der Erstausbildung führen soll oder ob bei einer mehraktigen Ausbildung auch ein nachfolgender Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang Teil der Erstausbildung sein kann, ist darauf abzustellen, ob sich der erste Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt.

26

aa) Wortlaut und Gesetzesmaterialien lassen nicht erkennen, ob bereits der erste (objektiv) berufsqualifizierende Abschluss zum Verbrauch der Erstausbildung führen soll. So kann die Formulierung "Eine Berufsausbildung liegt demnach vor, wenn der Steuerpflichtige durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwirbt, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen" (BRDrucks 54/11, S. 55 f.) sowohl dahin interpretiert werden, dass das Kind befähigt sein müsse, irgendeinen Beruf aufzunehmen, als auch dahin, dass es befähigt sein müsse, einen von ihm angestrebten Beruf aufzunehmen.

27

bb) Die systematische Stellung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG und der Sinn und Zweck der Norm sprechen indes dafür, mehraktige Ausbildungsmaßnahmen dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das angestrebte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann (in diesem Sinne auch Seiler in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 32 Rz 17).

28

Die Funktion des steuerlichen Familienleistungsausgleichs besteht primär darin, einen Einkommensbetrag in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung eines Kindes steuerlich freizustellen (§ 31 Satz 1 EStG). Bei Kindern in Ausbildung dient der Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung der Abdeckung des allgemeinen Ausbildungsbedarfs (Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rz A 91), zu dem nach der Rechtsprechung des BFH auch der Ausbildungsunterhalt i.S. von § 1610 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zählt (Urteil vom 17. Dezember 2009 VI R 63/08, BFHE 227, 487, BStBl II 2010, 341). Die steuerliche Berücksichtigung solcher Belastungen ist dabei nicht vollständig in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt. Denn die Eltern können sich ihnen nicht beliebig entziehen, sondern sind im Gegenteil schon nach dem Unterhaltsrecht des BGB weitgehend dazu verpflichtet, ihren Kindern zumindest "eine" Berufsausbildung zu finanzieren (s. hierzu BFH-Urteil in BFHE 227, 487, BStBl II 2010, 341).

29

Unter Berücksichtigung dieser verfassungsrechtlichen Funktion des steuerlichen Familienleistungsausgleichs hat die Rechtsprechung bereits bei der Auslegung des Berufsausbildungsbegriffes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch das durch die Eltern und das Kind definierte Berufsziel miteinbezogen. So ist in ständiger Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass sich in Berufsausbildung befindet, wer "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 366, und in BFH/NV 2013, 531; Senatsurteil in BFH/NV 2012, 930). Unter Berufsausbildung wird deshalb die Erlangung der für die Ausübung des "angestrebten" Berufs geeigneten Grundlagen verstanden (z.B. BFH-Urteile vom 16. April 2002 VIII R 58/01, BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523, Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Offizier; vom 26. August 2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26, betr. Traineetätigkeit). Der BFH erkennt damit zum einen an, dass den Eltern und dem Kind von Verfassungs wegen ein weiter Entscheidungsspielraum bei der Gestaltung der Ausbildung zukommt (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Zum anderen verweist er hinsichtlich dieses Auslegungsergebnisses auf den Sinn und Zweck des seit dem 1. Januar 1996 geltenden steuerrechtlichen Kindergelds, wonach das Existenzminimum eines Kindes von der Besteuerung auszunehmen ist, weil durch den kindbedingten Aufwand die steuerliche Leistungsfähigkeit der Eltern gemindert wird (BFH-Urteil in BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701, unter Verweis auf den BVerfG-Beschluss vom 29. Mai 1990  1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, BStBl II 1990, 653).

30

Dieser systematische Zusammenhang spricht dafür, dass auch im Rahmen der durch § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG erfolgten Abgrenzung --zwischen der steuerlich zu berücksichtigenden Unterhaltsverantwortung der Eltern für "eine" Ausbildung des Kindes und der Verantwortung des Kindes für die eigene Unterhaltssicherung-- bei mehraktigen Ausbildungen das von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel nicht außer Betracht gelassen werden darf. Ist daher aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Abzustellen ist dabei darauf, ob sich die einzelnen Ausbildungsabschnitte als integrative Teile einer einheitlichen Ausbildung darstellen. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden.

31

cc) Nichts anderes ergibt sich aus der in § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG vorgesehenen Einschränkung der Vermutungsregel des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Danach ist eine nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums ausgeübte Erwerbstätigkeit anspruchsunschädlich, wenn sie im Rahmen einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit mit bis zu 20 Stunden, einem Ausbildungsdienstverhältnis oder einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis i.S. der §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch ausgeübt wird.

32

Hintergrund dieser Regelung ist die Überlegung, dass eine Erwerbstätigkeit dann schädlich sein soll, wenn sie Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend in Anspruch nimmt (BRDrucks 54/11, S. 55 f.). Auch in der Literatur (Bering/ Friedenberger NWB 2012, 278, 281) wird argumentiert, dass das Kind seiner Berufsausbildung nicht mehr ernsthaft und hinreichend nachgehen könne, wenn es regelmäßig in Vollzeit arbeite; ebenso sollten Fälle der "Pro-forma-Immatrikulation" eines Vollzeitbeschäftigten aus dem steuerlichen Berücksichtigungstatbestand ausgeschlossen werden. Jedoch erfordert auch der insoweit zum Ausdruck kommende Aspekt der Missbrauchsverhinderung nicht, dass die in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Tatbestandsmerkmale der erstmaligen Berufsausbildung und des Erststudiums immer bereits dann als erfüllt angesehen werden müssen, wenn das Kind --unabhängig vom angestrebten Berufsziel-- irgendeinen berufsqualifizierenden Abschluss erlangt hat. Denn die Vermeidung eines solchen Missbrauchs findet bei konsequenter Anwendung der BFH-Rechtsprechung bereits auf der vorgelagerten Ebene des Berufsausbildungsbegriffes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG statt. Wie bereits ausgeführt wurde, befindet sich ein Kind nur dann in Berufsausbildung, wenn es sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, "sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet" (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 366, und in BFH/NV 2013, 531; Senatsurteil in BFH/NV 2012, 930). Eine strenge Prüfung der Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit der Ausbildungsbemühungen auf der Ebene des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG trägt zudem dazu bei, dass Missbrauch nicht nur im Falle des Abschlusses einer objektiv berufsqualifizierenden Erstausbildung, sondern in jedem von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfassten Fall verhindert werden kann. Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass Kinder, die im Rahmen einer mehraktigen Ausbildung einen ersten Abschluss erlangt haben, häufig nur vorübergehend --insbesondere während weniger lernintensiver Zeiträume wie den Semesterferien-- ihren Erwerbstätigkeitsumfang erhöhen und deshalb ihre gesamte Ausbildung gleichwohl in üblichem Zeitrahmen beenden werden können. Daher dürften in solchen Fällen bereits im Rahmen der Prüfung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG keine Missbrauchsanzeichen erkennbar werden.

33

dd) Für eine Beschränkung des Erstausbildungsbegriffes auf den ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss spricht schließlich auch nicht, dass bei Kindern, die nach einem solchen Abschluss einer den Umfang des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG überschreitenden Erwerbstätigkeit nachgehen, die Freistellung des Existenzminimums des Kindes im Rahmen der Besteuerung der Einkünfte des Kindes stattfindet. Denn selbst bei Annahme einer ganzjährigen Tätigkeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 21 Stunden ergäben sich unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 7,50 € oder 8,50 € --wie er für typische Aushilfstätigkeiten von in Ausbildung befindlichen Kindern nicht unüblich ist-- nach Berücksichtigung üblicher Abzugsbeträge (insbesondere für Werbungskosten) häufig unter dem Existenzminimum liegende Einkünfte des Kindes (s. hierzu auch Felix, NJW 2012, 22, 27, zum Fall einer studentischen Hilfskraft). Dies hätte zur Folge, dass bei Anwendung der Verwaltungsauffassung eine effektive steuerliche Freistellung des Existenzminimums des Kindes sowohl auf der Ebene der Besteuerung der Eltern als auch auf der Ebene der Besteuerung des Kindes fehlschlagen könnte.

34

ee) Schließlich sieht sich der Senat bei der Auslegung der in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Begriffe der erstmaligen beruflichen Ausbildung und des Erststudiums auch nicht an eine ggf. hiervon abweichende Auslegung dieser Begriffe im Rahmen des § 12 Nr. 5 EStG gebunden. Die beiden Regelungen unterscheiden sich bereits insoweit, als sie die steuerliche Anerkennung unterschiedlicher Gegenstände betreffen. Während es im Rahmen des Familienleistungsausgleichs primär um die steuerliche Berücksichtigung des Existenzminimums des in Ausbildung befindlichen Kindes einschließlich des Ausbildungsbedarfs geht, regelt § 12 Nr. 5 EStG die steuerliche Anerkennung von Aufwendungen für die Ausbildung. Entsprechend muss die Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG den Anforderungen des subjektiven Nettoprinzips genügen, während die Rechtsprechung bei der Anwendung des § 12 Nr. 5 EStG die folgerichtige Umsetzung des objektiven Nettoprinzips in den Blick nimmt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 227, 487, BStBl II 2010, 341). Entsprechend hat der BFH auch in seiner bisherigen Rechtsprechung bereits die Unabhängigkeit der beiden Regelungskomplexe betont (BFH-Urteil vom 27. Mai 2003 VI R 33/01, BFHE 202, 314, BStBl II 2004, 884).

35

4. Überträgt man diese Rechtsgrundsätze auf den Streitfall, so ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Erstausbildung des S mit der bestandenen Prüfung zum Steuerfachangestellten noch nicht beendet war.

36

Nach den Feststellungen des FG bildete die Ausbildung zum Steuerfachangestellten einen integrativen Bestandteil einer von S angestrebten mehraktigen Ausbildung, die auch den im Rahmen des Hochschulstudiums zu erlangenden weitergehenden Abschluss zum Bachelor im Studiengang Steuerrecht mitumfasste. Dass die beiden Abschlüsse in einem engen sachlichen Zusammenhang standen, ergibt sich dabei bereits daraus, dass sie sich inhaltlich schwerpunktmäßig auf denselben Fachbereich, den Themenbereich Steuerrecht, bezogen und damit --wenn auch ggf. auf unterschiedlichen Qualifikationsstufen-- auf dasselbe Berufsfeld vorbereiteten. Die Ausbildungsgänge standen auch in einem engen zeitlichen Zusammenhang. Sie wurden zunächst parallel zueinander verfolgt. Nach Beendigung der Ausbildung zum Steuerfachangestellten wurde die Ausbildung zum Bachelor ohne beachtliche Unterbrechung fortgeführt und beendet. Da somit auch der weitergehende Bachelorabschluss noch als Teil der Erstausbildung des S zu qualifizieren ist, hat das FG zu Recht nicht darauf abgestellt, ob S im Streitzeitraum Januar 2012 bis August 2012 einer schädlichen Erwerbstätigkeit i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG nachgegangen ist.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.