Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Juni 2015 - 1 K 213/14

ECLI:ECLI:DE:FGSH:2015:0617.1K213.14.0A
bei uns veröffentlicht am17.06.2015

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die verfahrensrechtliche Befugnis der Beklagten zur Rückabwicklung einer Kindergelddoppelzahlung an den Kläger im Zeitraum November 1999 bis Dezember 2004.

2

Der Kläger ist seit Mai 1995 als Lehrkraft beim Land Schleswig-Holstein beschäftigt. Er war zunächst zeitlich befristet im Angestelltenverhältnis tätig und wurde mit Wirkung zum 1. November 1999 verbeamtet. Der Kläger ist verheiratet und Vater der am 1. Februar 1996 ehelich geborenen Tochter … (nachfolgend A). Am 14./19. Februar 1996 beantragte er bei der Familienkasse des Arbeitsamtes Kindergeld für A. Die Ehefrau und Kindesmutter stimmte der Auszahlung des Kindergeldes an den Kläger zu. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Kopie des Antrages verwiesen. Die Familienkasse des Arbeitsamtes bewilligte antragsgemäß Kindergeld. Dabei ging sie aufgrund einer telefonischen Mitteilung der Gattin des Klägers, welche in einem Vermerk vom 22. Februar 1996 niedergelegt ist, davon aus, dass der Zeitvertrag des Klägers mit dem Land Schleswig-Holstein zum 31. März 1996 auslaufen würde. Tatsächlich wurde das Arbeitsverhältnis des Klägers jedoch verlängert. Im Anschluss an seine Verbeamtung wurde ihm auch vom Landesbesoldungsamt (jetzt: Finanzverwaltungsamt) Kindergeld für A gezahlt. Die Zahlung erfolgte nach Aktenlage ohne Antrag des Klägers und ohne formelle Kindergeldfestsetzung. Sie wurde in den jeweiligen Gehaltsbescheinigungen aufgeführt. Auf den Inhalt der Erstbescheinigung vom 16. November 1999 wird verwiesen. Eine vom Kläger am 7. November 2000 beim Landesbesoldungsamt eingereichte Erklärung zum Familienzuschlag enthält unter der Rubrik Kinder folgende Angaben:

3

Vorname:

A       

Kindschaftsverhältnis:

ehel. 

Familienstand des  Kindes:

ledig 

Geburtsdatum:

01.02.1996

Kindergeld wird gezahlt an:

… [Kläger]

4

Die Familienkasse des Arbeitsamtes erlangte nach Aktenlage keine Kenntnis von der dauerhaften Anstellung und Verbeamtung des Klägers beim Land Schleswig-Holstein. Sie zahlte zunächst weiterhin Kindergeld für A, so dass der Kläger dieses ab November 1999 zweifach vereinnahmte. Durch eine Prüfung des Bundesrechnungshofes und einen von diesem initiierten Datenabgleich wurde die Doppelzahlung aufgedeckt und im August 2008 sowohl der Familienkasse des öffentlichen Dienstes als auch der Familienkasse der Arbeitsagentur zur Kenntnis gebracht. Die Familienkasse der Arbeitsagentur stellte daraufhin ihre Kindergeldzahlungen ab September 2008 bis zur weiteren Klärung des Sachverhalts ein. Mit Bescheid vom 15. August 2008 forderte die Familienkasse des öffentlichen Dienstes den Kläger zur Rückerstattung des überzahlten Kindergeldes auf. Hiergegen gewährte das erkennende Gericht auf Antrag des Klägers durch Beschluss vom 8. September 2009 1 V 47/09 Aussetzung der Vollziehung. Auf den Inhalt der Beschlussgründe wird Bezug genommen. Als Reaktion auf den Gerichtsbeschluss ging die Familienkasse des öffentlichen Dienstes von ihrer sachlichen Unzuständigkeit aus und nahm den ergangenen Bescheid zurück. Das Aufhebungs- und Rückforderungsverfahren wurde sodann von der Familienkasse der Arbeitsagentur betrieben. Mit Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 12. November 2009 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für A gemäß § 70 Abs. 2 EStG für den Zeitraum von November 1999 bis August 2008 auf und forderte die Rückerstattung überzahlten Kindergeldes in Höhe von 15.888,84 €. Der Bescheid enthält u.a. folgende Begründung:

5

„Sie haben nicht angezeigt, dass Ihr Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst in ein Dauerbeschäftigungsverhältnis geändert wurde und damit die Zuständigkeit für die Kindergeldgewährung zur Familienkasse des öffentlichen Dienstes gewechselt hat. Die dortige Familienkasse hat die Kindergeldzahlung ab November 1999 aufgenommen, so dass das Kindergeld von November 1999 bis August 2008 doppelt gezahlt wurde. Unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse und der Dauer der Doppelzahlung ist davon auszugehen, dass die Unterlassung der Mitwirkung bewusst erfolgte. Somit liegt eine Steuerhinterziehung vor. In diesem Fall beträgt die Festsetzungsfrist 10 Jahre“.

6

Der Kläger zahlte auf den geltend gemachten Erstattungsanspruch für den Zeitraum Januar 2005 bis August 2008 insgesamt 6.776 €. Wegen der Kindergeldaufhebung und Rückforderung im Restzeitraum November 1999 bis Dezember 2004 erhob er am 27. November 2009 Einspruch, in dem er u.a. Verjährung einwandte: Im Streitfall gelte die 4-jährige Regelfrist der Verjährung. Die Voraussetzungen einer leichtfertigen Steuerverkürzung oder gar Steuerhinterziehung seien bereits in objektiver Hinsicht nicht gegeben. Die Beklagte habe zu Unrecht die Verletzung einer Mitwirkungspflicht im Sinne des § 68 EStG zugrunde gelegt. Die Anzeigeverpflichtung gemäß § 68 EStG sei hier jedoch nicht einschlägig, weil es dabei lediglich um nachträgliche Veränderungen gehe, die für die Kindergeldleistung als solche erheblich seien. Hierzu gehöre z.B. ein Haushaltswechsel des Kindes, nicht aber eine Verlagerung der sachlichen Behördenzuständigkeit.

7

Die Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 30. August 2010 zurück. Darin stützte es die Kindergeldaufhebung verfahrensrechtlich auf § 174 Abs. 2 i. V. m. § 174 Abs. 1 Satz 1 AO und ging zudem von einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung durch den Kläger aus, so dass hier die 10-jährige Verjährungsfrist einschlägig sei. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung verwiesen.

8

Am 29. September 2010 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen 1 K 226/10 Klage erhoben. Auf den parallelen Aussetzungsantrag vom 12. Oktober 2010 gewährte der erkennende Senat mit Beschluss vom 4. Februar 2011 1 V 245/10 für den Zeitraum November 1999 bis Dezember 2003 Aussetzung der Vollziehung. Zur Begründung stellte der Senat maßgeblich auf unterschiedliche Rechtsprechung der Finanzgerichte zu den verfahrensrechtlichen Grenzen der Rückabwicklung einer Kindergelddoppelzahlung ab. Auf die näheren Beschlussgründe wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom 5. September 2012 hat das Gericht das Ruhen des Hauptsacheverfahrens bis zum Abschluss der beim Bundesfinanzhof anhängigen Revisionssache XI R 42/11 angeordnet. Nach Ergehen des Revisionsurteils hat das Gericht mit Beschluss vom 10. Oktober 2014 die Fortsetzung des Verfahrens unter dem Aktenzeichen 1 K 213/14 angeordnet.

9

Der Kläger macht zuletzt im Wesentlichen geltend: Auch unter Zugrundelegung des BFH-Urteils XI R 42/11 vom 11. Dezember 2013 mangele es an einer Aufhebungsbefugnis der Familienkasse. Sie lasse sich insbesondere nicht auf § 174 Abs. 2 Satz 1 AO stützen. Im Streitfall mangele es bereits an einer doppelten Kindergeldfestsetzung. Unabhängig davon habe der Kläger auch keinen Antrag bzw. keine Erklärung abgegeben, die zur gesonderten Auszahlung des Kindergeldes geführt habe. Der BFH habe zudem ausdrücklich offen gelassen, ob sich eine Aufhebungsbefugnis in Fällen der vorliegenden Art (auch) auf § 70 Abs. 2 EStG stützen lasse.

10

Der Kläger beantragt,
den Kindergeldaufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 12. November 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. August 2010 aufzuheben, soweit er den Zeitraum November 1999 bis Dezember 2004 betrifft.

11

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

12

Die Gründe der Einspruchsentscheidung seien nicht entkräftet. Der Kläger habe die doppelte Kindergeldfestsetzung überwiegend dadurch verursacht, dass er seinen Mitwirkungspflichten nach § 68 EStG nicht nachgekommen sei, indem er den leistungserheblichen Umstand seiner Verbeamtung nicht mitgeteilt habe. Darüber hinaus seien unter den vorliegenden Umständen auch die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 EStG erfüllt.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17. Juni 2015 verwiesen. Die Kindergeldvorgänge und die Besoldungsvorgänge des Finanzverwaltungsamtes sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe

14

Die Klage ist unbegründet.

15

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die durch die Familienkasse der Agentur für Arbeit 1996 erfolgte (unbefristete) Festsetzung des Kindergeldes ist mit Wegfall der sachlichen Zuständigkeit rechtswidrig geworden (1.). Der rechtswidrig gewordene Festsetzungsbescheid konnte rückwirkend gemäß § 70 Abs. 2 EStG korrigiert werden (2.). Einer rückwirkenden Korrektur der Festsetzung stand nicht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen (3.).

16

1. Die Familienkasse der Agentur für Arbeit war in dem streitigen Zeitraum ab November 1999 sachlich für die Festsetzung von Kindergeld nicht mehr zuständig (§ 72 Abs. 1 EStG). Fehlt die sachliche Zuständigkeit zum Erlass eines Bescheides, so ist dieser rechtswidrig. Anders als in Fällen der fehlenden örtlichen Zuständigkeit gibt es weder Möglichkeiten einer Heilung, noch sieht das Gesetz vor, dass ein Verstoß gegen die sachliche Zuständigkeit unbeachtlich sein kann. Dementsprechend regelt § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) AO, dass ein Steuerbescheid aufgehoben werden darf, soweit er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist.

17

Dies gilt entsprechend, wenn bei einem Verwaltungsakt mit Bindungswirkung für die Zukunft – hierzu gehört die Festsetzung von Kindergeld (vgl. BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380, Rz 13) – ab einem bestimmten Zeitpunkt die sachliche Zuständigkeit entfällt. Mit dem Entfallen der sachlichen Zuständigkeit wird der Verwaltungsakt rechtswidrig.

18

Soweit die Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes - DA-FamEStG - vorsah, dass bei einem Wechsel des Arbeitgebers die bisherige Kindergeldfestsetzung nicht berührt werde (DA 72.3.1 DA-FamEStG), kann dahinstehen, ob und unter welchen Umständen eine derartige „Übernahme“ des Regelungsgehaltes eines Festsetzungsbescheides durch die nunmehr sachlich zuständige Behörde denkbar ist. Denn in jedem Fall setzte eine solche "Übernahme" voraus, dass die sachlich zuständige Behörde von dem Vorhandensein des Bescheides Kenntnis hat und sich den Regelungsinhalt des Bescheides zumindest konkludent zu Eigen macht (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 42/11, BFHE 244, 302, BStBl II 2014, 840; vgl. auch Bundeszentralamt für Steuern, BStBl I 2011, 734). Daran fehlt es hier. Nach Aktenlage hatte die Familienkasse des öffentlichen Dienstes keine Kenntnis davon, dass eine nicht aufgehobene Kindergeldfestsetzung der Familienkasse der Agentur für Arbeit vorlag. Es ist auch nichts dafür erkennbar, dass die Familienkasse des öffentlichen Dienstes die Absicht hatte, den aus der Festsetzung der Familienkasse der Agentur für Arbeit resultierenden Anspruch auf Auszahlung des festgesetzten Kindergeldes zu erfüllen.

19

Soweit sich der Kläger im Schriftsatz vom 30. März 2015 (erneut) auf die Entscheidung des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. Oktober 2009 (12 K 113/09) beruft, hat der erkennende Senat bereits im Beschluss vom 4. Februar 2011 im Verfahren 1 V 245/10 deutlich gemacht, dass er die seinerzeit von einigen Finanzgerichten vertretene Auffassung, die Festsetzung der zunächst sachlich zuständigen Familienkasse werde Grundlage für die Auszahlung der später sachlich zuständigen Familienkasse, nicht teilte. Auch der BFH ist dieser Rechtsprechung nicht gefolgt (Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 42/11, a.a.O).

20

2. Die Beklagte war auch verfahrensrechtlich befugt, ihre Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab November 1999 aufzuheben und Kindergeld für den Streitzeitraum November 1999 bis Dezember 2004 zurückzufordern. Allerdings bestehen Zweifel an einer Aufhebungsbefugnis gemäß § 174 Abs. 2 Satz 1 AO (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013, BFH/NV 2014, 954). Dies insbesondere deshalb, weil hier keine zweifache Kindergeldfestsetzung erfolgte und sich auch nicht feststellen ließ, dass der Kläger bereits ab November 1999 Kindergeld (auch) gegenüber der Familienkasse des öffentlichen Dienstes beantragte.

21

Hierauf kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn die Berechtigung zur Aufhebung des rechtswidrig gewordenen Bescheides folgt, soweit sie sich nicht unmittelbar aus § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 b) AO ergeben sollte, jedenfalls aus § 70 Abs. 2 EStG. Nach dieser Norm ist, soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern. Der Wegfall der sachlichen Zuständigkeit der das Kindergeld festsetzenden Stelle ist ein für den Anspruch auf Kindergeld erheblicher Umstand. Denn anders als bei der örtlichen Zuständigkeit geht es bei der Frage der sachlichen Zuständigkeit darum, gegen welchen Rechtsträger ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Hierbei handelt es sich ebenso wie bei der Frage, wem ein Anspruch auf Kindergeld zusteht, um einen für den Anspruch auf Kindergeld wesentlichen Umstand.

22

3. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf Festsetzungsverjährung berufen. Im Streitzeitraum war noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten, weil unter den vorliegenden Umständen die für Steuerhinterziehung geltende Zehnjahresfrist des § 169 Abs. 2 Satz 2, 1. Alt. AO eingreift. Nach Aktenlage bestehen zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine der beteiligten Familienkassen aktiv getäuscht oder sonst auf eine Doppelzahlung hingewirkt hat. Er muss sich jedoch zurechnen lassen, die Beklagte pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen zu haben (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG haben Personen, die Kindergeld beantragen, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen. Diese Verpflichtung hat der Kläger verletzt, indem er der Beklagten nichts vom leistungserheblichen Umstand seiner Verbeamtung und der Aufnahme von Kindergeldzahlungen durch die Familienkasse des öffentlichen Dienstes mitteilte, § 68 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. EStG. Hieraus resultiert zugleich eine Verletzung der Verpflichtung aus § 68 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. EStG: In dem vom Kläger unterzeichneten Vordruck des Arbeitsamtes ist unter Ziffer 8 ausdrücklich auch die Frage nach anderweitig erhaltenem Kindergeld gestellt. Diese Frage hatte er bei Ausfüllung des Vordrucks am 14. Februar 1996 zwar zu Recht verneint. Die Verhältnisse haben sich in diesem ausdrücklich nachgefragten und erklärten Punkt jedoch nachträglich, rechtserheblich geändert, so dass er verpflichtet war, die Änderung mitzuteilen.

23

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles, insbesondere der langen Dauer der Doppelzahlungen ist der Senat auch davon überzeugt, dass der Kläger die Änderungsmitteilung vorsätzlich unterließ und damit den Tatbestand einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung verwirklicht hat. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, er habe zwar die Besoldungsmitteilungen zur Kenntnis genommen, in welchen das Kindergeld betragsmäßig ausgewiesen sei, er habe jedoch gedacht, dass es sich bei dem ausgewiesenen Betrag um das von der Familienkasse der Agentur für Arbeit festgesetzte und ausgezahlte Kindergeld gehandelt habe, vermochte dieser Vortrag den Senat nicht zu überzeugen, zumal sich durch einfachste Rechenoperationen feststellen ließ, dass das ausgewiesene Kindergeld in dem Gesamtbetrag enthalten und nicht lediglich nachrichtlich in die Besoldungsmitteilungen aufgenommen worden war.

24

Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen hätte die Klage auch im Falle einer lediglich leichtfertigen Steuerverkürzung keinen Erfolg. Der Ablauf der Festsetzungsfrist war hier gehemmt, da auch die Verfolgung einer vom Kläger begangenen Steuerordnungswidrigkeit noch nicht verjährt gewesen wäre. Nach § 171 Abs. 7 i. V. m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO endet die Festsetzungsfrist in Fällen der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist. Die ordnungswidrigkeitenrechtliche Verfolgung leichtfertiger Steuerverkürzungen verjährt in fünf Jahren (§ 384 AO). Sie beginnt, sobald die Handlung beendet ist; tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt (§ 31 Abs. 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten -OWiG-). "Handlung" war im Streitfall das Unterlassen der Mitteilung an die Familienkasse über den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen (vgl. § 8 OWiG), das für die Weitergewährung des Kindergeldes bis zur letztmaligen Zahlung im August 2008 kausal war. Der Erfolg der Handlung i.S. von § 31 Abs. 3 Satz 2 OWiG trat erst mit der letzten Auszahlung ein (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 2014 III R 21/13 BFHE 247, 102; Urteil vom 18. Dezember 2014 III R 13/14, BFH/NV 2015, 948).

25

Die Festsetzungsfrist war somit bei Erlass des Aufhebungsbescheids vom 12. November 2009 unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt abgelaufen. Aufgrund der rechtmäßigen Aufhebung der Kindergeldbewilligung war die Beklagte gemäß § 37 Abs. 2 AO auch zur Rückforderung des rechtsgrundlos gezahlten Kindergeldes berechtigt (vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 2013 XI R 42/11, BFH/NV 2014, 954).

26

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Der Senat erachtet es für sachgerecht, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, da die Anwendbarkeit des § 70 Abs. 2 EStG auf Fälle der vorliegenden Art noch nicht höchstrichterlich geklärt ist.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Juni 2015 - 1 K 213/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Juni 2015 - 1 K 213/14

Referenzen - Gesetze

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Juni 2015 - 1 K 213/14 zitiert 16 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 100


(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an di

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 370 Steuerhinterziehung


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,2.die Finanzbehörden pflichtwidrig über steu

Abgabenordnung - AO 1977 | § 37 Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis


(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregel

Abgabenordnung - AO 1977 | § 174 Widerstreitende Steuerfestsetzungen


(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuhe

Einkommensteuergesetz - EStG | § 70 Festsetzung und Zahlung des Kindergeldes


(1) 1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt. 2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kinder

Einkommensteuergesetz - EStG | § 68 Besondere Mitwirkungspflichten und Offenbarungsbefugnis


(1) 1Wer Kindergeld beantragt oder erhält, hat Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteil

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 31 Verfolgungsverjährung


(1) Durch die Verjährung werden die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und die Anordnung von Nebenfolgen ausgeschlossen. § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt. (2) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten verjährt, wenn das Gesetz nichts ande

Einkommensteuergesetz - EStG | § 72 Festsetzung und Zahlung des Kindergeldes an Angehörige des öffentlichen Dienstes


(1)1Steht Personen, die1.in einem öffentlich-rechtlichen Dienst-, Amts- oder Ausbildungsverhältnis stehen, mit Ausnahme der Ehrenbeamten,2.Versorgungsbezüge nach beamten- oder soldatenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen erhalten oder3.Arbeitneh

Abgabenordnung - AO 1977 | § 384 Verfolgungsverjährung


Die Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten nach den §§ 378 bis 380 verjährt in fünf Jahren.

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 8 Begehen durch Unterlassen


Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand einer Bußgeldvorschrift gehört, handelt nach dieser Vorschrift nur dann ordnungswidrig, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Juni 2015 - 1 K 213/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Juni 2015 - 1 K 213/14 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 18. Dez. 2014 - III R 13/14

bei uns veröffentlicht am 18.12.2014

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. Februar 2014  12 K 1957/13 aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Bundesfinanzhof Urteil, 11. Dez. 2013 - XI R 42/11

bei uns veröffentlicht am 11.12.2013

Tatbestand 1 I. Streitig sind die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) doppelt bezogenen Kindergeldes.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Juni 2015 - 1 K 213/14.

Bundesfinanzhof Urteil, 06. Apr. 2017 - III R 33/15

bei uns veröffentlicht am 06.04.2017

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 17. Juni 2015  1 K 213/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Referenzen

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1)1Wer Kindergeld beantragt oder erhält, hat Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen.2Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist auf Verlangen der Familienkasse verpflichtet, an der Aufklärung des für die Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalts mitzuwirken; § 101 der Abgabenordnung findet insoweit keine Anwendung.

(2) (weggefallen)

(3) Auf Antrag des Berechtigten erteilt die das Kindergeld auszahlende Stelle eine Bescheinigung über das für das Kalenderjahr ausgezahlte Kindergeld.

(4)1Die Familienkassen dürfen den Stellen, die die Bezüge im öffentlichen Dienst anweisen, den für die jeweilige Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalt durch automatisierte Abrufverfahren bereitstellen oder Auskunft über diesen Sachverhalt erteilen.2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung von automatisierten Abrufen nach Satz 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Datenabruf erfolgen darf, festzulegen.

(5)1Zur Erfüllung der in § 31a Absatz 2 der Abgabenordnung genannten Mitteilungspflichten dürfen die Familienkassen den Leistungsträgern, die für Leistungen der Arbeitsförderung nach § 19 Absatz 2, für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19a Absatz 2, für Kindergeld, Kinderzuschlag, Leistungen für Bildung und Teilhabe und Elterngeld nach § 25 Absatz 3 oder für Leistungen der Sozialhilfe nach § 28 Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch zuständig sind, und den nach § 9 Absatz 1 Satz 2 des Unterhaltsvorschussgesetzes zuständigen Stellen den für die jeweilige Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalt durch automatisierte Abrufverfahren bereitstellen.2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung von automatisierten Abrufen nach Satz 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Datenabruf erfolgen darf, festzulegen.

(6)1Zur Prüfung und Bemessung der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe j in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe z der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/492 (ABI. L 76 vom 22.3.2017, S. 13) geändert worden ist, genannten Familienleistungen dürfen die Familienkassen den zuständigen öffentlichen Stellen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union den für die jeweilige Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalt durch automatisierte Abrufverfahren bereitstellen.2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung von automatisierten Abrufen nach Satz 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Datenabruf erfolgen darf, festzulegen.

(7)1Die Datenstelle der Rentenversicherung darf den Familienkassen in einem automatisierten Abrufverfahren die zur Überprüfung des Anspruchs auf Kindergeld nach § 62 Absatz 1a und 2 erforderlichen Daten übermitteln; § 79 Absatz 2 bis 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.2Die Träger der Leistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch dürfen den Familienkassen in einem automatisierten Abrufverfahren die zur Überprüfung des Anspruchs auf Kindergeld nach § 62 erforderlichen Daten übermitteln.3Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Voraussetzungen für das Abrufverfahren und Regelungen zu den Kosten des Verfahrens nach Satz 2 festzulegen.

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

Tatbestand

1

I. Streitig sind die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) doppelt bezogenen Kindergeldes.

2

Der seinerzeit bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigte Kläger bezog für seine in den Jahren 1988 und 1993 geborenen Kinder laufend Kindergeld, das zunächst von der früheren Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) ausgezahlt wurde.

3

Aufgrund einer zum 1. Januar 1996 vom Gesetzgeber eingeführten Verpflichtung (§ 73 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- a.F.) zahlte der private Arbeitgeber ab diesem Zeitpunkt dem Kläger das Kindergeld in von der Familienkasse bescheinigter Höhe aus.

4

Zum 1. Oktober 1996 wechselte der Kläger in den öffentlichen Dienst und begründete ein Arbeitsverhältnis mit der Stadt B (Stadt). Dadurch ging die Zuständigkeit zur Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes auf die Stadt über (§ 72 EStG a.F.). In dem im Oktober 1996 bei der Stadt eingereichten Antrag auf Gewährung von Kindergeld verneinte der Kläger die Frage, ob er, seine Ehefrau oder ein Dritter für die beiden Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe. Überdies verneinte er in diesem Antrag die Frage, ob er, seine Ehefrau oder eine andere Person im öffentlichen Dienst beschäftigt sei.

5

Daraufhin erhielt der Kläger ab dem 1. Oktober 1996 von der Stadt das --offen in den Lohn-/Gehaltsabrechnungen ausgewiesene-- Kindergeld.

6

Im November 1998 teilte die Familienkasse dem Kläger mit, dass sie ab dem 1. Januar 1999 aufgrund einer Gesetzesänderung (erneut) für die Auszahlung des Kindergeldes zuständig sei, und bat um Überprüfung der Bankverbindung. Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hatte, zahlte die Familienkasse ab Januar 1999 Kindergeld an den Kläger aus, der daneben (weiterhin) von der Stadt Kindergeld erhielt.

7

Im Jahr 2006 beantragte der Kläger sowohl bei der Familienkasse als auch bei der Stadt die Fortzahlung des Kindergeldes für sein ältestes Kind, das in diesem Jahr das 18. Lebensjahr vollendete und sich noch in einer Berufsausbildung befand. Der Antrag hatte Erfolg; der Kläger bezog daher weiterhin für beide Kinder Kindergeld von der Familienkasse und von der Stadt.

8

In einem bei der Familienkasse Ende 2008 eingereichten Antragsformular zur Fortzahlung des Kindergeldes für das weiterhin in der Berufsausbildung befindliche Kind verneinte der Kläger erneut die Frage, ob er im öffentlichen Dienst beschäftigt sei. Da nach einer Prognoseberechnung für das Jahr 2009 die Einkünfte und Bezüge dieses Kindes den für die Gewährung von Kindergeld maßgeblichen Jahresgrenzbetrag überstiegen, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für dieses Kind ab Januar 2009 auf.

9

Im Rahmen des anschließenden Einspruchsverfahrens teilte der Kläger der Familienkasse im April 2009 den doppelten Bezug des Kindergeldes mit. Daraufhin hob diese mit Bescheid vom 27. Juli 2009 für beide Kinder des Klägers die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 1999 bis April 2009 auf. Sie stützte die Aufhebung auf § 70 Abs. 2 EStG. Gleichzeitig forderte sie das von ihr für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld zurück. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

10

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im Wesentlichen statt. Der Aufhebungsbescheid sei rechtswidrig. Wegen des am 1. Oktober 1996 erfolgten Arbeitgeberwechsels sei die sachliche Zuständigkeit für die Kindergeldfestsetzung auf die Stadt übergegangen. Mithin habe die Kindergeldfestsetzung seitdem nicht mehr zur Disposition der Familienkasse gestanden. Überdies sei der von der Familienkasse erlassene Rückforderungsbescheid wegen Eintritts der Zahlungsverjährung rechtswidrig, soweit er den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2003 betreffe. Im Übrigen (wegen Rückforderung von Kindergeld für 2004) wies das FG die Klage ab.

11

Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1073 veröffentlicht.

12

Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse die Verletzung von §§ 70 und 72 EStG.

13

Sie beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben wurde, und die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Er hält die Vorentscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

16

II. Im Streitfall hat zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden; Beklagte und Revisionsklägerin ist nunmehr die Familienkasse Bayern Nord (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Mai 2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040, Rz 11; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, BFH/NV 2013, 1774, Rz 14). Das Rubrum des Verfahrens ist deshalb zu ändern.

III.

17

Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Aufhebung der Vorentscheidung und insoweit zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

18

1. Entgegen der Auffassung des FG war die Familienkasse befugt, die zugunsten des Klägers ergangene Kindergeldfestsetzung aufzuheben. Rechtsgrundlage hierfür ist § 174 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

19

a) Nach § 174 Abs. 2 Satz 1 AO ist ein fehlerhafter Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise in mehreren Steuerbescheiden zugunsten eines Steuerpflichtigen berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen. Dies gilt allerdings nur, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist (§ 174 Abs. 2 Satz 2 AO). Daher ist die Änderung bzw. Aufhebung eines Steuerbescheides nach § 174 Abs. 2 AO nur möglich, wenn der Steuerpflichtige selbst (allein oder überwiegend) die fehlerhafte Berücksichtigung verursacht hat und aus diesem Grund nicht auf die Bestandskraft des ihn im Ergebnis begünstigenden Steuerbescheides vertrauen kann (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 24. Juni 2004 XI B 63/02, BFH/NV 2005, 1, unter II.2.; BFH-Urteil vom 3. März 2011 III R 45/08, BFHE 233, 6, BStBl II 2011, 673, Rz 16, jeweils m.w.N.).

20

Diese Norm gilt gemäß § 155 Abs. 4 AO sinngemäß für Kindergeldfestsetzungen, da das Kindergeld nach § 31 Satz 3 EStG "als Steuervergütung" gezahlt wird.

21

b) Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 AO für eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung lagen vor.

22

aa) Im Streitfall ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Bescheiden zugunsten des Klägers berücksichtigt worden.

23

(1) Zunächst hat die Familienkasse Kindergeld festgesetzt.

24

Dies ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438), wonach das bis zum 31. Dezember 1995 nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes gewährte Kindergeld als nach den Vorschriften des EStG festgesetzt gilt. Da das FG festgestellt hat, dass dem Kläger seit der Geburt seiner Kinder in den Jahren 1988 bzw. 1993 Kindergeld gewährt wurde, liegt die nach § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 fingierte Neufestsetzung des Kindergeldes vor, die Gegenstand einer Änderung sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2000 VI R 100/99, BFH/NV 2001, 21, unter 1.a bb).

25

Auch wenn § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) aufgehoben worden ist, ist die Regelung ihrer Wirkung nach zeitlich nicht beschränkt (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 78 EStG Rz 2, m.w.N.), so dass auch die im Streitfall gegebene Festsetzungsfiktion nicht durch die Aufhebung des § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 entfallen ist.

26

(2) Dass die Familienkasse in dem Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 1998 keine Auszahlungen vornahm, steht entgegen der Auffassung des FG der Annahme einer Festsetzung von Kindergeld nicht entgegen.

27

Denn die Festsetzung des Kindergeldes entfaltet Bindungswirkung für die Zukunft (vgl. BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380, Rz 13, m.w.N.), weshalb es für ihre Aufhebung eines entsprechenden Bescheides bedarf. Die bloße Unterbrechung der Auszahlung des Kindergeldes durch die Familienkasse ist keine Aufhebung in diesem Sinne. Denn diese Unterbrechung hatte ihren Grund lediglich darin, dass die Zahlung ab dem 1. Januar 1996 nach § 73 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 i.V.m. § 52 Abs. 63 EStG durch den privatrechtlichen Arbeitgeber erfolgte. Hierfür war jedoch eine Festsetzung nach § 70 Abs. 1 EStG Grundlage (HHR/Bergkemper, § 73 EStG Rz 16). Auf dieser Basis nahm die Familienkasse mangels einer bis dahin erfolgten Aufhebung mit Beginn des Jahres 1999 wieder die laufenden Auszahlungen vor.

28

(3) Daneben hat für den Streitzeitraum auch die Stadt Kindergeld dadurch konkludent festgesetzt, dass sie auf den bei ihr gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für Angehörige des öffentlichen Dienstes vom 10. Oktober 1996, in dem dieser unter Ziffer 8. die Frage, ob er oder eine andere Person für die Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, ausdrücklich verneint hatte, Kindergeld an den Kläger ausgezahlt hat. Davon ist auch das FG ausgegangen.

29

Die Festsetzung durch die Stadt ergibt sich jedenfalls aus § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in der seinerzeit geltenden Fassung, wonach § 157 AO, der an sich eine schriftliche Bescheiderteilung vorsieht, nicht galt, soweit dem Antrag entsprochen wurde (vgl. zur Abgrenzung BFH-Beschluss vom 31. März 2005 III B 189/04, BFH/NV 2005, 1305). Der Gesetzgeber hat damals u.a. für diesen Fall auf eine schriftliche Bescheiderteilung verzichtet, um das bei der Arbeitsverwaltung eingespielte Verfahren der Kindergeldzahlung im Interesse der Bürger und der Verwaltung beibehalten zu können (vgl. BTDrucks 13/1558, 161). Die Bekanntgabe der konkludenten Kindergeldfestsetzung erfolgte durch die erste Auszahlung (Überweisung) des Kindergeldes und der Bekanntgabe des Auszahlungsbetrages (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 24. April 1998  4 K 1755/97, juris; Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 70 Rz B 7) und blieb über den 1. Januar 2007 hinaus bestehen (vgl. Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 22. Januar 2013  4 K 1779/10, EFG 2013, 1555).

30

Aus dem Umstand, dass bei einem Wechsel des Arbeitgebers die bisherige Kindergeldfestsetzung nicht berührt werden soll (vgl. z.B. HHR/Wendl, § 72 EStG Rz 33; Blümich/Treiber, § 72 EStG Rz 76; DA 72.3.1 Abs. 7 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG--, BStBl I 2009, 1030; s. nunmehr aber DA 72.3.2 DA-FamEStG), ergibt sich im Streitfall schon deshalb nichts anderes, weil der Stadt die Kindergeldfestsetzung der Familienkasse nicht bekannt war, nachdem der Kläger ihr diese unter Ziffer 8. des Antrags verschwiegen hatte. Schon deshalb ist in der Auszahlung des Kindergeldes durch die Stadt zugleich eine weitere Kindergeldfestsetzung mit Bekanntgabewille zu sehen, mit der die Stadt dem bei ihr gestellten Antrag vom 10. Oktober 1996 i.S. des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F. entsprochen hat.

31

bb) Diese mehrfache Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhaltes, nämlich die doppelte Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder des Klägers, i.S. des § 174 Abs. 2 Satz 1 AO war mit der geltenden Rechtslage unvereinbar. Denn gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt, woraus sich u.a. ergibt, dass das Kindergeld für ein und dasselbe Kind nicht doppelt gewährt werden darf (BFH-Urteil vom 1. Juli 2003 VIII R 94/01, BFH/NV 2004, 25, unter II.1., m.w.N.).

32

cc) Nach den tatsächlichen den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger die doppelte Festsetzung des Kindergeldes zumindest überwiegend verursacht.

33

Denn diese ist darauf zurückzuführen, dass der Kläger jedenfalls seiner besonderen Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht nachgekommen war, indem er den Arbeitgeberwechsel gegenüber der Familienkasse nicht anzeigte (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Juni 2009  15 K 37/09 Kg, EFG 2009, 1519, unter 2.a; Urteil des FG Köln vom 17. September 2009  10 K 4058/08, EFG 2010, 380, unter 3.b bb). Aufgrund dieser von dem Kläger selbst verursachten unvereinbaren Mehrfachberücksichtigung konnte er nicht auf die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung vertrauen. Anhaltspunkte für einen Verursachungsbeitrag der Familienkasse sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

34

dd) Anders als es das FG meint, war die Familienkasse auch nach dem Wechsel des Klägers in den öffentlichen Dienst im Oktober 1996 zu einer Aufhebung der Kindergeldfestsetzung befugt.

35

Denn die Befugnis nach § 174 Abs. 2 AO steht der Behörde zu, die den fehlerhaften Bescheid erlassen hat (vgl. im Ergebnis BFH-Urteil vom 9. Mai 2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566, Rz 20 ff., zu § 174 Abs. 1 AO; Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2009, 1519, unter 2.; Urteil des FG Köln in EFG 2010, 380, unter 2.b).

36

c) Ob darüber hinaus die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG gegeben sind, lässt der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen. Selbst wenn die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nicht auf § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG hätte gestützt werden können, stünde einer rechtmäßigen Aufhebung nicht entgegen, dass die Familienkasse diese Norm in dem Aufhebungsbescheid als Rechtsgrundlage angegeben hat. Denn insoweit handelte es sich um eine unzutreffende, jedoch auswechselbare Begründung. Entscheidend ist lediglich, dass die Festsetzung --wie hier-- materiell-rechtlich ergehen durfte (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87, unter II.1.b, m.w.N.).

37

2. Da mithin die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 AO gegeben sind und der Familienkasse die sachliche Befugnis zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung zustand, kommt es darauf an, ob für den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2004 die Festsetzungsfrist abgelaufen war. Dies bestimmt sich nach den §§ 169 ff. AO, die gemäß § 155 Abs. 4 AO i.V.m. § 31 Satz 3 EStG ebenfalls sinngemäß anzuwenden sind.

38

a) Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Beurteilung, ob der Kläger eine gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zur Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre führende Steuerhinterziehung (§ 370 AO) begangen hat, was naheliegt.

39

b) Sollte sich dabei ergeben, dass die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Aufhebungsbescheids vom 27. Juli 2009 noch nicht abgelaufen war, wäre der Kläger nach § 37 Abs. 2 AO verpflichtet, das an ihn seit Januar 1999 gezahlte Kindergeld zu erstatten.

40

Denn ist eine Steuervergütung, zu der das Kindergeld --wie bereits ausgeführt-- gemäß § 31 Satz 3 EStG gehört, ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, hat derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Diese Rechtsfolgen treten gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung --wie hier aufgrund des Aufhebungsbescheides-- später wegfällt.

41

c) Soweit das FG meint, für die Zeiträume vor dem 1. Januar 2004 sei eine den Rückforderungsanspruch ausschließende Zahlungsverjährung eingetreten, geht dies fehl.

42

aa) Denn die gemäß § 228 Satz 2 AO fünf Jahre betragende Verjährungsfrist beginnt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 2 AO bei einer den Zahlungsanspruch begründenden Aufhebung der Festsetzung nicht vor dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufhebung wirksam geworden ist. Da der mit dem Aufhebungsbescheid vom 27. Juli 2009 verbundene Rückforderungsbescheid durch seine Bekanntgabe im Jahr 2009 wirksam wurde (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO), begann die Zahlungsverjährung erst mit dem Ablauf des Jahres 2009.

43

bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom FG in diesem Zusammenhang angeführten Literaturansicht, wonach die Fälligkeit in den Fällen einer Doppelzahlung bereits mit der ungerechtfertigten Auszahlung beginne (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 37 AO Rz 122; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 229 AO Rz 1c).

44

Diese Ausführungen betreffen die im Streitfall nicht gegebene Konstellation, dass eine einmal festgesetzte Steuererstattung bzw. Steuervergütung mehrfach an den Gläubiger geleistet wird, mangels entsprechender Festsetzung ohne Rechtsgrund gezahlt worden ist und mithin der Rückforderungsanspruch gemäß § 220 Abs. 2 Satz 1 AO im Zeitpunkt der Auszahlung entstanden ist. In diesen Fällen steht § 229 Abs. 1 Satz 2 AO einer Zahlungsverjährung nicht entgegen, weil sich der hier in Betracht kommende Rückforderungsanspruch ohne seine vorherige Festsetzung und ohne Aufhebung einer etwa entgegenstehenden Festsetzung allein durch die Auszahlung ergibt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. Februar 2002 VII R 33/01, BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447, unter II.2.b; vom 12. Mai 2009 IX R 2/08, BFH/NV 2009, 1404, unter II.a).

45

Wird dagegen --wie hier-- eine rechtswidrige und damit anfechtbare Steuerfestsetzung aufgehoben, wird der Rückforderungsanspruch mit der Bekanntgabe des Änderungs- oder Aufhebungsbescheides fällig (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO), so dass die Zahlungsverjährung entsprechend der Regelung des § 229 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz 54; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 229 AO Rz 3).

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1)1Wer Kindergeld beantragt oder erhält, hat Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen.2Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist auf Verlangen der Familienkasse verpflichtet, an der Aufklärung des für die Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalts mitzuwirken; § 101 der Abgabenordnung findet insoweit keine Anwendung.

(2) (weggefallen)

(3) Auf Antrag des Berechtigten erteilt die das Kindergeld auszahlende Stelle eine Bescheinigung über das für das Kalenderjahr ausgezahlte Kindergeld.

(4)1Die Familienkassen dürfen den Stellen, die die Bezüge im öffentlichen Dienst anweisen, den für die jeweilige Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalt durch automatisierte Abrufverfahren bereitstellen oder Auskunft über diesen Sachverhalt erteilen.2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung von automatisierten Abrufen nach Satz 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Datenabruf erfolgen darf, festzulegen.

(5)1Zur Erfüllung der in § 31a Absatz 2 der Abgabenordnung genannten Mitteilungspflichten dürfen die Familienkassen den Leistungsträgern, die für Leistungen der Arbeitsförderung nach § 19 Absatz 2, für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19a Absatz 2, für Kindergeld, Kinderzuschlag, Leistungen für Bildung und Teilhabe und Elterngeld nach § 25 Absatz 3 oder für Leistungen der Sozialhilfe nach § 28 Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch zuständig sind, und den nach § 9 Absatz 1 Satz 2 des Unterhaltsvorschussgesetzes zuständigen Stellen den für die jeweilige Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalt durch automatisierte Abrufverfahren bereitstellen.2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung von automatisierten Abrufen nach Satz 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Datenabruf erfolgen darf, festzulegen.

(6)1Zur Prüfung und Bemessung der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe j in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe z der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/492 (ABI. L 76 vom 22.3.2017, S. 13) geändert worden ist, genannten Familienleistungen dürfen die Familienkassen den zuständigen öffentlichen Stellen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union den für die jeweilige Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalt durch automatisierte Abrufverfahren bereitstellen.2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung von automatisierten Abrufen nach Satz 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Datenabruf erfolgen darf, festzulegen.

(7)1Die Datenstelle der Rentenversicherung darf den Familienkassen in einem automatisierten Abrufverfahren die zur Überprüfung des Anspruchs auf Kindergeld nach § 62 Absatz 1a und 2 erforderlichen Daten übermitteln; § 79 Absatz 2 bis 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.2Die Träger der Leistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch dürfen den Familienkassen in einem automatisierten Abrufverfahren die zur Überprüfung des Anspruchs auf Kindergeld nach § 62 erforderlichen Daten übermitteln.3Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Voraussetzungen für das Abrufverfahren und Regelungen zu den Kosten des Verfahrens nach Satz 2 festzulegen.

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1) Soweit ein angefochtener Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und die etwaige Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf auf; die Finanzbehörde ist an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der Aufhebung zugrunde liegt, an die tatsächliche so weit, als nicht neu bekannt werdende Tatsachen und Beweismittel eine andere Beurteilung rechtfertigen. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, dass und wie die Finanzbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, dass die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Satz 1 gilt nicht, soweit der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht nachgekommen ist und deshalb die Besteuerungsgrundlagen geschätzt worden sind. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlass des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, dass Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluss kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1)1Steht Personen, die

1.
in einem öffentlich-rechtlichen Dienst-, Amts- oder Ausbildungsverhältnis stehen, mit Ausnahme der Ehrenbeamten,
2.
Versorgungsbezüge nach beamten- oder soldatenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen erhalten oder
3.
Arbeitnehmer einer Körperschaft, einer Anstalt oder einer Stiftung des öffentlichen Rechts sind, einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten,
Kindergeld nach Maßgabe dieses Gesetzes zu, wird es von den Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts als Familienkassen festgesetzt und ausgezahlt.2Das Bundeszentralamt für Steuern erteilt den Familienkassen ein Merkmal zu ihrer Identifizierung (Familienkassenschlüssel).3Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts gegenüber dem Bundeszentralamt für Steuern auf ihre Zuständigkeit zur Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes schriftlich oder elektronisch verzichtet haben und dieser Verzicht vom Bundeszentralamt für Steuern schriftlich oder elektronisch bestätigt worden ist.4Die Bestätigung des Bundeszentralamts für Steuern darf erst erfolgen, wenn die haushalterischen Voraussetzungen für die Übernahme der Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes durch die Bundesagentur für Arbeit vorliegen.5Das Bundeszentralamt für Steuern veröffentlicht die Namen und die Anschriften der Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts, die nach Satz 3 auf die Zuständigkeit verzichtet haben, sowie den jeweiligen Zeitpunkt, zu dem der Verzicht wirksam geworden ist, im Bundessteuerblatt.6Hat eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts die Festsetzung des Kindergeldes auf eine Landesfamilienkasse im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 11 Satz 6 und 7 des Finanzverwaltungsgesetzes übertragen, kann ein Verzicht nach Satz 3 nur durch die Landesfamilienkasse im Einvernehmen mit der auftraggebenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung wirksam erklärt werden.7Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts nach dem 31. Dezember 2018 errichtet wurden; das Bundeszentralamt für Steuern kann auf Antrag eine Ausnahmegenehmigung erteilen, wenn das Kindergeld durch eine Landesfamilienkasse im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 11 Satz 6 bis 8 des Finanzverwaltungsgesetzes festgesetzt und ausgezahlt wird und kein Verzicht nach Satz 3 vorliegt.

(2) (weggefallen)

(3) Absatz 1 gilt nicht für Personen, die ihre Bezüge oder ihr Arbeitsentgelt

1.
von einem Dienstherrn oder Arbeitgeber im Bereich der Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts,
2.
von einem Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege, einem diesem unmittelbar oder mittelbar angeschlossenen Mitgliedsverband oder einer einem solchen Verband angeschlossenen Einrichtung oder Anstalt oder
3.
von einem Dienstherrn oder Arbeitgeber im Bereich des Bundes mit Ausnahme des Bundesnachrichtendienstes
erhalten.

(4) Absatz 1 gilt nicht für Personen, die voraussichtlich nicht länger als sechs Monate in den Kreis der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 Bezeichneten eintreten.

(5) Obliegt mehreren Rechtsträgern die Zahlung von Bezügen oder Arbeitsentgelt (Absatz 1 Satz 1) gegenüber einem Berechtigten, so ist für die Durchführung dieses Gesetzes zuständig:

1.
bei Zusammentreffen von Versorgungsbezügen mit anderen Bezügen oder Arbeitsentgelt der Rechtsträger, dem die Zahlung der anderen Bezüge oder des Arbeitsentgelts obliegt;
2.
bei Zusammentreffen mehrerer Versorgungsbezüge der Rechtsträger, dem die Zahlung der neuen Versorgungsbezüge im Sinne der beamtenrechtlichen Ruhensvorschriften obliegt;
3.
bei Zusammentreffen von Arbeitsentgelt (Absatz 1 Satz 1 Nummer 3) mit Bezügen aus einem der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bezeichneten Rechtsverhältnisse der Rechtsträger, dem die Zahlung dieser Bezüge obliegt;
4.
bei Zusammentreffen mehrerer Arbeitsentgelte (Absatz 1 Satz 1 Nummer 3) der Rechtsträger, dem die Zahlung des höheren Arbeitsentgelts obliegt oder – falls die Arbeitsentgelte gleich hoch sind – der Rechtsträger, zu dem das zuerst begründete Arbeitsverhältnis besteht.

(6)1Scheidet ein Berechtigter im Laufe eines Monats aus dem Kreis der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 Bezeichneten aus oder tritt er im Laufe eines Monats in diesen Kreis ein, so wird das Kindergeld für diesen Monat von der Stelle gezahlt, die bis zum Ausscheiden oder Eintritt des Berechtigten zuständig war.2Dies gilt nicht, soweit die Zahlung von Kindergeld für ein Kind in Betracht kommt, das erst nach dem Ausscheiden oder Eintritt bei dem Berechtigten nach § 63 zu berücksichtigen ist.3Ist in einem Fall des Satzes 1 das Kindergeld bereits für einen folgenden Monat gezahlt worden, so muss der für diesen Monat Berechtigte die Zahlung gegen sich gelten lassen.

(7)1In den Abrechnungen der Bezüge und des Arbeitsentgelts ist das Kindergeld gesondert auszuweisen, wenn es zusammen mit den Bezügen oder dem Arbeitsentgelt ausgezahlt wird.2Der Rechtsträger hat die Summe des von ihm für alle Berechtigten ausgezahlten Kindergeldes dem Betrag, den er insgesamt an Lohnsteuer einzubehalten hat, zu entnehmen und unter Angabe des in Absatz 1 genannten Familienkassenschlüssels bei der nächsten Lohnsteuer-Anmeldung gesondert abzusetzen.3Übersteigt das insgesamt ausgezahlte Kindergeld den Betrag, der insgesamt an Lohnsteuer abzuführen ist, so wird der übersteigende Betrag dem Rechtsträger auf Antrag von dem Finanzamt, an das die Lohnsteuer abzuführen ist, aus den Einnahmen der Lohnsteuer ersetzt.

(8)1Abweichend von Absatz 1 Satz 1 werden Kindergeldansprüche auf Grund über- oder zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften durch die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit festgesetzt und ausgezahlt.2Dies gilt auch für Fälle, in denen Kindergeldansprüche sowohl nach Maßgabe dieses Gesetzes als auch auf Grund über- oder zwischenstaatlicher Rechtsvorschriften bestehen.3Die Sätze 1 und 2 sind auf Kindergeldansprüche von Angehörigen des Bundesnachrichtendienstes nicht anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Streitig sind die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) doppelt bezogenen Kindergeldes.

2

Der seinerzeit bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigte Kläger bezog für seine in den Jahren 1988 und 1993 geborenen Kinder laufend Kindergeld, das zunächst von der früheren Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) ausgezahlt wurde.

3

Aufgrund einer zum 1. Januar 1996 vom Gesetzgeber eingeführten Verpflichtung (§ 73 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- a.F.) zahlte der private Arbeitgeber ab diesem Zeitpunkt dem Kläger das Kindergeld in von der Familienkasse bescheinigter Höhe aus.

4

Zum 1. Oktober 1996 wechselte der Kläger in den öffentlichen Dienst und begründete ein Arbeitsverhältnis mit der Stadt B (Stadt). Dadurch ging die Zuständigkeit zur Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes auf die Stadt über (§ 72 EStG a.F.). In dem im Oktober 1996 bei der Stadt eingereichten Antrag auf Gewährung von Kindergeld verneinte der Kläger die Frage, ob er, seine Ehefrau oder ein Dritter für die beiden Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe. Überdies verneinte er in diesem Antrag die Frage, ob er, seine Ehefrau oder eine andere Person im öffentlichen Dienst beschäftigt sei.

5

Daraufhin erhielt der Kläger ab dem 1. Oktober 1996 von der Stadt das --offen in den Lohn-/Gehaltsabrechnungen ausgewiesene-- Kindergeld.

6

Im November 1998 teilte die Familienkasse dem Kläger mit, dass sie ab dem 1. Januar 1999 aufgrund einer Gesetzesänderung (erneut) für die Auszahlung des Kindergeldes zuständig sei, und bat um Überprüfung der Bankverbindung. Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hatte, zahlte die Familienkasse ab Januar 1999 Kindergeld an den Kläger aus, der daneben (weiterhin) von der Stadt Kindergeld erhielt.

7

Im Jahr 2006 beantragte der Kläger sowohl bei der Familienkasse als auch bei der Stadt die Fortzahlung des Kindergeldes für sein ältestes Kind, das in diesem Jahr das 18. Lebensjahr vollendete und sich noch in einer Berufsausbildung befand. Der Antrag hatte Erfolg; der Kläger bezog daher weiterhin für beide Kinder Kindergeld von der Familienkasse und von der Stadt.

8

In einem bei der Familienkasse Ende 2008 eingereichten Antragsformular zur Fortzahlung des Kindergeldes für das weiterhin in der Berufsausbildung befindliche Kind verneinte der Kläger erneut die Frage, ob er im öffentlichen Dienst beschäftigt sei. Da nach einer Prognoseberechnung für das Jahr 2009 die Einkünfte und Bezüge dieses Kindes den für die Gewährung von Kindergeld maßgeblichen Jahresgrenzbetrag überstiegen, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für dieses Kind ab Januar 2009 auf.

9

Im Rahmen des anschließenden Einspruchsverfahrens teilte der Kläger der Familienkasse im April 2009 den doppelten Bezug des Kindergeldes mit. Daraufhin hob diese mit Bescheid vom 27. Juli 2009 für beide Kinder des Klägers die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 1999 bis April 2009 auf. Sie stützte die Aufhebung auf § 70 Abs. 2 EStG. Gleichzeitig forderte sie das von ihr für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld zurück. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

10

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im Wesentlichen statt. Der Aufhebungsbescheid sei rechtswidrig. Wegen des am 1. Oktober 1996 erfolgten Arbeitgeberwechsels sei die sachliche Zuständigkeit für die Kindergeldfestsetzung auf die Stadt übergegangen. Mithin habe die Kindergeldfestsetzung seitdem nicht mehr zur Disposition der Familienkasse gestanden. Überdies sei der von der Familienkasse erlassene Rückforderungsbescheid wegen Eintritts der Zahlungsverjährung rechtswidrig, soweit er den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2003 betreffe. Im Übrigen (wegen Rückforderung von Kindergeld für 2004) wies das FG die Klage ab.

11

Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1073 veröffentlicht.

12

Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse die Verletzung von §§ 70 und 72 EStG.

13

Sie beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben wurde, und die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Er hält die Vorentscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

16

II. Im Streitfall hat zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden; Beklagte und Revisionsklägerin ist nunmehr die Familienkasse Bayern Nord (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Mai 2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040, Rz 11; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, BFH/NV 2013, 1774, Rz 14). Das Rubrum des Verfahrens ist deshalb zu ändern.

III.

17

Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Aufhebung der Vorentscheidung und insoweit zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

18

1. Entgegen der Auffassung des FG war die Familienkasse befugt, die zugunsten des Klägers ergangene Kindergeldfestsetzung aufzuheben. Rechtsgrundlage hierfür ist § 174 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

19

a) Nach § 174 Abs. 2 Satz 1 AO ist ein fehlerhafter Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise in mehreren Steuerbescheiden zugunsten eines Steuerpflichtigen berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen. Dies gilt allerdings nur, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist (§ 174 Abs. 2 Satz 2 AO). Daher ist die Änderung bzw. Aufhebung eines Steuerbescheides nach § 174 Abs. 2 AO nur möglich, wenn der Steuerpflichtige selbst (allein oder überwiegend) die fehlerhafte Berücksichtigung verursacht hat und aus diesem Grund nicht auf die Bestandskraft des ihn im Ergebnis begünstigenden Steuerbescheides vertrauen kann (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 24. Juni 2004 XI B 63/02, BFH/NV 2005, 1, unter II.2.; BFH-Urteil vom 3. März 2011 III R 45/08, BFHE 233, 6, BStBl II 2011, 673, Rz 16, jeweils m.w.N.).

20

Diese Norm gilt gemäß § 155 Abs. 4 AO sinngemäß für Kindergeldfestsetzungen, da das Kindergeld nach § 31 Satz 3 EStG "als Steuervergütung" gezahlt wird.

21

b) Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 AO für eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung lagen vor.

22

aa) Im Streitfall ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Bescheiden zugunsten des Klägers berücksichtigt worden.

23

(1) Zunächst hat die Familienkasse Kindergeld festgesetzt.

24

Dies ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438), wonach das bis zum 31. Dezember 1995 nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes gewährte Kindergeld als nach den Vorschriften des EStG festgesetzt gilt. Da das FG festgestellt hat, dass dem Kläger seit der Geburt seiner Kinder in den Jahren 1988 bzw. 1993 Kindergeld gewährt wurde, liegt die nach § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 fingierte Neufestsetzung des Kindergeldes vor, die Gegenstand einer Änderung sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2000 VI R 100/99, BFH/NV 2001, 21, unter 1.a bb).

25

Auch wenn § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) aufgehoben worden ist, ist die Regelung ihrer Wirkung nach zeitlich nicht beschränkt (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 78 EStG Rz 2, m.w.N.), so dass auch die im Streitfall gegebene Festsetzungsfiktion nicht durch die Aufhebung des § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 entfallen ist.

26

(2) Dass die Familienkasse in dem Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 1998 keine Auszahlungen vornahm, steht entgegen der Auffassung des FG der Annahme einer Festsetzung von Kindergeld nicht entgegen.

27

Denn die Festsetzung des Kindergeldes entfaltet Bindungswirkung für die Zukunft (vgl. BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380, Rz 13, m.w.N.), weshalb es für ihre Aufhebung eines entsprechenden Bescheides bedarf. Die bloße Unterbrechung der Auszahlung des Kindergeldes durch die Familienkasse ist keine Aufhebung in diesem Sinne. Denn diese Unterbrechung hatte ihren Grund lediglich darin, dass die Zahlung ab dem 1. Januar 1996 nach § 73 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 i.V.m. § 52 Abs. 63 EStG durch den privatrechtlichen Arbeitgeber erfolgte. Hierfür war jedoch eine Festsetzung nach § 70 Abs. 1 EStG Grundlage (HHR/Bergkemper, § 73 EStG Rz 16). Auf dieser Basis nahm die Familienkasse mangels einer bis dahin erfolgten Aufhebung mit Beginn des Jahres 1999 wieder die laufenden Auszahlungen vor.

28

(3) Daneben hat für den Streitzeitraum auch die Stadt Kindergeld dadurch konkludent festgesetzt, dass sie auf den bei ihr gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für Angehörige des öffentlichen Dienstes vom 10. Oktober 1996, in dem dieser unter Ziffer 8. die Frage, ob er oder eine andere Person für die Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, ausdrücklich verneint hatte, Kindergeld an den Kläger ausgezahlt hat. Davon ist auch das FG ausgegangen.

29

Die Festsetzung durch die Stadt ergibt sich jedenfalls aus § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in der seinerzeit geltenden Fassung, wonach § 157 AO, der an sich eine schriftliche Bescheiderteilung vorsieht, nicht galt, soweit dem Antrag entsprochen wurde (vgl. zur Abgrenzung BFH-Beschluss vom 31. März 2005 III B 189/04, BFH/NV 2005, 1305). Der Gesetzgeber hat damals u.a. für diesen Fall auf eine schriftliche Bescheiderteilung verzichtet, um das bei der Arbeitsverwaltung eingespielte Verfahren der Kindergeldzahlung im Interesse der Bürger und der Verwaltung beibehalten zu können (vgl. BTDrucks 13/1558, 161). Die Bekanntgabe der konkludenten Kindergeldfestsetzung erfolgte durch die erste Auszahlung (Überweisung) des Kindergeldes und der Bekanntgabe des Auszahlungsbetrages (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 24. April 1998  4 K 1755/97, juris; Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 70 Rz B 7) und blieb über den 1. Januar 2007 hinaus bestehen (vgl. Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 22. Januar 2013  4 K 1779/10, EFG 2013, 1555).

30

Aus dem Umstand, dass bei einem Wechsel des Arbeitgebers die bisherige Kindergeldfestsetzung nicht berührt werden soll (vgl. z.B. HHR/Wendl, § 72 EStG Rz 33; Blümich/Treiber, § 72 EStG Rz 76; DA 72.3.1 Abs. 7 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG--, BStBl I 2009, 1030; s. nunmehr aber DA 72.3.2 DA-FamEStG), ergibt sich im Streitfall schon deshalb nichts anderes, weil der Stadt die Kindergeldfestsetzung der Familienkasse nicht bekannt war, nachdem der Kläger ihr diese unter Ziffer 8. des Antrags verschwiegen hatte. Schon deshalb ist in der Auszahlung des Kindergeldes durch die Stadt zugleich eine weitere Kindergeldfestsetzung mit Bekanntgabewille zu sehen, mit der die Stadt dem bei ihr gestellten Antrag vom 10. Oktober 1996 i.S. des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F. entsprochen hat.

31

bb) Diese mehrfache Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhaltes, nämlich die doppelte Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder des Klägers, i.S. des § 174 Abs. 2 Satz 1 AO war mit der geltenden Rechtslage unvereinbar. Denn gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt, woraus sich u.a. ergibt, dass das Kindergeld für ein und dasselbe Kind nicht doppelt gewährt werden darf (BFH-Urteil vom 1. Juli 2003 VIII R 94/01, BFH/NV 2004, 25, unter II.1., m.w.N.).

32

cc) Nach den tatsächlichen den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger die doppelte Festsetzung des Kindergeldes zumindest überwiegend verursacht.

33

Denn diese ist darauf zurückzuführen, dass der Kläger jedenfalls seiner besonderen Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht nachgekommen war, indem er den Arbeitgeberwechsel gegenüber der Familienkasse nicht anzeigte (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Juni 2009  15 K 37/09 Kg, EFG 2009, 1519, unter 2.a; Urteil des FG Köln vom 17. September 2009  10 K 4058/08, EFG 2010, 380, unter 3.b bb). Aufgrund dieser von dem Kläger selbst verursachten unvereinbaren Mehrfachberücksichtigung konnte er nicht auf die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung vertrauen. Anhaltspunkte für einen Verursachungsbeitrag der Familienkasse sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

34

dd) Anders als es das FG meint, war die Familienkasse auch nach dem Wechsel des Klägers in den öffentlichen Dienst im Oktober 1996 zu einer Aufhebung der Kindergeldfestsetzung befugt.

35

Denn die Befugnis nach § 174 Abs. 2 AO steht der Behörde zu, die den fehlerhaften Bescheid erlassen hat (vgl. im Ergebnis BFH-Urteil vom 9. Mai 2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566, Rz 20 ff., zu § 174 Abs. 1 AO; Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2009, 1519, unter 2.; Urteil des FG Köln in EFG 2010, 380, unter 2.b).

36

c) Ob darüber hinaus die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG gegeben sind, lässt der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen. Selbst wenn die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nicht auf § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG hätte gestützt werden können, stünde einer rechtmäßigen Aufhebung nicht entgegen, dass die Familienkasse diese Norm in dem Aufhebungsbescheid als Rechtsgrundlage angegeben hat. Denn insoweit handelte es sich um eine unzutreffende, jedoch auswechselbare Begründung. Entscheidend ist lediglich, dass die Festsetzung --wie hier-- materiell-rechtlich ergehen durfte (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87, unter II.1.b, m.w.N.).

37

2. Da mithin die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 AO gegeben sind und der Familienkasse die sachliche Befugnis zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung zustand, kommt es darauf an, ob für den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2004 die Festsetzungsfrist abgelaufen war. Dies bestimmt sich nach den §§ 169 ff. AO, die gemäß § 155 Abs. 4 AO i.V.m. § 31 Satz 3 EStG ebenfalls sinngemäß anzuwenden sind.

38

a) Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Beurteilung, ob der Kläger eine gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zur Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre führende Steuerhinterziehung (§ 370 AO) begangen hat, was naheliegt.

39

b) Sollte sich dabei ergeben, dass die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Aufhebungsbescheids vom 27. Juli 2009 noch nicht abgelaufen war, wäre der Kläger nach § 37 Abs. 2 AO verpflichtet, das an ihn seit Januar 1999 gezahlte Kindergeld zu erstatten.

40

Denn ist eine Steuervergütung, zu der das Kindergeld --wie bereits ausgeführt-- gemäß § 31 Satz 3 EStG gehört, ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, hat derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Diese Rechtsfolgen treten gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung --wie hier aufgrund des Aufhebungsbescheides-- später wegfällt.

41

c) Soweit das FG meint, für die Zeiträume vor dem 1. Januar 2004 sei eine den Rückforderungsanspruch ausschließende Zahlungsverjährung eingetreten, geht dies fehl.

42

aa) Denn die gemäß § 228 Satz 2 AO fünf Jahre betragende Verjährungsfrist beginnt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 2 AO bei einer den Zahlungsanspruch begründenden Aufhebung der Festsetzung nicht vor dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufhebung wirksam geworden ist. Da der mit dem Aufhebungsbescheid vom 27. Juli 2009 verbundene Rückforderungsbescheid durch seine Bekanntgabe im Jahr 2009 wirksam wurde (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO), begann die Zahlungsverjährung erst mit dem Ablauf des Jahres 2009.

43

bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom FG in diesem Zusammenhang angeführten Literaturansicht, wonach die Fälligkeit in den Fällen einer Doppelzahlung bereits mit der ungerechtfertigten Auszahlung beginne (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 37 AO Rz 122; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 229 AO Rz 1c).

44

Diese Ausführungen betreffen die im Streitfall nicht gegebene Konstellation, dass eine einmal festgesetzte Steuererstattung bzw. Steuervergütung mehrfach an den Gläubiger geleistet wird, mangels entsprechender Festsetzung ohne Rechtsgrund gezahlt worden ist und mithin der Rückforderungsanspruch gemäß § 220 Abs. 2 Satz 1 AO im Zeitpunkt der Auszahlung entstanden ist. In diesen Fällen steht § 229 Abs. 1 Satz 2 AO einer Zahlungsverjährung nicht entgegen, weil sich der hier in Betracht kommende Rückforderungsanspruch ohne seine vorherige Festsetzung und ohne Aufhebung einer etwa entgegenstehenden Festsetzung allein durch die Auszahlung ergibt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. Februar 2002 VII R 33/01, BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447, unter II.2.b; vom 12. Mai 2009 IX R 2/08, BFH/NV 2009, 1404, unter II.a).

45

Wird dagegen --wie hier-- eine rechtswidrige und damit anfechtbare Steuerfestsetzung aufgehoben, wird der Rückforderungsanspruch mit der Bekanntgabe des Änderungs- oder Aufhebungsbescheides fällig (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO), so dass die Zahlungsverjährung entsprechend der Regelung des § 229 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz 54; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 229 AO Rz 3).

(1) Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist der fehlerhafte Steuerbescheid auf Antrag aufzuheben oder zu ändern. Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden ist. Wird der Antrag rechtzeitig gestellt, steht der Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids insoweit keine Frist entgegen.

(2) Absatz 1 gilt sinngemäß, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise mehrfach zugunsten eines oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden ist; ein Antrag ist nicht erforderlich. Der fehlerhafte Steuerbescheid darf jedoch nur dann geändert werden, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist.

(3) Ist ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, so kann die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben ist, insoweit nachgeholt, aufgehoben oder geändert werden. Die Nachholung, Aufhebung oder Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist.

(4) Ist auf Grund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen, der auf Grund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, so können aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. War die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen, als der später aufgehobene oder geänderte Steuerbescheid erlassen wurde, gilt dies nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 Satz 1.

(5) Gegenüber Dritten gilt Absatz 4, wenn sie an dem Verfahren, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids geführt hat, beteiligt waren. Ihre Hinzuziehung oder Beiladung zu diesem Verfahren ist zulässig.

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
2.
die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
3.
pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
2.
seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger oder Europäischer Amtsträger (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) missbraucht,
3.
die Mithilfe eines Amtsträgers oder Europäischen Amtsträgers (§ 11 Absatz 1 Nummer 2a des Strafgesetzbuchs) ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht,
4.
unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
5.
als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten nach Absatz 1 verbunden hat, Umsatz- oder Verbrauchssteuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Umsatz- oder Verbrauchssteuervorteile erlangt oder
6.
eine Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die er alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, zur Verschleierung steuerlich erheblicher Tatsachen nutzt und auf diese Weise fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können.

(5) Die Tat kann auch hinsichtlich solcher Waren begangen werden, deren Einfuhr, Ausfuhr oder Durchfuhr verboten ist.

(6) Die Absätze 1 bis 5 gelten auch dann, wenn sich die Tat auf Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden oder die einem Mitgliedstaat der Europäischen Freihandelsassoziation oder einem mit dieser assoziierten Staat zustehen. Das Gleiche gilt, wenn sich die Tat auf Umsatzsteuern oder auf die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom 16. Dezember 2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. L 9 vom 14.1.2009, S. 12) genannten harmonisierten Verbrauchsteuern bezieht, die von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verwaltet werden.

(7) Die Absätze 1 bis 6 gelten unabhängig von dem Recht des Tatortes auch für Taten, die außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes begangen werden.

(1)1Wer Kindergeld beantragt oder erhält, hat Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich der zuständigen Familienkasse mitzuteilen.2Ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, ist auf Verlangen der Familienkasse verpflichtet, an der Aufklärung des für die Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalts mitzuwirken; § 101 der Abgabenordnung findet insoweit keine Anwendung.

(2) (weggefallen)

(3) Auf Antrag des Berechtigten erteilt die das Kindergeld auszahlende Stelle eine Bescheinigung über das für das Kalenderjahr ausgezahlte Kindergeld.

(4)1Die Familienkassen dürfen den Stellen, die die Bezüge im öffentlichen Dienst anweisen, den für die jeweilige Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalt durch automatisierte Abrufverfahren bereitstellen oder Auskunft über diesen Sachverhalt erteilen.2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung von automatisierten Abrufen nach Satz 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Datenabruf erfolgen darf, festzulegen.

(5)1Zur Erfüllung der in § 31a Absatz 2 der Abgabenordnung genannten Mitteilungspflichten dürfen die Familienkassen den Leistungsträgern, die für Leistungen der Arbeitsförderung nach § 19 Absatz 2, für Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 19a Absatz 2, für Kindergeld, Kinderzuschlag, Leistungen für Bildung und Teilhabe und Elterngeld nach § 25 Absatz 3 oder für Leistungen der Sozialhilfe nach § 28 Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch zuständig sind, und den nach § 9 Absatz 1 Satz 2 des Unterhaltsvorschussgesetzes zuständigen Stellen den für die jeweilige Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalt durch automatisierte Abrufverfahren bereitstellen.2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung von automatisierten Abrufen nach Satz 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Datenabruf erfolgen darf, festzulegen.

(6)1Zur Prüfung und Bemessung der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe j in Verbindung mit Artikel 1 Buchstabe z der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2017/492 (ABI. L 76 vom 22.3.2017, S. 13) geändert worden ist, genannten Familienleistungen dürfen die Familienkassen den zuständigen öffentlichen Stellen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union den für die jeweilige Kindergeldzahlung maßgebenden Sachverhalt durch automatisierte Abrufverfahren bereitstellen.2Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates zur Durchführung von automatisierten Abrufen nach Satz 1 die Voraussetzungen, unter denen ein Datenabruf erfolgen darf, festzulegen.

(7)1Die Datenstelle der Rentenversicherung darf den Familienkassen in einem automatisierten Abrufverfahren die zur Überprüfung des Anspruchs auf Kindergeld nach § 62 Absatz 1a und 2 erforderlichen Daten übermitteln; § 79 Absatz 2 bis 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch gilt entsprechend.2Die Träger der Leistungen nach dem Zweiten und Dritten Buch Sozialgesetzbuch dürfen den Familienkassen in einem automatisierten Abrufverfahren die zur Überprüfung des Anspruchs auf Kindergeld nach § 62 erforderlichen Daten übermitteln.3Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Voraussetzungen für das Abrufverfahren und Regelungen zu den Kosten des Verfahrens nach Satz 2 festzulegen.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

Die Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten nach den §§ 378 bis 380 verjährt in fünf Jahren.

(1) Durch die Verjährung werden die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und die Anordnung von Nebenfolgen ausgeschlossen. § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(2) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten verjährt, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt,

1.
in drei Jahren bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind,
2.
in zwei Jahren bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als zweitausendfünfhundert bis zu fünfzehntausend Euro bedroht sind,
3.
in einem Jahr bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als eintausend bis zu zweitausendfünfhundert Euro bedroht sind,
4.
in sechs Monaten bei den übrigen Ordnungswidrigkeiten.

(3) Die Verjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.

Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand einer Bußgeldvorschrift gehört, handelt nach dieser Vorschrift nur dann ordnungswidrig, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(1) Durch die Verjährung werden die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten und die Anordnung von Nebenfolgen ausgeschlossen. § 27 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.

(2) Die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten verjährt, wenn das Gesetz nichts anderes bestimmt,

1.
in drei Jahren bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind,
2.
in zwei Jahren bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als zweitausendfünfhundert bis zu fünfzehntausend Euro bedroht sind,
3.
in einem Jahr bei Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbuße im Höchstmaß von mehr als eintausend bis zu zweitausendfünfhundert Euro bedroht sind,
4.
in sechs Monaten bei den übrigen Ordnungswidrigkeiten.

(3) Die Verjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist. Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 26. Februar 2014  12 K 1957/13 aufgehoben, soweit es der Klage stattgegeben hat.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist verheiratet und hat zwei Kinder, die im August 1994 geborene Tochter A und den im April 1996 geborenen Sohn B. Sie wohnte zunächst mit ihrer Familie in C, war bei der Staatsoper GmbH der Stadt C nichtselbständig tätig und erhielt Kindergeld für A vom seinerzeit zuständigen Arbeitsamt C --Kindergeldkasse--.

2

Anlässlich der Umstellung des Kindergeldes von einer Sozialleistung zur Steuervergütung am 1. Januar 1996 schrieb die Klägerin dem Arbeitsamt, dass das Kindergeld ab dem 1. Januar 1996 voraussichtlich von ihrem Arbeitgeber ausgezahlt werde. Die Familienkasse des Arbeitsamts C übersandte ihr daraufhin eine sog. Kindergeldbescheinigung zur Vorlage beim Arbeitgeber (§ 73 Abs. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes a.F. --EStG a.F.--), die ab April 1996 auch B erfasste, für den die Klägerin im Juli 1996 ebenfalls beim Arbeitsamt C Kindergeld beantragt hatte.

3

Im Juli 1997 teilte die Arbeitgeberin der Klägerin der Familienkasse des Arbeitsamts C mit, dass sie das Kindergeld an die aus ihren Diensten ausgeschiedene Klägerin letztmals für den Monat Juli 1997 ausgezahlt habe. Daraufhin überwies die Familienkasse des Arbeitsamts C das Kindergeld ab August 1997 an die Klägerin und erinnerte sie einige Monate später, dass sie alle für den Kindergeldanspruch bedeutsamen Veränderungen ohne Aufforderung unverzüglich mitzuteilen habe.

4

Im Dezember 2004 benachrichtigte die Klägerin die Familienkasse C von ihrem Umzug nach D. Tatsächlich war der Umzug bereits im Juli 1997 erfolgt. Die Kindergeldakte wurde daraufhin an die Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit abgegeben und der Zuständigkeitswechsel der Klägerin mitgeteilt, verbunden mit der Ankündigung, dass das Kindergeld ab Dezember 2004 von der Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt werde. In diesem Schreiben wurde die Klägerin wiederum erinnert, alle Veränderungen in den für den Kindergeldanspruch bedeutsamen Verhältnissen unverzüglich anzuzeigen. Die Anzeigepflicht gelte auch für die Aufnahme einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst.

5

Im September 2012 erfuhr die Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit, dass die Klägerin bereits seit dem 1. August 1997 bei dem Theater der Stadt D beschäftigt war und seit dem 1. August 1997 gemäß § 72 Abs. 1 EStG auch von der Familienkasse der Stadt D --als öffentlich-rechtlichem Arbeitgeber-- Kindergeld erhalten hatte. Die Klägerin hatte bereits am 25. August 1997 an die Stadt D (Personalamt --Familienkasse--) einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld an Angehörige des öffentlichen Dienstes gerichtet und die im Vordruck gestellte Frage, ob sie oder ihr Ehegatte oder eine andere Person für die eingetragenen Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, mit "nein" beantwortet. Die Frage, ob sie oder ihr Ehegatte in den letzten sieben Monaten im öffentlichen Dienst tätig gewesen sei, hatte die Klägerin mit "ja" beantwortet.

6

Die Familienkasse der Stadt D hatte daraufhin mit Bescheid vom 12. September 1997 der Klägerin gegenüber das Kindergeld für die beiden Kinder festgesetzt und mitgeteilt, das Kindergeld werde fortan monatlich mit den Bezügen ausgezahlt.

7

Nachdem die Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit Kenntnis von dem doppelten Bezug des Kindergeldes erlangt hatte, wies sie die Klägerin auf die Doppelzahlung in Höhe von 27.599,21 € für A und 27.599,22 € für B, Gesamtbetrag 55.118,43 €, hin und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2012 hob sie sodann die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum August 1997 bis September 2012 auf und forderte das überzahlte Kindergeld im Gesamtbetrag von 55.118,43 € zurück. Der Berechnung lag das für A und B insgesamt ausgezahlte Kindergeld zugrunde, der Bescheid bezeichnete aber namentlich nur A. Nachdem sie diesen Irrtum bemerkt hatte, erließ die Familienkasse D der Bundesagentur für Arbeit am 10. Januar 2013 einen nach § 129 der Abgabenordnung (AO) berichtigten Bescheid und hob mit diesem die Festsetzung des Kindergeldes nun für beide namentlich genannten Kinder, also auch für den Sohn B, rückwirkend ab August 1997 auf.

8

Die von der Klägerin gegen beide Bescheide erhobenen Einsprüche wurden von der aufgrund eines Organisationsaktes zuständig gewordenen Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) als unbegründet zurückgewiesen.

9

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für Januar 2002 bis September 2012 als unbegründet ab, gab ihr aber wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist für den Zeitraum August 1997 bis Dezember 2001 statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 1752).

10

Zur Begründung der von ihr eingelegten Revision rügt die Familienkasse die Verletzung materiellen Rechts.

11

Die Familienkasse beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit die Bescheide vom 21. Dezember 2012 und vom 10. Januar 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2013 in Bezug auf die Monate August 1997 bis Dezember 2001 aufgehoben wurden, und die Klage auch insoweit abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit es der Klage stattgegeben hat, und zur Abweisung der Klage auch hinsichtlich der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate August 1997 bis Dezember 2001 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Aufhebungsbescheid vom 21. Dezember 2012 ist in seiner berichtigten Fassung vom 10. Januar 2013 auch hinsichtlich dieses Zeitraums rechtmäßig.

14

1. Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes aufheben durfte.

15

Wenn die zuständige Familienkasse --z.B. durch Eintritt oder Ausscheiden des Kindergeldberechtigten aus dem öffentlichen Dienst (§ 72 EStG)-- wechselt, kann die bisherige Kindergeldfestsetzung aufgehoben und das Kindergeld von der zuständig gewordenen Familienkasse neu festgesetzt werden. Stattdessen kann die Kindergeldzahlung aber auch auf Grundlage der bisherigen Festsetzung von der anderen Behörde fortgeführt werden (Senatsurteil vom 25. September 2014 III R 25/13, BFHE 247, 233, BFH/NV 2015, 99).

16

Im Streitfall ist die Klägerin aber ununterbrochen im öffentlichen Dienst beschäftigt gewesen, nämlich bis zum 31. Juli 1997 in C und seit dem 1. August 1997 in D. Die Familienkasse des Arbeitsamts bzw. der Bundesagentur für Arbeit in D ist daher nicht zuständig geworden und konnte ihre Festsetzung aufheben. Ob sich ihre Änderungsbefugnis --wie das FG angenommen hat-- aus § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b AO, aus § 70 Abs. 2 EStG oder --was zutreffen dürfte-- aus § 174 Abs. 2 AO ergibt (so das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. Dezember 2013 XI R 42/11, BFHE 244, 302, BStBl II 2014, 840), kann dahinstehen.

17

2. Die Annahme des FG, für die Monate bis einschließlich Dezember 2001 sei Festsetzungsverjährung eingetreten, hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

18

a) Nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat die Klägerin das Kindergeld für A und B von August 1997 bis September 2012 doppelt bezogen, nämlich sowohl von der Familienkasse ihres öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers als auch von der gemäß § 72 EStG unzuständigen Familienkasse des Arbeitsamts bzw. der Bundesagentur für Arbeit in D. Das FG hat weiterhin zu Recht entschieden, dass der Klägerin eine Steuerhinterziehung vorzuwerfen ist (§ 370 Abs. 1 AO) und sich daher die Festsetzungsfrist auf zehn Jahre verlängert (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO); dies ist nunmehr zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

19

b) Das FG hat die Festsetzungsfrist indessen falsch berechnet. Da die Verfolgung der von der Klägerin begangenen Steuerhinterziehung noch nicht verjährt war, wurde der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 7 AO gehemmt.

20

aa) Nach § 171 Abs. 7 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO endet die Festsetzungsfrist in Fällen der Steuerhinterziehung oder der leichtfertigen Steuerverkürzung nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

21

bb) Die strafrechtliche Verfolgung vorsätzlicher Steuerverkürzungen verjährt, falls --wie im Streitfall-- nicht § 376 AO eingreift, in fünf Jahren (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs --StGB-- i.V.m. § 370 Abs. 1 AO). Die Verfolgungsverjährung beginnt, sobald die Handlung beendet ist (§ 78a Satz 1 StGB). Tritt ein zum Tatbestand gehörender Erfolg jedoch erst später ein, so beginnt die Verjährung mit diesem Zeitpunkt (§ 78a Satz 2 StGB).

22

Die Klägerin hat durch den zweifachen Bezug von Kindergeld, das als Steuervergütung gewährt wird (§ 31 Satz 3 EStG), nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt. Dies beruhte sowohl auf ihren i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO unrichtigen Angaben in dem an die Stadt D gerichteten Kindergeldantrag vom 25. August 1997, worin sie die Frage verneint hatte, ob sie anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, obwohl sie seit August 1997 Kindergeld von der Familienkasse des Arbeitsamts C erhielt, als auch darauf, dass sie die Familienkasse des Arbeitsamts bzw. der Bundesagentur für Arbeit in D pflichtwidrig darüber in Unkenntnis ließ (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO), dass sie seit August 1997 bei einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber beschäftigt war.

23

Der Erfolg ihrer Handlung bzw. der pflichtwidrigen Unterlassung trat erst mit der letzten Auszahlung ein, d.h. der Auszahlung des Kindergeldes für September 2012. Aus dem das Kindergeldrecht beherrschenden Monatsprinzip (§ 66 Abs. 2 EStG) ist nicht herzuleiten, dass jede monatliche Auszahlung eine beendete Steuerstraftat darstellt, was zur Folge hätte, dass mit jeder Auszahlung für den jeweiligen Monat auch die Verfolgungsverjährung begänne. Zur Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 26. Juni 2014 III R 21/13 (BFHE 247, 102, BFH/NV 2015, 248).

24

Die Festsetzungsfrist war somit weder bei Erlass des Aufhebungsbescheids vom 21. Dezember 2012 noch im Zeitpunkt der Bekanntgabe des gemäß § 129 AO berichtigten Bescheids vom 10. Januar 2013 abgelaufen.

25

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGO.

26

4. Der Senat erkennt mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2, § 121 Satz 1 FGO).

(1) Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis sind der Steueranspruch, der Steuervergütungsanspruch, der Haftungsanspruch, der Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung, der Erstattungsanspruch nach Absatz 2 sowie die in Einzelsteuergesetzen geregelten Steuererstattungsansprüche.

(2) Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt. Im Fall der Abtretung, Verpfändung oder Pfändung richtet sich der Anspruch auch gegen den Abtretenden, Verpfänder oder Pfändungsschuldner.

Tatbestand

1

I. Streitig sind die Aufhebung der Festsetzung und die Rückforderung vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) doppelt bezogenen Kindergeldes.

2

Der seinerzeit bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigte Kläger bezog für seine in den Jahren 1988 und 1993 geborenen Kinder laufend Kindergeld, das zunächst von der früheren Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) ausgezahlt wurde.

3

Aufgrund einer zum 1. Januar 1996 vom Gesetzgeber eingeführten Verpflichtung (§ 73 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- a.F.) zahlte der private Arbeitgeber ab diesem Zeitpunkt dem Kläger das Kindergeld in von der Familienkasse bescheinigter Höhe aus.

4

Zum 1. Oktober 1996 wechselte der Kläger in den öffentlichen Dienst und begründete ein Arbeitsverhältnis mit der Stadt B (Stadt). Dadurch ging die Zuständigkeit zur Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes auf die Stadt über (§ 72 EStG a.F.). In dem im Oktober 1996 bei der Stadt eingereichten Antrag auf Gewährung von Kindergeld verneinte der Kläger die Frage, ob er, seine Ehefrau oder ein Dritter für die beiden Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe. Überdies verneinte er in diesem Antrag die Frage, ob er, seine Ehefrau oder eine andere Person im öffentlichen Dienst beschäftigt sei.

5

Daraufhin erhielt der Kläger ab dem 1. Oktober 1996 von der Stadt das --offen in den Lohn-/Gehaltsabrechnungen ausgewiesene-- Kindergeld.

6

Im November 1998 teilte die Familienkasse dem Kläger mit, dass sie ab dem 1. Januar 1999 aufgrund einer Gesetzesänderung (erneut) für die Auszahlung des Kindergeldes zuständig sei, und bat um Überprüfung der Bankverbindung. Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hatte, zahlte die Familienkasse ab Januar 1999 Kindergeld an den Kläger aus, der daneben (weiterhin) von der Stadt Kindergeld erhielt.

7

Im Jahr 2006 beantragte der Kläger sowohl bei der Familienkasse als auch bei der Stadt die Fortzahlung des Kindergeldes für sein ältestes Kind, das in diesem Jahr das 18. Lebensjahr vollendete und sich noch in einer Berufsausbildung befand. Der Antrag hatte Erfolg; der Kläger bezog daher weiterhin für beide Kinder Kindergeld von der Familienkasse und von der Stadt.

8

In einem bei der Familienkasse Ende 2008 eingereichten Antragsformular zur Fortzahlung des Kindergeldes für das weiterhin in der Berufsausbildung befindliche Kind verneinte der Kläger erneut die Frage, ob er im öffentlichen Dienst beschäftigt sei. Da nach einer Prognoseberechnung für das Jahr 2009 die Einkünfte und Bezüge dieses Kindes den für die Gewährung von Kindergeld maßgeblichen Jahresgrenzbetrag überstiegen, hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für dieses Kind ab Januar 2009 auf.

9

Im Rahmen des anschließenden Einspruchsverfahrens teilte der Kläger der Familienkasse im April 2009 den doppelten Bezug des Kindergeldes mit. Daraufhin hob diese mit Bescheid vom 27. Juli 2009 für beide Kinder des Klägers die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 1999 bis April 2009 auf. Sie stützte die Aufhebung auf § 70 Abs. 2 EStG. Gleichzeitig forderte sie das von ihr für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld zurück. Der hiergegen erhobene Einspruch hatte keinen Erfolg.

10

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage im Wesentlichen statt. Der Aufhebungsbescheid sei rechtswidrig. Wegen des am 1. Oktober 1996 erfolgten Arbeitgeberwechsels sei die sachliche Zuständigkeit für die Kindergeldfestsetzung auf die Stadt übergegangen. Mithin habe die Kindergeldfestsetzung seitdem nicht mehr zur Disposition der Familienkasse gestanden. Überdies sei der von der Familienkasse erlassene Rückforderungsbescheid wegen Eintritts der Zahlungsverjährung rechtswidrig, soweit er den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2003 betreffe. Im Übrigen (wegen Rückforderung von Kindergeld für 2004) wies das FG die Klage ab.

11

Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1073 veröffentlicht.

12

Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse die Verletzung von §§ 70 und 72 EStG.

13

Sie beantragt sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben, soweit der Klage stattgegeben wurde, und die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

15

Er hält die Vorentscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

16

II. Im Streitfall hat zum 1. Mai 2013 ein gesetzlicher Beteiligtenwechsel stattgefunden; Beklagte und Revisionsklägerin ist nunmehr die Familienkasse Bayern Nord (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Mai 2013 III R 8/11, BFHE 241, 511, BStBl II 2013, 1040, Rz 11; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, BFH/NV 2013, 1774, Rz 14). Das Rubrum des Verfahrens ist deshalb zu ändern.

III.

17

Die Revision der Familienkasse ist begründet. Sie führt zur antragsgemäßen Aufhebung der Vorentscheidung und insoweit zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

18

1. Entgegen der Auffassung des FG war die Familienkasse befugt, die zugunsten des Klägers ergangene Kindergeldfestsetzung aufzuheben. Rechtsgrundlage hierfür ist § 174 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO).

19

a) Nach § 174 Abs. 2 Satz 1 AO ist ein fehlerhafter Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise in mehreren Steuerbescheiden zugunsten eines Steuerpflichtigen berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen. Dies gilt allerdings nur, wenn die Berücksichtigung des Sachverhalts auf einen Antrag oder eine Erklärung des Steuerpflichtigen zurückzuführen ist (§ 174 Abs. 2 Satz 2 AO). Daher ist die Änderung bzw. Aufhebung eines Steuerbescheides nach § 174 Abs. 2 AO nur möglich, wenn der Steuerpflichtige selbst (allein oder überwiegend) die fehlerhafte Berücksichtigung verursacht hat und aus diesem Grund nicht auf die Bestandskraft des ihn im Ergebnis begünstigenden Steuerbescheides vertrauen kann (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 24. Juni 2004 XI B 63/02, BFH/NV 2005, 1, unter II.2.; BFH-Urteil vom 3. März 2011 III R 45/08, BFHE 233, 6, BStBl II 2011, 673, Rz 16, jeweils m.w.N.).

20

Diese Norm gilt gemäß § 155 Abs. 4 AO sinngemäß für Kindergeldfestsetzungen, da das Kindergeld nach § 31 Satz 3 EStG "als Steuervergütung" gezahlt wird.

21

b) Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 AO für eine Aufhebung der Kindergeldfestsetzung lagen vor.

22

aa) Im Streitfall ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Bescheiden zugunsten des Klägers berücksichtigt worden.

23

(1) Zunächst hat die Familienkasse Kindergeld festgesetzt.

24

Dies ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438), wonach das bis zum 31. Dezember 1995 nach den Vorschriften des Bundeskindergeldgesetzes gewährte Kindergeld als nach den Vorschriften des EStG festgesetzt gilt. Da das FG festgestellt hat, dass dem Kläger seit der Geburt seiner Kinder in den Jahren 1988 bzw. 1993 Kindergeld gewährt wurde, liegt die nach § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 fingierte Neufestsetzung des Kindergeldes vor, die Gegenstand einer Änderung sein kann (vgl. BFH-Urteil vom 12. Mai 2000 VI R 100/99, BFH/NV 2001, 21, unter 1.a bb).

25

Auch wenn § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402) aufgehoben worden ist, ist die Regelung ihrer Wirkung nach zeitlich nicht beschränkt (Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach --HHR--, § 78 EStG Rz 2, m.w.N.), so dass auch die im Streitfall gegebene Festsetzungsfiktion nicht durch die Aufhebung des § 78 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 entfallen ist.

26

(2) Dass die Familienkasse in dem Zeitraum Januar 1996 bis Dezember 1998 keine Auszahlungen vornahm, steht entgegen der Auffassung des FG der Annahme einer Festsetzung von Kindergeld nicht entgegen.

27

Denn die Festsetzung des Kindergeldes entfaltet Bindungswirkung für die Zukunft (vgl. BFH-Urteil vom 4. August 2011 III R 71/10, BFHE 235, 203, BStBl II 2013, 380, Rz 13, m.w.N.), weshalb es für ihre Aufhebung eines entsprechenden Bescheides bedarf. Die bloße Unterbrechung der Auszahlung des Kindergeldes durch die Familienkasse ist keine Aufhebung in diesem Sinne. Denn diese Unterbrechung hatte ihren Grund lediglich darin, dass die Zahlung ab dem 1. Januar 1996 nach § 73 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996 i.V.m. § 52 Abs. 63 EStG durch den privatrechtlichen Arbeitgeber erfolgte. Hierfür war jedoch eine Festsetzung nach § 70 Abs. 1 EStG Grundlage (HHR/Bergkemper, § 73 EStG Rz 16). Auf dieser Basis nahm die Familienkasse mangels einer bis dahin erfolgten Aufhebung mit Beginn des Jahres 1999 wieder die laufenden Auszahlungen vor.

28

(3) Daneben hat für den Streitzeitraum auch die Stadt Kindergeld dadurch konkludent festgesetzt, dass sie auf den bei ihr gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung von Kindergeld für Angehörige des öffentlichen Dienstes vom 10. Oktober 1996, in dem dieser unter Ziffer 8. die Frage, ob er oder eine andere Person für die Kinder anderweitig Kindergeld beantragt oder erhalten habe, ausdrücklich verneint hatte, Kindergeld an den Kläger ausgezahlt hat. Davon ist auch das FG ausgegangen.

29

Die Festsetzung durch die Stadt ergibt sich jedenfalls aus § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG in der seinerzeit geltenden Fassung, wonach § 157 AO, der an sich eine schriftliche Bescheiderteilung vorsieht, nicht galt, soweit dem Antrag entsprochen wurde (vgl. zur Abgrenzung BFH-Beschluss vom 31. März 2005 III B 189/04, BFH/NV 2005, 1305). Der Gesetzgeber hat damals u.a. für diesen Fall auf eine schriftliche Bescheiderteilung verzichtet, um das bei der Arbeitsverwaltung eingespielte Verfahren der Kindergeldzahlung im Interesse der Bürger und der Verwaltung beibehalten zu können (vgl. BTDrucks 13/1558, 161). Die Bekanntgabe der konkludenten Kindergeldfestsetzung erfolgte durch die erste Auszahlung (Überweisung) des Kindergeldes und der Bekanntgabe des Auszahlungsbetrages (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 24. April 1998  4 K 1755/97, juris; Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 70 Rz B 7) und blieb über den 1. Januar 2007 hinaus bestehen (vgl. Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 22. Januar 2013  4 K 1779/10, EFG 2013, 1555).

30

Aus dem Umstand, dass bei einem Wechsel des Arbeitgebers die bisherige Kindergeldfestsetzung nicht berührt werden soll (vgl. z.B. HHR/Wendl, § 72 EStG Rz 33; Blümich/Treiber, § 72 EStG Rz 76; DA 72.3.1 Abs. 7 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG--, BStBl I 2009, 1030; s. nunmehr aber DA 72.3.2 DA-FamEStG), ergibt sich im Streitfall schon deshalb nichts anderes, weil der Stadt die Kindergeldfestsetzung der Familienkasse nicht bekannt war, nachdem der Kläger ihr diese unter Ziffer 8. des Antrags verschwiegen hatte. Schon deshalb ist in der Auszahlung des Kindergeldes durch die Stadt zugleich eine weitere Kindergeldfestsetzung mit Bekanntgabewille zu sehen, mit der die Stadt dem bei ihr gestellten Antrag vom 10. Oktober 1996 i.S. des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG a.F. entsprochen hat.

31

bb) Diese mehrfache Berücksichtigung eines bestimmten Sachverhaltes, nämlich die doppelte Festsetzung des Kindergeldes für die Kinder des Klägers, i.S. des § 174 Abs. 2 Satz 1 AO war mit der geltenden Rechtslage unvereinbar. Denn gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt, woraus sich u.a. ergibt, dass das Kindergeld für ein und dasselbe Kind nicht doppelt gewährt werden darf (BFH-Urteil vom 1. Juli 2003 VIII R 94/01, BFH/NV 2004, 25, unter II.1., m.w.N.).

32

cc) Nach den tatsächlichen den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG hat der Kläger die doppelte Festsetzung des Kindergeldes zumindest überwiegend verursacht.

33

Denn diese ist darauf zurückzuführen, dass der Kläger jedenfalls seiner besonderen Mitwirkungspflicht nach § 68 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht nachgekommen war, indem er den Arbeitgeberwechsel gegenüber der Familienkasse nicht anzeigte (vgl. Urteil des FG Düsseldorf vom 18. Juni 2009  15 K 37/09 Kg, EFG 2009, 1519, unter 2.a; Urteil des FG Köln vom 17. September 2009  10 K 4058/08, EFG 2010, 380, unter 3.b bb). Aufgrund dieser von dem Kläger selbst verursachten unvereinbaren Mehrfachberücksichtigung konnte er nicht auf die Bestandskraft der Kindergeldfestsetzung vertrauen. Anhaltspunkte für einen Verursachungsbeitrag der Familienkasse sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

34

dd) Anders als es das FG meint, war die Familienkasse auch nach dem Wechsel des Klägers in den öffentlichen Dienst im Oktober 1996 zu einer Aufhebung der Kindergeldfestsetzung befugt.

35

Denn die Befugnis nach § 174 Abs. 2 AO steht der Behörde zu, die den fehlerhaften Bescheid erlassen hat (vgl. im Ergebnis BFH-Urteil vom 9. Mai 2012 I R 73/10, BFHE 238, 1, BStBl II 2013, 566, Rz 20 ff., zu § 174 Abs. 1 AO; Urteil des FG Düsseldorf in EFG 2009, 1519, unter 2.; Urteil des FG Köln in EFG 2010, 380, unter 2.b).

36

c) Ob darüber hinaus die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG gegeben sind, lässt der Senat mangels Entscheidungserheblichkeit dahinstehen. Selbst wenn die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung nicht auf § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG hätte gestützt werden können, stünde einer rechtmäßigen Aufhebung nicht entgegen, dass die Familienkasse diese Norm in dem Aufhebungsbescheid als Rechtsgrundlage angegeben hat. Denn insoweit handelte es sich um eine unzutreffende, jedoch auswechselbare Begründung. Entscheidend ist lediglich, dass die Festsetzung --wie hier-- materiell-rechtlich ergehen durfte (vgl. BFH-Urteil vom 19. Mai 1992 VIII R 37/90, BFH/NV 1993, 87, unter II.1.b, m.w.N.).

37

2. Da mithin die Voraussetzungen des § 174 Abs. 2 AO gegeben sind und der Familienkasse die sachliche Befugnis zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung zustand, kommt es darauf an, ob für den Zeitraum Januar 1999 bis Dezember 2004 die Festsetzungsfrist abgelaufen war. Dies bestimmt sich nach den §§ 169 ff. AO, die gemäß § 155 Abs. 4 AO i.V.m. § 31 Satz 3 EStG ebenfalls sinngemäß anzuwenden sind.

38

a) Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Beurteilung, ob der Kläger eine gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zur Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre führende Steuerhinterziehung (§ 370 AO) begangen hat, was naheliegt.

39

b) Sollte sich dabei ergeben, dass die Festsetzungsfrist im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Aufhebungsbescheids vom 27. Juli 2009 noch nicht abgelaufen war, wäre der Kläger nach § 37 Abs. 2 AO verpflichtet, das an ihn seit Januar 1999 gezahlte Kindergeld zu erstatten.

40

Denn ist eine Steuervergütung, zu der das Kindergeld --wie bereits ausgeführt-- gemäß § 31 Satz 3 EStG gehört, ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, hat derjenige, für dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 AO gegenüber dem Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Diese Rechtsfolgen treten gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann ein, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung --wie hier aufgrund des Aufhebungsbescheides-- später wegfällt.

41

c) Soweit das FG meint, für die Zeiträume vor dem 1. Januar 2004 sei eine den Rückforderungsanspruch ausschließende Zahlungsverjährung eingetreten, geht dies fehl.

42

aa) Denn die gemäß § 228 Satz 2 AO fünf Jahre betragende Verjährungsfrist beginnt gemäß § 229 Abs. 1 Satz 2 AO bei einer den Zahlungsanspruch begründenden Aufhebung der Festsetzung nicht vor dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufhebung wirksam geworden ist. Da der mit dem Aufhebungsbescheid vom 27. Juli 2009 verbundene Rückforderungsbescheid durch seine Bekanntgabe im Jahr 2009 wirksam wurde (vgl. § 124 Abs. 1 Satz 1 AO), begann die Zahlungsverjährung erst mit dem Ablauf des Jahres 2009.

43

bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus der vom FG in diesem Zusammenhang angeführten Literaturansicht, wonach die Fälligkeit in den Fällen einer Doppelzahlung bereits mit der ungerechtfertigten Auszahlung beginne (Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 37 AO Rz 122; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 229 AO Rz 1c).

44

Diese Ausführungen betreffen die im Streitfall nicht gegebene Konstellation, dass eine einmal festgesetzte Steuererstattung bzw. Steuervergütung mehrfach an den Gläubiger geleistet wird, mangels entsprechender Festsetzung ohne Rechtsgrund gezahlt worden ist und mithin der Rückforderungsanspruch gemäß § 220 Abs. 2 Satz 1 AO im Zeitpunkt der Auszahlung entstanden ist. In diesen Fällen steht § 229 Abs. 1 Satz 2 AO einer Zahlungsverjährung nicht entgegen, weil sich der hier in Betracht kommende Rückforderungsanspruch ohne seine vorherige Festsetzung und ohne Aufhebung einer etwa entgegenstehenden Festsetzung allein durch die Auszahlung ergibt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 7. Februar 2002 VII R 33/01, BFHE 197, 569, BStBl II 2002, 447, unter II.2.b; vom 12. Mai 2009 IX R 2/08, BFH/NV 2009, 1404, unter II.a).

45

Wird dagegen --wie hier-- eine rechtswidrige und damit anfechtbare Steuerfestsetzung aufgehoben, wird der Rückforderungsanspruch mit der Bekanntgabe des Änderungs- oder Aufhebungsbescheides fällig (§ 220 Abs. 2 Satz 2 AO), so dass die Zahlungsverjährung entsprechend der Regelung des § 229 Abs. 1 Satz 2 AO beginnt (vgl. Boeker in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 37 AO Rz 54; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 229 AO Rz 3).

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1)1Das Kindergeld nach § 62 wird von den Familienkassen durch Bescheid festgesetzt und ausgezahlt.2Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist.3Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.

(2)1Soweit in den Verhältnissen, die für den Anspruch auf Kindergeld erheblich sind, Änderungen eintreten, ist die Festsetzung des Kindergeldes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.2Ist die Änderung einer Kindergeldfestsetzung nur wegen einer Anhebung der in § 66 Absatz 1 genannten Kindergeldbeträge erforderlich, kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden.

(3)1Materielle Fehler der letzten Festsetzung können durch Aufhebung oder Änderung der Festsetzung mit Wirkung ab dem auf die Bekanntgabe der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung folgenden Monat beseitigt werden.2Bei der Aufhebung oder Änderung der Festsetzung nach Satz 1 ist § 176 der Abgabenordnung entsprechend anzuwenden; dies gilt nicht für Monate, die nach der Verkündung der maßgeblichen Entscheidung eines obersten Bundesgerichts beginnen.

(4) (weggefallen)