Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Sept. 2013 - 3 K 1443/12

ECLI:ECLI:DE:FGRLP:2013:0920.3K1443.12.0A
bei uns veröffentlicht am20.09.2013

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Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

Strittig ist, ob Aufwendungen für eine ärztliche Untersuchung nach der Biophysikalischen Informations-Therapie als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

2

Die Klägerin ist kaufmännische Angestellte. In ihrer Einkommensteuererklärung 2009 machte sie u.a. Aufwendungen für eine ärztliche Untersuchung ihres Sohnes nach der Biophysikalischen Informationstherapie in Höhe von 466 € als außergewöhnliche Belastung geltend. In dem Einkommensteuerbescheid 2009 vom 8. November 2010 berücksichtigte der Beklagte die vorgenannten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung, da die den Aufwendungen zu Grunde liegende Rechnung (Blatt 26, 27 der Einkommensteuerakte) auf Herrn H. L. ausgestellt sei.

3

Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. November 2010 -u.a. auch wegen weiterer Streitpunkte, die nicht Gegenstand der Klage sind- Einspruch ein und machte geltend, dass ihr Sohn in der privaten Krankenversicherung seines Vaters, von dem sie geschieden sei, mitversichert sei. Tatsächlich habe aber sie die Arztrechnungen beglichen und die Kosten getragen (vgl. Kontoauszug Blatt 35 der Einkommensteuerakte), da die Beihilfe und die private Krankenversicherung des Vaters ihres Sohnes eine Kostenerstattung abgelehnt habe (Blatt 22, 23 und 28 der Einkommensteuerakte). In der von der Klägerin vorgelegten "ärztlichen Bescheinigung" vom 10. Februar 2011 bestätigte der behandelnde Arzt, dass er auf Wunsch der Klägerin eine Untersuchung des Sohnes nach der Methode der Biophysikalischen Informations-Therapie und anschließend eine Behandlung entsprechend den Diagnosen durchgeführt habe. Bei einer abschließenden Untersuchung am 5. Oktober 2009 sei der Sohn der Klägerin beschwerdefrei gewesen (Blatt 39 der Einkommensteuerakte). Mit Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 wies der Beklagte den Einspruch zurück, da Behandlungen mit wissenschaftlich umstrittenen Methoden grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könnten, wenn die medizinische Indikation durch ein vor der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest oder eine Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachgewiesen werde. Diese Nachweiserfordernisse, die zuvor nur als Verwaltungsanweisung bestanden hätten, seien inzwischen in § 64 Abs. 1 EStDV gesetzlich normiert und fänden auch im Streitfall Anwendung.

4

Die Klägerin trägt vor, die Biophysikalische Informations-Therapie sei eine alternativmedizinische Methode zur Behandlung verschiedener Krankheiten. Ihre Wirksamkeit sei in der Wissenschaft zwar noch umstritten, jedoch werde diese Therapiemethode seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt und die Erfolge seien nicht von der Hand zu weisen. Schließlich sei auch ihr Sohn nach der Behandlung beschwerdefrei. Der eingetretene medizinische Erfolg bei ihrem Sohn zeige zudem auf, dass es auf die generelle wissenschaftliche Anerkennung der Behandlungsmethode nicht ankomme. Das durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 eingeführte Nachweiserfordernis der Krankheitskosten gem. § 64 EStDV stelle eine belastende echte Rückwirkung dar und sei daher unzulässig. Aber selbst wenn man annehme, dass die Regelung hier Anwendung finde, so sei ein Abzug der außergewöhnlichen Belastungen dennoch angezeigt. Denn die Biophysikalische Informations-Therapie sei nicht eine eindeutig nicht wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode. Vielmehr habe bereits das Amtsgericht Rüsselsheim im Januar 2006 entschieden (Az.: 3 C 270/05), dass die Bioresonanztherapie wissenschaftlich von einigen ernstzunehmenden Vereinigungen anerkannt werde. Im Ausland, beispielsweise in der Schweiz, finde eine Kostenübernahme der Aufwendungen für eine Bioresonanztherapie durch die Krankenkassen statt. Dies zeige, dass es sich hierbei allenfalls um eine umstrittene Behandlungsmethode handle, die aber nicht unter das Nachweiserfordernis nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV falle, welches nur für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden gelte. Daher sei kein vor der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Attest erforderlich und eine ärztliche Bescheinigung über die medizinische Indikation der Maßnahme liege im Streitfall vor.

5

Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 8. November 2010  und die Einspruchsentscheidung vom 7. März 2012 dahin zu ändern, dass weitere Aufwendungen in Höhe von 466,29 € als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt werden.

6

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

7

Der Beklagte trägt vor, die Regelung des § 64 Abs. 1 EStDV beinhalte keine unzulässige Rückwirkung, denn die gesetzliche Reglung übernehme nur die ständige Verwaltungspraxis, die über viele Jahre auch die Rechtsprechung angewandt habe. Dementsprechend sei u.a. bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten durch ein vor Beginn der Maßnahme erstelltes amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erbringen. Nach den ihm zugänglichen Quellen (Wikipedia, Urteil des Landgerichts Dortmund vom 24. Juni 2004 - 8 O 212/04) sei die Bioresonanztherapie keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode. Auch aus der fehlenden Kostenerstattung durch die Hessische Beihilfestelle und die Debeka Krankenversicherung ergebe sich, dass es sich hierbei um keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handle.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unbegründet.

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Der Beklagte hat die steuermindernde Berücksichtigung der Aufwendungen für die Untersuchung des Sohnes der Klägerin nach der Biophysikalischen Informations-Therapie als außergewöhnliche Belastungen zu Recht versagt.

10

1.
Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands -außergewöhnliche Belastung- erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen -§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG-. Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind. In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten -ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit -z.B. Medikamente, Operation- oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne das es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf. Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt -vertretbar- sind und vorgenommen werden, also medizinisch indiziert sind. Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung. Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2012 - VI R 74/10, BStBl. 2012, 577).

11

Durch die Neufassung der Regelung des § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 EStDV und § 84 Abs. 3 Buchst. f EStDV durch das StVereinfG 2011 hat der Gesetzgeber auf die jüngere Rechtsprechung des BFH reagiert (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2010 (VI R 17/09, BStBl. II 2011, 969), nach der es für die Berücksichtigung von Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, nicht mehr der vorherigen Feststellung einer medizinischen Indikation der Maßnahmen durch einen amtsärztliches oder vertrauensärztliches Gutachten oder Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers bedarf (vgl. Schmitz-Herscheidt, Anerkennung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen, NWB 2012, 2917), und die Verwaltungsanweisung in R 33.4 EStR 2008 gesetzlich normiert (vgl. BT-Drucks. 17/6146). Nach § 84 Abs. 3f EStDV ist diese Regelung in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Der Gesetzgeber sieht die gesetzliche Festschreibung der vorherigen Verwaltungsregelung für Veranlagungszeiträume vor dem Jahr 2011 als eine zulässige echte Rückwirkung an (Geserich, Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen, FR 2011, 1067).

12

Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass er durch diese gesetzliche Neuregelung an der Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen für die Untersuchung des Sohnes der Klägerin nach der Biophysikalischen Informations-Therapie als außergewöhnliche Belastungen gehindert sei. Mit dem vorgenannten Urteil vom 19. April 2012 (VI R 74/10, a.a.O.) hat der BFH entschieden, dass dem in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 und in § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 geregelten Verlangen, die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall formalisiert nachzuweisen, nach § 84 Abs. 3 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 auch in Veranlagungszeiträumen vor 2011 Rechnung zu tragen ist und dass weder die in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 normierte Verordnungsermächtigung noch der auf ihrer Grundlage ergangene § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 rechtsstaatlichen Bedenken begegnet noch dass die in § 84 Abs. 3 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden ist. Auch das Finanzgericht Münster (Urteil vom 18. Januar 2012 - 11 K 317/09, EFG 2012, 702) und das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (Urteil vom 17. April 2013 - 5 K 71/11, EFG 2013, 1128) teilen diese Auffassung. Zwar ist eine echte Rückwirkung -Rückbewirkung von Rechtsfolgen-, die hier insoweit vorliegt, als die Änderung der EStDV durch das StVereinfG 2011 Veranlagungszeiträume betrifft, die vor dem Zeitpunkt der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 bereits abgeschlossen waren und für die die Steuer bereits entstanden ist, nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich unzulässig. Allerdings tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte, etwa weil eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird. Mit der gesetzlichen Neuregelung hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch das vorgenannte Urteil des BFH vom 11. 11. 2010 (VI R 17/09, a. a. O.) einer gefestigten Rechtsprechung und der einhelligen Praxis der Finanzverwaltung und damit allgemeiner Rechtsanwendungspraxis auch auf Seiten der Steuerpflichtigen entsprach. Die Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2010 ist damit durch die Neuregelungen im Steuervereinfachungsgesetz 2011 überholt (vgl. Geserich, Der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten nach der Neuregelung im StVereinfG 2011, DStR 2012, 1490). Bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, ist die  Steuererheblichkeit der Krankheitskosten und damit die medizinische Indikation der Heilbehandlung nach der gesetzlichen Neuregelung daher zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amtsärztliches Gutachten bzw. Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers nachzuweisen. Dies gilt gem. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie.

13

2.
Nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 hat der Steuerpflichtige den Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden durch ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestellte ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erbringen.

14

a)
Bei unbefangenem Verständnis der gesetzlichen Regelung ist nach dem Wortlaut damit zu unterscheiden zwischen wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden und wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden. Offensichtlich wird die Vorschrift auch vom Beklagten so verstanden. Aus der fehlenden Kostenerstattung der Aufwendungen durch die Beihilfe bzw. durch die private Krankenversicherung sowie aus der Recherche in Wikipedia und nach dem Urteil des Landgerichts Dortmund vom 24. Juni 2004 (8 O 212/04, in juris) hat der Beklagte geschlossen, dass es sich bei der Biophysikalischen Informations-Therapie -auch Bioresonanztherapie- um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode handelt und deshalb die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen abgelehnt. Dieser Schluss des Beklagten ist nach Auffassung des Senats zutreffend.

15

b)
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (Urteil vom 17. April 2013 - 5 K 71/11, a.a.O.) und Geserich (Der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten nach der Neuregelung im StVereinfG 2011, a.a.O.) vertreten hingegen die Auffassung, die gesetzliche Neuregelung in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f durch das StVereinfG 2011 fordere den strengen amtlichen Nachweis nur bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, nicht aber bei wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden, so dass auch zukünftig zwischen wissenschaftlich umstrittenen und wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden zu unterscheiden sei, da nur letztere dem strengen amtlichen Nachweiserfordernis nach § 64 Abs. 1 Buchst. f EStDV unterliegen.

16

Geserich stützt seine Auffassung, der das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht folgt, darauf, dass der BFH bislang lediglich zwischen allgemein anerkannten (schul)medizinischen und wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden differenziert und hierzu nicht nur sog. Außenseitermethoden und damit solche, die noch nicht als anerkannte Regel der ärztlichen Wissenschaft gelten, sondern im Ergebnis alle alternativen Behandlungsmethoden gezählt hat. Diese pauschale Betrachtung greife jedoch zu kurz, da auch die Behandlungsmethoden, Arzneimittel und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen -in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V; hierzu zählen die Homöopathie, Anthroposophie und Phytotherapie [Pflanzenheilkunde]-, wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden seien, die nach festgelegten Regeln in der Praxis individuell angewandt und kontinuierlich mit modernen wissenschaftlichen Methoden weiter entwickelt werden. Nach Auffassung von Geserich sei ein erster Schritt auf dem Weg zu einer differenzierteren Betrachtungsweise bereits vollbracht, da der BFH in seiner neuesten Rechtsprechung (BFH-Urteil vom 2. September 2010, VI R 11/09, BStBl. II 2011, 119) eine Außenseitermethode -immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit Ukrain- von den anerkannten schulmedizinischen und naturheilkundlichen Behandlungen abgegrenzt habe

17

c)
Im Streitfall war die Erkrankung des Sohnes der Klägerin aber nicht derart lebensbedrohlich wie die schwerwiegende Erkrankung der verstorbenen Ehefrau des dortigen Klägers in dem Fall, der dem Urteil des BFH vom 2. September 2010 (VI R 11/09, BStBl. II 2011, 119) zugrunde lag. Für einen solchen Fall bestimmt zudem die Regelung des § 2 Abs. 1a SGB V, dass Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V abweichende Leistung beanspruchen können, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Zudem hat der BFH in dem Urteil vom 2. September 2010 (VI R 11/09, a.a.O.) ausdrücklich offenlassen, ob bei Behandlungen mit wissenschaftlich umstrittenen Methoden der Nachweis der medizinischen Indikation durch eine amts- oder vertrauensärztliche Begutachtung unerlässlich ist. Der BFH hat in dem entschiedenen Fall zudem darauf abgestellt, dass es sich bei der immunbiologischen Krebsabwehrtherapie um eine gezielte therapeutische Maßnahme handelte, die durch eine gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Person, einen Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren, durchgeführt worden ist. Allein dieses Abgrenzungskriterium führt nach Ansicht des Gerichts im Streitfall aber nicht weiter, da auch die in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 als Beispiele für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden aufgeführten therapeutischen Maßnahmen, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie, regelmäßig von gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Personen als sog. "Igel"-Leistungen zur gezielten Therapie für verschiedene Beeinträchtigungen des Gesundheitszustandes eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass der Vorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V, wonach neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erst nach Empfehlung durch die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen erbracht werden dürfen, auch für die Behandlungsmethoden der besonderen Therapierichtungen gilt und dass die Bioresonanztherapie in den Richtlinien über die Einführung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden -NUB-Richtlinien- ausdrücklich unter den Methoden aufgeführt ist, deren diagnostischer bzw. therapeutischer Nutzen nicht festgestellt werden kann (vgl. BSG-Beschluss vom 29. September 1998 - B 1 KR 36/97 B, in juris). Zudem hat im Streitfall die Klägerin ausweislich der "ärztlichen Bescheinigung" vom 10. Februar 2011 die Behandlung nach der Biophysikalischen Informations-Therapie gewünscht und es ist nicht ersichtlich, dass nicht auch eine schulmedizinische Diagnose und Therapie, deren Kosten erstattungsfähig gewesen wären, zu dem gewünschten Heilungserfolg geführt hätte.

18

d)
Der BGH hat in seiner Rechtsprechung zur Unwirksamkeit der leistungsbeschränkenden Wissenschaftlichkeitsklausel in privaten Krankenversicherungsbedingungen eine klare Unterscheidung zwischen wissenschaftlich anerkannten und wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden vorgenommen. Nach dieser Rechtsprechung steht die Schulmedizin im Gegensatz zur sogenannten alternativen Medizin. Die wissenschaftlich allgemein anerkannten Methoden sind gerade nicht die Methoden der alternativen Medizin. Nach der Wissenschaftlichkeitsklausel sind mithin solche Kosten nicht erstattungsfähig, die durch Arzneien oder Behandlungen nach Methoden der alternativen Medizin entstehen. Da sich "wissenschaftlich allgemein anerkannt" allein auf die Schulmedizin bezieht, kommt es nicht darauf an, ob die jeweilige Methode von den Vertretern der Alternativmedizin gebilligt wird. Umgekehrt gilt allerdings, dass die von der alternativen Medizin angewendeten Methoden nicht als allgemein wissenschaftlich anerkannt angesehen werden können, es sei denn, sie werden auch von der Schulmedizin gebilligt (vgl. BGH-Urteil vom 23. Juni 1993 - IV ZR 135/92, NJW 1993, 2369). Auch diese Rechtsprechung spricht daher dafür, dass die gesetzliche Regelung des in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 nach dem Wortlaut allein zwischen wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden und wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden unterscheidet.

19

Hinzu kommt, dass die Abrechnungsfähigkeit alternativer Behandlungsmethoden nach den Bestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte –GOÄ- keinen Anlass für die Annahme bietet, eine allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der alternativen Behandlungsmethoden läge vor. Die privatärztliche Abrechnung der GOÄ setzt ihrerseits nämlich gerade keine wissenschaftliche Anerkennung einer Maßnahme voraus (vgl. Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 1 K 592/11.NW, in juris).

20

e)
Bei der Bioresonanztherapie handelt es sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011, welche weder eine Behandlungsmethode der besonderen Therapierichtungen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist, zu denen die Homöopathie, Anthroposophie und Phytotherapie zählen, noch ging es im Streitfall um eine besonders schwerwiegende Erkrankung, so dass an dem gesetzlich normierten Nachweiserfordernis festzuhalten ist.

21

Bei der Bioresonanztherapie handelt es sich nach dem Eintrag in Wikipedia um eine alternativmedizinische Methode zur Behandlung von Allergien, Migräne, Schlafstörungen, chronischen Schmerzen und weiteren Krankheiten. Weiter ist ausgeführt, dass hierunter auch Krankheitsbilder fielen, die in der evidenzbasierten Medizin unbekannt seien und im Widerspruch zu grundlegenden Erkenntnissen über die menschliche Physiologie stünden. Die Bioresonanztherapie sei 1977 von dem deutschen Arzt und Scientologen Franz Morell und seinem Schwiegersohn, dem Ingenieur Erich Rasche als MORA-Therapie eingeführt worden. Um nicht weiter in die Nähe von Scientology gerückt zu werden, hätten sich in den 1990er Jahren mehrere bedeutende Therapeutenvereinigungen umbenannt und „Bioresonanz" aus ihrer Namensgebung verbannt. So existierten ähnliche Verfahren u. a. unter den Namen Biophysikalische Informationstherapie. Bioresonanztherapie gehört nicht zum Methodenspektrum der wissenschaftlichen Medizin. Einen Nachweis für eine Wirksamkeit der Bioresonanztherapie, die über Placeboeffekte hinausginge, gebe es nicht. Die Bioresonanztherapie habe nichts mit Biofeedback zu tun. Eine große Zahl von wissenschaftlichen Studien konnte zeige, dass Heilungserfolge bei der Allergiebehandlung von Kindern nicht reproduzierbar gewesen seien. Aufgrund des fehlenden wissenschaftlichen Wirksamkeitsnachweises des biophysikalischen Behandlungskonzeptes sei die Bioresonanztherapie vom Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen von der generellen Erstattungsfähigkeit durch gesetzliche Krankenkassen in Deutschland ausgeschlossen worden. In der Schweiz hingegen werde die Bioresonanztherapie von einigen Krankenkassen im Rahmen einer Zusatzversicherung finanziert (http://de.wikipedia.org/wiki/Bioresonanztherapie). Nach einem Artikel in dem Internetauftritt der Süddeutschen Zeitung könne die Bioresonanztherapie nach den Behauptungen ihrer Anhänger verblüffende Erfolge vorweisen. Doch einer Überprüfung hielten die quantenphysikalisch verbrämten Versprechen nicht stand. Die Bioresonanztherapie sei einer Vielzahl wissenschaftlicher Tests unterzogen worden: die Ergebnisse seien durchgängig negativ gewesen. Die Stiftung Warentest rate deshalb entschieden von der Bioresonanztherapie ab, egal, unter welchem Namen sie betrieben werde, da Bioresonanztherapie  als reine Spekulation und Irreführung des Patienten gelten müsse (Süddeutsche.de vom 21. März 2012, Von falsch gepolten Schwingungen, http://www.sueddeutsche.de/wissen/bioresonanztherapie-von-falsch-gepolten-schwingungen-1.925084).

22

In Deutschland gehört eine Behandlung mittels Bicom-Resonanz-Therapie (BIT) jedenfalls nicht zu den von der Krankenkasse geschuldeten Leistungen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. März 2001 - L 5 KR 137/00, in juris). Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hat in den NUB-Richtlinien in der Fassung vom 8. Mai 1995 die Bioresonanz-Diagnostik und die Bioresonanz-Therapie ausdrücklich als Methoden bezeichnet, die nicht als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden anerkannt werden können (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25. September 1997 - L 5 K 34/97, in juris; vgl. a. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. November 2011 - L 8 KR 93/10, in juris, dort Rn. 56). Denn hier besteht ein enger Zusammenhang des Wirtschaftlichkeitsgebots -§§ 12, 70 SGB V- mit der "Wissenschaftlichkeitsklausel" des § 2 Abs.1 Satz 3 SGB V. Nach dieser gesetzlichen Bestimmung müssen Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Mit dieser Regelung will der Gesetzgeber Leistungen ausschließen, die mit wissenschaftlich nicht anerkannten Methoden erbracht werden. Neue Verfahren, die nicht ausreichend erprobt sind, oder Außenseitermethoden, die zwar bekannt sind, aber sich nicht bewährt haben, lösen keine Leistungspflicht der Krankenkassen aus. Dies gilt auch dann, wenn neue Methoden im Einzelfall zu einer Heilung der Krankheit oder Linderung der Krankheitsbeschwerden führen. Aus dem Zusammenhang beider Vorschriften ergibt sich, dass eine nicht nach medizinisch-wissenschaftlichen Grundsätzen durchgeführte Therapie im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes nicht geeignet oder nicht zweckmäßig ist. Eine überflüssige, d.h. ungeeignete oder unzweckmäßige Behandlung entspricht umgekehrt nicht den Regeln der ärztlichen Kunst -§ 28 SGB V- und damit dem übergreifenden Gebot, die Therapie im Einklang mit den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft zu betreiben. Kosten einer Behandlung mit Bioresonanztherapie sind daher nicht zu erstatten (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. Februar 1998 - L 4 KR 67/96, in juris).

23

Nach den Vorgaben der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Behandlungsmethode dann wissenschaftlich nicht anerkannt, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftler nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering erachtet. Der Gemeinsame Bundesausschuss der kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen -vgl. § 91 Abs. 1 SGB V - hat zwar nicht selbst über den medizinischen Nutzen einer bestimmten Methode zu urteilen, seine Aufgabe ist es vielmehr, sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlägigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit der in Rede stehenden Behandlungsweise besteht (vgl. Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 1 K 592/11.NW, a.a.O.). Anhand dieses Überblicks kann dann eine Unterscheidung zwischen wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden und wissenschaftlich anerkannten Behandlungsmethoden getroffen werden.

24

Schließlich haben auch die Hessische Beihilfestelle und die Debeka Krankenversicherung eine Erstattung der Aufwendungen für die Behandlungsmethode abgelehnt, da die Behandlungsmethode wissenschaftlich nicht allgemein anerkannt bzw. nicht medizinisch notwendig ist.

25

Bei der Bioresonanztherapie handelt es sich somit nicht um eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Behandlungsmethode (vgl. Verwaltungsgericht des Saarlandes, Urteil vom 8. Oktober 2010 - 3 K 624/10, in juris). Allein der Umstand, dass es Anhänger der Methode gibt, die deren Wirksamkeit behaupten, kann jedenfalls nicht dazu führen, dass es sich um eine "nur" wissenschaftlich umstrittene Behandlungsmethode handelt, welche nach Ansicht von Geserich (Der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten nach der Neuregelung im StVereinfG 2011, a.a.O.) nicht unbedingt dem Nachweiserfordernis des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV unterfällt. Denn wollte man dies ausreichen lassen, so wäre diese Voraussetzung für jede abweichende medizinische Behandlungsmethode erfüllt, da jedenfalls der nach dieser Methode behandelnde Arzt deren Unwirksamkeit bestreitet und deren Wirksamkeit behauptet. Auch führt der Umstand, dass eine Behandlungsmethode im Einzelfall zu dem gewünschten therapeutischen Ergebnis führt, nicht dazu, diese als "nur" wissenschaftlich umstrittene Behandlungsmethode und nicht als wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode anzusehen (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. Februar 1998 - L 4 KR 67/96, a.a.O.; Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 14. Dezember 2011 - 1 K 592/11.NW, a.a.O.).

26

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Einkommensteuergesetz - EStG | § 33 Außergewöhnliche Belastungen


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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 2 Leistungen


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Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 135 Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden


(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs.

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 91 Gemeinsamer Bundesausschuss


(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 28 Ärztliche und zahnärztliche Behandlung


(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 70 Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit


(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten m

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Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Sept. 2013 - 3 K 1443/12 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Finanzgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 20. Sept. 2013 - 3 K 1443/12 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht Urteil, 17. Apr. 2013 - 5 K 71/11

bei uns veröffentlicht am 17.04.2013

Tenor Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 8. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2011 wird dahingehend geändert, dass bei den außergewöhnlichen Belastungen weitere Aufwendungen in Höhe von 1.080 € berücksichtigt w

Bundesfinanzhof Urteil, 19. Apr. 2012 - VI R 74/10

bei uns veröffentlicht am 19.04.2012

Tatbestand 1 I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für einen Kuraufenthalt, Kosten für Wassergymnastik und Bewegungsbäder sowie für Stärkungsmittel u

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Urteil, 14. Dez. 2011 - 1 K 592/11.NW

bei uns veröffentlicht am 14.12.2011

weitere Fundstellen ... Diese Entscheidung wird zitiert Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1 Die Beteiligten s

Bundesfinanzhof Urteil, 02. Sept. 2010 - VI R 11/09

bei uns veröffentlicht am 02.09.2010

Tatbestand 1 I. Streitig ist, ob Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.

Referenzen

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen für einen Kuraufenthalt, Kosten für Wassergymnastik und Bewegungsbäder sowie für Stärkungsmittel und Einlegesohlen, die ohne ärztliche Verordnung erworben wurden, als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die im Streitjahr 2006 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt wurden. Der Kläger erzielte im Streitjahr als kaufmännischer Angestellter Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 27.351 €, die Klägerin war Hausfrau. In ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger u.a. folgende Aufwendungen als Krankheitskosten bei den außergewöhnlichen Belastungen geltend:

3

        

Kostenart    

Betrag in €

Praxisgebühren, Untersuchungsgebühr 

70,00

Fahrtkosten zu ärztlichen Behandlungen und Untersuchungen mit dem eigenen PKW

188,70

Kosten für ärztlich verordnete Medikamente und Stärkungsmittel

221,62

Kosten für Krankengymnastik, Massagen, Fango usw.

153,24

Trinkgelder für Behandlungspersonal

50,00

Kurtaxe für einen Behandlungsaufenthalt in Bad A vom 27. Oktober bis 17. November 2006

39,70

Übernachtungskosten für Aufenthalt in Bad A 

741,00

Kosten für die Fahrt W - Bad A mit eigenem PKW (1.700 km x 0,30 €) 

510,00

Kosten für Thermal-Bewegungsbäder laut ärztlicher Verordnung und Fahrtkosten zu den Terminen

299,70

Kosten für Wassergymnastik und Bewegungsbäder einschließlich Fahrtkosten dorthin 

492,00

Kosten für Einlegesohlen, Verbandsmaterial etc.  

59,89

      

4

In einer der Erklärung beigefügten Anlage gaben die Kläger zu den Kosten für die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder an, sie hätten an diesen auf ärztlichen Rat teilgenommen. Die Kläger würden an chronischen Lendenwirbelschmerzen an einer Bandscheibenvorwölbung seit 2004 leiden. Weiterhin klagten sie über Halswirbelschmerzen, Wirbelsäulenveränderungen, Migräne und Herzkreislaufbeschwerden. Die Teilnahme sei zur Schmerzreduktion erforderlich gewesen.

5

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte im Rahmen der streitigen Einkommensteuerveranlagung die Trinkgelder (50 €), die Kurtaxe (39,70 €), die Übernachtungs- und die Fahrtkosten nach Bad A (741 € und 510 €) nicht an. Die Kosten für die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder (492 €) wurden ebenfalls nicht berücksichtigt; die Aufwendungen für die Stärkungsmittel in Höhe von 221,62 € wurden um 59,33 € gekürzt, da insoweit keine ärztliche Verordnungen vorgelegen hätten. Auch die Aufwendungen für die Einlegesohlen in Höhe von 46,21 € blieben unberücksichtigt. Sie seien --ohne ärztliche Verordnung-- bei Discountern erworben worden. Die geltend gemachten Kurkosten könnten nicht als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, da die Kurbedürftigkeit nicht durch ein vor Kurbeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vergleichbares Zeugnis nachgewiesen worden sei. Nach alldem seien lediglich Aufwendungen in Höhe von 818 € nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) berücksichtigungsfähig. Eine Minderung des Einkommens der Kläger komme gleichwohl nicht in Betracht. Denn die zumutbare Belastung betrage im Streitfall 1.220 €.

6

Der Einspruch der Kläger blieb weitgehend erfolglos. Im Einspruchsbescheid vom 20. November 2008 führte das FA zur Begründung aus, die zu berücksichtigenden Aufwendungen seien um 70 € (Praxisgebühren) und 26,31 € (Einlegesohlen) zu erhöhen und andererseits um 20,15 € bei den Medikamenten zu kürzen. Die Kosten für die Behandlungen in Bad A könnten weiterhin nicht anerkannt werden. Die Kläger hätten weder ein vor Reisebeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vertrauensärztliches Attest noch eine Bescheinigung der gesetzlichen Krankenkasse vorgelegt. Damit seien zwar Aufwendungen in Höhe von 894,16 € berücksichtigungsfähig, die die zumutbare Belastung jedoch nicht überschritten.

7

Die hiergegen nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Die Kläger hätten die medizinische Notwendigkeit und damit Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen nicht durch Vorlage eines ärztlichen Rezeptes oder einer Verordnung bzw. durch Vorlage eines amts- oder vertrauensärztlichen Attests oder Gutachtens nachgewiesen. Ein Abzug der geltend gemachten Krankheitskosten nach § 33 EStG komme deshalb nicht in Betracht. Dies gelte auch für die Trinkgelder. Derartige Zuwendungen seien grundsätzlich nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 1 EStG, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Leistung selbst als außergewöhnliche Belastung zu beurteilen sei.

8

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

9

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 20. August 2010 15 K 514/08 aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 24. Januar 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom

20. November 2008 dahingehend zu ändern, dass Aufwendungen in Höhe von 2.826 € als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.

10

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

11

Mit Erklärung vom 6. Januar 2012 ist das Bundesministerium der Finanzen dem Verfahren wegen der Frage beigetreten, ob und wieweit an der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der es mangels gesetzlicher Grundlage für die Anerkennung von Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Erforderlichkeit deshalb schwer zu beurteilen ist, eines grundsätzlich vor der Behandlung ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens über die medizinische Notwendigkeit nicht bedarf (BFH-Urteile vom 11. November 2010 VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, und VI R 17/09, BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969), auch nach der Übernahme der Nachweisregelungen aus R 33.4 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 2008 in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes (StVereinfG) 2011 (BGBl I 2011, 2131) i.V.m. §§ 64 Abs. 1, 84 Abs. 3f der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i.d.F. des StVereinfG 2011 festzuhalten ist.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt.

13

1. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (u.a. BFH-Urteil vom 29. September 1989 III R 129/86, BFHE 158, 380, BStBl II 1990, 418).

14

a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

15

b) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.

16

c) Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch --SGB V--) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S. von § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich.

17

2. Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen --wie vorliegend-- die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden.

18

a) Weder die in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 normierte Verordnungsermächtigung noch der auf ihrer Grundlage ergangene § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 begegnet rechtsstaatlichen Bedenken. § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 ist hinreichend bestimmt und mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) vereinbar; auch hat sich der Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung von § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 im Rahmen seiner Befugnisse gehalten. Die strenge Formalisierung des Nachweises der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall erscheint --jedenfalls im Grundsatz-- nicht unverhältnismäßig. Aufgrund der Neutralität und Unabhängigkeit des Amts- und Vertrauensarztes ist dieses Nachweisverlangen im steuerlichen Massenverfahren geeignet, erforderlich und verhältnismäßig, um die nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit zu gewährleisten. Dem steht nicht entgegen, dass der Verordnungsgeber beim Nachweis von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln (im engeren Sinne) auf ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten verzichtet und eine vorherige Verordnung durch den behandelnden Arzt oder Heilpraktiker genügen lässt. Denn insoweit wird verwaltungsökonomischen Gesichtspunkten Rechnung getragen (Geserich, Finanz-Rundschau 2011, 1067).

19

b) Auch die in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.

20

aa) Sie ist von der Ermächtigung des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 gedeckt und deshalb im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich. Art. 80 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht, Ermächtigungen zum Erlass rückwirkender Verordnungen zu erteilen, noch gebietet er, dass eine solche Ermächtigung ausdrücklich erteilt wird. Es reicht hin, wenn sich die Ermächtigung dazu aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 8. Juni 1977  2 BvR 499/74 und 1042/75, BVerfGE 45, 142). Davon ist vorliegend auszugehen. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Anwendungsregelung sicherstellen, dass die vor den Entscheidungen des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 geübte Rechtspraxis ohne zeitliche Lücke aufrechterhalten wird (BTDrucks 17/6146, S. 17). Überdies hat er selbst und nicht der Verordnungsgeber die rückwirkende Geltung des formalisierten Nachweisverlangens gemäß § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in Art. 2 Nr. 9 des StVereinfG 2011 angeordnet.

21

bb) § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 verstößt auch im Übrigen nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar ist eine echte Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen), die hier insoweit vorliegt, als die Änderung der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 --wie hier-- Veranlagungszeiträume betrifft, die vor dem Zeitpunkt der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 bereits abgeschlossen waren und für die die Steuer bereits entstanden ist (§ 36 Abs. 1 EStG), nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Juli 2010  2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 1098; 2 BvR 748/05, 2 BvR 753/05, 2 BvR 1738/05, HFR 2010, 1095, und 2 BvL 1/03, 2 BvL 57/06, 2 BvL 58/06, HFR 2010, 1103). Erst mit der Verkündung, das heißt mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfG-Beschluss vom 3. Dezember 1997  2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 <78 f.>, m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 22. März 1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 <353 f.>; vom 10. April 1984  2 BvL 19/82, BVerfGE 67, 1 <15>; vom 14. Mai 1986  2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 <241 f.>; in BVerfGE 97, 67 <78 f.>; BVerfG-Urteil vom 27. September 2005  2 BvR 1387/02, BVerfGE 114, 258 <300>).

22

cc) In der Rechtsprechung des BVerfG sind jedoch --ohne dass dies abschließend wäre-- Fallgruppen anerkannt, in denen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot durchbrochen ist (vgl. Beschlüsse in BVerfGE 72, 200 <258 ff.>; in BVerfGE 97, 67 <79 f.>; BVerfG-Urteil vom 23. November 1999  1 BvF 1/94, BVerfGE 101, 239 <263>). So tritt das Rückwirkungsverbot, das seinen Grund im Vertrauensschutz hat, namentlich dann zurück, wenn sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 101, 239 <263>), etwa weil die Rechtslage unklar und verworren war (vgl. BVerfG-Urteil vom 19. Dezember 1961  2 BvL 6/59, BVerfGE 13, 261 <272>) oder eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung zu einer bestimmten Steuerrechtsfrage nach Änderung der Rechtsanwendungspraxis rückwirkend gesetzlich festgeschrieben wird (BVerfG-Beschlüsse vom 23. Januar 1990  1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BVerfGE 81, 228; vom 15. Oktober 2008  1 BvR 1138/06, Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts --BVerfGK-- 14, 338, und vom 21. Juli 2010  1 BvL 11/06, 1 BvL 12/06, 1 BvL 13/06, 1 BvR 2530/05, BVerfGE 126, 369). Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der BFH, wie die Kläger meinen, mit der Änderung seiner Rechtsprechung das bei gleichgebliebener Gesetzeslage schon bisher "richtige Recht" zutreffend erkannt oder die frühere Rechtslage fortentwickelnd neu gestaltet hat (BVerfG-Beschluss in BVerfGK 14, 338).

23

dd) Gemessen hieran durfte der Verordnungsgeber das formalisierte Nachweisverlangen rückwirkend anordnen. Damit hat der Gesetzgeber die Rechtslage auch mit Wirkung für die Vergangenheit so geregelt, wie sie bis zur Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Urteile des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 einer gefestigten Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 14. Februar 1980 VI R 218/77, BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295; in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386; vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427; vom 9. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920; in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543; vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592; vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602; vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841; BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 III B 56/04, juris; vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438, und vom 15. November 2007 III B 205/06, BFH/NV 2008, 368) und der einhelligen Praxis der Finanzverwaltung (R 33.4 Abs. 1 EStR) und damit allgemeiner Rechtsanwendungspraxis auch auf Seiten der Steuerpflichtigen entsprach. Ein berechtigtes Vertrauen auf eine hiervon abweichende Rechtslage konnten die Steuerpflichtigen, so auch die Kläger, jedenfalls vor der Rechtsprechungsänderung nicht bilden. Zumal das FA nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG bereits im Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Dezember 2005 auf die Notwendigkeit ärztlicher Verordnungen und im Einspruchsbescheid vom 22. Mai 2006, mit dem der Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Dezember 2005 zurückgewiesen wurde, auf die Anforderungen an den Nachweis der Notwendigkeit von Kuraufwendungen hingewiesen hatte.

24

ee) Ob und inwieweit anderes für die Zeit nach dem Ergehen der Urteile des BFH in BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966 und in BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969 bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss am 1. November 2011 bzw. der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 am 4. November 2011 (BGBl I 2011, 2131) oder jedenfalls bis zur entsprechenden Gesetzesinitiative --hier der Prüfbitte des Bundesrates vom 18. März 2011-- gilt, kann hier dahinstehen. Denn das Ausgangsverfahren betrifft lediglich den Veranlagungszeitraum 2006, etwaige im Vertrauen auf die erfolgte Rechtsprechungsänderung getätigte Dispositionen in der Zeit nach November 2010 stehen damit nicht zur Entscheidung.

25

ff) Es widerspricht weder dem Rechtsstaatsprinzip noch dem Gewaltenteilungsgrundsatz, wenn der Gesetzgeber eine Rechtsprechungsänderung korrigiert, die auf der Grundlage der seinerzeit bestehenden Gesetzeslage zwar mit gutem Grund erfolgt ist, deren Ergebnis er aber für nicht sachgerecht hält. Nicht die Rücksicht auf die rechtsprechende Gewalt und deren Befugnis zur Letztentscheidung über die bestehende Gesetzeslage, sondern nur das sonstige Verfassungsrecht, insbesondere die Grundrechte der Steuerpflichtigen, begrenzt hier die Gestaltungsbefugnis des Gesetzgebers bei der Bestätigung der alten Rechtspraxis durch entsprechende gesetzliche Klarstellung (BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 81, 228; in BVerfGK 14, 338, und in BVerfGE 126, 369). Entgegen der Auffassung der Kläger ist insoweit nicht erkennbar, dass die gesetzliche Festschreibung des von der Rechtspraxis bisher verlangten formalisierten Nachweises von Krankheitskosten in verfassungsrechtlich erheblicher Weise die gerade auch im Steuerrecht Geltung beanspruchenden Grundsätze der Folgerichtigkeit und der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung (vgl. BVerfG-Beschluss vom 6. Juli 2010  2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268) verletzt.

26

3. Nach alldem ist die Entscheidung des FG, die Kosten für die Anschaffung der Einlegesohlen, die ohne ärztliche Verordnung angeschafften entzündungshemmenden Medikamente, Schmerzmittel, Hand- und Fußcremes, die Wassergymnastik und die Bewegungsbäder der Klägerin sowie die Aufwendungen für den Aufenthalt in Bad A im Ergebnis nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zuzulassen, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn insoweit haben die Kläger --nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG-- die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen nicht in der nach § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 gebotenen Form nachgewiesen. Das FG hat auch die Abzugsfähigkeit der geltend gemachten Trinkgelder zutreffend verneint. Trinkgelder sind nicht zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 1 EStG, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Leistung selbst als außergewöhnliche Belastung zu beurteilen ist. Der Steuerpflichtige ist zwar aus tatsächlichen Gründen gezwungen, bei Krankheiten medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trinkgeld wird aber von ihm --anders als das Entgelt für die erbrachte Leistung-- zivilrechtlich nicht geschuldet. Auch wenn kein Trinkgeld erbracht wird, hat der Steuerpflichtige Anspruch auf eine sachgemäße Behandlung seiner Krankheit und kann diese auch erwarten (BFH-Urteil vom 30. Oktober 2003 III R 32/01, BFHE 204, 108, BStBl II 2004, 270).

(1) Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass der Teil der Aufwendungen, der die dem Steuerpflichtigen zumutbare Belastung (Absatz 3) übersteigt, vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

(2)1Aufwendungen erwachsen dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen.2Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht; das gilt für Aufwendungen im Sinne des § 10 Absatz 1 Nummer 7 und 9 nur insoweit, als sie als Sonderausgaben abgezogen werden können.3Aufwendungen, die durch Diätverpflegung entstehen, können nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.4Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind vom Abzug ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

(2a)1Abweichend von Absatz 1 wird für Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten nur eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale).2Die Pauschale erhalten:

1.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“,
2.
Menschen mit dem Merkzeichen „aG“, mit dem Merkzeichen „Bl“, mit dem Merkzeichen „TBl“ oder mit dem Merkzeichen „H“.
3Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 1 beträgt die Pauschale 900 Euro.4Bei Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 beträgt die Pauschale 4 500 Euro.5In diesem Fall kann die Pauschale nach Satz 3 nicht zusätzlich in Anspruch genommen werden.6Über die Fahrtkostenpauschale nach Satz 1 hinaus sind keine weiteren behinderungsbedingten Fahrtkosten als außergewöhnliche Belastung nach Absatz 1 berücksichtigungsfähig.7Die Pauschale ist bei der Ermittlung des Teils der Aufwendungen im Sinne des Absatzes 1, der die zumutbare Belastung übersteigt, einzubeziehen.8Sie kann auch gewährt werden, wenn ein Behinderten-Pauschbetrag nach § 33b Absatz 5 übertragen wurde.9§ 33b Absatz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(3)1Die zumutbare Belastung beträgt

bei einem Gesamtbetrag
der Einkünfte
bis
15 340
EUR
über
15 340
EUR
bis
51 130
EUR
über
51 130
EUR
1.bei Steuerpflichtigen, die keine Kinder haben und bei denen die Einkommensteuer
a) nach § 32a Absatz 1,567
b) nach § 32a Absatz 5
oder 6 (Splitting-Verfahren)
zu berechnen ist;

4

5

6
2.bei Steuerpflichtigen mit
a) einem Kind oder zwei
Kindern,

2

3

4
b) drei oder mehr Kindern112
Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte.

2Als Kinder des Steuerpflichtigen zählen die, für die er Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld hat.

(4) Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Einzelheiten des Nachweises von Aufwendungen nach Absatz 1 und der Anspruchsvoraussetzungen nach Absatz 2a zu bestimmen.

Tenor

Der Einkommensteuerbescheid 2009 vom 8. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2011 wird dahingehend geändert, dass bei den außergewöhnlichen Belastungen weitere Aufwendungen in Höhe von 1.080 € berücksichtigt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, und der Klägerin das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und den Bescheid mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekanntzugeben.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 3/4 und die Klägerin zu 1/4.

Das Urteil ist - soweit der Klage stattgegeben wurde - wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob Aufwendungen für heileurythmische Behandlungen als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz steuermindernd zu berücksichtigen sind.

2

Die Klägerin ist Pensionärin. Mit ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 machte sie u. a. folgende Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen im Sinne des § 33 EStG geltend:

3

36 heileurythmische Behandlungen a 45 Minuten a 45 Euro = 1.620 €.

4

Hierzu legte die Klägerin ärztliche Verordnungen des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. A vom 16. Januar, 25. Mai und vom 12. September 2009 vor, auf denen jeweils „12 x Heileurythmie“ verordnet wird und als Diagnose „Z. n. Discusprolaps“ (= Bandscheibenvorfall) sowie chronisch rezidives LWS-Syndrom (= chronisch wiederkehrendes Syndrom der Lendenwirbelsäule) vermerkt ist. Darüber hinaus reichte die Klägerin drei Rechnungen der Heileurythmistin B vom 12. Mai 2009, vom 8. September 2009 und vom 1. März 2010 über jeweils 12 Behandlungen über 540 € ein.

5

Mit Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 20. September 2010 setzte das beklagte Finanzamt die Einkommensteuer auf 3.716 € fest. Dabei berücksichtigte es außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 2.576 €. Die geltend gemachten Aufwendungen für heileurythmische Behandlungen berücksichtige das Finanzamt dabei nicht.

6

Hiergegen legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass ihre Aufwendungen für die ärztlich verordneten Heilbehandlungen berücksichtigt werden müssten, da auch zwei Krankenkassen diese Behandlungen aus dem Bereich der anerkannten Naturheilverfahren erstatten würden.

7

Mit nach § 172 AO aus nicht streitgegenständlichen Gründen geändertem Einkommensteuerbescheid für 2009, wurde die Einkommensteuer auf 3.626 € festgesetzt.

8

Mit Einspruchsentscheidung vom 8. März 2011 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass kein hinreichender Nachweis bestehe, dass die Behandlungen im Falle der Klägerin aus ärztlicher Sicht eine zwingend medizinisch notwendige und angemessene Methode zur Behandlung gewesen seien. Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

9

Die Klägerin hat am 8. April 2011 Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, sie leide seit mehreren Jahrzehnten an einem Zustand der Multi-Morbidität u. a. mit schwerem chronischem Schmerzsyndrom, Zustand nach operiertem lumbalen Bandscheibenvorfall und Polytraumatisierung infolge hochgradiger Gangunsicherheit durch zahlreiche Stürze mit Frakturen, Sehnenrissen, schweren Prellungen und/oder Gehirnerschütterung. Insoweit verweist sie auf die ärztliche Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. med. A vom 8. Juni 2011. Aufgrund des angeführten chronischen Lendenwirbelsäulensyndroms habe der Arzt Dr. A u. a. insgesamt 36 Heileurythmiebehandlungen verordnet. Bei der Heileurhythmie handele es sich um eine nichtärztliche Bewegungstherapie innerhalb der anthroposophischen Medizin. Sie stelle also eine spezifische Behandlungsmethode innerhalb der Therapierichtung der anthroposophischen Medizin dar. Sie werde in Einzelbehandlungen von entsprechend qualifizierten Therapeuten (Heileurythmisten), die den Patienten in spezifische therapeutische Körperbewegungen einweisen, ausgeführt.

10

Die Grundelemente der Heileurythmie seien die in Bewegung umgewandelten Laute unserer Sprache, die je nach Indikation und therapeutischer Zielsetzung spezifisch angewandt würden. Die Gestaltungsdynamik, die in der Lautbildung, d. h. im Aussprechen von Vokalen und Konsonanten, enthalten sei, werde in der Heileurythmie in Bewegung umgesetzt und erlebbar gemacht. Heileurythmie werde seit mehreren Jahrzehnten auf ärztliche Verordnung sowohl im ambulanten, stationären und palliativen Bereich u. a. bei akuten, chronischen oder degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, des Herz-Kreislaufssystems, des Stoffwechselsystems und des Bewegungsapparates angewendet. Zur näheren Erläuterung werde auf die als Anlage 6 beigefügte „Leitlinie zur Methode der Heileurythmie“ des Berufsverbands Heileurythmie e. V. verwiesen.

11

Bei der anthroposophischen Medizin handele es sich neben der Homöopathie um die Therapierichtung, die als sogenannte „besondere Therapierichtung“ durch den Gesetzgeber sowohl im Arzneimittelgesetz als auch im V. Sozialgesetzbuch (SGB V) eine besondere gesetzliche Anerkennung erfahren habe. So werde die anthroposophische Medizin an zahlreichen Stellen des SGB V als auch des ANG als besondere Therapierichtung vom Gesetzgeber ausdrücklich erwähnt. Sie sei damit von anderen Behandlungsmethoden der Alternativmedizin oder gar von Außenseitermethoden zu unterscheiden und als Therapierichtung gesetzlich besonders hervorgehoben. Die medizinische Indikation der Heileurythmie zur Behandlung der vorgenannten diagnostizierten Erkrankungen bzw. Beschwerden sei mittlerweile auch durch mehrere medizinische Studien nachgewiesen. Insoweit werde auf die als Anlage K 7 eingereichte vergleichende Studie aus der Zeitschrift „Der Merkurstab“, Heft 5 2008, Seite 435 ff verwiesen. Zudem werde auf den als Anlage K 8 eingereichten „Bericht Anthroposophische Medizin“ des Schweizer Bundesamtes für Sozialversicherung vom August 2004 Bezug genommen. Auch in Deutschland sei die Heileurythmie als spezifisches Heilmittel der anthroposophischen Medizin im Rahmen von Modelprojekten mit verschiedenen Krankenkassen evaluiert worden. So habe 1998 bis 2003 im Rahmen eines Modelprojektes der IKK Hamburg und weiterer gesetzlicher Krankenkassen eine Basisevaluation der anthroposophischen Medizin stattgefunden. Die Abschnitte „Überblick und Zusammenfassung“ sowie Abschnitt 12.9.11 zur Heileurythmie aus dem Abschlussbericht vom Juni 2005 werden als Anlage K 9 beigefügt. Darüber hinaus verweist die Klägerin auf eine Vielzahl weiterer Studien. Schließlich sei auch eine ganze Reihe von gesetzlichen Krankenkassen ausdrücklich in sogenannten „IV-Verträgen“ (Verträge zur integrierten Versorgung mit anthroposophischer Medizin nach § 140 a ff SGB V) zur Kostenübernahme von Heileurythmiebehandlungen vertraglich verpflichtet, wie sich aus der als Anlage K 10 beigefügten Liste der derzeitigen Krankenversicherungen mit IV-Verträgen ergebe.

12

Wie aus der ärztlichen Stellungnahme des behandelnden Arztes Herrn Dr. A vom 8. Juni 2011 ersichtlich, hätten die Heileurythmiebehandlungen auch im konkreten Falle der Heilung bzw. zumindest Linderung der vorgenannten Erkrankungen der Klägerin gedient. Die Schmerzen und damit verbundenen Bewegungseinschränkungen hätten in Folge der Behandlungen so stark reduziert werden können, dass der Einsatz von Schmerzmitteln vermeidbar geworden sei. Außerdem hätten die Heileurythmiebehandlungen sich als nebenwirkungsarm und wirkungsvoll erwiesen. Krankengymnastische Übungen seien aufgrund der schweren Schmerzsymptomatik bei der Klägerin gar nicht durchführbar gewesen.

13

Es lägen insoweit Aufwendungen vor, die als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 EStG berücksichtigt werden müssten. Im Rahmen von § 33 EStG werde verlangt, dass die Behandlung nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannt sei. Hierbei sei allerdings ausreichend, dass die Heilmethode von einem bedeutenden Teil der Ärzteschaft als denkbare Behandlungsmethode angesehen werde. Bei der anthroposophischen Medizin handele es sich um eine besondere Therapierichtung, die zweifelsohne von einem bedeutenden Teil der Ärzteschaft als denkbare Behandlungsmethode angesehen werde. Die Klägerin habe auch Verordnungen ihres behandelnden Arztes eingereicht. Der Einwand der Beklagten, die Klägerin hätte keinen ausreichenden Nachweis der medizinischen Indikation der Heileurythmiebehandlungen vorgelegt, sei unzutreffend. Wann eine konkrete medizinische Maßnahme im Einzelfall notwendig, also indiziert sei, habe in erster Linie der behandelnde Arzt zu entscheiden. Dabei komme es darauf an, ob zwischen unterschiedlichen Behandlungsmethoden die gewählte vertretbar sei. Insoweit werde auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Die Verordnungen des behandelnden Arztes seien daher in jedem Fall vertretbar. Darüber hinaus sei insbesondere nach der jüngsten Rechtsprechung des BFH die Vorlage eines amtsärztlichen Attestes in strittigen Fällen zur Abgrenzung von lediglich gesundheitsfördernden Maßnahmen und medizinisch indizierten Behandlungen nicht mehr erforderlich (vgl. BFH-Urteile jeweils vom 11. November 2010, Aktenzeichen VI R 16/09, VI R 17/09 und VI R 18/09). Der BFH halte damit ausdrücklich nicht mehr an seiner bisherigen restriktiven Rechtsprechung fest, nach der in bestimmten Fällen Aufwendungen nach § 33 EStG nur abzugsfähig wären, wenn die medizinische Indikation der ihnen zu Grunde liegenden Behandlungen durch ein amtsärztliches/vertrauensärztliches Gutachten oder ein Attest nachgewiesen werde.

14

Auch die bislang zur Heileurythmie ergangene finanzgerichtliche Rechtsprechung habe stets den Charakter der Heileurythmie als Heilbehandlung bejaht. Dies sei im Rahmen von Klagen, die die Frage der Umsatzsteuerfreiheit eines Heileurythmisten zum Gegen-stand hatten, angenommen worden.

15

Dass die Heileurythmie auch von gesunden Personen als vorbeugende bzw. die Gesundheit erhaltene Maßnahme oder zur Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens in Anspruch genommen werde, ändere im konkreten Falle nichts daran, dass die Klägerin hier zur Linderung ihres mit starken Schmerzen verbundenen chronischen Lendenwirbelsäulensyndroms und keineswegs nur zur Verbesserung ihres allgemeinen Gesundheitszustandes mit Heileurythmie therapiert worden sei. Schließlich würden bspw. auch physiotherapeutische Maßnahmen (z. B. Massagen) von Gesunden in Anspruch genommen, aber andererseits auch zur Heilung bzw. Linderung von Krankheiten ärztlich verordnet und angewendet. Nicht ersichtlich sei auch, woraus der Beklagte die Annahme herleite, die Klägerin befände sich mindestens seit 1998 in Dauerbehandlung mit Heileurythmie. Der seit zwei Jahrzehnten bestehende gravierende Zustand der Klägerin zeige, dass die Heileurythmiebehandlungen des chronischen lumbalen Schmerzsyndroms, das u. a. zeitweise auch mit gängigen Schmerztherapien und Physiotherapie, craniosacraler Therapie, orthopädischen Maßnahmen und Injektionstherapie mit anthroposophischen Arzneimitteln behandelt worden sei, bei der Klägerin langfristig medizinisch notwendig sei.

16

Bei der Heileurythmie handele es sich um ein Heilmittel, welches grundsätzlich nach dem SGB V als Heilmittel der besonderen Therapierichtung der anthroposophischen Medizin erstattungsfähig sei. Für den nach § 64 der Einkommensteuerdurchführungsverordnung erforderlichen Nachweis der Zwangsläufigkeit bedeute dies, dass die Klägerin durch Vorlage der Verordnung des Arztes den entsprechenden Nachweis erbracht habe. § 64 Abs. 1 Ziffer 2 EStDV sei hingegen nicht anwendbar. Diese Vorschrift betreffe nur wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, welche keine gesetzliche Anerkennung im SGB V erfahren hätten im Gegensatz zu der hier im Streit stehenden besonderen Therapierichtung der anthroposophischen Medizin. Unter den in Ziffer 2 von § 64 Abs. 1 EStDV eingeführten wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden seien z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Gelath- und Eigenbluttherapie einzuordnen. Da im Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen sowohl die besondere Therapierichtung der anthroposophischen Medizin als auch der Homöopathie gleichbedeutend mit der sogenannten Schulmedizin seien, wäre es nicht systemgerecht, die Heileurythmie der Ziffer 2 von § 64 EStDV zuzuordnen. Ein vorheriges amtsärztliches Attest sei nicht erforderlich, um den Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für die Heileurythmiebehandlungen zu erbringen.

17

Mit Schriftsatz vom 25. August 2011 hat die Klägerin die Klage in Höhe von 540 € zurückgenommen, da die Rechnung vom 1. März 2010 erst bei der Einkommensteuerfestsetzung für 2010 zu berücksichtigen sei.

18

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 8. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2011 dahingehend zu ändern, dass bei den außergewöhnlichen Belastungen weitere Aufwendungen in Höhe von 1.080 € berücksichtigt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen.

19

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

20

Der Beklagte verweist zur Begründung zunächst auf die Ausführungen in der angefochtenen Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt er vor, dass nach der ständigen BFH-Rechtsprechung Aufwendungen für eine Heilbehandlung auch ohne eine im Einzelfall nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotene Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde und der Höhe nach als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden könnten, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt seien und vorgenommen würden. Ob diese Voraussetzung zutreffe sei anhand von objektiven Maßstäben und nicht nach der subjektiven Einschätzung des Steuerpflichtigen festzustellen. Die Forderung, den Nachweis in qualifizierter Weise zu führen, diene der Abgrenzung von Aufwendungen im Bereich der allgemeinen Gesundheitsvorsorge, für die regelmäßig eine Zwangsläufigkeit nicht zu bejahen sei. Im Streitfall könne es letztlich dahinstehen, ob es sich bei der Heileurythmie tatsächlich um eine Therapie handele, deren Wirksamkeit aus medizinisch-therapeutischer Sicht anerkannt sei. Entscheidende Bedeutung habe, dass die Heileurythmie ihrer Art nach nicht eindeutig eine rein medizinische Maßnahme einer Heilbehandlung darstelle. Zwar habe der Hausarzt der Klägerin die Heileurythmie-Therapie per Rezept verordnet und nunmehr auch bestätigt, dass gerade diese Therapieform sich für seine Patientin als wirkungsvoll erweise. Dies reiche jedoch als Nachweis einer medizinischen Notwendigkeit der Heileurythmie-Therapie nicht aus. Dabei werde nicht bestritten, dass die Behandlungen der Gesundheit der Klägerin dienlich gewesen seien. Heileurythmie-Therapien würden aber nicht nur von Kranken, sondern auch von Gesunden wahrgenommen, um die Gesundheit zu erhalten und das Wohlbefinden zu steigern. Der Berufsverband Heileurythmie werbe auf seiner Internetseite gerade auch mit dem Hinweis auf den erfolgreichen Einsatz dieser Therapieform als Präventionsmaßnahme. Auch in der von der Klägerin eingereichten „Leitlinie zur Methode der Heileurythmie“ sei die Prophylaxe als Ziel herausgestellt worden. Da sich die Klägerin seit mindestens 1998 in Dauerbehandlung mit Heileurythmie befinde und in Anbetracht der allgemein bekannten Tatsache, dass auch Maßnahmen der Lebensführung die physische und psychische Gesundheit bessern können, akzeptiere das Finanzamt zwar, dass die Heileurythmie für die Klägerin aus medizinischer Sicht sinnvoll sei. Es habe jedoch nicht die Überzeugung gewinnen können, dass die Dauerbehandlung unabdingbar medizinisch notwendig gewesen sei. Es sei daher nicht zu beanstanden, die Klägerin und nicht die Allgemeinheit mit den hier geltend gemachten Kosten zu belasten, um die Aufwendungen dementsprechend nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastung zuzulassen. Auch wenn einige Krankenversicherungen die Aufwendungen für nicht medikamentöse Behandlungsmethoden der anthroposophischen Medizin in einen Vertrag der integrierten Versorgung (IV-Vertrag) einbezogen hätten und daher ganz oder teilweise übernehmen würden, sei es in Anbetracht des Umstandes, dass diese Therapien bisher noch nicht in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen worden sei, weiterhin angezeigt, die Heileurythmie als „alternative Heilmethode“ zu bezeichnen. Der Nachweis der medizinischen Indikation und damit der Zwangsläufigkeit des von der Klägerin geltend gemachten Aufwandes sei deshalb nicht in ausreichendem Maße geführt worden.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der beigezogenen Rechtsbehelfssteuerakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klage ist zulässig und begründet.

23

Der Einkommensteuerbescheid für 2009 vom 20. September 2010 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 8. Dezember 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. März 2011 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher in ihren Rechten, soweit außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 1.080 € nicht berücksichtigt wurden; der angegriffene Bescheid ist daher dementsprechend zu ändern (§ 100 Abs. 2 FGO).

24

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ziel des § 33 EStG ist es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Aus dem Anwendungsbereich des § 33 EStG ausgeschlossen sind dagegen die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind (BFH-Urteil vom 19.04.2012 VI R 74/10, BStBl II 2012, 577 m.w.N.).

25

In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten - ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung - dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17.07.1981 VI R 77/78, BStBl II 1981, 711; vom 13.02.1987 III R 208/81, BStBl II 1987, 427, und vom 20.03.1987 III R 150/86, BStBl II 1987, 596).

26

Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 01.02 2001 III R 22/00, BStBl II 2001, 543, und vom 03.12.1998 III R 5/98, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil vom 01.02 2001 III R 22/00, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18.06.1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind. Dabei wird nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 259. Aufl., Indikation). Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen, es sei denn, es liegt ein für jedermann erkennbares offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor (BFH-Urteil vom 05.10.2011 VI R 49/10, BFH/NV 2012, 33 m.w.N.).

27

Allerdings hat der Steuerpflichtige die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen, nachdem der Gesetzgeber auf die geänderte Rechtssprechung des BFH zur Nachweispflicht reagiert hat. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch -SGB V-) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV (i.d.F. des StVereinfG 2011) durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV) sowie bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV), erforderlich.

28

Diesem formalisierten Nachweisverlangen ist auch im Streitjahr 2009 Rechnung zu tragen. Denn nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 in allen Fällen, in denen -wie vorliegend- die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist, anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die rückwirkende Anwendung des § 64 Abs. 1 EStDV (BFH-Urteil vom 19.04.2012 VI R 74/10, BStBl II 2012, 577 m.w.N.; vgl auch Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 12. Auflage, § 33 Rn. 52; Loschelder in Schmidt, EStG, 32. Auflage, § 33 Rz. 34).

29

Der formalisierte Nachweis darf allerdings nur in den § 64 Abs. 1 EStDV ausdrücklich geregelten Fällen gefordert werden. So fordert § 64 Abs. 1 Buchst. f EStDV den strengen amtlichen Nachweis nur bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, nicht aber bei wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden. Auch die Behandlungsmethoden der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen, zu denen die Homöopathie, Anthroposophie und Phytotherapie gehören (BSG-Urteil vom 22.03.2005 B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221), sind wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden, die nach festgelegten Regeln in der Praxis individuell angewandt und kontinuierlich mit modernen wissenschaftlichen Methoden weiter entwickelt werden (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 12. Auflage, § 33 Rn. 53; Geserich, DStR 2012, 1490, 1493).

30

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin die Zwangsläufigkeit der streitigen Aufwendungen in der nach § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 gebotenen Form nachgewiesen.

31

Ausreichend zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen waren die vor den Behandlungen ausgestellten ärztlichen Verordnungen, da der Nachweis im Streitfall von der Klägerin nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV zu erbringen ist.

32

Bei der Heileurythmie handelt es sich um ein Heilmittel im Sinne der §§ 2 und 32 SGB-V. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V sind Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Nach § 32 Abs. 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen sind. Heilmittel sind ärztlich verordnete Dienstleistungen, die einem Heilzweck dienen oder einen Heilerfolg sichern sollen und nur von entsprechend ausgebildeten, berufspraktisch erfahrenen Personen erbracht werden dürfen (Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, § 32 Rz. 8; BSG-Urteil vom 22.03.2005 B 1 A 1/03 R, BSGE 94, 221). Dies ist bei der Heileurythmie der Fall. Die Heileurythmie ist eine aktive Bewegungstherapie, die in Einzelbehandlungen mit einem speziell dazu ausgebildeten Therapeuten (Heileurythmist) ausgeführt wird (vgl. Seite 22 des Abschlussberichts des Teilprojekts der IKK Hamburg vom Juni 2005). Als Heilmittel der anthroposophischen Medizin und damit einer der besonderen Therapierichtungen ist sie nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Vielmehr ermöglicht es diese Vorschrift den Krankenkassen, derartige Leistungen zu übernehmen, verpflichtet sie aber nicht dazu (BFH-Urteil vom 08.03.2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623). Dementsprechend hat auch das Bundessozialgericht in seinem oben zitierten Urteil vom 22.03.2005 (B 1 A 1/03 R) die Heileurythmie als Heilmittel bezeichnet und der BFH hat entschieden, dass es sich um eine Heilbehandlung im Sinne des § 4 Nr. 14 UStG handelt (BFH-Urteil vom 08.03.2012 V R 30/09, BStBl II 2012, 623). Außerdem gibt es keinen Leistungsausschluss für Heilmittel aus der Rechtsverordnung zu § 34 Abs. 4 SGB V, nach der Heilmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis einen Leistungsanspruch ausschließen können (Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, § 32 Rz. 20).

33

Ein amtsärztliches Gutachten ist dagegen für den Nachweis der Zwangsläufigkeit nicht erforderlich. Der Senat ist der Auffassung, dass die heileurythmische Behandlung keine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode im Sinne des § 64 Abs. 1 Buchst. f EStDV ist, weil sie als eine anthroposophische Behandlungsmethode einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen zuzuordnen ist, zu denen die Anthroposophie gehört (vgl. oben Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 12. Auflage, § 33 Rn. 53; Geserich, DStR 2012, 1490, 1493). Auch nach den von der Klägerin vorgelegten Studien, die nicht ausschließlich von Vertretern der Anthroposophischen Medizin stammen, ist eine Wirksamkeit der Behandlungsmethoden der Anthroposophischen Medizin gegeben. Es handelt sich bei der Heileurythmie um eine bereits 1921 von Dr. Rudolf Steiner, Dr. med. Ita Wegmann und anderen Ärzten als Bestandteil der Anthroposophischen Medizin entwickelte Therapieform. Sie wird an mehr als 300 Einrichtungen des Gesundheitswesens eingesetzt (vgl. Leitlinie zur Methode der Heileurythmie, S. 4). Damit ist diese Behandlungsmethode seit vielen Jahrzehnten in Anwendung. Die besondere Anerkennung sowohl der besonderen Therapierichtung der anthroposophischen Medizin als auch der Homöopathie im Recht der gesetzlichen Krankenversicherungen spricht dagegen, die Heileurythmie der Nr. 2 Buchst. f von § 64 Abs. 1 EStDV zuzuordnen. Die Heileurythmie ist auch nicht in den Beispielsfällen unter den in Ziffer 2 von § 64 Abs. 1 EStDV aufgeführten wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, wie Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Gelath- und Eigenbluttherapie aufgeführt. Der Verordnungsgeber hätte insoweit klarstellen müssen, dass die Behandlungsmethoden der besonderen Therapierichtungen generell von der Nr. 2 Buchst. f von § 64 Abs. 1 EStDV erfasst sein sollen oder die Beispielsliste insoweit ergänzen müssen, wenn er ein amtsärztliches Gutachten für den Nachweis der Zwangsläufigkeit für erforderlich gehalten hätte.

34

Für dieses Ergebnis spricht auch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundessozialgerichts. So hat der BFH in einem vor Inkrafttreten der EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ergangenen Urteil ausgeführt, dass Aufwendungen nur nach § 33 EStG abgezogen werden können, wenn die Behandlungsmethode auf einem nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbaren Ansatz beruht, der die prognostizierte Wirkweise der Behandlung auf das angestrebte Behandlungsziel zu erklären vermag, diese Wirkweise sonach zumindest wahrscheinlich macht. Dabei könne es allerdings nicht darauf ankommen, ob die gewählte Behandlungsmethode und die sie tragenden medizinischen Erwägungen von schulmedizinischen Erkenntnissen bestimmt würden oder ob sie auf Erkenntnissen aufbauten, die in der sogenannten alternativen Medizin entwickelt worden seien. Entscheidend sei insoweit vielmehr, ob aus naturheilkundlicher Sicht die gewählte Behandlungsmethode anerkannt und nach den für die Naturheilkunde geltenden Grundsätzen als medizinisch notwendig anzusehen sei. Dabei verstehe es sich von selbst, dass es für die auch hier maßgebliche medizinische Notwendigkeit nicht auf eine Betrachtung aus schulmedizinischer Sicht ankommen könne. Maßstab sei vielmehr insoweit nur die naturheilkundliche Lehre selbst (BFH-Urteil vom 05.10.2011 VI R 49/10, BFH/NV 2012, 33 m.w.N.). Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 11.05.2011 (B 6 KA 25/10 R, BSGE 108, 183) ausgeführt, dass das Gebot, der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen, insbesondere bedeute, dass die Eigenheiten besonderer Therapierichtungen - soweit dies im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften möglich ist – zu berücksichtigen seien. Bei der Bewertung der Qualität und Wirksamkeit von Behandlungsmethoden und Medikationen sei deshalb der Erkenntnisstand der jeweiligen Therapierichtung, also die aus Sicht der Therapierichtung gegebene besondere Wirksamkeit zugrunde zu legen (Maßstab der sogenannten Binnenanerkennung). Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat in seinem oben zitierten Urteil vom 22.03.2005 (B 1 A 1/03 R) - ebenfalls im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung einer Aufsichtsmaßnahme, im Wesentlichen das außerordentlich breite Meinungsspektrum zu der Frage, ob und in welcher Weise Leistungen der besonderen Therapierichtungen in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen sind, aufgezeigt und sich auf die Position zurückgezogen, im Wege der Rechtsaufsicht könne keine Festlegung auf eine Position erfolgen, wenn die Rechtslage dazu bislang jedenfalls nicht durch eine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt sei. Ein solches Vorgehen verstoße auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit von Aufsichtsmaßnahmen. Die Kosten für Heileurythmie können nach diesem Urteil von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet werden. Insgesamt geht aber das BSG offenbar davon aus, dass die Heileurythmie keine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode, sondern sie zumindest eine wissenschaftlich umstrittene Behandlungsmethode sei und wohl noch Klärungsbedarf bestehe.

35

Das Auslegungsergebnis wird schließlich auch durch die Rechtsprechung des BFH zur Frage der Umsatzsteuerfreiheit von heileurythmischen Leistungen gestützt. So hat der BFH in seinem Urteil vom 08.03.2012 (V R 30/09, BStBl II 2012, 623) entschieden, dass eine Steuerfreiheit der heileurythmischen Leistungen nach § 4 Nr. 14 UStG im Streitfall in Betracht komme, wenn der dortige Kläger (als Diplom-Heileurythmist) die Teilnahmeberechtigung an den Integrierten Versorgungsverträgen von seinem Berufsverband (BVHE - Berufsverband Heileurythmie e.V.) erteilt worden sei.

36

Wie die Klägerin dargelegt hat, werden Kosten für heileurythmische Behandlungen zudem seit einigen Jahren auch tatsächlich von einer Anzahl von Krankenkassen erstattet. Es gibt auch keinen Leistungsausschluss für Heilmittel aus der Rechtsverordnung zu § 34 Abs. 4 SGB V, nach der Heilmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis einen Leistungsanspruch ausschließen können (Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, § 32 Rz. 20).

37

Den danach allein nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV zu erbringenden Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen hat die Klägerin mit den ärztlichen Verordnungen des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. A vom 16. Januar und vom 25. Mai 2009 erbracht. Der Einwand des Beklagten, die Heileurythmie-Therapien würden aber nicht nur von Kranken, sondern auch von Gesunden wahrgenommen, um die Gesundheit zu erhalten und das Wohlbefinden zu steigern, führt im Streitfall zu keiner anderen Beurteilung. Denn aus der ärztlichen Stellungnahme des behandelnden Arztes Herrn Dr. med. A vom 8. Juni 2011 ist hinreichend ersichtlich, dass die Heileurythmiebehandlungen auch im konkreten Falle der Heilung bzw. zumindest Linderung der bei der Klägerin vorhandenen Erkrankungen gedient haben. Danach hätten die Schmerzen und damit verbundenen Bewegungseinschränkungen in Folge der Behandlungen so stark reduziert werden können, dass der Einsatz von Schmerzmitteln vermeidbar geworden sei. Außerdem hätten die Heileurythmiebehandlungen sich als nebenwirkungsarm und wirkungsvoll erwiesen. Krankengymnastische Übungen seien aufgrund der schweren Schmerzsymptomatik bei der Klägerin gar nicht durchführbar gewesen. Zu Recht weist die Klägerin insoweit darauf hin, dass beispielsweise auch physiotherapeutische Maßnahmen (wie z. B. Massagen) von Gesunden in Anspruch genommen, aber andererseits auch zur Heilung bzw. Linderung von Krankheiten ärztlich verordnet und angewendet werden.

38

Da der formalisierte Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV von der Klägerin erbracht wurde, besteht aus Sicht des Senats kein Anlass, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Denn das Gericht sieht keine Veranlassung an der Richtigkeit der ärztlichen Stellungnahme des behandelnden Arztes Herrn Dr. A vom 8. Juni 2011 zu zweifeln. Es kann nach Auffassung des Senats auch nicht Sinn des formalisierten Nachweises sein, wenn regelmäßig nachträglich weitere Sachverständigengutachten von den Gerichten einzuholen wären, um die medizinische Richtigkeit der vorliegenden ärztlichen Verordnung zu überprüfen.

39

Nach alledem war der Klage stattzugeben.

40

Die Berechnung des festzusetzenden Betrages konnte der Senat auf das Finanzamt übertragen, weil die Ermittlung dieses Betrages einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

41

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 FGO. Es liegt kostenrechtlich ein Teilunterliegen der Klägerin vor, denn sie muss hinsichtlich des Steuerbetrages, um den sie ihren Klageantrag eingeschränkt hat, die Kosten tragen (BFH, Urteil vom 16. Juli 1969 I R 81/66, BStBl II 1970, 15).

42

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

43

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat.


(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr (2006) mit seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau H zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Im August 2006 wurde bei H eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert und bereits am 21. August 2006 eine Bauchoperation zur chirurgischen Entfernung des Tumors und seiner regionären Lymphknotenmetastasen durchgeführt. Im Anschluss an die Operation entschied sich H an Stelle der ihr von dem Krankenhaus angebotenen konventionellen Chemotherapie für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit dem Präparat Ukrain und in Kombination mit einer Sauerstoff-Mehrschritttherapie sowie einer Ozon-Sauerstoffbehandlung. Hierfür zahlten die Eheleute im Veranlagungszeitraum 2006  30.000 € an den behandelnden Hausarzt Dr. B - einem Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren.

3

Ausweislich einer Stellungnahme des B war eine nach internationaler Therapieempfehlung in der Situation der H durchzuführende Kombinationschemotherapie infolge ihres operationsbedingt geschwächten Gesundheitszustandes und einer Tumorkachexie nicht möglich. B bescheinigte der H zudem, dass sich ihr Allgemeinzustand unter der Behandlung zunehmend verbessere und die Durchführung der immunbiologischen Krebsabwehrtherapie weiterhin medizinisch notwendig sei.

4

Die bei der Krankenkasse beantragte Erstattung der Aufwendungen wurde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen vom 14. November 2006 abgelehnt. Eine im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegte amtsärztliche Stellungnahme vom 26. Juni 2007 erläuterte die Situation der H und stellte die kritischen Positionen in der Fachwelt in Bezug auf die durchgeführte Behandlung mit Ukrain kurz dar. Unter Hinweis auf "eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Untersuchungen ..., die den Grundlagen einer wissenschaftlichen Untersuchungsmethode durchaus entsprechen", kam der Amtsarzt zu folgendem Ergebnis:

5

"Diese Untersuchungen legen die Möglichkeit sehr nahe, dass Ukrain zukünftig möglicherweise eine interessante Medikation für die Onkologie werden könnte. ... Soweit sich jemand bei fraglicher Effektivität schulmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten auch zur Vermeidung Lebensqualität reduzierender Nebenwirkungen dann für einen alternativ medizinischen Behandlungsweg einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie entscheidet, sehe ich amtsärztlicherseits vergleichbar die Voraussetzungen für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz als gegeben an."

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte gleichwohl eine Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung sowohl im Einkommensteuerbescheid als auch in der Einspruchsentscheidung ab. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage --nach Einholung eines klinisch-pharmakologischen Sachverständigengutachtens-- mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 752 veröffentlichten Gründen ab.

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Außerdem sei dem FG mangelnde Sachaufklärung vorzuwerfen.

8

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 8. Januar 2009  11 K 490/07 und die Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2007 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie in Höhe von 30.000 € als außergewöhnliche Belastung herabzusetzen.

9

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. 1. Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die streitbefangenen Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

11

a) Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

12

aa) In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof (BFH) davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

13

bb) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.

14

cc) Vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen, und solche, die auf einer medizinisch nicht indizierten Behandlung beruhen, zählen hingegen nicht zu den Krankheitskosten. Es handelt sich insoweit vielmehr um Aufwand, der nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entsteht, sondern auf einer freien Willensentschließung beruht und deshalb gemäß § 12 Nr. 1 EStG den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen ist.

15

dd) Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits fordert der BFH seit dem Urteil vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 (BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295, betr. Badekur auf Ibiza) in ständiger Rechtsprechung regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Aufwendung erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, betr. Frischzellenbehandlung; vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386, betr. Frischzellenbehandlung und rezeptfreie Arzneimittel; vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275, betr. Heilkur; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, betr. Gruppensitzung bei den Anonymen Alkoholikern; in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, betr. Ayur-Veda-Behandlung; BFH-Beschluss vom 15. November 2007 III B 205/06, BFH/NV 2008, 368, betr. Delfintherapie). Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH diesen formalisierten Nachweis (beispielsweise BFH-Urteile vom 9. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920, betr. Bett mit motorgetriebener Oberkörperaufrichtung; vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, betr. Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592, betr. Neuanschaffung von Mobiliar wegen Formaldehydemission; vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602, betr. Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Wohngruppe; vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841, betr. Beseitigung von Birken; BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 III B 56/04, juris, betr. Asbestbeseitigung; vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438, betr. Aufwendungen für Fettabsaugung).

16

ee) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob an diesem formalisierten Nachweisverlangen stets festzuhalten ist.

17

Denn im Streitfall geht es ersichtlich nicht um die Abgrenzung echter Krankheitskosten von nur allgemein gesundheitsfördernden oder vorbeugenden Maßnahmen. Vielmehr ist die schwerwiegende Erkrankung der zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau des Klägers völlig unstreitig (vgl. insoweit BFH-Beschluss vom 15. November 1999 III B 76/99, BFH/NV 2000, 697). Auch liegt die in Frage stehende immunbiologische Krebsabwehrtherapie nicht auf der Ebene von Geister- oder Wunderheilern; Fälle, in denen die Rechtsprechung einen zielgerichteten Eingriff zur Heilbehandlung verneint hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 38/86, BFH/NV 1991, 27, m.w.N.). Es handelt sich vielmehr um eine gezielte therapeutische Maßnahme, die durch eine gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Person, einen Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren, durchgeführt worden ist.

18

ff) Ebenfalls offenlassen kann der Senat im Streitfall, ob bei Behandlungen mit wissenschaftlich umstrittenen Methoden der Nachweis der medizinischen Indikation durch eine amts- oder vertrauensärztliche Begutachtung unerlässlich ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 368).

19

Denn in Fällen wie dem vorliegenden stellt sich jedenfalls die Frage nach der objektiven Eignung einer medizinischen Maßnahme zur Heilung oder Linderung der Krankheit nicht mehr.

20

Leidet der Steuerpflichtige --wie hier die Ehefrau des Klägers-- so schwer an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung, die soweit fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht, wird diese letzte Lebensphase von dem Konflikt zwischen der schicksalhaften Realität, dem Wunsch nach Heilung und der Hoffnung des Patienten, seine eigene Erkrankung möge prinzipiell anders verlaufen als nach den statistisch gewonnenen Erfahrungen zu erwarten ist, geprägt. In dieser notstandsähnlichen Situation erwachsen Patienten, die mit den heute verfügbaren schulmedizinischen Verfahren nicht oder nicht mehr zu heilen sind, auch Aufwendungen für Maßnahmen, denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung der Krankheit mangeln mag, tatsächlich zwangsläufig. Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige die notstandsähnliche Zwangslage zwischen Realität und Wunsch nach Heilung durch Kontakte mit ärztlichen Außenseitern zu lösen sucht und sich --nach intensiver Beratung über palliative Behandlungsmöglichkeiten-- für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheidet. Nicht die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme begründet in diesen Fällen die tatsächliche Zwangsläufigkeit, sondern die Ausweglosigkeit der Lebenssituation, die den "Griff nach jedem Strohhalm" gebietet.

21

gg) Ihre Grenzen findet die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Außenseitermethoden nach § 33 EStG allerdings, wenn Maßnahmen --anders als im Streitfall-- von Personen vorgenommen werden, die nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen sind (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 697; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, --HHR--, § 33 EStG Rz 93, m.w.N.).

22

Damit sind die streitgegenständlichen Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

23

b) Wer von den Ehegatten diese der Klägerin aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstandenen Kosten wirtschaftlich getragen hat, ist für den Abzug als außergewöhnliche Belastung bei Ehegatten, die --wie vorliegend-- zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind, ohne Bedeutung. Denn nach § 26b EStG werden die Eheleute insoweit gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (sog. Einheitsgedanke, HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 21; Seiler in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 26b Rz 8; Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26b Rz B 76).

24

2. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 ist deshalb dahingehend zu ändern, dass bei der Einkommensteuerfestsetzung weitere Aufwendungen in Höhe von 30.000 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Neuberechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

Tatbestand

1

I. Streitig ist, ob Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr (2006) mit seiner mittlerweile verstorbenen Ehefrau H zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Im August 2006 wurde bei H eine Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert und bereits am 21. August 2006 eine Bauchoperation zur chirurgischen Entfernung des Tumors und seiner regionären Lymphknotenmetastasen durchgeführt. Im Anschluss an die Operation entschied sich H an Stelle der ihr von dem Krankenhaus angebotenen konventionellen Chemotherapie für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie mit dem Präparat Ukrain und in Kombination mit einer Sauerstoff-Mehrschritttherapie sowie einer Ozon-Sauerstoffbehandlung. Hierfür zahlten die Eheleute im Veranlagungszeitraum 2006  30.000 € an den behandelnden Hausarzt Dr. B - einem Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren.

3

Ausweislich einer Stellungnahme des B war eine nach internationaler Therapieempfehlung in der Situation der H durchzuführende Kombinationschemotherapie infolge ihres operationsbedingt geschwächten Gesundheitszustandes und einer Tumorkachexie nicht möglich. B bescheinigte der H zudem, dass sich ihr Allgemeinzustand unter der Behandlung zunehmend verbessere und die Durchführung der immunbiologischen Krebsabwehrtherapie weiterhin medizinisch notwendig sei.

4

Die bei der Krankenkasse beantragte Erstattung der Aufwendungen wurde unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen vom 14. November 2006 abgelehnt. Eine im Rahmen des Einspruchsverfahrens vorgelegte amtsärztliche Stellungnahme vom 26. Juni 2007 erläuterte die Situation der H und stellte die kritischen Positionen in der Fachwelt in Bezug auf die durchgeführte Behandlung mit Ukrain kurz dar. Unter Hinweis auf "eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Untersuchungen ..., die den Grundlagen einer wissenschaftlichen Untersuchungsmethode durchaus entsprechen", kam der Amtsarzt zu folgendem Ergebnis:

5

"Diese Untersuchungen legen die Möglichkeit sehr nahe, dass Ukrain zukünftig möglicherweise eine interessante Medikation für die Onkologie werden könnte. ... Soweit sich jemand bei fraglicher Effektivität schulmedizinischer Behandlungsmöglichkeiten auch zur Vermeidung Lebensqualität reduzierender Nebenwirkungen dann für einen alternativ medizinischen Behandlungsweg einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie entscheidet, sehe ich amtsärztlicherseits vergleichbar die Voraussetzungen für die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung im Sinne des § 33 Einkommensteuergesetz als gegeben an."

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte gleichwohl eine Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung sowohl im Einkommensteuerbescheid als auch in der Einspruchsentscheidung ab. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage --nach Einholung eines klinisch-pharmakologischen Sachverständigengutachtens-- mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 752 veröffentlichten Gründen ab.

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Außerdem sei dem FG mangelnde Sachaufklärung vorzuwerfen.

8

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Niedersächsischen FG vom 8. Januar 2009  11 K 490/07 und die Einspruchsentscheidung vom 19. Oktober 2007 aufzuheben und die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie in Höhe von 30.000 € als außergewöhnliche Belastung herabzusetzen.

9

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

10

II. 1. Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind die streitbefangenen Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig.

11

a) Nach § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Zwangsläufig erwachsen dem Steuerpflichtigen Aufwendungen dann, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).

12

aa) In ständiger Rechtsprechung geht der Bundesfinanzhof (BFH) davon aus, dass Krankheitskosten --ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung-- dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl (BFH-Urteile vom 17. Juli 1981 VI R 77/78, BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711; vom 13. Februar 1987 III R 208/81, BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, und vom 20. März 1987 III R 150/86, BFHE 149, 539, BStBl II 1987, 596).

13

bb) Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH-Urteile vom 1. Februar 2001 III R 22/00, BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, und vom 3. Dezember 1998 III R 5/98, BFHE 187, 503, BStBl II 1999, 227, m.w.N.). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten (BFH-Urteil in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543). Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1997 III R 84/96, BFHE 183, 476, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind.

14

cc) Vorbeugende Aufwendungen, die der Gesundheit allgemein dienen, und solche, die auf einer medizinisch nicht indizierten Behandlung beruhen, zählen hingegen nicht zu den Krankheitskosten. Es handelt sich insoweit vielmehr um Aufwand, der nicht aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig i.S. des § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG entsteht, sondern auf einer freien Willensentschließung beruht und deshalb gemäß § 12 Nr. 1 EStG den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebenshaltung zuzurechnen ist.

15

dd) Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits fordert der BFH seit dem Urteil vom 14. Februar 1980 VI R 218/77 (BFHE 130, 54, BStBl II 1980, 295, betr. Badekur auf Ibiza) in ständiger Rechtsprechung regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Aufwendung erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt (vgl. BFH-Urteile in BFHE 133, 545, BStBl II 1981, 711, betr. Frischzellenbehandlung; vom 11. Januar 1991 III R 70/88, BFH/NV 1991, 386, betr. Frischzellenbehandlung und rezeptfreie Arzneimittel; vom 11. Dezember 1987 III R 95/85, BFHE 152, 131, BStBl II 1988, 275, betr. Heilkur; in BFHE 149, 222, BStBl II 1987, 427, betr. Gruppensitzung bei den Anonymen Alkoholikern; in BFHE 195, 144, BStBl II 2001, 543, betr. Ayur-Veda-Behandlung; BFH-Beschluss vom 15. November 2007 III B 205/06, BFH/NV 2008, 368, betr. Delfintherapie). Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH diesen formalisierten Nachweis (beispielsweise BFH-Urteile vom 9. August 1991 III R 54/90, BFHE 165, 272, BStBl II 1991, 920, betr. Bett mit motorgetriebener Oberkörperaufrichtung; vom 9. August 2001 III R 6/01, BFHE 196, 492, BStBl II 2002, 240, betr. Asbestsanierung der Außenfassade eines Wohnhauses; vom 23. Mai 2002 III R 52/99, BFHE 199, 287, BStBl II 2002, 592, betr. Neuanschaffung von Mobiliar wegen Formaldehydemission; vom 21. April 2005 III R 45/03, BFHE 209, 365, BStBl II 2005, 602, betr. Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Wohngruppe; vom 15. März 2007 III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841, betr. Beseitigung von Birken; BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 2004 III B 56/04, juris, betr. Asbestbeseitigung; vom 24. November 2006 III B 57/06, BFH/NV 2007, 438, betr. Aufwendungen für Fettabsaugung).

16

ee) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob an diesem formalisierten Nachweisverlangen stets festzuhalten ist.

17

Denn im Streitfall geht es ersichtlich nicht um die Abgrenzung echter Krankheitskosten von nur allgemein gesundheitsfördernden oder vorbeugenden Maßnahmen. Vielmehr ist die schwerwiegende Erkrankung der zwischenzeitlich verstorbenen Ehefrau des Klägers völlig unstreitig (vgl. insoweit BFH-Beschluss vom 15. November 1999 III B 76/99, BFH/NV 2000, 697). Auch liegt die in Frage stehende immunbiologische Krebsabwehrtherapie nicht auf der Ebene von Geister- oder Wunderheilern; Fälle, in denen die Rechtsprechung einen zielgerichteten Eingriff zur Heilbehandlung verneint hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. April 1990 III R 38/86, BFH/NV 1991, 27, m.w.N.). Es handelt sich vielmehr um eine gezielte therapeutische Maßnahme, die durch eine gesetzlich zur Ausübung der Heilkunde zugelassene Person, einen Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren, durchgeführt worden ist.

18

ff) Ebenfalls offenlassen kann der Senat im Streitfall, ob bei Behandlungen mit wissenschaftlich umstrittenen Methoden der Nachweis der medizinischen Indikation durch eine amts- oder vertrauensärztliche Begutachtung unerlässlich ist (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 368).

19

Denn in Fällen wie dem vorliegenden stellt sich jedenfalls die Frage nach der objektiven Eignung einer medizinischen Maßnahme zur Heilung oder Linderung der Krankheit nicht mehr.

20

Leidet der Steuerpflichtige --wie hier die Ehefrau des Klägers-- so schwer an einer Erkrankung mit einer nur noch begrenzten Lebenserwartung, die soweit fortgeschritten ist, dass sie nicht mehr auf eine kurative Behandlung anspricht, wird diese letzte Lebensphase von dem Konflikt zwischen der schicksalhaften Realität, dem Wunsch nach Heilung und der Hoffnung des Patienten, seine eigene Erkrankung möge prinzipiell anders verlaufen als nach den statistisch gewonnenen Erfahrungen zu erwarten ist, geprägt. In dieser notstandsähnlichen Situation erwachsen Patienten, die mit den heute verfügbaren schulmedizinischen Verfahren nicht oder nicht mehr zu heilen sind, auch Aufwendungen für Maßnahmen, denen es objektiv an der Eignung zur Heilung oder Linderung der Krankheit mangeln mag, tatsächlich zwangsläufig. Dies gilt selbst dann, wenn der Steuerpflichtige die notstandsähnliche Zwangslage zwischen Realität und Wunsch nach Heilung durch Kontakte mit ärztlichen Außenseitern zu lösen sucht und sich --nach intensiver Beratung über palliative Behandlungsmöglichkeiten-- für eine aus schulmedizinischer oder naturheilkundlicher Sicht nicht anerkannte Heilmethode entscheidet. Nicht die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme begründet in diesen Fällen die tatsächliche Zwangsläufigkeit, sondern die Ausweglosigkeit der Lebenssituation, die den "Griff nach jedem Strohhalm" gebietet.

21

gg) Ihre Grenzen findet die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Außenseitermethoden nach § 33 EStG allerdings, wenn Maßnahmen --anders als im Streitfall-- von Personen vorgenommen werden, die nicht zur Ausübung der Heilkunde zugelassen sind (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 697; Kanzler in Herrmann/ Heuer/Raupach, --HHR--, § 33 EStG Rz 93, m.w.N.).

22

Damit sind die streitgegenständlichen Aufwendungen für die immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

23

b) Wer von den Ehegatten diese der Klägerin aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig entstandenen Kosten wirtschaftlich getragen hat, ist für den Abzug als außergewöhnliche Belastung bei Ehegatten, die --wie vorliegend-- zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind, ohne Bedeutung. Denn nach § 26b EStG werden die Eheleute insoweit gemeinsam als Steuerpflichtiger behandelt (sog. Einheitsgedanke, HHR/Kanzler, § 33 EStG Rz 21; Seiler in Kirchhof, EStG, 9. Aufl., § 26b Rz 8; Schneider, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 26b Rz B 76).

24

2. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 ist deshalb dahingehend zu ändern, dass bei der Einkommensteuerfestsetzung weitere Aufwendungen in Höhe von 30.000 € als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Die Neuberechnung der Steuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).

(1) Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über

1.
die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
2.
die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
3.
die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin, ob sie den Kriterien nach Satz 1 Nr. 1 entsprechen. Falls die Überprüfung ergibt, daß diese Kriterien nicht erfüllt werden, dürfen die Leistungen nicht mehr als vertragsärztliche oder vertragszahnärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist innerhalb von zwei Jahren abzuschließen. Bestehen nach dem Beratungsverlauf im Gemeinsamen Bundesausschuss ein halbes Jahr vor Fristablauf konkrete Anhaltspunkte dafür, dass eine fristgerechte Beschlussfassung nicht zustande kommt, haben die unparteiischen Mitglieder gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag für eine fristgerechte Entscheidung vorzulegen; die Geschäftsführung ist mit der Vorbereitung des Beschlussvorschlags zu beauftragen. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Regelungen zu den notwendigen Anforderungen nach Satz 1 Nummer 2 und 3 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode die Kriterien nach Satz 1 Nummer 1 erfüllt. Der Beschlussvorschlag der unparteiischen Mitglieder muss Vorgaben für einen Beschluss einer Richtlinie nach § 137e Absatz 1 und 2 enthalten, wenn die unparteiischen Mitglieder vorschlagen, dass die Methode das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat innerhalb der in Satz 5 genannten Frist über den Vorschlag der unparteiischen Mitglieder zu entscheiden.

(1a) Für ein Methodenbewertungsverfahren, für das der Antrag nach Absatz 1 Satz 1 vor dem 31. Dezember 2018 angenommen wurde, gilt Absatz 1 mit der Maßgabe, dass das Methodenbewertungsverfahren abweichend von Absatz 1 Satz 5 erst bis zum 31. Dezember 2020 abzuschließen ist.

(2) Für ärztliche und zahnärztliche Leistungen, welche wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse und Erfahrungen (Fachkundenachweis), einer besonderen Praxisausstattung oder anderer Anforderungen an die Versorgungsqualität bedürfen, können die Partner der Bundesmantelverträge einheitlich entsprechende Voraussetzungen für die Ausführung und Abrechnung dieser Leistungen vereinbaren. Soweit für die notwendigen Kenntnisse und Erfahrungen, welche als Qualifikation vorausgesetzt werden müssen, in landesrechtlichen Regelungen zur ärztlichen Berufsausübung, insbesondere solchen des Facharztrechts, bundesweit inhaltsgleich und hinsichtlich der Qualitätsvoraussetzungen nach Satz 1 gleichwertige Qualifikationen eingeführt sind, sind diese notwendige und ausreichende Voraussetzung. Wird die Erbringung ärztlicher Leistungen erstmalig von einer Qualifikation abhängig gemacht, so können die Vertragspartner für Ärzte, welche entsprechende Qualifikationen nicht während einer Weiterbildung erworben haben, übergangsweise Qualifikationen einführen, welche dem Kenntnis- und Erfahrungsstand der facharztrechtlichen Regelungen entsprechen müssen. Abweichend von Satz 2 können die Vertragspartner nach Satz 1 zur Sicherung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung Regelungen treffen, nach denen die Erbringung bestimmter medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist, für die diese Leistungen zum Kern ihres Fachgebietes gehören. Die nach der Rechtsverordnung nach § 140g anerkannten Organisationen sind vor dem Abschluss von Vereinbarungen nach Satz 1 in die Beratungen der Vertragspartner einzubeziehen; die Organisationen benennen hierzu sachkundige Personen. § 140f Absatz 5 gilt entsprechend. Das Nähere zum Verfahren vereinbaren die Vertragspartner nach Satz 1. Für die Vereinbarungen nach diesem Absatz gilt § 87 Absatz 6 Satz 10 entsprechend.

(3) bis (6) (weggefallen)

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit von Kosten für die Anwendung der Extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT).

2

Der Kläger ist als Kriminalhauptkommissar beim Polizeipräsidium … im Dienst des Beklagten beihilfeberechtigt. Er leidet an einer Epicondylopathia radialis humeri (landläufig: Tennisellenbogen).

3

Er beantragte am 13. Oktober 2010 Beihilfe zu Aufwendungen in Höhe von 1.898,11 € für eine im Jahr 2010 angewandte ESWT.

4

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2010 lehnte der Beklagte die Beihilfefähigkeit unter Hinweis auf Ziffer 2.2 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 31. Januar 2004, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 13. Mai 2008 (MinBl. 2008, S. 184 – VV –) ab.

5

Der Kläger erhob gegen die Ablehnung Widerspruch und trug vor: Die ESWT sei beihilfefähig, weil diese Behandlungsform laut einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC) vom 1. März 2011 auch bei einem chronischen Tennisellenbogen als medizinisch sinnvolle und anerkannte Therapie empfohlen werde.

6

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2011 zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass es sich bei der ESWT um keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handle, so dass die Beihilfefähigkeit gemäß § 4 Abs. 3 der Beihilfenverordnung (BVO) i.V.m. der einschlägigen VV ausgeschlossen sei.

7

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (21. Juni 2011) hat der Kläger am 29. Juni 2011 Klage erhoben.

8

Er trägt vor: Die ESWT sei eine wissenschaftlich anerkannte Methode. Die DGOOC habe in ihrer Stellungnahme vom 1. März 2011 erklärt, dass die ESWT bei chronischem Tennisellenbogen, d.h. bei Schmerzen über sechs Monate eine medizinisch sinnvolle und anerkannte Therapie darstelle. Diese Aussage sei auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgt. Der Gesellschaft lägen zahlreiche Studien vor, auf die sie in ihrer Stellungnahme hingewiesen habe. Die Empfehlung der Behandlungsmöglichkeit beschränke sich aufgrund der Schwierigkeit bei der wissenschaftlichen Evaluation auf einen Teilbereich der getesteten Einsatzmöglichkeiten, nämlich chronische Erkrankungen. Ein wirksamer Ausschluss der Behandlungsmethode von der Beihilfe ergebe sich nicht aus der Verwaltungsvorschrift zur BVO. Diese enthalte entgegen den Ausführungen des Beklagten keine zwingenden Vorschriften für das Verständnis des § 3 Abs. 1 BVO. Die Ausführungen des Beklagten zum Vorliegen einer absoluten Bindungswirkung der VV gingen fehl. Eine Bindungswirkung könne allenfalls zugunsten des Bürgers im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung angenommen werden. Die von dem Beklagten herangezogene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße zur fehlenden Beihilfefähigkeit der Behandlungskosten einer ESWT sei drei Jahre alt und für den vorliegenden Zeitraum nicht mehr maßgeblich. Die Behandlung mittels ESWT bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen sei zwar nach den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen abrechnungsfähig. Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses beruhe jedoch auf einem Beschluss vom 24. April 1998, der die vorangeschrittene wissenschaftliche Untersuchung der ESWT außer Acht lasse. Der Umstand, dass der Gemeinsame Bundesausschuss seine Richtlinie trotz der Stellungnahme der DGOOC vom 1. März 2011 gleichwohl nicht überarbeitet habe, möge darin begründet sein, dass diese Stellungnahme lediglich ihm – dem Kläger – vorliege und eine für den 30. Juni 2011 angekündigte Überarbeitung der Leitlinie der DGOOC und des Berufsverbands der Ärzte für Orthopädie, die Epicondylopathia radialis humeri betreffend, nicht erfolgt sei. In vorgenannter Leitlinie sei bisher hinsichtlich der ESWT ausgeführt, dass Indikation und Wertigkeit des Verfahrens weiter evaluiert würden. Im Hinblick auf die vorgelegte Stellungnahme der DGOOC sei mit einer Änderung zu rechnen, so dass auch eine Änderung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses erfolgen werde. Zumindest bestehe Anlass zu weiterer Sachaufklärung durch das Gericht. Zudem sei der Beklagte in Ausnahmefällen gehalten, auch die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu tragen. Diese Voraussetzungen lägen hier vor, weil er – der Kläger – sich seit über sechs Monaten konservativ habe therapieren lassen, ohne dass eine Besserung eingetreten wäre.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2011 Beihilfe entsprechend dem Beihilfeantrag vom 13. Oktober 2010 zu gewähren und die dort geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 1.898,11 € in Höhe seines persönlichen Beihilfebemessungssatzes zu erstatten.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er erwidert: Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, wonach die Behandlungskosten einer ESWT nicht erstattungsfähig seien, seien zutreffend. Die ESWT sei bei der Diagnose Tennisellenbogen – anders als bei drei weiteren Diagnosen – nicht beihilfefähig. Dies habe das Verwaltungsgericht Neustadt in seinem Urteil vom 19. Februar 2008 (Az.: 6 K 692/07.NW) entschieden.

14

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

15

Der zulässigen Klage bleibt der Erfolg versagt, denn der Bescheid des Beklagten vom 21. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

16

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die ESWT-Behandlung. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs sind die Beihilfevorschriften des Landes und die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 31. Januar 2004 i.d.F. vom 13. Mai 2008 (MinBl. 2008, S. 184 – VV –).

17

Die Beihilfenverordnung ist in ihrer früheren Fassung - trotz ihrer Unwirksamkeit - bis zu dem Inkrafttreten der neuen Beihilfenverordnung am 1. August 2011 (GVBl. 2011, S. 199) und somit für einen Übergangszeitraum anwendbar (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. September 2010 – 2 A 10664/10.OVG –). Sie bildet im vorliegenden Fall die einschlägige Rechtsgrundlage, weil maßgeblich für die Beihilfefähigkeit die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung der geltend gemachten Aufwendungen ist (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011 – 10 A 11331/10.OVG -, ESOVGRP).

18

§ 3 Abs. 1 BVO a.F. bestimmt die Beihilfefähigkeit notwendiger Aufwendungen in angemessenem Umfang, soweit sie dem Beihilfeberechtigten entstanden sind. Zur Präzisierung des damit umschriebenen Leistungsumfangs der Beihilfe bestimmt § 4 Abs. 3 BVO a.F., dass das für das Beihilferecht zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für das allgemeine öffentliche Dienstrecht zuständigen Ministerium die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder eine Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode sowie für bestimmte Arznei- oder Verbandmittel begrenzen oder ausschließen kann. Die auf Grundlage des § 4 Abs. 3 BVO a.F. ergangene Verwaltungsvorschrift schließt in Ziffer 2.2 die Beihilfefähigkeit der ESWT bei der Diagnose Tennisellenbogen aus, indem dort unter der Überschrift „ESWT“ nur für die im Einzelnen angeführten Krankheitsbilder eine Beihilfefähigkeit anerkannt wird. Das Krankheitsbild des Klägers ist dort nicht angeführt.

19

Diese Verwaltungsvorschrift hat zwar keinen Rechtsnormcharakter. Sie konkretisiert aber die Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Beamten und Versorgungsempfänger in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen, indem sie die Ausübung des Ermessens der zur Erfüllung der Fürsorgepflicht berufenen Stellen zentral bindet (BVerwG, Urteil vom 28. April 1998 – 2 C 58/85 -, juris). Die Verwaltungsvorschrift dient somit der norminterpretierenden Konkretisierung der Beihilfevorschriften und der Klärung von Zweifelsfragen im Sinne einer einfachen und gleichartigen Handhabung ohne darüber hinaus eigenständige allgemein verbindliche Entscheidungen in Bezug auf die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen zu treffen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011, a.a.O.). Mit der Ermächtigung des Ministeriums der Finanzen zum Erlass der hier maßgeblichen Verwaltungsvorschrift und mit der Anknüpfung an Erkenntnisse in der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt im Übrigen keine „automatische“ Übertragung der Entscheidung über die Beihilfefähigkeit auf Selbstverwaltungsorgane der gesetzlichen Krankenversicherung, was in der Rechtsprechung kritisch bewertet würde (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 – 2 C 28.08 –, juris). Denn die abschließende Entscheidung über die Frage der regelmäßigen oder im Weg der Ausnahme zu gewährenden Beihilfe liegt bei dem Beklagten.

20

Der Ausschluss der ESWT bei Diagnose Tennisellenbogen aus der Beihilfefähigkeit ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Dienstherr wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden von der Beihilfe ausschließen kann (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998 – 2 C 2497 – juris; Urteil vom 29. Juni 1995 – 2 C 15/94 –, juris). Er muss nicht sämtliche Aufwendungen im Krankheitsfall als beihilfefähig anerkennen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011, a.a.O.). Der Fürsorgegedanke verliert vielmehr in dem Bereich an Bedeutung, wo hinreichende Behandlungsaussichten wissenschaftlich nicht begründbar sind. Der Wesenskern der Schutzpflicht des Dienstherrn darf zwar durch die Ausgestaltung der Beihilfevorschriften nicht beeinträchtigt werden (BVerwG, Urteil vom 28. April 1988, a.a.O.). Gerade bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsformen ist aber die Einschränkung der Fürsorgepflicht akzeptiert worden und damit die Kostenübernahme im Rahmen der Beihilfe nicht geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995, a.a.O.).

21

Die in der Beihilfenverordnung sowie der hierzu ergangenen Verwaltungsvorschrift vorgenommene Bewertung, wonach die ESWT im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild Tennisellenbogen keine wissenschaftlich anerkannte Behandlung darstelle, ist sachlich nicht zu beanstanden. Nach den Vorgaben der einschlägigen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995, a.a.O.) ist eine Behandlungsmethode dann wissenschaftlich nicht anerkannt, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftlicher nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering erachtet.

22

Der Gemeinsame Bundesausschuss der kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (vgl. § 91 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V - SGB V -) hat einen weitgehenden Ausschluss der ESWT aus dem Leistungskatalog der Richtlinie „Methoden vertragsärztliche Versorgung“ vom 17. Januar 2006, zuletzt geändert am 20. Januar 2011 (Bundesanzeiger 2011, S. 1342) bestimmt. In deren Anlage 2, Ziffer 23 wird die ESWT als Methode angeführt, die bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Der Bundesausschuss hat entgegen einem häufig anzutreffenden Missverständnis zwar nicht selbst über den medizinischen Nutzen einer bestimmten Methode zu urteilen, seine Aufgabe ist es vielmehr, sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlägigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit der in Rede stehenden Behandlungsweise besteht (BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 –, juris). Eine entsprechende Feststellung hat der Bundesausschuss aber nicht getroffen. Zwar beruht der Ausschluss der ESWT auf einem Beschluss des Bundesausschusses vom 24. April 1998 und einem zusammenfassenden Bericht vom 22. Juli 1999. Dieser Ausschluss ist aber nach wie vor Inhalt des aktuellen Negativkataloges, der zuletzt am 20. Januar 2011, also noch hinreichend aktuell, bearbeitet worden war. Aus der Ablehnung der ESWT durch den Bundesausschuss folgt auch über den Bereich der kassenärztlichen Versorgung hinaus – jedenfalls indiziell – ihre allgemein fehlende wissenschaftliche Anerkennung (so VG Ansbach, Urteil vom 11. Januar 2006, a.a.O. und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Mai 2007 – 4 S 512/02 – juris; offengelassen von OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. September 2004 -– 1 A 2494/01 -, juris).

23

Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte sich bei der Ausgestaltung der beihilferechtlichen Rahmenbedingungen am Rechtskreis der gesetzlichen Krankenversicherung orientiert und deren besonders sachverständige Erkenntnisse nutzt. Dies kann auch dergestalt geschehen, dass die Verwaltungsvorschrift des zuständigen Ministeriums an die Erkenntnislage in der gesetzlichen Krankenversicherung anknüpft (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011 a.a.O.). Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in der zitierten Entscheidung ausdrücklich die Anknüpfung an Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses akzeptiert, solange die Rechtsanwendung unter Berücksichtigung des Fürsorgegrundsatzes erfolge. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass der Rückgriff auf den besonderen Sachverstand aus dem Rechtskreis der gesetzlichen Krankenversicherung auch der Vermeidung eines erheblichen eigenen Aufwands der öffentlich-rechtlichen Dienstherren dient (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011, a.a.O.).

24

Die fehlende wissenschaftliche Anerkennung der ESWT kann hier auch nicht durch allgemein zugängliche Ausführungen widerlegt werden. So führt Wikipedia den Tennisellenbogen zwar als Behandlungsfall der ESWT an, zugleich wird aber darauf hingewiesen, dass die ESWT in Deutschland nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gilt und es Therapieversager sowie Fälle gebe, in denen sich die Beschwerden nach der Behandlung sogar verstärkten. Ein Hinweis auf eine wissenschaftliche Anerkennung findet sich dort nicht.

25

Auch die einschlägige Rechtsprechung steht der Annahme der fehlenden wissenschaftlichen Anerkennung nicht entgegen (Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 19. Februar 2008 – 6 K 692/07.NW -; Bayerischer VGH, Urteil vom 28. März 2007 – 14 B 04.119 – und Beschluss vom 21. September 2006 – 14 ZB 06.1616 –; Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 17. Dezember 2007 – Au 7 K 07.32 -, juris, Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 2. August 2006 – 4 K 1262/05 -; Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 11. Januar 2006 – AN 15 K 05.02637 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. September 2004, a.a.O.; Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 6. Juni 2004 – 1 A 153/04 -; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. April 2004 – 2 LA 293/03 -; jeweils veröffentlicht in juris). Auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist dies unbestritten (BSG, Urteil vom 27. September 2005, a.a.O.; Bayerisches LSG, Urteil vom 20. September 2007 – L 4 K R 169/06 -, juris). Nach der Entscheidung des BSG kommt es zudem nicht darauf an, ob die streitige Therapie im konkreten Fall nach eigener Einschätzung des Klägers oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben.

26

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur ESWT beziehen sich auf allgemeine Geschäftsbedingungen von privaten Krankenversicherungen, nicht aber auf das hier einschlägige Beihilfenrecht (vgl. BGH, Urteile vom 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92 -; BGHZ 123, 83 ff., und vom 10. Juli 1996 – IV ZR 13395 -, BGHZ 133, 208 ff.). Die Abrechnungsfähigkeit der ESWT nach den Bestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bietet aber keinen Anlass für die Annahme, eine allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der ESWT läge vor. Die privatärztliche Abrechnung der GOÄ setzt ihrerseits nämlich gerade keine wissenschaftliche Anerkennung einer Maßnahme voraus (Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 19. Februar 2008, a.a.O.).

27

Die mittlerweile anerkannte Beihilfefähigkeit der ESWT für die Behandlung der Kalkschulter und der Pseudoarthrose ändert an dem Ausschluss dieser Methode für andere Indikationen nichts (vgl. Bayerischen VGH, Urteil vom 28. März 2007, a.a.O.). Gleiches gilt für die etwaige Anerkennung der ESWT als „Kassenleistung“ in Österreich (BSG, Urteil vom 27. September 2005, a.a.O.). Zwar vertritt das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 24. September 2010 – 9 K 1179/09 -, juris) eine abweichende Auffassung. Die Entscheidung betrifft aber zum einen ein anderes Krankheitsbild und setzt sich zum anderen nicht annäherungsweise mit den hier angesprochenen Aspekten auseinander.

28

Selbst die DGOOC geht in ihrer am 22. September 2011 überarbeiteten Leitlinie zum Krankheitsbild Tennisellenbogen davon aus, dass die ESWT als physikalische Therapie nur geringe Evidenz besitzt. Sie bezeichnet die ESWT zwar als eine von mehreren Behandlungsformen, weist aber auch darauf hin, dass die Literatur in Bezug auf die Wirksamkeit von Therapieverfahren widersprüchlich sei. Es existierten nur wenige kontrollierte Studien. Dies deckt sich mit den gutachterlichen Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Dezember 2007 (a.a.O.), wo der dortige Sachverständige unter Heranziehung einzelner Studien resümiert, dass die ESWT zwar eine klinisch etablierte, wissenschaftlich jedoch nicht allgemein anerkannte Methode zur Behandlung des Tennisellenbogens sei. Auch in der im vorliegenden Verfahren vorgelegten Stellungnahme des Dr. Y. wird darauf hingewiesen, dass zwar die ESWT bei chronischer Epicondylitis eine medizinisch sinnvolle und anerkannte Therapie sei; zugleich weist Dr. Y. aber darauf hin, dass u.a. für das Krankheitsbild Tennisellenbogen eine Vielzahl an experimentellen und klinischen Untersuchungen mit teils hochwertiger Methode existierten. Die zu diesem Krankheitsbild durchgeführten Studien seien jedoch bezüglich der verwendeten Geräte, der Behandlungsfrequenz und Intensität sowie der Krankheitsdauer vor Beginn der Behandlung sehr unterschiedlich; er weist auf 14 randomisierte Studien mit dem Ergebnis hin, dass etwa die Hälfte keinen signifikanten Therapieeffekt belegten; Dr. Y. folgert hieraus, dass sich daran das Dilemma bei der wissenschaftlichen Beurteilung zeige. Aus dieser Stellungnahme kann somit ebenfalls nicht abgeleitet werden, dass die ESWT im Zeitpunkt der Entstehung der Behandlungskosten eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode war.

29

Aus europarechtlichen Vorgaben oder dem Verbot der Inländerdiskriminierung kann der Kläger keine Ansprüche ableiten, weil entsprechende Vorgaben eine Auslandsbehandlung oder eine unterschiedliche Behandlung von In- und Ausländern bei medizinischer Behandlung in einem bestimmten Staat voraussetzen. Beide Anforderungen sind hier nicht erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2005, a.a.O.). Der guten Ordnung halber sei hier noch darauf verwiesen, dass auch die neue Beihilfenverordnung (GVBl. 2011, S. 199) keine Beihilfefähigkeit der ESWT bei Tennisellenbogen vorsieht (Anlage 1, Ziffer 2 zu § 8 Abs. 8 BVO).

30

Umstände, die ausnahmsweise im Rahmen der Fürsorgepflicht des Beklagten (§ 87 LBG) - etwa wegen einer besonderen Härte – eine Beihilfefähigkeit trotz fehlender wissenschaftlicher Anerkennung begründen, liegen nicht vor. Die Fürsorgepflicht kann es dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewandt werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich anerkannt werden kann (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998, a.a.O.).

31

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

32

Der Kläger hat zwar vorgetragen, sich diversen Behandlungen erfolglos unterzogen zu haben. Allerdings bleibt bei dem Krankheitsbild des Klägers auch noch die Möglichkeit, mit physiotherapeutischen Verfahren Abhilfe zu schaffen. Studien mit physiotherapeutischen Verfahren legen laut Wikipedia (m.w.N.) zudem nahe, dass diese möglicherweise in manchen Punkten anderen Verfahren überlegen sind. Vorrangig wäre zudem die Ursache der Beschwerden aufzuklären, um durch gezielte Entlastung den schmerzauslösenden Prozess zu unterbrechen. Zuletzt kommt auch ein operativer Eingriff (Operation nach Hohmann; s. Leitlinien DGOOC S. 4) in Betracht. Die Tatsache, dass der Erfolg einer Operation nicht garantiert wäre und ein Restrisiko besteht, ändert nichts daran, dass die Operation als Therapiemethode in Betracht kommt (Bayerischer VGH, Urteil vom 28. März 2007, a.a.O.). Zudem fehlt es an der weiteren Voraussetzung, dass die ESWT für die Behandlung nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich anerkannt werden kann. Insoweit muss nämlich die Aussicht, d.h. die begründete Erwartung auf allgemeine wissenschaftliche Anerkennung im Sinne einer Indikationserweiterung bestehen; die bloße Möglichkeit einer solchen Anerkennung genügt nicht (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998, a.a.O.). Eine solche Aussicht bestand im maßgeblichen Zeitpunkt der Behandlung (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28. März 2007, a.a.O.) nicht. Dies ergibt sich aus der nach wie vor einschlägigen Negativliste des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie der im September 2011 zuletzt geänderten Leitlinie der DGOOC. Alleine die Erwartung des Klägers, die DGOOC und der Gemeinsame Bundesausschuss werden ihre Stellungnahmen ändern, genügt hierfür nicht. Zudem plant die DGOOC die Überprüfung ihrer Leitlinie erst wieder zum September 2016 (S. 7 Leitlinie).

33

Schließlich handelt es sich trotz der erheblichen Gravität des Krankheitsbildes nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung, die nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 -, juris) in der gesetzlichen Krankenversicherung bei nicht ganz fernliegender Aussicht auf eine zumindest spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch eine ärztlich angewandte Methode, zur Kostenübernahme führte. Dieser Gedanke ist nach Auffassung der Kammer zwar auch im Bereich der Beihilfe grundsätzlich anwendbar. Die inhaltlichen Voraussetzungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegen hier aber, trotz der Schwere der Erkrankung, nicht vor.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

36

Beschluss

37

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.328,68 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

38

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.

(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Die Partner der Bundesmantelverträge legen für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Der Bundesärztekammer ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) Die zahnärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Wählen Versicherte bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. In diesen Fällen ist von den Kassen die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung als Sachleistung abzurechnen. In Fällen des Satzes 2 ist vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten zu treffen. Die Mehrkostenregelung gilt nicht für Fälle, in denen intakte plastische Füllungen ausgetauscht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert. Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschußt werden. Das Gleiche gilt für implantologische Leistungen, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach den §§ 26 und 27 des Psychotherapeutengesetzes und durch Psychotherapeuten nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Spätestens nach den probatorischen Sitzungen gemäß § 92 Abs. 6a hat der Psychotherapeut vor Beginn der Behandlung den Konsiliarbericht eines Vertragsarztes zur Abklärung einer somatischen Erkrankung sowie, falls der somatisch abklärende Vertragsarzt dies für erforderlich hält, eines psychiatrisch tätigen Vertragsarztes einzuholen.

(4) (weggefallen)

(1) Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen bilden einen Gemeinsamen Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig. Er wird durch den Vorsitzenden des Beschlussgremiums gerichtlich und außergerichtlich vertreten.

(2) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses besteht aus einem unparteiischen Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, einem von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, jeweils zwei von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft und fünf von dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen benannten Mitgliedern. Für die Berufung des unparteiischen Vorsitzenden und der weiteren unparteiischen Mitglieder sowie jeweils zweier Stellvertreter einigen sich die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 jeweils auf einen Vorschlag und legen diese Vorschläge dem Bundesministerium für Gesundheit spätestens zwölf Monate vor Ablauf der Amtszeit vor. Als unparteiische Mitglieder und deren Stellvertreter können nur Personen benannt werden, die im vorangegangenen Jahr nicht bei den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1, bei deren Mitgliedern, bei Verbänden von deren Mitgliedern oder in einem Krankenhaus beschäftigt oder selbst als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Vertragspsychotherapeut tätig waren. Das Bundesministerium für Gesundheit übermittelt die Vorschläge an den Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages. Der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages kann einem Vorschlag nach nichtöffentlicher Anhörung der jeweils vorgeschlagenen Person innerhalb von sechs Wochen mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner Mitglieder durch Beschluss widersprechen, sofern er die Unabhängigkeit oder die Unparteilichkeit der vorgeschlagenen Person als nicht gewährleistet ansieht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 legen innerhalb von sechs Wochen, nachdem das Bundesministerium für Gesundheit den Gemeinsamen Bundesausschuss über einen erfolgten Widerspruch unterrichtet hat, einen neuen Vorschlag vor. Widerspricht der Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages nach Satz 5 auch dem neuen Vorschlag innerhalb von sechs Wochen oder haben die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 keinen neuen Vorschlag vorgelegt, erfolgt die Berufung durch das Bundesministerium für Gesundheit. Die Unparteiischen üben ihre Tätigkeit in der Regel hauptamtlich aus; eine ehrenamtliche Ausübung ist zulässig, soweit die Unparteiischen von ihren Arbeitgebern in dem für die Tätigkeit erforderlichen Umfang freigestellt werden. Die Stellvertreter der Unparteiischen sind ehrenamtlich tätig. Hauptamtliche Unparteiische stehen während ihrer Amtszeit in einem Dienstverhältnis zum Gemeinsamen Bundesausschuss. Zusätzlich zu ihren Aufgaben im Beschlussgremium übernehmen die einzelnen Unparteiischen den Vorsitz der Unterausschüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der Vorsitzende nach Absatz 1 Satz 3 stellt übergreifend die Einhaltung aller dem Gemeinsamen Bundesausschuss auferlegten gesetzlichen Fristen sicher. Zur Erfüllung dieser Aufgabe nimmt er eine zeitliche Steuerungsverantwortung wahr und hat ein Antragsrecht an das Beschlussgremium nach Satz 1, er erstattet auch den nach Absatz 11 jährlich vorzulegenden Bericht. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 schließen die Dienstvereinbarungen mit den hauptamtlichen Unparteiischen; § 35a Absatz 6 Satz 2 und Absatz 6a Satz 1 und 2 des Vierten Buches gilt entsprechend. Vergütungserhöhungen sind während der Dauer der Amtszeit der Unparteiischen unzulässig. Zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen kann eine über die zuletzt nach § 35a Absatz 6a Satz 1 des Vierten Buches gebilligte Vergütung der letzten Amtsperiode oder des Vorgängers im Amt hinausgehende höhere Vergütung nur durch einen Zuschlag auf die Grundvergütung nach Maßgabe der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes vereinbart werden. Die Aufsichtsbehörde kann zu Beginn einer neuen Amtszeit eines Unparteiischen eine niedrigere Vergütung anordnen. Die Art und die Höhe finanzieller Zuwendungen, die den Unparteiischen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Unparteiische von Dritten gewährt werden, sind den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 mitzuteilen und auf die Vergütung der Unparteiischen anzurechnen oder an den Gemeinsamen Bundesausschuss abzuführen. Vereinbarungen der Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 für die Zukunftssicherung der Unparteiischen sind nur auf der Grundlage von beitragsorientierten Zusagen zulässig. Die von den Organisationen benannten sonstigen Mitglieder des Beschlussgremiums üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus; sie sind bei den Entscheidungen im Beschlussgremium an Weisungen nicht gebunden. Die Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benennen für jedes von ihnen benannte Mitglied bis zu drei Stellvertreter. Die Amtszeit im Beschlussgremium beträgt ab der am 1. Juli 2012 beginnenden Amtszeit sechs Jahre.

(2a) Bei Beschlüssen, die allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 alle fünf Stimmen der Leistungserbringerseite anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von der betroffenen Leistungserbringerorganisation nach Absatz 1 Satz 1 benannt worden sind. Bei Beschlüssen, die allein zwei der drei Leistungssektoren wesentlich betreffen, werden ab dem 1. Februar 2012 die Stimmen der von der nicht betroffenen Leistungserbringerorganisation benannten Mitglieder anteilig auf diejenigen Mitglieder übertragen, die von den betroffenen Leistungserbringerorganisationen benannt worden sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in seiner Geschäftsordnung erstmals bis zum 31. Januar 2012 fest, welche Richtlinien und Entscheidungen allein einen oder allein zwei der Leistungssektoren wesentlich betreffen. Bei Beschlüssen zur Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden wird die Stimme des von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung benannten Mitglieds ab dem 1. Januar 2012 anteilig auf die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft benannten Mitglieder übertragen.

(3) Für die Tragung der Kosten des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Kosten der von den Organisationen nach Absatz 1 Satz 1 benannten Mitglieder gilt § 139c entsprechend. Im Übrigen gilt § 90 Abs. 3 Satz 4 entsprechend mit der Maßgabe, dass vor Erlass der Rechtsverordnung außerdem die Deutsche Krankenhausgesellschaft anzuhören ist.

(3a) Verletzen Mitglieder oder deren Stellvertreter, die von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen benannt oder berufen werden, in der ihnen insoweit übertragenen Amtsführung die ihnen einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, gilt § 42 Absatz 1 bis 3 des Vierten Buches mit der Maßgabe entsprechend, dass die Verantwortlichkeit den Gemeinsamen Bundesausschuss, nicht aber die in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen, trifft. Dies gilt auch im Falle einer Berufung der unparteiischen Mitglieder und deren Stellvertreter durch das Bundesministerium für Gesundheit nach Absatz 2 Satz 7. Soweit von den in Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen für die Vorbereitung von Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses Personen für die nach seiner Geschäftsordnung bestehenden Gremien benannt werden und diese Personen zur Wahrung der Vertraulichkeit der für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtigen, ihnen zugänglichen Unterlagen und Informationen verpflichtet werden, gilt Satz 1 entsprechend. Das Gleiche gilt für nach § 140f Absatz 2 Satz 1 zweiter Halbsatz benannte sachkundige Personen, denen zur Ausübung ihres Mitberatungsrechts für den Gemeinsamen Bundesausschuss geheimhaltungspflichtige Unterlagen und Informationen zugänglich gemacht werden, wenn sie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zur Wahrung der Vertraulichkeit dieser Unterlagen verpflichtet worden sind. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Geschäftsordnung.

(4) Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt

1.
eine Verfahrensordnung, in der er insbesondere methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, einschließlich Bewertungen nach den §§ 35a und 35b, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse sowie die Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung, regelt,
2.
eine Geschäftsordnung, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses insbesondere zur Geschäftsführung, zur Vorbereitung der Richtlinienbeschlüsse durch Einsetzung von in der Regel sektorenübergreifend gestalteten Unterausschüssen, zum Vorsitz der Unterausschüsse durch die Unparteiischen des Beschlussgremiums sowie zur Zusammenarbeit der Gremien und der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses trifft; in der Geschäftsordnung sind Regelungen zu treffen zur Gewährleistung des Mitberatungsrechts der von den Organisationen nach § 140f Abs. 2 entsandten sachkundigen Personen.
Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorlage des Beschlusses und der tragenden Gründe ganz oder teilweise versagt. Das Bundesministerium für Gesundheit kann im Rahmen der Genehmigungsprüfung vom Gemeinsamen Bundesausschuss zusätzliche Informationen und ergänzende Stellungnahmen anfordern; bis zum Eingang der Auskünfte ist der Lauf der Frist nach Satz 3 unterbrochen. Wird die Genehmigung ganz oder teilweise versagt, so kann das Bundesministerium für Gesundheit insbesondere zur Sicherstellung einer sach- und funktionsgerechten Ausgestaltung der Arbeitsweise und des Bewertungsverfahrens des Gemeinsamen Bundesausschusses erforderliche Änderungen bestimmen und anordnen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb einer bestimmten Frist die erforderlichen Änderungen vornimmt. Kommt der Gemeinsame Bundesausschuss der Anordnung innerhalb der Frist nicht nach, so kann das Bundesministerium für Gesundheit die erforderlichen Änderungen selbst vornehmen. Die Sätze 5 und 6 gelten entsprechend, wenn sich die Erforderlichkeit der Änderung einer bereits genehmigten Regelung der Verfahrensordnung oder der Geschäftsordnung erst nachträglich ergibt. Klagen gegen Anordnungen und Maßnahmen des Bundesministeriums für Gesundheit nach den Sätzen 3 bis 7 haben keine aufschiebende Wirkung.

(5) Bei Beschlüssen, deren Gegenstand die Berufsausübung der Ärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte berührt, ist der jeweiligen Arbeitsgemeinschaft der Kammern dieser Berufe auf Bundesebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. § 136 Absatz 3 und § 136b Absatz 1 Satz 3 bleiben unberührt.

(5a) Bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln oder voraussetzen, ist dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; die Stellungnahme ist in die Entscheidung einzubeziehen.

(6) Die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse zu Entscheidungen nach § 136d sind für die Träger nach Absatz 1 Satz 1, deren Mitglieder und Mitgliedskassen sowie für die Versicherten und die Leistungserbringer verbindlich.

(7) Das Beschlussgremium des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Absatz 2 Satz 1 fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder, sofern die Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt. Beschlüsse zur Arzneimittelversorgung und zur Qualitätssicherung sind in der Regel sektorenübergreifend zu fassen. Beschlüsse, die nicht allein einen der Leistungssektoren wesentlich betreffen und die zur Folge haben, dass eine bisher zulasten der Krankenkassen erbringbare Leistung zukünftig nicht mehr zu deren Lasten erbracht werden darf, bedürfen einer Mehrheit von neun Stimmen. Der unparteiische Vorsitzende und die weiteren unparteiischen Mitglieder können dem Beschlussgremium gemeinsam einen eigenen Beschlussvorschlag zur Entscheidung vorlegen. Mit der Vorbereitung eines Beschlussvorschlags oder eines Antrags eines Unparteiischen nach § 135 Absatz 1 Satz 1 oder § 137c Absatz 1 Satz 1 können die Unparteiischen oder kann der Unparteiische die Geschäftsführung beauftragen. Die Sitzungen des Beschlussgremiums sind in der Regel öffentlich und werden zeitgleich als Live-Video-Übertragung im Internet angeboten sowie in einer Mediathek zum späteren Abruf verfügbar gehalten. Die nichtöffentlichen Beratungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere auch die Beratungen in den vorbereitenden Gremien, sind einschließlich der Beratungsunterlagen und Niederschriften vertraulich.

(8) (weggefallen)

(9) Jedem, der berechtigt ist, zu einem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses Stellung zu nehmen und eine schriftliche oder elektronische Stellungnahme abgegeben hat, ist in der Regel auch Gelegenheit zu einer mündlichen Stellungnahme zu geben. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in seiner Verfahrensordnung vorzusehen, dass die Teilnahme jeweils eines Vertreters einer zu einem Beschlussgegenstand stellungnahmeberechtigten Organisation an den Beratungen zu diesem Gegenstand in dem zuständigen Unterausschuss zugelassen werden kann.

(10) Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt spätestens ab dem 1. September 2012 die infolge seiner Beschlüsse zu erwartenden Bürokratiekosten im Sinne des § 2 Absatz 2 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates und stellt diese Kosten in der Begründung des jeweiligen Beschlusses nachvollziehbar dar. Bei der Ermittlung der Bürokratiekosten ist die Methodik nach § 2 Absatz 3 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates anzuwenden. Das Nähere regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 30. Juni 2012 in seiner Verfahrensordnung.

(11) Der Gemeinsame Bundesausschuss hat dem Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages einmal jährlich zum 31. März über das Bundesministerium für Gesundheit einen Bericht über die Einhaltung der Fristen nach § 135 Absatz 1 Satz 4 und 5, § 136b Absatz 3 Satz 1, § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 vorzulegen, in dem im Falle von Überschreitungen der Fristen nach § 137c Absatz 1 Satz 5 und 6 sowie § 137h Absatz 4 Satz 9 auch die zur Straffung des Verfahrens unternommenen Maßnahmen und die besonderen Schwierigkeiten einer Bewertung, die zu einer Fristüberschreitung geführt haben können, im Einzelnen dargelegt werden müssen. Zudem sind in dem Bericht auch alle anderen Beratungsverfahren über Entscheidungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses darzustellen, die seit förmlicher Einleitung des Beratungsverfahrens länger als drei Jahre andauern und in denen noch keine abschließende Beschlussfassung erfolgt ist.

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Beihilfefähigkeit von Kosten für die Anwendung der Extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT).

2

Der Kläger ist als Kriminalhauptkommissar beim Polizeipräsidium … im Dienst des Beklagten beihilfeberechtigt. Er leidet an einer Epicondylopathia radialis humeri (landläufig: Tennisellenbogen).

3

Er beantragte am 13. Oktober 2010 Beihilfe zu Aufwendungen in Höhe von 1.898,11 € für eine im Jahr 2010 angewandte ESWT.

4

Mit Bescheid vom 21. Oktober 2010 lehnte der Beklagte die Beihilfefähigkeit unter Hinweis auf Ziffer 2.2 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 31. Januar 2004, zuletzt geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 13. Mai 2008 (MinBl. 2008, S. 184 – VV –) ab.

5

Der Kläger erhob gegen die Ablehnung Widerspruch und trug vor: Die ESWT sei beihilfefähig, weil diese Behandlungsform laut einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (DGOOC) vom 1. März 2011 auch bei einem chronischen Tennisellenbogen als medizinisch sinnvolle und anerkannte Therapie empfohlen werde.

6

Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2011 zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus, dass es sich bei der ESWT um keine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handle, so dass die Beihilfefähigkeit gemäß § 4 Abs. 3 der Beihilfenverordnung (BVO) i.V.m. der einschlägigen VV ausgeschlossen sei.

7

Nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (21. Juni 2011) hat der Kläger am 29. Juni 2011 Klage erhoben.

8

Er trägt vor: Die ESWT sei eine wissenschaftlich anerkannte Methode. Die DGOOC habe in ihrer Stellungnahme vom 1. März 2011 erklärt, dass die ESWT bei chronischem Tennisellenbogen, d.h. bei Schmerzen über sechs Monate eine medizinisch sinnvolle und anerkannte Therapie darstelle. Diese Aussage sei auf der Grundlage von wissenschaftlichen Erkenntnissen erfolgt. Der Gesellschaft lägen zahlreiche Studien vor, auf die sie in ihrer Stellungnahme hingewiesen habe. Die Empfehlung der Behandlungsmöglichkeit beschränke sich aufgrund der Schwierigkeit bei der wissenschaftlichen Evaluation auf einen Teilbereich der getesteten Einsatzmöglichkeiten, nämlich chronische Erkrankungen. Ein wirksamer Ausschluss der Behandlungsmethode von der Beihilfe ergebe sich nicht aus der Verwaltungsvorschrift zur BVO. Diese enthalte entgegen den Ausführungen des Beklagten keine zwingenden Vorschriften für das Verständnis des § 3 Abs. 1 BVO. Die Ausführungen des Beklagten zum Vorliegen einer absoluten Bindungswirkung der VV gingen fehl. Eine Bindungswirkung könne allenfalls zugunsten des Bürgers im Rahmen der Selbstbindung der Verwaltung angenommen werden. Die von dem Beklagten herangezogene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße zur fehlenden Beihilfefähigkeit der Behandlungskosten einer ESWT sei drei Jahre alt und für den vorliegenden Zeitraum nicht mehr maßgeblich. Die Behandlung mittels ESWT bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen sei zwar nach den Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen abrechnungsfähig. Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses beruhe jedoch auf einem Beschluss vom 24. April 1998, der die vorangeschrittene wissenschaftliche Untersuchung der ESWT außer Acht lasse. Der Umstand, dass der Gemeinsame Bundesausschuss seine Richtlinie trotz der Stellungnahme der DGOOC vom 1. März 2011 gleichwohl nicht überarbeitet habe, möge darin begründet sein, dass diese Stellungnahme lediglich ihm – dem Kläger – vorliege und eine für den 30. Juni 2011 angekündigte Überarbeitung der Leitlinie der DGOOC und des Berufsverbands der Ärzte für Orthopädie, die Epicondylopathia radialis humeri betreffend, nicht erfolgt sei. In vorgenannter Leitlinie sei bisher hinsichtlich der ESWT ausgeführt, dass Indikation und Wertigkeit des Verfahrens weiter evaluiert würden. Im Hinblick auf die vorgelegte Stellungnahme der DGOOC sei mit einer Änderung zu rechnen, so dass auch eine Änderung der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses erfolgen werde. Zumindest bestehe Anlass zu weiterer Sachaufklärung durch das Gericht. Zudem sei der Beklagte in Ausnahmefällen gehalten, auch die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu tragen. Diese Voraussetzungen lägen hier vor, weil er – der Kläger – sich seit über sechs Monaten konservativ habe therapieren lassen, ohne dass eine Besserung eingetreten wäre.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 21. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2011 Beihilfe entsprechend dem Beihilfeantrag vom 13. Oktober 2010 zu gewähren und die dort geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 1.898,11 € in Höhe seines persönlichen Beihilfebemessungssatzes zu erstatten.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er erwidert: Die Ausführungen im Widerspruchsbescheid, wonach die Behandlungskosten einer ESWT nicht erstattungsfähig seien, seien zutreffend. Die ESWT sei bei der Diagnose Tennisellenbogen – anders als bei drei weiteren Diagnosen – nicht beihilfefähig. Dies habe das Verwaltungsgericht Neustadt in seinem Urteil vom 19. Februar 2008 (Az.: 6 K 692/07.NW) entschieden.

14

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

15

Der zulässigen Klage bleibt der Erfolg versagt, denn der Bescheid des Beklagten vom 21. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten. (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –).

16

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die ESWT-Behandlung. Rechtsgrundlage für die Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs sind die Beihilfevorschriften des Landes und die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums der Finanzen vom 31. Januar 2004 i.d.F. vom 13. Mai 2008 (MinBl. 2008, S. 184 – VV –).

17

Die Beihilfenverordnung ist in ihrer früheren Fassung - trotz ihrer Unwirksamkeit - bis zu dem Inkrafttreten der neuen Beihilfenverordnung am 1. August 2011 (GVBl. 2011, S. 199) und somit für einen Übergangszeitraum anwendbar (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 10. September 2010 – 2 A 10664/10.OVG –). Sie bildet im vorliegenden Fall die einschlägige Rechtsgrundlage, weil maßgeblich für die Beihilfefähigkeit die Rechtslage im Zeitpunkt der Entstehung der geltend gemachten Aufwendungen ist (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011 – 10 A 11331/10.OVG -, ESOVGRP).

18

§ 3 Abs. 1 BVO a.F. bestimmt die Beihilfefähigkeit notwendiger Aufwendungen in angemessenem Umfang, soweit sie dem Beihilfeberechtigten entstanden sind. Zur Präzisierung des damit umschriebenen Leistungsumfangs der Beihilfe bestimmt § 4 Abs. 3 BVO a.F., dass das für das Beihilferecht zuständige Ministerium im Einvernehmen mit dem für das allgemeine öffentliche Dienstrecht zuständigen Ministerium die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine Untersuchung oder eine Behandlung nach einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode sowie für bestimmte Arznei- oder Verbandmittel begrenzen oder ausschließen kann. Die auf Grundlage des § 4 Abs. 3 BVO a.F. ergangene Verwaltungsvorschrift schließt in Ziffer 2.2 die Beihilfefähigkeit der ESWT bei der Diagnose Tennisellenbogen aus, indem dort unter der Überschrift „ESWT“ nur für die im Einzelnen angeführten Krankheitsbilder eine Beihilfefähigkeit anerkannt wird. Das Krankheitsbild des Klägers ist dort nicht angeführt.

19

Diese Verwaltungsvorschrift hat zwar keinen Rechtsnormcharakter. Sie konkretisiert aber die Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Beamten und Versorgungsempfänger in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen, indem sie die Ausübung des Ermessens der zur Erfüllung der Fürsorgepflicht berufenen Stellen zentral bindet (BVerwG, Urteil vom 28. April 1998 – 2 C 58/85 -, juris). Die Verwaltungsvorschrift dient somit der norminterpretierenden Konkretisierung der Beihilfevorschriften und der Klärung von Zweifelsfragen im Sinne einer einfachen und gleichartigen Handhabung ohne darüber hinaus eigenständige allgemein verbindliche Entscheidungen in Bezug auf die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen zu treffen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011, a.a.O.). Mit der Ermächtigung des Ministeriums der Finanzen zum Erlass der hier maßgeblichen Verwaltungsvorschrift und mit der Anknüpfung an Erkenntnisse in der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt im Übrigen keine „automatische“ Übertragung der Entscheidung über die Beihilfefähigkeit auf Selbstverwaltungsorgane der gesetzlichen Krankenversicherung, was in der Rechtsprechung kritisch bewertet würde (BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 – 2 C 28.08 –, juris). Denn die abschließende Entscheidung über die Frage der regelmäßigen oder im Weg der Ausnahme zu gewährenden Beihilfe liegt bei dem Beklagten.

20

Der Ausschluss der ESWT bei Diagnose Tennisellenbogen aus der Beihilfefähigkeit ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Dienstherr wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden von der Beihilfe ausschließen kann (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998 – 2 C 2497 – juris; Urteil vom 29. Juni 1995 – 2 C 15/94 –, juris). Er muss nicht sämtliche Aufwendungen im Krankheitsfall als beihilfefähig anerkennen (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011, a.a.O.). Der Fürsorgegedanke verliert vielmehr in dem Bereich an Bedeutung, wo hinreichende Behandlungsaussichten wissenschaftlich nicht begründbar sind. Der Wesenskern der Schutzpflicht des Dienstherrn darf zwar durch die Ausgestaltung der Beihilfevorschriften nicht beeinträchtigt werden (BVerwG, Urteil vom 28. April 1988, a.a.O.). Gerade bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsformen ist aber die Einschränkung der Fürsorgepflicht akzeptiert worden und damit die Kostenübernahme im Rahmen der Beihilfe nicht geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995, a.a.O.).

21

Die in der Beihilfenverordnung sowie der hierzu ergangenen Verwaltungsvorschrift vorgenommene Bewertung, wonach die ESWT im Zusammenhang mit dem Krankheitsbild Tennisellenbogen keine wissenschaftlich anerkannte Behandlung darstelle, ist sachlich nicht zu beanstanden. Nach den Vorgaben der einschlägigen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 29. Juni 1995, a.a.O.) ist eine Behandlungsmethode dann wissenschaftlich nicht anerkannt, wenn eine Einschätzung ihrer Wirksamkeit und Geeignetheit durch die in der jeweiligen medizinischen Fachrichtung tätigen Wissenschaftlicher nicht vorliegt oder wenn die überwiegende Mehrheit der Wissenschaftler die Erfolgsaussichten als ausgeschlossen oder jedenfalls gering erachtet.

22

Der Gemeinsame Bundesausschuss der kassenärztlichen Bundesvereinigungen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft und des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (vgl. § 91 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V - SGB V -) hat einen weitgehenden Ausschluss der ESWT aus dem Leistungskatalog der Richtlinie „Methoden vertragsärztliche Versorgung“ vom 17. Januar 2006, zuletzt geändert am 20. Januar 2011 (Bundesanzeiger 2011, S. 1342) bestimmt. In deren Anlage 2, Ziffer 23 wird die ESWT als Methode angeführt, die bei orthopädischen, chirurgischen und schmerztherapeutischen Indikationen nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Der Bundesausschuss hat entgegen einem häufig anzutreffenden Missverständnis zwar nicht selbst über den medizinischen Nutzen einer bestimmten Methode zu urteilen, seine Aufgabe ist es vielmehr, sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlägigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit der in Rede stehenden Behandlungsweise besteht (BSG, Urteil vom 27. September 2005 – B 1 KR 28/03 –, juris). Eine entsprechende Feststellung hat der Bundesausschuss aber nicht getroffen. Zwar beruht der Ausschluss der ESWT auf einem Beschluss des Bundesausschusses vom 24. April 1998 und einem zusammenfassenden Bericht vom 22. Juli 1999. Dieser Ausschluss ist aber nach wie vor Inhalt des aktuellen Negativkataloges, der zuletzt am 20. Januar 2011, also noch hinreichend aktuell, bearbeitet worden war. Aus der Ablehnung der ESWT durch den Bundesausschuss folgt auch über den Bereich der kassenärztlichen Versorgung hinaus – jedenfalls indiziell – ihre allgemein fehlende wissenschaftliche Anerkennung (so VG Ansbach, Urteil vom 11. Januar 2006, a.a.O. und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Mai 2007 – 4 S 512/02 – juris; offengelassen von OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. September 2004 -– 1 A 2494/01 -, juris).

23

Es ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte sich bei der Ausgestaltung der beihilferechtlichen Rahmenbedingungen am Rechtskreis der gesetzlichen Krankenversicherung orientiert und deren besonders sachverständige Erkenntnisse nutzt. Dies kann auch dergestalt geschehen, dass die Verwaltungsvorschrift des zuständigen Ministeriums an die Erkenntnislage in der gesetzlichen Krankenversicherung anknüpft (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011 a.a.O.). Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat in der zitierten Entscheidung ausdrücklich die Anknüpfung an Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses akzeptiert, solange die Rechtsanwendung unter Berücksichtigung des Fürsorgegrundsatzes erfolge. Nur am Rande sei hier erwähnt, dass der Rückgriff auf den besonderen Sachverstand aus dem Rechtskreis der gesetzlichen Krankenversicherung auch der Vermeidung eines erheblichen eigenen Aufwands der öffentlich-rechtlichen Dienstherren dient (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. April 2011, a.a.O.).

24

Die fehlende wissenschaftliche Anerkennung der ESWT kann hier auch nicht durch allgemein zugängliche Ausführungen widerlegt werden. So führt Wikipedia den Tennisellenbogen zwar als Behandlungsfall der ESWT an, zugleich wird aber darauf hingewiesen, dass die ESWT in Deutschland nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung gilt und es Therapieversager sowie Fälle gebe, in denen sich die Beschwerden nach der Behandlung sogar verstärkten. Ein Hinweis auf eine wissenschaftliche Anerkennung findet sich dort nicht.

25

Auch die einschlägige Rechtsprechung steht der Annahme der fehlenden wissenschaftlichen Anerkennung nicht entgegen (Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 19. Februar 2008 – 6 K 692/07.NW -; Bayerischer VGH, Urteil vom 28. März 2007 – 14 B 04.119 – und Beschluss vom 21. September 2006 – 14 ZB 06.1616 –; Verwaltungsgericht Augsburg, Urteil vom 17. Dezember 2007 – Au 7 K 07.32 -, juris, Verwaltungsgericht Minden, Urteil vom 2. August 2006 – 4 K 1262/05 -; Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 11. Januar 2006 – AN 15 K 05.02637 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. September 2004, a.a.O.; Verwaltungsgericht Lüneburg, Urteil vom 6. Juni 2004 – 1 A 153/04 -; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19. April 2004 – 2 LA 293/03 -; jeweils veröffentlicht in juris). Auch im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung ist dies unbestritten (BSG, Urteil vom 27. September 2005, a.a.O.; Bayerisches LSG, Urteil vom 20. September 2007 – L 4 K R 169/06 -, juris). Nach der Entscheidung des BSG kommt es zudem nicht darauf an, ob die streitige Therapie im konkreten Fall nach eigener Einschätzung des Klägers oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben.

26

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zur ESWT beziehen sich auf allgemeine Geschäftsbedingungen von privaten Krankenversicherungen, nicht aber auf das hier einschlägige Beihilfenrecht (vgl. BGH, Urteile vom 23. Juni 1993 – IV ZR 135/92 -; BGHZ 123, 83 ff., und vom 10. Juli 1996 – IV ZR 13395 -, BGHZ 133, 208 ff.). Die Abrechnungsfähigkeit der ESWT nach den Bestimmungen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) bietet aber keinen Anlass für die Annahme, eine allgemeine wissenschaftliche Anerkennung der ESWT läge vor. Die privatärztliche Abrechnung der GOÄ setzt ihrerseits nämlich gerade keine wissenschaftliche Anerkennung einer Maßnahme voraus (Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 19. Februar 2008, a.a.O.).

27

Die mittlerweile anerkannte Beihilfefähigkeit der ESWT für die Behandlung der Kalkschulter und der Pseudoarthrose ändert an dem Ausschluss dieser Methode für andere Indikationen nichts (vgl. Bayerischen VGH, Urteil vom 28. März 2007, a.a.O.). Gleiches gilt für die etwaige Anerkennung der ESWT als „Kassenleistung“ in Österreich (BSG, Urteil vom 27. September 2005, a.a.O.). Zwar vertritt das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (Urteil vom 24. September 2010 – 9 K 1179/09 -, juris) eine abweichende Auffassung. Die Entscheidung betrifft aber zum einen ein anderes Krankheitsbild und setzt sich zum anderen nicht annäherungsweise mit den hier angesprochenen Aspekten auseinander.

28

Selbst die DGOOC geht in ihrer am 22. September 2011 überarbeiteten Leitlinie zum Krankheitsbild Tennisellenbogen davon aus, dass die ESWT als physikalische Therapie nur geringe Evidenz besitzt. Sie bezeichnet die ESWT zwar als eine von mehreren Behandlungsformen, weist aber auch darauf hin, dass die Literatur in Bezug auf die Wirksamkeit von Therapieverfahren widersprüchlich sei. Es existierten nur wenige kontrollierte Studien. Dies deckt sich mit den gutachterlichen Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Dezember 2007 (a.a.O.), wo der dortige Sachverständige unter Heranziehung einzelner Studien resümiert, dass die ESWT zwar eine klinisch etablierte, wissenschaftlich jedoch nicht allgemein anerkannte Methode zur Behandlung des Tennisellenbogens sei. Auch in der im vorliegenden Verfahren vorgelegten Stellungnahme des Dr. Y. wird darauf hingewiesen, dass zwar die ESWT bei chronischer Epicondylitis eine medizinisch sinnvolle und anerkannte Therapie sei; zugleich weist Dr. Y. aber darauf hin, dass u.a. für das Krankheitsbild Tennisellenbogen eine Vielzahl an experimentellen und klinischen Untersuchungen mit teils hochwertiger Methode existierten. Die zu diesem Krankheitsbild durchgeführten Studien seien jedoch bezüglich der verwendeten Geräte, der Behandlungsfrequenz und Intensität sowie der Krankheitsdauer vor Beginn der Behandlung sehr unterschiedlich; er weist auf 14 randomisierte Studien mit dem Ergebnis hin, dass etwa die Hälfte keinen signifikanten Therapieeffekt belegten; Dr. Y. folgert hieraus, dass sich daran das Dilemma bei der wissenschaftlichen Beurteilung zeige. Aus dieser Stellungnahme kann somit ebenfalls nicht abgeleitet werden, dass die ESWT im Zeitpunkt der Entstehung der Behandlungskosten eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode war.

29

Aus europarechtlichen Vorgaben oder dem Verbot der Inländerdiskriminierung kann der Kläger keine Ansprüche ableiten, weil entsprechende Vorgaben eine Auslandsbehandlung oder eine unterschiedliche Behandlung von In- und Ausländern bei medizinischer Behandlung in einem bestimmten Staat voraussetzen. Beide Anforderungen sind hier nicht erfüllt (vgl. BSG, Urteil vom 27. September 2005, a.a.O.). Der guten Ordnung halber sei hier noch darauf verwiesen, dass auch die neue Beihilfenverordnung (GVBl. 2011, S. 199) keine Beihilfefähigkeit der ESWT bei Tennisellenbogen vorsieht (Anlage 1, Ziffer 2 zu § 8 Abs. 8 BVO).

30

Umstände, die ausnahmsweise im Rahmen der Fürsorgepflicht des Beklagten (§ 87 LBG) - etwa wegen einer besonderen Härte – eine Beihilfefähigkeit trotz fehlender wissenschaftlicher Anerkennung begründen, liegen nicht vor. Die Fürsorgepflicht kann es dem Dienstherrn gebieten, in Ausnahmefällen auch die Kosten einer wissenschaftlich nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode zu erstatten. Diese Verpflichtung besteht dann, wenn sich eine wissenschaftlich allgemein anerkannte Methode für die Behandlung einer bestimmten Krankheit noch nicht herausgebildet hat, das anerkannte Heilverfahren nicht angewandt werden darf oder wenn ein solches bereits ohne Erfolg eingesetzt worden ist. Weitere Voraussetzung der Beihilfefähigkeit ist, dass die wissenschaftlich noch nicht allgemein anerkannte Behandlungsmethode nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich anerkannt werden kann (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998, a.a.O.).

31

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

32

Der Kläger hat zwar vorgetragen, sich diversen Behandlungen erfolglos unterzogen zu haben. Allerdings bleibt bei dem Krankheitsbild des Klägers auch noch die Möglichkeit, mit physiotherapeutischen Verfahren Abhilfe zu schaffen. Studien mit physiotherapeutischen Verfahren legen laut Wikipedia (m.w.N.) zudem nahe, dass diese möglicherweise in manchen Punkten anderen Verfahren überlegen sind. Vorrangig wäre zudem die Ursache der Beschwerden aufzuklären, um durch gezielte Entlastung den schmerzauslösenden Prozess zu unterbrechen. Zuletzt kommt auch ein operativer Eingriff (Operation nach Hohmann; s. Leitlinien DGOOC S. 4) in Betracht. Die Tatsache, dass der Erfolg einer Operation nicht garantiert wäre und ein Restrisiko besteht, ändert nichts daran, dass die Operation als Therapiemethode in Betracht kommt (Bayerischer VGH, Urteil vom 28. März 2007, a.a.O.). Zudem fehlt es an der weiteren Voraussetzung, dass die ESWT für die Behandlung nach einer medizinischen Erprobungsphase entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft noch wissenschaftlich anerkannt werden kann. Insoweit muss nämlich die Aussicht, d.h. die begründete Erwartung auf allgemeine wissenschaftliche Anerkennung im Sinne einer Indikationserweiterung bestehen; die bloße Möglichkeit einer solchen Anerkennung genügt nicht (BVerwG, Urteil vom 18. Juni 1998, a.a.O.). Eine solche Aussicht bestand im maßgeblichen Zeitpunkt der Behandlung (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 28. März 2007, a.a.O.) nicht. Dies ergibt sich aus der nach wie vor einschlägigen Negativliste des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie der im September 2011 zuletzt geänderten Leitlinie der DGOOC. Alleine die Erwartung des Klägers, die DGOOC und der Gemeinsame Bundesausschuss werden ihre Stellungnahmen ändern, genügt hierfür nicht. Zudem plant die DGOOC die Überprüfung ihrer Leitlinie erst wieder zum September 2016 (S. 7 Leitlinie).

33

Schließlich handelt es sich trotz der erheblichen Gravität des Krankheitsbildes nicht um eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung, die nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 6. Dezember 2005 – 1 BvR 347/98 -, juris) in der gesetzlichen Krankenversicherung bei nicht ganz fernliegender Aussicht auf eine zumindest spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf durch eine ärztlich angewandte Methode, zur Kostenübernahme führte. Dieser Gedanke ist nach Auffassung der Kammer zwar auch im Bereich der Beihilfe grundsätzlich anwendbar. Die inhaltlichen Voraussetzungen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts liegen hier aber, trotz der Schwere der Erkrankung, nicht vor.

34

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

35

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt den §§ 167 VwGO, 708 ff. ZPO.

36

Beschluss

37

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.328,68 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

38

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.