Finanzgericht Nürnberg Urteil, 14. Dez. 2017 - 6 K 1111/17

bei uns veröffentlicht am14.12.2017

Gericht

Finanzgericht Nürnberg

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist eine Vollstreckungsankündigung des beklagten Finanzamts vom 03.11.2016.

Der Kläger erhielt von der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (ASFiNAG), Wien, eine Zahlungsaufforderung vom 24.10.2014, mit der er als Zulassungsbesitzer zur Zahlung einer Ersatzmaut von 120 € aufgefordert wurde, weil das auf ihn zugelassene Fahrzeug mit dem Kennzeichen … am 14.09.2014, 15 Uhr, am mautpflichtigen Straßennetz in Österreich verwendet wurde, ohne dass die Maut ordnungsgemäß entrichtet wurde. Als Deliktart ist „keine Vignette bzw. Vignette nicht ordnungsgemäß angebracht“ angegeben.

Der Prozessbevollmächtigte zeigte sich gegenüber der ASFiNAG an und machte geltend, „unsere Mandantschaft“ habe das Pickerl tatsächlich gekauft und die Maut damit entrichtet. Dies könne durch die Ehefrau unseres Mandanten bezeugt werden. Es sei davon auszugehen, dass die Vignette ordnungsgemäß angebracht worden sei. Dass sie nicht ordnungsgemäß angebracht worden sein soll, sei nicht nachvollziehbar.

Die Korrespondenz mit der ASFiNAG blieb erfolglos; da die Ersatzmautforderung nicht innerhalb der Zahlungsfrist beglichen wurde, wurde der Fall an die Bezirksverwaltungsbehörde weitergegeben und ein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet.

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Verkehr, erließ am 19.01.2015 eine Strafverfügung gegenüber dem Kläger, wonach dieser am 14.09.2014, 15.00 Uhr, mit dem Fahrzeug … in der Gemeinde Volders, auf der A 12, bei Kilometer 64.477, Richtungsfahrbahn Staatsgrenze Kiefersfelden, ein Kraftfahrzeug auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benutzung von Mautstrecken der zeitabhängigen Maut unterliege. Am Fahrzeug sei keine gültige Mautvignette angebracht worden. Der Kläger habe dadurch § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Bundesstraßenmautgesetz (öBStMG) verletzt. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen eine Geldstrafe von 300 €, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden.

Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, Einspruch ein. Der Kläger sei mit der Geldstrafe nicht einverstanden, da er seiner Überzeugung nach keinesfalls ohne Vignette auf einer mautpflichtigen Straße gefahren sei. Er sei sich keiner Schuld bewusst; da er eine Vignette gekauft habe, sei kein Schaden entstanden. Der Kläger verweist auf das Vorbringen gegenüber ASFiNAG.

Im Rahmen der Rückfrage der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck bei der ASFiNAG erläuterte diese gegenüber der Bezirkshauptmannschaft, die Vignette sei vorliegend nicht von der Trägerfolie abgelöst worden, weshalb das schwarze, aufgedruckte Kreuz der Trägerfolie ersichtlich sei. Die Vignette sei auch nicht komplett mit dem originären Kleber der Vignettenvorderseite an der Windschutzscheibe angebracht gewesen. Dadurch hätten die Sicherheitsmerkmale nicht aktiviert werden können, die eine eventuelle Manipulation der Vignette verhindern sollen. Dies sei von der automatischen Vignettenkontrolle erkannt und registriert worden. Auf den beigefügten Bildern ist in der unteren Ecke der Windschutzscheibe auf der Fahrerseite des Fahrzeugs … die Vignette mit einem schwarzen Kreuz zu sehen.

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck übermittelte dem Kläger mit Schreiben vom 05.03.2015 den Strafakt in Kopie mit dem Ersuchen um Stellungnahme.

Im weiteren Verfahren gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Verkehrsreferat, wurde der bisherige Vortrag wiederholt; es sei nicht nachvollziehbar, dass die Vignette nicht ordnungsgemäß angebracht worden sein soll. Beigefügt ist ein „Zeugenbericht“ der Ehefrau vom 28.04.2015, wonach diese am 10.09.2014 eine 10-Tages-Vignette gekauft und den Beleg an ihren Mann weitergegeben habe und davon ausgehe, dass diese ordnungsgemäß angebracht worden sei.

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Verkehrsreferat, erließ am 18.05.2015 ein Straferkenntnis gegenüber dem Kläger. Hierbei bezeichnete es die Verwaltungsübertretungen wortgleich wie zuvor in der Strafverfügung vom 19.01.2015 und verhängte dieselbe Strafe. Zudem habe der Kläger gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz 30 € als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen. Der zu zahlende Gesamtbetrag betrage 330 €.

Laut Rechtsmittelbelehrungkann gegen diesen Bescheid Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht erhoben werden. In der Beschwerde kann die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht beantragt werden.

Auf das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 18.05.2015 wird im Einzelnen verwiesen.

Der Klägervertreter legte hiergegen am 30.06.2015 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht ein und wiederholte das bisher Vorgebrachte und den Verweis auf den Zeugenbericht. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Maut ordnungsgemäß entrichtet habe. Mündliche Verhandlung beantragte der Klägervertreter nicht.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol (künftig LVwG) wies die Beschwerde am 17.07.2015 als unbegründet ab. Es überprüfte den Bescheid auf Grund der Beschwerde anhand der vorgebrachten Gründe und führte aus, für die ordnungsgemäße Entrichtung der zeitabhängigen Maut genüge der Erwerb der Mautvignette nicht; die zeitabhängige Maut sei durch Anbringen der Mautvignette am Fahrzeug zu entrichten. Dies habe der Kläger, wie sich aus den Lichtbildern ergebe, nicht gemacht, da auf den Lichtbildern anhand des schwarzen Kreuzes erkennbar sei, dass die Vignette nicht von der Trägerfolie abgelöst und komplett auf der Windschutzscheibe angebracht worden sei. Das gegenteilige Beschwerdevorbringen sei wegen der Qualität und Deutlichkeit der Lichtbilder unglaubwürdig.

Nach Meinung des LVwG bestand kein Zweifel, dass der Kläger als Kraftfahrzeuglenker die Mautstrecke benutzt habe, ohne die Maut zu entrichten.

Zum Entfall der öffentlichen mündlichen Verhandlung verwies das Gericht darauf, dass im angefochtenen Bescheid eine 500 € übersteigende Geldstrafe nicht verhängt worden sei und keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt habe.

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Strafvollzug, ersuchte mit Schreiben vom 25.10.2016 das beklagte Finanzamt unter Hinweis auf den Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen gemäß Art. 9 vom 31.05.1988, beim Kläger unter Bezugnahme auf den oben genannten Bescheid den rechtskräftig verhängten Betrag inklusive Verfahrenskosten, Barauslagen und Gebühren von 395 € einzutreiben („Exekution“).

Es wurde auf die Verjährung am 25.05.2019 verwiesen. Der Bescheid unterliege keinem die Vollstreckung hemmenden Rechtszug. Der Beschuldigte habe am 30.06.2016 die letzte Mahnung erhalten.

Das beklagte Finanzamt kündigte mit Schreiben vom 03.11.2016 gegenüber dem Kläger die Vollstreckung von 395 € aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck an.

Mit Schreiben vom 18.11.2016 wendete der Klägervertreter gegenüber dem Finanzamt ein, eine Vollstreckung des Betrags dürfe nicht erfolgen; es bestünden Bedenken hinsichtlich der Fahrereigenschaft. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck habe die Fahrereigenschaft überhaupt nicht geprüft, sondern den Kläger als Fahrzeughalter belangt; dies widerspreche dem Ordre-Public-Vorbehalt des bundesdeutschen Rechts. Es werde auf das Urteil des Finanzgerichts München vom 10.10.2013 10 K 2217/13 verwiesen; die infrage stehende Maut sei tatsächlich entrichtet worden.

Mit Schreiben vom 21.11.2016 lehnte das Finanzamt die Einstellung der Vollstreckung ab. Das Urteil des FG München vom 10.10.2013 sei nicht einschlägig. Einwendungen, insbesondere zur Frage der tatsächlichen Bezahlung der Maut, gegen das zu vollstreckende Straferkenntnis seien durch Beschwerde gegenüber dem LVwG zu erheben.

Der Kläger erhob Klage (6 K 1712/16) und stellte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Einstellung der Zwangsvollstreckung (6 V 1713/16).

Der Klägervertreter trug vor, die Zwangsvollstreckung aus dem Straferkenntnis sei unzulässig; sie verstoße gegen Verfassungsrecht und verletze Grundrechte des Klägers. Das Straferkenntnis sei offensichtlich rechtswidrig.

Der Kläger sei nicht Fahrer gewesen und nach seiner Überzeugung keine Zeit ohne Vignette auf einer mautpflichtigen Straße gefahren. Ein Lichtbild, das den Kläger identifiziere, sei nicht vorhanden. Die österreichischen Behörden und Gerichte hätten den Kläger als Kfz-Halter belangt. Die tatsächliche Lenkereigenschaft des Klägers sei weder geprüft noch durch Feststellungen oder durch eine Beweisaufnahme festgestellt worden. Ein individuelles Verschulden sei ihm nicht nachgewiesen worden.

Der Kläger könne in Deutschland in einer derartigen Fallkonstellation nicht belangt werden, da der Nachweis der Person des Fahrzeugführers nicht erbracht werden könne. Nach deutschem Recht sei eine sog. Halterhaftung nur im ruhenden Verkehr möglich; im fließenden Verkehr müsse die Fahrereigenschaft feststehen. Vorliegend handle es sich um fließenden Verkehr.

Wenn es in Deutschland rechtlich nicht zulässig sei, eine Verurteilung im fließenden Verkehr vorzunehmen, weil die tatsächliche Fahrereigenschaft nicht gesichert festgestellt sei, dürfe eine deutsche Finanzbehörde das entsprechende ausländische Gesuch auf Vollstreckung nicht ausführen. Wenn in einem vergleichbaren Fall nach deutschem Recht weder eine Verurteilung noch eine Vollstreckung möglich wäre, verstoße eine Vollstreckung wegen der Bestrafung in einem anderen Staat gegen elementare Rechtsgrundsätze der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit gegen den ordre public.

Im Verfahren in Österreich sei das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden. In der Entscheidung über die Beschwerde sei sein Vorbringen nicht hinreichend berücksichtigt worden, insbesondere der Einwand, dass er nach seiner Überzeugung keinesfalls ohne Vignette gefahren sei; der angebotene Zeugenbeweis sei nicht berücksichtigt worden.

Der Klägervertreter verwies auf die Entscheidungen des FG München vom 10.10.2013 10 K 2217/13 sowie des FG Hamburg vom 16.03.2010 1 V 289/09.

Ein Vorverfahren sei durchgeführt worden; in den Schreiben des Klägervertreters vom 18.11.2016 sowie dem Antwortschreiben des Beklagten vom 21.11.2016 sei ein Vorverfahren zu sehen. Der Beklagte habe im Schreiben vom 21.11.2016 eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er an seiner bisherigen Entscheidung festhalte; ein weiteres Vorverfahren zu verlangen sei sinnwidrig, überflüssig sowie eine bloße Förmlichkeit.

Der Kläger könne mit einer Feststellungsklage gegen eine drohende inländische Vollstreckung einwenden, dass das ausländische Leistungsgebot im Inland nicht vollstreckbar sei (Urteil des FG München vom 04.04.2012 6 K 434/11). Der Subsidiaritätsgrundsatz greife nicht, da die Rechtmäßigkeit des Ersuchens nicht bereits als Vorfrage in einem anhängigen Klageverfahren gegen eine bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahme zu klären sei (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFH/NV 2013, 739).

Im Fall der Zwangsvollstreckung drohten dem Kläger weitere, nicht hinzunehmende Kosten und Nachteile, so dass ein Rechtsschutzinteresse bestehe.

Der Kläger beantragte,

den Beklagten zu verpflichten, Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2016 zu unterlassen und das Vollstreckungsverfahren einzustellen. Hilfsweise beantragte er festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2016 rechtswidrig ist.

Das Finanzamt beantragte,

die Klage abzuweisen.

Es trug vor, die Klage sei unzulässig, da das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Ein solches Einspruchsverfahren wäre auch selbst nicht statthaft und damit unzulässig gewesen, weil es sich bei einer Vollstreckungsankündigung nicht um einen Verwaltungsakt i.S. von § 118 Abgabenordnung (AO) handele. Ein Ausnahmefall der §§ 45, 46 Finanzgerichtsordnung (FGO) liege nicht vor.

Die für die Klage erforderliche Beschwer fehle, da der Kläger durch die bloße Ankündigung der Vollstreckung nicht beschwert sei. Ein vorläufiger Rechtsschutz gegen noch nicht ergangene Vollstreckungsmaßnahmen könne mit der Klage nicht erreicht werden. Eine Abwehr bzw. Verhinderung noch nicht ergangener Verwaltungsakte könne nur nach §§ 69, 114 FGO erreicht werden.

Mit Beschlüssen vom 09.02.2017 wurden das Klageverfahren 6 K 1712/16 und das Verfahren wegen Erlasses einer einstweiligen Anordnung 6 V 1713/16 auf den Einzelrichter übertragen (§ 6 FGO).

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde mit Beschluss vom 20.02.2017 abgelehnt.

Mit Urteil vom 24.02.2017 wurde die Klage ohne mündliche Verhandlung als unzulässig abgewiesen. Insbesondere das für einen vorbeugenden Rechtschutz notwendige besondere Rechtsschutzbedürfnis bzw. Feststellungsinteresse sei nicht ersichtlich.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde das Urteil des FG Nürnberg mit BFH-Beschluss vom 24.07.2017 VII B 45/17 wegen Verletzung rechtlichen Gehörs aufgehoben und die Sache an das Finanzgericht zurückverwiesen.

Der Kläger hat im zweiten Rechtsgang sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Das Finanzamt habe mit Schreiben vom 21.11.2016 mitgeteilt, dem Antrag auf Einstellung der Vollstreckung könne nicht entsprochen werden. Hieraus sei ersichtlich, dass die Klage zwingend erforderlich gewesen sei, um nicht von vorneherein ungerechtfertigte Zwangsvollstreckungsmaßnahmen über sich ergehen lassen zu müssen und damit nicht unzulässig. Zwangsmaßnahmen durch das Finanzamt hätten unmittelbar bevorgestanden; sie drohten immer noch. Erst nach Klageerhebung habe das Finanzamt darauf verwiesen, bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens nicht zu vollstrecken. Es sei dem Kläger jedoch nicht zuzumuten, abzuwarten, ob und wann das Finanzamt aus dem aus seiner Sicht nicht rechtmäßig ergangenen Straferkenntnis vollstreckt. Es könne nicht darauf ankommen, wann eine Antwort der österreichischen Behörden eingehe.

Der Kläger verweist auf sein Schreiben vom 28.04.2017 im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde.

Zuletzt trägt er vor, es sei weder Aufgabe des beklagten Finanzamts noch des Finanzgerichts, Mutmaßungen oder Ermittlungen darüber anzustellen, wer gefahren ist. Dies sei nach deutschem Rechtsverständnis Aufgabe der österreichischen Behörde. Diese habe es verabsäumt, Tatsachenfeststellungen hinsichtlich der Fahrer-/Lenkereigenschaft des Klägers zu treffen.

Das Finanzamt nimmt auf seine bisherigen Äußerungen Bezug und trägt weiter vor, im Straferkenntnis vom 18.05.2015 sei dem Kläger zur Last gelegt worden, ein Kraftfahrzeug auf mautpflichtigen Straßen gelenkt zu haben, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Gegen diesen Vorwurf, nämlich Lenker bei einem Mautvergehen gewesen zu sein, hätte sich der Kläger mit keinem Wort gewandt, und habe trotz zahlreicher Schriftsätze an österreichische Behörden und Gerichte, trotz der eindeutigen Inanspruchnahme seiner Person als Fahrzeuglenker - und eben nicht als Fahrzeughalter - und trotz andauernder rechtlicher Vertretung in Österreich niemals vorgetragen, er sei nicht der Lenker (Fahrer) gewesen. Es habe daher für die österreichischen Behörden und das Gericht keinen rechtlichen Anlass gegeben, die Fahrereigenschaft des Klägers in Zweifel zu ziehen. Vielmehr ergebe sich aus der schriftlichen Äußerung der Ehefrau des Klägers, dass dieser sehr wohl Fahrer bei Begehung der Mautprellerei gewesen sei.

Die mit der vorliegenden Klage behauptete „Halterhaftung“ sei nicht gegeben.

Da sich der Kläger gegen die Tatsachenfeststellung im Straferkenntnis vom 18.05.2015 mit der Inanspruchnahme des Klägers als Lenker/Fahrer, bestätigt durch das LVwG, zu keinem Zeitpunkt und mit keinem Wort trotz rechtlicher Vertretung in allen Verfahrensabschnitten in Österreich gewandt habe, sei die Fahrereigenschaft des Klägers gegeben.

Soweit der Kläger rüge, in Österreich habe eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden, trage er hierfür die alleinige Verantwortung, da er diese jederzeit und ohne weiteren Aufwand hätte beantragen können. Wie sich aus der Entscheidung des LVwG vom 17.07.2015 ergebe, sei eine mündliche Verhandlung vor allem deshalb unterblieben, weil der Kläger keinen Antrag auf Durchführung einer solchen gestellt hatte, obwohl er in der Rechtsmittelbelehrungdes angefochtenen Bescheides (Straferkenntnis) über dieses Recht ausdrücklich informiert worden war. Das Verfahren in Österreich sei daher nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu beanstanden.

Das LVwG habe sich in seinem insgesamt 10-seitigen Beschwerdeablehnungsbeschluss inhaltlich mit den geltend gemachten Einwendungen des Klägers auseinander gesetzt und auch das Thema „Verschulden“ behandelt. Ergebnis hierzu sei, dass dem Kläger bei der Mautprellerei ein Verschulden zum Vorwurf gemacht werden konnte.

Mit Beschluss vom 07.11.2017 wurde der Rechtsstreit (6 K 1111/17) auf den 6. Senat zurückübertragen.

In der mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2016 zu unterlassen und das Vollstreckungsverfahren einzustellen.

Hilfsweise beantragt er festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2016 rechtswidrig ist und keine Grundlage für eine Vollstreckung darstellen kann.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung.

Auf die dem Gericht vorliegenden Akten des Finanzamts, des finanzgerichtlichen Verfahrens sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird verwiesen.

Gründe

Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger im Hauptantrag die Unterlassung von Vollstreckungsmaßnahmen und die Einstellung des Vollstreckungsverfahrens beantragt, und unbegründet, soweit er hilfsweise die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen begehrt.

1. Der Finanzrechtsweg ist nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 FGO eröffnet. Der Beklagte als Landesfinanzbehörde leistet Vollstreckungshilfe nach den Vorschriften der Abgabenordnung.

2. Nach § 2 Abs. 2 Bayerische Verordnung über Zuständigkeiten im Amts- und Rechtshilfeverkehr in Verwaltungssachen mit dem Ausland (BayZustVAR) vom 18.09.1990 (BayGVBl 1990, 419) sind die Finanzämter die zuständigen Stellen, die nach Art. 9 des Amtshilfeabkommens die Ersuchen um Vollstreckung erledigen. Leisten die Finanzämter Vollstreckungshilfe als Behörden des Freistaates Bayern, gelten nach Art. 25 Abs. 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (BayVwZVG; BayRS II, 232, Gliederungs-Nr: 2010-2-I) für das Verfahren und die Kosten der Vollstreckung die Vorschriften der AO entsprechend, und es findet, soweit nicht ein anderer Rechtsweg ausdrücklich gegeben ist, die FGO – wie im Streitfall – Anwendung.

3. Die auf Unterlassung von Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2016 und Einstellung des Vollstreckungsverfahrens gerichtete Klage ist unzulässig.

a) Dieses Begehren kann der Kläger nicht im Rahmen einer Verpflichtungsklage verfolgen.

Gemäß § 40 Abs. 1, 2. Alt. 1. HS FGO kann durch Klage die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden.

Vorliegend begehrt der Kläger jedoch nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern gerade die Unterlassung zukünftiger Vollstreckungsmaßnahmen, die nach § 118 AO den Charakter von Verwaltungsakten haben.

b) Der Kläger kann sein Anliegen auch nicht im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage erfolgreich geltend machen.

aa) Nach § 40 Abs. 1, 2. Alt. 2. HS FGO kann durch Klage die Verurteilung zu einer anderen Leistung begehrt werden.

Mit der Leistungsklage kann ein – vorbeugendes – Unterlassen begehrt werden (vgl. Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 40 FGO, Rz. 27 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für das Begehren, einen zukünftigen Verwaltungsakt zu unterlassen (vgl. Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 40 FGO, Rz. 28 m.w.N.).

Mit der vorbeugenden Unterlassungsklage kann der Kläger sein Begehren grundsätzlich verfolgen.

Er begehrt, Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens (dauerhaft) zu unterlassen und das Vollstreckungsverfahren einzustellen, ohne dass bislang Vollstreckungsmaßnahmen vorgenommen und damit diesbezügliche Verwaltungsakte erlassen wurden.

bb) Für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz ist angesichts des Rechtsschutzsystems der FGO ein besonders intensives Rechtsschutzinteresse Voraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739 m.w.N.).

Geht es darum, eine behördliche Maßnahme abzuwehren, bietet die FGO dem Rechtssuchenden neben Einspruch und Anfechtungsklage einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) bzw. einstweilige Anordnung (§ 114 FGO). Für eine Unterlassungsklage ist nur dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit diesen Rechtsbehelfen nicht erreicht werden kann, wenn also substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen ist (BFH-Urteile vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739; vom 27.10.1993 I R 25/92, BStBl II 1994, 210; vom 19.03.1998 VII R 73/97, BFH/NV 1999, 86).

cc) Das besonders intensive Rechtsschutzbedürfnis liegt im Streitfall nicht vor.

Zwar konnte der Kläger mit der einstweiligen Anordnung sein erstrebtes Rechtschutzziel nicht erreichen. Dies hatte jedoch – wie sich aus dem Beschluss vom 20.02.2017 6 V 1713/16 ergibt – die Ursache darin, dass der Kläger als Antragsteller im dortigen Verfahren einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hatte.

Auch vorliegend hat der Kläger nicht dargelegt, welche irreparablen Nachteile ihm drohen, wenn er gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts mit Einspruch, Klage und Aussetzungsantrag vorginge. Eine nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachende Rechtsverletzung im Zusammenhang mit bestimmten, künftig zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts hat er nicht substantiiert und in sich schlüssig dargetan. Inwieweit dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden zu erwarten wären, hat er nicht dargelegt.

Eine irreparable Rechtsverletzung ist angesichts von Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich eines Betrags von 395 € nicht ersichtlich.

Die vorbeugende Unterlassungsklage ist damit unzulässig.

4. Soweit der Kläger beantragt festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2016 rechtswidrig ist und keine Grundlage für eine Vollstreckung darstellen kann, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg; die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist zulässig, aber unbegründet.

a) Durch Klage kann nach § 41 Abs. 1 FGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 S. 1 FGO).

b) Rechtsverhältnis i.S.d. § 41 Abs. 1 FGO ist jede aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30.03.2011 XI R 12/08 BFH/NV 2011, 1346; vom 29.07.2003 VII R 39, 43/02, BStBl II 2003, 828). Es muss sich um ein eigenes abgabenrechtliches Verhältnis des Klägers zum Beklagten handeln, da nur hierfür der Finanzrechtsweg eröffnet ist (vgl. § 33 FGO).

Vorliegend kommt als maßgebliches Rechtsverhältnis allein ein „Vollstreckungsverhältnis“ des Beklagten gegenüber dem Kläger im Rahmen der Vollstreckung als ersuchte Behörde in Frage.

Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass wer gegen eine drohende Vollstreckung einwenden will, es liege kein wirksames Leistungsgebot vor, sich hierfür der Feststellungsklage bedienen kann (FG Hamburg, Urteil vom 26.10.2011 3 K 205/10, EFG 2012, 482). Demgemäß kann vom Kläger auch mit dieser Klageart gegen eine drohende inländische Vollstreckung eingewendet werden, dass das ausländische Leistungsgebot im Inland nicht vollstreckbar sei (FG München, Urteil vom 04.04.2012 6 K 434/11, DStRE 2013, 75). Eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit einer künftigen Vollstreckung, weil ein Beitreibungsersuchen keine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstelle, ist – unter dem Subsidiaritätsgrundsatz – nur dann unzulässig, wenn die Rechtmäßigkeit dieses Ersuchens bereits als Vorfrage in einem anhängigen Klageverfahren gegen eine bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahme zu klären ist (BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 739 m.w.N.). Diese Ausnahme ist jedoch im Streitfall nicht gegeben.

c) Die Verhältnisse, wegen derer die Feststellungsklage unzulässig war (vgl. Ausführungen hierzu im Urteil vom 24.02.2017 6 K 1712/16 unter 4 b)) sind nicht mehr gegeben.

Das Finanzamt war entsprechend Art. 9 Abs. 6 S. 1 und 2 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.05.1988 (BGBl 1990 II S. 357, künftig „Amtshilfeabkommen“) vorgegangen, wonach Einwendungen gegen das Bestehen, die Höhe oder die Vollstreckbarkeit des zu vollstreckenden Anspruchs von der zuständigen Stelle des ersuchenden Staats nach dessen Recht zu erledigen sind und, wenn diese bei der ersuchten Stelle erhoben werden, diese der ersuchenden Stelle zu übermitteln sind und deren Entscheidung abzuwarten ist. Diese war zum Zeitpunkt des Urteils vom 24.02.2017 noch nicht erfolgt. Damit stand eine Vollstreckung nicht unmittelbar bevor.

Inzwischen hat die österreichische Behörde ein Aktenkonvolut ohne Anschreiben übersandt. Eine klare „Entscheidung“ der österreichischen Verwaltung ist nicht ersichtlich. Aus der Übersendung hat das Finanzamt – nach Auffassung des Senats richtigerweise - geschlossen, dass aus Sicht der österreichischen Verwaltung das Vorbringen des Klägers ohne Belang ist und die Vollstreckung fortgesetzt werden soll. Damit steht der Vollstreckung von österreichischer Seite nichts im Weg; dem Zweck der Übermittlung der Einwendungen an die ersuchende Stelle und des Abwartens deren Entscheidung entsprechend Art. 9 Abs. 6 S. 1 und 2 Amtshilfeabkommen ist damit Genüge getan. Ein „Vollstreckungshindernis“ durch ein noch laufendes „Verfahren“ im Sinn von Art. 9 Abs. 6 S. 1 und 2 Amtshilfeabkommen besteht nicht mehr.

d) Die Feststellungsklage ist unbegründet. Die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck ist nicht rechtswidrig.

Die gegen die Strafverfügung geltend gemachten Einwendungen des Klägers führen nicht zur Unzulässigkeit der Vollstreckungshilfe gem. Art. 4 Abs. 1 Amtshilfeabkommen.

aa) Im Verhältnis zu Österreich hat das Amtshilfeabkommen Vorrang vor der EU-Beitreibungsrichtlinie (RL 2010/24/EU v. 20.04.2010, mit VO Nr. 1189/2011 v. 18.11.2011) bzw. der EG-Beitreibungsrichtlinie (RL 2008/55/EG v. 26.05.2008, mit VO Nr. 1179/2008 v. 28.11.2008).

bb) Gemäß Art. 4 Abs. 1 Amtshilfeabkommen wird Amtshilfe nicht geleistet, wenn sie nach dem Recht des ersuchten Staates unzulässig ist.

Die Übermittlung eines Vollstreckungstitels durch einen um Vollstreckung ersuchenden Mitgliedstaat der Europäischen Union nach den Bestimmungen der EG-Richtlinie 76/308/EWG unter Beifügung einer deutschen Übersetzung des Vollstreckungstitels hindert das FG nicht an der Prüfung, ob die Vollstreckung des ausländischen Titels in Deutschland gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) verstieße. Vielmehr ist das Gericht sogar zu einer solchen Prüfung verpflichtet, wenn der in Deutschland ansässige Steuerpflichtige substantiiert besondere Umstände vorgetragen hat, die einen Verstoß gegen den ordre public zumindest möglich erscheinen lassen (BFH-Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, BStBl II 2011, 401; vgl. FG München, Urteil vom 10.10.2013 10 K 2217/13, DStRE 2014, 1511). Denn Art. 9 Abs. 5 Amtshilfeabkommen räumt den zuständigen Stellen des ersuchten Staates die Entscheidungen über die Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung ein. Eine entsprechenden Prüfungsbefugnis des FG wurde vom BFH bereits bei Anwendung des (alten, vorhergehenden) Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten vom 11.09.1970 angenommen (BFH-Urteil vom 21.02.1978 VII R 49/74, BFHE 124, 480).

Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibt (hier nach Art. 9 Abs. 6 Amtshilfeabkommen), muss es sich bei dem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln, so dass mögliche Rechtsfehler nicht ausreichen (BFH-Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, BStBl II 2011, 401).

cc) Die Amtshilfe ist nach deutschem Recht nicht unzulässig. Insbesondere ist ein Verstoß gegen den ordre public nicht ersichtlich.

(i) Den Begriff des ordre public im Licht europäischer und deutscher Rechtsprechung hat der BFH im Urteil vom 03.11.2010 VII R 21/10, (BStBl II 2011, 401) dargestellt. Eine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung in Deutschland durch die Vollstreckung aus einem Vollstreckungstitel wäre hiernach dann anzunehmen, wenn der Vollstreckungstitel in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zu grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung stünde, so dass das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts nach deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen untragbar erschiene.

Dabei kam es im vom BFH zu entscheidenden Fall der Vollstreckung aus einem Vollstreckungstitel (Urteil eines italienischen Oberlandesgerichts, das das Urteil eines italienischen Gerichts erster Instanz bestätigte, mit dem die Klage gegen die Zahlungsaufforderung eines italienischen Zollamts aufgrund verspäteter Einlegung des Rechtsbehelfs abgewiesen worden war) entscheidend darauf an, ob die Rechtsvorgängerin der dortigen Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte erwirken können und ob sie sich in zumutbarer Weise darum bemüht hat.

(ii) Von Klägerseite wird vorgetragen, der Kläger werde als Halter des Fahrzeugs in Anspruch genommen, was gegen den ordre public verstoße, da nach deutscher Rechtordnung eine Halterhaftung nur im ruhenden Verkehr bestehe.

Der Kläger wird jedoch nicht – verschuldensunabhängig – als Halter des Fahrzeugs in Anspruch genommen, sondern als Lenker/Fahrer.

Mit der Strafverfügung vom 19.01.2015, die einem deutschen Bußgeldbescheid vergleichbar ist (BFH-Beschluss vom 30.04.2001 VII B 35/01, BFH/NV 2001, 1141), wird dem Kläger eindeutig vorgeworfen, als Lenker eine Verwaltungsübertretung begangen zu haben.

Anders verhielt es sich bei der Zahlungsaufforderung zur Leistung der Ersatzmaut vom 24.10.2014, wonach der Kläger als Halter in Anspruch genommen wurde.

Sowohl im Straferkenntnis vom 18.05.2015 als auch bei der Entscheidung des LVwG vom 17.07.2015 liegt weiter der Vorwurf einer Verwaltungsübertretung durch den Kläger als Lenker vor.

Eine Inanspruchnahme als Halter im Rahmen der Strafverfügung / des Straferkenntnisses als Grundlage des Vollstreckungsersuchens erfolgte zu keinem Zeitpunkt. Das diesbezügliche Vorbringen des Klägers entbehrt jeglicher Grundlage.

(iii) Ein Verstoß gegen den ordre public ist nicht darin zu sehen, dass die österreichische Verwaltung die Lenkereigenschaft des Klägers nicht positiv festgestellt hat.

Die österreichischen Behörden haben den Kläger in der Strafverfügung vom 19.01.2015 und im Straferkenntnis vom 18.05.2015 der Verwaltungsübertretung bezichtigt. Hierbei wurde der objektive Tatbestand geprüft und die Stellungnahme der ASFiNAG mit den Photos zur Frage der ordnungsgemäßen Anbringung der Vignette herangezogen. Wer Fahrer war, wurde nicht ausdrücklich geprüft und angesprochen. Aus der Adressierung von Strafverfügung und Straferkenntnis ergibt sich jedoch, dass die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck von der Lenkereigenschaft des Klägers ausging.

Der Kläger hat in dem ausführlichen Schriftverkehr, den der Klägervertreter für ihn führte, zu keinem Zeitpunkt weder ausdrücklich bestritten, Lenker gewesen zu sein, noch dies sonst in Frage gestellt. Sein diesbezügliches Vorbringen beschränkte sich darauf, den Tatbestand des § 20 Abs. 1 öBStMG zu negieren. In diesem Zusammenhang trug er zwar vor, dass er nach seiner Überzeugung keinesfalls ohne Vignette auf einer mautpflichtigen Straße gefahren sei (vgl. Schreiben vom 30.06.2015 an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck), jedoch nur im Zusammenhang mit dem Vortrag, dass er eine Vignette gekauft habe und es nicht nachvollziehbar sei, dass diese nicht ordnungsgemäß angebracht worden sein solle. Der Kläger hat bis heute nicht vorgetragen, nicht am Steuer gesessen zu haben. Er wendet nur ein, seine Fahrereigenschaft sei nicht positiv festgestellt worden.

Damit hat es der Kläger versäumt, seine Rechte im Verwaltungsverfahren und im gerichtlichen Verfahren in Österreich zu wahren. Es hätte bei Eingang der Strafverfügung vom 19.01.2015 für ihn sofort nahe liegen müssen, für sich selbst zu prüfen, ob er bei dem ihm vorgeworfenen Mautvergehen überhaupt gefahren ist, und Einwendung wegen der Lenkereigenschaft im Verfahren mit den österreichischen Behörden und dem Gericht zu erheben. Dies wäre dem Kläger angesichts fehlender Sprachbarriere und fortgesetzter anwaltlicher Vertretung durch den Klägervertreter problemlos möglich gewesen.

Spätestens im Verfahren vor dem LVwG hätte der Kläger seine Einwendung, seine Lenkereigenschaft sei nicht positiv festgestellt worden, klar ersichtlich erheben müssen.

Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (öVwGVG) hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z. 3 und 4 öVwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 öVwGVG) zu überprüfen. Nach § 9 Abs. 1 öVwGVG hat die Beschwerde u.a. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (Nr. 3) und das Begehren (Nr. 4) zu enthalten.

Das LVwG hat auf den Prüfungsumfang nach § 27 öVwGVG verwiesen und die vom Kläger vorgebrachten Beschwerdepunkte geprüft, aber als nicht geeignet gehalten, die Rechtwidrigkeit des Straferkenntnisses aufzuzeigen. Aus Sicht des Gerichts bestand kein Zweifel, dass der hiesige Kläger als Kraftfahrzeuglenker eine Mautstrecke benutzt hat, ohne die geschuldete Maut entrichtet zu haben.

Das Gericht hat nach § 27 öVwGVG einen auf die vorgebrachten Beschwerdepunkte beschränkten Prüfungsumfang. Folgerichtig hat es den Punkt der Fahrereigenschaft nicht von sich aus problematisiert, führt jedoch unter II. 2. der Entscheidung vom 17.07.2015 aus, es bestehe insgesamt kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer als Kraftfahrzeuglenker eine Mautstrecke benützt habe, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut entrichtet zu haben und dadurch die objektiven Tatbestandsmerkmale des § 20 Abs. 1 öBStMG erfüllt hat. Eine gerichtliche Bestätigung der objektiven Tatbestandserfüllung durch den Kläger liegt somit vor.

Das Gericht hat sich in Folge mit der inneren Tatseite und dem Verschulden des Klägers beschäftigt und ausgeführt, dieser habe – was seine Aufgabe sei – nichts vorgebracht, was ein fehlendes Verschulden glaubhaft machen könnte. Im Übrigen hat sich das LVwG mit dem - hierzu untauglichen - Vorbringen des Klägers auseinander gesetzt, er habe eine Vignette erworben.

Mangels weiter vom Kläger eingelegten Rechtsmitteln ist das Erkenntnis vom 17.07.2015 rechtskräftig geworden.

(iv) Ein Verstoß gegen den ordre public liegt nicht darin, dass in Österreich eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat. Es wäre dem Kläger möglich gewesen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen.

In der Rechtsbehelfsbelehrung:des Straferkenntnisses vom 18.05.2015 wird darauf hingewiesen, dass in der Beschwerde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem LVwG beantragt werden kann.

Nach § 44 Abs. 1 öVwGVG hat das Verwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 44 Abs. 3 öVwGVG von einer Verhandlung absehen, wenn (u.a.) im angefochtenen Bescheid eine 500 Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat.

Der Kläger und sein Vertreter haben einen entsprechenden Antrag nicht gestellt. In der mündlichen Verhandlung im vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren hat der Klägervertreter hierzu erklärt, dies sei aus Kostengründen erfolgt; bei einem Streitwert von 120 € mache dies keinen Sinn. Letzteres ist unrichtig, da das Straferkenntnis vom 18.05.2015, gegen das beim LVwG Beschwerde eingelegt wurde, eine Geldstrafe von 300 € festsetzt; der Streitwert war somit entsprechend hoch.

Es ist durch den Senat nicht zu beurteilen, ob bei Stellung eines entsprechenden Antrags eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden wäre, da § 44 Abs. 2 und 4 öVwGVG weitere Konstellationen nennt, in denen eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt wird.

Allerdings haben der Kläger und sein Vertreter den ihnen möglichen und hierzu nötigen Schritt, nämlich die Antragstellung, gar nicht unternommen.

Der Kläger kann nach dem Unterlassen möglicher, naheliegender und notwendiger Prozesshandlungen nicht einen Verstoß gegen den ordre public geltend machen, wenn sich Verfahrensfolgen realisieren, auf die er Einfluss hätte nehmen können.

(v) Ein Verstoß gegen den ordre public liegt schließlich nicht wegen einer Verletzung des rechtlichen Gehörs in Österreich vor.

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 03.11.2009 VI S 17/09, BFH/NV 2010, 226, vom 26.03.2007 II S 1/07, BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.; vom 30.08.2007 IX S 6/07, BFH/NV 2007, 2324; vom 29.10.2012 I S 11/12, BFH/NV 2013, 394, mit weiteren Nachweisen).

Das LVwG hat das Vorbringen des Klägers gewürdigt und sich mit diesem inhaltlich auseinandergesetzt. Die Ehefrau wurde nicht als Zeugin einvernommen, jedoch wurde ihre schriftliche Aussage gewürdigt. Damit hat das Gericht die Ausführungen des Klägers zur Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung in Erwägung gezogen. Zudem war das, wofür die Ehefrau als Zeugin gehört werden sollte, für die Frage, ob die Vignette ordnungsgemäß angebracht war, ohne Relevanz.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör wird nicht dadurch verletzt, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten nicht folgt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 und Abs. 2 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

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Abgabenordnung - AO 1977 | § 118 Begriff des Verwaltungsakts


Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemein

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

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(1) Die Klage ist ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Hat von mehreren Berechtigten ein

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Finanzgericht Nürnberg Urteil, 14. Dez. 2017 - 6 K 1111/17 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

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Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Die Klage ist ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Behörde, die über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden hat, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Klageschrift dem Gericht gegenüber zustimmt. Hat von mehreren Berechtigten einer einen außergerichtlichen Rechtsbehelf eingelegt, ein anderer unmittelbar Klage erhoben, ist zunächst über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu entscheiden.

(2) Das Gericht kann eine Klage, die nach Absatz 1 ohne Vorverfahren erhoben worden ist, innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Akten der Behörde bei Gericht, spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Klagezustellung, durch Beschluss an die zuständige Behörde zur Durchführung des Vorverfahrens abgeben, wenn eine weitere Sachaufklärung notwendig ist, die nach Art oder Umfang erhebliche Ermittlungen erfordert, und die Abgabe auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Der Beschluss ist unanfechtbar.

(3) Stimmt die Behörde im Falle des Absatzes 1 nicht zu oder gibt das Gericht die Klage nach Absatz 2 ab, ist die Klage als außergerichtlicher Rechtsbehelf zu behandeln.

(4) Die Klage ist außerdem ohne Vorverfahren zulässig, wenn die Rechtswidrigkeit der Anordnung eines dinglichen Arrests geltend gemacht wird.*

(1) Ist über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage abweichend von § 44 ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig. Die Klage kann nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit Einlegung des außergerichtlichen Rechtsbehelfs erhoben werden, es sei denn, dass wegen besonderer Umstände des Falles eine kürzere Frist geboten ist. Das Gericht kann das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist, die verlängert werden kann, aussetzen; wird dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb dieser Frist stattgegeben oder der beantragte Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist erlassen, so ist der Rechtsstreit in der Hauptsache als erledigt anzusehen.

(2) Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt für die Fälle sinngemäß, in denen geltend gemacht wird, dass eine der in § 348 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung genannten Stellen über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

(1) Der Senat kann den Rechtsstreit einem seiner Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn

1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und
2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor dem Senat mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf den Senat zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann die Revision nicht gestützt werden.

(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben

1.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,
2.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und den Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden,
4.
in anderen als den in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

(2) Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer anderen Leistung begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Verwaltet eine Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes eine Abgabe ganz oder teilweise für andere Abgabenberechtigte, so können diese in den Fällen Klage erheben, in denen der Bund oder das Land die Abgabe oder einen Teil der Abgabe unmittelbar oder mittelbar schulden würde.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Rechtsanwalt in Deutschland und Mallorca geschäftsansässig und Gesellschafter-Geschäftsführer einer spanischen Gesellschaft. Wegen nicht beitreibbarer Steuerschulden dieser Gesellschaft nahm das Finanzamt für Steuererhebung auf den Balearischen Inseln (spanisches FA) den Kläger mit Haftungsbescheid vom 19. November 2007 in Anspruch. Die dagegen eingelegte Steuerbeschwerde und die beim Finanzgericht der Balearischen Inseln (spanisches FG) erhobene Klage hatten keinen Erfolg. Nach seinen unbelegten Angaben hat der Kläger gegen dieses Urteil Rekurs zum Zentralfinanzgericht eingelegt. Zum Stand des von der Gesellschaft gegen den Steuerbescheid in Anspruch genommenen Rechtsschutzes hat sich der Kläger nicht geäußert.

2

Nachdem der Kläger auf den Haftungsbescheid nicht gezahlt hatte, erließ das Regionalfinanzamt der Balearen am 1. Februar 2008 eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Klägers am 15. Februar 2008 zugestellt wurde.

3

Mit E-Mail vom 22. Juni 2009 übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid über das CCN/CSI-Netz an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) elektronisch ein Beitreibungsersuchen. Der E-Mail waren die Vollstreckungsanordnung im PDF-Format und das Formular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Art. 6 der Richtlinie 2008/55/EG" im Word-Format angefügt. Das BZSt leitete die E-Mail an die … Finanzbehörde und diese sandte sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zu.

4

Das FA erließ aufgrund dieses Ersuchens am 24. Juli 2009 eine Zahlungsaufforderung. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Schreiben vom 31. August 2009 holte das FA die vom Kläger beanstandeten Angaben nach und lehnte die AdV ab. Über den Einspruch ist bislang nicht entschieden.

5

Unter dem 27. August 2009 pfändete das FA bei sich selbst als Drittschuldner Steuererstattungsansprüche des Klägers zur Beitreibung der Forderung der spanischen Steuerbehörde und ordnete die Einziehung an. Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung legte der Kläger Einspruch ein und beantragte insoweit AdV.

6

Auf Antrag des Klägers gewährte das Finanzgericht (FG) AdV gegen Sicherheitsleistung, weil es wegen der elektronischen Übermittlung Zweifel an der Rechtmäßigkeit "des Leistungsgebots" hatte. Auf die Beschwerde des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) diesen Beschluss auf und lehnte den Antrag auf AdV ab. Die Zahlungsaufforderung sei kein Leistungsgebot; dieses sei bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden gewesen.

7

Die auf Unterlassung der weiteren Vollstreckung der Haftungsschuld, hilfsweise Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erhobene Klage blieb erfolglos. Im Klageverfahren hat die spanische Steuerbehörde die Vollstreckungsanordnung vom 1. Februar 2008 in Papierform übersandt.

8

Das FG wies die Unterlassungsklage als unzulässig ab, weil der Kläger nicht konkret dargelegt habe, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen ergreife und er dann dagegen Einspruch einlegen bzw. nachfolgend Anfechtungsklage erheben und zugleich AdV beantrage. Auch die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen hielt es für unzulässig, weil sie subsidiär zu Einspruch und Anfechtungsklage sei. Dagegen sah es die Feststellungsklage mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit weiterer, noch nicht durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen wegen Mängeln des Beitreibungsersuchens festzustellen, insbesondere wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes als zulässig an, wies sie aber als unbegründet ab.

9

Das FG hat die Revision u.a. zur Klärung der Frage zugelassen, ob und ggf. mit welcher Klageart Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Beitreibungshilfe insgesamt geltend gemacht werden können, auch wenn konkret drohende irreparable Schäden durch eine bevorstehende Vollstreckung nicht vorgetragen werden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 482 veröffentlicht.

10

Mit seiner Revision wendet sich der Kläger im Wesentlichen gegen die Ausführungen des FG zur Unbegründetheit der vorbeugenden Feststellungsklage.

11

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verurteilen, weitere Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Beitreibungsersuchen des Regionalfinanzamtes der Balearen zu unterlassen, hilfsweise festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen rechtswidrig ist.

12

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an und stellt darüber hinaus in Frage, inwiefern den Finanzbehörden die Prüfung des ordre public obliege, ob diese nicht vielmehr den Gerichten überlassen sei.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG verletzt zwar Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), soweit die vorbeugende Feststellungsklage als unbegründet, statt als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Es hat aber Bestand, weil der Urteilstenor richtig ist (§ 126 Abs. 4 FGO; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 8, m.w.N.).

14

1. Das FG hat den Hauptantrag des Klägers zu Recht als Unterlassungsklage gewertet und als unzulässig angesehen.

15

Der Kläger will mit dem Antrag erreichen, dass das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des spanischen Beitreibungsersuchens unterlässt. Für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz ist angesichts des Rechtsschutzsystems der FGO ein besonders intensives Rechtsschutzinteresse Voraussetzung (vgl. Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO Rz 146). Geht es darum, eine behördliche Maßnahme abzuwehren, bietet die FGO dem Rechtssuchenden neben Einspruch und Anfechtungsklage einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) bzw. einstweilige Anordnung (§ 114 FGO). Für eine Unterlassungsklage ist nur dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit diesen Rechtsbehelfen nicht erreicht werden kann, wenn also substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen ist (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1993 I R 25/92, BFHE 172, 488, BStBl II 1994, 210; vom 19. März 1998 VII R 73/97, BFHE 186, 179, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 1998, 861).

16

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger nicht dargelegt, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn er gegen weitere Vollstreckungsmaßnahmen des FA mit Einspruch, Klage und Aussetzungsantrag vorginge. Auch mit der Revision macht der Kläger allgemein "drohende Eingriffe in die Eigentums- und Vermögenspositionen" geltend. Inwieweit dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden zu erwarten wären, hat er nicht dargelegt.

17

2. Die Unzulässigkeit der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungshandlungen gerichteten Klage hat das FG zutreffend mit der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO angeordneten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage begründet.

18

3. Entgegen der Rechtsauffassung des FG ist die Klage, soweit mit ihr die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer künftigen Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erreicht werden soll, ebenfalls nicht zulässig. Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses i.S. des § 41 Abs. 1 FGO. Das danach erforderliche Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Deshalb ist die Feststellungsklage nicht gegeben, wenn der Kläger sein Prozessziel auf anderem Wege schneller, einfacher und billiger erreichen kann (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1993 VII R 56/93, BFHE 173, 201, BStBl II 1994, 356, m.w.N.).

19

Im Streitfall will der Kläger im Kern die Feststellung erreichen, dass das spanische Beitreibungsersuchen keine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstellt. Die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Ersuchens stellt sich aber als Vorfrage schon in dem vom Kläger angestrengten Klageverfahren gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung, so dass ein weiteres Klageverfahren unnötigen Doppelaufwand bedeutete. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, diese Frage losgelöst von der konkreten, bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahme zu klären.

20

Anders könnte sich die Zulässigkeit der Feststellungsklage darstellen, wenn eine Vollstreckung aus dem umstrittenen Beitreibungsersuchen erstmalig bevorstünde. Für diesen Fall könnten die Erwägungen, die das FG bewogen haben, die Zulässigkeit zu bejahen, berechtigt sein. Denn dann wäre in der Tat zu erwägen, ob das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine gerichtliche Klärung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Vorhinein jedenfalls dann erfordert, wenn die zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brächten, vor welchen eine AdV der Vollstreckungsmaßnahmen nicht schützen könnte.

21

Ein solcher Sachverhalt lag offenbar dem vom FG herangezogenen Senatsurteil vom 3. November 2010 VII R 21/10 (BFHE 231, 500, BStBl II 2011, 401) zugrunde. Denn in dem dortigen Fall war die Frage, ob ein Beitreibungsersuchen wegen Verstoßes gegen den ordre public zur Rechtswidrigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme führen könnte, im Zusammenhang mit der Androhung einer Bürgschaftsverwertung, also vor Beginn der Vollstreckung, zu klären. Zwar hat sich der Senat zur Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht ausdrücklich geäußert. Allerdings ist davon auszugehen, dass inzident die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht wurde. Der Kläger konnte nicht auf die Anfechtung einer bereits ergangenen Vollstreckungsmaßnahme verwiesen werden, so dass die Feststellungsklage wohl als der gebotene Rechtsschutz angesehen wurde. Diesem Urteil kann --anders als das FG meint-- nicht entnommen werden, dass die vorbeugende Feststellungklage zur Klärung von Vollstreckungsvoraussetzungen stets zulässig ist, also auch, wenn --wie im vorliegenden Fall-- die Klärung der Rechtsfrage im Anfechtungsverfahren --und dort vorrangig-- möglich ist.

22

Auch das vom FG für die Zulässigkeit der Feststellungklage vorgebrachte weitere Argument, dass es im Fall einer vor einer ersten Vollstreckungsmaßnahme erlassenen einstweiligen Anordnung gegen das FA, die Vollstreckung zu unterlassen, nie zu einer Anfechtungsklage kommen könne, in der die Einwendungen gegen die Vollstreckungsvoraussetzungen geprüft werden könnten, ist in der eben beschriebenen Konstellation des Streitfalles, in dem bereits vollstreckt worden ist, nicht einschlägig.

23

4. Im Übrigen wäre die Zulassung einer Feststellungklage bei gleichzeitiger Unzulässigkeit der Unterlassungsklage im Streitfall widersprüchlich. Besteht nämlich kein Rechtsschutzinteresse für die Unterlassungsklage, weil nach den Feststellungen des FG für den Kläger mit der Möglichkeit, im Zeitpunkt der Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme eine AdV zu erwirken, ausreichender Rechtsschutz besteht, so spricht dieser Gesichtspunkt auch gegen das besondere Feststellunginteresse i.S. des § 41 Abs. 1 FGO.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(3) Für den Erlass einstweiliger Anordnungen gelten die §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozessordnung sinngemäß.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle des § 69.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Rechtsanwalt in Deutschland und Mallorca geschäftsansässig und Gesellschafter-Geschäftsführer einer spanischen Gesellschaft. Wegen nicht beitreibbarer Steuerschulden dieser Gesellschaft nahm das Finanzamt für Steuererhebung auf den Balearischen Inseln (spanisches FA) den Kläger mit Haftungsbescheid vom 19. November 2007 in Anspruch. Die dagegen eingelegte Steuerbeschwerde und die beim Finanzgericht der Balearischen Inseln (spanisches FG) erhobene Klage hatten keinen Erfolg. Nach seinen unbelegten Angaben hat der Kläger gegen dieses Urteil Rekurs zum Zentralfinanzgericht eingelegt. Zum Stand des von der Gesellschaft gegen den Steuerbescheid in Anspruch genommenen Rechtsschutzes hat sich der Kläger nicht geäußert.

2

Nachdem der Kläger auf den Haftungsbescheid nicht gezahlt hatte, erließ das Regionalfinanzamt der Balearen am 1. Februar 2008 eine Vollstreckungsanordnung, die dem Rechtsanwalt des Klägers am 15. Februar 2008 zugestellt wurde.

3

Mit E-Mail vom 22. Juni 2009 übersandte die Staatsbehörde für Steuerverwaltung in Madrid über das CCN/CSI-Netz an das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) elektronisch ein Beitreibungsersuchen. Der E-Mail waren die Vollstreckungsanordnung im PDF-Format und das Formular "Ersuchen um Beitreibung gemäß Art. 6 der Richtlinie 2008/55/EG" im Word-Format angefügt. Das BZSt leitete die E-Mail an die … Finanzbehörde und diese sandte sie dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) zu.

4

Das FA erließ aufgrund dieses Ersuchens am 24. Juli 2009 eine Zahlungsaufforderung. Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Mit Schreiben vom 31. August 2009 holte das FA die vom Kläger beanstandeten Angaben nach und lehnte die AdV ab. Über den Einspruch ist bislang nicht entschieden.

5

Unter dem 27. August 2009 pfändete das FA bei sich selbst als Drittschuldner Steuererstattungsansprüche des Klägers zur Beitreibung der Forderung der spanischen Steuerbehörde und ordnete die Einziehung an. Gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung legte der Kläger Einspruch ein und beantragte insoweit AdV.

6

Auf Antrag des Klägers gewährte das Finanzgericht (FG) AdV gegen Sicherheitsleistung, weil es wegen der elektronischen Übermittlung Zweifel an der Rechtmäßigkeit "des Leistungsgebots" hatte. Auf die Beschwerde des FA hob der Bundesfinanzhof (BFH) diesen Beschluss auf und lehnte den Antrag auf AdV ab. Die Zahlungsaufforderung sei kein Leistungsgebot; dieses sei bereits mit dem spanischen Haftungsbescheid verbunden gewesen.

7

Die auf Unterlassung der weiteren Vollstreckung der Haftungsschuld, hilfsweise Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erhobene Klage blieb erfolglos. Im Klageverfahren hat die spanische Steuerbehörde die Vollstreckungsanordnung vom 1. Februar 2008 in Papierform übersandt.

8

Das FG wies die Unterlassungsklage als unzulässig ab, weil der Kläger nicht konkret dargelegt habe, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen ergreife und er dann dagegen Einspruch einlegen bzw. nachfolgend Anfechtungsklage erheben und zugleich AdV beantrage. Auch die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungsmaßnahmen hielt es für unzulässig, weil sie subsidiär zu Einspruch und Anfechtungsklage sei. Dagegen sah es die Feststellungsklage mit dem Ziel, die Rechtswidrigkeit weiterer, noch nicht durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen wegen Mängeln des Beitreibungsersuchens festzustellen, insbesondere wegen des Gebots effektiven Rechtsschutzes als zulässig an, wies sie aber als unbegründet ab.

9

Das FG hat die Revision u.a. zur Klärung der Frage zugelassen, ob und ggf. mit welcher Klageart Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Beitreibungshilfe insgesamt geltend gemacht werden können, auch wenn konkret drohende irreparable Schäden durch eine bevorstehende Vollstreckung nicht vorgetragen werden. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 482 veröffentlicht.

10

Mit seiner Revision wendet sich der Kläger im Wesentlichen gegen die Ausführungen des FG zur Unbegründetheit der vorbeugenden Feststellungsklage.

11

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verurteilen, weitere Vollstreckungsmaßnahmen aus dem Beitreibungsersuchen des Regionalfinanzamtes der Balearen zu unterlassen, hilfsweise festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen rechtswidrig ist.

12

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Es schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an und stellt darüber hinaus in Frage, inwiefern den Finanzbehörden die Prüfung des ordre public obliege, ob diese nicht vielmehr den Gerichten überlassen sei.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des FG verletzt zwar Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), soweit die vorbeugende Feststellungsklage als unbegründet, statt als unzulässig zurückgewiesen worden ist. Es hat aber Bestand, weil der Urteilstenor richtig ist (§ 126 Abs. 4 FGO; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 126 Rz 8, m.w.N.).

14

1. Das FG hat den Hauptantrag des Klägers zu Recht als Unterlassungsklage gewertet und als unzulässig angesehen.

15

Der Kläger will mit dem Antrag erreichen, dass das FA weitere Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des spanischen Beitreibungsersuchens unterlässt. Für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz ist angesichts des Rechtsschutzsystems der FGO ein besonders intensives Rechtsschutzinteresse Voraussetzung (vgl. Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 40 FGO Rz 146). Geht es darum, eine behördliche Maßnahme abzuwehren, bietet die FGO dem Rechtssuchenden neben Einspruch und Anfechtungsklage einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) bzw. einstweilige Anordnung (§ 114 FGO). Für eine Unterlassungsklage ist nur dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit diesen Rechtsbehelfen nicht erreicht werden kann, wenn also substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen ist (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1993 I R 25/92, BFHE 172, 488, BStBl II 1994, 210; vom 19. März 1998 VII R 73/97, BFHE 186, 179, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 1998, 861).

16

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger nicht dargelegt, welche irreparablen Nachteile ihm drohten, wenn er gegen weitere Vollstreckungsmaßnahmen des FA mit Einspruch, Klage und Aussetzungsantrag vorginge. Auch mit der Revision macht der Kläger allgemein "drohende Eingriffe in die Eigentums- und Vermögenspositionen" geltend. Inwieweit dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden zu erwarten wären, hat er nicht dargelegt.

17

2. Die Unzulässigkeit der auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der bereits ergriffenen Vollstreckungshandlungen gerichteten Klage hat das FG zutreffend mit der in § 41 Abs. 2 Satz 1 FGO angeordneten Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber einer Anfechtungsklage begründet.

18

3. Entgegen der Rechtsauffassung des FG ist die Klage, soweit mit ihr die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer künftigen Vollstreckung aus dem Beitreibungsersuchen erreicht werden soll, ebenfalls nicht zulässig. Der Kläger hat kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung des Rechtsverhältnisses i.S. des § 41 Abs. 1 FGO. Das danach erforderliche Feststellungsinteresse ist eine besondere Erscheinungsform des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses. Deshalb ist die Feststellungsklage nicht gegeben, wenn der Kläger sein Prozessziel auf anderem Wege schneller, einfacher und billiger erreichen kann (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1993 VII R 56/93, BFHE 173, 201, BStBl II 1994, 356, m.w.N.).

19

Im Streitfall will der Kläger im Kern die Feststellung erreichen, dass das spanische Beitreibungsersuchen keine wirksame Vollstreckungsgrundlage darstellt. Die Frage der Rechtmäßigkeit dieses Ersuchens stellt sich aber als Vorfrage schon in dem vom Kläger angestrengten Klageverfahren gegen die Pfändungs- und Einziehungsverfügung, so dass ein weiteres Klageverfahren unnötigen Doppelaufwand bedeutete. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, diese Frage losgelöst von der konkreten, bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahme zu klären.

20

Anders könnte sich die Zulässigkeit der Feststellungsklage darstellen, wenn eine Vollstreckung aus dem umstrittenen Beitreibungsersuchen erstmalig bevorstünde. Für diesen Fall könnten die Erwägungen, die das FG bewogen haben, die Zulässigkeit zu bejahen, berechtigt sein. Denn dann wäre in der Tat zu erwägen, ob das Gebot effektiven Rechtsschutzes eine gerichtliche Klärung der Vollstreckungsvoraussetzungen im Vorhinein jedenfalls dann erfordert, wenn die zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen über die reine Geldleistung hinausgehende einschneidende Beeinträchtigungen mit sich brächten, vor welchen eine AdV der Vollstreckungsmaßnahmen nicht schützen könnte.

21

Ein solcher Sachverhalt lag offenbar dem vom FG herangezogenen Senatsurteil vom 3. November 2010 VII R 21/10 (BFHE 231, 500, BStBl II 2011, 401) zugrunde. Denn in dem dortigen Fall war die Frage, ob ein Beitreibungsersuchen wegen Verstoßes gegen den ordre public zur Rechtswidrigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme führen könnte, im Zusammenhang mit der Androhung einer Bürgschaftsverwertung, also vor Beginn der Vollstreckung, zu klären. Zwar hat sich der Senat zur Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht ausdrücklich geäußert. Allerdings ist davon auszugehen, dass inzident die Zulässigkeit der Feststellungsklage bejaht wurde. Der Kläger konnte nicht auf die Anfechtung einer bereits ergangenen Vollstreckungsmaßnahme verwiesen werden, so dass die Feststellungsklage wohl als der gebotene Rechtsschutz angesehen wurde. Diesem Urteil kann --anders als das FG meint-- nicht entnommen werden, dass die vorbeugende Feststellungklage zur Klärung von Vollstreckungsvoraussetzungen stets zulässig ist, also auch, wenn --wie im vorliegenden Fall-- die Klärung der Rechtsfrage im Anfechtungsverfahren --und dort vorrangig-- möglich ist.

22

Auch das vom FG für die Zulässigkeit der Feststellungklage vorgebrachte weitere Argument, dass es im Fall einer vor einer ersten Vollstreckungsmaßnahme erlassenen einstweiligen Anordnung gegen das FA, die Vollstreckung zu unterlassen, nie zu einer Anfechtungsklage kommen könne, in der die Einwendungen gegen die Vollstreckungsvoraussetzungen geprüft werden könnten, ist in der eben beschriebenen Konstellation des Streitfalles, in dem bereits vollstreckt worden ist, nicht einschlägig.

23

4. Im Übrigen wäre die Zulassung einer Feststellungklage bei gleichzeitiger Unzulässigkeit der Unterlassungsklage im Streitfall widersprüchlich. Besteht nämlich kein Rechtsschutzinteresse für die Unterlassungsklage, weil nach den Feststellungen des FG für den Kläger mit der Möglichkeit, im Zeitpunkt der Vornahme einer Vollstreckungsmaßnahme eine AdV zu erwirken, ausreichender Rechtsschutz besteht, so spricht dieser Gesichtspunkt auch gegen das besondere Feststellunginteresse i.S. des § 41 Abs. 1 FGO.

(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Der Finanzrechtsweg ist gegeben

1.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten, soweit die Abgaben der Gesetzgebung des Bundes unterliegen und durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden,
2.
in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über die Vollziehung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften der Abgabenordnung zu vollziehen sind,
3.
in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Streitigkeiten über Angelegenheiten, die durch den Ersten Teil, den Zweiten und den Sechsten Abschnitt des Zweiten Teils und den Ersten Abschnitt des Dritten Teils des Steuerberatungsgesetzes geregelt werden,
4.
in anderen als den in den Nummern 1 bis 3 bezeichneten öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit für diese durch Bundesgesetz oder Landesgesetz der Finanzrechtsweg eröffnet ist.

(2) Abgabenangelegenheiten im Sinne dieses Gesetzes sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist eine Vollstreckungsankündigung des beklagten Finanzamts vom 03.11.2016.

Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Verkehrsreferat, erließ am 18.05.2015 ein Straferkenntnis gegenüber dem Kläger, wonach dieser am 14.09.2014, 15.00 Uhr, mit dem Fahrzeug X in der Gemeinde Volders, auf der A 12, bei Kilometer 64.477, Richtungsfahrbahn Staatsgrenze Kiefersfelden, ein Kraftfahrzeug auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, obwohl die Benutzung von Mautstrecken der zeitabhängigen Maut unterliege. Am Fahrzeug sei keine gültige Mautvignette angebracht worden. Der Kläger habe dadurch § 20 Abs. 1 i.V.m. § 10 Abs. 1 und 11 Abs. 1 Bundesstraßenmautgesetz (BStMG) verletzt. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen eine Geldstrafe von 300 €, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden. Zudem habe der Kläger gemäß § 64 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) 30 € als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu zahlen. Der zu zahlende Gesamtbetrag betrage 330 €. Auf das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 18.05.2015 wird im Einzelnen verwiesen.

Der Klägervertreter legte hiergegen am 30.06.2015 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht ein, über welche am 17.07.2015 entschieden wurde.

Mit Schreiben vom 25.10.2016 ersuchte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Strafvollzug, das beklagte Finanzamt unter Hinweis auf den Vertrag der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen gemäß Art. 9 vom 31.05.1988 beim Kläger unter Bezugnahme auf den oben genannten Bescheid den rechtskräftig verhängten Betrag inklusive Verfahrenskosten, Barauslagen und Gebühren von 395 € einzutreiben. Der Bescheid unterliege keinem die Vollstreckung hemmenden Rechtszug. Der Beschuldigte habe am 30.06.2016 die letzte Mahnung erhalten.

Das beklagte Finanzamt kündigte mit Schreiben vom 03.11.2016 gegenüber dem Kläger die Vollstreckung von 395 € aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck an.

Mit Schreiben vom 18.11.2016 wendete der Klägervertreter gegenüber dem Finanzamt ein, eine Vollstreckung des Betrags dürfe nicht erfolgen; die Belangung des Klägers als Fahrzeughalter widerspreche dem Ordre-Public-Vorbehalt des bundesdeutschen Rechts. Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck habe die Fahrereigenschaft überhaupt nicht geprüft. Es werde auf das Urteil des Finanzgerichts München vom 10.10.2013 10 K 2217/13 verwiesen; die infrage stehende Maut sei tatsächlich entrichtet worden.

Mit Schreiben vom 21.11.2016 lehnte das Finanzamt die Einstellung der Vollstreckung ab; das Urteil des FG München vom 10.10.2013 sei nicht einschlägig. Einwendungen, insbesondere zur Frage der tatsächlichen Bezahlung der Maut, gegen das zu vollstreckende Straferkenntnis seien durch Beschwerde gegenüber dem Landesverwaltungsgericht zu erheben.

Der Kläger hat Klage erhoben sowie einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen Einstellung der Zwangsvollstreckung (6 V 1713/16) gestellt.

Der Klägervertreter trägt vor, die Zwangsvollstreckung aus dem Straferkenntnis sei unzulässig; sie verstoße gegen Verfassungsrecht und verletze Grundrechte des Klägers. Das Straferkenntnis sei offensichtlich rechtswidrig.

Der Kläger sei nicht Fahrer gewesen und nach seiner Überzeugung keine Zeit ohne Vignette auf einer mautpflichtigen Straße gefahren. Ein Lichtbild, das den Kläger identifiziere, sei nicht vorhanden. Die österreichischen Behörden und Gerichte hätten den Kläger als Kfz-Halter belangt. Die tatsächliche Lenkereigenschaft des Klägers sei weder geprüft noch durch Feststellungen oder durch eine Beweisaufnahme festgestellt worden. Ein individuelles Verschulden sei ihm nicht nachgewiesen worden.

Der Kläger könne in Deutschland in einer derartigen Fallkonstellation nicht belangt werden, da der Nachweis der Person des Fahrzeugführers nicht erbracht werden könne. Nach deutschem Recht sei eine sog. Halterhaftung nur im ruhenden Verkehr möglich; im fließenden Verkehr müsse die Fahrereigenschaft feststehen. Vorliegend handle es sich um fließenden Verkehr.

Wenn es in Deutschland rechtlich nicht zulässig sei, eine Verurteilung im fließenden Verkehr vorzunehmen, weil die tatsächliche Fahrereigenschaft nicht gesichert festgestellt sei, dürfe eine deutsche Finanzbehörde das entsprechende ausländische Gesuch auf Vollstreckung nicht ausführen. Wenn in einem vergleichbaren Fall nach deutschem Recht weder eine Verurteilung noch eine Vollstreckung möglich wäre, verstoße eine Vollstreckung wegen der Bestrafung in einem anderen Staat gegen elementare Rechtsgrundsätze der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland und damit gegen den ordre public.

Es unterfalle der Prüfung des Finanzgerichts, ob die Vollstreckung eines ausländischen Titels gegen die öffentliche Ordnung verstößt; hierbei müsse es sich um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln.

Dass aus den Straferkenntnis in Deutschland nicht vollstreckt werden dürfe, gelte um so mehr, als eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt worden sei.

Auch auf den Internetseiten des Bundesamtes für Justiz werde ausgeführt, dass Fälle der sogenannten Halterhaftung prinzipiell nicht vollstreckt würden.

Im Verfahren in Österreich sei das rechtliche Gehör des Klägers verletzt worden. In der Entscheidung über die Beschwerde sei sein Vorbringen nicht hinreichend berücksichtigt worden, insbesondere der Einwand, dass er nach seiner Überzeugung keinesfalls ohne Vignette gefahren sei; der angebotene Zeugenbeweis sei nicht berücksichtigt worden.

Der Klägervertreter verweist auf die Entscheidungen des Finanzgerichts München vom 10.10.2013 10 K 2217/13 sowie des Finanzgerichts Hamburg vom 16.03.2010 1 V 289/09.

Ein Vorverfahren sei durchgeführt worden; in den Schreiben des Klägervertreters vom 18.11.2016 sowie dem Antwortschreiben des Beklagten vom 21.11.2016 sei ein Vorverfahren zu sehen. Der Beklagte habe im Schreiben vom 21.11.2016 eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er an seiner bisherigen Entscheidung festhalte; ein weiteres Vorverfahren zu verlangen sei sinnwidrig, überflüssig sowie eine bloße Förmlichkeit.

Der Kläger könne mit einer Feststellungsklage gegen eine drohende inländische Vollstreckung einwenden, dass das ausländische Leistungsgebot im Inland nicht vollstreckbar sei (Urteil des FG München vom 04.04.2012 6 K 434/11). Der Subsidiaritätsgrundsatz greife nicht, da die Rechtmäßigkeit des Ersuchens nicht bereits als Vorfrage in einem anhängigen Klageverfahren gegen eine bereits ergriffene Vollstreckungsmaßnahme zu klären sei (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) in BFH/NV 2013, 739).

Im Fall der Zwangsvollstreckung drohten dem Kläger weitere, nicht hinzunehmende Kosten und Nachteile, so dass ein Rechtsschutzinteresse bestehe.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verpflichten, Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 24.10.2016 zu unterlassen und das Vollstreckungsverfahren einzustellen. Hilfsweise beantragt er festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 25.10.2016 rechtswidrig ist.

Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen.

Es trägt vor, die Klage sei unzulässig, da das erforderliche Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Ein solches Einspruchsverfahren wäre auch selbst nicht statthaft und damit unzulässig gewesen, weil es sich bei einer Vollstreckungsankündigung nicht um einen Verwaltungsakt i.S. von § 118 Abgabenordnung (AO) handele. Ein Ausnahmefall der §§ 45, 46 FGO liege nicht vor.

Die für die Klage erforderliche Beschwer fehle, da der Kläger durch die bloße Ankündigung der Vollstreckung nicht beschwert sei. Ein vorläufiger Rechtsschutz gegen noch nicht ergangene Vollstreckungsmaßnahmen könne mit der Klage nicht erreicht werden. Eine Abwehr bzw. Verhinderung noch nicht ergangener Verwaltungsakte könne nur nach §§ 69, 114 Finanzgerichtsordnung (FGO) erreicht werden.

Mit Beschluss vom 09.02.2017 ist der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen worden, § 6 FGO.

Der Streitwert der Klage liegt unter 500 €; das Gericht kann sein Verfahren nach billigem Ermessen bestimmen (§ 94a FGO).

Gründe

Die Klage ist unzulässig.

Bei Würdigung unter allen in Betracht kommenden Klagemöglichkeiten ist die vom Kläger erhobene Klage nicht zulässig. Insbesondere das für einen vorbeugenden Rechtschutz notwendige besondere Rechtsschutzbedürfnis bzw. Feststellungsinteresse ist nicht ersichtlich.

Der Kläger begehrt, den Beklagten zu verpflichten, Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens zu unterlassen und das Vollstreckungsverfahren einzustellen und, hilfsweise, festzustellen, dass die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen rechtswidrig ist. Hierbei stellt sich jeweils die Vorfrage, ob das Vollstreckungsersuchen vom 25.10.2016 eine Grundlage für die Vollstreckung durch das beklagte Finanzamt darstellt.

Dieses Begehren kann der Kläger nicht im Rahmen einer Verpflichtungsklage verfolgen.

Gemäß § 40 Abs. 1, 2. Alt. 1. HS FGO kann durch Klage die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden.

Vorliegend begehrt der Kläger jedoch nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern gerade die Unterlassung zukünftiger Vollstreckungsmaßnahmen, die nach § 118 AO den Charakter von Verwaltungsakten haben.

Der Kläger kann sein Anliegen auch nicht im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage in Form der vorbeugenden Unterlassungsklage erfolgreich geltend machen.

Nach § 40 Abs. 1, 2. Alt. 2. HS FGO kann durch Klage die Verurteilung zu einer anderen Leistung begehrt werden.

Mit der Leistungsklage kann ein - vorbeugendes - Unterlassen begehrt werden (vgl. Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 40 FGO, Rz. 27 m.w.N.). Dies gilt insbesondere für das Begehren, einen zukünftigen Verwaltungsakt zu unterlassen (vgl. Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 40 FGO, Rz. 28 m.w.N.).

Mit der vorbeugenden Unterlassungsklage kann der Kläger sein Begehren verfolgen.

Er begehrt, Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund des Vollstreckungsersuchens (dauerhaft) zu unterlassen und das Vollstreckungsverfahren einzustellen, ohne dass bislang Vollstreckungsmaßnahmen vorgenommen und damit diesbezügliche Verwaltungsakte erlassen wurden.

Für einen solchen vorbeugenden Rechtsschutz ist angesichts des Rechtsschutzsystems der FGO ein besonders intensives Rechtsschutzinteresse Voraussetzung (vgl. BFH-Urteil vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739 m.w.N.).

Geht es darum, eine behördliche Maßnahme abzuwehren, bietet die FGO dem Rechtssuchenden neben Einspruch und Anfechtungsklage einstweiligen Rechtsschutz durch Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) bzw. einstweilige Anordnung (§ 114 FGO). Für eine Unterlassungsklage ist nur dann Raum, wenn das erstrebte Schutzziel mit diesen Rechtsbehelfen nicht erreicht werden kann, wenn also substantiiert und in sich schlüssig dargetan wird, durch ein bestimmtes, künftig zu erwartendes Handeln einer Behörde in den Rechten verletzt zu sein, und ein Abwarten der tatsächlichen Rechtsverletzung unzumutbar ist, weil die Rechtsverletzung dann nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachen ist (BFH-Urteile vom 11.12.2012 VII R 69/11, BFH/NV 2013, 739; vom 27.10.1993 I R 25/92, BStBl II 1994, 210; vom 19. März 1998 VII R 73/97, BFH/NV 1999, 86).

Das besonders intensive Rechtsschutzbedürfnis liegt im Streitfall nicht vor.

Zwar konnte der Kläger mit der einstweiligen Anordnung sein erstrebtes Rechtschutzziel nicht erreichen. Dies hatte jedoch - wie sich aus dem Beschluss vom 20.02.2017 6 V 1713/16 ergibt - die Ursache darin, dass der Kläger als Antragsteller im dortigen Verfahren einen Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht hatte.

Auch vorliegend hat der Kläger nicht dargelegt, welche irreparablen Nachteile ihm drohen, wenn er gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts mit Einspruch, Klage und Aussetzungsantrag vorginge. Eine nicht oder nur schwerlich wiedergutzumachende Rechtsverletzung im Zusammenhang mit bestimmten, künftig zu erwartenden Vollstreckungsmaßnahmen des Finanzamts hat er nicht substantiiert und in sich schlüssig dargetan. Inwieweit dadurch nicht wiedergutzumachende Schäden zu erwarten wären, hat er nicht dargelegt.

Eine irreparable Rechtsverletzung ist angesichts von Vollstreckungsmaßnahmen hinsichtlich eines Betrags von 395 € nicht ersichtlich.

Die vorbeugende Unterlassungsklage ist damit unzulässig.

Auch die vom Kläger hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vollstreckung aus dem Vollstreckungsersuchen hat keinen Erfolg.

Durch Klage kann nach § 41 Abs. 1 FGO die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage). Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 41 Abs. 2 S. 1 FGO).

Rechtsverhältnis i.S.d. § 41 Abs. 1 FGO ist jede aus einem konkreten Sachverhalt resultierende, durch Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30.03.2011 XI R 12/08 BFH/NV 2011, 1346; vom 29.07.2003 VII R 39, 43/02, BStBl II 2003, 828). Es muss sich um ein eigenes abgabenrechtliches Verhältnis des Klägers zum Beklagten handeln, da nur hierfür der Finanzrechtsweg eröffnet ist (vgl. § 33 FGO).

Vorliegend kommt als maßgebliches Rechtsverhältnis allein ein "Vollstreckungsverhältnis" des Beklagten gegenüber dem Kläger im Rahmen der Vollstreckung als ersuchte Behörde in Frage.

Mit der Ankündigung der Vollstreckung ist jedoch ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis noch nicht begründet. Die Ankündigung der Vollstreckung ist eine aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14.06.1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75 und vom 13.02.1997 VII S 35/96, BFH/NV 1997, 462) und zeitigt als solche noch keine Rechtswirkung gegenüber dem Kläger. Ein "gegenwärtiges" Rechtsverhältnis wird nach Auffassung des Gerichts erst bei unmittelbarem Bevorstehen von Vollstreckungsmaßnahmen bzw. deren Einleitung begründet.

Vorliegend ist das Finanzamt entsprechend Art. 9 Abs. 6 S. 1 und 2 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Amts- und Rechtshilfe in Verwaltungssachen vom 31.05.1988 (BGBl 1990 II S. 357) vorgegangen, wonach Einwendungen gegen das Bestehen, die Höhe oder die Vollstreckbarkeit des zu vollstreckenden Anspruchs von der zuständigen Stelle des ersuchenden Staats nach dessen Recht zu erledigen sind und, wenn diese bei der ersuchten Stelle erhoben werden, diese der ersuchenden Stelle zu übermitteln sind und deren Entscheidung abzuwarten ist. Diese ist noch nicht erfolgt. Damit steht eine Vollstreckung nicht unmittelbar bevor.

Hierin unterscheidet sich der Sachverhalt der vorliegenden Klage vom Streitfall, der den Urteilen des BFH vom 03.11.2010 VII R 21/10, BStBl II 2011, 401 und (im zweiten Rechtszug) des FG München vom 04.04.2012 6 K 434/11 sowie vom Streitfall, der dem Urteil des FG München vom 10.10.2013 10 K 2217/13 zugrunde lag.

Feststellungen über ein künftiges Rechtsverhältnis sind zulässig, wenn effektiver Rechtsschutz dies verlangt und der Kläger ein berechtigtes Interesse an der vorzeitigen Feststellung hat (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 41 FGO, Rz. 6). Das berechtigte Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO besteht bei einer Feststellungsklage, mit der künftigen nachteiligen Verwaltungsakten vorgebeugt werden soll, nur, wenn der Kläger besondere Gründe hat, die es rechtfertigen, die Verwaltungsakte nicht abzuwarten (BFH-Urteil vom 27.02.1973 VIII R 100/70, BStBl II 1973, 536).

Ein besonderes Feststellungsinteresse, das es rechtfertigt, die künftigen nachteiligen Verwaltungsakte nicht abzuwarten, ist vom Kläger weder vorgetragen noch sonst nach Aktenlage ersichtlich. Sein Vortrag beschränkt sich auf das Anführen weiterer, nicht hinzunehmender Kosten und wesentlicher Nachteile ohne weitere Einzelheiten zu nennen.

Auch bei Auslegung der Klage als Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1, 1. Alt. FGO) gegen die Ankündigung der Vollstreckung kann diese keinen Erfolg haben.

Die Vollstreckungsankündigung vom 03.11.2016 stellt keinen Verwaltungsakt dar. Die Ankündigung der Vollstreckung ist nach der Rechtsprechung des BFH kein Verwaltungsakt, sondern lediglich eine aus Gründen der Zweckmäßigkeit nach außen gerichtete Bekanntmachung einer verwaltungsinternen Maßnahme (vgl. BFH-Beschlüsse vom 14.06.1988 VII B 15/88, BFH/NV 1989, 75 und vom 13.02.1997 VII S 35/96, BFH/NV 1997, 462).

Daher ist es ohne Belang, ob das Schreiben der Klägervertreter vom 18.11.2016 und das ablehnende Schreiben des Finanzamts vom 21.11.2016 als erfolgloses Vorverfahren zu werten sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 FGO.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Jahr 1995 durch Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der X GmbH geworden. Mit Beitreibungsersuchen vom 14. Dezember 2004 bat die italienische Zollverwaltung den Beklagten und Revisionsbeklagten (das Hauptzollamt --HZA--) um Vollstreckung einer Forderung aus einer im Oktober 1995 der X GmbH an ihrem Sitz in Deutschland zugestellten Zahlungsaufforderung eines Zollamts (ZA) in Italien vom 26. Mai 1995. In dem Beitreibungsersuchen war ein Urteil eines italienischen Oberlandesgerichts vom November 2000 als neuer vollstreckbarer Titel bezeichnet, das in beglaubigter Kopie mit einer Übersetzung ins Deutsche beigefügt war. Das italienische Oberlandesgericht bestätigte das Urteil eines italienischen Gerichts erster Instanz, mit dem die Klage der Klägerin gegen die Zahlungsaufforderung des italienischen ZA aufgrund verspäteter Einlegung eines Rechtsbehelfs abgewiesen worden ist. In dem Beitreibungsersuchen waren u.a. der geschuldete Betrag sowie Zinsen und Kosten, der Zeitpunkt der Vollstreckbarkeit und das Bekanntgabedatum des Vollstreckungstitels benannt. Zudem wurde bestätigt, dass die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und b der Richtlinie 76/308/EWG (RL 76/308/EWG) des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Zusammenhang mit Maßnahmen, die Bestandteil des Finanzierungssystems des Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft sind, sowie von Abschöpfungen und Zöllen --Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (ABlEG) Nr. L 73/18-- (inzwischen ersetzt durch die Richtlinie 2008/55/EG des Rates vom 26. Mai 2008 über die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Abgaben, Zölle, Steuern und sonstige Maßnahmen, Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 150/28) genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

2

Das HZA forderte die Klägerin zur Zahlung des von den italienischen Behörden angeforderten Betrags auf und kündigte mit Schreiben vom 7. April 2005 die Vollstreckung an. Nachdem das HZA aufgrund der Hinterlegung einer Bürgschaftsurkunde die bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen mit Bescheid vom 25. Mai 2005 einstweilen ausgesetzt und Vollstreckungsaufschub gewährt hatte, und nachdem die italienische Zollverwaltung der Bundesfinanzdirektion Mitte mitgeteilt hatte, dass die von der Klägerin bei der obersten Dienststelle des ZA eingelegte Verwaltungsbeschwerde abgewiesen worden sei, erging mit Schreiben vom 26. März 2008 eine weitere Zahlungsaufforderung mit dem Hinweis an die Klägerin, dass die zur Sicherheit hinterlegte Bürgschaftsurkunde verwertet werde, wenn bis zum 15. April 2008 keine Zahlung erfolgt sei.

3

Einspruch und Klage gegen die Androhung der Bürgschaftsverwertung hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, dass das HZA die Verwertung zu Recht angekündigt habe (vgl. Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 2010, Beilage 3, 33). Sämtliche Voraussetzungen für eine Vollstreckung nach dem Gesetz zur Durchführung der EG-Beitreibungsrichtlinie seien im Streitfall erfüllt. Es liege ein vollstreckbarer Titel vor, der sich aus dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts ergebe, das die Rechtmäßigkeit der an die Klägerin gerichteten Zahlungsaufforderung bestätigt habe. Ferner habe die ersuchende Behörde bestätigt, dass die in Art. 7 Abs. 2 Buchst. a und b RL 76/308/EWG genannten Voraussetzungen erfüllt seien. Unstreitig sei zwischen den Beteiligten, dass der Rechtsweg in Italien erschöpft sei. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin einen Steuerbescheid erhalten habe. Denn das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts trete an die Stelle des erforderlichen vollziehbaren Verwaltungsakts i.S. des § 251 Abs. 1 der Abgabenordnung. Ebenso wenig sei entscheidungserheblich, ob die Zahlungsaufforderung rechtmäßig zustande gekommen oder von den italienischen Gerichten zu Recht bestätigt worden sei. Der Hilfsantrag der Klägerin, der auf die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts gerichtet sei, sei zwar zulässig, jedoch könne er der Klage deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil die Zwangsvollstreckung auf der Grundlage des Urteils dieses Gerichts zulässig sei.

4

Mit ihrer Revision begehrt die Klägerin die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sowie die Feststellung, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts unzulässig ist. Zur Begründung trägt sie vor, dass die Entscheidung des italienischen Oberlandesgerichts ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletze. Die Zahlungsaufforderung sei ohne Begründung und ohne Rechtsmittelbelehrung in italienischer Sprache ergangen. Deshalb habe der an sich gebotene Rechtsbehelf innerhalb von 15 Tagen nicht fristgemäß eingelegt werden können. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Januar 2010 C-233/08 (Europäische Zeitschrift für Wirtschaft --EuZW-- 2010, 146) sei dem Empfänger eines Vollstreckungstitels dieser Titel in einer Amtssprache des Mitgliedstaats zuzustellen, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz habe. Zu Unrecht sei die Klage von den italienischen Gerichten allein aufgrund der Verfristung als unzulässig abgewiesen worden. Das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts trage den rechtswidrigen Verwaltungsakt in sich. Somit verstoße die Vollstreckung aus diesem Urteil gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung. Daraufhin sei das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts auch von einem deutschen Gericht überprüfbar. Einen Steuerbescheid (sog. Iscrizione a Ruolo) habe die italienische Zollverwaltung nie erlassen. Gegenstand der gerichtlichen Verfahren in Italien sei lediglich eine Zahlungsaufforderung gewesen (sog. Ingiunzione di Pagamento). Selbst nach italienischem Recht setze die Vollstreckung einen nicht angefochtenen oder einen für vollstreckbar erklärten Steuerbescheid voraus.

5

Das HZA schließt sich der Auffassung des FG an. Bei der Prüfung, ob ein ausländisches Urteil oder ein ausländischer Vollstreckungstitel der öffentlichen Ordnung widerspreche, sei nicht auf den nationalen ordre public, sondern auf den großzügigeren ordre public international abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH-- (Urteil vom 21. April 1998 XI ZR 377/97, BGHZ 138, 331) sei maßgeblich, ob das Ergebnis ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehe, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheine. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH zur ordre public Klausel in Art. 27 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Übereinkommen 72/454/EWG) vom 27. September 1968 (ABlEG 1972, Nr. L 299/32) komme die Anwendung dieser Klausel nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Staat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Das Gericht des Vollstreckungsstaats habe grundsätzlich davon auszugehen, dass das in jedem Vertragsstaat eingerichtete Rechtsbehelfssystem den Rechtsbürgern eine ausreichende Garantie biete. Im Streitfall sei der Gehörsanspruch der Klägerin nicht verletzt worden, so dass ein Verstoß gegen den ordre public nicht vorliege. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin als Spedition Erfahrungen im internationalen Verkehr habe. Sie hätte das ihr von der deutschen Zollverwaltung zugestellte Schriftstück umgehend übersetzen und dessen Bedeutung rechtzeitig erkennen müssen. Die relativ kurze Rechtsbehelfsfrist von 14 Tagen sei für jemanden, der am geschäftlichen Verkehr teilnehme, nicht unzumutbar.

6

Ob die italienische Zahlungsaufforderung eine Rechtsbehelfsbelehrung hätte enthalten müssen, sei allein nach italienischem Recht zu beantworten. Die Zustellung sei im Rahmen der internationalen Amtshilfe erfolgt, nämlich nach dem Übereinkommen vom 7. September 1967 zwischen Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und den Niederlanden über gegenseitige Unterstützung ihrer Zollverwaltungen (BGBl II 1969, 66). Aus Art. 17 dieses Übereinkommens lasse sich nicht entnehmen, dass der italienischen Zahlungsaufforderung eine Übersetzung in die deutsche Sprache hätte beigefügt werden müssen. Schließlich habe die Klägerin in Italien den Rechtsweg beschritten. Für die Überprüfung des Vollstreckungstitels einschließlich seiner Zustellung seien weiterhin ausschließlich die italienischen Behörden zuständig. Es könne sein, dass durch die in Italien durchgeführten Gerichtsverfahren ein etwaiger Mangel aufgrund der fehlenden Übersetzung geheilt worden sei.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung des Urteils des FG und zur Zurückverweisung der Sache an dieses zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 FGO). Das FG hat verkannt, dass die Bestimmungen der RL 76/308/EWG einer im Streitfall gebotenen Prüfung auf einen Verstoß gegen den ordre public nicht entgegenstehen.

8

1. Gemäß der in Art. 12 RL 76/308/EWG festgelegten Kompetenzverteilung zwischen den Mitgliedstaaten ist ein Rechtsbehelf gegen die Forderung oder den Vollstreckungstitel in dem Mitgliedstaat einzulegen, in dem die ersuchende Behörde ihren Sitz hat; dagegen sind Rechtsbehelfe gegen Vollstreckungsmaßnahmen der ersuchten Behörde in dem Mitgliedstaat einzulegen, in dem sich die ersuchte Behörde befindet. Die Zuweisung der Zuständigkeiten trägt dem Umstand Rechnung, dass der Steuerbescheid und der Vollstreckungstitel nach den Rechtsvorschriften desjenigen Mitgliedstaats erlassen bzw. erwirkt worden sind, in dem die ersuchende Behörde ihren Sitz hat. Auf den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, der um die Vollstreckung ersucht wird, beruhen die von diesem durchzuführenden Vollstreckungsmaßnahmen. Wie der EuGH entschieden hat, erlaubt es diese Zuständigkeitsverteilung der ersuchten Behörde grundsätzlich nicht, die Wirksamkeit und die Vollstreckbarkeit der Handlung oder der Entscheidung, um deren Zustellung von der ersuchenden Behörde ersucht wird, in Frage zu stellen (EuGH-Urteil in EuZW 2010, 146).

9

Allerdings gilt dieser Grundsatz nicht ausnahmslos. Der EuGH hat anerkannt, dass in besonderen Fällen die Instanzen des Mitgliedstaats, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat, zur Prüfung befugt sind, ob die Vollstreckung dieses Titels insbesondere die öffentliche Ordnung dieses Mitgliedstaats beeinträchtigte, und dass sie auch die Befugnis haben, gegebenenfalls die Gewährung der Unterstützung ganz oder teilweise zu versagen oder sie von der Einhaltung bestimmter Voraussetzungen abhängig zu machen. Es sei kaum denkbar, dass ein Vollstreckungstitel von einem Mitgliedstaat vollstreckt werde, wenn diese Vollstreckung seine öffentliche Ordnung beeinträchtigen könnte. Im Übrigen sei die Einrede der öffentlichen Ordnung in Art. 4 Abs. 3 RL 76/308/EWG ausdrücklich vorgesehen (EuGH-Urteil in EuZW 2010, 146). Daraus folgt, dass allein die Übermittlung eines --evtl. gerichtlich bestätigten-- ausländischen Steuerbescheids oder Vollstreckungstitels eine Überprüfung auf einen Verstoß gegen den ordre public nicht ausschließt (zu einer entsprechenden Befugnis des Gerichts bei Anwendung des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten vom 11. September 1970 --RHV-- vgl. Senatsentscheidung vom 21. Februar 1978 VII R 49/74, BFHE 124, 480).

10

Das FG hat diese Prüfung zu Unrecht unterlassen, obwohl der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt dazu Anlass gegeben hätte. Die vom FG getroffenen Feststellungen erlauben es dem erkennenden Senat auch nicht zu entscheiden, dass durch die Vollstreckung der ordre public nicht beeinträchtigt würde.

11

2. Der Begriff der öffentlichen Ordnung wird durch die RL 76/308/EWG nicht definiert. Anhaltspunkte für seine Deutung lassen sich den entsprechenden Regelungen in internationalen Abkommen und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung entnehmen. Eine Art. 4 Abs. 3 RL 76/308/EWG vergleichbare ordre public Klausel findet sich in mehreren Vollstreckungs- und Rechtshilfeabkommen.

12

a) Art. 27 Nr. 1 des Übereinkommens 72/454/EWG bestimmt, dass eine Entscheidung nicht anzuerkennen ist, wenn die Anerkennung der öffentlichen Ordnung des Staates, in dem sie geltend gemacht wird, widerspräche. In Bezug auf diese Regelung hat der EuGH ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten selbst festlegen könnten, welche Anforderungen sich nach ihren innerstaatlichen Anschauungen aus ihrer öffentlichen Ordnung ergeben. Allerdings komme eine Anwendung der Klausel nur dann in Betracht, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung der in einem anderen Vertragsstaat erlassenen Entscheidung gegen einen wesentlichen Rechtsgrundsatz verstieße und deshalb in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zur Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats stünde. Damit das Verbot der Nachprüfung der ausländischen Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit gewahrt bleibe, müsse es sich bei diesem Verstoß um eine offensichtliche Verletzung einer in der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaats als wesentlich geltenden Rechtsnorm oder eines dort als grundlegend anerkannten Rechts handeln, so dass mögliche Rechtsfehler nicht ausreichten (EuGH-Urteil vom 11. Mai 2000 C-38/98, Slg. 2000, I-2973).

13

b) Auch deutsche Revisionsgerichte haben in mehreren Entscheidungen zur Auslegung und zum Anwendungsbereich von ordre public Klauseln Stellung genommen. Gemäß Art. 4 RHV kann Rechts- und Amtshilfe u.a. verweigert werden, wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, die Erledigung des Ersuchens sei geeignet, die öffentliche Ordnung (ordre public) zu beeinträchtigen. Wie der Senat entschieden hat, eröffnet diese Klausel für das FG die Möglichkeit zur Prüfung, ob für die deutsche Behörde ein Anlass bestanden hätte, der ersuchenden österreichischen Behörde die Rechts- und Amtshilfe zu verweigern, etwa wegen begründeter Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit des österreichischen Verfahrens bei der Entscheidung über den Anspruch oder seine Vollstreckbarkeit und wegen der Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gegenüber ihren Bürgern aus den Grundrechtsvorschriften der Art. 1 bis 19 sowie der Art. 101 und 103 GG (Senatsurteil in BFHE 124, 480, 484).

14

In Bezug auf Art. 2 Nr. 1 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 6. Juni 1959 (BGBl II 1960, 1246) hat der BGH geurteilt, dass nicht auf den ordre public interne, sondern auf den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public international abzustellen sei. Mit diesem sei ein ausländisches Urteil nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter --hätte er den Prozess entschieden-- aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich sei vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stehe, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheine (BGH-Urteile in BGHZ 138, 331, und vom 4. Juni 1992 IX ZR 149/91, BGHZ 118, 312).

15

Hinsichtlich des verfahrensrechtlichen ordre public in Art. 34 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen bzw. Art. 5 Nr. 1 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2. Oktober 1973 hat der BGH bestätigt, dass der Vorbehalt des ordre public nur in Ausnahmefällen eingreife. Eine Vollstreckbarerklärung könne insbesondere nicht schon deshalb versagt werden, weil die ausländische Entscheidung in einem Verfahren erlassen worden sei, das von zwingenden Vorschriften des deutschen Prozessrechts abweiche. Ein Versagungsgrund sei vielmehr nur dann gegeben, wenn das Urteil des ausländischen Gerichts aufgrund eines Verfahrens ergangen sei, das von den Grundsätzen des deutschen Verfahrensrechts in einem solchen Maß abweiche, dass es nicht als in einem geordneten rechtsstaatlichen Verfahren ergangen angesehen werden könne (BGH-Urteil vom 26. August 2009 XII ZB 169/07, BGHZ 182, 188; hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Schiedssprüche BGH-Urteil vom 15. Mai 1986 III ZR 192/84, BGHZ 98, 70).

16

3. Im Streitfall rügt die Revision zu Recht, dass das FG zu Unrecht einen Verstoß gegen den ordre public nicht in Betracht gezogen, sondern sich mit der Feststellung begnügt hat, dass es sich bei dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts um einen Vollstreckungstitel handele und die Klägerin den Rechtsweg in Italien ausgeschöpft habe.

17

Der Senat hält es daher für geboten, die Sache an das FG zurückzugeben, um diesem eine erneute Prüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu ermöglichen.

18

Unter Berücksichtigung der dargestellten Rechtsprechung zum Begriff der öffentlichen Ordnung (ordre public) wird das FG im zweiten Rechtsgang den Vollstreckungstitel daraufhin zu überprüfen haben, ob eine Vollstreckung in Deutschland die öffentliche Ordnung beeinträchtigte. Dies wäre dann anzunehmen, wenn der Vollstreckungstitel in einem nicht hinnehmbaren Gegensatz zu grundlegenden Prinzipien der deutschen Rechtsordnung stünde, so dass das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts nach deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen untragbar erschiene. Dabei wird es nach Auffassung des erkennenden Senats entscheidend darauf ankommen, ob die Rechtsvorgängerin der Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte erwirken können und ob sie sich in zumutbarer Weise darum bemüht hat.

19

a) Im Streitfall ist einerseits zu berücksichtigen, dass es sich bei der Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht um eine Privatperson, sondern um ein Speditionsunternehmen gehandelt hat, das in die Gemeinschaft eingeführte Waren durch mehrere Staaten --u.a. auch durch Italien-- beförderte. Von einem solchen Unternehmen kann erwartet werden, dass einem von den deutschen Zollbehörden zugestellten Schreiben, selbst wenn es in italienischer Sprache abgefasst ist, Beachtung geschenkt wird. Denn die Annahme ist nicht fernliegend, dass es in Verbindung mit einer geschäftlichen Transaktion, z.B. mit einem grenzüberschreitend durchgeführten Transport, steht. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hätte demnach nicht untätig bleiben, sondern sich in angemessener Zeit um eine Übersetzung bemühen müssen, um zeitnah Kenntnis vom Inhalt des Schriftstücks zu erlangen. Den Inhalt des Schreibens hätte sie schließlich zum Anlass nehmen müssen, weitere Erkundigungen einzuziehen. Andererseits ist im Streitfall jedoch dem Umstand besondere Beachtung zu schenken, dass ausweislich der deutschen Übersetzung des Urteils des italienischen Oberlandesgerichts die Frist für die Anfechtung eines "Zahlungsbefehls in Zollsachen" mit 15 Tagen relativ kurz bemessen war. Zudem geht es um die Anwendung ausländischen Rechts und um Zollrecht, einer speziellen und nicht leicht verständlichen Materie des Abgabenrechts. Die fehlende Übersetzung und die fehlende Rechtsmittelbelehrung lassen eine Fristüberschreitung entschuldbar erscheinen, so dass nach deutschem Rechtsverständnis eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht gekommen wäre.

20

Für das Strafbefehlsverfahren hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass ein der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtiger Ausländer, dem ein Strafbefehl in deutscher Sprache ohne eine verständliche Belehrung über den Rechtsbehelf des Einspruchs zugestellt worden ist, im Falle des Fristversäumnisses nicht anders behandelt werden kann, als wenn die Rechtsmittelbelehrung unterblieben ist mit der Folge, dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden muss (BVerfG-Beschlüsse vom 10. Juni 1975  2 BvR 1074/74, BVerfGE 40, 95, und vom 7. April 1976  2 BvR 728/75, BVerfGE 42, 120). Auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) darf eine unzureichende Kenntnis der deutschen Sprache nicht dazu führen, dass der Anspruch des Beteiligten auf rechtliches Gehör verkürzt wird; deshalb sind Sprachschwierigkeiten des Beteiligten bei der Prüfung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angemessen zu berücksichtigen (BFH-Beschluss vom 21. Mai 1997 VII S 37/96, BFH/NV 1997, 634).

21

Aus den Akten geht indes nicht hervor, innerhalb welchen Zeitraums sich die Klägerin um eine Übersetzung der Zahlungsaufforderung und um die für die Einlegung des Rechtsbehelfs erforderlichen Rechtsauskünfte bemüht hat. Feststellungen hierzu hat das FG nicht getroffen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG deshalb den Fragen nachgehen müssen, ob nach italienischem Recht die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bestanden hat, ob und innerhalb welchen Zeitraums die Rechtsvorgängerin der Klägerin einen entsprechenden Antrag gestellt und Gründe für eine unverschuldete Fristversäumung geltend gemacht hat und ob diese Einwendungen von den italienischen Behörden bzw. Gerichten berücksichtigt worden sind.

22

Sollte eine Art Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach italienischem Recht überhaupt nicht möglich gewesen sein, ist der erkennende Senat der Auffassung, dass ein Verstoß gegen den ordre public vorliegt, der einer Vollstreckung der geltend gemachten Forderung entgegenstünde. Das Gleiche gilt, wenn sich herausstellen sollte, dass ein substantiiert und zeitnah gestellter Antrag, die Fristversäumnis zu entschuldigen, weil sie darauf beruhe, dass sich die Klägerin trotz aller entsprechenden zumutbaren Bemühungen Kenntnis vom Inhalt der ihr zugestellten italienischen Zahlungsaufforderung nicht habe verschaffen können, unbeachtet geblieben ist. In diese Richtung deutet der Senat das Vorbringen der Klägerin in der Tatsacheninstanz. Der Vortrag der Klägerin hätte das FG daher veranlassen müssen, dieser Frage nachzugehen.

23

b) Die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung allein hält der erkennende Senat indes nicht für ausreichend, um einen Verstoß gegen den ordre public zu begründen (vgl. zum Erfordernis einer Rechtsmittelbelehrung nach deutscher höchstrichterlicher Rechtsprechung in Sachen, die kein Steuerrecht betreffen und deshalb auf den Streitfall nicht übertragen werden können, Entscheidungen des BVerfG vom 20. Juni 1995  1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99; vom 28. Juli 1998  1 BvR 781/94, Zeitschrift für offene Vermögensfragen 1998, 339, und vom 30. Januar 1991  2 BvR 712/90, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 1991, 766, sowie Urteile des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe vom 27. Februar 2003  1 AK 29/02, Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht 2004, 199, und des OLG Zweibrücken vom 7. August 2006  1 Ausl 16/05, Neue Zeitschrift für Strafrecht 2007, 109).

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c) Auch die fehlende Übersetzung der Zahlungsaufforderung reicht für sich allein für die Annahme eines Verstoßes gegen den ordre public nicht aus, zumal das FG im Streitfall nicht festgestellt hat, nach welchen Vorschriften die Zustellung bewirkt worden ist und die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in den Blick genommen wurde. Ergänzend bemerkt der Senat, dass dem Urteil des EuGH in EuZW 2010, 146 eine Pflicht des um Rechtshilfe ersuchenden Mitgliedstaats zur Übersetzung eines an in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Abgabenpflichtigen gerichteten Verwaltungsakts nicht zu entnehmen ist. Vielmehr hat der EuGH lediglich darauf hingewiesen, dass die Funktion der rechtzeitigen Zustellung nach Art. 5 RL 76/308/EWG darin bestehe, den Empfänger in die Lage zu versetzen, Gegenstand und Grund des zugestellten Rechtsakts zu verstehen und seine Rechte geltend zu machen. Da der Empfänger des Vollstreckungstitels in der Lage sein müsse, zumindest den Gegenstand und den Grund des Antrags mit Bestimmtheit zu identifizieren, müsse die Zustellung in einer Amtssprache des Mitgliedstaats erfolgen, in dem die ersuchte Behörde ihren Sitz hat. Begründet hat der EuGH diese Auffassung mit dem Ziel der Beitreibungsrichtlinie, insbesondere die wirksame Durchführung der Zustellung von Verfügungen und Entscheidungen zu gewährleisten. Im Streitfall war dem Vollstreckungstitel, dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts, eine deutsche Übersetzung beigefügt.

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d) Hingeben kann dem Argument des HZA nicht gefolgt werden, dass die Vollstreckung bereits deshalb keinen rechtlichen Bedenken begegnet, weil das Urteil des italienischen Oberlandesgerichts in deutscher Sprache vorliege und es deshalb auf die Rechtmäßigkeit der Zahlungsaufforderung nicht mehr ankommen könne. Der Übersetzung des Urteils des italienischen Oberlandesgerichts ist zu entnehmen, dass sich das Gericht mit der Rechtmäßigkeit der Zahlungsaufforderung überhaupt nicht befasst, sondern seine Entscheidung ausschließlich auf die Verfristung des Rechtsbehelfs gestützt hat. Es hat hierzu ausgeführt, dass es in erster Linie notwendig sei, den letzten Anfechtungsgrund zu prüfen, "da dieser im Wesentlichen die Frage der Fristmäßigkeit des erhobenen Widerspruchs gegen den Zahlungsbefehl" betreffe, bei welcher der erstinstanzliche Richter zu einem negativen Ergebnis gekommen sei und diese Frage präjudiziellen Charakter zu den anderen in der Berufungsklage erwähnten Punkten habe. Zu einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das Gericht offensichtlich keine Stellung bezogen. Damit ist das Urteil grundsätzlich geeignet, etwaige nach rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht hinnehmbare Mängel des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens (evtl. Ausschluss der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) zu perpetuieren. In diesem Fall stünde auch das die Verwaltungsentscheidung bestätigende Urteil in einem solch starken Widerspruch zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen, dass die Vollstreckung auf Grundlage eines solchen Titels untragbar erschiene, so dass sie unter Berufung auf den ordre public zu verweigern wäre.

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Dem Urteil des italienischen Oberlandesgerichts ist allerdings nicht zu entnehmen, ob die Vorinstanz das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen, sollten sie überhaupt geltend gemacht worden sein, geprüft hat, so dass das italienische Oberlandesgericht überhaupt Anlass hatte, auf diese Frage einzugehen. Auch dies wird im zweiten Rechtsgang zu klären sein.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.