Finanzgericht München Urteil, 25. Juli 2018 - 4 K 1028/18

bei uns veröffentlicht am25.07.2018

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Beklagte den Antrag des Klägers auf abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.

Am 16. Juli 2009 verstarb X, die Ehefrau des Klägers (im Weiteren: Erblasserin). Entsprechend ihrem privatschriftlichen Testament vom 9. Juli 2009 wurde sie vom Kläger zu ½ und von den beiden gemeinsamen Töchtern zu je ¼ beerbt. Außerdem hatte sie in ihrem Testament ein Vorausvermächtnis zugunsten des Klägers in Bezug auf die Eigentumswohnung samt vier Tiefgaragenstellplätzen in A, B-Straße bestimmt. Die besagte Eigentumswohnung samt Tiefgaragenstellplätzen hatte die Erblasserin mit notarieller Urkunde vom 16. März 2007 von einem Bauträgerunternehmen gekauft. Der notarielle Kaufpreis der neu zu erstellenden Immobilie belief sich auf 3.671.000 € zuzüglich der Kosten für bauliche Sonderwünsche in Höhe von 1.147.480 €. Gleichzeitig war zu Gunsten der Erblasserin die Auflassung erklärt und schließlich am 28. Januar 2008 für sie eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen worden. Der Kläger war im Dezember 2008 zusammen mit der Erblasserin und den beiden Töchtern in die Eigentumswohnung eingezogen. Die Ummeldung ihres gemeinsamen Wohnsitzes war bereits im November 2008 erfolgt. Im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin war diese jedoch noch nicht im Grundbuch als Eigentümerin der Eigentumswohnung eingetragen. Ihre Eintragung als Eigentümerin hatte sich verzögert, weil das Bauträgerunternehmen infolge erforderlich gewordener Nacharbeiten von Subunternehmern die Abrechnung verspätet erstellt hatte und zwischen diesem und der Erblasserin ein Rechtsstreit wegen der letzten Kaufpreisrate entstanden war.

Nach dem Tode der Erblasserin behielt der Kläger seinen Wohnsitz in A, B-Straße bei. Dem Antrag des Klägers im Rahmen seiner Erbschaftsteuererklärung, den erbschaftsteuerrechtlichen Wert der Eigentumswohnung unter dem Gesichtspunkt des Familienheims gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) steuerfrei zu belassen, entsprach der Beklagte nicht und setzte die Erbschaftsteuer des Klägers dementsprechend, zuletzt mit Steuerbescheid vom 25. Juni 2015 auf der Grundlage eines angenommenen Wertes des Erwerbes von 2.563.077 €, auf 340.480 € fest. Der Wert seines Erwerbes umfasste insbesondere den Verkehrswert des Sachleistungsanspruches der Erblasserin von 4.818.840 € abzüglich der auf der Eigentumswohnung lastenden Darlehensschuld von 2.085.681 € sowie sonstiger diesbezüglicher Verbindlichkeiten von 258.000 €. Nach in der Sache erfolglos gebliebenem Einspruchsverfahren erhob der Kläger am 24. Juli 2015 mit dem Begehren, die Steuerbefreiung als Familienheim zu erhalten, gegen den Erbschaftsteuerbescheid Klage zum Finanzgericht München, über die auch der erkennende Senat zu entscheiden hatte. Der Senat sah mangels Erwerbes des zivilrechtlichen Eigentums an der Wohnung durch die Erblasserin die tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung als Familienheim gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG nicht als erfüllt an und wies unter Zulassung der Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) die gegen den Erbschaftsteuerbescheid des Klägers erhobene Klage ab (vgl. FG München Urteil vom 6. April 2016, 4 K 1868/15, EFG 2016, 1015). Die Revision des Klägers zum BFH blieb erfolglos. Mit Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 29. November 2017 wies der BFH (Az.: II R 14/16) die Revision des Klägers gegen das Urteil des Senats als unbegründet zurück. Der BFH bestätigte die Rechtsansicht der Vorinstanz, dass die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG den erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb von Volleigentum an der vom Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilie voraussetzt und keine erweiternde Auslegung im Sinne der Anwendung auf ein Eigentumsanwartschaftsrecht oder einen schuldrechtlichen Anspruch auf Verschaffung von Eigentum an einem Familienheim zulässt.

Noch während des finanzbehördlichen Verfahrens über den Einspruch des Klägers gegen den Erbschaftsteuerbescheid hatte dieser mit Schreiben vom 18. Juli 2012 beim Beklagten die abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) beantragt. Das durch den Beklagten wegen der Höhe der steuerlichen Auswirkung des Billigkeitsantrages des Klägers entsprechend den verwaltungsinternen Regelungen in das behördliche Verfahren eingebundene Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat (im Weiteren: FM) verweigerte mit Schreiben vom 13. Februar 2015 die Erteilung der Zustimmung zu der vom Beklagten vorgeschlagenen Billigkeitsmaßnahme. Mit Bescheid vom 5. März 2015 lehnte der Beklagte demgemäß den Billigkeitsantrag des Klägers ab. Da der Kläger keine Gründe für eine persönliche Unbilligkeit der Steuererhebung vorgetragen hatte, beschränkte sich der Beklagte entsprechend der verwaltungsinternen Entscheidung des FM in seiner Begründung der Ablehnung auf folgende sachliche Erwägungen: Die zivilrechtliche Prägung des Erbschaftsteuerrechts hätte auch für die Auslegung der Steuerbefreiungsvorschriften zu gelten. Da die Steuerbefreiung des Erwerbes eines Familienheims die zivilrechtliche Eigentümerstellung des Erblassers voraussetze, könnte allein wirtschaftliches Eigentum nicht ausreichen. Dies hätte auch für eine Billigkeitsmaßnahme zu gelten. Wenn der noch nicht erfolgte Eigentumsübergang allein auf die fehlende abschließende Bearbeitung des Antrages auf Eigentumsumschreibung durch das Grundbuchamt zurückzuführen gewesen wäre, hätte eventuell unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH zum Zeitpunkt der Ausführung der Grundstücksschenkung eine abweichende Steuerfestsetzung in Frage kommen können. Da die Erblasserin zu ihren Lebzeiten aber noch keinen Antrag auf Eigentumsumschreibung im Grundbuch gestellt hatte, schiede eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen aus. Vielmehr hätte es die Erblasserin nach Ansicht des Beklagten selbst in der Hand gehabt, die Voraussetzung zur Einleitung der Grundbuchumschreibung durch Zahlung der letzten Kaufpreisrate einschließlich der Kosten für die baulichen Sonderwünsche zu erfüllen und damit ihre Eintragung als Eigentümerin der Eigentumswohnung zu veranlassen.

Der Einspruch des Klägers vom 26. März 2015 gegen den Ablehnungsbescheid des Beklagten blieb erfolglos und wurde durch im Wesentlichen auf die bereits im Ablehnungsbescheid genannten Ermessenserwägungen gestützte Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 26. Juni 2016 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 19. Juli 2016 erhobene und an demselben Tage bei Gericht eingegangene Klage (ursprüngliches Az.: 4 K 1988/16). Entsprechend den übereinstimmenden Anträgen der Beteiligten ruhte das vorliegende Klageverfahren aufgrund gerichtlicher Anordnung durch Beschluss vom 28. September 2016 bis zum rechtskräftigen Abschluss des o.g. gegen den Erbschaftsteuerbescheid geführten Klageverfahrens. Durch Beschluss des Berichterstatters vom 10. April 2018 wurde das vorliegende Verfahren unter dem aktuellen Aktenzeichen wiederaufgenommen.

Die Klage wird wie folgt begründet:

Es sei zwar nunmehr bundesgerichtlich geklärt, dass die Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG aufgrund der zivilrechtlichen Prägung des Erbschaftsteuerrechtes nur auf den erbrechtlichen Erwerb von Volleigentum an einer entsprechenden Wohnimmobilie anzuwenden sei und nicht auf den Erwerb eines Eigentumsanwartschaftsrechtes erstreckt werden darf. Die individuellen Umstände des Einzelfalles begründeten jedoch eine besondere sachliche Härte, die eine Herabsetzung der Erbschaftsteuer des Klägers aus Billigkeitsgründen rechtfertige. Zum einen sei anerkannt, dass ein Eigentumsanwartschaftsrecht an einer Immobilie dem Volleigentum an der Immobilie wesensgleich sei und deswegen sachenrechtlich oder insolvenzrechtlich wie Volleigentum behandelt werde. Dies müsse demnach auch erbschaftsteuerrechtlich, wenn schon nicht im materiell-rechtlichen Sinne, dann doch wenigstens unter dem Gesichtspunkt sachlicher Unbilligkeit, gelten. Zum anderen sei – von der verzögerten Eigentumsumschreibung abgesehen – der legislative Zweck der Steuerbefreiungsvorschrift, den gemeinsamen familiären Lebensraum zu schützen, auf eine Lenkungswirkung zugunsten einer lebzeitigen Bildung von Grundvermögen abzuzielen sowie das besonders geschützte Familiengebrauchsvermögen in Gestalt des Familienheims von Ehegatten und Lebenspartnern krisenfest zu erhalten (vgl. Bundestags-Drucksache 16/11107) auch im Streitfall erfüllt gewesen. Bei der streng zivilrechtlichen Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift ergebe sich für den Streitfall eine über ihren legislativen Zweck hinausreichende Wirkung. Dass der Schutz des Familiengebrauchsvermögens lediglich an dem bloßen Zeitfaktor bezüglich der Grundbucheintragung scheitere, stelle eine sachliche Unbilligkeit dar, die im Wege der abweichenden Steuerfestsetzung nach § 163 AO korrigiert werden könne und müsse. Schließlich stehe es außer Zweifel, dass dem Kläger die Steuerbefreiung als Familienheim in Höhe des Grundbesitzwertes der Eigentumswohnung zugutegekommen wäre, wenn sich die Eigentumsumschreibung nicht aus Gründen, die weder die Erblasserin noch der Kläger zu vertreten gehabt habe, verzögert hätte. Ursächlich für die Verzögerung des Grundbucheintrages sei allein der Rechtsstreit mit dem Bauträgerunternehmen über die letzte Kaufpreisrate gewesen. Es wäre für die Erblasserin unzumutbar gewesen, nur um den zivilrechtlichen Erwerb formal zu vollenden ohne Rücksichtnahme auf ihre Rechte und vor der abschließenden Klärung des Rechtsstreites mit dem Bauträgerunternehmen die letzte Kaufpreisrate zu entrichten. Schließlich wäre die Erblasserin Gefahr gelaufen, ihre Rechte nicht mehr in der ihr zustehenden Weise durchsetzen zu können. Der Beklagte gehe deswegen in seiner auf die Ansicht des FM gestützten Auffassung fehl, die Erblasserin habe es völlig frei in der Hand gehabt, die Grundbuchumschreibung zu veranlassen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5. März 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 2016 die durch den Erbschaftsteuerbescheid vom 25. Juni 2015 festgesetzte Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen insoweit herabzusetzen, als diese auf der Versagung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG beruht,

hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 5. März 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 2016 über den Antrag auf abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Nach seiner Ansicht schließe die zivilrechtliche Prägung der Steuerbefreiung nicht nur deren Anwendung auf den Erwerb eines Eigentumsanwartschaftsrechtes an einer als Familienheim genutzten Wohnimmobilie, sondern auch die Möglichkeit einer sachlichen Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO aus. Was nicht im Wege der Gesetzesauslegung erreicht werde könne, sei auch nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme zulässig. Im Übrigen habe es allein in der Verantwortung der Erblasserin gelegen, die Voraussetzungen für die Grundbuchumschreibung zu erfüllen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die den Kläger betreffende Behördenakte und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 25. Juli 2018 Bezug genommen.

Gründe

1.) Die Klage ist als Verpflichtungsklage im Sinne des § 40 Abs. 1 FGO statthaft. Sie ist binnen der hierfür gemäß § 47 Abs. 1 Sätze 1 und 2 FGO vorgeschriebenen Frist erhoben und auch im Übrigen zulässig.

2.) Die Klage ist jedoch unbegründet, weil der Beklagte die vom Kläger beantragte abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.

a) Nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO können u.a. Steuern niedriger festgesetzt werden, wenn deren Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Erfolgt die Billigkeitsmaßnahme nach der Festsetzung der materiell-rechtlich zutreffenden Steuer, so stellt die finanzbehördliche Entscheidung über die abweichende Steuerfestsetzung einen Grundlagenbescheid dar, der die Herabsetzung der Steuer zur Folge hat (Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 21. Juli 2016 X R 11/14, BFHE 254, 497, BStBl II 2017, 22). Die Unbilligkeit im Einzelfall kann sich dabei aus in der Person des Steuerpflichtigen und deren wirtschaftlichen Verhältnissen oder in der Sache selbst liegenden Gründen ergeben (BFH Urteil vom 26. Mai 1994 IV R 51/93, BFHE 174, 482, BStBl II 1994, 833). Sachlich unbillig ist die Erhebung vor allem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zwecke des zugrundeliegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestandes einer Vorschrift bewusst in Kauf genommen hat, stehen jedoch dem Erlass entgegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH Urteil vom 19. März 2009 V R 48/07, BFHE 225, 215, BStBl II 2010, 92). Persönliche Unbilligkeit setzt demgegenüber eine Gefährdung der wirtschaftlichen und persönlichen Existenz des Steuerpflichtigen und der von ihm unterhaltenen Angehörigen voraus, sodass infolge der Steuererhebung der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann (vgl. BFH Urteil vom 26.2.1987 IV R 298/84, BFHE 149, 126, BStBl II 1987, 612).

Das Ergebnis der Billigkeitsprüfung durch die Finanzbehörde stellt eine in deren Ermessen liegende Entscheidung (§ 5 AO) dar und unterliegt, wenn die begehrte Billigkeitsmaßnahme abgelehnt worden ist, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung (§ 102 FGO). Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich darauf, ob die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet und das Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat (vgl. BFH Urteil vom 27. Juli 2011 I R 44/10, BFH/NV 2011, 2005). Eine ermessensfehlerfreie Entscheidung verlangt zum einen, dass die Finanzbehörde diese anhand eines einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhaltes trifft (vgl. BFH Urteil vom 23. Mai 1985 V R 124/79, BFHE 143, 512, BStBl II 1985, 489 und Beschluss vom 6. Juni 1991 V R 102/86, BFH/NV 1992, 787); zum anderen hat die Finanzbehörde eine Gesamtbetrachtung aller Normen vorzunehmen, die für die Entstehung des Steueranspruches im konkreten Falle maßgeblich sind (vgl. BFH Urteile vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297 und vom 26. April 1995 XI R 81/93, BFHE 178, 4, BStBl II 1995, 754). Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Ausschließlich dann, wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null), ist das Gericht befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen und nach § 101 Satz 1 FGO eine Verpflichtung zur Gewährung der Billigkeitsmaßnahme auszusprechen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH Urteile vom 24. August 2011 I R 87/10, BFH/NV 2012, 161, vom 21. August 2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11 und vom 17. April 2013 II R 13/11, BFH/NV 2013, 1383). So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte – im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (vgl. für viele: BFH Urteil vom 26. Oktober 1972 I R 125/70, BFHE 108, 146, BStBl II 1973, 271). Maßgebend für die gerichtliche Überprüfung der finanzbehördlichen Ermessensentscheidung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. Niedersächsisches Finanzgericht -FGUrteil vom 16. September 2015, 9 K 58/14, EFG 2016, 3).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall ist die Ablehnung des Antrages des Klägers vom 18. Juli 2012 gemäß § 163 AO auf Herabsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen durch den Bescheid des Beklagten vom 5. März 2015 frei von grundlegenden Ermessensfehlern.

aa) Da der Kläger keine Gründe für eine persönlich-wirtschaftliche Unbilligkeit der finanzbehördlichen Entscheidung vorgetragen hat, solche auch nicht ersichtlich sind, braucht sich der Senat nur mit der Frage zu befassen, ob in der Sache liegende Billigkeitsgründe sein Klagebegehren stützen. Der Senat erkennt durchaus, dass der Streitfall die Besonderheit aufweist, dass dem Kläger die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG nur deswegen versagt geblieben ist, weil die Eintragung der Erblasserin als Eigentümerin der Eigentumswohnung in A, B-Straße im Grundbuch nicht mehr zu ihren Lebzeiten erfolgt war. Es steht auch außer Zweifel, dass die Erblasserin das zivilrechtliche Eigentum an der Eigentumswohnung, die bereits zu ihren Lebzeiten zum Familienheim bestimmt worden war, erhalten sollte. Ihre Rechtsstellung ist auf den Erwerb von Volleigentum gerichtet gewesen, das ihr aufgrund des ihr bereits zustehenden Anwartschaftsrechtes im Regelfall auch nicht vorzuenthalten gewesen wäre. Allein der Zeitfaktor hat die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift bei der materiell-rechtlichen Festsetzung der Erbschaftsteuer verhindert. So wären im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin alle Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung zugunsten des Klägers erfüllt gewesen, wenn sich die Grundbuchumschreibung nicht aus den vom Kläger geschilderten Gründen über den Erwerbszeitpunkt hinaus verzögert hätte. Insoweit entbehrt der Streitfall auch nicht einer gewissen steuerrechtlichen Härte, als die streitgegenständliche Erbschaftsteuer gegen den Kläger ohne die eingetretene Verzögerung der Eigentumsumschreibung nicht festzusetzen gewesen wäre.

Die Versagung der Steuerbefreiung beruht jedoch nicht auf einem unvermeidbaren Zufall der Ereignisse, sondern auf der bewussten und angesichts der baurechtlichen Situation durchaus verständlichen Entscheidung der Erblasserin bzw. des Klägers, den seinerzeit noch ausstehenden Restkaufpreis erst nach endgültiger Klärung der vollständigen und vertragsgerechten Leistungserbringung zu entrichten. Die vollständige Bezahlung des Kaufpreises vor diesem Zeitpunkt hätte ersichtlich ein hohes finanzielles Risiko für die Erblasserin bzw. den Kläger bedeutet. Insoweit ist die Entscheidung der Erblasserin bzw. des Klägers, den Restkaufpreis bis zur abschließenden Klärung der bauvertraglichen Rechtslage aus wirtschaftlichen Gründen zurückzubehalten, ohne weiteres nachvollziehbar. Dennoch ist es im Grundsatz richtig, einem Steuerpflichtigen die steuerlichen Rechtsfolgen einer bewussten Entscheidung innerhalb seines Verantwortungsbereiches selbst tragen zu lassen.

bb) Die Ablehnung des Billigkeitsantrages durch den Beklagten ist vor allem aber deshalb ermessensgerecht, weil die Rechtsfolge der fehlenden materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Steuerbefreiung auch nicht ohne weiteres durch eine Billigkeitsmaßnahme unterlaufen werden darf. Der Wille des Gesetzgebers, die Gewährung der Steuerbefreiung für den Erwerb des Familienheimes auf das zivilrechtliche Volleigentum an der Wohnimmobilie zu beschränken, steht eindeutig fest und darf durch eine konträr laufende Billigkeitsmaßnahme nicht untergraben werden. Deshalb ist der Gesetzeszweck, nur den Erwerb von zivilrechtlichem Eigentum an einer als Familienheim qualifizierten Wohnimmobilie erbschaftsteuerrechtlich zu entlasten, auch für die Entscheidung über die Herabsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen ausschlaggebend. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG setzt nun einmal voraus, dass der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes Eigentümer des Familienheimes gewesen ist bzw. der überlebende Ehegatte das Eigentum hieran und nicht nur ein Anwartschaftsrecht von Todes wegen erwirbt. Die Steuerbefreiung bloßen wirtschaftlichen Eigentums an einer Wohnung kann nicht auf dem Wege einer Billigkeitsmaßnahme erreicht werden, wenn die Steuerbefreiung lediglich wegen des Stichtagsprinzips verpasst worden ist. Dass einerseits vor einem bestimmten Stichtag entstehende steuererhöhende Umstände zu berücksichtigen und andererseits nach diesem Stichtag eintretende steuermindernde Umstände steuerlich nicht mehr berücksichtigt werden können, beruht allein auf einer gesetzgeberischen Entscheidung, die auch nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme korrigiert werden darf (vgl. Oellerich in Gosch AO, FGO § 163 AO Rdnr. 123; Frotscher in Pahlke/Schwarz AO § 163 Rz. 65). Dies steht auch im Einklang mit dem Grundsatz, dass sachliche Billigkeitsgründe für eine Steuerermäßigung nur gegeben sind, wenn die Besteuerung eines Sachverhalts, der unter einen gesetzlichen Besteuerungstatbestand fällt, im Einzelfall mit dem Sinn und Zweck des Steuergesetzes nicht vereinbar ist (vgl. für viele: BFH Urteil vom 21. Januar 1992 VIII R 51/88, BFHE 168, 500, BStBl II 1993, 3). Eine Billigkeitsentscheidung, die dieses Prinzip durchbräche und die Steuerbefreiung gewährte, obwohl der erbschaftsteuerrechtliche Erwerber kein zivilrechtliches Eigentum erhalten hat, würde die gesetzgeberische Entscheidung, wirtschaftliches Eigentum gerade nicht zu begünstigen, nicht nur im Streitfalle, sondern auch für sämtliche vergleichbare Erwerbsfälle von Eigentumsanwartschaftsrechten auf derartige Immobilien in ihr Gegenteil umkehren.

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Finanzgericht München Urteil, 25. Juli 2018 - 4 K 1028/18 zitiert 12 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Abgabenordnung - AO 1977 | § 163 Abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen


(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mi

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 105


(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrun

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 102


Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Er

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 101


Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spr

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 40


(1) Durch Klage kann die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer a

Abgabenordnung - AO 1977 | § 5 Ermessen


Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 47


(1) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen des § 45 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf

Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz - ErbStG 1974 | § 13 Steuerbefreiungen


(1) Steuerfrei bleiben 1. a) Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke beim Erwerb durch Personen der Steuerklasse I, soweit der Wert insgesamt 41 000 Euro nicht übersteigt,b) andere bewegliche körperliche Gegenstände, die nicht nach Nummer 2

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Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seines am 2. August 2002 verstorbenen Groß- und Adoptivvaters. Zum Nachlass gehörte u.a. eine Komm

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(1) Steuerfrei bleiben

1.
a)
Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke beim Erwerb durch Personen der Steuerklasse I, soweit der Wert insgesamt 41 000 Euro nicht übersteigt,
b)
andere bewegliche körperliche Gegenstände, die nicht nach Nummer 2 befreit sind, beim Erwerb durch Personen der Steuerklasse I, soweit der Wert insgesamt 12 000 Euro nicht übersteigt,
c)
Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke und andere bewegliche körperliche Gegenstände, die nicht nach Nummer 2 befreit sind, beim Erwerb durch Personen der Steuerklassen II und III, soweit der Wert insgesamt 12 000 Euro nicht übersteigt.
Die Befreiung gilt nicht für Gegenstände, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen gehören, für Zahlungsmittel, Wertpapiere, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine und Perlen;
2.
Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive
a)
mit 60 Prozent ihres Werts, jedoch Grundbesitz und Teile von Grundbesitz mit 85 Prozent ihres Werts, wenn die Erhaltung dieser Gegenstände wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, die jährlichen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen und die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht sind oder werden,
b)
in vollem Umfang, wenn die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllt sind und ferner
aa)
der Steuerpflichtige bereit ist, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen,
bb)
die Gegenstände sich seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie befinden oder in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach § 7 Absatz 1 des Kulturgutschutzgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1914) in der jeweils geltenden Fassung eingetragen sind.
Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Gegenstände innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen;
3.
Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, der für Zwecke der Volkswohlfahrt der Allgemeinheit ohne gesetzliche Verpflichtung zur Benutzung zugänglich gemacht ist und dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, wenn die jährlichen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Grundbesitz oder Teile des Grundbesitzes innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen;
4.
ein Erwerb nach § 1969 des Bürgerlichen Gesetzbuchs;
4a.
Zuwendungen unter Lebenden, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum oder Miteigentum an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes verschafft, soweit darin eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (Familienheim), oder den anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung des Familienheims freistellt. Entsprechendes gilt, wenn ein Ehegatte nachträglichen Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand für ein Familienheim trägt, das im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten oder im Eigentum des anderen Ehegatten steht. Die Sätze 1 und 2 gelten für Zuwendungen zwischen Lebenspartnern entsprechend;
4b.
der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert;
4c.
der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt. Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert;
5.
die Befreiung von einer Schuld gegenüber dem Erblasser, sofern die Schuld durch Gewährung von Mitteln zum Zweck des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten begründet worden ist oder der Erblasser die Befreiung mit Rücksicht auf die Notlage des Schuldners angeordnet hat und diese auch durch die Zuwendung nicht beseitigt wird. Die Steuerbefreiung entfällt, soweit die Steuer aus der Hälfte einer neben der erlassenen Schuld dem Bedachten anfallenden Zuwendung gedeckt werden kann;
6.
ein Erwerb, der Eltern, Adoptiveltern, Stiefeltern oder Großeltern des Erblassers anfällt, sofern der Erwerb zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erwerbers 41 000 Euro nicht übersteigt und der Erwerber infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen und unter Berücksichtigung seiner bisherigen Lebensstellung als erwerbsunfähig anzusehen ist oder durch die Führung eines gemeinsamen Hausstands mit erwerbsunfähigen oder in der Ausbildung befindlichen Abkömmlingen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Übersteigt der Wert des Erwerbs zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erwerbers den Betrag von 41 000 Euro, wird die Steuer nur insoweit erhoben, als sie aus der Hälfte des die Wertgrenze übersteigenden Betrags gedeckt werden kann;
7.
Ansprüche nach den folgenden Gesetzen in der jeweils geltenden Fassung:
a)
Lastenausgleichsgesetz,
b)
Flüchtlingshilfegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Mai 1971 (BGBl. I S. 681), zuletzt geändert durch Artikel 6a des Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1742),
c)
Allgemeines Kriegsfolgengesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 653-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 127 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407),
d)
Gesetz zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und der Rechtsverhältnisse an deren Vermögen vom 17. März 1965 (BGBl. I S. 79), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 17 des Gesetzes vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354),
e)
Häftlingshilfegesetz, Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz sowie Bundesvertriebenengesetz,
f)
Vertriebenenzuwendungsgesetz vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2624, 2635), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 43 des Gesetzes vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2809),
g)
Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1620), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118), und
h)
Berufliches Rehabilitierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1625), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118);
8.
Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach den folgenden Gesetzen in der jeweils geltenden Fassung:
a)
Bundesentschädigungsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 251-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 7 Abs. 4 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358), sowie
b)
Gesetz über Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet vom 22. April 1992 (BGBl. I S. 906);
9.
ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20 000 Euro, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist;
9a.
Geldzuwendungen unter Lebenden, die eine Pflegeperson für Leistungen für körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung vom Pflegebedürftigen erhält, bis zur Höhe des nach § 37 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gewährten Pflegegeldes oder eines entsprechenden Pflegegeldes aus privaten Versicherungsverträgen nach den Vorgaben des Elften Buches Sozialgesetzbuch (private Pflegepflichtversicherung) oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften für häusliche Pflege;
10.
Vermögensgegenstände, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten und die an diese Personen von Todes wegen zurückfallen;
11.
der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs oder des Erbersatzanspruchs;
12.
Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten;
13.
Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes, wenn sie die für eine Befreiung von der Körperschaftsteuer erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Ist eine Kasse nach § 6 des Körperschaftsteuergesetzes teilweise steuerpflichtig, ist auch die Zuwendung im gleichen Verhältnis steuerpflichtig. Die Befreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfallen;
14.
die üblichen Gelegenheitsgeschenke;
15.
Anfälle an den Bund, ein Land oder eine inländische Gemeinde (Gemeindeverband) sowie solche Anfälle, die ausschließlich Zwecken des Bundes, eines Landes oder einer inländischen Gemeinde (Gemeindeverband) dienen;
16.
Zuwendungen
a)
an inländische Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts oder an inländische jüdische Kultusgemeinden,
b)
an inländische Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken im Sinne der §§ 52 bis 54 der Abgabenordnung dienen. Die Befreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse als kirchliche, gemeinnützige oder mildtätige Institution innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfallen und das Vermögen nicht begünstigten Zwecken zugeführt wird,
c)
an ausländische Religionsgesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen der in den Buchstaben a und b bezeichneten Art, die nach § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes in Verbindung mit § 5 Absatz 2 Nummer 2 zweiter Halbsatz des Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreit wären, wenn sie inländische Einkünfte erzielen würden, und wenn durch die Staaten, in denen die Zuwendungsempfänger belegen sind, Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung geleistet werden. Amtshilfe ist der Auskunftsaustausch im Sinne oder entsprechend der Amtshilferichtlinie gemäß § 2 Absatz 11 des EU-Amtshilfegesetzes in der für den jeweiligen Stichtag der Steuerentstehung geltenden Fassung oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsaktes. Beitreibung ist die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Sinne oder entsprechend der Beitreibungsrichtlinie einschließlich der in diesem Zusammenhang anzuwendenden Durchführungsbestimmungen in den für den jeweiligen Stichtag der Steuerentstehung geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsaktes. Werden die steuerbegünstigten Zwecke des Zuwendungsempfängers im Sinne des Satzes 1 nur im Ausland verwirklicht, ist für die Steuerbefreiung Voraussetzung, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefördert werden oder dass die Tätigkeit dieses Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann. Buchstabe b Satz 2 gilt entsprechend;
17.
Zuwendungen, die ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist;
18.
Zuwendungen an
a)
politische Parteien im Sinne des § 2 des Parteiengesetzes, sofern die jeweilige Partei nicht gemäß § 18 Absatz 7 des Parteiengesetzes von der staatlichen Teilfinanzierung ausgeschlossen ist,
b)
Vereine ohne Parteicharakter, wenn
aa)
der Zweck des Vereins ausschließlich darauf gerichtet ist, durch Teilnahme mit eigenen Wahlvorschlägen an Wahlen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der politischen Willensbildung mitzuwirken, und
bb)
der Verein auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der jeweils letzten Wahl wenigstens ein Mandat errungen oder der zuständigen Wahlbehörde oder dem zuständigen Wahlorgan angezeigt hat, dass er mit eigenen Wahlvorschlägen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene an der jeweils nächsten Wahl teilnehmen will.
Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Verein an der jeweils nächsten Wahl nach der Zuwendung nicht teilnimmt, es sei denn, dass der Verein sich ernsthaft um eine Teilnahme bemüht hat;
19.
Leistungen von Religionsgemeinschaften, juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen an Personen in Ansehung der Beeinträchtigung ihrer körperlichen oder seelischen Unversehrtheit, insbesondere aufgrund sexuellen Missbrauchs, durch Handlungen von Personen, die für die Religionsgemeinschaft, juristische Person des öffentlichen Rechts, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse oder für eine ihr über-, neben- oder nachgeordnete Einrichtung tätig sind oder waren, wenn die Leistungen in einem geordneten Verfahren gewährt werden, das allen betroffenen Personen offensteht. § 30 Absatz 1 und 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Anzeigepflicht ausschließlich für den Leistenden besteht. Die Anzeige ist mit einer Bestätigung des Leistenden über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 zu verbinden.

(2) Angemessen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 und 12 ist eine Zuwendung, die den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entspricht. Eine dieses Maß übersteigende Zuwendung ist in vollem Umfang steuerpflichtig.

(3) Jede Befreiungsvorschrift ist für sich anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 kann der Erwerber der Finanzbehörde bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, daß er auf die Steuerbefreiung verzichtet.

Gründe

Finanzgericht München

Az.: 4 K 1868/15

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

Stichwort: Keine Steuerbefreiung als Familienheim bei einem Eigentumsanwartschaftsrecht

In der Streitsache

...

Kläger

prozessbevollmächtigt: ...

gegen

Finanzamt ...

- Beklagter

wegen Erbschaftsteuer

hat der 4. Senat des Finanzgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht die Richterin am Finanzgericht ... und den Richter am Finanzgericht ..., sowie den ehrenamtlichen Richter ... und die ehrenamtliche Richterin .... aufgrund der mündlichen Verhandlung

vom 6. April 2016

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Eine Abschrift oder Ausfertigung des Urteils soll ihr beigefügt werden. Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Begründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen.

Rechtsmittel können auch über den elektronischen Gerichtsbriefkasten des Bundesfinanzhofs eingelegt und begründet werden, der über die vom Bundesfinanzhof zur Verfügung gestellte Zugangs- und Ubertragungssoftware erreichbar ist. Die Software kann über die Internetseite „www.bundesfinanzhof.de“ lizenzkostenfrei heruntergeladen werden. Hier befinden sich auch weitere Informationen über die Einzelheiten des Verfahrens, das nach der Verordnung der Bundesregierung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesverwaltungsgericht und beim Bundesfinanzhof vom 26. November 2004 (BGBl. I S. 3091) einzuhalten ist.

Vor dem Bundesfinanzhof müssen sich die Beteiligten durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesfinanzhof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer zugelassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, deren Partner ausschließlich Rechtsanwälte, niedergelassene europäische Rechtsanwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer oder vereidigte Buchprüfer sind. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe des vorhergehenden Satzes zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Bundesfinanzhof hat die Postanschrift: Postfach 86 02 40, 81629 München, und die Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München, sowie den Telefax-Anschluss: 089/9231-201.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die erbschaftsteuerrechtliche Vergünstigung als Familienheim auch anwendbar ist, wenn der Erblasser im Zeitpunkt des Erbfalles nur ein Anwartschaftsrecht auf das Volleigentum an der selbst genutzten Wohnung gehabt hatte.

Die am 16. Juli 2009 verstorbene A, die Ehefrau des Klägers (im Weiteren Erblasserin), hatte mit notarieller Urkunde vom 16. März 2007 mit der Fa. X KG, einem damals bestehenden Bauträgerunternehmen, einen Kaufvertrag über den Erwerb einer Eigentumswohnung samt Tiefgaragenplätzen abgeschlossen. Gegenstand des Kaufvertrages war im Einzelnen der Miteigentumsanteil von 641/1000 am Grundstück Flurstücknummer ... der Gemarkung O in M, Z-Straße verbunden mit dem Sondereigentum an der seinerzeit noch zu erstellenden Eigentumswohnung Nr. 2 zuzüglich vier Miteigentumsanteile von jeweils 1/1000 verbunden mit dem Sondereigentum an den Tiefgaragenstellplätzen 3, 4, 5 und 6. Der beurkundete Kaufpreis hatte 3.671.000 € betragen. Unter Berücksichtigung der Kosten für bauliche Sonderwünsche war zusätzlich noch einen Betrag von 1.147.480 € bezahlt worden. Zugleich hatten die Kaufvertragsparteien die Auflassung erklärt. Am 28. Januar 2008 war zugunsten der Erblasserin eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen worden. Laut Auskunft aus dem Melderegister der Stadt M befand sich der Wohnsitz der Erblasserin seit dem 26. November 2008 an der Adresse in der Z-Straße. Die Ummeldung des Wohnsitzes des Klägers erfolgte am darauffolgenden Tag. Nach Angabe des Klägers bezog dieser zusammen mit der Erblasserin und ihren beiden gemeinsamen, damals bereits volljährigen Töchtern die gekaufte Eigentumswohnung im Dezember 2008. Die Eintragung der Erblasserin als Eigentümerin im Grundbuch erfolgte jedoch nicht mehr zu ihren Lebzeiten. In ihrem privatschriftlichen Testament vom 9. Juli 2009 hatte die Erblasserin letztwillig verfügt, dass der Kläger ihre Eigentumswohnung in der Z-Straße allein erhalten sollte, wogegen sie für ihr restliches Vermögen die gesetzliche Erbfolge bestimmt hatte. Entsprechend dem notariellen Antrag vom 21. Oktober 2009 an das Nachlassgericht stellte das Amtsgericht M dem Kläger und seinen beiden Töchtern am 17. November 2009 einen gemeinsamen Erbschein aus, demzufolge die Erblasserin vom Kläger zu 1/2 und von ihren Töchtern zu je ¼ beerbt worden war. Mit notarieller Urkunde vom 24. November 2009 vereinbarte der Kläger mit seinen beiden Töchtern die Erfüllung der als Vermächtnis ausgelegten letztwilligen Verfügung der Erblasserin in Bezug auf die Eigentumswohnung in der Z-Straße, die danach in das Alleineigentum des Klägers übergehen sollte. Ausweislich der unter dem Datum des 23. Februar 2011 erstellten gemeinsamen Erbschaftsteuererklärung des Klägers und seiner beiden Töchter umfasste der Nachlass im Wesentlichen den Wert der Eigentumswohnung, darüber hinaus eine Beteiligung an einer Personengesellschaft, einen Versicherungsanspruch sowie Hausrat, Schmuck und ein Kraftfahrzeug. Außerdem enthielt die Erbschaftsteuererklärung einen Antrag auf Gewährung der Steuerbefreiung des Grundbesitzwertes der Eigentumswohnung in der Z-Straße als sogenanntes Familienheim, wo sich auch weiterhin der Wohnsitz des Klägers befindet.

Demgegenüber ging der Beklagte in Bezug auf die Eigentumswohnung in der Z-Straße aufgrund der Tatsache, dass die Erblasserin zu Lebzeiten noch nicht als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen war, nicht von einem erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb von Grundvermögen, sondern von einem Erwerb eines Eigentumsverschaffungsanspruches aus, der nicht mit dem Grundbesitzwert der Immobilie sondern mit seinem Verkehrswert anzusetzen wäre. Die Steuervergünstigung als Familienheim hielt der Beklagte deshalb nicht für anwendbar. Demzufolge setzte der Beklagte die Erbschaftsteuer des Klägers mit Steuerbescheid vom 15. Juli 2011 auf der Grundlage eines angenommenen Wertes des Erwerbes von 2.634.618,50 € auf 354.084 € fest. Der Wert des Erwerbes umfasste insbesondere den Verkehrswert des Sachleistungsanspruches von 4.818.840 € (d. h. notarieller Kaufpreis der Eigentumswohnung zuzüglich der Kosten der Sonderwünsche) abzüglich der auf der Eigentumswohnung lastenden Darlehensschuld von 2.085.681 € sowie sonstiger diesbezüglicher Verbindlichkeiten von 258.000 €. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 12. August 2011 Einspruch ein und wendete sich u. a. gegen die Versagung der Steuerfreistellung des Grundbesitzwertes der Eigentumswohnung als Familienheim. Der Beklagte half dem Einspruch in Bezug auf hier nicht streitgegenständliche Besteuerungsgrundlagen teilweise ab und setzte die Erbschaftsteuer des Klägers mit Steuerbescheid vom 25. Juni 2015 auf 340.480 € herab. Soweit sich der Einspruch des Klägers gegen die Sachbehandlung der Eigentumswohnung durch den Beklagten richtete, blieb er jedoch erfolglos und wurde durch Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 26. Juni 2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 24. Juli 2015 erhobene und an demselben Tag bei Gericht eingegangene Klage, die im Wesentlichen wie folgt begründet wird: Die Steuerbefreiung als Familienheim müsse auch im Streitfall gewährt werden. Die Eigentumswohnung sei seit Dezember 2008 bis zum Eintritt des Erbfalles nicht nur von der Erblasserin sondern auch vom Kläger und den gemeinsamen Töchtern bewohnt worden und stelle weiterhin bis heute insbesondere den Wohnsitz des Klägers dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken einerseits durch die Erblasserin bis zum Eintritt des Erbfalles und andererseits ab diesem Zeitpunkt durch den Kläger seien erfüllt. Soweit die gesetzliche Steuerbefreiungsvorschrift den Erwerb von Todes wegen von Eigentum an einem bebauten Grundstück, auf das die o.g. Nutzungsbedingungen zutreffen, voraussetzt, sei nicht allein auf zivilrechtliches Volleigentum des Erblassers abzustellen. Die Motive des Gesetzgebers, durch diese Steuerfreistellung zum einen das immobile Familiengebrauchsvermögen krisenfest zu erhalten und zum anderen eine Lenkungswirkung in Grundvermögen zu erzielen, mache deutlich, dass auch das Bestehen von wirtschaftlichem Eigentum in der Person des Erblassers ausreiche. Die Rechtslage sei vergleichbar mit der Anwendung der Eigenheimförderung durch das Eigenheimzulagengesetz. Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung sei auch hier die Stellung als wirtschaftlicher Immobilieneigentümer für die Gewährung der Förderung ausreichend. Auch wenn das Erbschaftsteuerrecht an das Prinzip der Maßgeblichkeit des Zivilrechts anknüpfe, so müsse dennoch die konkrete Steuerbefreiungsvorschrift nach ihren steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhängen interpretiert werden. Begünstigende Vorschriften könnten deswegen auch erweiternd ausgelegt werden, ebenso wie im Einzelfall die Anwendung der Vorschrift des § 39 der Abgabenordnung (AO) im Bereich der Verkehrsteuern nicht vorneherein ausgeschlossen sei. Richtig sei zwar, dass ein dingliches Nutzungsrecht gegenüber dem Eigentum ein wesensgleiches „Minus“ darstelle und deshalb nicht in den Anwendungsbereich der Regelung des Familienheims falle. Dies gelte jedoch nicht für ein Eigentumsanwartschaftsrecht, das eine wesensgleiche Vorstufe des Volleigentums bilde. Die Erblasserin habe im Streitfall infolge der Auflassung und der Eintragung der Auflassungsvormerkung noch zu ihren Lebzeiten ein solches Anwartschaftsrecht erworben. Der Erwerb des Eigentums an der Wohnung in der Z-Straße habe nur noch eines Umschreibungsantrages durch die Erblasserin bedurft und sei von dritter Seite nicht mehr zu verhindern gewesen. Der Umschreibungsantrag habe sich seinerzeit nur deshalb verzögert, weil es zwischen der Erblasserin und dem Bauträgerunternehmen Unstimmigkeiten über die Kosten der Sonderwünsche gegeben habe. Würden das Vollrecht und das Anwartschaftsrecht im Rahmen der Steuerbefreiung des Familienheims ungleich behandelt werden, so führte dies zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Auch bei einer freigebigen Zuwendung sei der schenkungsteuerrechtliche Tatbestand erfüllt, wenn die Zuwendung ausgeführt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes). Im Fall einer Grundstücksschenkung sei dies nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung der Fall, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte in der Lage ist, die Eintragung der Rechtsänderung herbeizuführen. Der Zeitpunkt des Erwerbes des zivilrechtlichen Eigentums sei auch hier nicht abzuwarten. Die Gewährung der Steuervergünstigung als Familienheim dürfe sich nicht nach dem Zeitpunkt der Eintragung im Wohnungsgrundbuch richten, weil sie hierdurch allein von einem rein zufälligen Ereignis abhängig gemacht würde. Sowohl die teleologische als auch die verfassungskonforme Auslegung der Steuerbefreiungsnorm verbiete eine Differenzierung zwischen Anwartschaftsrecht und Vollrecht. Hätte der Gesetzgeber diesen Umstand bedacht, hätte er dies auch im Sinne der Klagebegründung geregelt. Die Gewährung der Steuervergünstigung dürfe schließlich nicht von Umständen abhängig gemacht werden, die allein in der Person des Bauträgers gelegen haben. Die Versagung der Steuervergünstigung verstoße zudem sowohl gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG als auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

Der Kläger beantragt,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 25. Juni 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2015 dahingehend zu ändern, dass die Erbschaftsteuer des Klägers auf 0,- € herabgesetzt wird,

hilfsweise für den Fall der Klageabweisung die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Fall der Klagestattgabe die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Nach seiner Ansicht sei der eindeutige Wortlaut der Steuerbefreiungsvorschrift nicht erfüllt. Die Gewährung der Vergünstigung als Familienheim setze ausdrücklich den Erwerb des Eigentums an einem bebauten Grundstück voraus. Dies habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seiner Entscheidung, durch die er die Gewährung der Steuervergünstigung für den Erwerb eines dinglichen Wohnrechts verneint hat, deutlich gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die den Kläger betreffende Behördenakte und auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 6. April 2016 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1.) Die fristgerecht erhobene, und auch im Ubrigen zulässige Klage ist unbegründet.

a) Sowohl der Erwerb durch Erbanfall im Sinne des § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als auch der Erwerb aufgrund Vermächtnisses im Sinne des § 2147 BGB unterliegen jeweils als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der auf den Streitfall anzuwendenden Fassung -ErbStG-). Die Erbschaftsteuer entsteht in beiden Fällen mit dem Tode des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Als steuerpflichtiger Erwerb gilt die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht etwa aufgrund der Vorschriften der §§ 5, 13, 13a, 13c, 16, 17 und 18 ErbStG steuerfrei ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Insbesondere nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG bleibt der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner steuerfrei, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim).

b) Der klagegegenständliche Erbschaftsteuerbescheid vom 15. Juli 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

aa) Der Beklagte ist im Streitfall zu Recht von einem erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb des Klägers zum einen aufgrund Erbanfalls durch gesetzliche Erbfolge als Miterbe mit einem Erbanteil von ! (§§ 1922, 2032ff BGB) und zum anderen aufgrund des die Rechte der Erblasserin an der streitgegenständlichen Eigentumswohnung betreffenden Vermächtnisses (§§ 2147, 2174 BGB) ausgegangen. Bei letzterem handelt es sich um ein Vorausvermächtnis nach § 2150 BGB. Auch wenn der Kläger insoweit erbschaftsteuerrechtlich zwei selbstständige Erwerbstatbestände nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt hat, bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, diese - wie im Streitfall erfolgt - verfahrensrechtlich in einem einzigen, den klagegegenständlichen, Erbschaftsteuerbescheid zusammenzufassen, weil die Erbschaftsteuer in beiden Fällen aus demselben Anlass und in demselben Zeitpunkt, das heißt, im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin, entstanden ist (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

bb) Die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerfreistellung als Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG sind jedoch im Streitfall nicht erfüllt.

α) Die hier in Rede stehende vom Kläger erworbene Wohnung in M in der Z-Straße ist als Eigentumswohnung im bewertungsrechtlichen Sinne (vgl. § 181 Abs. 1 Nr. 3 BewG) uneingeschränkt als Objekt der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG geeignet. Des Weiteren sind die erforderlichen Nutzungsverhältnisse im Streitfall erfüllt, weil die Erblasserin unstreitig die Wohnung bereits seit Dezember 2008 bis zu ihrem Ableben selbst bewohnt hat und der Kläger unstreitig die Nutzung dieser Wohnung zu eigenen Wohnzwecken auch danach weiter fortgesetzt hat.

β) Außerdem ist unstreitig, dass die Erblasserin zu ihren Lebzeiten nicht mehr als zivilrechtliche Eigentümerin in das Wohnungsgrundbuch eingetragen worden ist. Die Umschreibung des Eigentums ist vielmehr erst zum 2. Februar 2010 erfolgt. Da die Erblasserin daher im Zeitpunkt ihres Todes mangels Eintragung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) noch nicht das Wohnungseigentum in Gestalt des genannten Miteigentumsanteils verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2, sowie die Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an den vier Tiefgaragenstellplätzen erworben hatte (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht -WEG-), ist dieses auch nicht Bestandteil ihres Nachlasses geworden. Gemäß § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den bzw. die Erben über. Nach dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge kann der Rechtsnachfolger somit nur in die Rechtsstellung eintreten, die der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes innegehabt hat. Im Streitfall hat der Erblasserin gegen die Fa. X KG aufgrund des notariellen Kaufvertrages vom 16. März 2007 ein schuldrechtlicher Anspruch im Sinne des § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Übertragung der Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 2 bzw. den Tiefgaragenstellplätzen zugestanden.

Als Folge der bereits in der notariellen Urkunde erklärten Auflassung (§ 925 BGB) sowie der Eintragung einer Auflassungsvormerkung (§ 883 BGB) zugunsten der Erblasserin am28. Januar 2008 hatte sie zu diesem Zeitpunkt aber auch bereits ein Anwartschaftsrecht auf das Wohnungseigentum erworben. Voraussetzung eines Anwartschaftsrechtes ist, dass von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtes schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechtes Beteiligte nicht mehr durch eine einseitige Erklärung zu zerstören vermag (Bundesgerichtshof -BGH- Beschluss vom 18. Dezember 1967 V ZB 6/67, BGHZ 49, 197). In Bezug auf den Erwerb des Eigentums an einem Grundstück ist von einer derart gesicherten Rechtsposition auszugehen, wenn - wie im Streitfall - bereits die Auflassung erklärt und zugunsten des Auflassungsempfängers eine Vormerkung mit der Sicherungswirkung der Vorschriften der § 883 Abs. 2, § 888 BGB im Grundbuch eingetragen worden ist (BGH Urteil vom 25. Februar 1966 V ZR 129/63, BGHZ 45, 186).

γ) Soweit die Steuerfreistellung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG den Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an der das Familienheim bildenden Immobilie voraussetzt, ist darunter das Eigentum im zivilrechtlichen Sinne zu verstehen. Da es sich bei den erbschaftsteuerrechtlichen Erwerbs- und Zuwendungsvorgängen um solche des Rechtskehrs handelt, die privatrechtlich, zumeist in den Vorschriften des BGB, geregelt sind, sind die zivilrechtlichen Begriffe auch für die Besteuerung maßgeblich (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher ErbStG Einf. Tz. 29; Pahlke in Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter ErbStG 5. Auflage 2014 Einführung Rdn. 4; Viskorf in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz ErbStG 4. Auflage 2012 Einführung Rdn. 36). Wegen der engen Verbindung zwischen Zivilrecht und Erbschaftsteuerrecht wird auch von der bürgerlich-rechtlichen Prägung bzw. der Maßgeblichkeit des Zivilrechts gesprochen (vgl. auch BFH Urteil vom 26. November 1986 II R 190/81, BFHE 148, 324, BStBl II 1987, 175). Dies gilt zunächst u. a. für die Tatbestände des Erwerbes von Todes wegen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, darüber hinaus aber auch für die Fragen der Vermögenszuordnung. Die Abhängigkeit von den zivilrechtlichen Gesetzesbegriffen ist allenfalls dort gelöst, wo das ErbStG eigenständige Rechtsbegriffe verwendet (Viskorf in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz ErbStG 4. Auflage 2012 Einführung Rdn. 36). Dies ist in Bezug auf das Tatbestandsmerkmal des Erwerbes von Eigentum bzw. Miteigentum im Rahmen der Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG jedoch nicht der Fall.

Damit steht jedenfalls fest, dass der Umstand, dass der Kläger als (Mit-)Erbe mit dem Tode der Erblasserin deren schuldrechtlichen Anspruch gegen die Fa. X KG auf Übereignung der Immobilie zur Hälfte (mit-)erworben hat, einem Erwerb des Eigentums an der Eigentumswohnung im Sinne der Steuerbefreiungsvorschrift nicht gleichzusetzen ist. Das Gleiche gilt für den Erwerb des Klägers durch Vermächtnis. Auch wenn die Erblasserin dem Kläger nach dem Wortlaut ihres Testamentes die gesamte Immobilie in der Z-Straße zukommen lassen wollte, so ist der Inhalt dieses Vorausvermächtnisses an der Rechtsqualität des Vermächtnisgegenstandes im Zeitpunkt des Erbfalles zu bestimmen. Der durch den Kläger erworbene Vermächtnisanspruch im Sinne des § 2174 BGB ist nicht auf Verschaffung des Eigentums an der Immobilie aus dem Nachlassvermögen, sondern auf Abtretung des Eigentumsver-schaffungsanspruches der Erblasserin gegen die Fa. X KG gerichtet gewesen. Somit hat nicht nur der Erwerb des Klägers von Todes wegen durch Erbanfall als Miterbe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. ErbStG) sondern auch der Erwerb des Klägers von Todes wegen durch Vermächtnis (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 2. Alt. ErbStG) allein den Eigentumsverschaffungsanspruch aufgrund des Kaufvertrages vom 16. März 2007 sowie das Anwartschaftsrecht auf den Erwerb des Eigentums an der Immobilie, nicht hingegen das Grundstückseigentum selbst zum Gegenstand gehabt. Folgerichtig ist bundesgerichtlich entschieden, dass der erbschaftsteuer-rechtliche Erwerb eines auf Übertragung von Grundbesitz gerichteten, vertraglichen Sachleistungsanspruches mit dem gemeinen Wert und nicht nach den für Grundbesitz maßgebenden gesonderten Bewertungsvorschriften anzusetzen ist (vgl. BFH Urteil vom 15. Oktober 1997 II R 68/95, BFHE 183, 248, BStBl II 1997, 820).

δ) Nach Ansicht des Senates genügt der Erwerb wirtschaftlichen Eigentums an der das Familienheim bildenden Immobilie jedenfalls den Voraussetzungen der Steuerfreistellung gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG nicht.

Dem Kläger ist zunächst einzuräumen, dass eine von der zivilrechtlichen Beurteilung abweichende Zuordnung von Vermögensgegenständen, die in einen Erwerbs- oder Zuwendungsvorgang einbezogen sein können, in besonderen Einzelfällen in Betracht kommen kann, wenn der jeweilige Steuertatbestand hinreichende Anhaltspunkte für eine selbstständige Würdigung der mit einem solchen Vorgang verbundenen Vermögensverschiebungen enthält (Gebel in Troll/Gebel/Jülicher ErbStG Einf. Tz. 32). Dies ist nach Ansicht des Senates jedoch im Streitfall nicht anzunehmen. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers lässt sich dies auch nicht aus den Motiven des Gesetzgebers ableiten, mittels der Steuerfreistellung einer als Familienheim genutzten Immobilie zum einen den gemeinsamen familiären Lebensraum schützen und das Familiengebrauchsvermögen krisenfest erhalten, sowie zum anderen eine Wirkung der Lenkung in immobiles Vermögen erzielen zu wollen (vgl. BundestagsDrucksache 16/11107 vom 26. November 2008). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber aufgrund dieser Intentionen auch den ansonsten geltenden Grundsatz der Anknüpfung an zivilrechtliche Erwerbstatbestände sowie an den zivilrechtlichen Begriff des Eigentums durchbrechen wollte.

Wirtschaftliches Eigentum ist entsprechend der abgabenrechtlichen Norm des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO über die Zurechnung eines Wirtschaftsgutes immer dann anzunehmen, wenn jemand, dem nicht das zivilrechtliche Eigentum hieran zusteht, die tatsächliche Sachherrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den (zivilrechtlichen) Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließt. Die Vorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist jedoch Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und daher auf Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen - wie dies bei der Erbschaftsteuer der Fall ist -, nicht oder zumindest nur nach Sachlage des Einzelfalles anwendbar. Darum ist der Begriff des wirtschaftlichen Eigentums nur auf die Steuerarten, die wirtschaftlichen Gesichtspunkten folgen (z. B. Einkommensteuer), anzuwenden, regelmäßig nicht aber auf die Verkehrsteuern (vgl. BFH Urteil vom 22. September 1982 II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179). Soweit der Kläger zwischen den Gesetzesmotiven für die Vergünstigung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG und dem Zweck der Eigenheimförderung nach dem Eigenheimzulagengesetz eine Parallele herzuleiten beabsichtigt, ist dem entgegen zu halten, dass die ergänzende Überlegung des Gesetzgebers zur Lenkungswirkung der erbschaftsteuerrechtlichen Vorschrift diese nicht vorrangig zu einer der Eigenheimförderung dienenden Norm umbildet. Die Regelung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG dient ersichtlich dem räumlich-gegenständlichen Schutze des Familienheimes und die Bildung immobilen Vermögens stellt allenfalls eine gesetzgeberisch willkommene, zusätzliche Wirkung dar. Die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG ist im Sachzusammenhang der Erbschaftsbesteuerung eine aus verschiedenen Gründen den Besteuerungszugriff beschränkende Norm, aber keine Vorschrift zur gezielten Förderung der Vermögensbildung entsprechend dem Eigenheimzulagengesetz.

Schließlich ist auch bundesgerichtlich geklärt, dass allein der Übergang wirtschaftlichen Eigentums zu keiner freigebigen Zuwendung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG führt (vgl. BFH Beschluss vom 1. Februar 2001 II B 15/00, BFH/NV 2001, 1265 m. w. N.). Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers besteht insoweit keine Diskrepanz zwischen der Besteuerung einer freigebigen Zuwendung und einem Erwerb von Todes wegen. Soweit der Kläger auf bundesgerichtliche Rechtsprechung verweist, die eine Grundstücksschenkung als ausgeführt ansieht, wenn die Vertragspartner die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte in der Lage ist, die Eintragung der Rechtsänderung herbeizuführen (vgl. z. B. BFH Urteil vom 6. März 1990 II R 63/87, BFHE 159, 555, BStBl II 1990, 504), ergibt sich hieraus keine Abweichung vom Grundsatz der Besteuerung eines zivilrechtlichen Erwerbsvorganges. Die genannten Voraussetzungen betreffen allein den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer bei einer Grundstücksschenkung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) und definieren nicht den Besteuerungstatbestand als solchen. Auch in diesen Fällen ist eine freigebige Zuwendung als Besteuerungstatbestand im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ErbStG nur erfüllt, wenn letztlich das zivilrechtliche Eigentum auf den Empfänger übergeht. Die durch den Kläger angesprochene zeitliche Vorverlagerung auf die Ausführung der Zuwendung regelt allein den Zeitpunkt der Entstehung des Steueranspruches im Fall einer Schenkung, modifiziert jedoch den eigentlichen schenkungsteuerrechtlichen Besteuerungstatbestand nicht.

ε) Im Ergebnis hat dies schließlich auch für den Erwerb des Anwartschaftsrechtes der Erblasserin zu gelten. Dies lässt sich jedoch nicht allein aus der vom Beklagten in Bezug genommenen bundesgerichtlichen Entscheidung zum dinglichen Wohnungsrecht ableiten (vgl. BFH Urteil vom 3. Juni 2014 II R 45/12, BFHE 245, 374, BStBl II 2014, 806). Der BFH hat hierin die Anwendung der Steuerbefreiung auf die Zuwendung eines dinglichen Wohnungsrechtes an dem Familienheim abgelehnt. Rückschlüsse auf die Sachbehandlung eines Anwartschaftsrechtes verbieten sich jedoch schon deshalb, weil ein sachenrechtlich gesichertes Nutzungsrecht gleichwohl als geringer einzustufen ist als ein Anwartschaftsrecht, dem der Erwerb des Volleigentums mehr oder weniger zwangsläufig nachfolgen wird. Das Anwartschaftsrecht ist demgegenüber zivilrechtlich ein dem Volleigentum wesensähnliches (sachenrechtliches) Recht, eine selbstständig verkehrsfähige Vorstufe des Grundstückseigentums, deren Erstarkung zum Vollrecht vom Veräußerer nicht mehr verhindert werden kann (BGH Urteil vom 30. April 1982 V ZR 104/81, BGHZ 83, 395). Gleichwohl ist es eben gerade noch nicht mit dem Vollrecht gleichzusetzen und daher nicht mit dem zivilrechtlichen Begriff des Eigentums im Sinne des § 903 Satz 1 BGB identisch. Dieser Unterschied zwischen Eigentumsanwartschaftsrecht und Vollrecht ist nach Ansicht des Senates aber auch für die Vorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG entscheidend.

Eine erweiternde Auslegung des erbschaftsteuerrechtlichen Rechtsbegriffes des Erwerbes von Eigentum im Sinne dieser Norm auf den im Streitfall vorliegenden Sachverhalt des Erwerbes eines Eigentumsanwartschaftsrechtes ist nach Ansicht des Senates aus folgenden Gründen nicht möglich. Ausgangspunkt jeder Auslegung ist der Wortlaut der steuerrechtlichen Gesetzesnorm (vgl. Klein/Gersch AO 12. Auflage 2014, § 4 Rz. 27). Der Wortlaut der für die Streitsache maßgeblichen Steuerbefreiungsvorschrift ist jedoch eindeutig und greift nicht über den Begriff des Eigentums hinaus, worunter wegen der besonderen Eigenart der Erbschaftsteuer als Verkehrsteuer - wie ausgeführt - allein das zivilrechtliche Eigentum zu verstehen ist. Darüber hinaus ist zwar anerkannt, dass Steuervergünstigungen und andere Regelungen, die Lenkungscharakter haben, auch einer teleologischen, das heißt am Gesetzeszweck orientierten, Auslegung zugänglich sind, weil die mit der Norm über die bloße Steuereinnahmeerzielungsabsicht hinausgehenden Ziele von wirtschaftslenkender Art vielschichtiger sein und eine differenzierte Betrachtung verlangen können (vgl. Beermann/Gosch AO, FGO, § 4 AO Rdn. 31). Aber auch hier gelten die Erwägungen zur Ausgrenzung des wirtschaftlichen Eigentums entsprechend. Allein der Umstand, dass der Gesetzgeber neben den bestehenden persönlichen Freibeträgen eine sachliche Steuerbefreiung des Grundbesitzwertes für sogenannte Familienheime geschaffen hat, lässt noch nicht darauf schließen, dass der Grundsatz der Anbindung erbschaftsteuerrechtlicher Erwerbsvorgänge an zivilrechtliche Tatbestände durchbrochen werden sollte. Weder der vom Gesetzgeber gewollte räumlich-gegenständliche Schutz des unbeweglichen Familiengebrauchsvermögens noch die beabsichtigte Lenkungswirkung in immobiles Privatvermögen rechtfertigen eine Abweichung von den uneingeschränkt geltenden Prinzipien des Erbschaftsteuerrechtes. Sowohl die Einheitlichkeit des für die Erbschaftsteuer geltenden Eigentumsbegriffes als auch die Klarheit der der Rechtsnorm des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG zugrunde liegenden Erwerbstatbestände verlangen nach der Maßgeblichkeit des zivilrechtlichen Eigentumsbegriffes, zumal sich auch die Bewertungsvorschriften an der Art des Nachlassgegenstandes orientieren und zwischen dem Grundbesitzwert eines Grundstückes (§§ 157 ff BewG) einerseits und dem gemeinen Wert eines (Eigentumsverschaffungs-)Anspruches (§ 9 BewG) andererseits unterscheiden. Die Bewertung eines Anwartschaftsrechtes auf den Erwerb von Grundvermögen im Wege der Feststellung des Grundbesitzwertes des zu erlangenden Grundstücks sieht das BewG ohnehin nicht vor. Die Klarheit der Rechtsnorm erfordert eine zweifelsfreie Bestimmbarkeit des Erwerbstatbestandes. Auf die Frage, aus welchen Gründen das Anwartschaftsrecht im Zeitpunkt des Erbfalles noch nicht zum Vollrecht erstarkt gewesen ist und wer im Streitfall die etwaige Verzögerung der Eintragung im Grundbuch zu vertreten gehabt hat, kommt es nach Ansicht des Senates nicht an. Schließlich führt auch die vom Kläger bemühte verfassungskonforme Auslegung zu keinem anderen Ergebnis. Die Frage nach einer Verletzung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG stellt sich schon aufgrund der Unterschiedlichkeit eines Anwartschaftsrechtes gegenüber dem Volleigentum nicht. Eine Verletzung der Eigentumsgarantie nach Art. 14 GG oder einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sieht der Senat nicht. Es entspricht vielmehr der Systematik des Erbschaftsteuerrechtes grundsätzlich an diejenige zivilrechtliche Rechtslage anzuknüpfen, die im Zeitpunkt des Erbfalles vorzufinden gewesen ist.

2.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

3.) Die Revision wird zugelassen, weil die Auslegung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG in dem hier entscheidungserheblichen Punkt grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FGO).

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 6. April 2016  4 K 1868/15 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die verstorbene Ehefrau (Erblasserin) des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) erwarb mit notariell beurkundetem Vertrag vom 16. März 2007 von einem Bauträgerunternehmen eine noch zu errichtende Eigentumswohnung und vier Tiefgaragenstellplätze. Der Kaufpreis betrug 3.671.000 € zuzüglich 1.147.480 € für Sonderwünsche. Die Vertragsparteien erklärten zugleich die Auflassung. Am 28. Januar 2008 wurde zugunsten der Erblasserin eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.

2

Im Dezember 2008 zogen der Kläger, die Erblasserin und die beiden gemeinsamen Töchter in die Wohnung ein. Der Kaufpreis war zu diesem Zeitpunkt bis auf eine zunächst noch zurückbehaltene restliche Kaufpreisrate gezahlt.

3

Mit privatschriftlichem Testament vom 9. Juli 2009 verfügte die Erblasserin, der Kläger solle bei ihrem Ableben die Eigentumswohnung allein erhalten. Für das restliche Vermögen bestimmte sie die gesetzliche Erbfolge.

4

Die Erblasserin verstarb am 16. Juli 2009. Zu diesem Zeitpunkt war sie nicht als Eigentümerin der Eigentumswohnung im Grundbuch eingetragen. Das Amtsgericht wies in einem gemeinsamen Erbschein den Kläger zu 1/2 und die Töchter jeweils zu 1/4 als Erben aus. Bezüglich der Eigentumswohnung gingen der Kläger und seine Töchter davon aus, dass das Testament insoweit ein Vermächtnis zugunsten des Klägers beinhalte. Mit notarieller Urkunde vom 24. November 2009 vereinbarten der Kläger und seine Töchter, dass er in Erfüllung dieses Vermächtnisses das Alleineigentum an der Eigentumswohnung erhalte. Der Kläger wurde am 2. Februar 2010 als Eigentümer der Eigentumswohnung im Grundbuch eingetragen. Er nutzt die Wohnung seit dem Einzug ununterbrochen zu eigenen Wohnzwecken.

5

In der Erbschaftsteuererklärung beantragte der Kläger für den Erwerb der Eigentumswohnung die Steuerbefreiung für ein Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für 2009 maßgebenden Fassung (ErbStG).

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer in Höhe von zuletzt 340.480 € fest. Die beantragte Steuerbefreiung wurde nicht gewährt. Das FA nahm an, der Kläger habe von der Erblasserin nicht das Eigentum an einem Familienheim, sondern einen mit dem Verkehrswert anzusetzenden Anspruch auf Übereignung des Grundstücks (Eigentumsverschaffungsanspruch) erworben. Dieser Eigentumsverschaffungsanspruch sei nicht als Erwerb eines Familienheims steuerbefreit. Für den Anspruch setzte das FA als Bemessungsgrundlage den Kaufpreis zuzüglich der Kosten für Sonderwünsche in Höhe von insgesamt 4.818.840 € und abzüglich der aufgenommenen Darlehensschuld in Höhe von 2.085.681 € sowie der noch nicht entrichteten Kaufpreisrate in Höhe von 258.000 € an.

7

Die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, der Kläger habe von der Erblasserin einen Eigentumsverschaffungsanspruch, verbunden mit einem Anwartschaftsrecht an der Eigentumswohnung, und nicht das Eigentum oder Miteigentum an der Wohnung erworben. Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG setze aber den Erwerb von Volleigentum voraus. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1015 veröffentlicht.

8

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG.

9

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid vom 25. Juni 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. Juni 2015 dahingehend abzuändern, dass die Erbschaftsteuer auf 0 € festgesetzt wird.

10

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

11

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG nicht gegeben sind.

12

1. Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) belegenen bebauten Grundstück i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes in der ab 2009 geltenden Fassung (BewG) durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--) oder durch Vermächtnis (§§ 2147 ff. BGB).

13

2. Der von Todes wegen erfolgte Erwerb eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten ist nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG von der Erbschaftsteuer befreit.

14

a) Nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift ausdrücklich den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten voraus. Die Begriffe "Eigentum" und "Miteigentum" sind dabei im zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Wie sich auch aus dem systematischen Zusammenhang mit den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift ergibt, liegt ein Erwerb i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG nur vor, wenn der Erblasser zivilrechtlicher Eigentümer oder Miteigentümer des Familienheims war und der überlebende Ehegatte das zivilrechtliche Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim von Todes wegen erwirbt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. Juni 2014 II R 45/12, BFHE 245, 374, BStBl II 2014, 806, Rz 14). Zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück, zur Belastung eines Grundstücks mit einem Recht sowie zur Übertragung oder Belastung eines solchen Rechts ist die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt (§ 873 Abs. 1 BGB). Auch für die Einräumung des Sondereigentums ist die Einigung der Beteiligten über den Eintritt der Rechtsänderung und die Eintragung in das Grundbuch erforderlich (§ 4 Abs. 1 des Wohnungseigentumsgesetzes).

15

b) Der Erwerb eines anderen Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die Immobilie, wie z.B. eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs oder eines dinglichen Wohnrechts genügt nicht den Anforderungen des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG.

16

c) Dem Zweck des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG entspricht es, seine Anwendung durch eine klare Abgrenzung auf den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an dem Familienheim durch den überlebenden Ehegatten zu beschränken und alle anderen Erwerbe von der Steuerbefreiung auszunehmen. Eine erweiternde Auslegung (teleologische Extension) der Vorschrift auf von ihrem Wortlaut nicht erfasste Sachverhalte kommt nicht in Betracht.

17

aa) Eine erweiternde Auslegung setzt eine Regelungslücke voraus. Die Norm muss gemessen an ihrem Zweck unvollständig, d.h. ergänzungsbedürftig sein. Ihre Ergänzung darf nicht einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widersprechen. Dass eine gesetzliche Regelung rechtspolitisch als verbesserungsbedürftig anzusehen ist ("rechtspolitische Fehler"), reicht nicht aus. Die Unvollständigkeit muss sich vielmehr aus dem gesetzesimmanenten Zweck ergeben und kann auch bei einem eindeutigen Wortlaut vorliegen. Die Gesetzeslücke ist in einer dem Gesetzeszweck, der Entstehungsgeschichte und der Gesetzessystematik entsprechenden Weise durch Analogie, teleologische Extension oder Reduktion zu schließen. Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. BFH-Urteil vom 27. September 2017 II R 13/15, BFHE 259, 361, Rz 31 f.).

18

bb) Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Zusammenhang nicht erfüllt. Es fehlt an einer Regelungslücke. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG auf den Erwerb des Eigentums oder Miteigentums an einem Familienheim ist nicht sinnwidrig (vgl. BFH-Urteil in BFHE 245, 374, BStBl II 2014, 806, Rz 17). Sie entspricht vielmehr der Absicht des Gesetzgebers, die Gewährung einer Steuerbefreiung auf den Erwerb von Wohneigentum durch den überlebenden Ehegatten zu begrenzen. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers (Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 16/11107, S. 8) dient die Regelung über die Steuerfreistellung von Wohneigentum für Ehegatten und Lebenspartner "neben dem Schutz des gemeinsamen familiären Lebensraums dem Ziel der Lenkung in Grundvermögen schon zu Lebzeiten des Erblassers" und der krisenfesten Erhaltung des besonders geschützten Familiengebrauchsvermögens in Gestalt des Familienheims von Ehegatten und Lebenspartnern.

19

cc) Sinn und Zweck der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG werden durch den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum durch den überlebenden Ehegatten als gesicherte Rechtsposition erreicht. Der Erwerb anderer Rechte und Ansprüche, wie z.B. eines durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs, steht dem Erwerb von Eigentum oder Miteigentum nicht gleich. Durch die Auflassungsvormerkung entsteht zwar zugunsten des Käufers der Immobilie ein sogenanntes vormerkungsgestütztes Anwartschaftsrecht, wenn die Auflassung mit bindender Wirkung (§ 873 Abs. 2 BGB) erklärt ist (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 11. November 1983 V ZR 211/82, BGHZ 89, 41, unter II.2.a; Palandt/Herrler, Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl., § 925 Rz 25). Das Anwartschaftsrecht begründet aber kein Eigentum im zivilrechtlichen Sinn. Es ist nur ein dem Volleigentum wesensähnliches Recht und wird deshalb in Teilbereichen wie das Vollrecht behandelt; es kann z.B. mit einem Nießbrauch belastet sowie ver- und gepfändet werden (vgl. Palandt/Herrler, a.a.O., § 925 Rz 23 ff., § 1069 Rz 2; Palandt/Wicke, a.a.O., § 1274 Rz 4).

20

dd) Eine erweiternde Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist nicht deshalb geboten, weil die Vorschrift auch den Erwerb von Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim begünstigt, das in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR belegen ist, und die dort geltenden Vorschriften geringere Anforderungen an den Erwerb des Eigentums an einem Grundstück oder einer Eigentumswohnung vorsehen können als die Regelungen im BGB. Die Erbschaftsteuer knüpft grundsätzlich an das Zivilrecht an. Wird für den Erwerb eines im Inland belegenen Familienheims die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG begehrt, ist deshalb zur Klärung der Frage, ob Eigentum von Todes wegen erworben wurde, auf die inländischen Vorschriften abzustellen. Eine Einbeziehung ausländischer Vorschriften scheitert schon daran, dass § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG die Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb nicht gesondert benennt und damit nur eine Bestimmung nach den allgemeinen Grundsätzen möglich ist.

21

d) Der streng am Wortlaut orientierten Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG steht die BFH-Rechtsprechung zur Frage des Zeitpunkts der Ausführung von Grundstücksschenkungen nicht entgegen.

22

aa) Danach ist eine Grundstücksschenkung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG bereits ausgeführt, wenn die Auflassung (§ 925 BGB) beurkundet worden ist, der Schenker die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat (§ 19 der Grundbuchordnung) und der Beschenkte nach den getroffenen Vereinbarungen von der Eintragungsbewilligung Gebrauch machen darf (z.B. BFH-Urteile vom 24. Juli 2002 II R 33/01, BFHE 199, 25, BStBl II 2002, 781, unter II.1.a, und vom 2. Februar 2005 II R 26/02, BFHE 208, 438, BStBl II 2005, 312, unter II.1.a). Die Vorverlegung des Ausführungszeitpunkts einer Grundstücksschenkung vor den Zeitpunkt der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch (§ 873 Abs. 1 BGB) ist im Hinblick darauf geschehen, dass der Schenker zu diesem Zeitpunkt alles zur Bewirkung der Leistung Erforderliche getan hat. Die Rechtsprechung betrifft damit nur den Zeitpunkt für die Entstehung der Schenkungsteuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG).

23

bb) Die Rechtsprechungsgrundsätze zum Zeitpunkt der Ausführung einer Grundstücksschenkung sind auf den Erwerb durch Erbanfall nicht übertragbar. Beim Erwerb von Todes wegen entsteht die Steuer grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG); nur die in diesem Zeitpunkt in der Person des Erblassers bestehende Rechtsposition kann auf den Erben übergehen (BFH-Urteil vom 16. Mai 2007 II R 61/99, BFH/NV 2007, 1663, unter II.1.d).

24

e) Eine erweiternde Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG ist auch nicht im Hinblick auf die Regelung über die steuerbefreite Schenkung unter Ehegatten nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG geboten.

25

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 1 ErbStG sind Zuwendungen unter Lebenden steuerbegünstigt, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum oder Miteigentum an einem Familienheim verschafft oder den anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung des Familienheims freistellt. Entsprechendes gilt, wenn ein Ehegatte nachträglichen Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand für ein Familienheim trägt, das im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten oder im Eigentum des anderen Ehegatten steht (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a Satz 2 ErbStG).

26

§ 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG hat andere Voraussetzungen und eine andere Zielrichtung als § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG. Die Vorschrift wurde durch Art. 24 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa des Jahressteuergesetzes 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250) als Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH eingefügt. Der BFH hatte mit Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92 (BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366) die Steuerfreiheit von ehebedingten unbenannten Zuwendungen aufgegeben. Der Gesetzgeber wollte die lebzeitige Zuwendung des Familienheims aus der Besteuerung wieder ausnehmen (vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 13 ErbStG, Rz 38; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/ Gottschalk, ErbStG, § 13 Rz 55). § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG umfasst daher alle Arten ehebedingter Zuwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerb oder Erhalt eines Familienheims zu Lebzeiten der Eheleute. Die Steuerbefreiung ist --anders als § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG-- nicht auf den Erwerb des Eigentums beschränkt.

27

f) Bei der eng am Wortlaut vorgenommenen Auslegung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG unterliegt die Steuerbefreiung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BFH-Urteile in BFHE 245, 374, BStBl II 2014, 806, Rz 26, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG, und vom 5. Oktober 2016 II R 32/15, BFHE 256, 359, BStBl II 2017, 130, Rz 17, zu § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG).

28

3. Der Anspruch auf Verschaffung von Eigentum an einem Familienheim ist nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 9 Abs. 1 BewG mit dem gemeinen Wert zu bewerten.

29

Eine Anwendung des § 12 Abs. 3 ErbStG, wonach Grundbesitz i.S. von § 19 BewG mit dem nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG auf den Bewertungsstichtag festgestellten Grundbesitzwert anzusetzen ist, kommt nicht in Betracht. Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 159 und 176 bis 198 BewG zu ermitteln (§ 157 Abs. 3 Satz 1 BewG).

30

Wird ein Eigentumsverschaffungsanspruch erworben, handelt es sich nicht um "Grundbesitz" i.S. des § 19 BewG. Nach dem Katalog des § 176 Abs. 1 BewG gehört zum Grundvermögen u.a. das Wohnungseigentum (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 BewG), nicht jedoch ein Anspruch auf Verschaffung des Wohnungseigentums. Bewertungsrechtlich ist somit für die Anwendung des Grundbesitzwerts allein maßgebend, ob Grundstücks- oder Wohnungseigentum, d.h. das Vollrecht erworben wird (BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2001 II R 61/99, BFHE 196, 304, BStBl II 2001, 834, unter II.1., und BFH-Urteil in BFH/NV 2007, 1663).

31

4. Nach diesen Grundsätzen hat das FG zutreffend entschieden, dass für den Erwerb des durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruchs auf das Familienheim durch den Kläger die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4b Satz 1 ErbStG nicht zu gewähren ist.

32

a) Der Kläger hat von der Erblasserin durch Vorausvermächtnis kein Eigentum an der Wohnung, sondern einen durch eine Auflassungsvormerkung gesicherten Eigentumsverschaffungsanspruch erworben. Die Erblasserin war zum Zeitpunkt ihres Todes am 16. Juli 2009 mangels Eintragung im Grundbuch noch nicht Eigentümerin der Wohnung. Sie hatte jedoch aus dem notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 16. März 2007 einen schuldrechtlichen Anspruch nach § 433 Abs. 1 Satz 1 BGB auf Übertragung der Miteigentumsanteile und des Sondereigentums an der Eigentumswohnung sowie den Tiefgaragenstellplätzen, der durch eine Auflassungsvormerkung gesichert war. Nur dieser Anspruch konnte auf den Kläger im Wege des Vorausvermächtnisses übergehen.

33

b) Das FA hat als Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer den Anspruch auf Verschaffung von Eigentum an dem Familienheim zutreffend mit dem Verkehrswert angesetzt. Von dem Gesamtkaufpreis hat es die letzte, beim Tod der Erblasserin noch nicht entrichtete Kaufpreisrate in Abzug gebracht. Gegen die Höhe des Werts wurden auch vom Kläger keine Einwendungen vorgebracht.

34

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefasst war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Fall des § 104 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung, in den Fällen des § 100 Abs. 2 auch die Änderung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) oder zu einer anderen Leistung begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts oder einer anderen Leistung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(3) Verwaltet eine Finanzbehörde des Bundes oder eines Landes eine Abgabe ganz oder teilweise für andere Abgabenberechtigte, so können diese in den Fällen Klage erheben, in denen der Bund oder das Land die Abgabe oder einen Teil der Abgabe unmittelbar oder mittelbar schulden würde.

(1) Die Frist für die Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf, in den Fällen des § 45 und in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf nicht gegeben ist, mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Dies gilt für die Verpflichtungsklage sinngemäß, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(2) Die Frist für die Erhebung der Klage gilt als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt oder die angefochtene Entscheidung erlassen oder den Beteiligten bekannt gegeben hat oder die nachträglich für den Steuerfall zuständig geworden ist, innerhalb der Frist angebracht oder zu Protokoll gegeben wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln.

(3) Absatz 2 gilt sinngemäß bei einer Klage, die sich gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrags richtet, wenn sie bei der Stelle angebracht wird, die zur Erteilung des Steuerbescheids zuständig ist.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 8. Mai 2013  3 K 3461/11 AO aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

A. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin hatte 1994 und 1995 ein Mehrfamilienhaus mit sieben Wohneinheiten errichtet und drei davon im Jahre 1995 veräußert. Das damals zuständige Finanzamt (FA X) behandelte dies nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung als gewerblichen Grundstückshandel und erfasste in dem Einkommensteuerbescheid 1995 bei der Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

2

Während des diesbezüglichen Klageverfahrens (7 K 8270/99 E) erging die Entscheidung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291). Der damalige Bevollmächtigte der Kläger wies mit Schriftsatz vom 10. März 2003 darauf hin, dass danach die Voraussetzungen eines gewerblichen Grundstückshandels vorliegen dürften. Allerdings sei das FA X aufgrund des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 19. Februar 2003 IV A 6-S 2240-15/03 (BStBl I 2003, 171) gehalten, die Rechtsprechung des BFH nicht auf die Klägerin anzuwenden. Diese Selbstbindung der Verwaltung müsse auch das Gericht beachten. In seiner am 7. April 2003 eingegangenen Erwiderung vertrat das FA X die Auffassung, das BMF-Schreiben sei im Falle der Klägerin nicht anzuwenden, da ihr Fall nicht in Folge der Entscheidung in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 aufgegriffen worden sei. Mit Schriftsatz vom 10. Juni 2003 kündigte der Bevollmächtigte mit dem ausdrücklichen Bemerken, im vorliegenden Verfahren sei die Berücksichtigung des Schreibens nicht möglich, einen gesonderten auf § 163 der Abgabenordnung (AO) zu stützenden Erlassantrag beim FA X an, den er dem Finanzgericht (FG) zur Kenntnis geben wollte. Nach den Feststellungen des FG befindet sich ein solcher Antrag weder in der damaligen Gerichtsakte noch in den damals vorgelegten Steuerakten.

3

Mit Urteil vom 16. Juli 2003  7 K 8270/99 E wies das FG, soweit der gewerbliche Grundstückshandel dem Grunde nach in Frage stand, die Klage ab. Über eine Billigkeitsmaßnahme sei in einem gesonderten Verfahren zu entscheiden. Die Höhe des zu erfassenden Gewinns war Gegenstand einer tatsächlichen Verständigung. Die Klage gegen den entsprechenden Änderungsbescheid vom 19. September 2003 (3 K 892/12 E) nahmen die Kläger am 8. Mai 2013 zurück.

4

Mit Schreiben vom 11. Juni 2010 hatten sich die Kläger an den damaligen Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen gewandt und um Überprüfung der steuerlichen Würdigung des Vorgangs, insbesondere der Anwendung des BMF-Schreibens vom 19. Februar 2003 gebeten. Der mittlerweile zuständige Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte die abweichende Festsetzung u.a. unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 8. Oktober 1980 II R 8/76 (BFHE 131, 446, BStBl II 1981, 82) über verspätete Billigkeitsanträge sowie auf die Fristen des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO und des § 228 Satz 2 AO durch Bescheid vom 7. April 2011 ab. Der Veranlagungszeitraum liege 15 Jahre zurück, der Abschluss des Klageverfahrens mehr als sieben Jahre. Der nicht näher begründete Einspruch blieb erfolglos.

5

Mit der Klage beanstandeten die Kläger im Wesentlichen das Fehlen von Ermessenserwägungen. Das FG hat der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 972 veröffentlichtem Urteil stattgegeben. Der Zeitablauf trage die Ablehnung nicht, da der Billigkeitserlass nach dem Gesetz keinen zeitlichen Beschränkungen unterliege und keine Umstände vorlägen, aus denen das FA ein Vertrauen darauf habe herleiten dürfen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (dazu BFH-Urteil vom 7. Juni 1984 IV R 180/81, BFHE 141, 451, BStBl II 1984, 780).

6

Mit seiner Revision macht das FA zum einen geltend, das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 betreffe nur Veräußerungsvorgänge, die zunächst unversteuert geblieben und sodann aufgrund der Rechtsprechung aufgegriffen worden seien. Zum anderen sei der Antrag auf Erlass einer Billigkeitsmaßnahme verfristet gestellt worden.

7

Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

8

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Kläger tragen vor, das FA X habe den Finanzgerichtsprozess nur aufgrund des Beschlusses in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 gewinnen können. Damit hätten sie im Wege der Ermessensreduzierung auf Null einen Anspruch auf Anwendung der in dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 enthaltenen Übergangsregelung.

10

Die Billigkeitsmaßnahme sei nicht verfristet. Sie bedürfe keines Antrags, so dass auch keine Antragsfrist versäumt werden könne. Eine Verwirkung scheitere sowohl am Zeit- als auch am Umstandsmoment. Im Übrigen hätten sie, die Kläger, bereits 2003 auf die Billigkeitsmaßnahme hingewiesen. Zudem sei das FA bereits aufgrund des Urteils vom 16. Juli 2003  7 K 8270/99 E zum Ausspruch der Billigkeitsmaßnahme verpflichtet. Nach dessen Tenor habe das FA X die Einkommensteuer nach Maßgabe der Urteilsgründe herabsetzen müssen, die ihrerseits den Hinweis auf die Billigkeitsentscheidung enthielten.

Entscheidungsgründe

11

B. Die Revision ist begründet. Der Senat entscheidet nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Sache selbst und weist die Klage ab.

I.

12

Das rechtskräftige Urteil vom 16. Juli 2003  7 K 8270/99 E begründet keine Verpflichtung zum Ausspruch der Billigkeitsmaßnahme. Nach § 110 Abs. 1 Satz 1 FGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden ist. Das FG hatte über § 163 AO nicht entschieden. Der Tenor jenes Urteils lautet: "Die Einkommensteuer 1994 und 1995 werden nach Maßgabe der Urteilsgründe herabgesetzt. Die Neuberechnung der jeweiligen Einkommensteuer wird dem Beklagten übertragen. ..." Unter 1.c der Entscheidungsgründe hat das FG formuliert: "Über die Frage der Anwendung des BMF-Schreibens vom 19.02.2003 ist im vorliegenden Verfahren, das die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung betrifft, nicht zu befinden. Auf Grund dieses Schreibens kommt eine Billigkeitsmaßnahme[n] in Betracht, über die das FA gesondert zu entscheiden hat." Damit ist unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Billigkeitsfestsetzung nach diesem Schreiben gerade nicht Gegenstand der Entscheidung ist.

II.

13

Das FA hat den Antrag auf abweichende Billigkeitsfestsetzung ermessensfehlerfrei abgelehnt.

14

1. Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. § 163 AO soll sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (vgl. Senatsurteil vom 12. Dezember 2013 X R 39/10, BFHE 244, 485, BStBl II 2014, 572, unter II.1., m.w.N.).

15

Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen der abweichenden Festsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO ebenso wie des Erlasses nach § 227 AO nicht näher konkretisiert, sondern die Entscheidung in das Ermessen der Finanzbehörden gestellt. Zur Vereinheitlichung der Anwendung von Billigkeitsregeln kann wiederum das BMF Verwaltungsvorschriften erlassen, die die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festschreiben und damit deren Ermessen auf Null reduzieren (vgl. Senatsentscheidungen in BFHE 244, 485, BStBl II 2014, 572, unter II.3., sowie vom 25. März 2015 X R 23/13, BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696, unter B.IV.1.b).

16

Verfahrensrechtlich wird die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO, die keines Antrags bedarf, in einem gesonderten Verwaltungsverfahren getroffen. Sie ist sodann ein für die Festsetzung einer Steuer bindender Verwaltungsakt und damit Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung i.S. des § 171 Abs. 10 AO, die folglich nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO anzupassen ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 2015 X R 32/13, BFHE 251, 298, BStBl II 2016, 139, unter II.2.b, m.w.N.).

17

2. Das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 war eine solche ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift.

18

a) Zur Abgrenzung der privaten Vermögensverwaltung vom Gewerbebetrieb im Bereich des Grundstückshandels hatte der BFH mit Urteil vom 9. Dezember 1986 VIII R 317/82 (BFHE 148, 480, 483, BStBl II 1988, 244) die sog. Drei-Objekt-Grenze eingeführt, nach der kein gewerblicher Grundstückshandel vorlag, sofern weniger als vier Objekte veräußert worden sind. Allein für Großobjekte galt dies nicht. Die Verwaltung hatte sich dieser Rechtsprechung angeschlossen, die als Vereinfachungsregelung und damit als Freigrenze für die Veräußerung von bis zu drei Objekten verstanden werden konnte (BMF-Schreiben vom 20. Dezember 1990 IV B 2-S 2240-61/90, BStBl I 1990, 884; zum Verständnis als Freigrenze BFH-Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, unter C.III.2., C.III.5.). Der Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 hat in der Anzahl der veräußerten Objekte keine unwiderlegliche Typisierung mehr gesehen, sondern dieser nur noch indizielle Bedeutung zugemessen. So konnte auch die Veräußerung von weniger als vier Objekten unter besonderen Umständen eine gewerbliche Betätigung darstellen. Insoweit hat der Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 die Rechtslage für den Steuerpflichtigen verschärft.

19

b) Nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 sind die Grundsätze des Beschlusses in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 zur Anwendung der Drei-Objekt-Grenze, soweit sich hieraus nachteilige Folgen für den Steuerpflichtigen ergeben, erst auf Veräußerungen anzuwenden, die nach dem 31. Mai 2002 (Datum der Veröffentlichung des Beschlusses) stattgefunden haben. Das neuere BMF-Schreiben vom 26. März 2004 IV A 6-S 2240-46/04 (BStBl I 2004, 434) hat diese Regelung übernommen (Rz 36 bzw. VI. Satz 2). Allerdings ändert eine Gerichtsentscheidung, auch wenn sie von der vorgehenden Rechtsprechung abweicht, die Rechtslage nicht, sondern beurteilt sie lediglich abweichend. Sie wäre daher vorbehaltlich der besonderen Vertrauensschutzregelung in § 176 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO materiell-rechtlich grundsätzlich unbegrenzt rückwirkend anwendbar. Es handelt sich bei dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 daher um eine Übergangsregelung aus Billigkeitsgründen (vgl. BFH-Entscheidungen vom 17. Dezember 2003 XI R 22/02, BFH/NV 2004, 1629; vom 15. November 2006 X B 11/06, BFH/NV 2007, 209).

20

3. Die Ermessensausübung im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO darf auch ein Zeitmoment berücksichtigen.

21

a) Es existiert keine gesetzliche Frist für die Entscheidung nach § 163 AO, die als vorrangiges Recht stets zu beachten wäre.

22

aa) Eine abweichende Festsetzung nach § 163 AO ist unter dem im Streitfall noch geltenden Recht zeitlich nicht mit der Steuerfestsetzung verknüpft, von der aus Billigkeitsgründen abgewichen werden soll. Sie ist nach hergebrachter Rechtsprechung auch möglich, wenn Letztere bereits bestandskräftig ist (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, 1505, unter 2.c der Entscheidungsgründe), und zwar selbst dann, wenn für diesen Bescheid bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist (BFH-Urteil vom 17. März 1987 VII R 26/84, BFH/NV 1987, 620; Oellerich in Beermann/Gosch, AO [FGO] § 163 AO Rz 215; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 163 AO Rz 21; Klein/Rüsken, AO, 13. Aufl., § 163 Rz 2, 2a, 3). § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ermöglicht gleichwohl die Folgeänderung des Steuerbescheids.

23

§ 171 Abs. 10 Satz 2 AO verlangt zwar für einen Grundlagenbescheid außerhalb von § 181 AO einen Antrag vor Ablauf der Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde. Die Vorschrift ist jedoch nach Art. 97 § 10 Abs. 12 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung erst für die am 31. Dezember 2014 noch nicht abgelaufenen Festsetzungsfristen anwendbar. Die Festsetzungsfrist für den Einkommensteuerbescheid 1995 war aber spätestens am 8. Mai 2013 abgelaufen, als die Kläger die Klage gegen den infolge des Urteils vom 16. Juli 2003  7 K 8270/99 E erlassenen Änderungsbescheid zurücknahmen.

24

bb) Die Billigkeitsmaßnahme unterliegt aber auch unmittelbar keinen gesetzlichen Fristen. Die Regeln über die Festsetzungsverjährung nach §§ 169 ff. AO sind nicht anwendbar. Trotz der insoweit missverständlichen Formulierung der Überschrift ("Abweichende Festsetzung ...") sowie in § 163 Satz 1 AO ("... niedriger festgesetzt ...") und § 163 Satz 3 AO ("... abweichende Festsetzung ...") handelt es sich bei der Entscheidung nach § 163 AO nicht um eine Steuerfestsetzung i.S. des § 169 Abs. 1 Satz 1 AO, sondern um einen Grundlagenbescheid für diese (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 298, BStBl II 2016, 139, unter II.3.b). Erst der Folgebescheid setzt die Steuer fest.

25

Die Entscheidung nach § 163 AO ist auch keine gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen i.S. des § 179 Abs. 1 AO, was zur Folge hätte, dass die Regeln über die Feststellungsfrist nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. §§ 169 ff. AO sowie ggf. nach § 181 Abs. 5 AO anwendbar wären. Wie bereits der Bezug des § 179 Abs. 1 AO auf § 157 Abs. 2 AO verdeutlicht, betrifft die gesonderte Feststellung nach §§ 179 ff. AO Besteuerungsgrundlagen, die nach materiellem Recht in die Steuerfestsetzung einzugehen haben, was bei Abweichungen aus Billigkeitsgründen nicht der Fall ist.

26

b) Grundsätzlich kann der Zeitablauf gleichwohl im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Billigkeitsmaßnahme berücksichtigt werden.

27

aa) Es ist eine dem Grunde nach zulässige Ausübung des Ermessens, einen verhältnismäßig spät gestellten Erlassantrag im Hinblick auf den Zeitablauf zwischen Zahlung und Antragstellung abzulehnen und sich dabei an den zu Rechtsverlusten führenden gesetzlichen Fristen zu orientieren (BFH-Entscheidungen in BFHE 131, 446, BStBl II 1981, 82; in BFH/NV 1987, 620; vom 15. März 1994 VII B 196/93, BFH/NV 1995, 4; ebenso Urteil des Niedersächsischen FG vom 1. August 2012  4 K 342/11, EFG 2012, 2086, Revisionsverfahren VIII R 40/12 durch Hauptsacheerledigung beendet). Allerdings enthält das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171, das Grundlage der Billigkeitsmaßnahme ist, keine Aussage zu der Frage des Zeitablaufs und insbesondere keine Antragsfrist (anders etwa die Richtlinien, die Gegenstand des BFH-Urteils vom 3. Februar 1976 VII R 47/74, BFHE 118, 3 waren).

28

bb) Äußert sich eine Verwaltungsvorschrift zu einem nach allgemeinen Grundsätzen als Ermessenskriterium dienenden Punkt überhaupt nicht, hier zum Zeitfaktor, kann dies bedeuten, dass sie die Berücksichtigung des zeitlichen Elements generell ausschließen will. Sie kann aber auch so begriffen werden, dass sie sich auf die Nichtregelung beschränkt und die Lücke mit Hilfe der allgemeinen Grundsätze aufzufüllen ist. Das FA hat das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 erkennbar in der zuletzt genannten Weise verstanden, da es andernfalls nicht auf das Zeitelement hätte abstellen können. Dieses Verständnis ist maßgebend. Die Gerichte haben Verwaltungsanweisungen nicht selbst auszulegen, sondern nur darauf zu überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 43/09, BFHE 233, 58, BStBl II 2011, 610, unter II.2.b, m.w.N.). Daran bestehen im Streitfall keine Zweifel. Es gibt keine Hinweise darauf, dass das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 die Berücksichtigung des Zeitablaufs kategorisch ausblenden wollte. Dieser lediglich verfahrensmäßige Aspekt hat mit der zugrundeliegenden sachlichen Unbilligkeit in Gestalt der verschärfenden Rechtsprechung zum gewerblichen Grundstückshandel unmittelbar nichts zu tun, sondern gilt für alle Billigkeitsmaßnahmen.

29

4. Bei der nach § 102 Satz 1 FGO gebotenen Prüfung der finanzbehördlichen Entscheidung nach diesen Maßstäben ist die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme nicht zu beanstanden. Das FA hat weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

30

a) Das dem FA nach § 163 AO eingeräumte Ermessen war nicht in der Weise auf Null reduziert, dass allein der Ausspruch der Billigkeitsmaßnahme rechtmäßig gewesen wäre.

31

aa) Die Kläger haben erstmals im Jahre 2010 einen Antrag auf abweichende Festsetzung aus Billigkeitsgründen gestellt. Die noch im Klageverfahren 7 K 8270/99 E getätigten Äußerungen waren keine Anträge, sondern lediglich Rechtsausführungen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem anhängigen Klageverfahren, in dem sie allerdings unerheblich waren. Wie dem Schriftsatz des damaligen Bevollmächtigten vom 10. Juni 2003 zu entnehmen ist, hat dieser seine eigenen Äußerungen zum damaligen Zeitpunkt selbst nicht als Antrag verstanden wissen wollen, das FA X sie ersichtlich auch nicht als solchen angesehen.

32

bb) Sowohl die Bestandskraft der zugrundeliegenden Steuerfestsetzung als auch die Zahlung der betreffenden Steuerschuld, die ausweislich des in dem Änderungsbescheid vom 19. September 2003 enthaltenen Abrechnungsteils zu jenem Zeitpunkt schon vorgenommen worden war, lagen bei Antragstellung im Jahre 2010 bereits zumindest sieben Jahre zurück. Das ist eine Zeitspanne, bei der die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme wegen Zeitablaufs nach den unter B.II.3.b aa (s.o.) genannten Kriterien jedenfalls ernstlich in Betracht kommt. Sie überschreitet sowohl die regelmäßige Festsetzungsverjährungsfrist als auch die regelmäßige Zahlungsverjährungsfrist. Inwieweit zusätzlich der zeitliche Abstand von immerhin 15 Jahren zu dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden kann, kann dahinstehen.

33

Soweit das FG davon ausgeht, Verwirkung sei nicht eingetreten, ist dies zwar zutreffend, aber unerheblich. Das Zeitmoment bildet im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 163 AO einen selbständigen Grund für den Rechtsverlust. Er tritt neben die Verwirkung und ist von dieser zu trennen.

34

cc) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Kläger bereits mit Schriftsatz vom 10. März 2003 auf das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 hingewiesen hatten. Selbst wenn das FA X daraufhin zunächst auch ohne förmlichen Antrag gehalten gewesen sein sollte, eine Billigkeitsentscheidung zu treffen, geht es zu Lasten der Kläger, nicht insistiert zu haben. Bereits mit dem Schriftsatz des FA X vom 7. April 2003 war den Klägern bekannt, dass das FA X das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 171 tatbestandlich nicht für anwendbar hielt und deshalb keine Billigkeitsmaßnahme ergreifen würde. Es oblag von diesem Zeitpunkt an wieder den Klägern, auf förmlicher Bescheidung zu bestehen, ggf. im Wege des Untätigkeitseinspruchs nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO und der Untätigkeitsklage nach § 46 FGO.

35

dd) Das FG hat im Übrigen keine besonderen Umstände festgestellt, die die Berücksichtigung des Zeitablaufs ausschlössen und die angenommene Ermessensreduzierung auf Null trügen.

36

b) Vielmehr hat das FA mit Rücksicht auf den Zeitablauf die Billigkeitsmaßnahme ermessensfehlerfrei abgelehnt. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob das Ermessen sogar in der Weise auf Null reduziert gewesen sein könnte, dass allein die Ablehnung der Billigkeitsentscheidung rechtmäßig war. Ebenso kann offenbleiben, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Anwendung des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 171 gegeben waren. Denn bereits die Berufung auf den Zeitablauf trägt die angefochtene Entscheidung. Das FA hat die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Billigkeitsentscheidung nach § 163 AO zutreffend beschrieben. Es hat vor diesem Hintergrund den zeitlichen Abstand zwischen der Bestandskraft der Steuerfestsetzung und dem Antrag der Kläger auf Erteilung des Billigkeitserweises gewertet und diesen kurz, aber ohne Außerachtlassung wesentlicher Umstände des Falls abgelehnt.

37

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Ist die Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

Soweit die Finanzbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln oder zu entscheiden, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Finanzbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens ergänzen.

Soweit die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Alleinerbe seines am 2. August 2002 verstorbenen Groß- und Adoptivvaters. Zum Nachlass gehörte u.a. eine Kommanditbeteiligung des Erblassers an der C-GmbH & Co. KG (C-KG). Die C-KG war Inhaberin eines Erbbaurechts an einem Grundstück mit aufstehender Hotelanlage. Der Erblasser war Eigentümer des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks. Anfang 1993 vermietete der Erblasser der C-KG weitere Grundstücksflächen zum Zwecke des Betriebs eines Golfplatzes.

2

Die Ansprüche des Erblassers gegenüber der C-KG auf Erbpachtzinsen für das Hotelgrundstück, auf Zahlung der Pachten für den Golfplatz und auf Provisionen für übernommene Bürgschaften wurden auf einem Verrechnungskonto des Erblassers verbucht. Das Guthaben auf diesem Konto belief sich ausweislich der Bilanz zum 31. Dezember 2001 auf 711.517,46 €. Nach dem Tod des Erblassers wurde für die C-KG ein Notgeschäftsführer bestellt. Das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C-KG wurde am 12. November 2002 eröffnet und am 23. Januar 2006 mangels kostendeckender Masse eingestellt.

3

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) setzte mit Bescheid vom 9. Dezember 2003 die Erbschaftsteuer unter dem Vorbehalt der Nachprüfung auf 2.601.346 € fest. Im Anschluss an eine Außenprüfung setzte das FA die Erbschaftsteuer mit Bescheid vom 4. Mai 2006 auf 2.711.232 € fest. Es vertrat dabei u.a. die Auffassung, dass die Forderung des Erblassers gegenüber der C-KG als Sonderbetriebsvermögen mit dem Nennwert zu erfassen sei.

4

Auf den Einspruch des Klägers setzte das FA die Erbschaftsteuer wegen geänderter Grundbesitzwerte durch Einspruchsentscheidung vom 2. Juni 2008 auf 2.466.796 € herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab ihr insoweit statt, als es eine bislang vom FA nicht berücksichtigte Bürgschaftsverpflichtung als Nachlassverbindlichkeit anerkannte. Im Übrigen, also insbesondere wegen des Ansatzes der Gesellschafterforderung, wies es die Klage ab. Die vom Bundesfinanzhof (BFH) unter dem Aktenzeichen II R 12/11 entschiedene Revision hatte im Ergebnis keinen Erfolg.

5

Zeitgleich mit dem Einspruch beantragte der Kläger die abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen (§ 163 der Abgabenordnung --AO--). Den Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 30. Juni 2010 ab. Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren eingelegte Klage wies das FG ab. Zur Begründung führte es aus, der Gesetzgeber habe Härten und Friktionen, die sich aus der Berücksichtigung der Steuerbilanzwerte bei der Bewertung für Zwecke der Erbschaftsteuer ergeben könnten, im Interesse der Steuervereinfachung bewusst in Kauf genommen.

6

Dagegen richtet sich die Revision. Der Kläger vertritt die Ansicht, aus dem Gedanken der Steuervereinfachung könne nicht entnommen werden, dass unstreitig zu hohe Wertansätze uneingeschränkt beibehalten werden müssten. Der Gesetzgeber habe vielmehr die tatsächliche Bereicherung des Erben besteuern wollen. Es widerspreche dem Willen des Gesetzgebers, Vermögenswerte mit fiktiven, im Todeszeitpunkt nicht vorhandenen Beträgen in Ansatz zu bringen.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 30. Juni 2010, der Einspruchsentscheidung vom 19. Juli 2010 und der Vorentscheidung, die Erbschaftsteuer aus Gründen der Billigkeit gemäß § 163 AO unter Berücksichtigung der Wertlosigkeit der Gesellschafterforderung auf 2.138.517 € herabzusetzen.

8

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zutreffend hat das FG einen Anspruch des Klägers auf eine abweichende Festsetzung der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen verneint.

10

1. Nach § 163 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

11

a) Der Zweck des § 163 AO liegt darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalles, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (BFH-Urteil vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, m.w.N.).

12

b) Die Entscheidung über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO), die gemäß § 102 FGO gegebenenfalls i.V.m. § 121 Satz 1 FGO nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null), ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen und eine Verpflichtung zum Erlass auszusprechen (BFH-Urteile vom 6. September 2011 VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269; in BFHE 238, 518, und vom 6. November 2012 VII R 72/11, BFHE 239, 15, BStBl II 2013, 141).

13

c) Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage --wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte-- im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 238, 518, m.w.N.; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 227 AO Rz 40). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, rechtfertigt dagegen keine Billigkeitsmaßnahme (BFH-Urteile vom 4. Februar 2010 II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663, und vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865, jeweils m.w.N.).

14

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FA ermessensfehlerfrei angenommen, dass die Erbschaftsteuer nicht wegen sachlicher Unbilligkeit niedriger festzusetzen ist, weil das in der Steuerbilanz ausgewiesene Guthaben auf dem Verrechnungskonto des Erblassers wertlos war. Ein Gesetzesüberhang liegt insoweit nicht vor.

15

a) Nach § 12 Abs. 5 Satz 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1997 (BGBl I 1997, 378, BStBl I 1997, 298) --a.F.-- sind die §§ 95 bis 99, 103, 104 und 109 Abs. 1 und 2 und § 137 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der damaligen Fassung (a.F.) für die Bewertung des Betriebsvermögens zu Erbschaftsteuerzwecken entsprechend anzuwenden; maßgebend für die Bewertung sind die Verhältnisse zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 12 Abs. 5 Satz 1 ErbStG a.F.). Nach § 109 Abs. 1 BewG a.F. sind bei bilanzierenden Steuerpflichtigen die zu dem Gewerbebetrieb gehörenden Wirtschaftsgüter mit den Steuerbilanzwerten anzusetzen.

16

b) Mit der Übernahme der Steuerbilanzwerte wollte der Gesetzgeber u.a. eine eigene Wertermittlung für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer entbehrlich machen (vgl. BTDrucks 12/1108 S. 72; Götz in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 12 ErbStG bis 2008 Rz 72; Viskorf in Viskorf/Glier/Hübner/ Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl., § 12 ErbStG Rz 38). Der Gesetzgeber hat aus Gründen der Steuervereinfachung ausdrücklich in Kauf genommen, dass die nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen anzusetzenden Aktiv- und Passivposten der Steuerbilanz auch der Höhe nach für Zwecke der Erbschaft- und Schenkungsteuer übernommen werden (BTDrucks 12/1108 S. 36). Der durch die Übernahme der zutreffenden Steuerbilanzwerte beabsichtigte Vereinfachungszweck schließt es aus, im Einzelfall andere, realitätsnahe Werte anzusetzen. Anderenfalls müsste allein aus erbschaft- und schenkungsteuerlichen Gründen eine vom Gesetzgeber ausdrücklich nicht gewünschte Bewertung der einzelnen Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens erfolgen. Selbst dann, wenn ein einzelnes Wirtschaftsgut in der Steuerbilanz zu hoch bewertet worden ist, bedeutet dies nicht automatisch, dass der Wertansatz für das Betriebsvermögen insgesamt zu hoch ausfällt. Einzelnen zu hoch bewerteten Wirtschaftsgütern stehen nämlich in aller Regel in der Steuerbilanz aufgrund von Abschreibungen etc. im Verhältnis zum Verkehrswert zu niedrig bewertete Wirtschaftsgüter gegenüber. Dies alles hat der Gesetzgeber erkannt und aus Vereinfachungsgründen allein auf den zutreffenden Wertansatz in der Steuerbilanz abgestellt.

17

c) Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 7. November 2006  1 BvL 10/02 (BVerfGE 117, 1, BStBl II 2007, 192) folgt nichts anderes. Zwar hat das BVerfG aufgrund der Anknüpfung an die unterschiedliche Bewertung einzelner Wirtschaftsgüter die Unvereinbarkeit der Tarifvorschrift des § 19 Abs. 1 ErbStG a.F. mit dem Grundgesetz festgestellt, aber deren weitere Anwendung für einen Übergangszeitraum zugelassen. Billigkeitsmaßnahmen können daher nicht auf die Verfassungswidrigkeit des § 19 Abs. 1 ErbStG a.F. gestützt werden. Unabhängig davon kann es in Einzelfällen geboten sein, durch eine Billigkeitsentscheidung einen verfassungskonformen Zustand herbeizuführen (vgl. Loose, a.a.O, § 227 AO Rz 77, m.w.N.). Der Streitfall bietet jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Bewertung des Betriebsvermögens aufgrund der Anknüpfung an die Steuerbilanzwerte insgesamt, also nicht nur in Bezug auf die auf den Kläger übergegangene Forderung des Erblassers gegen die C-KG, in einem solchen Ausmaß von den tatsächlichen Werten abweicht, dass ausnahmsweise ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen geboten erscheint, um einen verfassungskonformen Zustand im Einzelfall herbeizuführen. Das verfassungsmäßige Übermaßverbot ist erst dann verletzt, wenn die Folgen einer schematisierenden Belastung extrem über das normale Maß hinausgehen, das der Schematisierung zugrunde liegt, oder die Folgen auch unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Planvorstellungen durch den gebotenen Anlass nicht mehr gerechtfertigt sind (vgl. BVerfG-Beschluss vom 5. April 1978  1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, 116, BStBl II 1978, 441; BFH-Urteil vom 5. Mai 2004 II R 45/01, BFHE 204, 570, BStBl II 2004, 1036, zum Übermaßverbot bei der typisierenden Bewertung von Erbbaurechten). Dies trifft hier nicht zu.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(1) Steuerfrei bleiben

1.
a)
Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke beim Erwerb durch Personen der Steuerklasse I, soweit der Wert insgesamt 41 000 Euro nicht übersteigt,
b)
andere bewegliche körperliche Gegenstände, die nicht nach Nummer 2 befreit sind, beim Erwerb durch Personen der Steuerklasse I, soweit der Wert insgesamt 12 000 Euro nicht übersteigt,
c)
Hausrat einschließlich Wäsche und Kleidungsstücke und andere bewegliche körperliche Gegenstände, die nicht nach Nummer 2 befreit sind, beim Erwerb durch Personen der Steuerklassen II und III, soweit der Wert insgesamt 12 000 Euro nicht übersteigt.
Die Befreiung gilt nicht für Gegenstände, die zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen, zum Grundvermögen oder zum Betriebsvermögen gehören, für Zahlungsmittel, Wertpapiere, Münzen, Edelmetalle, Edelsteine und Perlen;
2.
Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, Kunstgegenstände, Kunstsammlungen, wissenschaftliche Sammlungen, Bibliotheken und Archive
a)
mit 60 Prozent ihres Werts, jedoch Grundbesitz und Teile von Grundbesitz mit 85 Prozent ihres Werts, wenn die Erhaltung dieser Gegenstände wegen ihrer Bedeutung für Kunst, Geschichte oder Wissenschaft im öffentlichen Interesse liegt, die jährlichen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen und die Gegenstände in einem den Verhältnissen entsprechenden Umfang den Zwecken der Forschung oder der Volksbildung nutzbar gemacht sind oder werden,
b)
in vollem Umfang, wenn die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllt sind und ferner
aa)
der Steuerpflichtige bereit ist, die Gegenstände den geltenden Bestimmungen der Denkmalspflege zu unterstellen,
bb)
die Gegenstände sich seit mindestens 20 Jahren im Besitz der Familie befinden oder in ein Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes nach § 7 Absatz 1 des Kulturgutschutzgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1914) in der jeweils geltenden Fassung eingetragen sind.
Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Gegenstände innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen;
3.
Grundbesitz oder Teile von Grundbesitz, der für Zwecke der Volkswohlfahrt der Allgemeinheit ohne gesetzliche Verpflichtung zur Benutzung zugänglich gemacht ist und dessen Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt, wenn die jährlichen Kosten in der Regel die erzielten Einnahmen übersteigen. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Grundbesitz oder Teile des Grundbesitzes innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb veräußert werden oder die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innerhalb dieses Zeitraums entfallen;
4.
ein Erwerb nach § 1969 des Bürgerlichen Gesetzbuchs;
4a.
Zuwendungen unter Lebenden, mit denen ein Ehegatte dem anderen Ehegatten Eigentum oder Miteigentum an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes verschafft, soweit darin eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird (Familienheim), oder den anderen Ehegatten von eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder der Herstellung des Familienheims freistellt. Entsprechendes gilt, wenn ein Ehegatte nachträglichen Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand für ein Familienheim trägt, das im gemeinsamen Eigentum der Ehegatten oder im Eigentum des anderen Ehegatten steht. Die Sätze 1 und 2 gelten für Zuwendungen zwischen Lebenspartnern entsprechend;
4b.
der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch den überlebenden Ehegatten oder den überlebenden Lebenspartner, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war und die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim). Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert;
4c.
der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums belegenen bebauten Grundstück im Sinne des § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes durch Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder im Sinne der Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 Quadratmeter nicht übersteigt. Ein Erwerber kann die Steuerbefreiung nicht in Anspruch nehmen, soweit er das begünstigte Vermögen auf Grund einer letztwilligen Verfügung des Erblassers oder einer rechtsgeschäftlichen Verfügung des Erblassers auf einen Dritten übertragen muss. Gleiches gilt, wenn ein Erbe im Rahmen der Teilung des Nachlasses begünstigtes Vermögen auf einen Miterben überträgt. Überträgt ein Erbe erworbenes begünstigtes Vermögen im Rahmen der Teilung des Nachlasses auf einen Dritten und gibt der Dritte dabei diesem Erwerber nicht begünstigtes Vermögen hin, das er vom Erblasser erworben hat, erhöht sich insoweit der Wert des begünstigten Vermögens des Dritten um den Wert des hingegebenen Vermögens, höchstens jedoch um den Wert des übertragenen Vermögens. Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert;
5.
die Befreiung von einer Schuld gegenüber dem Erblasser, sofern die Schuld durch Gewährung von Mitteln zum Zweck des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten begründet worden ist oder der Erblasser die Befreiung mit Rücksicht auf die Notlage des Schuldners angeordnet hat und diese auch durch die Zuwendung nicht beseitigt wird. Die Steuerbefreiung entfällt, soweit die Steuer aus der Hälfte einer neben der erlassenen Schuld dem Bedachten anfallenden Zuwendung gedeckt werden kann;
6.
ein Erwerb, der Eltern, Adoptiveltern, Stiefeltern oder Großeltern des Erblassers anfällt, sofern der Erwerb zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erwerbers 41 000 Euro nicht übersteigt und der Erwerber infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen und unter Berücksichtigung seiner bisherigen Lebensstellung als erwerbsunfähig anzusehen ist oder durch die Führung eines gemeinsamen Hausstands mit erwerbsunfähigen oder in der Ausbildung befindlichen Abkömmlingen an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Übersteigt der Wert des Erwerbs zusammen mit dem übrigen Vermögen des Erwerbers den Betrag von 41 000 Euro, wird die Steuer nur insoweit erhoben, als sie aus der Hälfte des die Wertgrenze übersteigenden Betrags gedeckt werden kann;
7.
Ansprüche nach den folgenden Gesetzen in der jeweils geltenden Fassung:
a)
Lastenausgleichsgesetz,
b)
Flüchtlingshilfegesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Mai 1971 (BGBl. I S. 681), zuletzt geändert durch Artikel 6a des Gesetzes vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1742),
c)
Allgemeines Kriegsfolgengesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 653-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 127 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407),
d)
Gesetz zur Regelung der Verbindlichkeiten nationalsozialistischer Einrichtungen und der Rechtsverhältnisse an deren Vermögen vom 17. März 1965 (BGBl. I S. 79), zuletzt geändert durch Artikel 2 Abs. 17 des Gesetzes vom 12. August 2005 (BGBl. I S. 2354),
e)
Häftlingshilfegesetz, Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz sowie Bundesvertriebenengesetz,
f)
Vertriebenenzuwendungsgesetz vom 27. September 1994 (BGBl. I S. 2624, 2635), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 43 des Gesetzes vom 22. September 2005 (BGBl. I S. 2809),
g)
Verwaltungsrechtliches Rehabilitierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1620), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118), und
h)
Berufliches Rehabilitierungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Juli 1997 (BGBl. I S. 1625), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. August 2007 (BGBl. I S. 2118);
8.
Ansprüche auf Entschädigungsleistungen nach den folgenden Gesetzen in der jeweils geltenden Fassung:
a)
Bundesentschädigungsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 251-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 7 Abs. 4 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 358), sowie
b)
Gesetz über Entschädigungen für Opfer des Nationalsozialismus im Beitrittsgebiet vom 22. April 1992 (BGBl. I S. 906);
9.
ein steuerpflichtiger Erwerb bis zu 20 000 Euro, der Personen anfällt, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt haben, soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen ist;
9a.
Geldzuwendungen unter Lebenden, die eine Pflegeperson für Leistungen für körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung vom Pflegebedürftigen erhält, bis zur Höhe des nach § 37 des Elften Buches Sozialgesetzbuch gewährten Pflegegeldes oder eines entsprechenden Pflegegeldes aus privaten Versicherungsverträgen nach den Vorgaben des Elften Buches Sozialgesetzbuch (private Pflegepflichtversicherung) oder einer Pauschalbeihilfe nach den Beihilfevorschriften für häusliche Pflege;
10.
Vermögensgegenstände, die Eltern oder Voreltern ihren Abkömmlingen durch Schenkung oder Übergabevertrag zugewandt hatten und die an diese Personen von Todes wegen zurückfallen;
11.
der Verzicht auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs oder des Erbersatzanspruchs;
12.
Zuwendungen unter Lebenden zum Zwecke des angemessenen Unterhalts oder zur Ausbildung des Bedachten;
13.
Zuwendungen an Pensions- und Unterstützungskassen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes, wenn sie die für eine Befreiung von der Körperschaftsteuer erforderlichen Voraussetzungen erfüllen. Ist eine Kasse nach § 6 des Körperschaftsteuergesetzes teilweise steuerpflichtig, ist auch die Zuwendung im gleichen Verhältnis steuerpflichtig. Die Befreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfallen;
14.
die üblichen Gelegenheitsgeschenke;
15.
Anfälle an den Bund, ein Land oder eine inländische Gemeinde (Gemeindeverband) sowie solche Anfälle, die ausschließlich Zwecken des Bundes, eines Landes oder einer inländischen Gemeinde (Gemeindeverband) dienen;
16.
Zuwendungen
a)
an inländische Religionsgesellschaften des öffentlichen Rechts oder an inländische jüdische Kultusgemeinden,
b)
an inländische Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken im Sinne der §§ 52 bis 54 der Abgabenordnung dienen. Die Befreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung der Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse als kirchliche, gemeinnützige oder mildtätige Institution innerhalb von zehn Jahren nach der Zuwendung entfallen und das Vermögen nicht begünstigten Zwecken zugeführt wird,
c)
an ausländische Religionsgesellschaften, Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen der in den Buchstaben a und b bezeichneten Art, die nach § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes in Verbindung mit § 5 Absatz 2 Nummer 2 zweiter Halbsatz des Körperschaftsteuergesetzes steuerbefreit wären, wenn sie inländische Einkünfte erzielen würden, und wenn durch die Staaten, in denen die Zuwendungsempfänger belegen sind, Amtshilfe und Unterstützung bei der Beitreibung geleistet werden. Amtshilfe ist der Auskunftsaustausch im Sinne oder entsprechend der Amtshilferichtlinie gemäß § 2 Absatz 11 des EU-Amtshilfegesetzes in der für den jeweiligen Stichtag der Steuerentstehung geltenden Fassung oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsaktes. Beitreibung ist die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen im Sinne oder entsprechend der Beitreibungsrichtlinie einschließlich der in diesem Zusammenhang anzuwendenden Durchführungsbestimmungen in den für den jeweiligen Stichtag der Steuerentstehung geltenden Fassungen oder eines entsprechenden Nachfolgerechtsaktes. Werden die steuerbegünstigten Zwecke des Zuwendungsempfängers im Sinne des Satzes 1 nur im Ausland verwirklicht, ist für die Steuerbefreiung Voraussetzung, dass natürliche Personen, die ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben, gefördert werden oder dass die Tätigkeit dieses Zuwendungsempfängers neben der Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke auch zum Ansehen der Bundesrepublik Deutschland beitragen kann. Buchstabe b Satz 2 gilt entsprechend;
17.
Zuwendungen, die ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist;
18.
Zuwendungen an
a)
politische Parteien im Sinne des § 2 des Parteiengesetzes, sofern die jeweilige Partei nicht gemäß § 18 Absatz 7 des Parteiengesetzes von der staatlichen Teilfinanzierung ausgeschlossen ist,
b)
Vereine ohne Parteicharakter, wenn
aa)
der Zweck des Vereins ausschließlich darauf gerichtet ist, durch Teilnahme mit eigenen Wahlvorschlägen an Wahlen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der politischen Willensbildung mitzuwirken, und
bb)
der Verein auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene bei der jeweils letzten Wahl wenigstens ein Mandat errungen oder der zuständigen Wahlbehörde oder dem zuständigen Wahlorgan angezeigt hat, dass er mit eigenen Wahlvorschlägen auf Bundes-, Landes- oder Kommunalebene an der jeweils nächsten Wahl teilnehmen will.
Die Steuerbefreiung fällt mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn der Verein an der jeweils nächsten Wahl nach der Zuwendung nicht teilnimmt, es sei denn, dass der Verein sich ernsthaft um eine Teilnahme bemüht hat;
19.
Leistungen von Religionsgemeinschaften, juristischen Personen des öffentlichen Rechts, Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen an Personen in Ansehung der Beeinträchtigung ihrer körperlichen oder seelischen Unversehrtheit, insbesondere aufgrund sexuellen Missbrauchs, durch Handlungen von Personen, die für die Religionsgemeinschaft, juristische Person des öffentlichen Rechts, Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse oder für eine ihr über-, neben- oder nachgeordnete Einrichtung tätig sind oder waren, wenn die Leistungen in einem geordneten Verfahren gewährt werden, das allen betroffenen Personen offensteht. § 30 Absatz 1 und 2 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine Anzeigepflicht ausschließlich für den Leistenden besteht. Die Anzeige ist mit einer Bestätigung des Leistenden über das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 1 zu verbinden.

(2) Angemessen im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 und 12 ist eine Zuwendung, die den Vermögensverhältnissen und der Lebensstellung des Bedachten entspricht. Eine dieses Maß übersteigende Zuwendung ist in vollem Umfang steuerpflichtig.

(3) Jede Befreiungsvorschrift ist für sich anzuwenden. In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 und 3 kann der Erwerber der Finanzbehörde bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, daß er auf die Steuerbefreiung verzichtet.

(1) Steuern können niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen kann bei Steuern vom Einkommen zugelassen werden, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuer erhöhen, bei der Steuerfestsetzung erst zu einer späteren Zeit und, soweit sie die Steuer mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden.

(2) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 kann mit der Steuerfestsetzung verbunden werden, für die sie von Bedeutung ist.

(3) Eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1 steht in den Fällen des Absatzes 2 stets unter Vorbehalt des Widerrufs, wenn sie

1.
von der Finanzbehörde nicht ausdrücklich als eigenständige Billigkeitsentscheidung ausgesprochen worden ist,
2.
mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 verbunden ist oder
3.
mit einer vorläufigen Steuerfestsetzung nach § 165 verbunden ist und der Grund der Vorläufigkeit auch für die Entscheidung nach Absatz 1 von Bedeutung ist.
In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs, wenn die Festsetzungsfrist für die Steuerfestsetzung abläuft, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 2 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Aufhebung oder Entfallen des Vorbehalts der Nachprüfung der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist. In den Fällen von Satz 1 Nummer 3 entfällt der Vorbehalt des Widerrufs mit Eintritt der Endgültigkeit der Steuerfestsetzung, für die die Billigkeitsmaßnahme Grundlagenbescheid ist.

(4) Ist eine Billigkeitsmaßnahme nach Absatz 1, die nach Absatz 3 unter Vorbehalt des Widerrufs steht, rechtswidrig, ist sie mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. § 130 Absatz 3 Satz 1 gilt in diesem Fall nicht.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.