Finanzgericht München Urteil, 10. Okt. 2018 - 3 K 1983/17

bei uns veröffentlicht am10.10.2018

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Streitig ist das Vorliegen der Voraussetzungen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen bei der Lieferung von drei Kraftfahrzeugen.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die unter der Nr. in das Handelsregister des Amtsgerichts eingetragen ist. Der Gegenstand ihrer unternehmerischen Tätigkeit ist der Im- und Export von und Handel mit Waren aller Art, weiter Fuhrparkmanagement und Vermietung sowie Unternehmensberatung. Ihr Geschäftsführer ist Herr .

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2007 errechnete die Klägerin eine Umsatzsteuer von €. Als Besteuerungsgrundlagen erklärte sie unter anderem steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz in Höhe von € und steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen an Abnehmer mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) in Höhe von €.

Nach der Durchführung einer mit Prüfungsanordnung vom 11. Februar 2008 am 14. Februar 2008 begonnenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung für den Voranmeldungszeitraum des zweiten Kalendervierteljahres 2007 - welche im Rahmen einer multilateralen Prüfung der deutschen, österreichischen, ungarischen und slowakischen Finanzbehörden erfolgte - versagte der Beklagte die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung von drei Kraftfahrzeugen. Mit weiterer Prüfungsanordnung des FA vom 4. Dezember 2012 wurde - unter Bezugnahme auf die Prüfungsanordnung vom 11. Februar 2008 - der Besteuerungszeitraum der Jahresumsatzsteuer 2007 zum Gegenstand der Prüfung gemacht und die Prüfung zugleich inhaltlich auf das zweite Kalenderjahr 2007 beschränkt. Der gegen diese weitere Prüfungsanordnung mit Schreiben vom 8. Dezember 2012 gerichtete Einspruch der Klägerin wurde von dieser mit Schreiben vom 8. Februar 2013 zurückgenommen, nachdem das FA mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2012 Ausführungen zum Gegenstand der Prüfung und den damaligen Prüfungsfeststellungen gemacht hatte. Nach dem Ergehen des Prüfungsberichts am 30. Dezember 2013 erhöhte das FA unter Übernahme der Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung die steuerpflichtigen Umsätze für 2007 um insgesamt € und setzte die Umsatzsteuer für 2007 mit Bescheid vom 21. Mai 2014 auf € fest, was eine Erhöhung der festgesetzten Umsatzsteuer um € zur Folge hatte.

Gegenstand der Prüfungsfeststellungen waren folgende als steuerfrei erklärte Lieferungen von Kraftfahrzeugen an die slowakische Firma N s.r.o. mit der USt-IdNr. SK…:

 

Gegenstand der Prüfungsfeststellungen war des Weiteren die als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärte Lieferung von vier Winterreifen an die N s.r.o. mit Rechnung vom 26. April 2007 für netto € zuzüglich € Umsatzsteuer (brutto €), die bereits wegen der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer als steuerpflichtig angesehen wurde.

Das FA versagte die Steuerfreiheit der drei Kraftfahrzeuglieferungen, weil die Voraussetzungen des Buch- und Belegnachweises nicht vorlägen und ließ auch eine Berufung auf den Gutglaubensschutz durch die Klägerin nicht zu, weil diese nicht gutgläubig gehandelt habe.

Der Belegnachweis liege deshalb nicht vor, weil bei Prüfungsbeginn weder eine Empfangsbestätigung des Abnehmers, eine Versicherung des Abnehmers den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern noch für den Volvo eine Vollmacht zur Abholung vorgelegen hätte. Bei den dazu nachgereichten Unterlagen sei davon auszugehen, dass diese nachträglich erstellt worden seien. Diese Nachweise seien aber grundsätzlich zeitnah bei Ausführung des Umsatzes zu führen. Zudem fehle es beim Belegnachweis an der Angabe des jeweiligen Monats des Erhalts der drei Fahrzeuge.

Der Buch- und Belegnachweis durch die Klägerin sei auch deshalb nicht ordnungsgemäß, weil es sich bei der Firma N s.r.o. laut den Feststellungen der multilateralen Prüfung um eine Scheinfirma handele, die nicht der tatsächliche Abnehmer der betreffenden Fahrzeuge gewesen sei; der Buchnachweis sei insoweit falsch. So habe die N s.r.o. am statuarischen Firmensitz keine eigenen Geschäftsräume und dort zu keinem Zeitpunkt eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt; bei der Anschrift der N s.r.o. in der Slowakei handele es sich um die Anschrift eines Buchhaltungsbüros, das lediglich Post entgegengenommen und diese weiter nach Ungarn geleitet habe. Die N s.r.o. habe auch über keinen aktiven Telefon- oder Faxanschluss und über keinen Lagerplatz für Fahrzeuge verfügt. Ihr alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter A sei als ungarischer Staatsangehöriger in Budapest in Ungarn wohnhaft gewesen. Allein am Briefkopf der N s.r.o. sei erkennbar, dass sie an ihrem Sitz in der Slowakei keine Geschäftstätigkeit ausübe, da sie dort nur eine ungarische Telefon- und Faxverbindung angegeben habe. Der Geschäftsführer der Klägerin habe keinen persönlichen, schriftlichen oder telefonischen Kontakt mit dem Geschäftsführer der N s.r.o. gehabt, die Abwicklung der Verkäufe sei über die ungarischen Autohändler B und C erfolgt; auch die Zahlung der Kaufpreise sei nicht durch die N s.r.o. geleistet worden. Da die Klägerin all dies hätte erkennen können, könne ihr auch kein Vertrauensschutz gewährt werden.

Gegen den Umsatzsteuerbescheid vom 21. Mai 2014 war der Einspruch vom 6. Juni 2014 gerichtet, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2017 als unbegründet zurückwies.

Dagegen ist die Klage vom 9. August 2017 gerichtet.

Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen vorlägen; insbesondere sei der Buch- und Belegnachweis von ihr vollständig erbracht worden. So lägen schriftliche Kaufverträge und Rechnungen mit der Firma N s.r.o., ein Auszug aus dem slowakischen Handelsregister und eine Kopie des Personalausweises des Geschäftsführers der Firma N s.r.o. sowie Abnahme- und Verbringungsbestätigungen des Abholers, eines D, inklusive der Kopie seines Ausweises vor. Sie habe weiter eine qualifizierte Anfrage an das Bundeszentralamt für Steuern hinsichtlich Gültigkeit der USt-IdNr. der N s.r.o. gerichtet, die positiv ausgefallen sei. Dass der Geschäftskontakt zur Firma N s.r.o. durch ungarische Geschäftspartner der Klägerin vermittelt worden sei und dass die Fahrzeuge letztlich nach Ungarn gelangt seien, sei nicht unüblich und stelle die Rechtmäßigkeit ihres Handelns nicht in Frage. Die teilweise unmittelbare Zahlung aus Ungarn sei darin begründet, dass sowohl die Slowakei als auch Ungarn nicht den Euro als Währung eingeführt hätten und deshalb eine zweifache Zahlung mit Wechselkursgebühren vermieden werden sollte. Dass die von der slowakischen Firma N s.r.o. verwendete Faxnummer mit einer ungarischen Ländernummer angefangen habe, sei den Mitarbeitern der Klägerin mangels Kenntnis nicht aufgefallen. Entscheidend sei für die Gewährung der Steuerfreiheit letztlich, dass alle drei Fahrzeuge in einen anderen Mitgliedstaat verbracht worden seien. Vorliegend liege auch kein Reihengeschäft vor, so wie es das Gericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes im Streitfall gesehen habe, schon weil der Weiterverkauf der Fahrzeuge erst nach der Veräußerung an die N s.r.o. abgeschlossen worden sei. Im Übrigen sei Festsetzungsverjährung eingetreten.

Zu dem weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die Akten verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer für 2007 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 21. Mai 2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juli 2017 um € herabzusetzen;

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt das FA im Wesentlichen vor, dass die gesetzlichen Voraussetzungen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen nicht vorlägen. Durch den Abnehmer sei der Klägerin hier lediglich bestätigt worden, dass die drei Fahrzeuge von Deutschland in die Slowakei verbracht worden seien; die Belegnachweise seien zudem teilweise erst nachträglich erstellt worden. Tatsächlich habe sich herausgestellt, dass die Fahrzeuge nach Ungarn und nicht an die Firmenanschrift der N s.r.o. in der Slowakei geliefert worden seien. Außerdem sei die Lieferung an eine Scheinfirma - wie es die N s.r.o. sei - nicht möglich. Vorliegend hätte für die Klägerin genügend Anlass vorgelegen, ihren Abnehmer genauer zu überprüfen, denn die Firma N s.r.o. sei erstmals im Streitjahr als Käuferin aufgetreten und die Kaufpreise der drei veräußerten Fahrzeuge seien teilweise in bar und teilweise gleich von ungarischen Abnehmern bezahlt worden. Auch die Geschäftsabwicklung sei über zwischengeschaltete Dritte erfolgt und der Geschäftsführer der N s.r.o. sei nach Aussage des Geschäftsführers der Klägerin nicht in Erscheinung getreten, insbesondere habe es bei den Verkäufen keinerlei persönlichen, schriftlichen oder telefonischen Kontakt gegeben. Auch sei der Schriftverkehr nicht nachvollziehbar gewesen, da als geschäftlicher Kontakt keine slowakische, sondern eine ungarische Telefon- und Telefaxverbindung angegeben worden sei. Da der Geschäftsführer der Klägerin aus Ungarn stamme, hätte er dies erkennen müssen. Im Übrigen könne hier auch kein Reihengeschäft stattgefunden haben, denn dies würde voraussetzen, dass dem FA gegenüber die Lieferkette offengelegt und anhand von Belegen nachgewiesen werden müsse. Vorliegend sei aber lediglich eine Lieferung an die slowakische Firma N s.r.o. erklärt worden. Auch die Voraussetzungen für die Anwendung der Vertrauensschutzregelung lägen nicht vor, weil die Klägerin die unrichtigen Angaben ihres Abnehmers bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte erkennen können.

Zu den weiteren Einzelheiten des Vorbringens des FA wird auf die eingereichten Stellungnahmen verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2018 legte die Klägerin in Anlage drei so bezeichnete „Eidesstattliche Versicherungen“ des abholenden Fahrers D mit Datum vom 6. Februar 2018 vor. Mit diesen „Gelangensbestätigungen“ in Form von eidesstattlichen Versicherungen lägen nunmehr gerichtsfeste Dokumente vor, nach denen die streitgegenständlichen Fahrzeuge von der Spedition in die Slowakei verbracht worden und dort an die Firma N s.r.o. übergeben worden seien. In den vorgelegten Erklärungen bestätigt D, dass er die drei streitgegenständlichen Kraftfahrzeuge vom Firmensitz der Klägerin zum Sitz der N s.r.o. in der Slowakei mit einem LKW transportiert habe. Neben seiner Unterschrift findet sich dort der Firmenstempel einer ungarischen Firma „K“ mit einer weiteren Unterschrift.

Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

II.

Die Klage ist unbegründet.

Das FA hat die drei streitgegenständlichen Lieferungen von Kraftfahrzeugen zu Recht nicht als steuerfrei angesehen. Eine Festsetzungsverjährung für die Umsatzsteuer 2007 war im Jahr 2014 noch nicht eingetreten.

Die Prüfungsfeststellung hinsichtlich der Lieferung von vier Winterreifen an die N s.r.o. mit Rechnung vom 26. April 2007 für netto € zuzüglich € Umsatzsteuer (brutto €) ist nach Einlassung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht streitig.

1. Die geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für 2007 vom 21. Mai 2014 ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht wegen Ablauf der Festsetzungsfrist rechtswidrig.

a) Gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO bei Steuern vier Jahre, sie beginnt, soweit eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung oder die Steueranmeldung eingereicht wird (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO). Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO).

b) Der Beginn der Außenprüfung setzt voraus, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wurde und - wenn auch nur stichprobenweise - tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen wurden (Bundesfinanzhof-BFH, ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteile vom 2. Februar 1994 I R 57/93, BStBl II 1994, 377; vom 24. April 2003 VII R 3/02, BStBl II 2003, 739 und vom 16. Juni 2015 IX R 51/14, BStBl II 2016, 13, jeweils m.w.N.). Dabei kann unter dem Begriff der Außenprüfung nicht jede, sondern nur eine sogenannte qualifizierte Ermittlungshandlung des FA verstanden werden, die für den Steuerpflichtigen erkennbar darauf gerichtet ist, den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt zu ermitteln oder zu überprüfen. Hierbei muss es sich um Maßnahmen handeln, die für den Steuerpflichtigen i.S. der §§ 193 ff. AO als Prüfungshandlungen erkennbar sind und geeignet erscheinen, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen (BFH-Urteil vom 26. April 2017 I R 76/15, BStBl II 2017, 1159, Rz. 21, m.w.N.).

c) Nach diesen Grundsätzen sind auch die Maßnahmen zu beurteilen, die den Beginn der Außenprüfung bewirken sollen. Mit einer Außenprüfung ist tatsächlich noch nicht begonnen, wenn der Prüfer erscheint und die Prüfungsanordnung übergibt, sondern erst dann, wenn er nach der Übergabe oder Übersendung der Prüfungsanordnung Handlungen zur Ermittlung des Steuerfalls vornimmt. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass die Handlungen, die der Prüfer am Prüfungsort vornimmt, solche zur Ermittlung des Steuerfalls sind, und zwar auch dann, wenn sie nur auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u.ä. gerichtet sind. Als Prüfungshandlungen kommen insoweit das informative Gespräch, das Verlangen nach Belegen und Unterlagen oder Auskünften, ggf. auch von Dritten, in Betracht. Der Prüfer muss nur ernsthaft mit der Prüfung begonnen haben, auch wenn die Prüfungshandlungen für den Steuerpflichtigen nicht als solche evident sind (vgl. nur BFH-Urteil vom 26. April 2017 I R 76/15, BStBl II 2017, 1159, Rz. 22, m.w.N.).

d) Im Streitfall wurde die Umsatzsteuerjahreserklärung für 2007 am 16. Juni 2008 (Frühleerung) beim FA eingereicht. Die reguläre Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 2007 begann damit mit Ablauf des Jahres 2008 und endete mit Ablauf des Jahres 2012, allerdings war hier mit dem Beginn der Außenprüfung eine Unterbrechung (Ablaufhemmung) eingetreten.

Mit der Prüfung der Umsatzsteuer für das 2. Kalendervierteljahr 2007 wurde ausweislich des Prüfungsberichts vom 30. Dezember 2013 am 14. Februar 2008 in den Räumen des steuerlichen Vertreters der Klägerin begonnen; die Prüfungsanordnung ist auf den 11. Februar 2008 datiert. Der Prüfer nahm dabei Einsicht in die Buchhaltungsunterlagen der Klägerin hinsichtlich deren innergemeinschaftlichen Lieferungen an die slowakische Firma N s.r.o. und ließ sich die vorhandenen Belege der drei streitigen Lieferungen vorlegen, denn die betreffenden Buchhaltungsunterlagen waren in Zusammenhang mit der multilateralen Steuerprüfung im Auftrag des Bundeszentralamts für Steuern angefordert worden. Zudem hatte der Prüfer tatsächlich auf den 14. Februar 2008 datierte Auszüge aus der Buchhaltung der Klägerin erhalten und es liegt eine „Aktennotiz“ des Prüfers vom 6. März 2008 vor, aus der ersichtlich ist, dass er sich den Ablauf der Lieferung an die N s.r.o. vom Geschäftsführer der Klägerin ausführlich hat erläutern lassen und die Erkenntnisse hieraus im Rahmen einer FISCALIS-Prüfung bei der N s.r.o. weitergegeben hat. Das reicht in Anbetracht der erforderlichen Prüfungshandlungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen dafür aus, um von ernsthaften Prüfungshandlungen im Sinne von Handlungen zur Ermittlung des Prüfungsfalls auszugehen.

Somit ist mit den Prüfungshandlungen vom 14. Februar 2008 die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO eingetreten. Hier war es für die Klägerin erkennbar, dass das FA die Lieferungen an die Firma N s.r.o. für prüfungswürdig erachtete und dass das Ergebnis dieser Prüfung vom Abschluss der Ermittlungen im Ausland abhängig war.

Aufgrund der geänderten Prüfungsanordnung vom 4. Dezember 2012 nach Einreichung der Jahreserklärung für 2007 durch die Klägerin ist davon auszugehen, dass die Umsatzsteuer 2007 Gegenstand der Prüfung geworden ist. Dies wurde der Klägerin auch im Schreiben des Finanzamts vom 14. Dezember 2012 mitgeteilt. Der Umfang der Unterbrechungswirkung bemisst sich deshalb nach der geänderten Prüfungsanordnung vom 4. Dezember 2012. Mit deren Erlass wurde keine neue Außenprüfung begonnen, sondern es handelte sich um dieselbe Außenprüfung im Sinn von § 171 Abs. 4 AO.

e) Im Streitfall liegt kein Fall des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO vor, wonach der Satz 1 des § 171 Abs. 4 AO nicht gilt, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

aa) § 171 Abs. 4 Satz 2 AO will einer missbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit der Ablaufhemmung durch die Finanzverwaltung entgegentreten; Außenprüfungen sollen nicht pro forma begonnen werden, um den Ablauf der Festsetzungsfrist hinauszuschieben (BFH-Urteil vom 17. März 2010 IV R 54/07, BStBl II 2011, 7, Rz. 18). Die Vorschrift setzt daher zunächst voraus, dass ernsthaft mit der Prüfung begonnen wurde. Wird nur zum Schein mit einer Prüfung begonnen, sind die entsprechenden Handlungen nicht geeignet, den Fristablauf zu hemmen. Wurde ernsthaft mit der Prüfung begonnen, so wie es im Streitfall zu bejahen ist (vgl. Tz. II.1.d), greift § 171 Abs. 4 Satz 2 AO nur ein, wenn die Außenprüfung unmittelbar nach dem Beginn unterbrochen wurde.

Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben (z.B. BFH-Urteile vom 8. Juli 2009 XI R 64/07, BStBl II 2010, 4 und vom 26. Juni 2014 IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716). Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist (BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BStBl II 2009, 876, m.w.N.). Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand, gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff, erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben (BFH-Urteil vom 24. April 2003 VII R 3/02, BStBl II 2003, 739, Rz. 58). Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann (BFH-Urteil vom 12. Juni 2018 VIII R 46/15, juris, Rz. 30, m.w.N.).

bb) Nach diesen Maßstäben liegt vorliegend jedenfalls keine unmittelbare Unterbrechung der Prüfung nach deren Beginn vor. Hier wurden vom Prüfer mit der Einsicht in die Buch- und Belegnachweise und der Feststellung der in der Aktennotiz vom 6. März 2008 niedergelegten Sachverhalte die wesentlichen Prüfungshandlungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen durchgeführt. Der Abschluss dieser Prüfung war dann vom Ergebnis der multilateralen Prüfung bei der N s.r.o. abhängig. Dabei hat das FA mit der Forderung des Prüfers nach Vorlage der Auszüge aus der Buchhaltung der drei streitgegenständlichen innergemeinschaftlichen Kraftfahrzeuglieferungen an die N s.r.o. auch alles unternommen, den Gegenstand und den Umfang der Umsatzsteuer-Sonderprüfung über die durch Prüfungsanordnung erfolgte zeitliche Eingrenzung des Prüfungsinhalts hinaus für die Klägerin klar darzulegen. Die Prüfungshandlungen haben für die multilaterale Prüfung bei der N s.r.o. erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt, an die bei der Fortführung der Prüfung der Steuerfreiheit für die streitgegenständlichen Kfz-Lieferungen bei der Klägerin angeknüpft werden konnte (vgl. insoweit auch o.g. „Aktennotiz“ des Prüfers vom 6. März 2008).

Davon abgesehen liegt auch kein Fall der missbräuchlichen Ausnutzung der Ablaufhemmung durch das FA vor, denn für die Unterbrechung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bis zum Abschluss der multilateralen Prüfung bestand ein sachlicher Grund.

f) Dem Antrag der Klägerin auf Vernehmung von Steuerberater L als Zeugen war nicht stattzugeben, denn es ist unstreitig, dass der Prüfer nur am 14. Februar 2008 bei der Klägerin erschienen ist und dann bis 2012 bei dieser selbst keine wesentlichen Prüfungstätigkeiten ausgeführt hat. Damit wird aber auch nicht infrage gestellt, dass der Prüfer dabei wesentliche Prüfungshandlungen bei der Klägerin vorgenommen hat, was sich auch aus dem vom Kläger in Bezug genommenen Schreiben des Steuerberaters L vom 8. Februar 2014 ergibt. Bei der Frage, ob es sich bei den vorgenommenen Prüfungshandlungen um einen ernsthaften Beginn der Prüfung gehandelt hat und ob bei den durchgeführten Prüfungsmaßnahmen unter Berücksichtigung der Gesamtumstände die Prüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die dem Beweis nicht zugänglich ist.

2. Das Finanzamt hat die streitgegenständlichen Kraftfahrzeuglieferungen im Ergebnis zu Recht nicht als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen anerkannt, weil die Klägerin die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht nachgewiesen hat.

a) Im Streitfall fehlt es zunächst bei allen drei Kraftfahrzeuglieferungen an einem ordnungsgemäßen Belegnachweis.

aa) Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung - UStG),

- wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG),

- wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG) und

- wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG).

Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein (vgl. § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG). Die Einzelheiten der Nachweispflichten ergeben sich aus § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG i.V.m. den §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr maßgeblichen Fassung (UStDV). Danach hat der Lieferer den Nachweis durch Belege (§ 17a, § 17b UStDV) und durch Bücher (§ 17c UStDV) zu führen. Gemäß § 17a Abs. 1 UStDV muss der Unternehmer durch Belege nachweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV). Der Belegnachweis unterliegt der Nachprüfung. Nicht erforderlich ist, dass der innergemeinschaftliche Erwerb im EU-Ausland tatsächlich besteuert worden ist (BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 72/05, BStBl II 2009, 55).

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf dem im Streitjahr geltenden Art. 138 Abs. 1 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL). Danach „befreien die Mitgliedstaaten die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden von der Steuer, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt“ (vgl. auch BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 18/10, Rz. 17, BFH/NV 2012, 1006, noch zur Vorgängerregelung in Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG).

bb) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtige Angaben des Abnehmers gilt nach der BFH-Rechtsprechung Folgendes:

(1) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt hat (sog. Beleg- und Buchnachweis).

(2) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (sog. Objektivnachweis; vgl. Gerichtshof der Europäischen Union-EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-146/05, Collee, ECLI:EU:C:2007:549, BStBl II 2009, 78 und BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 59/03, BStBl II 2009, 57).

(3) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG im Wege des Vertrauensschutzes in Betracht. Maßgeblich ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz. 30 ff.).

cc) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für den Nachweis der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1, 3 UStG i.V.m. §§ 17a, 17c UStDV nicht vor, weil der Belegnachweis bei den Lieferungen der drei Kraftfahrzeuge jeweils nicht den im Streitjahr geltenden gesetzlichen Anforderungen entspricht.

aaa) Der Belegnachweis nach § 17a UStDV erfordert zunächst die Unterscheidung nach einer Beförderung oder einer Versendung des Liefergegenstandes durch den Veräußerer oder den Abnehmer, denn hierfür finden sich in Abs. 2 und Abs. 4 dieser Regelung unterschiedliche Beleganforderungen.

Befördern ist gemäß § 3 Abs. 6 Satz 2 UStG jede Fortbewegung eines Gegenstandes; im Rahmen des § 17a UStDV ist hier zu fordern, dass es sich bei dem „Abholer“ um einen unselbständigen Beauftragten des Abnehmers (Arbeitnehmer oder Erfüllungsgehilfe) handelt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BStBl II 2010, 511, Rz. 64; Frye, in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum UStG, § 6a Rz. 221 und Treiber, in Sölch/Ringleb, Kommentar zum UStG, § 6a Rz. 41). Ein Versenden liegt dagegen vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten besorgen lässt (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG).

bbb) Gemäß § 17a Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis hierüber wie folgt führen:

  • 1.durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

  • 2.durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

  • 3.durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

  • 4.in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.

ccc) Im Streitfall liegen für alle drei Fahrzeuge Belege zur Dokumentation einer Beförderung durch den Abnehmer (Abhollieferung) gemäß § 17a Abs. 2 UStDV durch die N s.r.o. vor. Bereits im Verwaltungsverfahren wurde für jedes Fahrzeug die für Abhollieferungen erforderliche Empfangsbestätigung des Abnehmers bzw. seines Beauftragten (D) nach § 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV und eine Bestätigung des „Abholers“ D vorgelegt, in der dieser gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV versichert hat, die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet (in die Slowakei zum Sitz der N s.r.o.) zu verbringen. Außerdem wurde jeweils eine von der N s.r.o. gegenüber D ausgestellte Vollmacht vorgelegt, wonach dieser bevollmächtigt war, die streitgegenständlichen Fahrzeuge abzuholen.

Dass vorliegend einzelne Bestandteile des Belegnachweises gegenüber dem FA erst nach Abschluss der Betriebsprüfung vorgelegt wurden, ist hier unschädlich, denn der Belegnachweis kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht nachgeholt werden (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BStBl II 2006, 634, Rz. 40, m.w.N.). Konkrete Anhaltspunkte für eine nachträgliche Erstellung der Belege haben sich für das Gericht nicht ergeben.

Dass hiermit seitens der Klägerin eine Abhollieferung i.S.d. § 17a Abs. 2 UStDV dokumentiert werden sollte, findet seine Unterstützung im schriftsätzlichen Vorbringen des Vertreters der Klägerin im finanzgerichtlichen Verfahren. So trägt dieser etwa vor, dass „D gemäß den zum Beweis vorgelegten Unterlagen Beauftragter und Bevollmächtigter der Firma N s.r.o. war“ und dass „D in seiner Abhol- und Verbringensbestätigung schreibe …“. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Klägerin hier selber vom Vorliegen einer Abhollieferung ausging.

Einer solchen „Verbringensbestätigung“ - mithin der Bestätigung der Beförderung in einen anderen Mitgliedstaat -, wie sie hier dem FA vorgelegt wurden, bedarf es allerdings grundsätzlich nur im Fall der Abhollieferung (§ 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV).

ddd) Im finanzgerichtlichen Verfahren macht die Klägerin allerdings durch die vorgelegten „Eidesstattlichen Versicherungen“ geltend, dass die drei Fahrzeuge durch die „Spedition K“ in die Slowakei verbracht worden seien, so dass keine Abhollieferungen, sondern Versendungslieferungen vorlägen. Diese Einlassung wird durch die glaubhafte Aussage des in der mündlichen Verhandlung vernommenen Zeugen D bestätigt. Dieser war angestellter Kraftfahrer der ungarischen Spedition „K“ und hat alle drei Fahrzeuge auf einem Autotransporter für diese Spedition befördert.

Damit sind die Fahrzeuge aber tatsächlich durch einen beauftragten selbständigen Spediteur befördert worden; es liegt keine Abhol-, sondern eine Versendungslieferung durch den Unternehmer oder den Abnehmer vor. Gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 UStDV ist der Belegnachweis in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, durch das Doppel der Rechnung und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV zu führen. Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Versendungsnachweis nach § 17a Abs. 4 Satz 1 UStDV zu führen, kann er den Nachweis auch nach den Absätzen 2 oder 3 führen (§ 17a Abs. 4 Satz 2 UStDV).

Mit dem Verweis auf § 10 Abs. 1 UStDV wird bewirkt, dass in Versendungsfällen der Belegnachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen grundsätzlich in der gleichen Weise zu führen ist wie bei Ausfuhren in das Drittlandsgebiet. Vorliegend fehlt es aber an einem solchen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV, hier liegt insbesondere kein Frachtbrief (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 UStDV) vor.

Dies führt zur Unvollständigkeit des Belegnachweises. Die Klägerin kann sich hier auch nicht auf die Ausnahmeregelung des § 17a Abs. 4 Satz 2 UStDV berufen, wonach der Unternehmer den Nachweis wie in Beförderungsfällen (§ 17a Abs. 2 und 3 UStDV) führen kann, wenn es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar ist, den Versendungsnachweis durch das Rechnungsdoppel und einen Beleg nach § 10 Abs. 1 UStDV zu führen. Diese seit dem 21. Oktober 1995 anzuwendende Regelung erleichterte den Unternehmern bis 31. Dezember 2011 die Nachweisführung namentlich in den Fällen, in denen der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendete (Langer, in Reiß/Kraeusel/Langer, Kommentar zum UStG, 1. Aufl. 1995, 145. Lfg., § 6a UStG, Rz. 81 - Kommentierung zum Gesetzesstand im Streitjahr).

Dass es der Klägerin im Streitfall nicht zumutbar war, einen solchen Nachweis zu führen, ist hier nicht vorgebracht worden und wegen des Vorbringens des Zeugen D auch nicht nachvollziehbar, denn dieser sagte aus, dass bei seiner Spedition bei solchen Transporten normalerweise ein CMR-Frachtbrief ausgestellt würde. Hier ist nicht ersichtlich, warum ein solcher Nachweis bei den drei Lieferungen nicht hätte erstellt werden können.

Die vorliegenden „Verbringensbestätigungen“ können auch nicht als „Ersatzbeleg“ für einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV herangezogen werden, schon weil ihr Aussagegehalt - die Bestätigung der Verbringung der Fahrzeuge in einen anderen Mitgliedstaat - ein ganz anderer ist.

eee) Im Übrigen verstößt diese Art der „Nachweisführung“ auch gegen § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV, wonach es sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben muss, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. An dieser eindeutigen und leichten Nachprüfbarkeit fehlt es aber, wenn mit den vorgelegten Belegen der Anschein einer Abhollieferung erzeugt wird, tatsächlich aber eine Versendungslieferung durchgeführt wurde. Der Gesetzgeber hat mit den in § 17a UStDV dokumentierten unterschiedlichen Beleganforderungen klar zu erkennen gegeben, dass immer zwischen der Abhollieferung und der Versendungslieferung zu unterscheiden ist.

b) Im Streitfall liegt auch kein ordnungsgemäßer Buchnachweis für die streitigen Kraftfahrzeuglieferungen vor.

aa) Zur Führung des Buchnachweises muss der Unternehmer die USt-IdNr. des Abnehmers aufzeichnen (§ 17c Abs. 1 UStDV). Darüber hinaus muss er den Namen und die Anschrift des Abnehmers aufzeichnen (§ 17c Abs. 2 Nr. 1 UStDV) und dessen Unternehmereigenschaft nachweisen (BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 26/05, BStBl II 2009, 49, Rz. 48). Der Buchnachweis unterliegt ebenso wie der Belegnachweis der Überprüfung durch das FA. Ergibt die Überprüfung, dass der aufgezeichnete Abnehmer kein Unternehmer gewesen ist, geht dies zu Lasten des Unternehmers.

bb) Da es sich bei der N s.r.o., welche die Klägerin als ihren Abnehmer ansah, aber um eine sog. Scheinfirma handelte, ergibt sich aus der Aufzeichnung der USt-IdNr. dieser Firma nicht auch deren Unternehmereigenschaft. Wenn feststeht, dass die buchmäßige aufgezeichnete Angabe der USt-IdNr. mangels tatsächlich fehlender Unternehmereigenschaft diese nicht bezeugen kann, entfällt die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung. Es kann dann nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommen (BFH-Urteil vom 10. August 2016 V R 45/15, BStBl II 2018, 501, Rz. 18), denn materielle Voraussetzung für die Gewährung der Steuerfreiheit ist, dass der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG).

cc) Das Gericht geht hier bei der N s.r.o. aus folgenden Gründen vom Vorliegen einer sog. Scheinfirma, also davon aus, dass diese kein Steuerpflichtiger gewesen ist, der als solcher in einem anderen Staat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Fahrzeuge gehandelt hat (Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL):

- Die Firma N s.r.o. hatte nach den Feststellungen des FA an ihrem statuarischen Firmensitz keine eigenen Geschäftsräume und dort zu keinem Zeitpunkt eine wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt.

- Bei der Anschrift der N s.r.o. in der Slowakei handelte es sich nach den Feststellungen der multilateralen Prüfung lediglich um die Anschrift eines Buchhaltungsbüros.

- Die N s.r.o. verfügte an ihrer Adresse in der Slowakei über keinen aktiven Telefon- oder Faxanschluss und über keinen Lagerplatz für Fahrzeuge.

- Ihr alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter A als ungarischer Staatsangehöriger in Budapest in Ungarn wohnhaft.

- Aus dem verwendeten Briefkopf der N s.r.o. war erkennbar, dass sie an ihrem Sitz in der Slowakei keine Geschäftstätigkeit ausübte, da dort nur eine ungarische Telefon- und Faxverbindung angegeben war.

- Der Geschäftsführer der Klägerin hatte keinen persönlichen, schriftlichen oder telefonischen Kontakt mit dem Geschäftsführer der N s.r.o.. Die Abwicklung der Verkäufe erfolgte über die ungarischen Autohändler B und C.

- Die unbaren Teilzahlungen der Kaufpreise erfolgte nicht durch die N s.r.o.

Diese Feststellungen werden durch die Zeugenaussage des D, der die Fahrzeuge nach seinen Ausführungen als Fahrer mit einem Autotransporter bei der Klägerin abgeholt und zur N s.r.o. verbracht hat, nicht in Frage gestellt. Der Zeuge sagte zwar aus, er habe die Fahrzeuge bei zwei Lieferungen an die Adresse der N s.r.o. in der Slowakei geliefert. Allerdings habe er dabei keinen Hinweis auf Geschäftsräume oder Ähnliches dieser Firma gesehen. Der „Empfänger“ sei bei der ersten Lieferung von zwei Kraftfahrzeugen ein ihm unbekannter „Mann mit Baseballkappe“ gewesen, der - nachdem er vorher seinen Chef kurz vor Ankunft am Ziel angerufen hatte - von sich aus bei dem Autotransporter auf der Straße erschienen sei. Sein Chef habe ihm dann telefonisch bestätigt, dass er die Fahrzeuge abladen könne; diese seien dann auf einem Parkplatz in der Zielstraße abgestellt worden. Die zweite Lieferung sei grundsätzlich genauso abgelaufen, nur, dass da eine andere Person auf der Straße erschienen sei.

dd) Die Versagung der Steuerfreiheit, weil die Abnehmerfirma in der Slowakei nur einen Scheinsitz hatte, wird nicht durch die neue Rechtsprechung des BFH zur „Briefkastenadresse“ bei der Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs ausgeschlossen.

Der BFH hat hierzu entschieden, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist (BFH-Urteile vom 21. Juni 2018 V R 25/15, UR 2018, 1837, Rz. 26 und V R 28/16, UR 2018, 721).

Diese Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug ist jedenfalls dann nicht auf die Adresse und den Sitz des Unternehmens des Empfängers einer innergemeinschaftlichen Lieferung übertragbar, wenn es sich bei diesem - wie im Streitfall - um ein Scheinunternehmen handelt. Bei den innergemeinschaftlichen Lieferungen kommt der Person des Abnehmers und seiner Identität für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448, Rz. 17), so dass eine bloße „Briefkastenadresse“ zur Identifizierung eines Abnehmers nicht ausreichen kann. Eine solche ist vor allem kein Nachweis dafür, dass der Abnehmer (vorliegend die Firma N s.r.o.) ein Unternehmer ist, der die Fahrzeuge für sein Unternehmen erworben hat bzw. ein Steuerpflichtiger gewesen ist, der in der Slowakei als solcher gehandelt hat.

Dafür spricht auch der Wortlaut der MwStSystRL, der in Art. 138 Abs. 1 für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen fordert, „… dass die Lieferungen an einen Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat bewirkt wird, … der als solcher in diesem Mitgliedstaat handelt“. Art. 168 Buchst. a MwStSystRL spricht beim Vorsteuerabzug dagegen nur davon, „…dass die Gegenstände von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden“. Eine Scheinfirma - wie vorliegend die N s.r.o. - handelt aber nicht i.S.d. Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL als Steuerpflichtiger in einem anderen Mitgliedstaat.

c) Im Streitfall steht auch nicht aufgrund objektiver Umstände fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind.

Der Zeuge D hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt, dass er die streitigen Fahrzeuge als Fahrer der ungarischen Spedition „K“ (Inhaber K) mit einem Autotransporter in die Slowakei zu der angegebenen Adresse der Firma N s.r.o. verbracht hat. Zwar hat der BFH entschieden, dass der Unternehmer grundsätzlich nicht berechtigt ist, den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Anforderungen in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen zu führen. Ein Beweis durch Zeugen kommt als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf Antrag (BFH-Urteil vom 19. März 2015 V R 14/14, BStBl II 2015, 912, Rz. 19). Ob das Gericht hiernach durch die Zeugeneinvernahme gegen ein in rechtsstaatlicher Hinsicht fragwürdiges Beweiserhebungsverbot verstoßen hat (so Wäger, Urteilsanmerkung in BFH/PR 2015, 394 und in UR 2015, 702 [708]) bzw. nicht berechtigt ist, die Zeugenaussage insoweit zu verwerten, kann dahinstehen. Denn der Objektivnachweis der materiellen Voraussetzungen der Steuerfreiheit wurde durch die Zeugenaussage deshalb nicht erbracht, weil es sich bei der Abnehmerfirma N s.r.o. um eine Scheinfirma handelte, so dass es an der gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst, a und Nr. 3 UStG erforderlichen Lieferung an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 10. August 2016 V R 45/15, BStBl II 2018, 501, Rz. 9).

Zwar hatte die Klägerin die USt-IdNr. der Firma N s.r.o. aufgezeichnet und sich deren Richtigkeit gemäß § 18e UStG im zeitlichen Zusammenhang mit den streitigen Lieferungen auch positiv vom Bundeszentralamt für Steuern bestätigen lassen. Dies stellt jedoch keinen Nachweis dafür dar, dass es sich bei der Firma N s.r.o. tatsächlich um einen Unternehmer im Sinn von § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UStG gehandelt hat. Die Aufzeichnung der USt-IdNr. des Abnehmers ist keine materielle, sondern eine formelle Voraussetzung für die Gewährung der Steuerfreiheit nach § 6a UStG (s.o. Pkt. II. 2. b, bb,).

Der Person des Abnehmers und seiner Identität für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb „ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang“ sind, der bezweckt, die „Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt“. Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sogenannten Erwerber. Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers (Erwerbers) dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (vgl. nur BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448, Rz. 17, m.w.N. auf die Rechtsprechung des EuGH).

d) Die Klägerin kann vorliegend auch keinen Vertrauensschutz (Gutglaubensschutz) nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG beanspruchen.

aa) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl - wie hier - die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (vgl. zu den unionsrechtlichen Grundlagen BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957, Rz. 29).

Die Steuerfreiheit gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957, Rz. 30). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 14. November 2012 XI R 8/11, juris, Rz. 63, vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957, Rz. 30 und vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz. 32).

Im Streitfall hat die Klägerin formal zwar den - entkräfteten - Buchnachweis, nicht aber auch den Belegnachweis in der erforderlichen Art erbracht, da die Belege gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStDV entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV fehlen (vgl. oben in Tz. II.2.a und BFH-Urteil vom 10. August 2016 V R 45/15, BStBl II 2018, 501, Rz. 20 ff.) und auch nicht „eindeutig und leicht nachprüfbar“ nachgewiesen wurde, dass die Vorlage dieser Belege für die Klägerin „nicht möglich oder nicht zumutbar war“ (§ 17a Abs. 4 Satz 2 UStDV).

bb) Selbst wenn man von einem formell ordnungsgemäßen Buch- und Belegnachweis ausginge, so kann sich die Klägerin doch nicht auf einen guten Glauben nach § 6a Abs. 4 UStG berufen, weil sie die Unrichtigkeit der Angaben der N s.r.o. bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns hätte erkennen können. Der jeweils anzuwendende Maßstab ist dabei auf Grundlage des § 347 des Handelsgesetzbuches unter Berücksichtigung des jeweiligen Berufs- und Gewerbezweiges festzustellen (Treiber, in Sölch/Ringleb, UStG, § 6a Rz. 205); insoweit ist hier zu berücksichtigen, dass die Klägerin vorwiegend in der Kraftfahrzeugbranche tätig war und regelmäßige Geschäftskontakte nach Ungarn pflegte.

Der fehlende gute Glaube der Klägerin ergibt sich im Einzelnen aus folgenden Umständen:

- Die Klägerin wurde nach ihrem eigenen Vortrag vor Abwicklung der Lieferungen von den in Ungarn ansässigen ihr bekannten Herren B und C gefragt, „ob sie für den genannten Dr. S drei Autos besorgen könnte“. Die Klägerin hat dies zugesagt und auf die weitere Frage der Herren B und C, ob der Kauf über eine slowakische Firma abgewickelt werden könne, geäußert, „dass ihr dies nichts ausmache, sofern sämtliche erforderlichen Bestätigungen und Nachweise vorliegen würden“. Die Klägerin wusste also darum, dass die N s.r.o. nur „zwischengeschaltet“ wurde.

- Auf einem Schreiben der Klägerin vom 22. Februar 2007 an Herrn B findet sich ein ausdrücklich so bezeichnetes „Angebot“ für den hier streitigen Volvo mit dem handschriftlichen Zusatz „Herr B hat am 23.2.07 telefonisch bestellt“. Die Bestellung erfolgte also erkennbar nicht durch die N s.r.o..

- Auf einem Auszug eines Bankkontos der Klägerin bei der E-Bank vom 16. April 2007 (10 Tage vor Abholung des Mercedes) über einen Geldeingang von € findet sich der handschriftliche Vermerk „B Anzahlung“, obwohl hier laut Belegnachweis eine Bestellung dieses Fahrzeugs der slowakische Firma N s.r.o. vom 1. Februar 2007 vorlag.

- Aus einer vorliegenden „Info an die Buchhaltung“ der Klägerin vom 8. Mai 2007 über den Verkauf des Mercedes sowie den Volvo ist ersichtlich, dass von den insgesamt sechs Teilzahlungen für die zwei Kraftfahrzeuge nur eine als Barzahlung der N s.r.o. erfasst wurde. Die übrigen Zahlungen von über € erfolgten durch die genannten ungarischen Beteiligten sowie (unbar) durch eine im Übrigen bei den streitgegenständlichen Lieferungen unbekannte „M Limited“ ( €). Die Bezahlung der Kaufpreise erfolgte also teilweise durch Dritte und nicht durch den angeblichen Käufer, die N s.r.o.. Ein solches Vorgehen ist aber deshalb ungewöhnlich, weil die Käuferin - die N s.r.o - damit noch vor Lieferung der Ware ihren Abnehmer aus dem angeblichen Folgegeschäft offenlegt.

- Die N s.r.o. verfügte ausweislich ihres Briefkopfes über keinen Telefon- und Faxanschluss in der Slowakei, sie war nur über eine ungarische Vorwahl erreichbar. Die Telefonnummer der N s.r.o. beinhaltete dabei nicht nur eine ungarische Vorwahl, sondern wies mit der weiteren inländischen Vorwahl „1“ eine Nummer in Budapest aus, wo zugleich die ungarischen Geschäftspartner der Klägerin ansässig waren.

Diese Umstände sind nach Überzeugung des Gerichts bei Gesamtwürdigung des vorliegenden Sachverhalts hinreichende Indizien dafür, dass die Klägerin trotz der positiven Bestätigung der USt-IdNr. der N s.r.o. die gebotene Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bei der Durchführung der drei streitigen Lieferungen nicht beachtet hatte. Die Klägerin hätte hier bei Beachtung dieses Sorgfaltsmaßstabes erkennen können, dass es sich bei der N s.r.o. um eine in der Slowakei wirtschaftlich nicht tätige und deshalb nicht zur Erwerbsbesteuerung verpflichtete Scheinfirma handelt. Sie hat insoweit nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um die Beteiligung an einem Umsatzsteuerbetrug auszuschließen (EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008 C-271/06, Netto Supermarkt, ECLI:EU:C:2008:105, UR 2008, 508, Rz. 25).

d) Schließlich kann sich die Kläger auch nicht darauf berufen, dass sie von Inhalten der Prüferhandakte keine Kenntnis gehabt habe und ihr deshalb rechtliches Gehör versagt wurde.

Die sogenannte Umsatzsteuerprüferhandakte wurde dem Finanzgericht bereits mit Schriftsatz des Finanzamts vom 25. August 2017 im Verfahren 3 V 1984/17 vorgelegt. Mit richterlichem Hinweis vom 29. August 2017 wurde die Klägerin von der Aktenvorlage durch das Finanzamt unterrichtet. In der Klageerwiderung vom 17. September 2017 zu dem vorliegenden Verfahren 3 K 1983/17, die der Klägerin zur Kenntnis gegeben wurde, wies das Finanzamt darauf hin, dass die Steuerakten dem Finanzgericht bereits im Verfahren 3 V 1984/17 vorgelegt worden seien.

3. Die Revision wird zugelassen, da die Rechtsache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 115


(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat. (2) Die Revision ist nu

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 76


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von de

Abgabenordnung - AO 1977 | § 169 Festsetzungsfrist


(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf d

Abgabenordnung - AO 1977 | § 171 Ablaufhemmung


(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann. (2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen

Abgabenordnung - AO 1977 | § 170 Beginn der Festsetzungsfrist


(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist. (2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn1.eine Steuererklärung od

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 6a Innergemeinschaftliche Lieferung


(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebi

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 17a Gelangensvermutung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen


(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wen

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 17c Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen


Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig un

Abgabenordnung - AO 1977 | § 202 Inhalt und Bekanntgabe des Prüfungsberichts


(1) Über das Ergebnis der Außenprüfung ergeht ein schriftlicher oder elektronischer Bericht (Prüfungsbericht). Im Prüfungsbericht sind die für die Besteuerung erheblichen Prüfungsfeststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sowie die Ände

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 10 Ausfuhrnachweis bei Ausfuhrlieferungen in Versendungsfällen


(1) Hat der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Ausfuhrnachweis durch folgenden Beleg zu führen: 1. bei Ausfuhranmeldung im elektronischen Ausfuhrverfahren nach Artikel

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 18e Bestätigungsverfahren


Das Bundeszentralamt für Steuern bestätigt auf Anfrage 1. dem Unternehmer im Sinne des § 2 die Gültigkeit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift der Person, der die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von einem ande

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 17b Gelangensnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen


(1) Besteht keine Vermutung nach § 17a Absatz 1, hat der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a Absatz 1 des Gesetzes) im Geltungsbereich des Gesetzes durch Belege nachzuweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferun

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Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die ein Kieswerk betreibt. Ihre Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Fests

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(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(1) Über das Ergebnis der Außenprüfung ergeht ein schriftlicher oder elektronischer Bericht (Prüfungsbericht). Im Prüfungsbericht sind die für die Besteuerung erheblichen Prüfungsfeststellungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht sowie die Änderungen der Besteuerungsgrundlagen darzustellen. Führt die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen, so genügt es, wenn dies dem Steuerpflichtigen schriftlich oder elektronisch mitgeteilt wird. Wurden Besteuerungsgrundlagen in einem Teilabschlussbescheid nach § 180 Absatz 1a gesondert festgestellt, ist im Prüfungsbericht darauf hinzuweisen.

(2) Die Finanzbehörde hat dem Steuerpflichtigen auf Antrag den Prüfungsbericht vor seiner Auswertung zu übersenden und ihm Gelegenheit zu geben, in angemessener Zeit dazu Stellung zu nehmen.

(3) Sollen Besteuerungsgrundlagen in einem Teilabschlussbescheid nach § 180 Absatz 1a gesondert festgestellt werden, ergeht vor Erlass des Teilabschlussbescheids ein schriftlicher oder elektronischer Teilprüfungsbericht; Absatz 1 Satz 2 bis 4 und Absatz 2 gelten entsprechend.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 29. Oktober 2014  2 K 1/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten um die Hemmung der Feststellungsverjährung nach § 181 Abs. 1, § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO).

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben 2002 eine Wohnung in einem denkmalgeschützten Objekt von der ... GmbH & Co. KG (KG). Der Kaufpreis betrug 259.695 €. Von den Anschaffungskosten entfielen nach dem notariellen Kaufvertrag 25.532 € auf den Grund und Boden, 27.177 € auf die Altbausubstanz und 206.985 € auf nach dem Kaufvertragsabschluss durchzuführende Modernisierungs- und Baumaßnahmen.

3

Am 15. Februar 2005 gab die KG eine Erklärung für die gesonderte und einheitliche Feststellung mit diesen Zahlenangaben beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ab. Die Kläger erhielten vom Regierungspräsidium X eine Bescheinigung zur Geltendmachung steuerlicher Vorteile gemäß §§ 7i, 10f und 11b des Einkommensteuergesetzes, nach der die Aufwendungen für Sanierungsarbeiten mit 203.626 € festgestellt wurden. Die Kläger erklärten die entsprechenden Beträge in ihren Einkommensteuererklärungen ab 2003 beim für sie örtlich zuständigen FA Z.

4

Das FA ordnete gegenüber der KG am 16. Oktober 2008 eine Außenprüfung an. Im Rahmen der Umsetzung der Ergebnisse der Außenprüfung erließ das FA am 23. September 2011 einen Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung gemäß Verordnung (VO) zu § 180 Abs. 2 AO für die Kalenderjahre 2002 bis 2010, der auch den Klägern bekanntgegeben wurde. Für die Kläger setzte das FA u.a. den Anteil von Grund und Boden auf 28.644 €, für die Altbausubstanz auf 21.944 € und für die begünstigten Sanierungskosten auf 206.283 € fest. Das von den Klägern gegen den Feststellungsbescheid betriebene Einspruchsverfahren blieb mit Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2013 erfolglos. Die nachfolgende Klage beim Finanzgericht (FG) hatte insoweit teilweise Erfolg, als die Werte für Grund und Boden auf 25.532 € und für die Altbausubstanz auf 25.055 € festgestellt wurden.

5

Mit ihrer Revision bringen die Kläger u.a. vor, dass sie bis zum Jahr 2011 keinerlei Kenntnis darüber gehabt hätten, dass eine Prüfung des FA für das Objekt stattgefunden habe. Sie seien davon ausgegangen, dass die Ermittlung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung endgültig durch das für die Einkommensteuerfestsetzung zuständige FA geklärt gewesen sei und dass es dazu keine Ermittlungen gegeben habe. Der Bescheid sei daher aufzuheben, weil die Festsetzungsfrist abgelaufen sei. Eine Hemmung der Verjährungsfrist durch die Außenprüfung sei nicht eingetreten, da diese ihnen nicht bekannt gemacht worden sei und sie daher von dieser keine Kenntnis erhalten hätten. Umstände außerhalb des eigenen Kenntnis- und Einflussbereichs könnten keine verjährungshemmende Wirkung haben.

6

Die Kläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des Sächsischen FG vom 29. Oktober 2014  2 K 1/14 und die Einspruchsentscheidung vom 4. Dezember 2013 sowie den Feststellungsbescheid vom 23. September 2011 aufzuheben.

7

Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

9

Das FG hat zu Recht entschieden, dass noch keine Feststellungsverjährung eingetreten war, da der Ablauf der Frist gemäß § 171 Abs. 4 AO aufgrund der Außenprüfung gehemmt war.

10

1. Wird vor Ablauf der Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Feststellungsbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind. Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfällt die Ablaufhemmung der Feststellungsfrist, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

11

Voraussetzung für die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO ist der Beginn einer Außenprüfung. Nach ständiger Rechtsprechung ist für eine Ablaufhemmung durch den Beginn einer Außenprüfung erforderlich, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen und bekanntgegeben wurde und --wenn auch nur stichprobenweise-- tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen wurden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739, unter II.4.a, und vom 8. Juli 2009 XI R 64/07, BFHE 226, 19, BStBl II 2010, 4, unter II.2.a; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 171 Rz 39 f.). Nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Prüfungsanordnungen als Verwaltungsakte sind demjenigen bekanntzugeben, dessen steuerliche Verhältnisse überprüft werden sollen. Nach § 7 Abs. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO ist die Prüfungsanordnung bei dem Verfahrensbeteiligten bekanntzugeben, bei dem die Außenprüfung durchgeführt werden soll. Erkennbar sein muss die Vornahme von Prüfungsmaßnahmen daher allein für den Adressaten der Prüfungsanordnung.

12

Die Ablaufhemmung tritt für die Besteuerungsgrundlagen ein, auf die sich die Prüfung tatsächlich erstreckt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 11. August 1993 II R 34/90, BFHE 172, 393, BStBl II 1994, 375; Klein/Rüsken, a.a.O., § 171 Rz 51, m.w.N.). Weitere Voraussetzungen, etwa die Tatsache, dass die Erwerber eines Gesamtobjekts i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO jeweils einzeln Kenntnis von der Prüfungsanordnung erhalten müssen und diese daher auch diesen bekanntzugeben ist, nennen die einschlägigen Vorschriften nicht.

13

2. Daran gemessen ist die Entscheidung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

14

Prüfungsadressat und Bekanntgabeadressat der Prüfungsanordnung war nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die KG, an die unstreitig die Bekanntgabe erfolgt war. Eine Bekanntgabe an die Kläger war nicht erforderlich, da die Außenprüfung nicht bei ihnen, sondern bei der für die Abgabe der Feststellungserklärung zuständigen KG (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO) durchgeführt werden sollte. Bei der KG sind nach den Feststellungen des FG auch Prüfungsmaßnahmen hinsichtlich der von der Feststellung betroffenen Besteuerungsgrundlagen durchgeführt worden.

15

Da die reguläre Feststellungsfrist gemäß §§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 181 Abs. 1 AO in der Folge der Abgabe der Feststellungserklärung seitens der KG im Jahr 2005 am 31. Dezember 2009 ablief, konnte die am 9. Dezember 2008 begonnene Betriebsprüfung der KG den Ablauf der Feststellungsfrist wirksam nach § 171 Abs. 4, § 181 Abs. 1 AO hemmen. Mit dem Beginn der Betriebsprüfung war daher die Feststellungsfrist gemäß § 171 Abs. 4 AO bis zum Erlass des streitigen Änderungsbescheids gehemmt (gl.A. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 180 AO Rz 94; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 180 AO, Rz 610; a.A. Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO, § 180 Rz 166; offengelassen vom BFH-Beschluss vom 14. März 1989 I B 50/88, BFHE 154, 365, BStBl II 1989, 590).

16

Die Auffassung der Kläger, wonach bei einer Prüfung beim Hersteller eines Gesamtobjekts i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO die verjährungshemmende Wirkung der Prüfungsmaßnahmen nur eintrete, wenn die einzelnen am Gesamtobjekt Beteiligten Kenntnis von den Prüfungsmaßnahmen hätten, findet im Gesetz keine Stütze. Diese Auffassung liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass eine Prüfungsanordnung bei einem Gesamtobjekt i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO neben dem Hersteller nicht nur allen Beteiligten bekanntgegeben werden müsste, sondern auch, dass diese bei einer Außenprüfung von deren Beginn unterrichtet werden müssten. Dies wäre nicht nur verwaltungsökonomisch wenig sinnvoll, da die steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter nicht geprüft werden. Es widerspräche vielmehr auch der von der Vorschrift des § 180 Abs. 2 Satz 1 AO sowie der zu § 180 Abs. 2 AO ergangenen Verordnung bezweckten Konzentrationswirkung des Verfahrens der gesonderten und einheitlichen Feststellung. Denn diese dient nach dem Gesetzeswortlaut des § 180 Abs. 2 Satz 1 AO gerade der "Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung bei gleichen Sachverhalten und zur Erleichterung des Besteuerungsverfahrens". 

17

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. September 2015  8 K 8009/12 aufgehoben.

Die Klage wegen Solidaritätszuschlags 2001 und 2002, Gewerbesteuer 2001 und 2002, gesonderter Feststellungen gemäß § 36 Abs. 7 und gesonderter Feststellungen gemäß § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Sache an das Finanzgericht Berlin-Brandenburg zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine zur Unternehmensgruppe der Familie B gehörende AG. Alleinige Aktionärin war zunächst A. Ab dem Jahr 2000 hielt sie nur noch 51 v.H. der Anteile. Die Klägerin war u.a. an zwei KG, der KG 1 bzw. der KG 2 beteiligt. Nachdem die Komplementärinnen der beiden KG im Jahr 2001 ihre Beteiligungen aufgaben, übernahm die Klägerin als jeweils einzige Kommanditistin das jeweilige Vermögen und die Schulden.

2

Die Klägerin hatte der A bereits am 18. Dezember 1992 ein Darlehen in Höhe von ... DM gewährt. Schriftlich niedergelegt war neben einer Verzinsung von 8 v.H. und einer unbestimmten Laufzeit, dass es der Darlehensnehmerin vorbehalten war, das Darlehen ganz oder teilweise jederzeit zurückzuzahlen und dass bis zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens und der anfallenden Zinsen etwaige der Darlehensnehmerin zustehende Gewinnausschüttungen zur Tilgung verwendet würden. Das Darlehen wurde 1995 um einen Betrag von ... DM aufgestockt. Am 31. Dezember 2002 valutierte es noch mit ... €.

3

Mehrere Gruppenunternehmen führten ihre finanziellen Angelegenheiten über die C GmbH (GmbH). Die Klägerin hatte eine Forderung gegenüber der GmbH in Höhe von ... €. Zum Ausgleich hatte die GmbH 2002 eine gegenüber A bestehende Forderung in der vorgenannten Höhe an die Klägerin abgetreten.

4

Zum 31. Dezember 2002 schrieb die Klägerin u.a. die Forderung gegen A aus den Vereinbarungen der Jahre 1992 und 1995 sowie die von der GmbH abgetretene Forderung in Höhe von insgesamt ... € ab.

5

Die Klägerin wurde auf Grundlage ihrer am 14. Januar 2003 für 2001 und am 8. April 2004 für 2002 eingereichten Steuererklärungen zunächst erklärungsgemäß veranlagt.

6

Da es sich bei der Klägerin um einen Großbetrieb handelte, beabsichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Durchführung einer Außenprüfung. Am 1. November 2006 erging an die Klägerin eine Prüfungsanordnung für die Jahre 2001 und 2002 (Streitjahre = Prüfungsjahre). Am 29. November 2006 erhielt die Prüferin den von der Klägerin ausgefüllten Fragebogen. Mit Datum vom 31. Oktober 2006 verfügte die Prüferin die Wiedervorlage für den 5. Dezember 2006. Am 13. Dezember 2006 erschien sie bei der Klägerin und nahm einen Datenträger (CD mit Buchführungsdaten für 2001 und 2002) in Empfang.

7

Ausweislich der Handakte der Prüferin fertigte diese handschriftliche Notizen und druckte zunächst am 20. und 21. Dezember 2006 Daten der Klägerin betreffend "Periode 2001-2002" aus. In der Handakte befinden sich weiterhin Datenausdrucke mit Datum 16. Januar 2007 zum Jahr 2001, die sich laut Stichwort mit der "Anwachsung von Anteilen" befassten. Zudem befindet sich dort jeweils eine Kopie der Jahresabschlüsse der Kommanditgesellschaften (KG 1 und KG 2) zum 31. Dezember 2001. Weitere Ausdrucke erfolgten am 18. April 2008 und dann erst wieder am 26. und 27. November 2009, 7. Dezember 2009 und 30. November 2010. Die Ausdrucke sind in der Handakte weder chronologisch abgeheftet noch paginiert.

8

Aus den Aufzeichnungen der Prüferin (Beschäftigungstagebuch) ergab sich, dass sie wie folgt an dem Fall der Klägerin gearbeitet hatte: Prüfungstage mit Vorbereitung für Betrieb der Klasse G: 30. Oktober 2006, 1. November 2006 und 2. November 2006, 13. Dezember 2006, 20. bis 22. Dezember 2006 = drei Tage, 15. bis 17. Januar 2007 = drei Tage und am 22. Januar 2007. Insgesamt ergeben sich daraus elf Vorbereitungs-/Prüfungstage.

9

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2009 wandte sich die Prüferin erstmals seit der Entgegennahme der Daten-CD am 13. Dezember 2006 an die Klägerin und teilte mit, die bereits begonnene Prüfung fortsetzen zu wollen und dafür Erläuterungen zu den Wertberichtigungen zu benötigen. Die Klägerin lehnte eine Antwort auf die Fragen unter Hinweis auf den Eintritt der Festsetzungsverjährung ab, da die Außenprüfung vor Ablauf der Festsetzungsfrist nicht ernsthaft begonnen worden sei. Im Übrigen sei die Prüfung jedenfalls ohne ihr Verschulden für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten unterbrochen worden.

10

Die Prüferin teilte diese Auffassung nicht; sie setzte die Prüfung fort und lehnte die Wertberichtigungen der Forderungen gegenüber A ab. Das FA erließ aufgrund der Prüfungsfeststellungen geänderte Steuerbescheide für die Streitjahre.

11

Der hiergegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg, nachdem es die Prüferin als Zeugin vernommen hatte, mit Urteil vom 1. September 2015  8 K 8009/12 statt und hob die angefochtenen Bescheide wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung auf (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2016, 530). Mit der Revision beantragt das FA, das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 1. September 2015  8 K 8009/12 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

13

Die Revision ist nur teilweise begründet: Sie führt in Bezug auf die Bescheide zum Solidaritätszuschlag 2001 und 2002, zur Gewerbesteuer 2001 und 2002 sowie zu den gesonderten Feststellungen gemäß § 36 Abs. 7 und § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes in der in den Streitjahren geltenden Fassung (KStG) zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--); die Klage ist insoweit unzulässig (dazu 1.). Im Übrigen führt die Revision zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO); das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Streitjahre Festsetzungsverjährung eingetreten ist (dazu 2.). Die Feststellungen des FG reichen indessen nicht aus, um die Rechtmäßigkeit der von der Klägerin vorgenommenen Teilwertabschreibungen überprüfen zu können (dazu 3.).

14

1. Die Klage gegen die Bescheide zum Solidaritätszuschlag 2001 und 2002, zur Gewerbesteuer 2001 und 2002 sowie zu den gesonderten Feststellungen gemäß § 36 Abs. 7 und § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 ist unzulässig.

15

a) Im Hinblick auf die Festsetzung des Solidaritätszuschlags für die Streitjahre ergibt sich dies daraus, dass die Einwendungen der Klägerin sich ausschließlich gegen die Ermittlung ihres Gewinns als Grundlage ihres zu versteuernden Einkommens richten. Der Körperschaftsteuerbescheid ist insoweit jedoch Grundlagenbescheid für die Festsetzung des Solidaritätszuschlags (vgl. § 1 Abs. 5 des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 i.d.F. des Gesetzes zur Regelung der Bemessungsgrundlage für Zuschlagsteuern vom 21. Dezember 2000, BGBl I 2000, 1978, BStBl I 2001, 38). Die Einwendungen der Klägerin können deshalb gemäß § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) nur im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid als Grundlagenbescheid, nicht aber im Verfahren gegen den Folgebescheid geltend gemacht werden (Senatsurteile vom 20. April 2011 I R 2/10, BFHE 233, 251, BStBl II 2011, 761, m.w.N.; vom 12. Juli 2012 I R 23/11, BFHE 238, 344).

16

b) Nichts anderes gilt, soweit die Gewerbesteuerfestsetzungen der Streitjahre angefochten werden, weil die ebenfalls angegriffenen Gewerbesteuermessbescheide Grundlagenbescheide für die angesprochenen Gewerbesteuerbescheide sind (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. April 1999 VIII R 13/97, BFHE 188, 536, BStBl II 1999, 542; vom 7. September 2016 IV R 31/13, BFHE 255, 266). Demgemäß können die Einwendungen der Klägerin nach § 42 FGO i.V.m. § 351 Abs. 2 AO nur im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Gewerbesteuermessbescheide als Grundlagenbescheide geltend gemacht werden. Diese Beschränkung (§§ 184 Abs. 1 Satz 4, 182 Abs. 1 AO; vgl. BFH-Urteil vom 25. August 1999 VIII R 76/95, BFH/NV 2000, 300) gilt auch, wenn die Bescheide von ein und derselben Behörde erlassen werden (vgl. BFH-Urteil vom 25. April 1989 VIII R 294/84, BFH/NV 1990, 261).

17

c) Nichts anderes gilt schließlich, soweit sich die Klage gegen die gesonderten Feststellungen gemäß § 36 Abs. 7 und § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3, § 37 Abs. 2, § 38 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2001 und 31. Dezember 2002 richtet. Da sich die von der Klägerin erhobenen Einwendungen nur auf die Höhe des Steuerbilanzgewinns als Grundlage des zu versteuernden Einkommens beziehen, ist nicht erkennbar, inwieweit sich Auswirkungen auf die Feststellung der Endbestände der Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals gemäß § 36 Abs. 7 KStG, zum Bestand des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG, zum Körperschaftsteuerguthaben nach § 37 Abs. 2 KStG und zur Körperschaftsteuererhöhung nach § 38 Abs. 1 KStG ergeben könnten. Die Klägerin hat derartige Auswirkungen auch nicht dargelegt.

18

2. Das FG-Urteil ist auch im Übrigen aufzuheben sowie die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass für die Streitjahre bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

19

a) Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO ist der Erlass eines Steuerbescheides nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Diese begann für das Streitjahr 2001 infolge der Abgabe der gesetzlich vorgeschriebenen Erklärung am 14. Januar 2003 mit Ablauf des 31. Dezember 2003, für das Streitjahr 2002 infolge der Abgabe der Erklärung am 8. April 2004 mit Ablauf des 31. Dezember 2004 (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO). Die Festsetzungsfrist endete gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nach vier Jahren am 31. Dezember 2007 bzw. 31. Dezember 2008, sofern ihr Ablauf nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO durch den Beginn der Außenprüfung, die sich auf die steuerlichen Verhältnisse der Streitjahre erstreckte, gehemmt war. Die Ablaufhemmung tritt indessen nicht ein, wenn die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn aus Gründen, die die Finanzbehörde zu vertreten hat, für die Dauer von mehr als sechs Monaten unterbrochen wird (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO).

20

b) Der Ablauf der für die Streitjahre jeweils maßgeblichen Festsetzungsfrist war nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO durch den noch in 2006 anzunehmenden Beginn der Außenprüfung gehemmt.

21

aa) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Umfang einer Ablaufhemmung dadurch bestimmt wird, welche Steuerarten und Besteuerungszeiträume die jeweilige Prüfungsanordnung erfasst und hinsichtlich welcher tatsächlich Prüfungshandlungen vorgenommen worden sind (BFH-Urteile vom 11. August 1993 II R 34/90, BFHE 172, 393, BStBl II 1994, 375; vom 17. Juni 1998 IX R 65/95, BFHE 186, 485, BStBl II 1999, 4; vom 19. März 2009 IV R 26/08, BFH/NV 2009, 1405; Senatsurteil vom 30. März 2011 I R 41/10, BFH/NV 2011, 1285). Der Beginn der Außenprüfung setzt deshalb voraus, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen wurde und --wenn auch nur stichprobenweise-- tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen wurden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteil vom 2. Februar 1994 I R 57/93, BFHE 173, 487, BStBl II 1994, 377, m.w.N.; BFH-Urteile vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739; vom 16. Juni 2015 IX R 51/14, BFHE 251, 98, BStBl II 2016, 13). Die Außenprüfung ist ein formalisiertes, den besonderen Bestimmungen der §§ 193 ff. AO unterliegendes Verfahren, das auf eine umfassende und zusammenhängende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen angelegt ist (§ 194 Abs. 1, § 199 Abs. 1 AO). Es kann daher unter dem Begriff der Außenprüfung nicht jede, sondern nur eine sog. qualifizierte Ermittlungshandlung des FA verstanden werden, die für den Steuerpflichtigen erkennbar darauf gerichtet ist, den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt zu ermitteln oder zu überprüfen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739, m.w.N.). Dabei muss es sich um Maßnahmen handeln, die für den Steuerpflichtigen i.S. der §§ 193 ff. AO als Prüfungshandlungen erkennbar sind und geeignet erscheinen, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen (BFH-Urteile vom 15. Dezember 1989 VI R 151/86, BFHE 159, 296, BStBl II 1990, 526, m.w.N.; in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739).

22

bb) Nach diesen Grundsätzen sind auch die Maßnahmen zu beurteilen, die den Beginn der Außenprüfung bewirken sollen. Mit einer Außenprüfung ist tatsächlich noch nicht begonnen, wenn der Prüfer erscheint und die Prüfungsanordnung übergibt, sondern erst dann, wenn er nach der Übergabe oder Übersendung der Prüfungsanordnung Handlungen zur Ermittlung des Steuerfalls vornimmt. Im Allgemeinen kann davon ausgegangen werden, dass die Handlungen, die der Prüfer am Prüfungsort vornimmt, solche zur Ermittlung des Steuerfalls sind, und zwar auch dann, wenn sie nur auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u.ä. gerichtet sind (BFH-Urteile in BFH/NV 2009, 1405; vom 19. März 2009 IV R 27/08, juris). Als Prüfungshandlungen kommen insoweit das informative Gespräch, das Verlangen nach Belegen und Unterlagen oder Auskünften, ggf. auch von Dritten, in Betracht (BFH-Urteil in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739). Der Prüfer muss nur ernsthaft mit der Prüfung begonnen haben, auch wenn die Prüfungshandlungen für den Steuerpflichtigen nicht als solche evident sind (vgl. BFH-Urteile vom 17. August 1980 II R 119/77, BFHE 131, 437, BStBl II 1981, 409; in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739).

23

cc) Nach den vorstehenden Maßstäben hat die Prüferin die Außenprüfung im Streitfall am 13. Dezember 2006 durch ihr Erscheinen am Prüfungsort und die --nach entsprechender Aufforderung erfolgte-- Entgegennahme einer CD mit beide Prüfungsjahre betreffenden Buchführungsdaten der Klägerin begonnen. In der Entgegennahme von Buchführungsdaten am Prüfungsort ist eine von der Prüferin veranlasste und für den Steuerpflichtigen erkennbar auf die Ermittlung des Steuerfalls gerichtete Handlung zu sehen, die dem von der Rechtsprechung als qualifizierte Prüfungshandlung anerkannten Verlangen nach der Übergabe von Belegen und Unterlagen gleichsteht. Bei der Anforderung und Entgegennahme der Daten-CD handelt es sich auch nicht um eine rein interne Maßnahme des FA; vielmehr ist sie ohne Weiteres geeignet, das Vertrauen der Klägerin in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen.

24

c) Die eingetretene Ablaufhemmung ist nicht deshalb rückwirkend nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfallen, weil die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn aus Gründen, die die Finanzverwaltung zu vertreten hat, länger als sechs Monate unterbrochen worden wäre.

25

aa) Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben. Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist (BFH-Urteile in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, m.w.N.; vom 26. Juni 2014 IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716). Eine Außenprüfung ist danach nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben (BFH-Urteile in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739; in BFH/NV 2014, 1716). Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann (Senatsbeschluss vom 31. August 2011 I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011, m.w.N.). Für die Beendigung einer Prüfungsunterbrechung hat der BFH es insoweit als Nachweis ausreichen lassen, dass der Prüfer seine Erkenntnisse in seiner Arbeitsakte festhält, so dass im Falle eines Streites durch die Vorlage der Handakte des Prüfers beim FG die Prüfungstätigkeit nachvollzogen werden kann (BFH-Urteil in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739). Auch hinreichend dokumentierte interne --d.h. nach außen nicht offen gelegte-- Prüfungshandlungen des FA sind insoweit geeignet, das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen (so bereits BFH-Urteil vom 11. Oktober 1983 VIII R 11/82, BFHE 139, 496, BStBl II 1984, 125).

26

bb) Nach diesen Grundsätzen ist die Prüfung der Klägerin bezogen auf das Streitjahr 2001 nicht unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden und lässt eine spätere Unterbrechung der Prüfung die eingetretene Ablaufhemmung unberührt (BFH-Urteil in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739).

27

aaa) Ausweislich der Handakten der Prüferin ist die Prüfung nach ihrer Aufnahme am 13. Dezember 2006 zeitnah fortgesetzt worden. So ergibt sich aus den vorhandenen, allerdings lediglich das Streitjahr 2001 betreffenden Datenausdrucken, dass die Prüferin am 20. und 21. Dezember 2006 und sodann wieder am 16. Januar 2007 das Jahr 2001 betreffende Ausdrucke vorgenommen und einzelne Positionen mit amtsinternen Daten abgeglichen hat. Da es sich um Datenausdrucke unter dem Verfahren IDEA handelt, ist insoweit davon auszugehen, dass die Prüferin die Buchführungsdaten der Klägerin vor dem Ausdruck zunächst in dieses Programm eingelesen und sodann einer vom Programm vorgesehenen Plausibilitätskontrolle unterzogen hat. Bereits insoweit handelt es sich um eine qualifizierte Prüfungshandlung, die der Prüferin als derjenigen Person, die die Plausibilitätskontrolle und den nachfolgenden Datenausdruck veranlasst hat, zuzurechnen ist.

28

bbb) Aus dem von der Klägerin hinsichtlich der Richtigkeit der Eintragungen nicht angezweifelten Beschäftigungstagebuch ergibt sich insoweit, dass die Prüferin nach der Prüfungsvorbereitung am 30. Oktober, 1. und 2. November 2006 und der Entgegennahme der Daten-CD am 13. Dezember 2006 sowohl in der Zeit vom 20. bis 22. Dezember 2006 als auch vom 15. bis 17. Januar 2007 und am 22. Januar 2007 inhaltliche Prüfungen vorgenommen hat. In ihrer Zeugenaussage vor dem FG hat die Prüferin dazu bekundet, dass sie die Anwachsungsvorgänge aus dem Jahr 2001 nachvollzogen, in der Sache aber keinen Grund für Beanstandungen gefunden habe.

29

ccc) Die so dokumentierte Überprüfung der angesprochenen Anwachsungsvorgänge geht über das Stadium von Vorbereitungshandlungen, der Einholung allgemeiner Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung sowie die bloße Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls oder ein allgemeines Aktenstudium hinaus; die Prüfung führte zu ersten auswertbaren Ergebnissen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden konnte (hier: ordnungsgemäße Erfassung der Anwachsungen in den Büchern der Klägerin).

30

cc) Der Senat kann offen lassen, ob im Streitfall auch für das Streitjahr 2002 qualifizierte Prüfungshandlungen (hier: durch Einlesen der entsprechenden Buchführungsdaten und eine Plausibilitätskontrolle) vorgelegen haben, denn die das Prüfungsjahr 2001 betreffenden qualifizierten Prüfungshandlungen haben zur Folge, dass die Außenprüfung insgesamt --also auch bezogen auf das Streitjahr 2002-- als nicht unmittelbar nach dem Prüfungsbeginn unterbrochen gilt.

31

aaa) Hierfür spricht zunächst der Wortlaut des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO, der insoweit von demjenigen des Satzes 1 der Vorschrift abweicht. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO legt für den Beginn einer Außenprüfung vor Ablauf der Festsetzungsfrist fest, dass die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt, nicht abläuft, bevor die auf Grund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Nach Satz 2 der Vorschrift gilt dies hingegen nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Der Satz 2 stellt mithin auf die Unterbrechung der Außenprüfung ab. Da aber die Außenprüfung i.S. der Abgabenordnung gemäß § 194 Abs. 1 Satz 2 AO mehrere Steuerarten und Besteuerungszeiträume umfassen kann und hierauf abgestimmt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO die Steuern unterworfen sind, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder erstrecken soll, ist dieses Verständnis der einheitlichen Außenprüfung --mangels einer anderslautenden gesetzlichen Regelung-- auch der Bestimmung des § 171 Abs. 4 Satz 2 AO zugrunde zu legen.

32

bbb) Dem vorgenannten Normverständnis kann kein schützenswertes Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Ablauf der Verjährungsfrist entgegengehalten werden. Denn ein solches Vertrauen kann sich, nachdem dem Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung bekannt geworden ist und der Prüfungsumfang nach der Prüfungsanordnung feststeht, nur auf die Unterbrechung der Außenprüfung als solche, nicht hingegen auf den Inhalt der Prüfung beziehen. Ein hierauf gerichtetes Vertrauen wird aber bereits durch die Dokumentation qualifizierter Prüfungshandlungen erschüttert.

33

3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben. Die Sache ist indessen nicht spruchreif. Nach den vorstehenden Ausführungen war das FA zwar berechtigt, geänderte Bescheide für die Streitjahre zu erlassen. Dem Senat ist es indessen verwehrt, diese Änderungsbescheide inhaltlich zu überprüfen, weil das FG --von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig-- zu den Umständen der Vornahme der streitbefangenen Teilwertabschreibungen keine Feststellungen getroffen hat.

34

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 2 FGO.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die ein Kieswerk betreibt. Ihre Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre (1993 und 1994) gab die Klägerin in den jeweils folgenden Kalenderjahren (1994 und 1995) ab.

2

Am 4. November 1996 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) eine Prüfungsanordnung, die auch die Feststellung der Einkünfte in den Streitjahren betraf. Dabei teilte das FA mit, dass die Außenprüfung voraussichtlich Anfang Dezember 1996 beginnen werde. Mit der Durchführung der Prüfung sei Steueramtmann X beauftragt.

3

Am 15. November 1996 beantragte die Bevollmächtigte der Klägerin (B) unter Bezug auf ein Telefongespräch mit dem Betriebsprüfer, die für Anfang Dezember 1996 angesetzte Betriebsprüfung auf Mitte Januar 1997 zu verlegen. Mit Schreiben vom 19. November 1996 teilte das FA der B mit, der Beginn der Betriebsprüfung werde antragsgemäß auf Mitte Januar 1997 verschoben. Es führte aus, der Ablauf der Festsetzungsverjährung der in der Prüfungsanordnung bezeichneten Steueransprüche sei gemäß § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) seit dem 15. November 1996, dem Tag des Eingangs des Verschiebungsantrages im FA, gehemmt.

4

Am 24. Januar 1997 setzte X die B davon in Kenntnis, dass die Prüfung aus zeitlichen Gründen nicht mehr im Januar, evtl. aber im Februar jenen Jahres beginnen könne. Zum 2. Mai 1997 wurde X an das FA für Großbetriebsprüfung G abgeordnet. Die Prüfung wurde am 9. Juni 1997 auf den Prüfungsgeschäftsplan des 2. Halbjahres 1997 des Betriebsprüfers Y übertragen.

5

Nach einem Aktenvermerk des Y vom 10. November 1999 über ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin der B (M) sollte die Prüfung sodann erst im Jahr 2000 beginnen. Tatsächlich begann die Außenprüfung am 30. März 2000.

6

Auf den Einwand der B, es sei Festsetzungsverjährung eingetreten, ergänzte Y in seinem Schreiben vom 28. November 2000 den aktenkundigen Sachverhalt dahin, dass M in dem Telefongespräch vom 10. November 1999 das Verschieben des Prüfungsbeginns auf Anfang 2000 beantragt habe, weil die Buchführungsunterlagen inzwischen an die Klägerin zurückgegeben worden seien.

7

Im Anschluss an die Außenprüfung erließ das FA am 1. Februar 2001 nach § 164 Abs. 2 AO geänderte Feststellungsbescheide für 1993 und 1994.

8

Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin geltend, der Beginn der Außenprüfung sei aufgrund ihres Antrags von Dezember 1996 auf Januar 1997 verschoben worden. Das Verschieben des Prüfungsbeginns sei zeitlich befristet beantragt worden. Der Ablauf der Verjährung sei daher nur bis zum 31. Dezember 1997 gehemmt gewesen. Ohne weitere schriftliche Äußerung habe das FA die Prüfung erst im Jahr 2000 begonnen. Unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. März 1999 I B 139/98 (BFHE 188, 131) vertrat die Klägerin die Auffassung, das FA sei wegen Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht zum Erlass der angefochtenen Feststellungsbescheide berechtigt gewesen. Der Einspruch der Klägerin hatte keinen Erfolg.

9

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1567 veröffentlichten Gründen statt.

10

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

11

Das FA beantragt sinngemäß, das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

13

II. Die Revision des FA ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Erlass der angefochtenen geänderten Feststellungsbescheide 1993 und 1994 vom 1. Februar 2001 der Ablauf der Feststellungsfrist und damit der Eintritt der Feststellungsverjährung entgegenstanden. Zwar hat der Antrag der Klägerin auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung ungeachtet der beantragten Frist der Verschiebung dazu geführt, dass die in § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO bestimmte Ablaufhemmung (zunächst) eingetreten und auch nicht allein wegen des Ablaufs der beantragten Frist (rückwirkend) entfallen ist. Die Ablaufhemmung ist jedoch deshalb wieder entfallen, weil das FA nicht innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Verschieben des Prüfungsbeginns beim FA mit einer Prüfung begonnen hat.

14

1. Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO, der gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die gesonderte Feststellung sinngemäß gilt, ist eine Steuerfestsetzung (Feststellung) sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) abgelaufen ist. Gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO beträgt die Feststellungsfrist vier Jahre. Ist --wie im Streitfall-- eine Feststellungserklärung abzugeben, so beginnt die Feststellungsfrist gemäß den §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Feststellungserklärung eingereicht wird. Zutreffend --und wie im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- hat das FG erkannt, dass nach diesen Rechtsgrundsätzen und ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Ablaufhemmung die Feststellungsfrist für das Streitjahr 1993 mit Ablauf des 31. Dezember 1998 und für das Streitjahr 1994 mit Ablauf des 31. Dezember 1999 abgelaufen ist.

15

2. Der Ablauf der Feststellungsfrist war unter den im Streitfall vorliegenden Umständen auch nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO, der gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gleichfalls für die gesonderte Feststellung sinngemäß gilt, gehemmt.

16

a) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern (Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen), auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO u.a. nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide (Feststellungsbescheide) unanfechtbar geworden sind.

17

aa) Soweit § 171 Abs. 4 Satz 1 AO in seiner 2. Alternative dem Antrag des Steuerpflichtigen auf Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung die gleiche Rechtsfolge (Hemmung des Ablaufs der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist) wie dem Beginn der Außenprüfung zuordnet, gilt dies nur, soweit ein entsprechender Antrag auch ursächlich für das Hinausschieben des Prüfungsbeginns ist (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 188, 131; FG Münster, Urteil vom 19. März 1996  15 K 5602/94 U, EFG 1996, 630, m.w.N.; Frotscher in Schwarz, AO, § 171 Rz 37; Hartmann in Beermann/Gosch, AO § 171 Rz 41; Pahlke/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 171 Rz 77). Dabei ist hinsichtlich der erforderlichen Kausalität eines Antrags nach § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO auf den Tag des Antragseingangs abzustellen, welcher der maßgebliche Zeitpunkt für den Eintritt der Ablaufhemmung ist (vgl. z.B. Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 171 AO Rz 40; Ruban in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 171 AO Rz 48). Wird der Beginn der Außenprüfung nicht maßgeblich aufgrund des Antrags, sondern aufgrund der eigenen Belange der Finanzbehörde bzw. aus innerhalb deren Sphäre liegenden Gründen hinausgeschoben, so läuft die Frist ungeachtet des Antrags ab (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 188, 131; Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 171 Rz 37; Gosch, Die steuerliche Betriebsprüfung 1999, 192; Klein/ Rüsken, AO, 10. Aufl., § 171 Rz 66; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Rz 41; Pahlke/Koenig/Cöster, a.a.O., § 171 Rz 77); dabei ist auch die beantragte Zeitdauer des Verschiebens bedeutungslos (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 171 Rz 66). § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO verhindert lediglich eine einseitige Begünstigung des Steuerpflichtigen, wenn aufgrund seines Antrags der eine Ablaufhemmung auslösende Beginn einer Außenprüfung hinausgeschoben wird; den Eintritt der in § 171 Abs. 4 Satz 1 1. Alternative AO für den Regelfall bestimmten Rechtsfolge soll der Steuerpflichtige nicht nach Belieben bestimmen können. Die Anordnung einer Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift soll hingegen nicht den Eintritt nachteiliger Folgen für die Steuerfestsetzung bzw. die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen verhindern, die der Finanzbehörde aufgrund von Umständen entstehen, die sie selbst zu vertreten hat.

18

bb) Diese Bestimmung einer Rechtsfolge (Ablaufhemmung) nach den in den jeweiligen Sphären der am Besteuerungs- bzw. Feststellungsverfahren Beteiligten liegenden Gründen für das tatsächliche Unterbleiben einer Außenprüfung kommt auch in § 171 Abs. 4 Satz 2 AO zum Ausdruck, der eine Ausnahme von Satz 1 der Norm enthält. Danach tritt die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ein, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat; diese Rechtsfolge wird --im Ergebnis gleich-- auch damit umschrieben, dass die Ablaufhemmung rückwirkend entfällt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 IX R 65/95, BFHE 186, 485, BStBl II 1999, 4; BFH-Beschluss in BFHE 188, 131; Klein/ Rüsken, a.a.O., § 171 Rz 68; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Rz 47). Die Bestimmung will einer missbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit der Ablaufhemmung durch die Finanzverwaltung entgegentreten (vgl. Klein/Rüsken, a.a.O., § 171 Rz 68); Außenprüfungen sollen nicht pro forma begonnen werden, um den Ablauf der Festsetzungsfrist hinauszuschieben (BTDrucks 7/4292, S. 33). Wenn § 171 Abs. 4 Satz 2 AO hinsichtlich der Prüfungsunterbrechung auf Gründe abstellt, die in der Sphäre der Finanzverwaltung liegen und die die Finanzbehörde deshalb zu vertreten hat, so ist dieses Merkmal das Gegenstück zum Prüfungsaufschub auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Rz 46). Steuerpflichtiger und Finanzbehörde sollen demnach die in § 171 Abs. 4 Satz 1 1. Alternative AO bestimmte Rechtsfolge weder verhindern noch durch lediglich formelle Prüfungshandlungen oder Scheinhandlungen, die zu keinem ernsthaften tatsächlichen Beginn einer Außenprüfung führen (vgl. dazu z.B. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 Rz 37 ff., m.w.N.), eintreten lassen können.

19

cc) Für den Fall, dass der Steuerpflichtige mit seinem Antrag i.S. von § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO nur ein zeitlich befristetes Hinausschieben des Prüfungsbeginns begehrt, trifft § 171 Abs. 4 AO keine gesonderte Bestimmung. Deshalb verbleibt es auch bei einem derart befristet gestellten Antrag bei der zuvor dargestellten Rechtsfolge, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist ab dem Tag des Antragseingangs bei der Finanzbehörde gehemmt wird, soweit der Antrag im Zeitpunkt seines Eingangs bei der Finanzbehörde für das Verschieben des Prüfungsbeginns kausal ist, weil keine die Ursächlichkeit des Antrags überlagernden, in der Sphäre der Finanzverwaltung liegenden Gründe für den Prüfungsaufschub vorliegen. Die Vorschrift erfordert es hingegen nicht, nach Ablauf der beantragten Aufschubfrist erneut zu prüfen, ob die im Zeitpunkt der Antragstellung bejahte Kausalität des Antrags für das Hinausschieben des Prüfungsbeginns auch noch bei oder nach Ablauf der beantragten Aufschubfrist fortbesteht. Denn auch bei einem unbefristet gestellten Antrag kommt es für den Eintritt der Ablaufhemmung nicht darauf an, ob bzw. inwieweit zu einem dem Tag der Antragstellung nachfolgenden Zeitpunkt in der Sphäre der Finanzverwaltung liegende Gründe nunmehr gleichfalls ursächlich für das Hinausschieben des Beginns einer Außenprüfung sein könnten. Dies gilt insbesondere für in der Sphäre der Finanzverwaltung liegende Umstände, die nach Antragstellung oder nach Ablauf der beantragten Aufschubfrist neu entstanden sind. Eine sog. "überholende Kausalität", wie sie der I. Senat des BFH erwogen hat (BFH-Beschluss in BFHE 188, 131), scheidet regelmäßig schon deshalb aus, weil nach den zuvor genannten Maßstäben bereits im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegende, in der Sphäre der Finanzverwaltung liegende maßgebliche Gründe für den Prüfungsaufschub den Eintritt der Ablaufhemmung meist schon von vorneherein --d.h. bereits im Zeitpunkt der Antragstellung-- ausschließen. Entfaltet auch ein befristeter Antrag hinsichtlich des Eintritts der Ablaufhemmung uneingeschränkte Wirkung, so bedarf es keiner Entscheidung, ob bzw. inwieweit der Steuerpflichtige nach Ablauf der von ihm beantragten Aufschubfrist auf den Beginn der Außenprüfung zu drängen hat (vgl. --ohne generelle Festlegung-- BFH-Beschluss in BFHE 188, 131, unter II.2.b cc der Gründe; für ein Drängen als allgemeine Voraussetzung für das Entfallen der Ablaufhemmung Klein/ Rüsken, a.a.O., § 171 Rz 66; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 171 AO Rz 43; kritisch dazu Frotscher in Schwarz, AO, § 171 Rz. 39).

20

dd) Gleichwohl verbleibt der Finanzbehörde nach Ansicht des erkennenden Senats nach Eingang eines Antrags i.S. von § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO, der zum Eintritt der Ablaufhemmung führt, nicht unbegrenzte Zeit, mit der Außenprüfung zu beginnen. Vielmehr hat die Behörde die Prüfung vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags auf Hinausschieben des Prüfungsbeginns bei der Finanzbehörde zu beginnen, wenn sie den Ablauf der Festsetzungsfrist verhindern will. Die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) endet nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags. Der erkennende Senat stützt seine Auffassung auf einen allgemeinen Rechtsgedanken, der in § 171 Abs. 8 Satz 2 AO und --jedenfalls in seiner gegenwärtig gültigen Fassung-- auch in § 171 Abs. 10 AO Ausdruck findet; jene Vorschriften räumen der Finanzbehörde in den Fällen des Wegfalls eines außerhalb ihrer Sphäre eingetretenen Hindernisses eine Zweijahresfrist für ein weiteres Tätigwerden ein.

21

(1) § 171 AO lässt sich die Vorstellung des Gesetzgebers entnehmen, dass der Finanzbehörde nicht unbegrenzte Zeit verbleiben soll, bei rechtlichen oder --was regelmäßig Hintergrund einer Außenprüfung ist-- tatsächlichen Unsicherheiten den konkreten Steuerfall abschließend zu beurteilen. So sieht § 171 Abs. 4 Satz 2 AO --wie bereits ausgeführt-- eine Frist für ein weiteres Tätigwerden der Finanzbehörde vor, soweit eine begonnene Außenprüfung nur für die Dauer von sechs Monaten unterbrochen werden darf, um die Ablaufhemmung zu bewahren. Allerdings bewirkt in der dort zugrunde gelegten Situation das Hindernis für die abschließende Würdigung des Falles die Finanzbehörde selbst, indem sie die tatsächliche und rechtliche Klärung durch eine (bereits begonnene) Außenprüfung hinausschiebt. Ein derartiges Hindernis liegt indes nicht in der Sphäre der Finanzbehörde, wenn eine Steuerfestsetzung nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO für vorläufig erklärt wird, weil z.B. eine höchstrichterliche Entscheidung abzuwarten ist. § 171 Abs. 8 Satz 2 AO sieht dann vor, dass die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren endet, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat. Gleichfalls hat die Finanzbehörde ein solches Hindernis nicht zu verantworten, wenn sie gehalten ist, einen sie bindenden Grundlagenbescheid abzuwarten. Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Grundlagenbescheid bindend ist, endet nach § 171 Abs. 10 Satz 1 AO in seiner gegenwärtig gültigen Fassung die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Zwar war in § 171 Abs. 10 AO in seiner in den Streitjahren (1993 und 1994) gültigen Fassung noch eine Einjahresfrist bestimmt. Erst durch Art. 18 Nr. 4 des Jahressteuergesetzes (JStG) 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049, 2075), das insoweit am Tag nach seiner Verkündung, also am 28. Dezember 1996, in Kraft trat, wurde die Einjahresfrist durch eine Frist von zwei Jahren ersetzt. Diese Änderung folgte einer Empfehlung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags (vgl. Zweite Beschlussempfehlung vom 5. November 1996, BTDrucks 13/5951, S. 83; Zweiter Bericht vom 5. November 1996, BTDrucks 13/5952, S. 55 f.) und wurde u.a. damit begründet, dass es sowohl auf Seiten der Finanzverwaltung als auch auf Seiten des Steuerpflichtigen einen erheblichen Verwaltungsaufwand erfordern könne, wenn in einem Folgebescheid eine Vielzahl von Grundlagenbescheiden zu berücksichtigen seien und diese wiederum mehrfach geändert würden; besondere Probleme ergäben sich vor allem, wenn der Steuerpflichtige an mehreren Personengesellschaften beteiligt sei und bei ihm eine Außenprüfung durchgeführt werde; eine aus praktischer Sicht naheliegende Bündelung der Auswertung der Prüfungsfeststellungen und der Grundlagenbescheide scheitere regelmäßig am Ablauf der Festsetzungsfrist; durch die Verlängerung der Anpassungsfrist auf zwei Jahre solle es ermöglicht werden, die notwendigen Anpassungen des Folgebescheids zu bündeln (BTDrucks 13/5952, S. 56). Mit der Aufnahme dieser Empfehlung hat der Gesetzgeber also im Ergebnis einer Situation Rechnung getragen, die --nach Wegfall eines außerhalb der Sphäre der zuständigen Finanzbehörde liegenden Hindernisses-- (auch) einen erhöhten Verwaltungsaufwand erfordert.

22

Kann die Finanzbehörde also eine abschließende rechtliche und/oder tatsächliche Klärung des Steuerfalles zunächst nicht selbst herbeiführen, räumt ihr das Gesetz in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO eine zweijährige, den Ablauf der Festsetzungsfrist hindernde Frist ab dem Zeitpunkt ein, in dem die entsprechenden Vorfragen geklärt sind und ihr das Ergebnis bekannt ist. Ab diesem Zeitpunkt kann und darf die Finanzbehörde wieder selbst die Initiative zur Bearbeitung des Falles ergreifen. Dabei hat der Gesetzgeber bei der Erweiterung der Frist in § 171 Abs. 10 AO auf zwei Jahre erkennbar auch die Situation berücksichtigt, dass der Verwaltung nach Wegfall des Hindernisses ein erhöhter Verwaltungsaufwand entstehen kann.

23

(2) Wird der Beginn der Außenprüfung auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, ist die Finanzbehörde gleichfalls zunächst aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen an der abschließenden rechtlichen und/oder tatsächlichen Klärung des Steuerfalles gehindert; auch erfordert der spätere Beginn einer Außenprüfung regelmäßig weiteren organisatorischen Aufwand der Behörde, etwa um den Fall erneut in die Prüfungspläne zu integrieren. Insoweit weicht diese Situation nicht wesentlich von den in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO erfassten Fallkonstellationen ab. Dies rechtfertigt es zum Einen, der Finanzbehörde ausreichend Zeit für den späteren Beginn einer Außenprüfung einzuräumen. Dabei ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Senats für den Fall eines Antrags i.S. von § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO die Ablaufhemmung in Anwendung des auch in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO konkretisierten allgemeinen Rechtsgedankens daran zu knüpfen, dass die Finanzbehörde vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags des Steuerpflichtigen mit einer Außenprüfung beginnt. Insoweit bleibt der Finanzbehörde die gleiche Zeit wie in den von § 171 Abs. 8 Satz 2 und --in seiner gegenwärtigen Fassung-- Abs. 10 AO erfassten Fällen, aus eigener Initiative die abschließende Bearbeitung des Steuerfalles zu betreiben. Auch wenn --wie im Streitfall-- ein befristeter Aufschub des Prüfungsbeginns beantragt worden ist, kommt nicht in Betracht, die Festsetzungsfrist (hier Feststellungsfrist) nicht vor Ablauf von zwei Jahren seit Ablauf der beantragten Aufschubfrist enden zu lassen. Denn im Unterschied zu den in § 171 Abs. 8 Satz 2 und Abs. 10 AO geregelten Fällen hat die Finanzbehörde bei einem Antrag auf Aufschub des Prüfungsbeginns die Möglichkeit, bei der Bescheidung des Antrags auf die zeitliche Dauer ihrer Untätigkeit Einfluss zu nehmen. Im Übrigen ist eine Frist von zwei Jahren nach Antragseingang auch im Hinblick auf die erforderliche (neue) Integration des Prüfungsfalles in die Prüfungspläne der Finanzbehörde ausreichend bemessen. Dabei sieht sich der erkennende Senat an der Anwendung der Zweijahresfrist auch im Streitfall nicht dadurch gehindert, dass --wie ausgeführt-- § 171 Abs. 10 AO in seiner gegenwärtigen Fassung in den Streitjahren noch keine Gültigkeit hatte. Es kann offenbleiben, ob es unter den im Streitfall vorliegenden Umständen nicht auf die Gültigkeit der Norm in den Streitjahren, sondern auf die Rechtslage im Zeitpunkt des Antrags auf Verschieben der Außenprüfung ankäme. Gleichfalls braucht nicht erörtert zu werden, ob § 171 Abs. 10 AO i.d.F. von Art. 18 JStG 1997 gemäß Art. 97 § 1 Abs. 6 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung auf das vorliegende Verfahren anzuwenden wäre. Denn maßgeblich ist der zu jener Zeit bereits in § 171 Abs. 8 Satz 2 AO zum Ausdruck gebrachte Rechtsgedanke, den der Gesetzgeber später folgerichtig mit der dargestellten Änderung des § 171 Abs. 10 AO fortentwickelt hat. Im Übrigen wirkte eine Anknüpfung an die in § 171 Abs. 10 AO a.F. bestimmte Einjahresfrist zu Lasten des FA.

24

b) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Ablauf der Feststellungsfrist nicht nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt war.

25

Der Antrag der Klägerin ist am 15. November 1996 beim FA eingegangen. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass --wie das FG entschieden hat-- der Antrag der Klägerin ursächlich für das Hinausschieben des Beginns der Außenprüfung geworden ist. Das FA hat jedoch nicht innerhalb von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Außenprüfung begonnen, sondern erst am 30. März 2000. Damit ist die zunächst eingetretene Ablaufhemmung nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 171 Abs. 4 Satz 1 2. Alternative AO rückwirkend entfallen. Mangels Ablaufhemmung war die Feststellungsfrist --wie oben bereits ausgeführt-- hinsichtlich beider Streitjahre abgelaufen, als das FA die streitbefangenen geänderten Feststellungsbescheide erlassen hat.

26

Soweit das FA in seiner Revisionsbegründung vorgetragen hat, die Klägerin habe durch M im November 1999 einen weiteren Antrag auf Verschiebung des Beginns der Außenprüfung gestellt, ist der erkennende Senat an die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des FG gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO), wonach sich nicht erwiesen habe, dass M als Mitarbeiterin der Bevollmächtigten der Klägerin anlässlich eines Telefonats mit dem Betriebsprüfer am 10. November 1999 einen entsprechenden Antrag gestellt habe, der ursächlich für eine tatsächliche Verschiebung der Prüfung gewesen sei. Deshalb ist auch nach den vom erkennenden Senat entwickelten Rechtsgrundsätzen ausschließlich auf den Antrag der Klägerin vom 15. November 1996 abzustellen.

27

3. Dass die besonderen Voraussetzungen für den Erlass eines Feststellungsbescheides nach Ablauf der Feststellungsfrist gemäß § 181 Abs. 5 AO vorgelegen hätten, ergibt sich weder aus dem Bescheid (vgl. § 181 Abs. 5 Satz 2 AO) noch ist solches vom FG festgestellt oder von den Beteiligten vorgetragen worden.

28

4. Zwar haben die Beteiligten übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet. Zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) hält es der Senat gleichwohl für zweckmäßig, durch Gerichtsbescheid zu erkennen (§§ 121, 90a FGO; vgl. z.B. auch BFH-Urteil vom 16. Dezember 2003 VIII R 67/00, BFH/NV 2004, 934, unter 5. der Gründe). Nicht alle rechtlichen Gesichtspunkte, auf die der erkennende Senat seine Entscheidung stützt, sind bislang von den Beteiligten oder in der vorinstanzlichen Entscheidung erörtert worden.

(1) Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, solange die Steuerfestsetzung wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten sechs Monate des Fristlaufs nicht erfolgen kann.

(2) Ist beim Erlass eines Steuerbescheids eine offenbare Unrichtigkeit unterlaufen, so endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe dieses Steuerbescheids. Das Gleiche gilt in den Fällen des § 173a.

(3) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens ein Antrag auf Steuerfestsetzung oder auf Aufhebung oder Änderung einer Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 gestellt, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor über den Antrag unanfechtbar entschieden worden ist.

(3a) Wird ein Steuerbescheid mit einem Einspruch oder einer Klage angefochten, so läuft die Festsetzungsfrist nicht ab, bevor über den Rechtsbehelf unanfechtbar entschieden ist; dies gilt auch, wenn der Rechtsbehelf erst nach Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegt wird. Der Ablauf der Festsetzungsfrist ist hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs gehemmt; dies gilt nicht, soweit der Rechtsbehelf unzulässig ist. In den Fällen des § 100 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, § 101 der Finanzgerichtsordnung ist über den Rechtsbehelf erst dann unanfechtbar entschieden, wenn ein auf Grund der genannten Vorschriften erlassener Steuerbescheid unanfechtbar geworden ist.

(4) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall der Hinausschiebung der Außenprüfung erstrecken sollte, nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Absatz 1 Satz 3 drei Monate verstrichen sind. Dies gilt nicht, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat. Die Ablaufhemmung nach Satz 1 endet spätestens fünf Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Prüfungsanordnung bekanntgegeben wurde; eine weitergehende Ablaufhemmung nach anderen Vorschriften bleibt unberührt. Wird auf Antrag des Steuerpflichtigen der Beginn der Außenprüfung verschoben oder die Außenprüfung unterbrochen, so verlängert sich die Frist nach Satz 3 erster Halbsatz für die in Satz 1 genannten Steuern um die Dauer des Hinausschiebens oder der Unterbrechung. Nimmt die Finanzbehörde für die in Satz 1 genannten Steuern vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz zwischenstaatliche Amtshilfe in Anspruch, verlängert sich diese Frist um die Dauer der zwischenstaatlichen Amtshilfe, mindestens aber um ein Jahr. Satz 5 gilt nur, sofern der Steuerpflichtige auf die Inanspruchnahme der zwischenstaatlichen Amtshilfe vor Ablauf der Frist nach Satz 3 erster Halbsatz hingewiesen wurde. Wird dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung eines Strafverfahrens für eine der in Satz 1 genannten Steuern bekanntgegeben und wird infolgedessen mit einer Außenprüfung nicht begonnen oder eine bereits begonnene Außenprüfung unterbrochen, ist Satz 3 nicht anzuwenden; die Absätze 5 und 6 bleiben unberührt. § 200a Absatz 4 und 5 bleibt unberührt.

(5) Beginnen die Behörden des Zollfahndungsdienstes oder die mit der Steuerfahndung betrauten Dienststellen der Landesfinanzbehörden vor Ablauf der Festsetzungsfrist beim Steuerpflichtigen mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht ab, bevor die auf Grund der Ermittlungen zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind; Absatz 4 Satz 2 gilt sinngemäß. Das Gleiche gilt, wenn dem Steuerpflichtigen vor Ablauf der Festsetzungsfrist die Einleitung des Steuerstrafverfahrens oder des Bußgeldverfahrens wegen einer Steuerordnungswidrigkeit bekannt gegeben worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(6) Ist bei Steuerpflichtigen eine Außenprüfung im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht durchführbar, wird der Ablauf der Festsetzungsfrist auch durch sonstige Ermittlungshandlungen im Sinne des § 92 gehemmt, bis die auf Grund dieser Ermittlungen erlassenen Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind. Die Ablaufhemmung tritt jedoch nur dann ein, wenn der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist auf den Beginn der Ermittlungen nach Satz 1 hingewiesen worden ist; § 169 Abs. 1 Satz 3 gilt sinngemäß.

(7) In den Fällen des § 169 Abs. 2 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat oder der Steuerordnungswidrigkeit verjährt ist.

(8) Ist die Festsetzung einer Steuer nach § 165 ausgesetzt oder die Steuer vorläufig festgesetzt worden, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat. In den Fällen des § 165 Abs. 1 Satz 2 endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die Finanzbehörde hiervon Kenntnis erlangt hat.

(9) Erstattet der Steuerpflichtige vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine Anzeige nach den §§ 153, 371 und 378 Abs. 3, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach Eingang der Anzeige.

(10) Soweit für die Festsetzung einer Steuer ein Feststellungsbescheid, ein Steuermessbescheid oder ein anderer Verwaltungsakt bindend ist (Grundlagenbescheid), endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids. Ist für den Erlass des Grundlagenbescheids eine Stelle zuständig, die keine Finanzbehörde im Sinne des § 6 Absatz 2 ist, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Zeitpunkt, in dem die für den Folgebescheid zuständige Finanzbehörde Kenntnis von der Entscheidung über den Erlass des Grundlagenbescheids erlangt hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für einen Grundlagenbescheid, auf den § 181 nicht anzuwenden ist, nur, sofern dieser Grundlagenbescheid vor Ablauf der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist bei der zuständigen Behörde beantragt worden ist. Ist der Ablauf der Festsetzungsfrist hinsichtlich des Teils der Steuer, für den der Grundlagenbescheid nicht bindend ist, nach Absatz 4 gehemmt, endet die Festsetzungsfrist für den Teil der Steuer, für den der Grundlagenbescheid bindend ist, nicht vor Ablauf der nach Absatz 4 gehemmten Frist.

(10a) Soweit Daten eines Steuerpflichtigen im Sinne des § 93c innerhalb von sieben Kalenderjahren nach dem Besteuerungszeitraum oder dem Besteuerungszeitpunkt den Finanzbehörden zugegangen sind, endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von zwei Jahren nach Zugang dieser Daten.

(11) Ist eine geschäftsunfähige oder in der Geschäftsfähigkeit beschränkte Person ohne gesetzlichen Vertreter, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Person unbeschränkt geschäftsfähig wird oder der Mangel der Vertretung aufhört. Dies gilt auch, soweit für eine Person ein Betreuer bestellt und ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1825 des Bürgerlichen Gesetzbuchs angeordnet ist, der Betreuer jedoch verstorben oder auf andere Weise weggefallen oder aus rechtlichen Gründen an der Vertretung des Betreuten verhindert ist.

(12) Richtet sich die Steuer gegen einen Nachlass, so endet die Festsetzungsfrist nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen oder das Insolvenzverfahren über den Nachlass eröffnet wird oder von dem an die Steuer gegen einen Vertreter festgesetzt werden kann.

(13) Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist eine noch nicht festgesetzte Steuer im Insolvenzverfahren angemeldet, so läuft die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Beendigung des Insolvenzverfahrens ab.

(14) Die Festsetzungsfrist für einen Steueranspruch endet nicht, soweit ein damit zusammenhängender Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 noch nicht verjährt ist (§ 228).

(15) Soweit ein Dritter Steuern für Rechnung des Steuerschuldners einzubehalten und abzuführen oder für Rechnung des Steuerschuldners zu entrichten hat, endet die Festsetzungsfrist gegenüber dem Steuerschuldner nicht vor Ablauf der gegenüber dem Steuerentrichtungspflichtigen geltenden Festsetzungsfrist.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erzielte in den Streitjahren 1989 bis 1994 Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

2

Zur Ermittlung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs reichte die Klägerin am 26. Juni 1990 eine Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1989 und am 5. Oktober 1994 eine Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1993 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Die Umsatzsteuererklärung für 1989 und die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für 1989 gingen beim FA am 26. März 1991 ein. Die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für 1990 reichte die Klägerin am 2. Juni 1992, für 1991 am 7. Januar 1993, für 1992 am 2. Mai 1994 und für 1993 am 2. Dezember 1994 ein. Ebenfalls am 2. Dezember 1994 gingen beim FA die Gewerbesteuererklärung bzw. die Erklärung zur gesonderten Feststellung des Gewerbeverlusts für 1993 ein. In der Folgezeit ergingen unter Vorbehalt der Nachprüfung entsprechende Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens (Einheitswertbescheide), über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheide) und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts (Gewerbeverlustfeststellungsbescheid).

3

Unter dem 19. September 1995 erließ das FA gegenüber der Klägerin eine Prüfungsanordnung für die Zeiträume 1989 bis 1993 u.a. hinsichtlich der Umsatzsteuer, der gesonderten und einheitlichen Feststellung des Gewinns, der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens (einschließlich des Stichtags 1. Januar 1994) und der gesonderten Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts. Vorgesehener Prüfungsbeginn war der 30. Oktober 1995. Dieser wurde jedoch auf Antrag der Klägerin vom 27. September 1995 in das Jahr 1996 verschoben. Tatsächlicher Prüfungsbeginn war am 15. April 1996.

4

In der Zeit vom 15. April 1996 bis zum 24. Juni 1996 war der Außenprüfer --mit kurzen Unterbrechungen-- in den Geschäftsräumen der Prozessbevollmächtigten zugegen und nahm Prüfungshandlungen vor. Mit Schreiben vom 4. Juni 1996 und vom 25. Juni 1996 bat er um Aufklärung von Zweifelsfragen und Nachreichung von Unterlagen. In den Schreiben legte der Prüfer u.a. seine Rechtsauffassung dar, dass --entgegen der Auffassung der Klägerin-- die Klägerin trotz des abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags nicht Organträgerin der H-GmbH, sei. Darüber hinaus betrafen die Fragen des Prüfers verschiedene in der Buchführung der Klägerin erfasste Vorgänge wie z.B. die Teilwertabschreibung einer Beteiligung an einer GbR "X-Stadt" in Höhe von 1 Mio. DM, als Schadensersatz verbuchte Zahlungseingänge, verschiedene als Betriebsausgaben berücksichtigte Aufwendungen und die Bewertung von Entnahmen. Hierzu nahm die Klägerin mit Schreiben vom 20. August 1996 Stellung und legte einen Teil der angeforderten Unterlagen vor. Eine Reaktion des FA hierauf erfolgte nicht.

5

Im Jahr 1998 hatte der Prüfer Kontakt mit dem Finanzamt (FA) A, das für die Besteuerung des Kommanditisten M zuständig war, und dem FA B, das im Rahmen einer Steuerfahndung bei den Eheleuten Z tätig war. Jene waren Geschäftspartner des Kommanditisten M, die --nach Auffassung der Klägerin-- gemeinsam mit M die GbR "X-Stadt" gegründet haben sollen. In den Handakten des Außenprüfers befinden sich hierzu handschriftliche Vermerke vom 10., 11. und 12. August 1998 über Telefonate mit dem FA A und dem FA B. Aufgrund der Telefonate übersandte das FA A unter dem 12. August 1998 eine Kopie der Vermögensteuererklärung des M auf den 1. Januar 1993 an den Prüfer, die eine private Darlehensforderung des M gegen die Eheleute Z ausweist. Ebenfalls am 12. August 1998 übersandte das FA B Unterlagen "wegen Darlehnsgewährung von … [M] an die Ehegatten … [Z]".

6

Über diese Telefonate und die Übersendung der Unterlagen wurde die Klägerin nicht informiert.

7

Zu einem Kontakt des FA mit der Klägerin kam es erst wieder im Oktober 2001 im Zusammenhang mit einer beabsichtigten Außenprüfung für die Folgejahre. Mit Schriftsätzen vom 7. November 2001 und vom 5. Februar 2002 bat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin um formelle Beendigung der Außenprüfung für die Jahre 1989 bis 1993 und wies auf die seiner Auffassung nach eingetretene Festsetzungsverjährung hin.

8

Mit Schreiben vom 26. Juli 2002 teilte das FA der Klägerin mit, dass die Außenprüfung bisher nicht habe abgeschlossen werden können, da die Klägerin nur lückenhaft Auskunft erteilt und Unterlagen nicht vorgelegt habe. Zugleich forderte das FA die Klägerin unter ausführlicher Darlegung seiner Rechtsauffassung auf, zu allen strittigen Sachverhalten noch umfangreiche Unterlagen vorzulegen. Am 27. Mai 2003 fand eine --vom FA als Schlussbesprechung-- bezeichnete Besprechung an Amtsstelle zu den Prüfungsfeststellungen statt. Nach weiterem Schriftwechsel, in dessen Rahmen das FA die Klägerin u.a. mit Schreiben vom 13. Juni 2003 zur Nachreichung von Unterlagen aufforderte, führten die Beteiligten am 30. September 2003 eine weitere Besprechung an Amtsstelle durch. Der Prüfungsbericht erging unter dem 29. April 2006.

9

Das FA folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ im April 2007 geänderte Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1989 und auf den 1. Januar 1993. Zudem ergingen --erstmalig-- Einheitswertbescheide zur Wert- und Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1991, 1992 und 1994. Darüber hinaus ergingen ein geänderter Gewerbeverlustfeststellungsbescheid auf den 31. Dezember 1993, eine geänderte Umsatzsteuerfestsetzung für 1989 sowie geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für 1989 bis 1993. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben ohne Erfolg.

10

Während des Klageverfahrens erließ das FA unter dem Datum vom 21. Januar 2010 geänderte Gewinnfeststellungsbescheide für 1990 bis 1992, in denen es erstmals jeweils anrechenbare Körperschaftsteuer auswies, die auf bereits berücksichtigte verdeckte Gewinnausschüttungen der H-GmbH an M entfiel. Darüber hinaus wurden die durch die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide für 1990 bis 1992 vom 24. April 2007 getroffenen Feststellungen wiederholt.

11

Das Finanzgericht (FG) wies die gegen die Bescheide vom 17. und 24. April 2007 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2008 gerichtete Klage als unbegründet ab. Zum Zeitpunkt des Erlasses der angegriffenen Bescheide im April 2007 sei die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen, da deren Ablauf nach § 171 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) gehemmt gewesen sei.

12

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Urteil verstoße gegen § 171 Abs. 4 Sätze 2 und 3 AO. Zudem habe das FG im Rahmen der Sachverhaltswürdigung gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Darüber hinaus habe das FG den Grundsatz von Treu und Glauben nicht beachtet, da Verwirkung eingetreten sei.

13

Während des Revisionsverfahrens hob das FA unter dem Datum vom 19. Juni 2014 den Änderungsbescheid vom 24. April 2007 hinsichtlich des Einheitswerts auf den 1. Januar 1989 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2008 auf. In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2014 erklärten die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache insoweit für erledigt.

14

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das vorinstanzliche Urteil sowie den Umsatzsteuerbescheid für 1989 vom 24. April 2007, den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1991 vom 17. April 2007 und die Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1992, 1993 und 1994 vom 24. April 2007, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 1993 vom 24. April 2007 und die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung des Gewinns für 1989 bis 1993 vom 24. April 2007, die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2008 und die Änderungsbescheide vom 21. Januar 2010, soweit diese Gegenstand des Verfahrens geworden sind, aufzuheben.

15

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

16

II. 1. Der Senat hält es für geboten, das Verfahren wegen des Einheitswertbescheids auf den 1. Januar 1989 (neues Aktenzeichen: IV R 32/14) abzutrennen (§ 73 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 121 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), da dies im Hinblick auf den unterschiedlichen Verfahrensausgang mit unterschiedlicher Kostenfolge zweckmäßig erscheint (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Februar 1988 V B 98/86, BFH/NV 1988, 724).

17

2. Die Revision ist aus verfahrensrechtlichen Gründen begründet, soweit das FG über die Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 vom 24. April 2007 entschieden hat. Insoweit ist die Vorentscheidung zwar aufzuheben (dazu unter a), die Klage gegen die zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheide vom 21. Januar 2010 aber als unbegründet abzuweisen (dazu unter b). Im Übrigen ist die Revision unbegründet und daher gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen (dazu unter b).

18

a) Die Vorentscheidung ist, soweit sie die Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 vom 24. April 2007 betrifft, aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben.

19

aa) Das FG hat in seinem Urteil die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 vom 24. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2008 aufgehoben, obwohl das FA unter dem 21. Januar 2010, während des Klageverfahrens, geänderte Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 erlassen hat. Diese erneut geänderten Gewinnfeststellungsbescheide sind nach § 68 FGO Gegenstand des anhängigen Verfahrens geworden (vgl. BFH-Urteil vom 14. April 2011 IV R 36/08, BFH/NV 2011, 1361). Zwar liegen bezüglich der angefochtenen Feststellungen lediglich wiederholende Verfügungen vor, da sich die Änderung der Gewinnfeststellungsbescheide nur auf die selbständig anfechtbare und hier nicht streitgegenständliche Feststellung der anrechenbaren Körperschaftsteuer bezog. § 68 FGO ist aber mit Rücksicht auf den Zweck der Vorschrift auch auf wiederholende Verfügungen anwendbar (BFH-Urteil vom 20. Mai 2010 IV R 74/07, BFHE 229, 71, BStBl II 2010, 1104, m.w.N.). Da das FG damit über Gewinnfeststellungsbescheide entschieden hat, die nicht mehr Verfahrensgegenstand waren, kann das Urteil keinen Bestand haben (vgl. BFH-Urteile vom 31. Mai 2006 II R 32/04, BFH/NV 2006, 2232, und vom 26. Januar 2011 IX R 7/09, BFHE 232, 463, BStBl II 2011, 540, unter II.1., m.w.N.).

20

bb) Der Senat entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121 und 100 FGO auf der Grundlage der verfahrensfehlerfrei zustande gekommenen und damit nach § 118 Abs. 2 FGO weiterhin bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG gleichwohl gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO insoweit in der Sache, da die Änderungsbescheide hinsichtlich des streitigen Sachverhalts keine Änderungen enthalten und die Sache spruchreif ist (vgl. BFH-Urteile vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, unter I., und vom 22. Januar 2013 IX R 18/12, BFH/NV 2013, 1094).

21

b) Die Klage gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 vom 21. Januar 2010 wird abgewiesen. Bei Erlass der Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 war noch keine Feststellungsverjährung eingetreten, da der Ablauf der Fristen gemäß § 171 Abs. 4 AO aufgrund der Außenprüfung gehemmt war. Aus denselben Gründen ist die Revision hinsichtlich der übrigen angefochtenen Bescheide unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

22

Hinsichtlich der angefochtenen Bescheide hat das FG zu Recht entschieden, dass bei deren Erlass unter dem 17. und 24. April 2007 noch keine Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung eingetreten war, da der Ablauf der Fristen gemäß § 171 Abs. 4 AO aufgrund der Außenprüfung gehemmt war. Der Ablauf der Feststellungsverjährung war gemäß § 171 Abs. 3a AO auch für die zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Gewinnfeststellungsbescheide für 1990 bis 1992 vom 21. Januar 2010 gehemmt, da die Gewinnfeststellungsbescheide für 1990 bis 1992 vom 24. April 2007 mit Einspruch und Klage angefochten worden sind.

23

aa) Die Feststellung des Einheitswerts, die Umsatzsteuerfestsetzung, die Gewinnfeststellung und die Gewerbeverlustfeststellung sowie deren Änderung oder Aufhebung sind gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO, der gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO für die gesonderte Feststellung sinngemäß gilt, nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist abgelaufen ist. Diese beträgt nach § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre.

24

(1) Ist --wie im Streitfall für die Umsatzsteuer, die Gewinnfeststellung und die Gewerbeverlustfeststellung-- eine Steuererklärung bzw. Feststellungserklärung abzugeben, so beginnt die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist gemäß §§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 181 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer- bzw. Feststellungserklärung eingereicht wird.

25

Danach wären --ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Ablaufhemmung-- die Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1989 und die Feststellungsfrist für die Gewinnfeststellung 1989 mit Ablauf des 31. Dezember 1995, die Gewinnfeststellungsfrist für das Jahr 1990 mit Ablauf des 31. Dezember 1996, für das Jahr 1991 mit Ablauf des 31. Dezember 1997, für die Jahre 1992 und 1993 mit Ablauf des 31. Dezember 1998 sowie für die Gewerbeverlustfeststellung auf den 31. Dezember 1993 mit Ablauf des 31. Dezember 1998 abgelaufen.

26

(2) In Bezug auf die gesonderte Feststellung von Einheitswerten enthält § 181 Abs. 3 Satz 2 AO eine entsprechende Regelung für die Hauptfeststellungen. Danach beginnt die Frist für die gesonderte Feststellung von Einheitswerten mit Ablauf des Kalenderjahrs, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, die Fortschreibung, die Nachfeststellung oder die Aufhebung des Einheitswerts vorzunehmen ist. Ist eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Einheitswerts abzugeben, beginnt die Feststellungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn die Einheitswertfeststellung vorzunehmen oder aufzuheben ist.

27

Im Streitfall begann die Feststellungsfrist für den Einheitswert auf den 1. Januar 1993 (Hauptfeststellungszeitpunkt) danach grundsätzlich mit Ablauf des Jahres 1994, nachdem die Klägerin am 5. Oktober 1994 eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts abgegeben hat, und endete --ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Ablaufhemmung-- mit Ablauf des Jahres 1998.

28

Für Fortschreibungen des Einheitswerts, für die eine Erklärung nicht abzugeben ist, beginnt die Feststellungsfrist gemäß § 181 Abs. 3 Satz 1 AO demgegenüber grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahrs, auf dessen Beginn die Fortschreibung vorzunehmen ist. Wird allerdings der Beginn der Feststellungsfrist für die Hauptfeststellung nach § 181 Abs. 3 Satz 2 AO hinausgeschoben, verschiebt sich nach § 181 Abs. 3 Satz 3 AO auch der Beginn der Feststellungsfrist für die weiteren Feststellungszeitpunkte des Hauptfeststellungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit. Nach diesen Rechtsgrundsätzen und ohne Berücksichtigung der streitbefangenen Ablaufhemmung wäre die Feststellungsfrist für die Fortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1991 mit Ablauf des 31. Dezember 1996, auf den 1. Januar 1992 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 und auf den 1. Januar 1994 mit Ablauf des 31. Dezember 1999 abgelaufen, da für die Hauptfeststellungszeitpunkte aufgrund der in den Jahren 1990 und 1994 abgegebenen Erklärungen die Feststellungsfrist um ein Jahr hinausgeschoben worden ist.

29

bb) Der Ablauf der Festsetzungs- und Feststellungsfristen war jedoch unter den im Streitfall vorliegenden Umständen nach § 171 Abs. 4 Satz 1, § 181 Abs. 1 Satz 1 AO aufgrund der im Jahr 1996 begonnenen Außenprüfung gehemmt.

30

(1) Wird vor Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern bzw. die Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide bzw. Feststellungsbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind.

31

Mit Beginn der Außenprüfung am 15. April 1996 wurde danach der Ablauf der Feststellungsfristen für die Gewinnfeststellungen 1990 bis 1993, die Einheitswertfeststellungen auf den 1. Januar 1991 bis 1994 und die Gewerbeverlustfeststellung auf den 31. Dezember 1993 gehemmt, da die reguläre Feststellungsfrist für diese Veranlagungszeiträume noch nicht abgelaufen war. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1989 und der Feststellungsfrist für die Gewinnfeststellung 1989, die regulär bereits mit Ablauf des Jahres 1995 endeten, wurde mit Eingang des Antrags der Klägerin auf Verlegung der Außenprüfung gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 Alternative 2 AO gehemmt (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 2010 IV R 54/07, BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7, m.w.N.), da die Außenprüfung im Jahr 1995 beginnen sollte und der Prüfungsbeginn nur auf Veranlassung der Klägerin in das Jahr 1996 hinausgeschoben wurde. Auch hat das FA vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang des Antrags mit der Prüfung begonnen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7).

32

(2) Ein Ausnahmefall nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO liegt nicht vor. Die Würdigung des FG, dass die am 15. April 1996 aufgenommene Außenprüfung nicht unmittelbar nach Beginn unterbrochen worden ist, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

33

(a) Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfällt die Ablaufhemmung der Festsetzungs- und Feststellungsfristen, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

34

Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben. Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist (BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, m.w.N.). Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben (BFH-Urteil vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739). Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann (BFH-Beschluss vom 31. August 2011 I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011, m.w.N.).

35

(b) Von diesen Grundsätzen ist das FG bei seiner Entscheidung ausgegangen. Im Rahmen der Gesamtwürdigung hat das FG die Prüfungsdauer vor Ort und die Schreiben vom 4. Juni 1996 und vom 25. Juni 1996 berücksichtigt, mit denen der Außenprüfer Informationen und Unterlagen zu einer Vielzahl prüfungsrelevanter Fragen angefordert hatte. Das FG gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass der Außenprüfer über bloße Vorbereitungsmaßnahmen schon deutlich hinausgekommen war und die Prüfungshandlungen vor Ort --gemessen am gesamten Prüfungsstoff-- auch unter Berücksichtigung des geringen zeitlichen Anteils an der Gesamtdauer der Außenprüfung schon erhebliches Gewicht erreicht hatten.

36

Diese Würdigung des FG ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Sie bindet den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 5. Mai 2011 IV R 34/08, BFHE 234, 1, BStBl II 2011, 787; vom 13. Januar 2011 V R 63/09, BFHE 233, 64, BStBl II 2011, 461, m.w.N.).

37

Bereits der Umstand, dass der Prüfer nach den Feststellungen des FG vom 15. April bis 24. Juni 1996 mit kurzen Unterbrechungen in den Geschäftsräumen der Prozessbevollmächtigten der Klägerin Prüfungsmaßnahmen durchgeführt hat, stellt ein gewichtiges Indiz dafür dar, dass die Prüfung nicht unmittelbar nach Beginn unterbrochen worden ist. Dass dieser Zeitabschnitt nur einen geringen Anteil an der Gesamtdauer der Außenprüfung einnimmt, ändert hieran nichts. Der Umfang der Prüfungshandlungen ist nicht an der Gesamtdauer der Außenprüfung zu messen, sondern im Verhältnis zum Prüfungsstoff zu beurteilen. Zwar kommt dabei auch dem Zeitmoment eine gewisse Bedeutung zu. Eine --absolute oder relative-- zeitliche Mindestanforderung an die Dauer der Prüfung vom Beginn bis zur Unterbrechung besteht jedoch nicht.

38

(3) Auch die Voraussetzungen des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO lagen bei Erlass der Bescheide vom 17. und 24. April 2007 nicht vor.

39

(a) Grundsätzlich endet die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist, deren Ablauf nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt ist, erst, wenn die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide bzw. Feststellungsbescheide unanfechtbar geworden sind. Nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO endet die Festsetzungsfrist allerdings spätestens, wenn seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Schlussbesprechung stattgefunden hat, oder, wenn sie unterblieben ist, seit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die letzten Ermittlungen im Rahmen der Außenprüfung stattgefunden haben, die in § 169 Abs. 2 AO genannten Fristen verstrichen sind.

40

(b) Im Streitfall hat im Jahr 2003 eine Schlussbesprechung stattgefunden. Die Festsetzungs- bzw. Feststellungsfristen endeten danach erst mit Ablauf des 31. Dezember 2007 und damit nach Erlass der Bescheide vom 17. und 24. April 2007.

41

Gemäß § 201 Abs. 1 AO ist eine Schlussbesprechung eine Besprechung über das Ergebnis der Außenprüfung. Diese Voraussetzung erfüllen sowohl die Besprechung vom 27. Mai 2003 als auch die Besprechung vom 30. September 2003. Gegenstand beider Besprechungen war --entsprechend der Einlassung der Klägerin-- die abschließende Erörterung von Sachfragen, die sich aufgrund der Feststellungen der Außenprüfung ergeben hatten. Zudem ist der Gegenstand einer Schlussbesprechung nicht zwingend auf materiell-rechtliche Feststellungen begrenzt. Auch Verfahrensfragen wie z.B. der Eintritt der Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung können Auswirkungen auf das Ergebnis der Außenprüfung haben und sind daher im Rahmen einer Schlussbesprechung zu erörtern.

42

Dahinstehen kann, auf welche Besprechung zur Berechnung der Frist des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO abzustellen ist, da beide im selben Kalenderjahr stattgefunden haben.

43

Der Vorbehalt der Klägerin, nur im Rahmen ihrer allgemeinen Mitwirkungspflicht an den Besprechungen teilgenommen zu haben, ändert daran nichts. Die Schlussbesprechung stellt keine Ermittlungshandlung dar, sondern dient der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. z.B. Sauer in Beermann/Gosch, AO § 201 Rz 7). Dementsprechend hätte die Klägerin auf die Durchführung der Besprechungen verzichten können (§ 201 Abs. 1 Satz 1 AO). Eine allgemeine Mitwirkungspflicht an einer Schlussbesprechung besteht nicht.

44

(c) Auch der Einwand, dass bereits vor Durchführung der Besprechungen gemäß § 171 Abs. 4 Satz 3 AO Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung eingetreten sei, greift nicht. Denn im Streitfall liegen die Voraussetzungen des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO nicht vor.

45

(aa) Es kann dahingestellt bleiben, ob § 171 Abs. 4 Satz 3 AO --unmittelbar oder analog-- angewandt werden kann, wenn vor der Schlussbesprechung innerhalb der in § 171 Abs. 4 Satz 3 AO genannten Frist keine Ermittlungen stattgefunden haben (verneinend BFH-Urteil vom 20. Juli 2005 X R 74/01, BFH/NV 2005, 2195). Denn im Streitfall fanden jedenfalls in den Jahren 1998 und 2002 Ermittlungshandlungen statt. Solche Ermittlungshandlungen stellten sowohl die telefonischen Anforderungen der Unterlagen vom FA A und vom FA B im Jahr 1998 als auch das Schreiben des FA an die Klägerin vom 26. Juli 2002 dar. Denn diese waren nicht auf die erneute rechtliche Würdigung bereits ermittelter Tatsachen gerichtet, sondern auf die Feststellung noch nicht bekannter Sachverhaltselemente (vgl. dazu BFH-Urteil vom 28. Juni 2011 VIII R 6/09, BFH/NV 2011, 1830).

46

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und damit den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG bezogen sich die 1998 geführten Telefonate mit dem FA A und mit dem FA B auf den Vorgang "X-Stadt" und dienten der Feststellung, ob bei der Klägerin eine Teilwertabschreibung einer Darlehnsforderung gegenüber der Familie Z oder einer Beteiligung an einer GbR "X-Stadt" in Höhe von 1 Mio. DM vorzunehmen sei (s. dazu auch die umfangreichen Feststellungen in Tz 13 und Tz 15 des Betriebsprüfungsberichts). Soweit die Klägerin hiergegen einwendet, sie sei von den Ermittlungen im Jahr 1998 nicht betroffen, steht dies nicht im Einklang mit den Feststellungen des FG. Anhaltspunkte dafür, dass dem FG bei der Ermittlung des Sachverhalts revisionsrechtlich zu beachtende Fehler unterlaufen sein könnten, sieht der Senat nicht. Insbesondere ist dem Urteil nicht zu entnehmen, dass das FG die Äußerungen des Prüfers in der mündlichen Verhandlung als Zeugenaussage gewertet habe.

47

Nach den Feststellungen des FG waren die im Jahr 1998 vom Prüfer getroffenen Maßnahmen darauf gerichtet, --über die bloße Weiterleitung von Informationen hinaus-- im zu prüfenden Fall bisher noch nicht bekannte Sachverhaltselemente von erheblichem Gewicht festzustellen, d.h. wesentliche Elemente des Besteuerungssachverhalts zu ermitteln.

48

Dabei geht das FG zu Recht davon aus, dass für die Annahme einer Ermittlungshandlung nicht zwingend erforderlich ist, dass diese dem Steuerpflichtigen bekanntgegeben wird. Auch Handlungen im Innendienst können Ermittlungshandlungen sein, sofern sie --wie hier-- anhand der Prüfungsakten nachvollzogen werden können. Dies ergibt sich bereits daraus, dass je nach Art und Umfang der im Einzelfall erforderlichen Ermittlungshandlungen eine sach- und zeitgerechte Durchführung von Außenprüfungen nicht möglich wäre. Zudem ist eine (förmliche) Bekanntgabe nur für Verwaltungsakte vorgesehen (vgl. § 122 AO). In § 88 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO, die den Amtsermittlungsgrundsatz regeln und auch im Rahmen der Außenprüfung gelten, findet sich eine solche Regelung nicht. Lediglich für einzelne Ermittlungshandlungen, wie z.B. den automatisierten Kontenabruf in § 93 Abs. 9 Sätze 2 und 3 AO, hat der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Steuerpflichtige nach einem Kontenabruf zu benachrichtigen ist. Wären Ermittlungshandlungen stets zwingend bekanntzugeben, bedürfte es dieser Vorschrift nicht.

49

Auch aus dem BFH-Urteil in BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739 ergibt sich nichts Abweichendes. Darin hatte sich der VII. Senat des BFH mit der Frage auseinanderzusetzen, welche Maßnahmen die Wiederaufnahme einer nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO unterbrochenen Außenprüfung erfordert, und hierbei u.a. darauf abgestellt, dass nur solche Prüfungshandlungen das Ende der Unterbrechung der Prüfung bedeuten, die nach außen dokumentiert oder zumindest nachvollziehbar und für den Steuerpflichtigen erkennbar sind. Die Erkennbarkeit der Prüfungshandlung für den Steuerpflichtigen hat der BFH bei dieser Sachverhaltskonstellation aber ausschließlich deshalb gefordert, weil im Fall der Unterbrechung der Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO) die Ablaufhemmung der Festsetzungsfrist erst in dem Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Außenprüfung eintritt. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist die Erkennbarkeit der diese Rechtsfolgen auslösenden erneuten Prüfungshandlungen erforderlich. Eine Unterbrechung i.S. von § 171 Abs. 4 Satz 2 AO liegt im Streitfall --wie dargestellt-- jedoch nicht vor, so dass an die hier in Rede stehenden Ermittlungshandlungen keine unmittelbaren Rechtsfolgen geknüpft sind, die deren Erkennbarkeit für den Steuerpflichtigen als notwendig erscheinen lassen (s. dazu auch nachfolgend unter (bb)).

50

Auch das Schreiben vom 26. Juli 2002, mit dem der Prüfer die Aufklärung von bestimmten, den Prüfungszeitraum betreffenden Sachverhalten und die Vorlage von Unterlagen verlangt, stellt eine Ermittlungshandlung dar. Im Allgemeinen muss davon ausgegangen werden, dass Maßnahmen eines Außenprüfers zur Ermittlung eines Steuerfalls Prüfungshandlungen sind, und zwar auch dann, wenn sie "nur" auf die Vorlage von Aufzeichnungen, Büchern, Geschäftspapieren u.ä. gerichtet sind (BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 26/08, BFH/NV 2009, 1405, m.w.N.).

51

(bb) Allerdings handelte es sich hierbei jeweils nicht um letzte Ermittlungshandlungen i.S. des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO.

52

Aufgrund der systematischen Parallele zur Durchführung einer Schlussbesprechung, die ebenfalls nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO die Festsetzungsfrist neu in Gang setzt, ist für die Annahme letzter Ermittlungshandlungen im Sinne dieser Vorschrift erforderlich, dass der Zeitpunkt der betreffenden Ermittlungshandlungen im Interesse der verjährungsrechtlichen Rechtssicherheit eindeutig feststeht (BFH-Urteil in BFH/NV 2011, 1830).

53

Im Streitfall ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Ermittlungshandlungen in den Jahren 1998 und 2002 darauf gerichtet waren, die Außenprüfung in einem Sinne "endgültig" abzuschließen, dass hinsichtlich der Verjährungsfrist eine Gleichstellung mit einer (unterbliebenen) Schlussbesprechung geboten wäre. Denn es ist jeweils nicht erkennbar, dass der Besteuerungssachverhalt bereits derart ermittelt war, dass die (weiteren) Ermittlungshandlungen zur abschließenden Feststellung des Sachverhalts führen konnten. Ohne dies lässt sich in den Jahren 1998 und 2002 auch kein eindeutiger Zeitpunkt von letzten Ermittlungshandlungen i.S. des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO feststellen.

54

(d) Die Feststellungsfrist war auch im Zeitpunkt des Erlasses der gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gewordenen Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 vom 21. Januar 2010 noch nicht abgelaufen. Denn die Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 vom 24. April 2007, die, wie zuvor ausgeführt, innerhalb der Feststellungsfrist erlassen worden sind, sind mit der Klage, die Gegenstand der Vorentscheidung ist, angefochten worden. Die Feststellungsfrist ist daher gemäß § 171 Abs. 3a AO nicht abgelaufen, bevor über diese Klage unanfechtbar entschieden worden ist. Die Feststellungsfrist für die Gewinnfeststellungsbescheide 1990 bis 1992 war daher bis zum Abschluss des vorliegenden Revisionsverfahrens gehemmt.

55

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin stand auch der Grundsatz der Verwirkung dem Erlass der angegriffenen Bescheide nicht entgegen.

56

(1) Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist Ausfluss des Grundsatzes von Treu und Glauben und Anwendungsfall des Verbots widersprüchlichen Verhaltens. Es greift ein, wenn ein Anspruchsberechtigter durch sein Verhalten beim Verpflichteten einen Vertrauenstatbestand dergestalt geschaffen hat, dass nach Ablauf einer gewissen Zeit die Geltendmachung des Anspruchs als illoyale Rechtsausübung empfunden werden muss. Dabei reicht ein bloßes Untätigbleiben der Finanzbehörde in der Regel nicht aus, um einen Steueranspruch als verwirkt anzusehen; denn die zeitliche Grenze für die Festsetzung eines Steueranspruchs bilden die Verjährungsvorschriften. Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben dem bloßen Zeitmoment (zeitweilige Untätigkeit des Finanzamts) einerseits ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten voraus, demzufolge der Verpflichtete bei objektiver Beurteilung darauf vertrauen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Vertrauenstatbestand), andererseits aber auch, dass der Steuerpflichtige tatsächlich auf die Nichtgeltendmachung des Anspruchs vertraut und sich hierauf eingerichtet hat (Vertrauensfolge). Der Steuerpflichtige soll davor geschützt werden, erhebliche Nachteile zu erleiden, die nicht entstanden wären, wenn das Finanzamt den Steueranspruch rechtzeitig geltend gemacht hätte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 16. März 2011 VIII B 102/10, BFH/NV 2011, 1106, m.w.N.).

57

(2) Wie das FG zu Recht entschieden hat, fehlt es im Streitfall bereits an einem vertrauensbegründenden Verhalten des FA.

58

Die Untätigkeit des Prüfers allein vermag kein Vertrauen darauf zu begründen, dass das FA die Außenprüfung als erledigt betrachtet. In der Regel wird die Außenprüfung erst mit der Zusendung des Prüfungsberichts (§ 202 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO) abgeschlossen (BFH-Urteil vom 8. Juli 2009 XI R 64/07, BFHE 226, 19, BStBl II 2010, 4, m.w.N.). Führt die Außenprüfung zu keiner Änderung der Besteuerungsgrundlagen, so genügt es gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 AO, wenn dies dem Steuerpflichtigen schriftlich mitgeteilt wird. Die Vorschrift enthält lediglich eine formelle Erleichterung (vgl. Schallmoser in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, § 202 AO Rz 50). Die Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO hat ebenso wie der Prüfungsbericht Dokumentations- und Protokollfunktion. Dieser Funktion kann aus Gründen der Klarheit nur eine ausdrückliche Mitteilung gerecht werden (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 2010 X R 30/09, BFH/NV 2010, 1234). Der Steuerpflichtige kann demnach aus dem Schweigen des FA nicht ableiten, dass dieses die Außenprüfung nicht weiter verfolgt. Dass die Untätigkeit des FA unter Umständen gegen interne Dienstanweisungen verstößt, ändert hieran nichts.

59

dd) Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Umsatzsteueranspruchs für 1989, die Feststellung der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1991 bis 1994, die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31. Dezember 1993 und die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1989 bis 1993 hat die Klägerin weder im Verfahren vor dem FG noch im Revisionsverfahren erhoben.

60

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 18. Juni 2015  2 K 158/14 wird als unbegründet zurückgewiesen. Insoweit hat der Kläger die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 18. Juni 2015  2 K 158/14 wird als unbegründet zurückgewiesen. Insoweit hat der Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen der Festsetzungsverjährung bei Erlass von Änderungsbescheiden sowie über das Eingreifen des sogenannten Halbeinkünfteverfahrens bei Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften im Veranlagungszeitraum 2001.

2

Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erzielte in den Streitjahren (2001 bis 2005) Einkünfte aus mehreren Einkunftsarten. In seiner Einkommensteuererklärung 2001 nebst Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags vom Dezember 2003 machte er u.a. einen Verlust aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2001 geltenden Fassung --EStG a.F.--) aus der Veräußerung von Genussscheinen der A AG, Schweiz, geltend. Die Veräußerung der Genussscheine, die er ab Mai 2000 in mehreren Tranchen erworben hatte, erfolgte am 20. April 2001. Hieraus ermittelte er einen der Höhe nach unstreitigen Veräußerungsverlust von 111.619,10 DM (= 57.069,94 €). Die Genussscheine waren nach deren Statuten kein Bestandteil des Aktienkapitals und vermittelten kein Stimmrecht. Jeder Genussscheininhaber hatte aber den gleichen Anteil am Bilanzgewinn und an dem nach Rückzahlung des Aktienkapitals und des Partizipationskapitals verbleibenden Liquidationsergebnis wie eine Aktie.

3

Der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) veranlagte den Kläger in Bezug auf den Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG zunächst erklärungsgemäß, zuletzt mit Einkommensteuerbescheid 2001 vom 2. Mai 2008. Dieser Verlust ist auch in den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 vom 10. Dezember 2007 in Bezug auf den dort festgestellten Verlust für die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften eingeflossen. Die Bescheide standen jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO--).

4

Seine Einkommensteuererklärungen für die Jahre 2002 und 2003 gab der Kläger im November 2004 (2002) bzw. im Juni 2005 (2003) beim FA ab, das ihn zunächst im Wesentlichen erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagte (zuletzt mit Bescheiden vom 21. Februar 2008 für 2002 und vom 15. April 2008 für 2003).

5

Die Einkommensteuererklärung 2004 reichte der Kläger im September 2006 beim FA ein. Darin erklärte er u.a. einen Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an drei Investmentfonds in Höhe von insgesamt 63.403,05 €. Diesen Veräußerungsgewinn hatte er unter Berücksichtigung von Anschaffungskosten in Höhe von insgesamt 16.360.449,83 € ermittelt, worin Zwischengewinne in Höhe von insgesamt 1.039.573,80 € enthalten waren, die im Veranlagungszeitraum 2003 als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden waren. Das FA veranlagte den Kläger insoweit zunächst ebenfalls erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, zuletzt mit Einkommensteuerbescheid 2004 vom 5. Juni 2010.

6

Die Einkommensteuererklärung 2005 gab der Kläger im April 2007 beim FA ab, das ihn auch insoweit zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung, zuletzt mit Bescheid vom 11. August 2010, veranlagte.

7

Das FA ordnete mit Bescheid vom 30. November 2007 beim Kläger eine Außenprüfung in Bezug auf die Einkommensteuer 2001 bis 2005 und die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember für die Jahre 2001 bis 2005 an. Die Prüfung sollte nach der Anordnung am 10. Dezember 2007 beginnen. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers beantragten mit Schreiben vom 10. Dezember 2007 eine Verschiebung des Beginns der Außenprüfung auf die Zeit nach dem 14. April 2008. Mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 beantragten sie eine erneute Verschiebung des Beginns der Außenprüfung, diesmal auf die Zeit nach dem 15. Januar 2009.

8

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2009 bat der Prüfer die Prozessbevollmächtigten des Klägers mitzuteilen, auf welcher Rechtsgrundlage der Kläger eine Versorgungsrente an J zu zahlen habe. Zudem werde ein belegmäßiger Nachweis benötigt, wie alt die Versorgungsempfängerin bei Beginn der Zahlungsverpflichtung gewesen sei. Ferner bat der Prüfer in Bezug auf die in der Steuererklärung für das Jahr 2005 geltend gemachten Steuerberatungskosten aus einer Rechnung des Steuerberaters K vom 11. April 2005 in Höhe von 22.872,30 € um eine Ablichtung dieser Rechnung sowie erforderlichenfalls nähere Erläuterungen dazu. Mit Schreiben vom 8. Februar 2010 übersandten die Prozessbevollmächtigten des Klägers zur Versorgungsrente für J eine Kopie der notariellen Urkunde des diesbezüglichen Vermächtnisses und teilten mit, dass ein belegmäßiger Nachweis über das Alter von J aufgrund der bereits sehr langen Laufzeit der Rente nicht vorgelegt werden könne. Hinsichtlich der Steuerberatungskosten übersandten die Prozessbevollmächtigten eine Kopie der Rechnung des Steuerberaters K.

9

Nach dem Inhalt der BP-Arbeitsakten des FA erfolgte die nächste schriftliche Prüfungsanfrage mit Schreiben vom 13. Juli 2012. Vorher --Anfang Juli 2012-- erfolgte eine Prüfung der Kapitaleinkünfte des Klägers in den Räumen seiner Prozessbevollmächtigten und es gab ausweislich entsprechender Vermerke am 14. Februar 2011, am 29. November 2011, am 4. und am 25. April 2012 telefonische Kontakte zwischen dem Prüfer und dem Steuerberater über den Fortgang der Prüfung. Ferner enthält die Akte einen Vermerk des Prüfers vom 7. Mai 2010, wonach im Rahmen einer anderen Außenprüfung bei einer Besprechung am 6. Mai 2010 eine Kopie des Personalausweises von J ausgehändigt worden sei.

10

Die Außenprüfung endete am 28. Mai 2013. Das FA kam ausweislich des Berichts über die Außenprüfung vom 21. Juni 2013 u.a. zu dem Ergebnis, dass der Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG im Jahr 2001 nicht in voller Höhe anzuerkennen sei, sondern dem sogenannten Halbeinkünfteverfahren unterliege. Der Gewinn aus der Veräußerung der Investmentfonds-Anteile im Jahr 2004 sei um die im Jahr 2003 berücksichtigten Zwischengewinne in Höhe von insgesamt 1.039.537,80 € zu erhöhen. Die Zwischengewinne seien nicht als Anschaffungskosten anzuerkennen, weil sie bereits im Veranlagungszeitraum 2003 als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt worden seien. Dementsprechend erließ das FA am 7. August 2013 Änderungsbescheide zur Einkommensteuer 2001 bis 2005 sowie geänderte Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 bis 2004. Der Einkommensteuerbescheid 2004 wurde aus hier nicht streiterheblichen Gründen mit Bescheid vom 17. September 2013 erneut geändert.

11

Die gegen die Änderungsbescheide vom Kläger eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2014). Die hiergegen gerichtete Klage, die sich noch auf die Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2005 sowie den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 bezog, war lediglich hinsichtlich der gesonderten Feststellung des Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 erfolgreich, soweit darin der Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG nicht in voller Höhe anerkannt worden war. Dies begründete das Finanzgericht (FG) in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2015, 1675 veröffentlichten Entscheidung vom 18. Juni 2015  2 K 158/14 damit, dass die im Jahr 2001 bestehende Ungleichbehandlung zwischen inländischen und ausländischen Beteiligungen in Bezug auf das Halbeinkünfteverfahren gegen Art. 56 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrags von Nizza zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte --EG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002, Nr. C-325, 1; jetzt Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV--, Amtsblatt der Europäischen Union 2008, Nr. C-115, 47) verstoße.

12

Sowohl der Kläger als auch das FA haben gegen die Entscheidung des FG Revision eingelegt.

13

Der Kläger rügt mit seiner Revision, die auf die Entscheidung des FG über die Einkommensteuerbescheide 2002 bis 2005 beschränkt ist, die Verletzung von Bundesrecht. Der Ablauf der Festsetzungsfristen sei nicht durch die Anordnung der Außenprüfung gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt worden, da die Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen worden sei, die die Finanzbehörde zu vertreten gehabt habe (§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO).

14

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung in Bezug auf die Einkommensteuerfestsetzung für die Jahre 2002 bis 2005 und die Einkommensteuerbescheide 2002, 2003 und 2005 vom 7. August 2013 sowie den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 17. September 2013, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Mai 2014, aufzuheben und die Revision des FA zurückzuweisen.

15

Das FA, das sich mit seiner Revision gegen die Entscheidung des FG wendet, soweit diese die vollständige Anerkennung der Verluste aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG im Jahr 2001 betrifft, beantragt sinngemäß,
die Vorentscheidung in Bezug auf die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 aufzuheben und die diesbezügliche Klage abzuweisen sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.

16

Es rügt die Verletzung von Bundesrecht. Das FG habe in der vorgezogenen Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf Veräußerungsvorgänge von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften im Jahr 2001 in unzutreffender Weise eine Ungleichbehandlung gesehen, die eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstelle. Nach aktueller Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) fehle schon eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit. Zudem sei eine etwaige Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit zur Wahrung der Kohärenz des Steuersystems durch den Übergang vom Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren sachlich gerechtfertigt.

Entscheidungsgründe

II.

17

Die Revisionen des Klägers und des FA sind unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

18

Die Entscheidung des FG, dass bei Erlass der angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide 2002 bis 2005 am 7. August 2013 bzw. 17. September 2013 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch seine Entscheidung, der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 sei rechtswidrig, soweit er den Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG nicht in voller Höhe berücksichtigt, erweist sich als zutreffend.

19

A. Revision des Klägers

20

1. Die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide 2002 bis 2005 konnten ergehen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass bei deren Erlass am 7. August 2013 bzw. 17. September 2013 noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten war, weil der Ablauf der Festsetzungsfrist für diese Streitjahre gemäß § 171 Abs. 4 AO aufgrund der Außenprüfung gehemmt war.

21

a) Der Erlass geänderter Steuerbescheide ist nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist, die gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO vier Jahre beträgt, abgelaufen ist. Ist --wie im Streitfall für die Einkommensteuer-- eine Steuererklärung abzugeben, beginnt die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung eingereicht wird.

22

Danach wäre --ohne Eingreifen einer Ablaufhemmung-- die Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer der Jahre 2002 bis 2005, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, grundsätzlich Ende 2008 (für 2002), Ende 2009 (für 2003), Ende 2010 (für 2004) und Ende 2011 (für 2005) --und damit vor Erlass der streitgegenständlichen Einkommensteueränderungsbescheide im Jahr 2013-- abgelaufen.

23

b) Jedoch war der Ablauf der Festsetzungsfristen unter den im Streitfall vorliegenden Umständen nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt.

24

Wird vor Ablauf der Festsetzungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Festsetzungsfrist für die Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Steuerbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind. Die Ablaufhemmung, die infolge der Stellung eines (befristeten) Antrags des Steuerpflichtigen auf Hinausschieben des Beginns einer Außenprüfung fortbesteht, endet, wenn der Prüfer auch zwei Jahre nach dem Verschiebungsantrag nicht mit tatsächlichen Prüfungshandlungen begonnen hat (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. März 2010 IV R 54/07, BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7; vom 19. Mai 2016 X R 14/15, BFHE 254, 193, BStBl II 2017, 97). Stellt der Steuerpflichtige während der Zwei-Jahres-Frist einen weiteren Verschiebungsantrag, beginnt die Zwei-Jahres-Frist erneut (BFH-Urteil in BFHE 254, 193, BStBl II 2017, 97).

25

aa) Danach hat das FG zutreffend erkannt, dass der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Einkommensteuer der Jahre 2002 bis 2005, die regulär bereits mit Ablauf der Jahre 2008 bis 2011 endete, (zunächst) mit dem Eingang der Anträge des Klägers auf Verlegung der Außenprüfung vom 10. Dezember 2007 und vom 10. Dezember 2008 gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 Alternative 2 AO gehemmt wurde. Der Beginn der Außenprüfung, der laut Prüfungsanordnung auf den 10. Dezember 2007 festgelegt war, wurde (nur) auf Veranlassung des Klägers in das Jahr 2009 hinausgeschoben. Mit dem zweiten Verschiebungsantrag des Klägers vom 10. Dezember 2008 begann die Zwei-Jahres-Frist erneut.

26

bb) Ebenso ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG angenommen hat, das FA habe vor Ablauf von zwei Jahren nach Eingang der Verschiebungsanträge mit der Prüfung begonnen. Seine Würdigung, die Außenprüfung habe am 22. Dezember 2009, mit dem Schreiben des Prüfers, mit dem dieser zu zwei Sachverhalten (Versorgungsrente J und Sonderausgabenabzug Steuerberatungskosten K) konkrete Prüfungsfragen an den Steuerberater des Klägers gerichtet habe, begonnen, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand. Die Würdigung, die Anfrage habe sich auf bestimmte prüfungsrelevante Sachverhalte bezogen und sei über bloße Vorbereitungshandlungen hinausgegangen, ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Sie bindet den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 IV R 34/08, BFHE 234, 1, BStBl II 2011, 787, m.w.N.).

27

cc) Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass kein Ausnahmefall nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO vorliegt.

28

(1) Nach dieser Bestimmung entfällt die Ablaufhemmung der Festsetzungsfristen, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

29

§ 171 Abs. 4 Satz 2 AO will einer missbräuchlichen Ausnutzung der Möglichkeit der Ablaufhemmung durch die Finanzverwaltung entgegentreten; Außenprüfungen sollen nicht pro forma begonnen werden, um den Ablauf der Festsetzungsfrist hinauszuschieben (BTDrucks 7/4292, S. 33; BFH-Urteil in BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7). Die Vorschrift setzt daher voraus, dass ernsthaft mit der Prüfung begonnen wurde. Wird nur zum Schein mit einer Prüfung begonnen, sind die entsprechenden Handlungen nicht geeignet, den Fristablauf zu hemmen. Wurde ernsthaft mit der Prüfung begonnen, greift § 171 Abs. 4 Satz 2 AO nur ein, wenn die Außenprüfung unmittelbar nach dem Beginn unterbrochen wurde.

30

Die Frage, ob eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn unterbrochen worden ist, ist grundsätzlich nach den Verhältnissen im Einzelfall zu beurteilen. Dabei sind neben dem zeitlichen Umfang der bereits durchgeführten Prüfungsmaßnahmen alle Umstände zu berücksichtigen, die Aufschluss über die Gewichtigkeit der Prüfungshandlungen vor der Unterbrechung geben (z.B. BFH-Urteile vom 8. Juli 2009 XI R 64/07, BFHE 226, 19, BStBl II 2010, 4; vom 26. Juni 2014 IV R 51/11, BFH/NV 2014, 1716). Unabhängig vom Zeitaufwand ist eine Unterbrechung unmittelbar nach Beginn der Prüfung dann anzunehmen, wenn der Prüfer über Vorbereitungshandlungen, allgemeine Informationen über die betrieblichen Verhältnisse, das Rechnungswesen und die Buchführung und/oder die Sichtung der Unterlagen des zu prüfenden Steuerfalls bzw. ein allgemeines Aktenstudium nicht hinausgekommen ist (BFH-Urteil vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, m.w.N.). Eine Außenprüfung ist danach nur dann nicht mehr unmittelbar nach Beginn unterbrochen, wenn die Prüfungshandlungen von Umfang und Zeitaufwand, gemessen an dem gesamten Prüfungsstoff, erhebliches Gewicht erreicht oder erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt haben (BFH-Urteil vom 24. April 2003 VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739). Letzteres bedeutet allerdings nicht, dass die ermittelten Ergebnisse geeignet sein müssen, unmittelbar als Besteuerungsgrundlage Eingang in einen Steuer- oder Feststellungsbescheid zu finden; ausreichend ist vielmehr, dass Ermittlungsergebnisse vorliegen, an die bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden kann (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1716; BFH-Beschluss vom 31. August 2011 I B 9/11, BFH/NV 2011, 2011, m.w.N.).

31

(2) Von diesen Grundsätzen ist das FG bei seiner Entscheidung ausgegangen. Seine Würdigung, dass die am 22. Dezember 2009 aufgenommene Außenprüfung nicht unmittelbar nach Beginn unterbrochen worden ist, hält der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

32

(2.1.) Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, die Prüfungsanfrage vom 22. Dezember 2009 sei nicht nur "pro forma" gestellt worden, um den Ablauf der Festsetzungsfrist zu hemmen. Diese Würdigung beruht auf der Aktenlage, die nach den Feststellungen des FG für eine solche Annahme keine Anhaltspunkte bietet, und der aus Sicht des FG glaubhaften Aussage des als Zeugen vernommenen Prüfers. Dieser habe bekundet, dass er die beiden Fragen gestellt habe, weil sie ihm bei Durchsicht der Einkommensteuerakten des Klägers aufgefallen seien. Hinzu komme --so das FG--, dass der Zeuge nach Erhalt der Antwort der Prozessbevollmächtigten des Klägers hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Versorgungsrente in einer anderen Außenprüfung weitere Ermittlungen vorgenommen habe, deren Ergebnis auch für die Prüfung beim Kläger von Bedeutung gewesen und in den zu den Akten genommenen Vermerk vom 7. Mai 2010 eingeflossen sei.

33

Dabei hat das FG zutreffend darauf verwiesen, dass allein der Umstand, dass der Prüfer anschließend über eine längere Zeit keine für den Kläger erkennbaren Prüfungshandlungen vorgenommen habe, nicht für die Annahme einer "pro forma" Prüfungsanfrage ausreicht.

34

Das FG musste --entgegen der Ansicht des Klägers-- weder aus dem Umstand, dass sich der Dokumentation des FA bis Juli 2012 keine Hinweise auf "verwertbare Ergebnisse" durch die Prüfungsanfrage vom 22. Dezember 2009 entnehmen lassen, noch daraus, dass der Prüfer seine Erkenntnisse nicht in der Arbeitsakte festgehalten hat, auf eine "pro forma" Prüfungsanfrage schließen. Ein solches Dokumentationserfordernis ergibt sich weder aus dem Gesetz noch aus der vom Kläger angeführten Rechtsprechung des BFH (Verweis auf Senatsbeschluss vom 21. Januar 2015 VIII B 112/13, BFH/NV 2015, 800).

35

Gleiches gilt in Bezug auf den --nach Maßgabe der Rechtsprechung (BFH-Urteil in BFHE 229, 20, BStBl II 2011, 7)-- drohenden Wegfall einer zunächst eingetretenen Ablaufhemmung für den Fall, dass das FA nicht innerhalb von zwei Jahren nach Eingang der Verschiebungsanträge tatsächlich mit der Prüfung begonnen hätte. Zum einen kann diese von der Rechtsprechung im Jahr 2010 entwickelte zeitliche Begrenzung nicht Anlass für die Aufnahme der Prüfung im Dezember 2009 gewesen sein; zum anderen lässt allein ein drohender Ablauf einer zeitlichen Begrenzung keinen Rückschluss auf eine rein "pro forma" gestellte Prüfungsanfrage zu.

36

Auch der Umstand, dass die Prüfungsanfrage in Bezug auf die Rechnung des Steuerberaters K mit Blick auf den Rechnungsinhalt aus Sicht des Klägers überflüssig war, führt zu keinem anderen Ergebnis.

37

(2.2.) Zutreffend hat das FG im Rahmen seiner Gesamtwürdigung erkannt, dass die Prüfungshandlung vom 22. Dezember 2009 erste verwertbare Ergebnisse gezeitigt hatte, an die bei Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden konnte und vom Prüfer auch angeknüpft worden ist. Dabei hat das FG berücksichtigt, dass die Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 8. Februar 2010 auf die Anfrage des Prüfers reagiert und hinsichtlich der Versorgungsrente für J die notarielle Urkunde über das zu Grunde liegende Vermächtnis in Kopie und hinsichtlich der Steuerberatungskosten eine Kopie der Rechnung des Steuerberaters K nebst Anlage übersandt haben. Beide Urkunden hätten --so das FG-- zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen und stellten erste Ermittlungsergebnisse dar, an die bei Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden konnte. Auf die Rechnung des Steuerberaters K sei vom Prüfer im Schreiben vom 13. Juli 2012 auch Bezug genommen worden. Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, dass es für die Beurteilung der Frage, ob ein erstes verwertbares Ergebnis vorlag, nicht darauf ankommt, ob die Nachfrage vom 13. Juli 2012 in Bezug auf die Rechnung des Steuerberaters K überflüssig war, weil sich aus der Rechnung selbst bereits ergeben habe, welche Leistungen abgerechnet worden sind, und ob die Kosten als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig seien. Entscheidend ist, dass ein Ermittlungsergebnis in Form der eingereichten Rechnung vorlag, an das bei der Wiederaufnahme der Prüfung angeknüpft werden konnte.

38

Die Würdigung des FG ist aufgrund der tatsächlichen Feststellungen, die nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Sie bindet den Senat daher (§ 118 Abs. 2 FGO). Dies gilt ebenso für die Würdigung des FG, auch in Bezug auf die Versorgungsrente für J habe mit Übersendung der notariellen Urkunde ein anknüpfungsfähiges Ermittlungsergebnis vorgelegen.

39

Der Einwand des Klägers, die Prüfungshandlungen vom 22. Dezember 2009 seien weder von erheblichem zeitlichen noch quantitativen Gewicht, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit hat das FG zu Recht darauf verwiesen, dass die ersten verwertbaren Ergebnisse nach Maßgabe der Rechtsprechung des BFH kein absolutes oder relatives Gewicht in Bezug auf die steuerlichen Auswirkungen haben müssen. Entscheidend ist unter Berücksichtigung des Sinn und Zweckes des § 171 Abs. 4 AO, dass beim Steuerpflichtigen durch den Prüfungsbeginn das Vertrauen in den Ablauf der Festsetzungsfrist erschüttert worden ist. Hierfür ist aber das --zunächst regelmäßig nicht absehbare-- Ausmaß der (späteren) steuerlichen Auswirkungen nicht relevant.

40

2. Dem Erlass der Einkommensteueränderungsbescheide stand demnach der Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Die Änderungsbescheide sind auch im Übrigen rechtmäßig. Die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Zwischengewinne in Höhe von 1.039.573,80 € als Anschaffungskosten der im Jahr 2004 veräußerten Fondsanteile ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig, so dass weitergehende Ausführungen entbehrlich sind.

41

B. Revision des FA

42

Das FG hat ebenfalls zu Recht entschieden, dass der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 --dessen Erlass der Ablauf der Feststellungsfrist nach den auch insoweit zutreffenden Ausführungen des FG nicht entgegensteht-- rechtswidrig ist, soweit darin der Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG nicht in voller Höhe von 111.619,10 DM anerkannt worden ist.

43

1. Das FG und die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass der streitige Verlust aus der Veräußerung der Genussscheine an der A AG nach Maßgabe der §§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 3c Abs. 2 Satz 1, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j, § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. grundsätzlich nur zur Hälfte anzuerkennen ist.

44

2. Jedoch sind die Regelungen des § 3c Abs. 2, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j, § 52 Abs. 1 EStG a.F. --wie das FG zutreffend erkannt hat-- wegen eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, Art. 63 AEUV) nicht anwendbar.

45

a) Die im Streitjahr 2001 geltende Beschränkung des Anwendungsbereichs des Halbeinkünfteverfahrens auf Gewinne bzw. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, resultierend aus der Veräußerung von Wertpapieren (hier in Form von Genussscheinen), die von ausländischen Gesellschaften ausgegeben werden, verletzt die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, Art. 63 AEUV).

46

aa) Die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 56 EG, Art. 63 AEUV) gewährleistet den freien Kapital- und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten. Für die Abgrenzung der Kapitalverkehrsfreiheit von der Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG, Art. 49 AEUV) ist nach gefestigter EuGH-Rechtsprechung auf den Gegenstand der betreffenden Regelung (abstrakter Normgegenstand) abzustellen. Eine nationale Regelung, die nur auf Beteiligungen anwendbar ist, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeit zu bestimmen (Kontrollbeteiligung bzw. Direktinvestition), fällt in den Anwendungsbereich des Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) über die Niederlassungsfreiheit, während nationale Bestimmungen über Beteiligungen, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll (Streubesitzbeteiligung bzw. Portfoliobeteiligung), ausschließlich im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu prüfen sind (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2016 VIII R 47/13, BFHE 254, 390, m.w.N.).

47

Die Regelungen der §§ 3c Abs. 2, 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j, 52 Abs. 1 EStG a.F. betreffen die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf Gewinne bzw. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften, die aus der Veräußerung von Wertpapieren resultieren, die von ausländischen Gesellschaften ausgegeben worden sind, ohne dass die Normen an eine bestimmte Beteiligungshöhe anknüpfen. Der Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit ist danach eröffnet.

48

bb) Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gehören zu den Maßnahmen, die Art. 56 EG, Art. 63 Abs. 1 AEUV als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verbietet, solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten (vgl. EuGH-Urteile Santander Asset Management SGIIC u.a. vom 10. Mai 2012 C-338/11 bis C-347/11, EU:C:2012:286, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2012, 432 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Bouanich vom 13. März 2014 C-375/12, EU:C:2014:138, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst 2014, 1115; Steko Industriemontage vom 22. Januar 2009 C-377/07, EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95).

49

Die nationalen Maßnahmen, die als "Beschränkungen" i.S. des Art. 56 Abs. 1 EG, Art. 63 AEUV eingestuft werden können, umfassen nicht nur Maßnahmen, die geeignet sind, den Erwerb von Aktien in anderen Mitgliedstaaten niedergelassener Gesellschaften zu verhindern oder zu beschränken, sondern auch Maßnahmen, die davon abhalten können, solche Beteiligungen an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Gesellschaften zu behalten (vgl. EuGH-Urteil Steko Industriemontage, EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95, m.w.N.). Die Kapitalverkehrsfreiheit schützt auch die Übertragung von Kapitalanteilen (vgl. EuGH-Beschluss De Baeck vom 8. Juni 2004 C-268/03, EU:C:2004:342, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2005, 274; EuGH-Urteil X und Y vom 21. November 2002 C-436/00, EU:C:2002:704, HFR 2003, 307; BFH-Beschluss vom 14. Februar 2006 VIII B 107/04, BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523; FG München, Urteil vom 30. März 2010  13 K 3609/07, EFG 2010, 1704).

50

cc) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich, dass durch die von §§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j, 3c Abs. 2, 52 Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. für das Streitjahr 2001 angeordnete Geltung des Halbeinkünfteverfahrens Inhaber von Wertpapieren, die von ausländischen Gesellschaften ausgegeben werden (Auslandsbeteiligung), in einer ungünstigeren Lage sind als Inhaber von Wertpapieren, die von inländischen Gesellschaften ausgegeben werden (Inlandsbeteiligung). Gewinne und Verluste aus der Veräußerung von im Privatvermögen gehaltenen Wertpapieren --hier in Form von Genussscheinen-- unterliegen im Streitjahr 2001 der Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. In diesem Zusammenhang entstehende Verluste unterliegen dem in § 23 Abs. 3 EStG a.F. geregelten System der Verlustnutzung und –begrenzung. Während entsprechende Verluste aus der Veräußerung einer Inlandsbeteiligung nach diesen Maßgaben im Streitjahr in voller Höhe Berücksichtigung finden, werden Verluste im Fall der Veräußerung einer Auslandsbeteiligung im Streitjahr nur zur Hälfte berücksichtigt (§ 52 Abs. 1 Satz 1 EStG a.F., §§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j, 3c EStG a.F.).

51

Diese Ungleichbehandlung ist geeignet, Investitionen in eine Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Staat zu behindern und eine beschränkende Wirkung in Bezug auf Gesellschaften mit Sitz in anderen Staaten zu entfalten, da sie für diese ein Hindernis bei der Kapitalbeschaffung in Deutschland darstellt. Zudem ist sie geeignet, Einfluss auf die Entscheidung über einen etwaigen Verkauf entsprechender Gesellschaftsanteile zu nehmen.

52

Dabei ist unerheblich, dass die Ungleichbehandlung nur während eines begrenzten Zeitraums besteht (vgl. EuGH-Urteile Steko Industriemontage, EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95; Grønfeldt und Grønfeldt vom 18. Dezember 2007 C-436/06, EU:C:2007:820, Rz 15, BStBl II 2009, 432), denn dieser Umstand allein schließt nicht aus, dass die Ungleichbehandlung erhebliche Auswirkungen hat und dass der freie Kapitalverkehr somit tatsächlich beschränkt wird (vgl. EuGH-Urteil Steko Industriemontage, EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95, m.w.N.).

53

b) Die Regelungen der §§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j, 3c Abs. 2, 52 Abs. 1 EStG a.F. sind auch nicht etwa deshalb als mit den Vorschriften über den freien Kapitalverkehr vereinbar anzusehen, weil die unterschiedliche Behandlung Situationen betrifft, die nicht objektiv vergleichbar sind, oder weil sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.

54

aa) Entgegen der Auffassung des FA ist die Annahme eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nicht ausgeschlossen, weil es an einer objektiven Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehlt.

55

Die im Streitjahr bestehende Möglichkeit eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen, im Anwendungsbereich des § 23 EStG a.F. Veräußerungsverluste steuerlich in Abhängigkeit davon geltend zu machen, ob es sich um eine Inlands- oder Auslandsbeteiligung handelt, beruht nicht auf unterschiedlichen Situationen, sondern auf abweichenden Übergangsregelungen und --hieraus resultierend-- der Anwendung unterschiedlicher steuerlicher Normen. Es gelten die Grundsätze des EuGH-Urteils Steko Industriemontage (EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95). Danach kann (auch) die hier streitige Anwendung unterschiedlicher Steuerregelungen auf einen inländischen Steuerpflichtigen je nachdem, ob er eine Auslands- oder Inlandsbeteiligung veräußert, kein zulässiges Kriterium für die Beurteilung der objektiven Vergleichbarkeit von Situationen und somit für die Feststellung eines objektiven Unterschieds zwischen den Situationen sein. Die Anwendung unterschiedlicher Steuerregelungen ist nämlich gerade der Grund für die unterschiedliche Behandlung, deren Rechtfertigung zu prüfen ist.

56

Dies gilt auch unter Beachtung der vom FA angeführten neueren Rechtsprechung des EuGH (Verweis insbesondere auf EuGH-Urteil Nordea Bank Danmark vom 17. Juli 2014 C-48/13, EU:C:2014:2087, Rz 24, IStR 2014, 563; Schlussanträge Generalanwalt M. Wathelet vom 3. September 2015 C-388/14, EU:C:2015:533, Rz 69 ff.; EuGH-Urteil X AB vom 10. Juni 2015 C-686/13, EU:C:2015:375, IStR 2015, 557; Schlussanträge Generalanwältin Kokott vom 22. Januar 2015 C-686/13, EU:C:2015:31, Rz 25 ff.; EuGH-Urteil J.B.G.T Miljoen u.a. vom 17. September 2015 C-10/14, EU:C:2015:608, Rz 68 f., IStR 2015, 921), die nicht den zeitlichen Anwendungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens auf Veräußerungsgewinne bzw. -verluste gemäß § 23 EStG a.F. betrifft. Selbst wenn sich --wie das FA meint-- aus der neueren Rechtsprechung des EuGH ergeben sollte, dass es im Rahmen der Prüfung der objektiven Vergleichbarkeit der Situationen (allein) darauf ankommt, ob der betreffende Mitgliedstaat in den sich gegenüberstehenden Situationen jeweils die Besteuerungshoheit innehat bzw. ausübt, wäre im Streitfall eine objektive Vergleichbarkeit zu bejahen, denn der deutsche Gesetzgeber unterwirft dem Grunde nach im Rahmen des Halbeinkünfteverfahrens sowohl Inlands- als auch Auslandsinvestitionen seinem Besteuerungszugriff. Dass er sich durch die Gestaltung der Übergangsregelungen (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4a Nr. 2, Abs. 8a EStG a.F.) für das Streitjahr 2001 für eine abweichende Besteuerung beider Sachverhalte entschieden und die Veräußerung einer Auslandsbeteiligung lediglich zur Hälfte dem Steuerzugriff unterworfen hat, steht der objektiven Vergleichbarkeit der Situationen nicht entgegen.

57

bb) Die dargelegte Ungleichbehandlung ist nicht durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

58

Die Grundfreiheiten des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr können zwar eingeschränkt werden, wenn zwingende Gründe des Allgemeininteresses dies gebieten. Die Beschränkung muss aber geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist. Nach der Rechtsprechung des EuGH kann auch die Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu gewährleisten, als zwingender Grund des Allgemeininteresses eine Einschränkung der Grundfreiheiten rechtfertigen. Damit ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument durchgreifen kann, ist aber der Nachweis eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung erforderlich (vgl. in diesem Sinne EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 16. April 2015 C-591/13, EU:C:2015:230, Rz 74 und die dort angeführte Rechtsprechung, IStR 2015, 361), wobei die Unmittelbarkeit dieses Zusammenhangs anhand des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels beurteilt werden muss (EuGH-Urteile K vom 7. November 2013 C-322/11, EU:C:2013:716, Rz 65 f., IStR 2013, 913; Timac Agro Deutschland vom 17. Dezember 2015 C-388/14, EU:C:2015:829, BStBl II 2016, 362).

59

Die Tatsache, dass bei der Ermittlung des Einkommens eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen im Fall einer Auslandsbeteiligung im Ergebnis sowohl Gewinne als auch Verluste nach Maßgabe des § 23 EStG a.F. nur zur Hälfte berücksichtigt werden, stellt --auch unter Einbeziehung der vom FA angenommenen Ausgestaltung des Begriffs des unmittelbaren Zusammenhangs hin zu einer "spiegelbildlichen Logik" in der neueren Rechtsprechung des EuGH-- keine Erwägung der steuerlichen Kohärenz dar, mit der gerechtfertigt werden kann, dass ein Veräußerungsverlust im Auslandsfall im Jahr 2001 nicht in voller Höhe nach Maßgabe des § 23 EStG a.F. berücksichtigt wird. Soweit mit den Anwendungsregelungen des § 52 Abs. 4a Nr. 2, Abs. 8a EStG a.F. in Bezug auf Inlandsbeteiligungen ein reibungsloser Übergang des Anrechnungsverfahrens auf das Halbeinkünfteverfahren sichergestellt werden sollte, ist zwar nachvollziehbar, warum die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens für Beteiligungen an inländischen Gesellschaften erst ab dem Jahr 2002 eingeführt wurde (vgl. EuGH-Urteil Steko Industriemontage, EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95). Hieraus ergibt sich indes keine Rechtfertigung für die gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG a.F. für Auslandsbeteiligungen in das Streitjahr 2001 vorgezogene Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens und den damit verbundenen Ausschluss der vollständigen Erfassung von Gewinnen und Verlusten aus der Veräußerung von Auslandsbeteiligungen nach Maßgabe des § 23 EStG a.F. Eine solche Rechtfertigung ergibt sich auch nicht aus dem im Gesetz angelegten Gleichlauf in der Behandlung von Verlusten und Gewinnen. Allein die insoweit bestehende Stimmigkeit der materiell-rechtlichen Regelungen des EStG vermag die infolge der Anwendungsregelung im Streitjahr bestehende Ungleichbehandlung von Inlands- und Auslandsbeteiligungen nicht zu rechtfertigen.

60

c) Schließlich folgt auch aus dem Urteil des BFH vom 20. Oktober 2010 IX R 56/09 (BFHE 231, 173, BStBl II 2011, 409), das die Veräußerungsgewinnbesteuerung gemäß § 17 EStG a.F. betrifft, kein anderes Ergebnis. Die vom FA zur Begründung herangezogenen Erwägungen dieser Entscheidung zur Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz betreffen die Anwendbarkeit des Halbeinkünfteverfahrens ab 2002 für einen reinen Inlandssachverhalt. Sie waren für die Entscheidung des BFH weder tragend noch geben sie Aufschluss über eine Rechtfertigung der Behandlung der Veräußerung einer Auslandsbeteiligung im Jahr 2001.

61

d) An der richtigen Anwendung und Auslegung des Unionsrechts bestehen aufgrund der EuGH-Entscheidung Steko Industriemontage (EU:C:2009:29, BStBl II 2011, 95; vgl. hierzu nachfolgend: BFH-Urteil vom 22. April 2009 I R 57/06, BFHE 231, 35, BStBl II 2011, 66) keine Zweifel. Einer abermaligen Vorlage an den EuGH gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurfte es daher nicht.

62

Zwar war die vorliegende Rechtsfrage nicht konkret Gegenstand dieser Entscheidung des EuGH, die die erstmalige Anwendung der Vorschriften über das Halbeinkünfteverfahren im Körperschaftsteuerrecht betraf und einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit bejaht hat, weil im Jahr 2001 nur Teilwertabschreibungen auf Auslandsbeteiligungen, nicht aber auf Inlandsbeteiligungen vom Abzug ausgeschlossen waren. Die Entscheidung des EuGH betrifft aber eine mit dem Streitfall vergleichbare Problematik. In beiden Fällen geht es um im Zusammenhang mit der körperschaftsteuerlichen Systemumstellung vom Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren stehende Anwendungsvorschriften, die dazu führen, dass für Auslandsbeteiligungen eine belastende Regelung (dort § 8b Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 n.F.: Nichtberücksichtigung von Gewinnminderungen infolge Teilwertabschreibung; hier § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. j EStG a.F.: lediglich hälftige Berücksichtigung eines Veräußerungsverlustes) früher zur Anwendung kommt als im Fall einer Inlandsbeteiligung. Die Grundsätze der Entscheidung des EuGH sind daher im Streitfall entsprechend anwendbar (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juli 2015 X R 37/13, BFH/NV 2016, 536; BFH-Beschluss vom 11. April 2011 I B 180/10, BFH/NV 2011, 1696, Rz 13 ff.; vgl. FG München, Urteil in EFG 2010, 1704).

63

C. Der Senat konnte mit Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 90 Abs. 2 FGO).

64

D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Besteht keine Vermutung nach § 17a Absatz 1, hat der Unternehmer bei innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a Absatz 1 des Gesetzes) im Geltungsbereich des Gesetzes durch Belege nachzuweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Die Voraussetzung muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben.

(2) Als eindeutig und leicht nachprüfbar nach Absatz 1 gilt insbesondere ein Nachweis, der wie folgt geführt wird:

1.
durch das Doppel der Rechnung (§§ 14 und 14a des Gesetzes) und
2.
durch eine Bestätigung des Abnehmers, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist (Gelangensbestätigung), die folgende Angaben zu enthalten hat:
a)
den Namen und die Anschrift des Abnehmers,
b)
die Menge des Gegenstands der Lieferung und die handelsübliche Bezeichnung einschließlich der Fahrzeug-Identifikationsnummer bei Fahrzeugen im Sinne des § 1b Absatz 2 des Gesetzes,
c)
im Fall der Beförderung oder Versendung durch den Unternehmer oder im Fall der Versendung durch den Abnehmer den Ort und den Monat des Erhalts des Gegenstands im übrigen Gemeinschaftsgebiet und im Fall der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer den Ort und den Monat des Endes der Beförderung des Gegenstands im übrigen Gemeinschaftsgebiet,
d)
das Ausstellungsdatum der Bestätigung sowie
e)
die Unterschrift des Abnehmers oder eines von ihm zur Abnahme Beauftragten. Bei einer elektronischen Übermittlung der Gelangensbestätigung ist eine Unterschrift nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des Abnehmers oder des Beauftragten begonnen hat.
Die Gelangensbestätigung kann als Sammelbestätigung ausgestellt werden. In der Sammelbestätigung können Umsätze aus bis zu einem Quartal zusammengefasst werden. Die Gelangensbestätigung kann in jeder die erforderlichen Angaben enthaltenden Form erbracht werden; sie kann auch aus mehreren Dokumenten bestehen, aus denen sich die geforderten Angaben insgesamt ergeben.

(3) In folgenden Fällen kann der Unternehmer den Nachweis auch durch folgende andere Belege als die in Absatz 2 Nummer 2 genannte Gelangensbestätigung führen:

1.
bei der Versendung des Gegenstands der Lieferung durch den Unternehmer oder Abnehmer:
a)
durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch
aa)
einen handelsrechtlichen Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist und die Unterschrift des Empfängers als Bestätigung des Erhalts des Gegenstands der Lieferung enthält,
bb)
ein Konnossement oder
cc)
Doppelstücke des Frachtbriefs oder Konnossements,
b)
durch einen anderen handelsüblichen Beleg als den Belegen nach Buchstabe a, insbesondere mit einer Bescheinigung des beauftragten Spediteurs, der folgende Angaben zu enthalten hat:
aa)
den Namen und die Anschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers sowie das Ausstellungsdatum,
bb)
den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers sowie des Auftraggebers der Versendung,
cc)
die Menge des Gegenstands der Lieferung und dessen handelsübliche Bezeichnung,
dd)
den Empfänger des Gegenstands der Lieferung und den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet,
ee)
den Monat, in dem die Beförderung des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet geendet hat,
ff)
eine Versicherung des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers, dass die Angaben in dem Beleg auf Grund von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind, sowie
gg)
die Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers.
Bei einer elektronischen Übermittlung des Belegs an den liefernden Unternehmer ist eine Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers nicht erforderlich, sofern erkennbar ist, dass die elektronische Übermittlung im Verfügungsbereich des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers begonnen hat,
c)
durch eine schriftliche oder elektronische Auftragserteilung und ein von dem mit der Beförderung Beauftragten erstelltes Protokoll, das den Transport lückenlos bis zur Ablieferung beim Empfänger nachweist, oder
d)
in den Fällen von Postsendungen, in denen eine Belegnachweisführung nach Buchstabe c nicht möglich ist: durch eine Empfangsbescheinigung eines Postdienstleisters über die Entgegennahme der an den Abnehmer adressierten Postsendung und den Nachweis über die Bezahlung der Lieferung;
2.
bei der Versendung des Gegenstands der Lieferung durch den Abnehmer durch einen Nachweis über die Entrichtung der Gegenleistung für die Lieferung des Gegenstands von einem Bankkonto des Abnehmers sowie durch eine Bescheinigung des beauftragten Spediteurs, die folgende Angaben zu enthalten hat:
a)
den Namen und die Anschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers sowie das Ausstellungsdatum,
b)
den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers sowie des Auftraggebers der Versendung,
c)
die Menge des Gegenstands der Lieferung und die handelsübliche Bezeichnung,
d)
den Empfänger des Gegenstands der Lieferung und den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet,
e)
eine Versicherung des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers, den Gegenstand der Lieferung an den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet zu befördern, sowie
f)
die Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers;
3.
bei der Beförderung im Unionsversandverfahren in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch eine Bestätigung der Abgangsstelle über die innergemeinschaftliche Lieferung, die nach Eingang des Beendigungsnachweises für das Versandverfahren erteilt wird, sofern sich daraus die Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet ergibt;
4.
bei der Lieferung verbrauchsteuerpflichtiger Waren:
a)
bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung und Verwendung des IT-Verfahrens EMCS (Excise Movement and Control System – EDV-gestütztes Beförderungs- und Kontrollsystem für verbrauchsteuerpflichtige Waren) durch die von der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaates validierte EMCS-Eingangsmeldung,
b)
bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren des steuerrechtlich freien Verkehrs durch die dritte Ausfertigung des vereinfachten Begleitdokuments, das dem zuständigen Hauptzollamt für Zwecke der Verbrauchsteuerentlastung vorzulegen ist;
5.
bei der Lieferung von Fahrzeugen, die durch den Abnehmer befördert werden und für die eine Zulassung für den Straßenverkehr erforderlich ist, durch einen Nachweis über die Zulassung des Fahrzeugs auf den Erwerber im Bestimmungsmitgliedstaat der Lieferung.
Der Beleg nach Satz 1 muss bei der Lieferung eines Fahrzeugs im Sinne des § 1b Absatz 2 des Gesetzes zusätzlich dessen Fahrzeug-Identifikationsnummer enthalten. In den Fällen von Satz 1 Nummer 1 gilt Absatz 2 Nummer 2 Satz 2 bis 4 entsprechend. Bestehen in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 begründete Zweifel, dass der Liefergegenstand tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist, hat der Unternehmer den Nachweis nach Absatz 1 oder mit den übrigen Belegen nach den Absätzen 2 oder 3 zu führen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen Luxuslimousinen (PKW) und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Spanien aus.

2

Der Kläger veräußerte die PKW Mercedes-Benz ML 55 AMG (Fahrgestellnummer …) zu … DM netto (Rechnung vom 7. Dezember 2001) und Mercedes-Benz 220 CDI (Fahrgestellnummer …) zu … € netto (Rechnung vom 7. Januar 2002) an die Firma L in M, Spanien.

3

Die Verkäufe kamen auf Vermittlung von Z, der in Deutschland ansässig ist, zustande. Nach Angaben des Klägers holte die Firma … mit Sitz in B (Spanien) am 7. Dezember 2001 den PKW Mercedes-Benz ML 55 AMG im Auftrag der L bei dem Kläger ab. Im CMR-Frachtbrief wurde die Firma Z … mit Sitz … in F (Deutschland) als Lieferant und nicht als Abnehmer angegeben. Der PKW Mercedes-Benz C 220 CDI soll durch die Firma G mit Sitz in V (Spanien) am 9. Januar 2002 im Auftrag der L beim Kläger abgeholt worden sein. Der Abholer der PKW ist in beiden Fällen nicht identifiziert. Vollmachten für die Abholer liegen nicht vor. Die Zahlungen erfolgten per Scheck von einem Bankkonto in Deutschland. Nach Mitteilung der spanischen Behörden handelt es sich bei L um einen "Missing Trader".

4

Der Kläger veräußerte darüber hinaus den PKW Mercedes-Benz ML 270 CDI (Fahrgestellnummer …) mit Rechnung vom 27. November 2002 zu … € netto an die Firma R, Italien. Nach Angaben des Klägers fand der telefonische Kontakt mit S statt, die für R auftrat. Der Abholer des PKW, ein Fahrer der Spedition B GmbH, legte keine Vollmacht vor und versicherte auf der Empfangsbestätigung mit Unterschrift, dass der PKW nach Rom befördert werde, während im CMR-Frachtbrief angegeben wurde, dass der PKW nach Castelfranco Emilia in Italien verbracht werde.

5

Mit Schreiben vom 10. November 2003 teilten italienische Ermittlungsbehörden mit, es handele sich bei der R um einen "Missing Trader" und eine Scheinfirma, deren Aufgabe lediglich darin bestanden habe, Rechnungen deutscher Lieferanten zu akzeptieren und in Italien Rechnungen an die richtigen Abnehmer der PKW zu stellen mit der Absicht, die entsprechende Umsatzsteuer in Italien nicht anzumelden und abzuführen. Die R wurde im Streitjahr 2002 durch den Geschäftsführer I vertreten. Der PKW wurde am 2. Dezember 2002 beim Landratsamt M auf S zugelassen und am 3. Dezember 2002 stillgelegt.

6

Gegen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im Anschluss an den Steuerfahndungsbericht vom 7. Oktober 2005 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 30. Januar 2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

7

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte 2010, 1549). Es stützte sein Urteil darauf, der Kläger sei jeweils seinen Nachweispflichten (§ 6a Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1999 --UStG-- i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV---) nachgekommen. Er habe die mögliche Unrichtigkeit der Angaben seiner Abnehmer und der Frachtführer auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Hinsichtlich des PKW Mercedes-Benz ML 55 AMG befänden sich bei den Akten das Doppel der Rechnung und ein CMR-Frachtbrief. Beide Belege wiesen den Namen und die Anschrift des Klägers als den liefernden Unternehmer, des Frachtführers und des (angeblichen) Abnehmers L aus. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e UStG erteilten Bestätigungen. Alle Fahrzeuge seien tatsächlich innergemeinschaftlich verbracht worden. Der in der Rechnung des Klägers ausgewiesene Leistungsempfänger sei auch der wirkliche Vertragspartner des Klägers gewesen. Für den Kläger hätten bei Beachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine Verdachtsmomente bestanden. Bereits der Hinweis im Bericht der Steuerfahndung, L habe als "Missing Trader" gehandelt, setze voraus, dass L nach außen als Abnehmer aufgetreten sei. Soweit die Felder 2 und 22 im CMR-Frachtbrief Z als Absender auswiesen, liege lediglich ein Versehen des Frachtführers vor.

8

Hinsichtlich der PKW Mercedes-Benz C 220 CDI und ML 270 CDI würden die Ausführungen entsprechend gelten. Der weitere vom Kläger vorgelegte CMR-Frachtbrief (Sammeltransportbescheinigung) hinsichtlich des PKW Mercedes-Benz ML 270 CDI weise darauf hin, dass insoweit nicht der Kläger eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt habe, sondern möglicherweise die in der Sammeltransportbescheinigung als Absenderin ausgewiesene S.

9

Für die Lieferungen im Wege der Versendung mit CMR-Frachtbriefen liege der Belegnachweis vor. Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Lieferanten an.

10

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das Urteil des FG missachte die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen sowie für die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG. Der Unternehmer trage nach § 6a Abs. 3 UStG die Beweislast für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung. Hinsichtlich der innergemeinschaftlichen Lieferungen an L sei die Abnehmeridentität nicht nachgewiesen. Darüber hinaus könnten die CMR-Frachtbriefe nicht als Versendungsnachweise anerkannt werden, weil sie der Absender nicht unterschrieben habe. Der CMR-Frachtbrief vom 7. Dezember 2001 enthalte in den Feldern 1 und 22 ferner einen Stempelabdruck des Z. Auch in Bezug auf die innergemeinschaftliche Lieferung an R sei die Abnehmeridentität nicht nachgewiesen. Laut dem CMR-Frachtbrief vom 27. November 2002 sei S Absender. Im Rahmen von § 6a Abs. 1 und 3 UStG und §§ 17a ff. UStDV sei die Gutgläubigkeit unerheblich.

11

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13

Er hält die tatsächlichen Feststellungen des FG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorliegen.

15

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

16

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

17

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

18

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

19

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos--, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 36; vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, BFH/NV Beilage 2008, 34, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, BFH/NV Beilage 2008, 39, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.a).

20

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (BFH-Urteile vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteile in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.b).

21

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572, Rz 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

22

Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil --Collée-- in Slg. 2007, I-7861, BFH/NV Beilage 2008, 34, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern, um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstands zu vermeiden, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts nunmehr die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572, Leitsatz; BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.c).

23

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben, da es § 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 10 UStDV sowie § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG verletzt.

24

a) Hinsichtlich der Versendungen mit CMR-Frachtbriefen hat das FG zwar zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das FG aber, dass derartige Frachtbriefe nur als Versendungsbeleg anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, unter II.3.a).

25

Wie das FG zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 2010 (BStBl I 2010, 508, Rz 36; ebenso Abschn. 6a.4. Abs. 3 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) die Beurteilung als Versendungsbeleg i.S. des § 10 Abs. 1 UStDV nicht voraus, dass der Auftraggeber des Frachtführers (Versender) den Frachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die UStDV auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines Frachtbriefs als Versendungsbeleg hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des BMF, ohne Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf den Versendungsbeleg verzichtet (BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, unter II.3.a).

26

b) Gleichwohl sind die streitigen CMR-Frachtbriefe keine ausreichenden Versendungsbelege.

27

So enthält der vom FG in Bezug genommene CMR-Frachtbrief hinsichtlich des Fahrzeugs Mercedes-Benz C 220 CDI ("Automappe B") entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV keine Angaben zum Ausstellungstag (Feld 21). Darüber hinaus bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben, da der Ausstellungsort (Feld 21) nicht angegeben wird. Ferner ist die Originalrechnung, die das Datum 7. Januar 2002 trägt, zur Bescheinigung des Empfangs mit einem Stempelaufdruck der L (M) nebst Unterschrift versehen, obwohl die Übergabe an den beauftragten Frachtführer nach den Angaben im CMR-Frachtbrief am 9. Januar 2002 in F in Deutschland stattfand. Zudem ergeben sich begründete Zweifel daraus, dass der Verrechnungsscheck in F ausgestellt worden ist, während der Abnehmer nach den Angaben im CMR-Frachtbrief in M ansässig sein soll.

28

Der vom FG in Bezug genommene CMR-Frachtbrief hinsichtlich des Fahrzeugs Mercedes-Benz ML 55 AMG ("Automappe A") enthält entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStDV widersprüchliche Angaben zu Name und Anschrift des Unternehmers. So wurde im Feld 1, in das der Absender einzutragen ist, der zunächst eingetragene Name Z, F, mit einem ansonsten nicht verwendeten Stift durchgestrichen und durch die Angabe des Unternehmens des Klägers ersetzt. Es ist nicht ersichtlich, wann dies geschehen ist, insbesondere ob die Änderung nachträglich zur Manipulation vorgenommen worden ist. Begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben ergeben sich entgegen der Ansicht des FG ferner aus dem Umstand, dass in Feld 22 (Stempel des Absenders) Z, F, mit Unterschrift vermerkt ist und nicht der Stempel des behaupteten Absenders …. Darüber hinaus ist im Feld 4 nicht der Ort der Übernahme angegeben, sondern "Z".

29

Der vom FG in Bezug genommene CMR-Frachtbrief vom 27. November 2002 hinsichtlich des Fahrzeugs Mercedes-Benz ML 270 CDI ("Automappe 1") steht möglicherweise im Widerspruch zu einem weiteren CMR-Frachtbrief (Sammeltransportbescheinigung) des Frachtführers mit Ausstellungsdatum 27. November 2002 (Anlage K 4). Dieser benennt als Lieferanten hinsichtlich dreier Fahrzeuge der Marke Mercedes-Benz ML 270 CDI S in P. Es fehlen Feststellungen, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Darüber hinaus enthält der CMR-Frachtbrief bei Abgleich mit der Rechnung vom 27. November 2002 widersprüchliche Angaben über den Auslieferungsort (einerseits "I-… Roma" und andererseits "Castel Franco Emilia", eine Gemeinde in der Provinz Modena in der Region Emilia Romagna).

30

c) Unzutreffend hat das FG zudem eine Gutgläubigkeit des Klägers als Ersatz für die gesetzlich vorgesehenen Nachweise angenommen. Dies verletzt § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG. Auf die Beachtung kaufmännischer Sorgfalt kommt es erst bei der Prüfung des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG an.

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448).

32

Soweit das FG im zweiten Rechtsgang feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und Buchnachweis zwar vollständig erbracht hat, die Beleg- und Buchangaben aber inhaltlich unzutreffend sind und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist, kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, unter II.4.c; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957, BFH/NV 2011, 1801, unter II.4.).

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, handelt mit PKW's und lieferte in den Streitjahren 2004 und 2005 u.a. 42 Neufahrzeuge; diese Umsätze beurteilte sie als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien.

2

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) lagen den Fahrzeuglieferungen Bestellungen zugrunde, die über die Firma D erfolgten. Die Firma D teilte der Klägerin Personaldaten italienischer Enderwerber mit. Die Klägerin erstellte Unterlagen zum Kauf von Fahrzeugen und übergab diese der Firma D, die sie "mit käuferseitigen Unterschriften versehen" an die Klägerin zurückgab. Die von der Klägerin bei einem inländischen Hersteller bezogenen PKW's wurden von der Firma D bei der Klägerin abgeholt und entweder bar oder mit Scheck bezahlt. Dabei legte die Firma D der Klägerin "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" vor, nach denen die Firma D die PKW's im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 abhole und nach Italien verbringe. Für die Lieferung der 42 PKW's erstellte die Klägerin zunächst Rechnungen an die beiden in Italien ansässigen Firmen X und X-3 als Besteller der Fahrzeuge. Nach der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung der Fahrzeuge in Italien stornierte die Klägerin diese Rechnungen und stellte neue Rechnungen auf die Personen aus, die in den Fahrzeugbestellungen als Besteller angegeben waren. Es handelte sich dabei fast ausnahmslos um die späteren Halter der PKW's (Endabnehmer).

3

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Fahrzeuglieferungen steuerpflichtig seien. Die Klägerin habe die PKW's nicht direkt an die Endabnehmer geliefert. Stichproben hätten ergeben, dass zwei Fahrzeuge durch die Firma X-1 in Italien innergemeinschaftlich erworben und über zwei weitere italienische Firmen an einen Endabnehmer geliefert worden seien. Gleiches gelte für ein Fahrzeug, das von der Firma X-2 erworben worden sei. Die Klägerin habe Lieferungen an die italienischen Endabnehmer nur vorgetäuscht, da der inländische Hersteller der Fahrzeuge der Klägerin Verkäufe an ausländische Wiederverkäufer untersagt habe. Einspruch und Klage gegen die für die beiden Streitjahre ergangenen Umsatzsteuerbescheide hatten keinen Erfolg. Gegenstand des Klageverfahrens war der aus anderen Gründen geänderte Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009.

4

Das FG wies die Klage der Klägerin als unbegründet ab. Die Lieferungen seien steuerpflichtig, weil die Klägerin den Belegnachweis nicht ordnungsgemäß geführt habe. Die Abholung der PKW's sei nicht für die Endabnehmer, sondern die Firmen X-1 und X-2 erfolgt. Die Bestätigungen der italienischen Endabnehmer, diese Firmen mit der Abholung beauftragt zu haben, seien durch den Mitarbeiter A der Klägerin gefälscht worden. Nach der objektiven Beweislage stehe nicht sicher fest, dass die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vorlägen. Unklar sei bereits, wer Abnehmer der Lieferungen gewesen sei. Eine Verpflichtung, über die durchgeführte Beweisaufnahme hinaus auch B als Zeugen zu vernehmen, bestehe nicht.

5

Hiergegen wendet sich die Revision der Klägerin, mit der sie Verletzung formellen und --wie sich aus ihrem Revisionsantrag ergibt-- materiellen Rechts rügt. Das FG hätte aufklären müssen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Neufahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe durch Einvernahme des Vermittlers B als Inhaber des Einzelunternehmens D und der in Italien ansässigen Endkunden als Zeugen. Ebenso hätte das FG aufklären müssen, dass die 42 Fahrzeuge im Auftrag des jeweiligen italienischen Endabnehmers oder im Auftrag anderer Personen nach Italien befördert worden seien. Dies hätten der Zeuge P sowie die mit den Transportaufträgen befassten Zeugen C, E, F, G, H und K bestätigt. Das FG sei auch nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen zu einer weiteren Sachaufklärung von Amts wegen und unabhängig von Beweisanträgen verpflichtet gewesen. Sie habe die Identität der Abnehmer nicht verschleiert, sondern sämtliche Vertragsverhältnisse, Rechnungen, Stornorechnungen und Lieferwege offengelegt. Sie habe daher nicht beabsichtigt, die Identität der Erwerber der PKW's zu verschleiern, um diesen eine Steuerhinterziehung zu ermöglichen. Es komme auf die Rechnungsstornierung nicht an. Die italienischen Zulassungsbelege seien nicht fehlerhaft. Zivilrechtlich sei kein Raum für einen Zwischenhändler gewesen. Für die Abgrenzung zwischen Vermittlung und Eigenhandeln sei das Zivilrecht maßgeblich. Der erforderliche Belegnachweis liege vor. Der Bestimmungsort stehe fest, es lägen auch Versicherungen zum Verbringen vor. Auf zusätzliche Belege komme es nicht an.

6

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Klage der Klägerin betrifft, aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 8. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Juni 2006 sowie den Umsatzsteuerbescheid 2005 vom 23. Oktober 2009 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer um 55.656,84 € (2004) und um 140.662,07 € (2005) herabgesetzt wird.

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Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Die Klägerin habe das Unterbleiben der von ihr beantragten Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt. Der vor dem FG gestellte Beweisantrag habe sich darüber hinaus nur darauf bezogen, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen seien. Daher rüge die Klägerin das Übergehen eines Beweisantrags, der in der behaupteten Form niemals gestellt worden sei. Der feststellungsbelastete Steuerpflichtige könne die Herbeiführung einer objektiven Beweislage nicht dem FG überbürden.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Lieferungen der Klägerin nicht als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei sind.

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1. Der mit der Revision geltend gemachte Verfahrensfehler, das FG habe die mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 angebotenen Beweise verfahrensfehlerhaft nicht erhoben, liegt nicht vor.

11

a) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin Zeugenbeweis dafür angeboten, dass alle Fahrzeuge in Italien bei den Endabnehmern eingetroffen sind.

12

aa) Dieses Beweisangebot war im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da das FG in seinem Urteil das Gelangen der Fahrzeuge nach Italien als wahr unterstellt hat. Für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG vielmehr entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, war dieses Beweisangebot unerheblich.

13

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass sie die Kaufverträge über die 42 Fahrzeuge direkt mit den italienischen Endkunden abgeschlossen habe, entspricht dieses Revisionsvorbingen --wie das FA zu Recht anmerkt-- nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag.

14

b) Mit Schriftsatz vom 3. Dezember 2010 hat die Klägerin weiter Zeugenbeweis dafür angeboten, dass "die Fahrzeuge direkt nach der Übergabe der Klägerin an die im Folgenden benannten Transporteure ohne Einschaltung weiterer Zwischenhändler von diesen direkt zu den Endabnehmern in Italien verbracht worden" seien.

15

aa) Ein ordnungsgemäß angebotener Beweisantrag kann unberücksichtigt bleiben, wenn er für das unter Beweis gestellte Beweisthema untauglich ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. September 2008 X B 66/08, juris, und vom 28. September 2011 X B 69/11, BFH/NV 2012, 32).

16

Im Streitfall war für die nach der maßgeblichen Rechtsauffassung des FG entscheidungserhebliche Frage, ob die Klägerin die Fahrzeuge an die Endabnehmer oder an Zwischenhändler als ihre Abnehmer geliefert hat, der zu diesem Beweisthema angebotene Zeugenbeweis untauglich. Ohne nähere Angaben dazu, auf welcher Grundlage Fahrzeugtransporteure zu den für die Abnehmerbestimmung maßgeblichen Vertragsverhältnissen bei Liefervorgängen sachdienliche Angaben machen könnten, war das FG nicht verpflichtet, den angebotenen Beweis zu erheben.

17

bb) Soweit die Klägerin demgegenüber rügt, sie habe aufklären lassen wollen, dass die verkauften 42 Fahrzeuge im Auftrag der jeweiligen italienischen Endabnehmer nach Italien befördert worden seien, entspricht dieser Vortrag nicht dem im Verfahren vor dem FG gestellten Beweisantrag. Dies gilt auch für das Revisionsvorbringen, die Beförderung sei durch die Firma D im Auftrag der Firmen X-1 und X-2 erfolgt.

18

2. Das Urteil des FG ist auch insoweit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, als das FG davon ausgegangen ist, dass die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen nicht vorliegen.

19

a) Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) i.V.m. § 6a UStG steuerfrei sein.

20

aa) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

21

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

22

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach

23

"die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

24

bb) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

25

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

26

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

27

Unionsrechtlich handelt es sich dabei um Bedingungen, die die Mitgliedstaaten "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch" i.S. von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG festlegen können. Zudem sind die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG befugt, die Pflichten vorzusehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

28

cc) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn sich die Beweise als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, und er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

dd) Im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den objektiven Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, den gemäß § 6a Abs. 3 UStG bestehenden Nachweispflichten und der Steuerfreiheit aufgrund der Gewährung von Vertrauensschutz im Hinblick auf unrichtige Angaben des Abnehmers gilt nach der Rechtsprechung des BFH Folgendes:

31

(1) Der Unternehmer kann die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

32

(2) Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b, und vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

33

(3) Hat der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten ihrer Art nach erfüllt, kommt schließlich auch eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Maßgeblich ist hierfür insbesondere die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2, und in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

b) Wie das FG im Ergebnis zu Recht entschieden hat, kann die Klägerin für ihre Leistungen die Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung nicht beanspruchen.

35

aa) Im Streitfall hat die Klägerin den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

36

Die Klägerin kann mit den Rechnungen an die Firmen X und X-3 keinen Belegnachweis führen, da sie diese Rechnungen storniert hat.

37

Zwar liegen nunmehr Rechnungen an die Endabnehmer vor. Ohne dass der Senat darüber zu entscheiden hat, ob und unter welchen Voraussetzungen der gewillkürte Wechsel des Rechnungsadressaten für Zwecke des Belegnachweises anzuerkennen ist, käme ein Belegnachweis im Hinblick auf diese Rechnungen jedoch nur in Betracht, wenn entsprechend § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV auch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten vorläge, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Hieran fehlt es, da nach den der Klägerin vorliegenden "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen" der Abholer D für die Firmen X-1 und X-2, nicht aber für die Endabnehmer tätig war und die von den Endabnehmern angeblich erteilten Abholungsaufträge für die Firma X-2 von einem Mitarbeiter der Klägerin gefälscht worden waren. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 19. November 2009 V R 8/09 (BFH/NV 2010, 1141) zu Ausfuhrlieferungen entschieden hat, kann der Belegnachweis nicht mit gefälschten Belegen erbracht werden. Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorgetragen hat, dass auch andere Verbringungsnachweise der Endabnehmer vorliegen, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Hinblick auf die Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht zu berücksichtigen war (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 5. Mai 2011 V R 39/10, BFH/NV 2011, 1474, unter II.3.).

38

Ebenso wie der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis nicht mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, geführt werden kann (Senatsurteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Leitsatz), kann --auch wenn Abholvollmachten nach der Rechtsprechung des Senats nicht belegmäßig nachzuweisen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 4)-- der Belegnachweis nicht mit einer Verbringensversicherung geführt werden, die, wie die für die Firma D erteilten "Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen", keinerlei Bezug zum belegmäßig geführten Abnehmer aufweist.

39

bb) Es steht nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) auch nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt sind.

40

(1) Im Hinblick auf grundsätzlich mögliche Lieferungen durch die Klägerin unmittelbar an die Endabnehmer hat die Klägerin die durch das FA dargelegten und auch begründeten Zweifel an derartigen Lieferungen weder entkräftet noch widerlegt.

41

Hierzu hätte die Klägerin, falls sie das objektive Vorliegen steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen an die Endabnehmer nachweisen wollte, den stichprobenartigen Angaben des FA zum Vorliegen von Lieferketten, bei denen andere Personen als die Endabnehmer die Erwerbsbesteuerung in Italien vorgenommen haben, konkret und nicht lediglich mit untauglichen Beweisanträgen entgegentreten müssen. Bei dieser Sachlage bestand für das FG keine Verpflichtung zu einer weiter gehenden Sachaufklärung von Amts wegen (§ 76 FGO), zumal die Klägerin im Verfahren vor dem FG fachkundig vertreten war. Die Sachaufklärungsrüge ist insoweit nicht geeignet, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, die ein fachkundig vertretener Beteiligter selbst in zumutbarer Weise in der mündlichen Verhandlung beim FG hätte stellen können (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2012 V B 99/11, BFH/NV 2012, 1818).

42

Soweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorträgt, dass die von ihr gelieferten Fahrzeuge in der überwiegenden Anzahl der Fälle in Italien auf den italienischen Enderwerber zugelassen worden seien, kommt es hieraus im Hinblick auf die nicht ausgeräumten Zweifel, wer unmittelbarer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war, nicht an.

43

(2) Nicht zu entscheiden war daher, ob sich der Senat der Auffassung des FG anschließen könnte, dass im Rahmen des Objektivnachweises (s. oben II.2.a dd (2)) überhaupt "keine Verpflichtung des Gerichts [besteht], den Sachverhalt im Rahmen seiner Sachaufklärungspflicht gemäß § 76 FGO und nach allgemeinen Beweisregeln und Beweisgrundsätzen von Amts wegen weiter aufzuklären".

44

Ebenso war nicht zu entscheiden, ob der Klägerin die Steuerfreiheit ihrer Lieferung entsprechend dem EuGH-Urteil vom 27. September 2012 C-587/10, VSTR (Umsatzsteuer-Rundschau 2012, 832 Rdnrn. 31 ff.) deswegen zu versagen ist, weil ihr bei der Annahme von Lieferungen an Zwischenhändler aufgrund deren Mitteilung bekannt war, dass diese Zwischenhändler die Fahrzeuge bereits vor der Abholung bei der Klägerin an italienische Endabnehmer weiterverkauft hatten.

45

(3) Keinen Erfolg hat die Berufung der Klägerin auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 23. Dezember 1992 (BStBl I 1993, 46), aus dem die Klägerin ableitet, dass die Zulassung eines Fahrzeugs im Bestimmungsmitgliedstaat als Nachweis für die Voraussetzungen des § 6a UStG ausreicht, da es sich hierbei nur um eine norminterpretierende Verwaltungsvorschrift handelt, die keine Rechtsnormqualität hat und die die Gerichte nicht bindet (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Januar 2011 V R 12/08, BFHE 232, 261, BStBl II 2012, 61, unter II.4.c). Darüber hinaus ergibt sich aus der Zulassung nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird.

46

cc) Schließlich kommt auch nicht die Gewährung von Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG in Betracht. Die Anwendung dieser Vorschrift scheidet unabhängig von der Frage, wer Abnehmer der durch die Klägerin ausgeführten Lieferungen war und ob unrichtige Angaben dieser Person vorliegen, aus. Denn die Klägerin hat nicht mit der von dieser Vorschrift vorausgesetzten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt. Sie hat den Belegnachweis bereits der Art nach nicht vollständig geführt, da ihr keine Verbringensversicherungen oder sonstige Versendungsbelege vorlagen, die den von ihr als Abnehmer belegmäßig geführten Endabnehmern zuzurechnen waren (s. oben II.2.b aa).

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Hat der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Ausfuhrnachweis durch folgenden Beleg zu führen:

1.
bei Ausfuhranmeldung im elektronischen Ausfuhrverfahren nach Artikel 326 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union mit dem Ausgangsvermerk;
2.
bei allen anderen Ausfuhranmeldungen:
a)
mit einem Versendungsbeleg, insbesondere durch handelsrechtlichen Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist, mit einem Konnossement, mit einem Einlieferungsschein für im Postverkehr beförderte Sendungen oder deren Doppelstücke, oder
b)
mit einem anderen handelsüblichen Beleg als den Belegen nach Buchstabe a, insbesondere mit einer Bescheinigung des beauftragten Spediteurs; dieser Beleg hat folgende Angaben zu enthalten:
aa)
den Namen und die Anschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers sowie das Ausstellungsdatum,
bb)
den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers und des Auftraggebers der Versendung,
cc)
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) des ausgeführten Gegenstands,
dd)
den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung des ausgeführten Gegenstands in das Drittlandsgebiet,
ee)
den Empfänger des ausgeführten Gegenstands und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,
ff)
eine Versicherung des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers darüber, dass die Angaben im Beleg auf der Grundlage von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind, sowie
gg)
die Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers.
Hat der Unternehmer statt des Ausgangsvermerks einen Alternativ-Ausgangsvermerk, gilt dieser als Ausfuhrnachweis.

(2) Bei der Ausfuhr von Fahrzeugen im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes, die zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedürfen, muss

1.
der Beleg nach Absatz 1 auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer enthalten und
2.
der Unternehmer zusätzlich über eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland verfügen.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht in den Fällen, in denen das Fahrzeug mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird, wenn aus dem Beleg nach Satz 1 Nummer 1 die Nummer des Ausfuhrkennzeichens ersichtlich ist, oder in denen das Fahrzeug nicht im Sinne der Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt worden ist und nicht auf eigener Achse in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird.

(3) Ist eine Ausfuhr elektronisch angemeldet worden und ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zu führen, kann dieser die Ausfuhr mit den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Belegen nachweisen. In den Fällen nach Satz 1 muss der Beleg zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Versendungsbezugsnummer der Ausfuhranmeldung nach Artikel 226 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union (Master Reference Number – MRN) enthalten.

(4) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 zu führen, kann er die Ausfuhr wie in Beförderungsfällen nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nachweisen.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Hat der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Ausfuhrnachweis durch folgenden Beleg zu führen:

1.
bei Ausfuhranmeldung im elektronischen Ausfuhrverfahren nach Artikel 326 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union mit dem Ausgangsvermerk;
2.
bei allen anderen Ausfuhranmeldungen:
a)
mit einem Versendungsbeleg, insbesondere durch handelsrechtlichen Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist, mit einem Konnossement, mit einem Einlieferungsschein für im Postverkehr beförderte Sendungen oder deren Doppelstücke, oder
b)
mit einem anderen handelsüblichen Beleg als den Belegen nach Buchstabe a, insbesondere mit einer Bescheinigung des beauftragten Spediteurs; dieser Beleg hat folgende Angaben zu enthalten:
aa)
den Namen und die Anschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers sowie das Ausstellungsdatum,
bb)
den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers und des Auftraggebers der Versendung,
cc)
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) des ausgeführten Gegenstands,
dd)
den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung des ausgeführten Gegenstands in das Drittlandsgebiet,
ee)
den Empfänger des ausgeführten Gegenstands und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,
ff)
eine Versicherung des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers darüber, dass die Angaben im Beleg auf der Grundlage von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind, sowie
gg)
die Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers.
Hat der Unternehmer statt des Ausgangsvermerks einen Alternativ-Ausgangsvermerk, gilt dieser als Ausfuhrnachweis.

(2) Bei der Ausfuhr von Fahrzeugen im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes, die zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedürfen, muss

1.
der Beleg nach Absatz 1 auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer enthalten und
2.
der Unternehmer zusätzlich über eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland verfügen.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht in den Fällen, in denen das Fahrzeug mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird, wenn aus dem Beleg nach Satz 1 Nummer 1 die Nummer des Ausfuhrkennzeichens ersichtlich ist, oder in denen das Fahrzeug nicht im Sinne der Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt worden ist und nicht auf eigener Achse in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird.

(3) Ist eine Ausfuhr elektronisch angemeldet worden und ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zu führen, kann dieser die Ausfuhr mit den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Belegen nachweisen. In den Fällen nach Satz 1 muss der Beleg zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Versendungsbezugsnummer der Ausfuhranmeldung nach Artikel 226 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union (Master Reference Number – MRN) enthalten.

(4) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 zu führen, kann er die Ausfuhr wie in Beförderungsfällen nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nachweisen.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Hat der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Ausfuhrnachweis durch folgenden Beleg zu führen:

1.
bei Ausfuhranmeldung im elektronischen Ausfuhrverfahren nach Artikel 326 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union mit dem Ausgangsvermerk;
2.
bei allen anderen Ausfuhranmeldungen:
a)
mit einem Versendungsbeleg, insbesondere durch handelsrechtlichen Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist, mit einem Konnossement, mit einem Einlieferungsschein für im Postverkehr beförderte Sendungen oder deren Doppelstücke, oder
b)
mit einem anderen handelsüblichen Beleg als den Belegen nach Buchstabe a, insbesondere mit einer Bescheinigung des beauftragten Spediteurs; dieser Beleg hat folgende Angaben zu enthalten:
aa)
den Namen und die Anschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers sowie das Ausstellungsdatum,
bb)
den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers und des Auftraggebers der Versendung,
cc)
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) des ausgeführten Gegenstands,
dd)
den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung des ausgeführten Gegenstands in das Drittlandsgebiet,
ee)
den Empfänger des ausgeführten Gegenstands und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,
ff)
eine Versicherung des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers darüber, dass die Angaben im Beleg auf der Grundlage von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind, sowie
gg)
die Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers.
Hat der Unternehmer statt des Ausgangsvermerks einen Alternativ-Ausgangsvermerk, gilt dieser als Ausfuhrnachweis.

(2) Bei der Ausfuhr von Fahrzeugen im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes, die zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedürfen, muss

1.
der Beleg nach Absatz 1 auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer enthalten und
2.
der Unternehmer zusätzlich über eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland verfügen.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht in den Fällen, in denen das Fahrzeug mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird, wenn aus dem Beleg nach Satz 1 Nummer 1 die Nummer des Ausfuhrkennzeichens ersichtlich ist, oder in denen das Fahrzeug nicht im Sinne der Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt worden ist und nicht auf eigener Achse in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird.

(3) Ist eine Ausfuhr elektronisch angemeldet worden und ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zu führen, kann dieser die Ausfuhr mit den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Belegen nachweisen. In den Fällen nach Satz 1 muss der Beleg zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Versendungsbezugsnummer der Ausfuhranmeldung nach Artikel 226 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union (Master Reference Number – MRN) enthalten.

(4) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 zu führen, kann er die Ausfuhr wie in Beförderungsfällen nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nachweisen.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Hat der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Ausfuhrnachweis durch folgenden Beleg zu führen:

1.
bei Ausfuhranmeldung im elektronischen Ausfuhrverfahren nach Artikel 326 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union mit dem Ausgangsvermerk;
2.
bei allen anderen Ausfuhranmeldungen:
a)
mit einem Versendungsbeleg, insbesondere durch handelsrechtlichen Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist, mit einem Konnossement, mit einem Einlieferungsschein für im Postverkehr beförderte Sendungen oder deren Doppelstücke, oder
b)
mit einem anderen handelsüblichen Beleg als den Belegen nach Buchstabe a, insbesondere mit einer Bescheinigung des beauftragten Spediteurs; dieser Beleg hat folgende Angaben zu enthalten:
aa)
den Namen und die Anschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers sowie das Ausstellungsdatum,
bb)
den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers und des Auftraggebers der Versendung,
cc)
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) des ausgeführten Gegenstands,
dd)
den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung des ausgeführten Gegenstands in das Drittlandsgebiet,
ee)
den Empfänger des ausgeführten Gegenstands und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,
ff)
eine Versicherung des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers darüber, dass die Angaben im Beleg auf der Grundlage von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind, sowie
gg)
die Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers.
Hat der Unternehmer statt des Ausgangsvermerks einen Alternativ-Ausgangsvermerk, gilt dieser als Ausfuhrnachweis.

(2) Bei der Ausfuhr von Fahrzeugen im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes, die zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedürfen, muss

1.
der Beleg nach Absatz 1 auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer enthalten und
2.
der Unternehmer zusätzlich über eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland verfügen.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht in den Fällen, in denen das Fahrzeug mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird, wenn aus dem Beleg nach Satz 1 Nummer 1 die Nummer des Ausfuhrkennzeichens ersichtlich ist, oder in denen das Fahrzeug nicht im Sinne der Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt worden ist und nicht auf eigener Achse in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird.

(3) Ist eine Ausfuhr elektronisch angemeldet worden und ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zu führen, kann dieser die Ausfuhr mit den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Belegen nachweisen. In den Fällen nach Satz 1 muss der Beleg zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Versendungsbezugsnummer der Ausfuhranmeldung nach Artikel 226 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union (Master Reference Number – MRN) enthalten.

(4) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 zu führen, kann er die Ausfuhr wie in Beförderungsfällen nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nachweisen.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

Ist der Gegenstand der Lieferung vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Beauftragten bearbeitet oder verarbeitet worden (§ 6a Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes), hat der Unternehmer dies durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen. Der Nachweis ist durch Belege nach § 17b zu führen, die zusätzlich die in § 11 Absatz 1 Nummer 1 bis 4 bezeichneten Angaben enthalten. Ist der Gegenstand durch mehrere Beauftragte bearbeitet oder verarbeitet worden, ist § 11 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 21. April 2015  2 K 1430/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Organträger einer Organ-GmbH (GmbH), die in den Streitjahren 2007 und 2008 auf Vermittlung des P Kaufverträge mit den in Spanien und der Tschechischen Republik ansässigen Firmen C, M und PA für die Durchführung steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen abgeschlossen hatte. Bei diesen Firmen handelte es sich um Scheinunternehmen, deren Existenz und Unternehmereigenschaft P fingiert hatte, um PKW ohne Umsatzsteuerbelastung erwerben zu können. Neben den Rechnungen an die Firmen C, M und PA lagen der GmbH Verbringungserklärungen vor, die der GmbH bei der jeweiligen Abholung übergeben worden waren und in denen als Bestimmungsort Spanien oder Tschechien angegeben war. Die Klägerin zeichnete gemäß § 17c Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) die diesen Firmen erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummern auf. Der Transport der PKW in das übrige Gemeinschaftsgebiet erfolgte nach der Abholung bei der GmbH durch Sammeltransporte aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet.

2

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung bei P ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Lieferungen aufgrund der für die Firmen C, M und PA abgeschlossenen Kaufverträge steuerpflichtig seien und erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide. Ein Einspruch hiergegen hatte nur insoweit Erfolg, als die von der GmbH vereinnahmten Kaufpreise als Gegenleistung behandelt wurden.

3

Die hiergegen eingelegte Klage zum Finanzgericht (FG) wies das FG als unbegründet ab. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) lägen unstreitig nicht vor. Es sei der Klägerin auch kein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren, da die Klägerin keinen hinreichenden Belegnachweis erbracht habe. Zudem habe die Klägerin nicht in gutem Glauben gehandelt.

4

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie habe den Belegnachweis geführt. Er ergebe sich aus dem Rechnungsdoppel und dem Verbringungsnachweis. Die Überlegungen des FG zum Sammeltransport, aus dem sich eine Versendung anstelle einer Beförderung ergebe, seien unerheblich, da auch in Versendungsfällen der Belegnachweis nach den Regelungen zu Beförderungen erbracht werden könne. Zu beachten sei hierzu die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Insoweit wäre ansonsten aufzuklären gewesen, zu welchem Zeitpunkt der Geschäftsführer der GmbH von den Sammeltransporten Kenntnis hatte. Ihr sei auf der Grundlage der zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren. Bei ihr liege keine eigene leichtfertige Steuerverkürzung vor.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom 1. Oktober 2010 und vom 24. April 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. März 2012 die Umsatzsteuer 2007 um ... € auf ./. ... € und die Umsatzsteuer 2008 um ... € auf ... € herabzusetzen.

6

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Das FG habe zutreffend entschieden.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Lieferungen nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, sondern steuerpflichtig sind.

9

1. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG liegen nicht vor, da es sich bei den als Abnehmer geführten Firmen C, M und PA um Scheinfirmen handelte, so dass es an der gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG erforderlichen Lieferung an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer fehlt.

10

2. Die Klägerin kann die Steuerfreiheit auch nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch nehmen. Es fehlt sowohl am Beleg- als auch am Buchnachweis.

11

a) Im Streitfall liegen, wie das FG insoweit zu Recht entschieden hat, Versendungs-, nicht aber Beförderungsfälle vor, da die PKW im maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des Inlands nicht durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert, sondern durch Einschaltung selbständiger Dritter versendet wurden. Versendungsbelege liegen der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat den Belegnachweis aber auch dann nicht erbracht, wenn zu ihren Gunsten zu unterstellen wäre, dass sie zu einer Nachweisführung wie im Beförderungsfall berechtigt wäre (§ 17a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 UStDV a.F.).

12

aa) Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV a.F. in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

   

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

13

Die unionsrechtliche Befugnis zur gesetzlichen Anordnung dieses Belegnachweises ergibt sich aus Art. 131 MwStSystRL (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.1.b zu Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG). Danach wird die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nur "unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiung[en] sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen".

14

Da sich der Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung nach dem Bestimmungsort der Lieferung richtet, ist diese Angabe zur Wahrung der Korrespondenz von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.2.a) nicht verzichtbar.

15

bb) Im Streitfall reicht die Nennung eines Bestimmungslandes in den Verbringungserklärungen zur Angabe des Bestimmungsorts nicht aus. Der Bestimmungsort ergibt sich auch nicht aus den für die Lieferungen ausgestellten Rechnungen. Zwar kann sich aus der Rechnungsanschrift im Einzelfall der belegmäßig nachzuweisende Bestimmungsort ergeben. Dies setzt aber voraus, dass von einer Beförderung zu dem in der Rechnung angegebenen Unternehmensort des Abnehmers auszugehen ist (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, unter II.3.c). Dies trifft auf Abrechnungen gegenüber Scheinunternehmen nicht zu.

16

b) Der Buchnachweis ist widerlegt.

17

aa) Der Unternehmer soll nach § 17c Abs. 1 UStDV die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers aufzeichnen.

18

bb) Zwar hat die Klägerin die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Firmen C, M und PA aufgezeichnet. Da es sich aber bei diesen Firmen, die die Klägerin als ihre Abnehmer ansah, um Scheinfirmen handelte, ergibt sich aus der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern dieser Firmen nicht auch deren Unternehmereigenschaft. Denn steht fest, dass die buchmäßige aufgezeichnete Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mangels tatsächlich fehlender Unternehmereigenschaft diese nicht bezeugen kann, entfällt die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung. Es kann dann nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommen.

19

3. Die Klägerin kann keinen Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG beanspruchen.

20

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl --wie hier-- die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (vgl. zu den unionsrechtlichen Grundlagen BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 29).

21

Die Steuerfreiheit gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

22

b) Im Streitfall hat die Klägerin formal zwar den --entkräfteten-- Buchnachweis (s. oben II.2.b), nicht aber auch den Belegnachweis in der erforderlichen Art erbracht, da die Angaben zu den Bestimmungsorten fehlten (s. oben II.2.a).

23

c) Es besteht kein Widerspruch zum EuGH-Urteil Traum vom 9. Oktober 2014 C-492/13 (EU:C:2014:2267). Danach müssen die Steuerpflichtigen ihre steuerlichen Verpflichtungen kennen, bevor sie ein Geschäft abschließen (Rz 29). Dieser Anforderung genügt § 17a UStDV in seiner Auslegung durch den erkennenden Senat. Die Angabe eines Bestimmungsorts ist nicht mit der eines Bestimmungslandes gleichzusetzen.

24

Im Übrigen ergibt sich aus dem EuGH-Urteil Traum (EU:C:2014:2267) nicht, dass einem Steuerpflichtigen, der der Verpflichtung zur Beibringung eines der Art nach vollständigen Belegnachweises nicht nachkommt, eine Steuerfreiheit aus Gründen des Vertrauensschutzes zu gewähren ist. Ob die Klägerin im Hinblick auf andere Umstände als die Nichterfüllung der Verpflichtung zur Beibringung von Angaben zu den Bestimmungsorten der Lieferungen gutgläubig gehandelt hat, ist daher unerheblich. Überlegungen zum Vertrauensschutz gleichen formal nur unvollständig erfüllte Belegpflichten nicht aus.

25

4. Auf die weiteren Überlegungen des FG kommt es somit nicht mehr an.

26

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 28. April 2015  10 K 3803/13 aufgehoben.

Die Sache wird an das Finanzgericht Köln zurückverwiesen.

Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens übertragen.

Tatbestand

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) aus Rechnungen der Firma Z (Z) den Vorsteuerabzug geltend machen kann.

2

Der Kläger betreibt einen Kraftfahrzeughandel. In den Streitjahren (2009 bis 2011) kaufte er u.a. Fahrzeuge von Z, der sein Unternehmen im Jahr 2006 in die E-Straße in R (Inland) verlegt hatte. Unter dieser Adresse hat Z dem Kläger die streitbefangenen Rechnungen ausgestellt.

3

Z hatte in N (Inland) von der dort ansässigen Firma U Räumlichkeiten angemietet. Ob es sich dabei um einen Raum oder nur um den Teil eines Raumes handelte, ist streitig. Unstreitig ist, dass Z dort kein Autohaus unterhielt. Er vertrieb ausschließlich im Onlinehandel. Die Fahrzeuge wurden dem Kläger oder seinen Mitarbeitern z.T. in R in der E-Straße, z.T. an öffentlichen Plätzen --z.B. Bahnhofsvorplätzen-- übergeben. Nach dem Vortrag des Klägers kam in dem Büro Post an, wurde dort sortiert und bearbeitet und es wurden dort die Akten geführt. Außen am Gebäude befand sich ein Firmenschild mit dem Aufdruck "Z". Ob sich dort auch ein Briefkasten befand, ist nicht geklärt. Z wurde unter der vorgenannten Anschrift beim Finanzamt T geführt.

4

Im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, dass Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen des Z nicht in Abzug gebracht werden könnten, weil die in den Rechnungen ausgewiesene Anschrift des leistenden Unternehmers tatsächlich nicht bestanden habe. Z habe im Inland keine Betriebsstätte. Die Geschäftsadresse diene nur als Briefkastenadresse (Scheinadresse), an der lediglich von Z die Post abgeholt worden sei. Es sei dort nichts vorhanden gewesen, was auf ein Unternehmen hindeute.

5

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) folgte der Auffassung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und erließ am 13. September 2013 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2009 bis 2011. Mit Verfügung vom 1. Oktober 2013 lehnte es den Antrag des Klägers auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) ab. Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben ohne Erfolg.

6

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Z habe unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift zwar keine geschäftlichen Aktivitäten entfaltet, denn es sei bereits unklar, ob Z überhaupt einen abgeschlossenen Raum oder lediglich eine Teilfläche in einem Raum gemietet habe. Selbst wenn man davon ausgehe, dass Z einen ganzen Raum angemietet habe, sei dieser nicht so eingerichtet gewesen, dass dort geschäftliche Aktivitäten hätten stattfinden können.

7

Der Klage sei aber stattzugeben, weil die Angabe der Anschrift i.S. des § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfordere, dass dort geschäftliche Aktivitäten stattfänden. Die anderslautende Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei in Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderung des Geschäftsgebarens überholt.

8

Im Übrigen habe die Klage auch mit dem Hilfsantrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen Erfolg. Der Kläger habe alles getan, was von ihm zumutbarer Weise verlangt werden könne, um die Unternehmereigenschaft des Z und die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu überprüfen.

9

Hiergegen richtet sich die Revision, mit der das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 UStG) sowie Verfahrensfehler (Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) geltend macht.

10

Das FG habe im Rahmen seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung aufklären müssen, ob es sich bei den Lieferungen des Z um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt habe; hierfür gebe es zahlreiche Anhaltspunkte.

11

Im Übrigen scheitere der Vorsteuerabzug daran, dass die Rechnungen des Z nicht die Anschrift auswiesen, unter der er seine geschäftlichen Aktivitäten entfaltet habe.

12

Die Gewährung der Vorsteuern im Billigkeitsverfahren komme nicht in Betracht, weil der Kläger nicht alles ihm Zumutbare getan habe, um sich von der Richtigkeit der Rechnungsangaben zu überzeugen.

13

Das FA beantragt sinngemäß,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

14

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.

15

Soweit das FA rüge, das FG habe nicht aufgeklärt, ob es sich bei den Lieferungen des Z um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt habe, liege neuer, im Revisionsverfahren nicht zu berücksichtigender Sachvortrag vor.

16

Im Übrigen hätten die Rechnungen des Z dessen zutreffende Anschrift ausgewiesen. Denn dort habe sich dessen Unternehmen befunden. Z habe dort Miete gezahlt, einen eigenen Briefkasten und ein Firmenschild gehabt, geschäftliche Unterlagen dort verwahrt, Post sei dort für ihn angenommen und abgeholt worden und er habe einen Festnetztelefonanschluss unterhalten.

17

Der Senat hat das Verfahren mit Beschluss vom 6. April 2016 V R 25/15 (BFHE 254, 139) ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) u.a. folgende Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) vorgelegt:

18

1. Setzt Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL die Angabe einer Anschrift des Steuerpflichtigen voraus, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten entfaltet?

19

2. Für den Fall, dass Frage 1. zu verneinen ist:

a) Reicht für die Angabe der Anschrift nach Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL eine Briefkastenadresse?

b) Welche Anschrift ist von einem Steuerpflichtigen, der ein Unternehmen (z.B. des Internethandels) betreibt, das über kein Geschäftslokal verfügt, in der Rechnung anzugeben?

20

Der EuGH hat die erste und die zweite Frage durch Urteil Geissel und Butin vom 15. November 2017 C-374/16 und C-375/16, (EU:C:2017:867) dahingehend beantwortet, dass Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a i.V.m. Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug davon abhängig macht, dass in der Rechnung die Anschrift angegeben ist, unter der der Rechnungsaussteller seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

Entscheidungsgründe

II.

21

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zwar hat das FG zu Recht entschieden, dass dem Kläger der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Z über die in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) gelieferten Fahrzeuge zusteht. Für einen Großteil der Lieferungen lassen die Feststellungen des FG aber keine Beurteilung zu, ob die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG erfüllt sind, weil unklar ist, ob der Lieferer die Umsatzsteuer aus den Lieferungen gesetzlich schuldet.

22

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

23

a) Die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG hat der Kläger durch den Bezug der von Z im Inland gelieferten Fahrzeuge erfüllt. Für 15 v.H. der Lieferungen, die der Kläger von Z bezogen hat, hat das FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO für den Senat bindend festgestellt, dass die Fahrzeuge "aus Deutschland stammten". Der Senat hat das dahingehend verstanden, dass die Lieferungen in Deutschland ausgeführt wurden und die materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG erfüllt sind.

24

b) Der Kläger besitzt insoweit auch nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnungen. Zwar erfordert eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung, dass die Rechnung den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entspricht, was gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG die Angabe des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers erfordert.

25

Nach bisheriger Rechtsprechung des BFH wird das Merkmal "vollständige Anschrift" in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nur durch die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers erfüllt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet; die Angabe eines "Briefkastensitzes" mit nur postalischer Erreichbarkeit, an dem im Zeitpunkt der Rechnungstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reichte danach als zutreffende Anschrift nicht aus (BFH-Urteile vom vom 22. Juli 2015 V R 23/14, BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914, Rz 25; vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256, Rz 16; vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, Rz 32, 39; vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, Rz 33; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, Rz 50; vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620, Rz 15).

26

Hieran hält der Senat nach dem EuGH-Urteil Geissel und Butin (EU:C:2017:867) nicht mehr fest. § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG sind vielmehr richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist. Diese Voraussetzungen erfüllen die von Z ausgestellten Rechnungen, weil er unter der von ihm angegebenen Rechnungsanschrift Post erhalten hat.

27

c) Für 85 v.H. der streitigen Fahrzeuglieferungen hat das FG aber nicht geklärt, ob überhaupt die materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG --hier die vom leistenden Unternehmer "geschuldete Steuer"-- erfüllt sind.

28

Da die Fahrzeuge nach den Feststellungen des FG aus Frankreich stammten, Z dort seinen Wohnsitz und seine Bankverbindung hatte und in Deutschland in R keine geschäftlichen Aktivitäten entfaltete, liegt es nahe, dass die Fahrzeuge bei der Lieferung an den Abnehmer (Kläger) aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates gelangt und diese Lieferungen des Z an den Kläger deshalb gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei sind. Damit würden die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugsrechts nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht vorliegen, weil es an einer vom leistenden Unternehmer "geschuldeten" Steuer fehlen würde. Auch ein Vorsteuerabzug aus Vertrauensschutzgründen scheidet im Hinblick auf eine Mehrwertsteuer aus, die nur deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist (EuGH-Urteil Kreuzmayr GmbH vom 21. Februar 2018 C-628/16, EU:C:2018:84). Das FG wird die erforderlichen Feststellungen zum Ort dieser Lieferungen nachholen.

29

2. Der XI. Senat des BFH hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er einer Abweichung von seinem Urteil vom 8. Juli 2009 XI R 51/07 (BFH/NV 2010, 256) zustimmt.

30

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 21. April 2016  1 K 1158/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Streitig ist, ob die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) Vorsteuern aus Rechnungen eines sog. missing traders abziehen kann.

2

Die Klägerin ist eine GmbH. Sie ist Organträgerin in einer umsatzsteuerrechtlichen Organschaft mit der S-GmbH. Geschäftsführer der S-GmbH waren X, Y und Z. Die S-GmbH hat ihren Sitz in A (Inland), wo sie einen Schrotthandel betreibt.

3

Die S-GmbH bezog zwischen Februar und April des Streitjahres (2008) von der M-GmbH rund 200 Tonnen Stahlschrott, verteilt auf neun Einzellieferungen. Der Schrott wurde von einem LKW mit ungarischen Kennzeichen zur S-GmbH gebracht. Die M-GmbH war im Streitjahr eine von 168 Schrottlieferanten der S-GmbH. Die Schrottlieferungen der M-GmbH umfassten im Streitjahr etwa 0,3 % der Einkaufswerte bzw. der Einkaufstonnage der S-GmbH.

4

Nach den Angaben des verantwortlichen Einkäufers bei der S-GmbH kam der Geschäftskontakt mit der M-GmbH durch den Anruf deren Geschäftsführers L, einem ungarischen Staatsangehörigen, über eine deutsche Festnetznummer zustande. Weitere Gespräche wurden über ein Mobiltelefon geführt. Schriftliche Kaufverträge gibt es nicht. Die Verantwortlichen der beiden Gesellschaften hatten keinen persönlichen Kontakt. Die S-GmbH fertigte für jede Schrottlieferung u.a. auf die M-GmbH ausgestellte Wiegescheine.

5

Nach den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle beim Finanzamt B (Steuerfahndung), die sich das Finanzgericht (FG) zu eigen gemacht hat, war der Sitz der M-GmbH laut Eintragung im Handelsregister in A, C-Straße. Dort befanden sich auch die Räumlichkeiten der Anwaltskanzlei T und U. Die von der M-GmbH für die Korrespondenz mit der S-GmbH genutzte Festnetz- und Faxnummer gehörten zu der Kanzlei. Die Kanzlei diente als Domiziladresse für etwa 15 bis 20 andere Firmen. Ein eigener Arbeitsplatz war nicht vorhanden. Bei einer Durchsuchung im Januar 2009 wurden dort keine Papiere über eine Geschäftsverbindung der M-GmbH mit der S-GmbH aufgefunden. Geschäftsunterlagen der M-GmbH wurden vielmehr bei weiteren Durchsuchungen in Ungarn beschlagnahmt. Die M-GmbH hatte neben dem Geschäftsführer keine Angestellten. Sie besaß weder ein Lager noch eigene LKW. Laut Auskunft des T ermöglichte die Kanzlei der M-GmbH die Nutzung eines Schreibtisches mit Personalcomputer sowie eines Telefonanschlusses und stellte einen Briefkasten für die Post zur Verfügung. Der Schreibtisch sei etwa einmal im Monat von Herrn L und C genutzt worden, die einen Laptop dabei gehabt hätten.

6

Die S-GmbH bat den Steuerberater der M-GmbH mit Schreiben vom 29. Februar 2008 um Übersendung einer Bescheinigung, dass die M-GmbH ein umsatzsteuerpflichtiges Unternehmen sei. In der Anfrage gab die S-GmbH die ihr bekannte Anschrift der M-GmbH in A, C-Straße an. Der Steuerberater der M-GmbH bestätigte der S-GmbH mit Antwortschreiben vom 3. März 2008, dass die M-GmbH ihre Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (UStG) versteuere und zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.

7

Die S-GmbH erteilte für die einzelnen Schrottlieferungen der M-GmbH Gutschriften. Darüber hinaus stellte die M-GmbH der S-GmbH für die Schrottlieferungen Rechnungen mit Ausweis der Umsatzsteuer aus. Die Rechnungen sind von L unterschrieben. Sie wurden der Klägerin per Fax von einer Faxnummer aus A mit dem Absender "M-GmbH" übermittelt. Als Anschrift der M-GmbH ist A, C-Straße angegeben. Die M-GmbH nennt überdies die ihr vom Finanzamt B für Körperschaften erteilte Steuernummer. Die S-GmbH überwies die Rechnungsbeträge auf ein in den Rechnungen angegebenes Bankkonto der M-GmbH bei einem Kreditinstitut mit Sitz in A.

8

Die Klägerin machte mit ihrer Umsatzsteuererklärung 2008 den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M-GmbH geltend.

9

Die Steuerfahndung kam zu dem Ergebnis, die M-GmbH sei in ein Umsatzsteuerkarussell mit ungarischem Schrott eingebunden gewesen. Sie habe in der planmäßig hintereinander geschalteten Rechnungskette als erste inländische Firma fungiert (sog. missing trader). Die M-GmbH habe den Schrott nicht nur an die S-GmbH, sondern auch an weitere deutsche Schrotthändler geliefert. Drahtzieher sei ein Herr Ü gewesen, der die Geschäfte von Ungarn und den Seychellen aus gesteuert habe. Er sei inzwischen in der Türkei festgenommen und in die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert worden.

10

Die M-GmbH meldete die Umsätze aus den Schrottlieferungen an die S-GmbH nicht an und zahlte die Umsatzsteuer nicht. Sie wurde am 20. Juni 2011 im Handelsregister gelöscht.

11

Die Staatsanwaltschaft D stellte die Steuerstrafverfahren gegen die drei Geschäftsführer der S-GmbH am 22. März 2012 nach § 170 Abs. 2 der Strafprozessordnung wieder ein.

12

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte die Vorsteuern aus den Schrottlieferungen, über die die M-GmbH gegenüber der Klägerin abgerechnet hatte, im geänderten Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 30. November 2012 nicht an.

13

Das FG gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2016, 1562 veröffentlichten Urteil statt.

14

Die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gemäß § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG seien erfüllt. Insbesondere sei die S-GmbH im Besitz von zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen. Für diese genüge es, wenn die Rechnung den Gesellschaftssitz angebe, der aus allgemein zugänglichen Quellen wie z.B. dem Handelsregister leicht bestimmbar sei und unter der der Leistungsempfänger den leistenden Unternehmer erreichen könne. Im Streitfall seien die Rechnungen der M-GmbH ordnungsgemäß, weil sie die zutreffende Anschrift der M-GmbH in A, C-Straße, dem Sitz der M-GmbH laut Handelsregister angäben. Der Klägerin stehe der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen an die S-GmbH folglich zu, da deren Eingangsleistungen innerhalb der Organschaft dem Organträger zuzurechnen seien.

15

Der Vorsteuerabzug könne der Klägerin auch nicht wegen Beteiligung an einer Steuerhinterziehung versagt werden. Das FA habe weder Anhaltspunkte tatsächlicher Art nachgewiesen, nach denen Verantwortliche der S-GmbH wussten oder hätten wissen müssen, dass sie sich mit dem Erwerb des Schrotts an einer Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligten, noch sonstige Anhaltspunkte, nach denen die Verantwortlichen der S-GmbH --aus der Sicht eines Unternehmers, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt-- sich durch weitere Maßnahmen von der Zuverlässigkeit der M-GmbH hätten überzeugen müssen.

16

Hiergegen richtet sich das FA mit der Revision, mit der es Verletzung materiellen Rechts (§ 15 Abs. 1, § 14 Abs. 4 UStG) rügt. Die Angabe eines Scheinsitzes in der Rechnung des leistenden Unternehmers sei nicht ausreichend. Erforderlich sei vielmehr die Angabe der Anschrift, an der der leistende Unternehmer seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfalte. Das sei an der Rechnungsadresse in A nicht der Fall gewesen.

17

Der Vorsteuerabzug sei aber auch deshalb zu versagen, weil die Klägerin habe wissen müssen, dass sie in einen Mehrwertsteuerbetrug verwickelt gewesen sei. Sie habe nicht hinreichend geprüft, ob die M-GmbH tatsächlich in die Lieferkette eingebunden gewesen sei. Angesichts der Betrugsanfälligkeit der Schrottbranche seien weitere Maßnahmen erforderlich und zumutbar gewesen, um die Angaben in der Rechnung zu überprüfen. Die von der Klägerin ergriffenen Maßnahmen seien nicht ausreichend gewesen.

18

Das FA macht zudem geltend, es sei nicht sicher, wo der Ort der Lieferung sei, weil die Lieferungen mit LKW aus Ungarn durchgeführt worden seien, es sich bei den Vertretern des leistenden Unternehmers um ungarische Staatsbürger gehandelt habe und die Geschäftsunterlagen der M-GmbH bei Durchsuchungen in Ungarn beschlagnahmt worden seien. Das lege steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen eines ungarischen Unternehmers nahe.

19

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

20

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

21

Sie schließt sich der in den Entscheidungsgründen des FG-Urteils zum Ausdruck gekommenen Auffassung des FG an.

22

Der Senat hat das Verfahren gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 251 Satz 1 der Zivilprozessordnung bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in den Rechtssachen C-374/16 und C-375/16 zum Ruhen gebracht. Der EuGH hat durch Urteil Geissel und Butin vom 15. November 2017 C-374/16 und C-375/16 (EU:C:2017:867) in den Rechtssachen entschieden, dass Art. 168 Buchst. a und Art. 178 Buchst. a i.V.m. Art. 226 Nr. 5 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug davon abhängig macht, dass in der Rechnung die Anschrift angegeben ist, unter der der Rechnungsaussteller seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.

Entscheidungsgründe

II.

23

Die Revision des FA ist unbegründet und wird deshalb zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin zum Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der M-GmbH berechtigt ist.

24

1. Gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen. Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt dabei voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

25

a) Die materiellen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG hat die Klägerin durch den Bezug der Schrottlieferungen der M-GmbH erfüllt.

26

b) Die Klägerin besitzt auch nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnungen der M-GmbH. Zwar erfordert eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung, dass die Rechnung den Anforderungen des § 14 Abs. 4 UStG entspricht, was gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG die Angabe des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers erfordert.

27

Nach bisheriger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) wird das Merkmal "vollständige Anschrift" in § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG nur durch die Angabe der zutreffenden Anschrift des leistenden Unternehmers erfüllt, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet; die Angabe eines "Briefkastensitzes" mit nur postalischer Erreichbarkeit, an dem im Zeitpunkt der Rechnungstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reichte danach als zutreffende Anschrift nicht aus (BFH-Urteile vom 22. Juli 2015 V R 23/14, BFHE 250, 559, BStBl II 2015, 914, Rz 25; vom 8. Juli 2009 XI R 51/07, BFH/NV 2010, 256, Rz 16; vom 30. April 2009 V R 15/07, BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, Rz 32, 39; vom 6. Dezember 2007 V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695, Rz 33; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315, Rz 50; vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620, Rz 15).

28

Hieran hält der Senat nach dem EuGH-Urteil Geissel und Butin (EU:C:2017:867) nicht mehr fest. § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG sind vielmehr richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist. Diese Voraussetzungen erfüllen die von der M-GmbH ausgestellten Rechnungen, weil sie unter der von ihr angegebenen Rechnungsanschrift Post erhalten hat.

29

c) Es liegen auch keine für die M-GmbH gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen vor, die die Klägerin nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätte. Eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 UStG u.a. voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat. Allein der Umstand, dass die Lieferung von ungarischen Staatsangehörigen mit LKW mit ungarischen Kennzeichen durchgeführt worden sind, stützt diese Annahme nicht hinreichend.

30

2. Der Vorsteuerabzug kann der Klägerin auch nicht unter Hinweis darauf versagt werden, dass die Lieferungen der M-GmbH an die S-GmbH in eine Steuerhinterziehung einbezogen gewesen seien.

31

a) Denn sind, wie im vorliegenden Fall, die materiellen und formellen Voraussetzungen für die Entstehung und Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt, ist es mit dem Unionsrecht nicht vereinbar, einen Steuerpflichtigen, der weder wusste noch wissen konnte, dass der betreffende Umsatz in eine vom Lieferer begangene Steuerhinterziehung einbezogen war oder dass in der Lieferkette bei einem anderen Umsatz, der dem vom Steuerpflichtigen getätigten Umsatz vorausgeht oder nachfolgt, Mehrwertsteuer hinterzogen wurde, durch die Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug zu sanktionieren (EuGH-Urteile PPUH Stehcemp vom 22. Oktober 2015 C-277/14, EU:C:2015:719, Rz 49; Maks Pen vom 13. Februar 2014 C-18/13, EU:C:2014:69, Rz 26 ff.; Bonik vom 6. Dezember 2012 C-285/11, EU:C:2012:774, Rz 36 ff.; Mahagében und Dávid vom 21. Juni 2012 C-80/11, EU:C:2012:373, Rz 44, 45 und 47; Optigen u.a. vom 12. Januar 2006 C-354/03, C-355/03 und C-484/03, EU:C:2006:16, Rz 51, 52 und 55; Kittel und Recolta Recycling vom 6. Juli 2006 C-439/04, EU:C:2006:446, Rz 44 bis 46 und 60). Dem hat sich der BFH bereits angeschlossen (z.B. Beschluss vom 6. April 2016 V R 25/15, BFHE 254, 139, Rz 57; Urteil in BFHE 225, 254, BStBl II 2009, 744, Rz 44).

32

b) Das FG hat in seiner auf eine Vielzahl von Kriterien gestützten Würdigung, die weder gegen Erfahrungssätze noch gegen die Denkgesetze verstößt, für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 12. Juli 2017 VI R 59/15, BFHE 258, 444; vom 3. Mai 2017 X R 9/14, BFH/NV 2017, 1164), dass weder die Klägerin noch die S-GmbH von der Einbeziehung ihrer Leistungsbezüge in eine Steuerhinterziehung wusste oder wissen konnte.

33

3. Der XI. Senat des BFH hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er einer Abweichung von seinem Urteil in BFH/NV 2010, 256 zustimmt.

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen Personenfahrzeugen und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien aus. Abnehmer waren die italienischen Firmen RR, RY und ET, bei denen es sich jeweils um Kapitalgesellschaften italienischen Rechts handelte. RR und RY wurden bei den Vertragsschlüssen mit dem Kläger von S vertreten, die im Inland in P wohnte und der sie jeweils Generalvollmacht erteilt hatten. S überwies den Kaufpreis jeweils über inländische Bankkonten, die sie für zwei der Firmen eingerichtet hatte.

2

Mit Schreiben vom 10. November 2003 an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und vom 6. Februar 2004 an das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung teilte die italienische Staatsanwaltschaft mit, dass RR, RY und ET bei innergemeinschaftlichen Erwerben von Fahrzeugen die Erwerbsteuer hinterzogen hätten. Die Geschäfte der drei Firmen seien von S und D geführt worden. Die Firmen hätten ihre Tätigkeit jedenfalls nicht an ihrem jeweiligen Sitz in Italien ausgeübt. Die Verkäufer hätten von der Steuerhinterziehung zugunsten der drei Firmen gewusst. Die von RR, RY und ET erworbenen Fahrzeuge seien von diesen an andere Abnehmer verkauft worden und direkt aus Deutschland zu diesen Abnehmern verbracht worden.

3

Gegen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im Anschluss an den Steuerfahndungsbericht vom 11. August 2005 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 11. Oktober 2005. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erfolgte eine nochmalige Änderung für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 31. Juli 2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage überwiegend statt. In der mündlichen Verhandlung sagte das FA zu, die Bescheide für beide Streitjahre in zwei Einzelpunkten zu ändern. Das FG stützte die Klagestattgabe darauf, es sei nicht zweifelhaft, dass RR, RY und ET Vertragspartner und Abnehmer der Lieferungen seien. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) erteilten Bestätigungen. Der Kläger habe auch den Buchnachweis geführt. Alle Fahrzeuge seien tatsächlich nach Italien verbracht worden.

5

Für die Lieferungen an RR und RY, bei denen Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgt seien, liege der Belegnachweis vor. Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Absender an.

6

Der Nachweis des Bestimmungsorts ergebe sich darüber hinaus aus den in den Rechnungen ausgewiesenen Anschriften der RR, RY und ET. Für den Kläger hätten bei Beachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine Verdachtsmomente bestanden. Es habe sich um Lieferungen im Rahmen normaler Handelsgeschäfte gehandelt. Der Kläger habe nicht an einer Vermeidung der Erwerbsbesteuerung durch seine Abnehmer mitgewirkt. In den Beförderungsfällen hätten Versicherungen vorgelegen, die Fahrzeuge nach Italien zu befördern. Soweit in einzelnen Fällen Name und Anschrift des Abholers nicht ausreichend vermerkt oder nicht lesbar sei, stehe dies der Steuerfreiheit nicht entgegen. Steuerfrei sei auch eine Ausfuhrlieferung an PA nach San Marino.

7

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1537 veröffentlicht.

8

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die CMR-Frachtbriefe seien nicht als Versendungsbelege anzuerkennen. Zwar komme es nicht auf die Bestätigung des Warenerhalts in Feld 24 durch den Empfänger an. Frachtführer und Absender müssten aber den Frachtbrief wie im Formular vorgesehen unterschreiben. Erst aufgrund der Unterschrift des Frachtführers komme dem Frachtbrief Beweiswirkung zu. Soweit in den CMR-Frachtbriefen der inländische Ort P oder nur Italien als Bestimmungsort genannt werde, reiche dies nicht aus. Der Rechnungsanschrift könne dann keine Bedeutung beigemessen werden. Es fehlten auch Angaben zu den Fahrzeugidentifikationsnummern und den Ausfertigungsdaten. In den Abholfällen lägen keine Belegangaben vor. Das FG habe insoweit unter Missachtung der Beweislastverteilung entschieden, dass die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien. Bei den Lieferungen an ET seien die Fahrzeuge von dem im Inland ansässigen G abgeholt worden, ohne dass hinreichende Belegangaben zu dessen Namen und Anschrift vorgelegen hätten. Der nachträglichen Verbringungsbestätigung, die mit unbekannter Unterschrift versehen sei, komme keine Beweiswirkung zu. Soweit das FG allgemein davon ausgegangen sei, dass die Lieferungen aufgrund der objektiven Beweislage steuerfrei seien, sei nicht erkennbar, auf welche Umstände sich das FG dabei stütze. Soweit die Belegnachweise mangelhaft seien, komme entgegen dem FG-Urteil auch kein Vertrauensschutz in Betracht.

9

Das FA beantragt,

das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als das FG Lieferungen in Höhe von 38.567,28 € in 2001 und in Höhe von 288.240 € in 2002 als steuerfrei anerkannt hat und diese als steuerpflichtige Umsätze anzusetzen.

10

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet abzuweisen.

11

Er sei seinen Nachweispflichten nachgekommen. Dass italienische Ermittlungsbehörden im Nachhinein die aufgezeichneten Abnehmer als wirtschaftlich nicht existent bezeichneten, reiche zur Versagung der Steuerfreiheit nicht aus. RR und RY seien zivilrechtlich seine Vertragspartner gewesen. Sie seien wirksam durch S aufgrund ihrer Generalvollmacht verpflichtet worden. Er habe sich hinsichtlich der CMR-Frachtbriefe entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch als Versender ansehen dürfen. Er habe auch qualifizierte Bestätigungsabfragen hinsichtlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern seiner Abnehmer vorgenommen. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit seien auch objektiv erfüllt. Wie den Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft zu entnehmen sei, seien die Fahrzeuge nicht direkt zu den Abnehmern RR, RY und ET, sondern im Rahmen von Reihengeschäften zu deren Abnehmern gelangt. Dies zeige, dass RR, RY und ET die Fahrzeuge zuvor innergemeinschaftlich erworben hätten. Welche Anforderungen an den Objektivnachweis der Steuerfreiheit zu stellen seien, obliege der tatrichterlichen Würdigung. Das FA wende sich nur gegen die Beweiswürdigung des FG.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist im Umfang des Revisionsantrags begründet. Das Urteil des FG ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache ist insoweit an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorliegen.

13

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

14

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

15

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/ die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

16

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

17

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

18

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

19

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

20

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

21

Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern, um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstands zu vermeiden, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts nunmehr die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

22

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben, da es § 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 UStDV verletzt.

23

a) Soweit im Streitfall Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgten, hat das FG zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das FG aber, dass derartige Frachtbriefe nur als Versendungsbeleg anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

24

Nach dem Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3. muss ein CMR-Frachtbrief nicht die dort in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung enthalten, um als Versendungsbeleg i.S. von § 17a Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV anerkannt zu werden. Der Senat hat dies insbesondere auf einen Vergleich mit den Angaben gestützt, die bei der Erstellung einer steuerrechtlichen Versandbestätigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV zu machen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3.c aa). Dementsprechend sind CMR-Frachtbriefe umsatzsteuerrechtlich als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

25

Wie das FG zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem BMF-Schreiben vom 5. Mai 2010 (BStBl I 2010, 508 Rdnr. 36; ebenso Abschn. 6a.4 Abs. 3 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) die Beurteilung als Versendungsbeleg i.S. des § 10 Abs. 1 UStDV nicht voraus, dass der Auftraggeber des Frachtführers (Versender) den Frachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die UStDV auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines Frachtbriefs als Versendungsbeleg hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des BMF, ohne Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf dem Versendungsbeleg verzichtet.

26

b) Gleichwohl sind die streitigen CMR-Frachtbriefe keine ausreichenden Versendungsbelege.

27

So enthalten die vom FG in Bezug genommenen CMR-Frachtbriefe vom 12. September 2002 und vom 17. Januar 2002 (Bl. 40 und 41 der Beweismittelakte) entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e UStDV keine Angaben zum Auslieferungsort, während ein weiterer CMR-Frachtbrief entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV keine Angaben zum Ausstellungstag enthält und darüber hinaus als Auslieferungsort P im Inland angibt (CMR ohne Datum, Bl. 70 der Beweismittelakte).

28

Soweit die Fahrzeuge durch Frachtführer mit CMR-Frachtbriefen versendet wurden, genügt somit nur der am 27. Februar 2002 ausgefertigte CMR-Frachtbrief (Bl. 39 der Beweismittelakte) den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV. Er weist S als Absender, RY als Empfänger, den Ort S.L. in Italien sowie die beförderten Gegenstände als "7 Stück Mercedes A 170", weiter gekennzeichnet mit einer jeweils sechsstelligen Zahlenkombination, aus.

29

c) Auch in den Beförderungsfällen bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben, so dass entgegen dem FG-Urteil kein hinreichender Belegnachweis vorliegt. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts nach dem Senatsurteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03 (BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c) aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird. Letzteres erscheint aber im Hinblick auf das Vorliegen von Reihengeschäften, von dem die italienischen Behörden ausgehen, zweifelhaft.

30

d) Liegen somit die Voraussetzungen des Belegnachweises nicht vor oder bestehen an den Belegangaben zumindest begründete Zweifel, ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Feststellungen das FG davon ausgegangen ist, dass nach objektiver Beweislage zweifelsfrei feststehen soll, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen (s. oben II.2.). Ob sich dies für die einzelnen Lieferungen aus den allgemeinen Mitteilungen der italienischen Behörden ergibt, die sich pauschal auf "tausende von Kraftfahrzeugen" (Beweismittelakte Bl. 2) durch eine Vielzahl deutscher Lieferanten (Beweismittelakte Bl. 10 f.) beziehen, ist nicht erkennbar. Auch fehlen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Fahrzeuge in Italien --oder im Fall der Lieferung nach San Marino-- in San Marino zugelassen wurden.

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

32

a) Gegen die Würdigung des FG, dass RR, RY und ET Abnehmer der Lieferungen waren, bestehen revisionsrechtlich jedenfalls keine Bedenken, soweit diese --was nach den Feststellungen des FG nicht eindeutig ist-- von S vertreten wurden.

33

Im Streitfall waren nach den zwischen dem Kläger und S als bevollmächtigte Vertreter für RR und RY abgeschlossenen Verträgen, die den Lieferungen zugrunde lagen (s. oben II.2.b), RR und RY Abnehmer. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die zwischen dem Kläger und S als Vertreter abgeschlossenen Verträge Scheingeschäfte waren (§ 41 Abs. 2 AO), die andere Rechtsgeschäfte des Klägers mit den Kunden der RR und RY verdecken sollten. Dies scheitert bereits daran, dass dem Kläger diese Kunden nicht bekannt waren.

34

b) Sollten RR, RY und ET entsprechend der Mitteilung der italienischen Staatsanwaltschaft die Fahrzeuge an andere Abnehmer weiterverkauft haben, wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

35

Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Kommt es bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, kann nach der Rechtsprechung des EuGH die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die dann als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, UR 2006, 342, Leitsatz 1).

36

Erklärt der Ersterwerber gegenüber dem ersten Lieferer, den Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, handelt er weiter dabei unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und holt er den gelieferten Gegenstand beim ersten Lieferer mit einem LKW und Fahrer des Zweiterwerbers ab, ist die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen, so dass der Erstlieferer die innergemeinschaftliche Lieferung ausführt (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 15 und 35). Weder die Beteiligung des Zweiterwerbers an der Beförderung noch die Beförderung zu einer anderen Adresse als der des Ersterwerbers führen zu einer Zuordnung der Beförderung zur zweiten Lieferung (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 41 f.). Danach kann es sich im Streitfall bei den Lieferungen des Klägers auch dann um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt haben, wenn die Fahrzeuge nicht zu seinen Abnehmern, die dann als Zwischenhändler anzusehen wären, sondern zu den Abnehmern der Zwischenhändler befördert oder versendet wurden.

37

c) Soweit das FG im zweiten Rechtgang feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und Buchnachweis zwar vollständig erbracht hat, wozu auch Angaben zur Identität und Anschrift des Abholers gehören (Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1), die Beleg- und Buchangaben aber z.B. hinsichtlich des Bestimmungsorts der Lieferungen inhaltlich unzutreffend sind (s. oben II.3.b und c) und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist (s. oben II.2.c), kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte. War z.B. für den Kläger auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar, dass Reihengeschäfte vorliegen und die gelieferten Fahrzeuge entgegen den Angaben seiner Abnehmer nicht zum Unternehmensort der Abnehmer befördert oder versendet werden sollten, kann Vertrauensschutz zu gewähren sein.

38

Einer Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG stehen dann auch nicht die Grundsätze des EuGH-Urteils R in UR 2011, 15 entgegen. Zwar ist danach auch eine tatsächlich stattgefundene innergemeinschaftliche Lieferung steuerpflichtig, wenn der Lieferer "die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz). An einer derartigen Verschleierung fehlt es aber, wenn der Unternehmer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns davon ausgehen durfte, dass seine Vertragspartner auch die "wirklichen" Abnehmer sind und für ihn das Vorliegen eines Reihengeschäfts nicht erkennbar ist (s. oben II.4.a).

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen. Die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Sie haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben und sich auf Anforderung des Gerichts zu den von den anderen Beteiligten vorgebrachten Tatsachen zu erklären. § 90 Abs. 2, § 93 Abs. 3 Satz 2, § 97, §§ 99, 100 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, dass Formfehler beseitigt, sachdienliche Anträge gestellt, unklare Anträge erläutert, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(3) Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf der von der Finanzbehörde nach § 364b Abs. 1 der Abgabenordnung gesetzten Frist im Einspruchsverfahren oder im finanzgerichtlichen Verfahren vorgebracht werden, kann das Gericht zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. § 79b Abs. 3 gilt entsprechend.

(4) Die Verpflichtung der Finanzbehörde zur Ermittlung des Sachverhalts (§§ 88, 89 Abs. 1 der Abgabenordnung) wird durch das finanzgerichtliche Verfahren nicht berührt.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2014  1 K 3117/12 U wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) fakturierte in den Streitjahren 2001 bis 2004 Gegenstände an die in Italien ansässige Firma CC, deren Geschäftsführer Herr v.B. war. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Lieferungen an CC steuerpflichtig seien und erließ für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide.

2

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) seien die Lieferungen nicht nach § 6a des Umsatzsteuergesetzes i.d.F. der Streitjahre (UStG) als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Dieser ergebe sich nicht aus den Frachtbriefen. Im Streitfall lägen Beförderungen, nicht aber Versendungen durch Beauftragung selbständig tätiger Dritter vor. Zudem enthielten die Frachtbriefe keine Angaben zu im Ausland gelegenen Auslieferungsorten. Die im Abholfall nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung i.d.F. der Streitjahre (UStDV) erforderliche Versicherung fehle. Es sei nicht erkennbar, wer die Frachtbriefe ausgestellt habe. Auch die nachträglich erteilte Bestätigung begründe keinen Belegnachweis, da sie nicht von der Person stamme, die die Transporte tatsächlich durchgeführt habe. Der in der mündlichen Verhandlung angebotene Beweis sei nicht zu erheben gewesen, da die Zeugenaussage unerheblich gewesen sei.

3

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Die Lieferungen seien steuerfrei. Die Unternehmereigenschaft des Abnehmers CC sei unstreitig. Im Bestimmungsland Italien sei die Erwerbsbesteuerung durchgeführt worden. Streitig sei nur der physische Transport in den Bestimmungsmitgliedstaat. Im Streitfall sei durch den Abnehmer befördert worden. Das für den Abnehmer CC, einer juristischen Person, vertretungsberechtigte Organ, der als Zeuge angebotene v.B., habe die Beförderung nach Italien nachträglich bestätigt. Es sei bestätigt worden, dass "der Transport der Waren nach Italien erfolgte" und sämtliche Waren dem italienischen Unternehmen zugeführt worden seien. Der Bestimmungsort ergebe sich aus den Rechnungsanschriften. Das FG habe zu Unrecht den finanzbehördlichen Erörterungstermin ignoriert. Die objektive Beweislage könne nicht nur durch Belege nachgewiesen werden. Es bestehe ein Gleichrang aller Beweismittel. Das FG hätte den in der Verhandlung präsenten Zeugen vernehmen müssen.

4

Der Kläger beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2001 bis 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Juli 2012 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer 2001 um 116.122,91 €, die Umsatzsteuer 2002 um 126.429,70 €, die Umsatzsteuer 2003 um 426.665,48 € und die Umsatzsteuer 2004 um 237.907,69 € gemindert wird.

5

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Die Lieferungen seien steuerpflichtig. Der Belegnachweis sei nicht erbracht worden. Ein objektiv zweifelsfreies Feststehen erfordere, dass keine Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen für die Steuerfreiheit bestünden, so dass sich weitere Ermittlungen erübrigten. Es sei unklar, ob die Ware nach Italien oder nach Frankreich oder Spanien befördert worden sei. Die nachträgliche Bestätigung sei unbeachtlich, da die Bestimmungsorte nicht bekannt seien. Zweifel ergäben sich auch aus der Aussage des Buchhalters.

Entscheidungsgründe

7

II. Die Revision des Klägers ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Lieferungen des Klägers nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sind.

8

1. Nach § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, ...

und     

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

9

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit in den Streitjahren auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind danach "Lieferungen ..., die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

10

2. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen. Diesen Buch- und Belegnachweis hat der Kläger nicht erbracht.

11

Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

12

Die unionsrechtliche Befugnis zur gesetzlichen Anordnung eines Beleg- und Buchnachweises ergibt sich aus dem Einleitungssatz von Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.1.b). Danach ist die innergemeinschaftliche Lieferung nur "unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen", steuerfrei.

13

a) Die zunächst erteilten Frachtbriefe wiesen nach den Feststellungen des FG entweder keine Bestimmungsorte oder lediglich Bestimmungsorte im Inland auf. Da sich der Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung nach dem Bestimmungsort der Lieferung richtet, ist diese Angabe mit Blick auf die Korrespondenz von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.2.a) nicht verzichtbar.

14

b) Soweit in den Frachtbriefen vereinzelt Bestimmungsorte in Frankreich oder Italien benannt waren, kam dem im Hinblick auf die vom FG zusätzlich festgestellte Unklarheit über die Person des Belegausstellers keine Bedeutung zu (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1).

15

c) Einen Sonderfall, bei dem als Bestimmungsort der Unternehmensort des Abnehmers der Lieferung anzusehen ist (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, unter II.3.c), hat das FG im Hinblick auf die unterschiedlichen Auslieferungsorte, die --soweit die Frachtbriefe überhaupt Angaben zu den Bestimmungsorten enthielten-- nach den Frachtbriefen in verschiedenen Mitgliedstaaten und dabei zum Teil im Inland lagen, zutreffend verneint. Ebenso enthielt die nachträglich erstellte Bestätigung keine Angaben zu den Bestimmungsorten der einzelnen Lieferungen.

16

3. Die Steuerbefreiung ergibt sich auch nicht aus dem Unionsrecht. Die Mitgliedstaaten dürfen formelle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung (siehe unter 2.) aufstellen. Die Richtlinie 77/388/EWG enthält keine Vorschrift, die sich mit dieser Frage befasst. Seit dem Wegfall der Kontrollen an den Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in erster Linie anhand der von den Steuerpflichtigen vorgelegten Belege und abgegebenen Erklärungen zu prüfen, ob die Waren den Liefermitgliedstaat physisch verlassen haben (EuGH-Urteil Twoh International BV vom 27. September 2007 C-184/05, EU:C:2007:550, Rz 24, m.w.N.).

17

Vorliegend erfordern weder der Neutralitätsgrundsatz noch das Verhältnismäßigkeitsprinzip die Steuerbefreiung der streitigen Umsätze.

18

a) Der Neutralitätsgrundsatz gebietet die Steuerbefreiung auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar die formellen Anforderungen an den Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht oder nicht vollständig erfüllt, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung indes unbestreitbar feststehen (EuGH-Urteil Collée vom 27. September 2007 C-146/05, EU:C:2007:549, Rz 31, 33). Das ist vorliegend aber gerade nicht der Fall.

19

b) Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Unternehmer ist grundsätzlich nicht berechtigt, den ihm obliegenden sicheren Nachweis der materiellen Anforderungen in anderer Weise als durch Belege und Aufzeichnungen zu führen. Ein Beweis durch Zeugen kommt als Ersatz für den gesetzlich vorgesehenen Buch- und Belegnachweis grundsätzlich nicht in Betracht, und zwar weder von Amts wegen (§ 76 Abs. 1 FGO) noch auf Antrag. Nur wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann, gebietet es der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, den Nachweis auch in anderer Form zuzulassen (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteil Teleos u.a. vom 27. September 2007 C-409/04, EU:C:2007:548, Rz 52 ff.; Frye, Umsatzsteuer-Rundschau 2014, 753 ff.). Im Streitfall sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Kläger an der Führung des Buch- und Belegnachweises gehindert gewesen oder dieser für ihn unzumutbar gewesen sein könnte.

20

4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG.

21

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl --wie hier-- die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (vgl. zu den unionsrechtlichen Grundlagen BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 29).

22

Dies setzt nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachkommt (dazu BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

23

Daran fehlt es hier: Mit Blick auf die unvollständigen und zudem widersprüchlichen Angaben in den Frachtbriefen sowie den nur allgemeinen Angaben in der nachträglichen Bestätigung und den sich daraus ergebenden Mängeln des Belegnachweises ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger keine Steuerfreiheit aus Vertrauensschutzgründen zu gewähren ist.

24

5. Die behaupteten Verfahrensmängel greifen nicht durch; der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

25

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 21. April 2015  2 K 1430/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Organträger einer Organ-GmbH (GmbH), die in den Streitjahren 2007 und 2008 auf Vermittlung des P Kaufverträge mit den in Spanien und der Tschechischen Republik ansässigen Firmen C, M und PA für die Durchführung steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen abgeschlossen hatte. Bei diesen Firmen handelte es sich um Scheinunternehmen, deren Existenz und Unternehmereigenschaft P fingiert hatte, um PKW ohne Umsatzsteuerbelastung erwerben zu können. Neben den Rechnungen an die Firmen C, M und PA lagen der GmbH Verbringungserklärungen vor, die der GmbH bei der jeweiligen Abholung übergeben worden waren und in denen als Bestimmungsort Spanien oder Tschechien angegeben war. Die Klägerin zeichnete gemäß § 17c Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) die diesen Firmen erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummern auf. Der Transport der PKW in das übrige Gemeinschaftsgebiet erfolgte nach der Abholung bei der GmbH durch Sammeltransporte aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet.

2

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung bei P ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Lieferungen aufgrund der für die Firmen C, M und PA abgeschlossenen Kaufverträge steuerpflichtig seien und erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide. Ein Einspruch hiergegen hatte nur insoweit Erfolg, als die von der GmbH vereinnahmten Kaufpreise als Gegenleistung behandelt wurden.

3

Die hiergegen eingelegte Klage zum Finanzgericht (FG) wies das FG als unbegründet ab. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) lägen unstreitig nicht vor. Es sei der Klägerin auch kein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren, da die Klägerin keinen hinreichenden Belegnachweis erbracht habe. Zudem habe die Klägerin nicht in gutem Glauben gehandelt.

4

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie habe den Belegnachweis geführt. Er ergebe sich aus dem Rechnungsdoppel und dem Verbringungsnachweis. Die Überlegungen des FG zum Sammeltransport, aus dem sich eine Versendung anstelle einer Beförderung ergebe, seien unerheblich, da auch in Versendungsfällen der Belegnachweis nach den Regelungen zu Beförderungen erbracht werden könne. Zu beachten sei hierzu die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Insoweit wäre ansonsten aufzuklären gewesen, zu welchem Zeitpunkt der Geschäftsführer der GmbH von den Sammeltransporten Kenntnis hatte. Ihr sei auf der Grundlage der zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren. Bei ihr liege keine eigene leichtfertige Steuerverkürzung vor.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom 1. Oktober 2010 und vom 24. April 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. März 2012 die Umsatzsteuer 2007 um ... € auf ./. ... € und die Umsatzsteuer 2008 um ... € auf ... € herabzusetzen.

6

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Das FG habe zutreffend entschieden.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Lieferungen nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, sondern steuerpflichtig sind.

9

1. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG liegen nicht vor, da es sich bei den als Abnehmer geführten Firmen C, M und PA um Scheinfirmen handelte, so dass es an der gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG erforderlichen Lieferung an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer fehlt.

10

2. Die Klägerin kann die Steuerfreiheit auch nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch nehmen. Es fehlt sowohl am Beleg- als auch am Buchnachweis.

11

a) Im Streitfall liegen, wie das FG insoweit zu Recht entschieden hat, Versendungs-, nicht aber Beförderungsfälle vor, da die PKW im maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des Inlands nicht durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert, sondern durch Einschaltung selbständiger Dritter versendet wurden. Versendungsbelege liegen der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat den Belegnachweis aber auch dann nicht erbracht, wenn zu ihren Gunsten zu unterstellen wäre, dass sie zu einer Nachweisführung wie im Beförderungsfall berechtigt wäre (§ 17a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 UStDV a.F.).

12

aa) Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV a.F. in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

   

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

13

Die unionsrechtliche Befugnis zur gesetzlichen Anordnung dieses Belegnachweises ergibt sich aus Art. 131 MwStSystRL (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.1.b zu Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG). Danach wird die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nur "unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiung[en] sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen".

14

Da sich der Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung nach dem Bestimmungsort der Lieferung richtet, ist diese Angabe zur Wahrung der Korrespondenz von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.2.a) nicht verzichtbar.

15

bb) Im Streitfall reicht die Nennung eines Bestimmungslandes in den Verbringungserklärungen zur Angabe des Bestimmungsorts nicht aus. Der Bestimmungsort ergibt sich auch nicht aus den für die Lieferungen ausgestellten Rechnungen. Zwar kann sich aus der Rechnungsanschrift im Einzelfall der belegmäßig nachzuweisende Bestimmungsort ergeben. Dies setzt aber voraus, dass von einer Beförderung zu dem in der Rechnung angegebenen Unternehmensort des Abnehmers auszugehen ist (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, unter II.3.c). Dies trifft auf Abrechnungen gegenüber Scheinunternehmen nicht zu.

16

b) Der Buchnachweis ist widerlegt.

17

aa) Der Unternehmer soll nach § 17c Abs. 1 UStDV die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers aufzeichnen.

18

bb) Zwar hat die Klägerin die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Firmen C, M und PA aufgezeichnet. Da es sich aber bei diesen Firmen, die die Klägerin als ihre Abnehmer ansah, um Scheinfirmen handelte, ergibt sich aus der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern dieser Firmen nicht auch deren Unternehmereigenschaft. Denn steht fest, dass die buchmäßige aufgezeichnete Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mangels tatsächlich fehlender Unternehmereigenschaft diese nicht bezeugen kann, entfällt die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung. Es kann dann nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommen.

19

3. Die Klägerin kann keinen Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG beanspruchen.

20

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl --wie hier-- die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (vgl. zu den unionsrechtlichen Grundlagen BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 29).

21

Die Steuerfreiheit gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

22

b) Im Streitfall hat die Klägerin formal zwar den --entkräfteten-- Buchnachweis (s. oben II.2.b), nicht aber auch den Belegnachweis in der erforderlichen Art erbracht, da die Angaben zu den Bestimmungsorten fehlten (s. oben II.2.a).

23

c) Es besteht kein Widerspruch zum EuGH-Urteil Traum vom 9. Oktober 2014 C-492/13 (EU:C:2014:2267). Danach müssen die Steuerpflichtigen ihre steuerlichen Verpflichtungen kennen, bevor sie ein Geschäft abschließen (Rz 29). Dieser Anforderung genügt § 17a UStDV in seiner Auslegung durch den erkennenden Senat. Die Angabe eines Bestimmungsorts ist nicht mit der eines Bestimmungslandes gleichzusetzen.

24

Im Übrigen ergibt sich aus dem EuGH-Urteil Traum (EU:C:2014:2267) nicht, dass einem Steuerpflichtigen, der der Verpflichtung zur Beibringung eines der Art nach vollständigen Belegnachweises nicht nachkommt, eine Steuerfreiheit aus Gründen des Vertrauensschutzes zu gewähren ist. Ob die Klägerin im Hinblick auf andere Umstände als die Nichterfüllung der Verpflichtung zur Beibringung von Angaben zu den Bestimmungsorten der Lieferungen gutgläubig gehandelt hat, ist daher unerheblich. Überlegungen zum Vertrauensschutz gleichen formal nur unvollständig erfüllte Belegpflichten nicht aus.

25

4. Auf die weiteren Überlegungen des FG kommt es somit nicht mehr an.

26

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Das Bundeszentralamt für Steuern bestätigt auf Anfrage

1.
dem Unternehmer im Sinne des § 2 die Gültigkeit einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift der Person, der die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer von einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde;
2.
dem Lagerhalter im Sinne des § 4 Nr. 4a die Gültigkeit der inländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift des Auslagerers oder dessen Fiskalvertreters;
3.
dem Betreiber im Sinne des § 25e Absatz 1 die Gültigkeit einer inländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer sowie den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers im Sinne des § 25e Absatz 2 Satz 1.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen Personenfahrzeugen und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien aus. Abnehmer waren die italienischen Firmen RR, RY und ET, bei denen es sich jeweils um Kapitalgesellschaften italienischen Rechts handelte. RR und RY wurden bei den Vertragsschlüssen mit dem Kläger von S vertreten, die im Inland in P wohnte und der sie jeweils Generalvollmacht erteilt hatten. S überwies den Kaufpreis jeweils über inländische Bankkonten, die sie für zwei der Firmen eingerichtet hatte.

2

Mit Schreiben vom 10. November 2003 an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und vom 6. Februar 2004 an das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung teilte die italienische Staatsanwaltschaft mit, dass RR, RY und ET bei innergemeinschaftlichen Erwerben von Fahrzeugen die Erwerbsteuer hinterzogen hätten. Die Geschäfte der drei Firmen seien von S und D geführt worden. Die Firmen hätten ihre Tätigkeit jedenfalls nicht an ihrem jeweiligen Sitz in Italien ausgeübt. Die Verkäufer hätten von der Steuerhinterziehung zugunsten der drei Firmen gewusst. Die von RR, RY und ET erworbenen Fahrzeuge seien von diesen an andere Abnehmer verkauft worden und direkt aus Deutschland zu diesen Abnehmern verbracht worden.

3

Gegen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im Anschluss an den Steuerfahndungsbericht vom 11. August 2005 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 11. Oktober 2005. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erfolgte eine nochmalige Änderung für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 31. Juli 2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage überwiegend statt. In der mündlichen Verhandlung sagte das FA zu, die Bescheide für beide Streitjahre in zwei Einzelpunkten zu ändern. Das FG stützte die Klagestattgabe darauf, es sei nicht zweifelhaft, dass RR, RY und ET Vertragspartner und Abnehmer der Lieferungen seien. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) erteilten Bestätigungen. Der Kläger habe auch den Buchnachweis geführt. Alle Fahrzeuge seien tatsächlich nach Italien verbracht worden.

5

Für die Lieferungen an RR und RY, bei denen Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgt seien, liege der Belegnachweis vor. Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Absender an.

6

Der Nachweis des Bestimmungsorts ergebe sich darüber hinaus aus den in den Rechnungen ausgewiesenen Anschriften der RR, RY und ET. Für den Kläger hätten bei Beachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine Verdachtsmomente bestanden. Es habe sich um Lieferungen im Rahmen normaler Handelsgeschäfte gehandelt. Der Kläger habe nicht an einer Vermeidung der Erwerbsbesteuerung durch seine Abnehmer mitgewirkt. In den Beförderungsfällen hätten Versicherungen vorgelegen, die Fahrzeuge nach Italien zu befördern. Soweit in einzelnen Fällen Name und Anschrift des Abholers nicht ausreichend vermerkt oder nicht lesbar sei, stehe dies der Steuerfreiheit nicht entgegen. Steuerfrei sei auch eine Ausfuhrlieferung an PA nach San Marino.

7

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1537 veröffentlicht.

8

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die CMR-Frachtbriefe seien nicht als Versendungsbelege anzuerkennen. Zwar komme es nicht auf die Bestätigung des Warenerhalts in Feld 24 durch den Empfänger an. Frachtführer und Absender müssten aber den Frachtbrief wie im Formular vorgesehen unterschreiben. Erst aufgrund der Unterschrift des Frachtführers komme dem Frachtbrief Beweiswirkung zu. Soweit in den CMR-Frachtbriefen der inländische Ort P oder nur Italien als Bestimmungsort genannt werde, reiche dies nicht aus. Der Rechnungsanschrift könne dann keine Bedeutung beigemessen werden. Es fehlten auch Angaben zu den Fahrzeugidentifikationsnummern und den Ausfertigungsdaten. In den Abholfällen lägen keine Belegangaben vor. Das FG habe insoweit unter Missachtung der Beweislastverteilung entschieden, dass die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien. Bei den Lieferungen an ET seien die Fahrzeuge von dem im Inland ansässigen G abgeholt worden, ohne dass hinreichende Belegangaben zu dessen Namen und Anschrift vorgelegen hätten. Der nachträglichen Verbringungsbestätigung, die mit unbekannter Unterschrift versehen sei, komme keine Beweiswirkung zu. Soweit das FG allgemein davon ausgegangen sei, dass die Lieferungen aufgrund der objektiven Beweislage steuerfrei seien, sei nicht erkennbar, auf welche Umstände sich das FG dabei stütze. Soweit die Belegnachweise mangelhaft seien, komme entgegen dem FG-Urteil auch kein Vertrauensschutz in Betracht.

9

Das FA beantragt,

das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als das FG Lieferungen in Höhe von 38.567,28 € in 2001 und in Höhe von 288.240 € in 2002 als steuerfrei anerkannt hat und diese als steuerpflichtige Umsätze anzusetzen.

10

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet abzuweisen.

11

Er sei seinen Nachweispflichten nachgekommen. Dass italienische Ermittlungsbehörden im Nachhinein die aufgezeichneten Abnehmer als wirtschaftlich nicht existent bezeichneten, reiche zur Versagung der Steuerfreiheit nicht aus. RR und RY seien zivilrechtlich seine Vertragspartner gewesen. Sie seien wirksam durch S aufgrund ihrer Generalvollmacht verpflichtet worden. Er habe sich hinsichtlich der CMR-Frachtbriefe entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch als Versender ansehen dürfen. Er habe auch qualifizierte Bestätigungsabfragen hinsichtlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern seiner Abnehmer vorgenommen. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit seien auch objektiv erfüllt. Wie den Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft zu entnehmen sei, seien die Fahrzeuge nicht direkt zu den Abnehmern RR, RY und ET, sondern im Rahmen von Reihengeschäften zu deren Abnehmern gelangt. Dies zeige, dass RR, RY und ET die Fahrzeuge zuvor innergemeinschaftlich erworben hätten. Welche Anforderungen an den Objektivnachweis der Steuerfreiheit zu stellen seien, obliege der tatrichterlichen Würdigung. Das FA wende sich nur gegen die Beweiswürdigung des FG.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist im Umfang des Revisionsantrags begründet. Das Urteil des FG ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache ist insoweit an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorliegen.

13

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

14

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

15

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/ die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

16

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

17

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

18

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

19

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

20

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

21

Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern, um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstands zu vermeiden, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts nunmehr die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

22

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben, da es § 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 UStDV verletzt.

23

a) Soweit im Streitfall Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgten, hat das FG zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das FG aber, dass derartige Frachtbriefe nur als Versendungsbeleg anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

24

Nach dem Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3. muss ein CMR-Frachtbrief nicht die dort in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung enthalten, um als Versendungsbeleg i.S. von § 17a Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV anerkannt zu werden. Der Senat hat dies insbesondere auf einen Vergleich mit den Angaben gestützt, die bei der Erstellung einer steuerrechtlichen Versandbestätigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV zu machen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3.c aa). Dementsprechend sind CMR-Frachtbriefe umsatzsteuerrechtlich als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

25

Wie das FG zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem BMF-Schreiben vom 5. Mai 2010 (BStBl I 2010, 508 Rdnr. 36; ebenso Abschn. 6a.4 Abs. 3 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) die Beurteilung als Versendungsbeleg i.S. des § 10 Abs. 1 UStDV nicht voraus, dass der Auftraggeber des Frachtführers (Versender) den Frachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die UStDV auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines Frachtbriefs als Versendungsbeleg hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des BMF, ohne Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf dem Versendungsbeleg verzichtet.

26

b) Gleichwohl sind die streitigen CMR-Frachtbriefe keine ausreichenden Versendungsbelege.

27

So enthalten die vom FG in Bezug genommenen CMR-Frachtbriefe vom 12. September 2002 und vom 17. Januar 2002 (Bl. 40 und 41 der Beweismittelakte) entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e UStDV keine Angaben zum Auslieferungsort, während ein weiterer CMR-Frachtbrief entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV keine Angaben zum Ausstellungstag enthält und darüber hinaus als Auslieferungsort P im Inland angibt (CMR ohne Datum, Bl. 70 der Beweismittelakte).

28

Soweit die Fahrzeuge durch Frachtführer mit CMR-Frachtbriefen versendet wurden, genügt somit nur der am 27. Februar 2002 ausgefertigte CMR-Frachtbrief (Bl. 39 der Beweismittelakte) den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV. Er weist S als Absender, RY als Empfänger, den Ort S.L. in Italien sowie die beförderten Gegenstände als "7 Stück Mercedes A 170", weiter gekennzeichnet mit einer jeweils sechsstelligen Zahlenkombination, aus.

29

c) Auch in den Beförderungsfällen bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben, so dass entgegen dem FG-Urteil kein hinreichender Belegnachweis vorliegt. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts nach dem Senatsurteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03 (BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c) aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird. Letzteres erscheint aber im Hinblick auf das Vorliegen von Reihengeschäften, von dem die italienischen Behörden ausgehen, zweifelhaft.

30

d) Liegen somit die Voraussetzungen des Belegnachweises nicht vor oder bestehen an den Belegangaben zumindest begründete Zweifel, ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Feststellungen das FG davon ausgegangen ist, dass nach objektiver Beweislage zweifelsfrei feststehen soll, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen (s. oben II.2.). Ob sich dies für die einzelnen Lieferungen aus den allgemeinen Mitteilungen der italienischen Behörden ergibt, die sich pauschal auf "tausende von Kraftfahrzeugen" (Beweismittelakte Bl. 2) durch eine Vielzahl deutscher Lieferanten (Beweismittelakte Bl. 10 f.) beziehen, ist nicht erkennbar. Auch fehlen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Fahrzeuge in Italien --oder im Fall der Lieferung nach San Marino-- in San Marino zugelassen wurden.

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

32

a) Gegen die Würdigung des FG, dass RR, RY und ET Abnehmer der Lieferungen waren, bestehen revisionsrechtlich jedenfalls keine Bedenken, soweit diese --was nach den Feststellungen des FG nicht eindeutig ist-- von S vertreten wurden.

33

Im Streitfall waren nach den zwischen dem Kläger und S als bevollmächtigte Vertreter für RR und RY abgeschlossenen Verträgen, die den Lieferungen zugrunde lagen (s. oben II.2.b), RR und RY Abnehmer. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die zwischen dem Kläger und S als Vertreter abgeschlossenen Verträge Scheingeschäfte waren (§ 41 Abs. 2 AO), die andere Rechtsgeschäfte des Klägers mit den Kunden der RR und RY verdecken sollten. Dies scheitert bereits daran, dass dem Kläger diese Kunden nicht bekannt waren.

34

b) Sollten RR, RY und ET entsprechend der Mitteilung der italienischen Staatsanwaltschaft die Fahrzeuge an andere Abnehmer weiterverkauft haben, wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

35

Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Kommt es bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, kann nach der Rechtsprechung des EuGH die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die dann als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, UR 2006, 342, Leitsatz 1).

36

Erklärt der Ersterwerber gegenüber dem ersten Lieferer, den Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, handelt er weiter dabei unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und holt er den gelieferten Gegenstand beim ersten Lieferer mit einem LKW und Fahrer des Zweiterwerbers ab, ist die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen, so dass der Erstlieferer die innergemeinschaftliche Lieferung ausführt (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 15 und 35). Weder die Beteiligung des Zweiterwerbers an der Beförderung noch die Beförderung zu einer anderen Adresse als der des Ersterwerbers führen zu einer Zuordnung der Beförderung zur zweiten Lieferung (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 41 f.). Danach kann es sich im Streitfall bei den Lieferungen des Klägers auch dann um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt haben, wenn die Fahrzeuge nicht zu seinen Abnehmern, die dann als Zwischenhändler anzusehen wären, sondern zu den Abnehmern der Zwischenhändler befördert oder versendet wurden.

37

c) Soweit das FG im zweiten Rechtgang feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und Buchnachweis zwar vollständig erbracht hat, wozu auch Angaben zur Identität und Anschrift des Abholers gehören (Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1), die Beleg- und Buchangaben aber z.B. hinsichtlich des Bestimmungsorts der Lieferungen inhaltlich unzutreffend sind (s. oben II.3.b und c) und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist (s. oben II.2.c), kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte. War z.B. für den Kläger auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar, dass Reihengeschäfte vorliegen und die gelieferten Fahrzeuge entgegen den Angaben seiner Abnehmer nicht zum Unternehmensort der Abnehmer befördert oder versendet werden sollten, kann Vertrauensschutz zu gewähren sein.

38

Einer Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG stehen dann auch nicht die Grundsätze des EuGH-Urteils R in UR 2011, 15 entgegen. Zwar ist danach auch eine tatsächlich stattgefundene innergemeinschaftliche Lieferung steuerpflichtig, wenn der Lieferer "die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz). An einer derartigen Verschleierung fehlt es aber, wenn der Unternehmer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns davon ausgehen durfte, dass seine Vertragspartner auch die "wirklichen" Abnehmer sind und für ihn das Vorliegen eines Reihengeschäfts nicht erkennbar ist (s. oben II.4.a).

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 6. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, dem Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerfirma und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Der Kläger hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Firma der Abnehmerin zu seinen Unterlagen genommen. Dem Kläger lag weiter eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen (BfF) vor, die die angefragten Angaben nur hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerfirma nicht bestätigte. Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma R abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Diese Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den Namen oder die Firma des Klägers. Eine Verbindung zur Lieferung des Klägers ergab sich nur über die Anzahl der Fahrzeuge, den Fahrzeugtyp und die Angabe einer Rechnungsnummer, die der in der Rechnung vom 6. Dezember 2005 angegebenen Nummer entsprach.

2

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 29. September 2006 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Der Kläger habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Hierfür komme es nicht auf belegmäßige Vollmachten an. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Der Kläger habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass der Kläger Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmer tätig gewesen sei. Dass die Bestätigungsanfragen beim BfF von der Firma R durchgeführt worden seien, sei unerheblich. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen, wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Der Kläger könne aber Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, der Kläger nicht erkennen konnte, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für den Kläger auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht wurden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung des Klägers in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

4

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Verbringungsversicherung sei gegenüber einer anderen Firma abgegeben worden und wirke daher nicht für den Kläger. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne auch bei Reihengeschäften nicht verzichtet werden. Der Kläger habe auf eine fremde Bestätigungsabfrage hinsichtlich der USt-Id-Nr. vertraut und die Identität des Abnehmers nicht durch Vorlage eines Kaufvertrages nachgewiesen. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihm habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung ihrer USt-Id-Nr. und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Er habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

9

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfrei sein.

10

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

11

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

12

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 (UStDV) nachzuweisen.

13

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

15

2. Der Kläger hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

18

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

19

b) Im Streitfall hat der Kläger den Belegnachweis nicht erbracht.

20

aa) Der Kläger hat über die Fahrzeuglieferung keine §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist.

21

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen.

22

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

23

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, BFH/NV 2010, 1225 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15, Rdnr. 37).

24

bb) Darüber hinaus liegt auch nicht der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis vor. Zwar hat der von der Abnehmerin Beauftragte versichert, die in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge nach Italien zu verbringen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Firma R abgegeben, die möglicherweise gleichfalls Fahrzeuge zur Lieferung nach Italien verkauft hatte. Mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, kann der Nachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nicht geführt werden. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung wird durch eine derartige Erklärung auch nicht hergestellt, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- nur eine Bezugnahme auf die Nummer der für diese Lieferung ausgestellten Rechnung enthält und im Übrigen lediglich den Liefergegenstand, der ggf. auch von Dritten geliefert werden kann, umschreibt. Dies genügt dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17a Abs. 1 UStDV) nicht.

25

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

26

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der gelieferten Fahrzeuge auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmer anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

27

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

28

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

31

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Belegnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn der Kläger hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegt auch keine ihm gegenüber abgegebene Verbringungserklärung vor (s. oben II.2.b). Der Kläger hat daher nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihm ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass dem Kläger eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Belegnachweises nicht.

32

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Kläger die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG entgegen dem Urteil des FG nicht beanspruchen kann.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 6. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, dem Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerfirma und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Der Kläger hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Firma der Abnehmerin zu seinen Unterlagen genommen. Dem Kläger lag weiter eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen (BfF) vor, die die angefragten Angaben nur hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerfirma nicht bestätigte. Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma R abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Diese Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den Namen oder die Firma des Klägers. Eine Verbindung zur Lieferung des Klägers ergab sich nur über die Anzahl der Fahrzeuge, den Fahrzeugtyp und die Angabe einer Rechnungsnummer, die der in der Rechnung vom 6. Dezember 2005 angegebenen Nummer entsprach.

2

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 29. September 2006 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Der Kläger habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Hierfür komme es nicht auf belegmäßige Vollmachten an. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Der Kläger habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass der Kläger Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmer tätig gewesen sei. Dass die Bestätigungsanfragen beim BfF von der Firma R durchgeführt worden seien, sei unerheblich. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen, wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Der Kläger könne aber Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, der Kläger nicht erkennen konnte, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für den Kläger auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht wurden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung des Klägers in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

4

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Verbringungsversicherung sei gegenüber einer anderen Firma abgegeben worden und wirke daher nicht für den Kläger. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne auch bei Reihengeschäften nicht verzichtet werden. Der Kläger habe auf eine fremde Bestätigungsabfrage hinsichtlich der USt-Id-Nr. vertraut und die Identität des Abnehmers nicht durch Vorlage eines Kaufvertrages nachgewiesen. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihm habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung ihrer USt-Id-Nr. und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Er habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

9

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfrei sein.

10

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

11

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

12

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 (UStDV) nachzuweisen.

13

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

15

2. Der Kläger hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

18

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

19

b) Im Streitfall hat der Kläger den Belegnachweis nicht erbracht.

20

aa) Der Kläger hat über die Fahrzeuglieferung keine §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist.

21

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen.

22

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

23

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, BFH/NV 2010, 1225 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15, Rdnr. 37).

24

bb) Darüber hinaus liegt auch nicht der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis vor. Zwar hat der von der Abnehmerin Beauftragte versichert, die in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge nach Italien zu verbringen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Firma R abgegeben, die möglicherweise gleichfalls Fahrzeuge zur Lieferung nach Italien verkauft hatte. Mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, kann der Nachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nicht geführt werden. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung wird durch eine derartige Erklärung auch nicht hergestellt, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- nur eine Bezugnahme auf die Nummer der für diese Lieferung ausgestellten Rechnung enthält und im Übrigen lediglich den Liefergegenstand, der ggf. auch von Dritten geliefert werden kann, umschreibt. Dies genügt dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17a Abs. 1 UStDV) nicht.

25

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

26

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der gelieferten Fahrzeuge auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmer anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

27

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

28

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

31

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Belegnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn der Kläger hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegt auch keine ihm gegenüber abgegebene Verbringungserklärung vor (s. oben II.2.b). Der Kläger hat daher nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihm ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass dem Kläger eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Belegnachweises nicht.

32

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Kläger die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG entgegen dem Urteil des FG nicht beanspruchen kann.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Autohändler und lieferte 13 gebrauchte PKW am 6. Dezember 2005 für insgesamt 46.150 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 6. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, dem Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerfirma und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Der Kläger hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Firma der Abnehmerin zu seinen Unterlagen genommen. Dem Kläger lag weiter eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen (BfF) vor, die die angefragten Angaben nur hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerfirma nicht bestätigte. Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma R abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Diese Erklärung enthielt keinen Hinweis auf den Namen oder die Firma des Klägers. Eine Verbindung zur Lieferung des Klägers ergab sich nur über die Anzahl der Fahrzeuge, den Fahrzeugtyp und die Angabe einer Rechnungsnummer, die der in der Rechnung vom 6. Dezember 2005 angegebenen Nummer entsprach.

2

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 29. September 2006 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das FG der Klage statt. Der Kläger habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Hierfür komme es nicht auf belegmäßige Vollmachten an. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Der Kläger habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass der Kläger Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmer tätig gewesen sei. Dass die Bestätigungsanfragen beim BfF von der Firma R durchgeführt worden seien, sei unerheblich. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen, wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Der Kläger könne aber Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, der Kläger nicht erkennen konnte, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für den Kläger auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht wurden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung des Klägers in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

4

Mit seiner Revision macht das FA Verletzung materiellen Rechts geltend. Der Kläger habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Verbringungsversicherung sei gegenüber einer anderen Firma abgegeben worden und wirke daher nicht für den Kläger. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne auch bei Reihengeschäften nicht verzichtet werden. Der Kläger habe auf eine fremde Bestätigungsabfrage hinsichtlich der USt-Id-Nr. vertraut und die Identität des Abnehmers nicht durch Vorlage eines Kaufvertrages nachgewiesen. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

5

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7

Er habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihm habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung ihrer USt-Id-Nr. und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Er habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

9

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a des Umsatzsteuergesetzes 1999/2005 (UStG) steuerfrei sein.

10

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

11

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

12

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999/2005 (UStDV) nachzuweisen.

13

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b).

15

2. Der Kläger hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

18

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

19

b) Im Streitfall hat der Kläger den Belegnachweis nicht erbracht.

20

aa) Der Kläger hat über die Fahrzeuglieferung keine §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist.

21

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen.

22

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 64 f.).

23

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung. Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2007 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, BFH/NV 2010, 1225 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 15, Rdnr. 37).

24

bb) Darüber hinaus liegt auch nicht der gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV im Abholfall erforderliche Verbringungsnachweis vor. Zwar hat der von der Abnehmerin Beauftragte versichert, die in der Rechnung aufgeführten Fahrzeuge nach Italien zu verbringen. Diese Erklärung wurde jedoch nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber der Firma R abgegeben, die möglicherweise gleichfalls Fahrzeuge zur Lieferung nach Italien verkauft hatte. Mit einer gegenüber einer anderen Person als dem Unternehmer abgegebenen Verbringungserklärung, die den liefernden Unternehmer auch nicht namentlich bezeichnet, kann der Nachweis nach § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV nicht geführt werden. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Lieferung und Beförderung wird durch eine derartige Erklärung auch nicht hergestellt, wenn die Erklärung --wie im Streitfall-- nur eine Bezugnahme auf die Nummer der für diese Lieferung ausgestellten Rechnung enthält und im Übrigen lediglich den Liefergegenstand, der ggf. auch von Dritten geliefert werden kann, umschreibt. Dies genügt dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17a Abs. 1 UStDV) nicht.

25

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

26

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der gelieferten Fahrzeuge auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmer anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen.

27

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

28

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

29

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

30

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt.

31

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Belegnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn der Kläger hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegt auch keine ihm gegenüber abgegebene Verbringungserklärung vor (s. oben II.2.b). Der Kläger hat daher nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihm ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass dem Kläger eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Belegnachweises nicht.

32

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da der Kläger die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG entgegen dem Urteil des FG nicht beanspruchen kann.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Autohändlerin. Sie lieferte am 6. Dezember 2005 zehn gebrauchte PKW (Smart) für (10 x 3.500 € =) 35.000 € an die in Italien ansässige Abnehmerin P.R. Die vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommene Rechnung vom 5. Dezember 2005 wies zwar keine Umsatzsteuer aus, enthielt jedoch auch keinen Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder auf deren Steuerfreiheit. Die Rechnung war mit einem Firmenstempel der Abnehmerin und einer nicht leserlichen Unterschrift versehen. Der Rechnung beigefügt war eine nicht datierte Vollmacht in deutscher Sprache für F, den Sohn der P.R., die den Stempel der Abnehmerin und eine Unterschrift mit dem Namenszug P.R. trug. Die Klägerin hatte darüber hinaus eine Ausweiskopie der P.R., Bescheinigungen über deren steuerrechtliche Erfassung in Italien und eine Handelskammereintragung der Abnehmerin zu ihren Unterlagen genommen. Der Klägerin lag ferner eine qualifizierte Bestätigungsantwort des Bundesamts für Finanzen vor, die nur die angefragten Angaben hinsichtlich der Rechtsform der Abnehmerin nicht bestätigte.

2

Die Fahrzeuge wurden von F abgeholt und auf einen Fahrzeugtransporter verladen. Die Klägerin hat keine Aufzeichnungen über den Namen und die Anschrift des F geführt, keine Erkundigungen über seine Vollmacht eingeholt und keine Kopie seiner Ausweispapiere gefertigt. Der Kaufpreis wurde bar bezahlt. F unterschrieb eine auf Briefpapier der Firma der Klägerin abgefasste Erklärung, nach der er zahlen- und typmäßig umschriebene Fahrzeuge nach Italien überführe. Er hat nach den unstreitigen Feststellungen des FG die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-Id-Nr.) der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen.

3

Aufgrund einer Mitteilung der italienischen Finanzverwaltung, nach der P.R. weder über einen Sitz noch einen für die Ausstellung von Fahrzeugen geeigneten Platz verfüge und weiter nie einen Autohandel betrieben habe, ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Nachschau davon aus, dass die Lieferung an P.R. steuerpflichtig sei, und erließ am 8. Februar 2007 einen geänderten Umsatzsteuerjahresbescheid für das Streitjahr 2005. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage statt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis erbracht. Die Vollmacht für den Abholer sei nicht Bestandteil des Belegnachweises. Die Unterschriften auf Vollmacht und Personalausweis stimmten hinreichend überein. Die Klägerin habe nicht der Frage nachgehen müssen, ob P.R. den Inhalt der in schlechtem Deutsch verfassten Vollmacht verstanden habe. Die Identität des F, der die Fahrzeuge als Bevollmächtigter abgeholt habe, sei nicht streitig. Es sei ausreichend, dass die Klägerin Einsicht in den Personalausweis des F genommen habe, ohne diesen zu kopieren. Aus dem italienischen Handelskammerauszug habe sich hinreichend klar ergeben, dass P.R. als Einzelunternehmerin tätig gewesen sei. Als belegmäßige Angabe des Bestimmungsorts reiche die Angabe des Bestimmungslandes Italien aus. Die wirtschaftliche Inaktivität der Abnehmerin P.R. stehe der Steuerfreiheit ebenso wenig entgegen wie der Betrieb eines Einzelunternehmens durch den Bevollmächtigten F im Inland. Allerdings sei zweifelhaft, ob die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien, da es sich bei F um einen Betrüger gehandelt habe, der unter dem Namen der P.R. eigene Geschäfte betrieben habe. Da weiter zumindest bei einem Fahrzeug, das zeitgleich von einem Veräußerer Y an die Abnehmerin P.R. verkauft worden sei, erhebliche Zweifel an der Verbringung nach Italien bestünden, sei der Wahrheitsgehalt der Erklärung des F, die Fahrzeuge nach Italien zu verbringen, insgesamt zweifelhaft. Die Klägerin könne aber Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch nehmen, da die Beleg- und Buchnachweise vollständig seien, die Klägerin nicht habe erkennen können, dass F entgegen der Bevollmächtigung ein Eigengeschäft vorgenommen habe, und für die Klägerin auch nicht erkennbar gewesen sei, dass die Fahrzeuge nicht nach Italien verbracht würden. Es liege auch keine Verletzung von Sorgfaltspflichten vor. Für Hinweise auf eine Einbindung der Klägerin in einen Steuerbetrug gebe es keinen Anhaltspunkt.

5

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Die Klägerin habe den Belegnachweis nicht erbracht. Es sei unklar, ob es sich um eine Beförderung oder eine Versendung gehandelt habe. Im Fall einer Beförderung hätte das FG bei seiner Beweiswürdigung nicht von einer feststehenden Identität des Abholers ausgehen dürfen. Die Klägerin habe keinen wirksamen Verbringungsnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) vorgelegt. Auf die Angabe des Bestimmungsorts könne nicht verzichtet werden. Im Streitfall liege kein Reihengeschäft vor. Die Klägerin habe den Buchnachweis nicht erbracht. Sie habe keine Aufzeichnungen über Namen und Anschrift des Fahrzeugabholers geführt. Weiter fehle ein Nachweis der Bevollmächtigung für den Vertragsabschluss. Die angebliche Abnehmerin P.R. habe nie einen Autohandel betrieben.

6

Das FA beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Ihr habe ein italienischer Handelskammerregisterauszug über P.R., eine Bestätigung der USt-Id-Nr. der P.R., die Vollmacht für den Abholer und ein Verbringungsnachweis vorgelegen. Sie habe auch den Personalausweis des Bevollmächtigten eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Lieferung der Fahrzeuge ist nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei.

10

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

11

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

12

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG).

13

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.1.c).

15

2. Die Klägerin hat die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen.

16

a) Der Unternehmer hat die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV beleg- und buchmäßig nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),

2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,

3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie

4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

"... 1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;

2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;

...

9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Im Streitfall hat die Klägerin den Beleg- und Buchnachweis nicht erbracht.

21

aa) Die Klägerin hat über die Fahrzeuglieferung keine den §§ 14, 14a UStG entsprechende Rechnung ausgestellt. Die Rechnung enthielt zwar keinen Steuerausweis, jedoch auch nicht den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 UStG zusätzlich erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung. Bereits vor der Neuregelung der §§ 14, 14a UStG 1999 durch das Steueränderungsgesetz 2003 vom 15. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2645) war der Unternehmer, der steuerfreie Lieferungen i.S. des § 6a UStG ausführt, seit 1993 gemäß § 14a Abs. 1 UStG zur Ausstellung von Rechnungen verpflichtet, in denen er auf die Steuerfreiheit hinweist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

22

Mit einer Rechnung, die keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung enthält, kann der Unternehmer ebenso wenig wie mit einer Rechnung über eine der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegende Lieferung ohne den entsprechenden Hinweis (BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II.2.a cc und b) den gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV erforderlichen Belegnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung führen (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

23

Maßgeblich ist insoweit, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 22 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG die Pflichten vorsehen können, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Förmlichkeiten beim Grenzübertritt führen, wobei vom Lieferanten gefordert werden kann, dass er alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 774, Rz 64 f.; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

24

Zu den Maßnahmen, die danach zulässigerweise vom Unternehmer gefordert werden können, gehört auch die Erteilung einer Rechnung, die auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und deren Steuerfreiheit hinweist. Denn ohne derartige Rechnung ergibt sich für den Abnehmer der Lieferung kein Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung und der hiermit verbundenen Verpflichtung zur Vornahme der Erwerbsbesteuerung (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa). Das Rechnungsdoppel i.S. von § 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV dient dabei dadurch dem Nachweis der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG, weil sich aus ihm ergeben soll, dass es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung handelt, die zusammen mit dem innergemeinschaftlichen Erwerb zu einem innergemeinschaftlichen Umsatz gehört. Beides bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Rz 23 f., 36 f. und 41; vgl. auch EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-146/05 --Collée--, Slg. 2007, I-7861, UR 2007, 813, Rz 22; vom 27. September 2007 C-184/05 --Twoh International--, Slg. 2007, I-7897, UR 2007, 782, Rz 22; vom 22. April 2010 C-536/08 und C-539/08 --X und Facet Trading--, Slg. 2010, I-3581, BFH/NV 2010, 1225, Rz 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, UR 2011, 15, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2010, 2572, Rz 37; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.2.b aa).

25

bb) Darüber hinaus liegen auch keine gemäß § 17c Abs. 2 Nr. 2 UStDV im Abholfall erforderlichen Aufzeichnungen über die Anschrift des Beauftragten der P.R. vor.

26

In der Vollmacht sind lediglich der Name, das Geburtsdatum und der Geburtsort von F vermerkt. Die Anschrift von F ist auch nicht in der Rechnung oder der Verbringungserklärung enthalten. Die Klägerin hat keine Kopie der Ausweispapiere des F gefertigt. Zwar trägt die Klägerin vor, sie habe den Personalausweis des F eingesehen, ihn mit der Bevollmächtigung verglichen und die Identität des F festgestellt. Dies genügt jedoch dem Erfordernis einer eindeutigen und leicht nachprüfbaren Nachweisführung (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV) nicht.

27

3. Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nicht beleg- und buchmäßig nachweisen kann, ist grundsätzlich berechtigt, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (s. oben II.1.c; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.). Ein Sonderfall, bei dem dieses Recht nicht besteht, wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (EuGH-Urteil in UR 2011, 15, DStR 2010, 2572), liegt im Streitfall nach den Feststellungen des FG nicht vor.

28

Nach den für den Senat gleichfalls bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht aber nicht objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen. Ohne Rechtsverstoß konnte das FG dies darauf stützen, dass die Abnehmerin der Lieferung, P.R., nach der Auskunft der italienischen Finanzverwaltung kein Fahrzeughändler war, der von der Abnehmerin Beauftragte demgegenüber im Inland als Fahrzeughändler tätig war und einzelne der zeitgleich von dem Veräußerer Y gelieferten Fahrzeuge, die ebenfalls in der gemeinsamen Verbringungserklärung enthalten sind, auch nach der Lieferung im Inland zugelassen waren. Dass die Abnehmerin aufgrund einer qualifizierten Bestätigungsabfrage als Unternehmerin anzusehen war, reicht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Streitfalls nicht aus, um die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. F hat nach den Feststellungen des FG die USt-Id-Nr. der P.R. benutzt, um Mehrwertsteuerbetrug zu begehen (vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.3.).

29

4. Die Lieferung ist entgegen dem FG-Urteil auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

30

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

31

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil in Slg. 2007, I-7797, UR 2007, 774, Leitsatz 3; BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.a).

32

b) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

33

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Beleg- und Buchnachweis in mehrfacher Hinsicht unvollständig ist. Denn die Klägerin hat keine Rechnung mit dem erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung erteilt; weiter liegen auch keine Aufzeichnungen über die Anschrift des beauftragten Sohnes der Abnehmerin vor (s. oben II.2.b). Die Klägerin hat daher nicht alle ihr zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um eine objektive Beteiligung an einer Steuerhinterziehung auszuschließen, ohne dass es dabei darauf ankommt, ob ihr ein subjektiver Vorwurf zu machen ist. Dass der Klägerin eine qualifizierte Bestätigungsabfrage zur USt-Id-Nr. der Abnehmerin vorlag, ersetzt das Fehlen des Beleg- und Buchnachweises nicht (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II.4.b).

34

5. Das FG hat danach die Steuerfreiheit der Lieferung zu Unrecht bejaht. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen, da die Klägerin die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht beanspruchen kann.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Hat der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet versendet, hat der Unternehmer den Ausfuhrnachweis durch folgenden Beleg zu führen:

1.
bei Ausfuhranmeldung im elektronischen Ausfuhrverfahren nach Artikel 326 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union mit dem Ausgangsvermerk;
2.
bei allen anderen Ausfuhranmeldungen:
a)
mit einem Versendungsbeleg, insbesondere durch handelsrechtlichen Frachtbrief, der vom Auftraggeber des Frachtführers unterzeichnet ist, mit einem Konnossement, mit einem Einlieferungsschein für im Postverkehr beförderte Sendungen oder deren Doppelstücke, oder
b)
mit einem anderen handelsüblichen Beleg als den Belegen nach Buchstabe a, insbesondere mit einer Bescheinigung des beauftragten Spediteurs; dieser Beleg hat folgende Angaben zu enthalten:
aa)
den Namen und die Anschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers sowie das Ausstellungsdatum,
bb)
den Namen und die Anschrift des liefernden Unternehmers und des Auftraggebers der Versendung,
cc)
die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) des ausgeführten Gegenstands,
dd)
den Ort und den Tag der Ausfuhr oder den Ort und den Tag der Versendung des ausgeführten Gegenstands in das Drittlandsgebiet,
ee)
den Empfänger des ausgeführten Gegenstands und den Bestimmungsort im Drittlandsgebiet,
ff)
eine Versicherung des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers darüber, dass die Angaben im Beleg auf der Grundlage von Geschäftsunterlagen gemacht wurden, die im Gemeinschaftsgebiet nachprüfbar sind, sowie
gg)
die Unterschrift des mit der Beförderung beauftragten Unternehmers.
Hat der Unternehmer statt des Ausgangsvermerks einen Alternativ-Ausgangsvermerk, gilt dieser als Ausfuhrnachweis.

(2) Bei der Ausfuhr von Fahrzeugen im Sinne des § 1b Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Gesetzes, die zum bestimmungsmäßigen Gebrauch im Straßenverkehr einer Zulassung bedürfen, muss

1.
der Beleg nach Absatz 1 auch die Fahrzeug-Identifikationsnummer enthalten und
2.
der Unternehmer zusätzlich über eine Bescheinigung über die Zulassung, die Verzollung oder die Einfuhrbesteuerung im Drittland verfügen.
Satz 1 Nummer 2 gilt nicht in den Fällen, in denen das Fahrzeug mit einem Ausfuhrkennzeichen ausgeführt wird, wenn aus dem Beleg nach Satz 1 Nummer 1 die Nummer des Ausfuhrkennzeichens ersichtlich ist, oder in denen das Fahrzeug nicht im Sinne der Fahrzeug-Zulassungsverordnung auf öffentlichen Straßen in Betrieb gesetzt worden ist und nicht auf eigener Achse in das Drittlandsgebiet ausgeführt wird.

(3) Ist eine Ausfuhr elektronisch angemeldet worden und ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 zu führen, kann dieser die Ausfuhr mit den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 genannten Belegen nachweisen. In den Fällen nach Satz 1 muss der Beleg zusätzlich zu den Angaben nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 die Versendungsbezugsnummer der Ausfuhranmeldung nach Artikel 226 der Durchführungsverordnung zum Zollkodex der Union (Master Reference Number – MRN) enthalten.

(4) Ist es dem Unternehmer nicht möglich oder nicht zumutbar, den Ausfuhrnachweis nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 zu führen, kann er die Ausfuhr wie in Beförderungsfällen nach § 9 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 nachweisen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 21. April 2015  2 K 1430/12 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Organträger einer Organ-GmbH (GmbH), die in den Streitjahren 2007 und 2008 auf Vermittlung des P Kaufverträge mit den in Spanien und der Tschechischen Republik ansässigen Firmen C, M und PA für die Durchführung steuerfreier innergemeinschaftlicher Lieferungen abgeschlossen hatte. Bei diesen Firmen handelte es sich um Scheinunternehmen, deren Existenz und Unternehmereigenschaft P fingiert hatte, um PKW ohne Umsatzsteuerbelastung erwerben zu können. Neben den Rechnungen an die Firmen C, M und PA lagen der GmbH Verbringungserklärungen vor, die der GmbH bei der jeweiligen Abholung übergeben worden waren und in denen als Bestimmungsort Spanien oder Tschechien angegeben war. Die Klägerin zeichnete gemäß § 17c Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) die diesen Firmen erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummern auf. Der Transport der PKW in das übrige Gemeinschaftsgebiet erfolgte nach der Abholung bei der GmbH durch Sammeltransporte aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet.

2

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung bei P ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Lieferungen aufgrund der für die Firmen C, M und PA abgeschlossenen Kaufverträge steuerpflichtig seien und erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide. Ein Einspruch hiergegen hatte nur insoweit Erfolg, als die von der GmbH vereinnahmten Kaufpreise als Gegenleistung behandelt wurden.

3

Die hiergegen eingelegte Klage zum Finanzgericht (FG) wies das FG als unbegründet ab. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) lägen unstreitig nicht vor. Es sei der Klägerin auch kein Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren, da die Klägerin keinen hinreichenden Belegnachweis erbracht habe. Zudem habe die Klägerin nicht in gutem Glauben gehandelt.

4

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Sie habe den Belegnachweis geführt. Er ergebe sich aus dem Rechnungsdoppel und dem Verbringungsnachweis. Die Überlegungen des FG zum Sammeltransport, aus dem sich eine Versendung anstelle einer Beförderung ergebe, seien unerheblich, da auch in Versendungsfällen der Belegnachweis nach den Regelungen zu Beförderungen erbracht werden könne. Zu beachten sei hierzu die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Insoweit wäre ansonsten aufzuklären gewesen, zu welchem Zeitpunkt der Geschäftsführer der GmbH von den Sammeltransporten Kenntnis hatte. Ihr sei auf der Grundlage der zur Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Vertrauensschutz gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG zu gewähren. Bei ihr liege keine eigene leichtfertige Steuerverkürzung vor.

5

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2007 und 2008 vom 1. Oktober 2010 und vom 24. April 2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. März 2012 die Umsatzsteuer 2007 um ... € auf ./. ... € und die Umsatzsteuer 2008 um ... € auf ... € herabzusetzen.

6

Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Das FG habe zutreffend entschieden.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die Lieferungen nicht als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, sondern steuerpflichtig sind.

9

1. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG liegen nicht vor, da es sich bei den als Abnehmer geführten Firmen C, M und PA um Scheinfirmen handelte, so dass es an der gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG erforderlichen Lieferung an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer fehlt.

10

2. Die Klägerin kann die Steuerfreiheit auch nicht aufgrund eines Beleg- und Buchnachweises gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV in Anspruch nehmen. Es fehlt sowohl am Beleg- als auch am Buchnachweis.

11

a) Im Streitfall liegen, wie das FG insoweit zu Recht entschieden hat, Versendungs-, nicht aber Beförderungsfälle vor, da die PKW im maßgeblichen Zeitpunkt des Verlassens des Inlands nicht durch den Lieferer oder den Abnehmer befördert, sondern durch Einschaltung selbständiger Dritter versendet wurden. Versendungsbelege liegen der Klägerin nicht vor. Die Klägerin hat den Belegnachweis aber auch dann nicht erbracht, wenn zu ihren Gunsten zu unterstellen wäre, dass sie zu einer Nachweisführung wie im Beförderungsfall berechtigt wäre (§ 17a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 UStDV a.F.).

12

aa) Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 UStDV a.F. in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen

   

"1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern".

13

Die unionsrechtliche Befugnis zur gesetzlichen Anordnung dieses Belegnachweises ergibt sich aus Art. 131 MwStSystRL (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.1.b zu Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG). Danach wird die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung nur "unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiung[en] sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen".

14

Da sich der Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung nach dem Bestimmungsort der Lieferung richtet, ist diese Angabe zur Wahrung der Korrespondenz von innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb (vgl. BFH-Urteil in BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, unter II.2.a) nicht verzichtbar.

15

bb) Im Streitfall reicht die Nennung eines Bestimmungslandes in den Verbringungserklärungen zur Angabe des Bestimmungsorts nicht aus. Der Bestimmungsort ergibt sich auch nicht aus den für die Lieferungen ausgestellten Rechnungen. Zwar kann sich aus der Rechnungsanschrift im Einzelfall der belegmäßig nachzuweisende Bestimmungsort ergeben. Dies setzt aber voraus, dass von einer Beförderung zu dem in der Rechnung angegebenen Unternehmensort des Abnehmers auszugehen ist (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, unter II.3.c). Dies trifft auf Abrechnungen gegenüber Scheinunternehmen nicht zu.

16

b) Der Buchnachweis ist widerlegt.

17

aa) Der Unternehmer soll nach § 17c Abs. 1 UStDV die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers aufzeichnen.

18

bb) Zwar hat die Klägerin die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern der Firmen C, M und PA aufgezeichnet. Da es sich aber bei diesen Firmen, die die Klägerin als ihre Abnehmer ansah, um Scheinfirmen handelte, ergibt sich aus der Aufzeichnung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern dieser Firmen nicht auch deren Unternehmereigenschaft. Denn steht fest, dass die buchmäßige aufgezeichnete Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mangels tatsächlich fehlender Unternehmereigenschaft diese nicht bezeugen kann, entfällt die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung. Es kann dann nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommen.

19

3. Die Klägerin kann keinen Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG beanspruchen.

20

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl --wie hier-- die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (vgl. zu den unionsrechtlichen Grundlagen BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 29).

21

Die Steuerfreiheit gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachgekommen ist (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

22

b) Im Streitfall hat die Klägerin formal zwar den --entkräfteten-- Buchnachweis (s. oben II.2.b), nicht aber auch den Belegnachweis in der erforderlichen Art erbracht, da die Angaben zu den Bestimmungsorten fehlten (s. oben II.2.a).

23

c) Es besteht kein Widerspruch zum EuGH-Urteil Traum vom 9. Oktober 2014 C-492/13 (EU:C:2014:2267). Danach müssen die Steuerpflichtigen ihre steuerlichen Verpflichtungen kennen, bevor sie ein Geschäft abschließen (Rz 29). Dieser Anforderung genügt § 17a UStDV in seiner Auslegung durch den erkennenden Senat. Die Angabe eines Bestimmungsorts ist nicht mit der eines Bestimmungslandes gleichzusetzen.

24

Im Übrigen ergibt sich aus dem EuGH-Urteil Traum (EU:C:2014:2267) nicht, dass einem Steuerpflichtigen, der der Verpflichtung zur Beibringung eines der Art nach vollständigen Belegnachweises nicht nachkommt, eine Steuerfreiheit aus Gründen des Vertrauensschutzes zu gewähren ist. Ob die Klägerin im Hinblick auf andere Umstände als die Nichterfüllung der Verpflichtung zur Beibringung von Angaben zu den Bestimmungsorten der Lieferungen gutgläubig gehandelt hat, ist daher unerheblich. Überlegungen zum Vertrauensschutz gleichen formal nur unvollständig erfüllte Belegpflichten nicht aus.

25

4. Auf die weiteren Überlegungen des FG kommt es somit nicht mehr an.

26

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Gegen das Urteil des Finanzgerichts (§ 36 Nr. 1) steht den Beteiligten die Revision an den Bundesfinanzhof zu, wenn das Finanzgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Bundesfinanzhof sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Der Bundesfinanzhof ist an die Zulassung gebunden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.