Finanzgericht München Urteil, 16. Juli 2015 - 14 K 2293/13

bei uns veröffentlicht am16.07.2015

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Der Ablehnungsbescheid vom 20. November 2012 und die Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2013 werden aufgehoben und das Finanzamt verpflichtet, die Umsatzsteuer für das Jahr 2010 auf 0 € festzusetzen.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I. Der Kläger ist Musiker (Cellist). Im Jahr 2009 erzielte er Einnahmen in Höhe von 19.575 € durch sein Mitwirken im Orchester X (12.775 €), durch die Erteilung von Musikunterricht an vier Schüler (4.800 €) und durch weitere Leistungen (2.000 €).

Im Jahr Streitjahr (2010) erhielt er für seine Mitwirkung im Orchester X 8.125 €, von einem weiteren Veranstalter 500 €, für die Unterrichtung von 6 Schülern 7.560 €, für Solokonzerte 3.000 €, insgesamt also 19.185 €.

Am 19. Dezember 2011 gab der Kläger seine Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr ab. Darin machte er zunächst Angaben zur Besteuerung der Kleinunternehmer und gab dabei für 2009 einen Umsatz von 19.745 € und für 2010 einen Umsatz von 20.810 € an. Darüber hinaus füllte er auch die Felder für Lieferungen und sonstige Leistungen zum allgemeinen Steuersatz, für die Vorsteuerbeträge sowie für die sich ergebende Umsatzsteuer (3.061,71 €) aus und gab an, dieser Betrag sei noch an die Finanzkasse zu entrichten.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2012 trug er vor, dass er noch immer Kleinunternehmer sei, weil er seine Tätigkeit für das Orchester X nicht selbstständig ausgeübt habe.

Der Beklagte (das Finanzamt – FA –) legte dies als Antrag auf Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr aus und lehnte diese mit Schriftsatz vom 20. November 2012 ab. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juni 2013 als unbegründet zurückwies. Der Kläger habe in seiner Jahressteuererklärung die Steuer nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (UStG) berechnet. Dies sei grundsätzlich eine Option zur Regelbesteuerung. Er könne die Option nicht mehr zurücknehmen, da inzwischen die Steuerfestsetzung formell unanfechtbar geworden sei.

Am 29. Juli 2013 erhob der Kläger Klage. Er wiederholt seine Argumente aus dem Änderungsantrag.

Der Kläger beantragt,

den Ablehnungsbescheid vom 20. November 2012 und die Einspruchsentscheidung vom

25. Juni 2013 aufzuheben sowie das FA zu verpflichten, die Umsatzsteuer für das Jahr 2010 auf 0 € festzusetzen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es trägt weiter vor, ohne Vorlage von entsprechenden Unterlagen könne nicht beurteilt werden, ob der Kläger seine Leistungen für das Orchester X nicht selbständig erbracht habe. Ferner stellt es die Frage, wie der Kläger seinen Lebensunterhalt bestritten habe.

Auf Anfrage des Gericht erklärte der Kläger, dass er Unterricht an „Amateure“ in deren Privatwohnungen zu 30 € je Stunde erteilt habe.

Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten und des weiteren Sachverhalts wird auf die eingereichten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten und die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Gründe

II. Die Klage ist begründet. Der Kläger ist im Streitjahr als Kleinunternehmer zu besteuern.

Er hat die Umsatzgrenzen nicht überschritten und optierte bislang nicht zur Regelbesteuerung.

1. Gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG wird die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz in diesem Sinne ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 19 Abs. 1 Satz 2 UStG). Gesamtumsatz ist gem. § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStG die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, abzüglich im Einzelnen aufgeführter Umsätze nach dem nationalem Recht, u.a. der steuerfreien Umsätze nach 4 Nr. 11 bis 28 UStG.

Mit § 19 UStG hat der nationale Gesetzgeber von seiner Möglichkeit nach Art. 281 ff der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 ABl EG Nr. L 347/1 vom 11. Dezember 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) Gebrauch gemacht, Sonderregelungen für Kleinunternehmer einzuführen. Der Umsatz, der bei der Anwendung der Regelung dieses Abschnitts zugrunde zu legen ist, setzt sich nach Art. 288 Satz 1 Nr. 1 MwStSystRL aus dem Betrag der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, soweit diese besteuert werden, zusammen. Damit gehören nicht zu dem Gesamtumsatz die gem. Art. 132 MwStSystRL befreiten Leistungen.

2. Im Streitfall überschreitet der Kläger die Umsatzgrenzen nicht.

Für das Jahr 2009 ist lediglich ein Gesamtumsatz in Höhe von 14.775 € anzusetzen; bei Unterstellung des allgemeinen Steuersatzes ergibt sich ein Bruttobetrag von 17.139 €. Dieser ist niedriger als die in § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG aufgestellte Umsatzgrenze für das Vorjahr. Für das Streitjahr 2010 ist die Umsatzgrenze eingehalten.

Es kann dahin stehen, ob der Kläger seine Leistungen teilweise nicht selbständig erbracht hat oder ob sie teilweise unter eine nationale Befreiungsvorschrift fallen. Denn jedenfalls ist der von ihm erteilte Musikunterricht nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL steuerfrei. In Höhe der hierauf entfallenden Entgelte ist der Gesamtumsatz aufgrund der Bestimmung des Art. 288 MwStSystRL zu verringern.

a) Gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL befreien die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht. Auf diese Bestimmung kann sich der Steuerpflichtige unmittelbar berufen (BFH-Urteil vom 27. September 2007 V R 75/03, BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323).

Der Privatunterricht ist „privat“ erteilt, wenn er auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung erfolgt (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union –EuGH– vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2007, 592, Rn 30; BFH-Urteil in BFHE 219, 250, BStBl II 2008, 323). Dazu kann z. B. Privatunterricht gehören, bei dem zwischen dem konkreten Inhalt des Unterrichts und den Qualifikationen des Unterrichtenden grundsätzlich ein Zusammenhang besteht (EuGH-Urteil Haderer in UR 2007, 592, Rn 31). Ausgeschlossen ist Privatunterricht, wenn er nicht vom Lehrer selbst angeboten wird (EuGH-Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz, UR 2010, 17, Rn. 52) Die bloße Unternehmereigenschaft reicht also nicht aus (EuGH-Urteil Eulitz in UR 2010, 17, Rn. 47; BFH-Urteil vom 20. März 2014 V R 3/13, BFHE 245, 391, BFH/NV 2014, 1175).

Es kommt nicht darauf an, dass der Privatlehrer an einer Schule oder Hochschule tätig ist, sich an Schüler oder Hochschüler wendet oder es sich um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt (BFH-Urteil in BFHE 245, 391, BFH/NV 2014, 1175).

Musikunterricht ist Schul- und Hochschulunterricht, weil er ein geistiges Gut vermittelt, das Gegenstand der Allgemeinbildung ist (BFH-Urteil vom 20. August 2009 V R 25/08, BFHE 226, 479, BStBl II 2010, 15).

b) Danach sind die Unterrichtsleistungen des Klägers steuerfrei. Sie betreffen Musikunterricht und sind daher Schul- und Hochschulunterricht. Er hat den Unterricht auch privat, d.h. für eigene Rechnung und auf eigene Verantwortung erteilt. Denn er hat ihn selbst und nicht über Dritte angeboten und Einzelunterricht erteilt. Damit sind seine Leistungen im hohen Maße von seinen eigenen Fähigkeiten als Musiker geprägt.

c) Zwar sind die Umsätze nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL nicht nach § 19 Abs. 3 UStG von der Berechnung des Gesamtumsatzes ausgenommen. Allerdings kann sich der Kläger insoweit auf die für ihn günstigere Bestimmung des Art. 288 MwStSystRL berufen, wonach befreite Umsätze nach Art. 132 MwStSystRL nicht zum Gesamtumsatz zählen.

3. Der Kläger hat bislang – entgegen der Auffassung des FA – nicht wirksam zur Besteuerung nach den allgemeinen Grundsätzen optiert.

a) Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung erklären, dass er auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre (§ 19 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG). Maßgeblich ist die formelle Bestandskraft (BFH-Urteil vom 9. Juli 2003 V R 29/02, BFHE 202, 403, BStBl II 2003, 904).

Eine Option zur Regelbesteuerung kann von einem sog. Kleinunternehmer auch durch konkludentes Verhalten in der Weise erklärt werden, dass dieser dem FA auf einem für die Regelbesteuerung vorgesehenen Vordruck eine Umsatzsteuererklärung einreicht, in welcher er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes berechnet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat. Bei der diesbezüglichen Würdigung kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Von ihnen hängt es ab, ob durch das FA der Inhalt einer Steuererklärung zweifelsfrei zugleich als Erklärung zur Ausübung des steuerrechtlichen Gestaltungsrechts aufgefasst werden darf oder ob dem Inhalt eine solche Bedeutung nicht zukommt. In Zweifelsfällen muss das FA den Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 24. Juli 2013 XI R 14/11, BFHE 242, 421, BStBl II 2014, 210, m.w.N.).

b) Hier hat der Kläger zwar auf der Umsatzsteuererklärung die Umsatzsteuer nach allgemeinen Grundsätzen berechnet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht. Zugleich hat er aber auch die vorgesehenen Felder für die Besteuerung nach der Kleinunternehmerregelung ausgefüllt. Seine Angaben sind damit nicht eindeutig.

Zudem hat er dort einen Umsatz für das Vorjahr in Höhe von 19.775 € angegeben, der über der Umsatzgrenze des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG in Höhe von 17.500 € lag. Aus diesen Angaben musste das FA schließen, dass er die Kleinunternehmerregelung gar nicht in Anspruch nehmen konnte und deswegen schon nicht die Wahl hatte, zur allgemeinen Besteuerung zu optieren. Dies schließt es aus, die Erklärung als Ausübung eines Wahlrechts anzusehen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und des Vollstreckungsschutzes folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1, Halbsatz 1, Abs. 3 FGO in Verbindung mit den sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht München Urteil, 16. Juli 2015 - 14 K 2293/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht München Urteil, 16. Juli 2015 - 14 K 2293/13

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht München Urteil, 16. Juli 2015 - 14 K 2293/13 zitiert 7 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 1 Steuerbare Umsätze


(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze: 1. die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund geset

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 19 Besteuerung der Kleinunternehmer


(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf e

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht München Urteil, 16. Juli 2015 - 14 K 2293/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Finanzgericht München Urteil, 16. Juli 2015 - 14 K 2293/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesfinanzhof Urteil, 20. März 2014 - V R 3/13

bei uns veröffentlicht am 20.03.2014

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erbrachte in den Streitjahren 2000 bis 2006 als Diplom-Sozialpädagogin und Diplom-Organisationsberaterin so

Bundesfinanzhof Urteil, 24. Juli 2013 - XI R 14/11

bei uns veröffentlicht am 24.07.2013

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war seit dem 1. Juli 2004 mit dem Handel von Telekommunikationszubehör und Postwertzeichen unternehmerisch täti
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Finanzgericht München Urteil, 16. Juli 2015 - 14 K 2293/13.

Finanzgericht München Urteil, 29. März 2017 - 3 K 855/15

bei uns veröffentlicht am 29.03.2017

Tenor 1. Der Umsatzsteuerbescheid vom 12. März 2013 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 19. April 2013 und die Einspruchsentscheidung vom 6. März 2015 werden aufgehoben. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3.

Referenzen

(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22 000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz im Sinne des Satzes 1 ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Satz 1 gilt nicht für die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Absatz 5, § 14c Abs. 2 und § 25b Abs. 2 geschuldete Steuer. In den Fällen des Satzes 1 finden die Vorschriften über die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a), über den Verzicht auf Steuerbefreiungen (§ 9), über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4), über die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7) und über den Vorsteuerabzug (§ 15) keine Anwendung.

(2) Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4) erklären, dass er auf die Anwendung des Absatzes 1 verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären.

(3) Gesamtumsatz ist die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abzüglich folgender Umsätze:

1.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nummer 11 bis 29 steuerfrei sind;
2.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 steuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind.
Soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 oder § 20), ist auch der Gesamtumsatz nach diesen Entgelten zu berechnen. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen. Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt.

(4) Absatz 1 gilt nicht für die innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge. § 15 Abs. 4a ist entsprechend anzuwenden.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22 000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz im Sinne des Satzes 1 ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Satz 1 gilt nicht für die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Absatz 5, § 14c Abs. 2 und § 25b Abs. 2 geschuldete Steuer. In den Fällen des Satzes 1 finden die Vorschriften über die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a), über den Verzicht auf Steuerbefreiungen (§ 9), über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4), über die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7) und über den Vorsteuerabzug (§ 15) keine Anwendung.

(2) Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4) erklären, dass er auf die Anwendung des Absatzes 1 verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären.

(3) Gesamtumsatz ist die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abzüglich folgender Umsätze:

1.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nummer 11 bis 29 steuerfrei sind;
2.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 steuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind.
Soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 oder § 20), ist auch der Gesamtumsatz nach diesen Entgelten zu berechnen. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen. Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt.

(4) Absatz 1 gilt nicht für die innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge. § 15 Abs. 4a ist entsprechend anzuwenden.

(1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1.
die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt;
2.
(weggefallen)
3.
(weggefallen)
4.
die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (Einfuhrumsatzsteuer);
5.
der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt.

(1a) Die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Eine Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. Der erwerbende Unternehmer tritt an die Stelle des Veräußerers.

(2) Inland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebiets von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freizonen im Sinne des Artikels 243 des Zollkodex der Union (Freihäfen), der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Ausland im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das danach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt. Zollkodex der Union bezeichnet die Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1; L 287 vom 20.10.2013, S. 90) in der jeweils geltenden Fassung.

(2a) Das Gemeinschaftsgebiet im Sinne dieses Gesetzes umfasst das Inland im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 und die Gebiete der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die nach dem Gemeinschaftsrecht als Inland dieser Mitgliedstaaten gelten (übriges Gemeinschaftsgebiet). Das Fürstentum Monaco gilt als Gebiet der Französischen Republik; die Insel Man gilt als Gebiet des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland. Drittlandsgebiet im Sinne dieses Gesetzes ist das Gebiet, das nicht Gemeinschaftsgebiet ist.

(3) Folgende Umsätze, die in den Freihäfen und in den Gewässern und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie bewirkt werden, sind wie Umsätze im Inland zu behandeln:

1.
die Lieferungen und die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen, die zum Gebrauch oder Verbrauch in den bezeichneten Gebieten oder zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt sind, wenn die Gegenstände
a)
nicht für das Unternehmen des Abnehmers erworben werden, oder
b)
vom Abnehmer ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
2.
die sonstigen Leistungen, die
a)
nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden, oder
b)
vom Leistungsempfänger ausschließlich oder zum Teil für eine nach § 4 Nummer 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet werden;
3.
die Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b und die sonstigen Leistungen im Sinne des § 3 Abs. 9a;
4.
die Lieferungen von Gegenständen, die sich im Zeitpunkt der Lieferung
a)
in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung oder
b)
einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden;
5.
die sonstigen Leistungen, die im Rahmen eines Veredelungsverkehrs oder einer Lagerung im Sinne der Nummer 4 Buchstabe a ausgeführt werden;
6.
(weggefallen)
7.
der innergemeinschaftliche Erwerb eines neuen Fahrzeugs durch die in § 1a Abs. 3 und § 1b Abs. 1 genannten Erwerber.
Lieferungen und sonstige Leistungen an juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie deren innergemeinschaftlicher Erwerb in den bezeichneten Gebieten sind als Umsätze im Sinne der Nummern 1 und 2 anzusehen, soweit der Unternehmer nicht anhand von Aufzeichnungen und Belegen das Gegenteil glaubhaft macht.

(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22 000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz im Sinne des Satzes 1 ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Satz 1 gilt nicht für die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Absatz 5, § 14c Abs. 2 und § 25b Abs. 2 geschuldete Steuer. In den Fällen des Satzes 1 finden die Vorschriften über die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a), über den Verzicht auf Steuerbefreiungen (§ 9), über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4), über die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7) und über den Vorsteuerabzug (§ 15) keine Anwendung.

(2) Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4) erklären, dass er auf die Anwendung des Absatzes 1 verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären.

(3) Gesamtumsatz ist die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abzüglich folgender Umsätze:

1.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nummer 11 bis 29 steuerfrei sind;
2.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 steuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind.
Soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 oder § 20), ist auch der Gesamtumsatz nach diesen Entgelten zu berechnen. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen. Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt.

(4) Absatz 1 gilt nicht für die innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge. § 15 Abs. 4a ist entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erbrachte in den Streitjahren 2000 bis 2006 als Diplom-Sozialpädagogin und Diplom-Organisationsberaterin sog. Supervisionsleistungen für Träger der Wohlfahrtspflege, der Jugendhilfe, der Psychiatrie, für Suchtberatungsstellen sowie für Diakonie und Caritas. Dabei führte sie für ihre Auftraggeber sog. Supervisionen mit deren Mitarbeitern durch. Darüber hinaus erbrachte sie auch Lehrsupervisionsleistungen. Ihr war von der zuständigen Bezirksregierung am 25. Oktober 1999 zur Vorlage bei den Finanzbehörden bescheinigt worden, dass sie die Leistung "Supervision und Lehrsupervision" als berufliche Bildungsmaßnahme nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in den für die Streitjahre geltenden Fassungen ordnungsgemäß durchführe.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Supervisionsleistungen ebenso wie andere Leistungen der Klägerin steuerpflichtig seien und setzte mit Bescheiden vom 6. Dezember 2006 erstmals Umsatzsteuer für die Streitjahre fest. Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

3

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2012, 2321 veröffentlichten Urteil statt. Die Leistungen der Klägerin seien nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG unter Berücksichtigung von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche und steuerpflichtige Bemessungsgrundlage 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) steuerfrei. Die Supervisionsleistungen dienten dazu, die bei den Auftraggebern der Klägerin angestellten Mitarbeiter professionell im Sinne einer Steuerung, Korrektur, qualitativen Absicherung und Weiterentwicklung zu begleiten. Es gehe um die Professionalisierung und die Bewältigung spezifischer Probleme der psychosozialen und pädagogischen Arbeit dieser Mitarbeiter. Die Leistungen seien spezifisch auf die berufliche Tätigkeit der Mitarbeiter ausgerichtet gewesen. Die Klägerin sei auch als berufsbildende Einrichtung anzusehen. Hierfür sei die Dauer der gegenüber dem einzelnen Teilnehmer erbrachten Leistung unerheblich. Auch das Fehlen von Lehrplänen und die Tätigkeit in den Räumen der Auftraggeber begründe keine Steuerpflicht. Die Klägerin habe auch über die für die Steuerfreiheit erforderliche Bescheinigung verfügt. Im Umfang anderer Leistungen, die die Klägerin steuerpflichtig erbracht habe, sei ihr zudem der Vorsteuerabzug zu gewähren.

4

Hiergegen wendet sich das FA mit der Revision, für die es Verletzung materiellen Rechts geltend macht. Die Bescheinigung der Bezirksregierung entspreche nicht den Anforderungen des § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG, da es nicht ausreiche, dass lediglich bescheinigt werde, dass berufliche Bildungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt würden. Erforderlich sei vielmehr eine Bescheinigung, nach der der Unternehmer auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung vorbereite. Die Klägerin könne sich auch nicht auf die Richtlinie 77/388/EWG berufen, da sie keine anerkannte Einrichtung sei. Es handele sich auch nicht um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht durch Vermittlung von Fachwissen. Die Klägerin erbringe vielmehr Beratungsleistungen durch Unterstützung eigener Erkenntniserlangung des Teilnehmers, so dass es auch an der Vermittlung spezieller Kenntnisse und Fertigkeiten fehle. Es gehe nur um die Erlangung von "Soft-Skills". Die bloße Berufsbezogenheit reiche nicht aus. Es handele sich nicht um eine Wissensvermittlung anhand von Lehrplänen wie bei einer Berufsausbildung. Es würde lediglich die pädagogische Arbeit durch Fallbesprechungen begleitet.

5

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

6

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Ihre Leistungen seien steuerfrei. Die Voraussetzung der Berufs- oder Prüfungsvorbereitung ergebe sich eindeutig aus der ihr erteilten Bescheinigung, zumindest aber unter Berücksichtigung des von ihr gestellten Antrags. Dass ein Unterrichtsplan fehle, stehe der Steuerfreiheit nicht entgegen. Sie könne sich auf das Unionsrecht berufen. Da sie ihre Leistungen auf Veranlassung und unter Kostenübernahme des jeweiligen Arbeitgebers erbracht habe, liege eine berufliche Fortbildungsmaßnahme vor. Inhaltlich sei es um die Vermittlung von "Personenkompetenz" gegangen. Es bestehe eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des FG.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Entgegen dem Urteil des FG sind die Leistungen der Klägerin nach nationalem Recht nicht steuerfrei. Die Klägerin kann sich aber für die Steuerfreiheit ihrer Leistungen auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG berufen. Insoweit sind noch weitere Feststellungen im zweiten Rechtsgang zu treffen.

9

1. Die Leistungen der Klägerin sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG steuerfrei. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

10

a) § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG befreit "die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, ... wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten".

11

b) Wie der Senat mit Urteil vom 17. April 2008 V R 58/05 (BFHE 221, 489, BFH/NV 2008, 1418, unter II.2.c) zur insoweit inhaltsgleichen Vorgängerregelung in § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG a.F. entschieden hat, muss sich aus der Bescheinigung ergeben, dass die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen, für die die Steuerfreiheit beansprucht wird, auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten, so dass es nicht ausreicht, dass sich aus der Bescheinigung --wie im Streitfall-- nur ergibt, dass berufliche Bildungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin kommt aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Bescheinigung eine dem Wortlaut widersprechende Auslegung aufgrund einer bloßen Bezugnahme auf den bei der Landesbehörde gestellten Antrag nicht in Betracht.

12

2. Die Leistungen der Klägerin können zwar nicht nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG, wohl aber gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sein. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang noch weitere Feststellungen zu treffen.

13

a) Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten "die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung".

14

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG befreit nach seinem Wortlaut zudem "den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht". Wie der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil vom 28. Januar 2010 C-473/08, Eulitz (Slg. 2010, I-907) entschieden hat, weichen die einzelnen Sprachfassungen dieser Bestimmung voneinander ab. Unter Berücksichtigung dieser Unterschiede sind als Schul- und Hochschulunterricht "Unterrichtseinheiten, die ... sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen" anzusehen (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 23).

15

b) Im Streitfall kann die Klägerin nicht in Anspruch nehmen, dass ihre Leistungen gemäß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei sind: Sie ist weder eine Einrichtung des öffentlichen Rechts noch verfügt sie --mangels Bescheinigung (s. oben II.1.b)-- über die ansonsten erforderliche Anerkennung als Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung wie eine Einrichtung, die mit z.B. Schul- oder Hochschulunterricht, Ausbildung, Fortbildung oder beruflicher Umschulung betraut ist.

16

c) Die Klägerin kann aber geltend machen, dass ihre Leistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG als Unterrichtseinheiten, die von Privatlehrern erteilt werden und die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, steuerfrei sind.

17

aa) Nach der EuGH-Rechtsprechung beschränkt sich der Begriff des Schul- und Hochschulunterrichts "nicht auf Unterricht ..., der zu einer Abschlussprüfung zur Erlangung einer Qualifikation führt oder eine Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit vermittelt, sondern [schließt] ... andere Tätigkeiten ein ..., bei denen die Unterweisung in Schulen und Hochschulen erteilt wird, um die Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler oder Studenten zu entwickeln, sofern diese Tätigkeiten nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung haben" (EuGH-Urteil vom 14. Juni 2007 C-445/05, Haderer, Slg. 2007, I-4841 Rdnr. 26). Es handelt sich um die "Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten durch den Unterrichtenden an Schüler oder Studierende im Rahmen einer Ausbildung im Hinblick auf die Ausübung einer Berufstätigkeit" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 33).

18

Zudem ist es "unerheblich", dass Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG "nicht ausdrücklich die Aus- und Fortbildung erwähnt" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 34), da "nicht zwischen dem Unterricht, der Schülern oder Studierenden erteilt wird, die an einer erstmaligen Schul- oder Hochschulausbildung teilnehmen, und dem Unterricht zu unterscheiden [ist], der Personen erteilt wird, die bereits über einen Schul- oder Hochschulabschluss verfügen und die aufgrund dieses Abschlusses ihre Berufsausbildung betreiben", und da das "Gleiche für die Unterrichtseinheiten [gilt], die sich auf diesen Unterricht beziehen" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 35), zumal sich "eine solche Unterscheidung anhand der Unterrichtsinhalte als schwierig erweisen" würde und eine besonders enge Auslegung des Begriffs Schul- und Hochschulunterricht "die Gefahr einer je nach Mitgliedstaat unterschiedlichen Anwendung des Mehrwertsteuersystems hervorrufen [würde], weil die jeweiligen Unterrichtssysteme der Mitgliedstaaten unterschiedlich gestaltet sind" (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 36).

19

bb) Im Hinblick auf das EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 wird im Schrifttum zutreffend geltend gemacht, dass nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG nicht nur Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, sondern auch Unterrichtseinheiten, die sich auf Ausbildung, Fortbildung oder berufliche Umschulung beziehen, steuerfrei sein können (Tehler, EU-Umsatzsteuerberater 2010, 6 ff., 8; Philipowski, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 161 ff., 163, und Nieskens, UR 2013, 175 ff., 179).

20

Dem folgt auch der erkennende Senat unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung. Es kommt nicht darauf an, dass der Privatlehrer an einer Schule oder Hochschule tätig ist, sich an Schüler oder Hochschüler wendet oder es sich um einen in einen Lehr- oder Studienplan eingebetteten Unterricht handelt (so noch Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- in BFHE 221, 489, BFH/NV 2008, 1418, unter II.3.b bb), da sich Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG auf jegliche Aus- und Fortbildung bezieht, die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat. Entgegen der Auffassung des FA ist ein Lehrplan nicht unabdingbar für die Steuerfreiheit. Daher können auch Supervisionsleistungen steuerfrei sein.

21

cc) Die Entscheidung steht nicht im Widerspruch zum BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 XI R 68/97 (BFH/NV 1999, 81, unter II.3.), das zu Vortragstätigkeiten einer Familienbildungsstätte ergangen ist.

22

d) Die Sache ist nicht spruchreif. Im Hinblick auf eine mögliche Berufung der Klägerin auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen dazu zu treffen, ob sie als Privatlehrer tätig war und welcher Art die von der Klägerin im Einzelnen erbrachten Leistungen waren.

23

aa) Das FG wird dabei insbesondere zu berücksichtigen haben, dass es der Erteilung von Unterrichtseinheiten, die sich auf Schul- und Hochschulunterricht beziehen, durch einen Privatlehrer nicht entgegensteht, wenn dieser mehreren Personen gleichzeitig Unterricht erteilt, dass die der Unterrichtserteilung zugrunde liegende Rechtsbeziehung auch zu einer anderen Person als Unterrichtsteilnehmer bestehen kann und dass das Nichtbestehen eines Vergütungsanspruchs im Verhinderungsfall und bei Kursausfall für eine als Privatlehrer ausgeübte Tätigkeit spricht (EuGH-Urteil Haderer in Slg. 2007, I-4841 Rdnrn. 31 ff.). Die bloße Unternehmereigenschaft reicht demgegenüber nicht aus (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnr. 47).

24

Ohne Bedeutung ist für den Streitfall, dass der EuGH die Privatlehrereigenschaft versagt, wenn der Auftraggeber des Unterrichtenden die Leistung dazu verwendet, als eigenständige Bildungseinrichtung entgeltliche Unterrichtsleistungen zu erbringen (EuGH-Urteil Eulitz in Slg. 2010, I-907 Rdnrn. 52 ff.), da es den Auftraggebern der Klägerin um die Aus- und Fortbildung des eigenen Personals ging.

25

bb) In Bezug auf die Lehrsupervisionen kann sich die Steuerfreiheit bereits daraus ergeben, dass die Klägerin andere darin unterrichtet hat, Supervisionen auszuführen.

26

cc) Hinsichtlich der weiteren Supervisionsleistungen ist --ohne Bindung an die einkommensteuerrechtliche Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs bei Werbungskosten-- zu berücksichtigen, dass diese vorrangig auf die spezifischen Bedürfnisse einer Berufstätigkeit ausgerichtet sein können, wenn sie dazu dienen, Lösungsmöglichkeiten für konkrete Arbeitsplatzsituationen zu erarbeiten und in gemeinsamer Reflexion Fehler und Schwachstellen aufzuarbeiten (vgl. BFH-Urteil vom 28. August 2008 VI R 35/05, BFHE 223, 1, BStBl II 2009, 108). Für die erforderliche Berufsbezogenheit als Aus- und Fortbildungsmaßnahme kann es ausreichen, dass die Klägerin Sozialarbeiter für die von diesen ausgeübte Berufstätigkeit anhand von Fallbeispielen gruppenweise angeleitet hat. Insoweit kommt den mit dem jeweiligen Auftraggeber vereinbarten Lehrinhalten indizielle Bedeutung zu.

27

dd) Zu den von der Klägerin erbrachten Leistungen hat das FG lediglich allgemein festgestellt, dass die von ihr erbrachten Supervisionsleistungen einer professionellen Begleitung im Sinne einer Steuerung, Korrektur, qualitativen Absicherung und Weiterentwicklung der beruflichen Tätigkeit der bei den diversen Einrichtungen angestellten Mitarbeiter dienten, und dass diese Leistungen spezifisch auf die berufliche Tätigkeit der teilnehmenden pädagogisch und psychosozial tätigen Mitarbeiter ausgerichtet waren. Feststellungen zu den einzelnen, von der Klägerin gegenüber verschiedenen Auftraggebern erbrachten Leistungen fehlen aber. Diese sind im zweiten Rechtsgang nachzuholen.

(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22 000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz im Sinne des Satzes 1 ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Satz 1 gilt nicht für die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Absatz 5, § 14c Abs. 2 und § 25b Abs. 2 geschuldete Steuer. In den Fällen des Satzes 1 finden die Vorschriften über die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a), über den Verzicht auf Steuerbefreiungen (§ 9), über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4), über die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7) und über den Vorsteuerabzug (§ 15) keine Anwendung.

(2) Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4) erklären, dass er auf die Anwendung des Absatzes 1 verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären.

(3) Gesamtumsatz ist die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abzüglich folgender Umsätze:

1.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nummer 11 bis 29 steuerfrei sind;
2.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 steuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind.
Soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 oder § 20), ist auch der Gesamtumsatz nach diesen Entgelten zu berechnen. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen. Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt.

(4) Absatz 1 gilt nicht für die innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge. § 15 Abs. 4a ist entsprechend anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war seit dem 1. Juli 2004 mit dem Handel von Telekommunikationszubehör und Postwertzeichen unternehmerisch tätig. Im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung vom 21. Juli 2004 gab er gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) an, die Kleinunternehmerregelung i.S. des § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Anspruch zu nehmen, da sein voraussichtlicher Gesamtumsatz die gesetzlichen Grenzen nicht überschreiten werde.

2

Der Kläger gab für die Jahre 2004 und 2005 keine Umsatzsteuererklärung ab. Im Jahr 2005 hatte er steuerpflichtige Umsätze mit dem Verkauf von Telekommunikationszubehör in Höhe von brutto 16.123,35 € und steuerfreie Umsätze mit dem Verkauf von Postwertzeichen in Höhe von 4.425,46 € getätigt. Da er irrtümlich der Auffassung war, dass bei der Berechnung des Gesamtumsatzes des Vorjahres i.S. des § 19 Abs. 1 und 3 UStG von 17.500 € auf die von ihm ausgeführten steuerpflichtigen Umsätze die Umsatzsteuer von 16 % hinzuzurechnen sei, und er deshalb davon ausging, im Vorjahr (2005) die Umsatzgrenze von 17.500 € i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG mit einem berechneten Gesamtumsatz in Höhe von 18.703,09 € (16.123,35 € plus Umsatzsteuer in Höhe von 2.579,74 €) überschritten zu haben, reichte er am 28. Dezember 2007 unter Mitwirkung eines Steuerberaters eine Umsatzsteuererklärung (Vordruck USt 2 A) mit Anlage UR für das Jahr 2006 beim FA ein.

3

In dieser Umsatzsteuererklärung für 2006 erklärte er Umsätze mit einer Bemessungsgrundlage in Höhe von 9.436 € zum allgemeinen Steuersatz, abziehbare Vorsteuerbeträge nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 5 UStG in Höhe von insgesamt 407,56 € und Umsatzsteuer, die vom Leistungsempfänger geschuldet wird (§ 13b Abs. 2 UStG) in Höhe von 162,08 €, so dass sich eine Umsatzsteuer in Höhe von 1.264,28 € ergab. In den Zeilen 22 bis 25 des Vordrucks USt 2 A (Angaben zur Besteuerung der Kleinunternehmer [§ 19 Abs. 1 UStG]) nahm der Kläger keine Eintragungen vor.

4

Die Umsatzsteuererklärung für 2006 stand als Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 17. Januar 2008 die Änderung der Steuerfestsetzung für 2006 beantragt hatte, weil er als Wiederverkäufer bei Abgabe seiner Umsatzsteuererklärung für 2006 nicht beachtet habe, dass bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage i.S. des § 25a Abs. 4 UStG (Differenzbesteuerung) die Umsatzsteuer aus der Gesamtdifferenz herausgerechnet werden müsse, änderte das FA mit Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2006 vom 9. Mai 2008 die Festsetzung entsprechend und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf.

5

Nach Eintritt der Bestandskraft des Umsatzsteuer-Jahresbescheids für 2006 vom 9. Mai 2008 beantragte der Kläger für 2006 die (Nicht-)Besteuerung als Kleinunternehmer mit der Begründung, die dafür nach § 19 Abs. 1 und 3 UStG erforderlichen Voraussetzungen lägen vor. Mit (bestandskräftig gewordenem) Bescheid vom 15. Juli 2008 lehnte das FA den Antrag ab.

6

Am 5. Januar 2009 reichte der Kläger eine Umsatzsteuererklärung mit Anlage UR für 2007 (Streitjahr) ein, in der er die zu zahlende Steuer mit 756,52 € berechnete und unter anderem Steuer nach § 13b UStG in Höhe von 219,45 € erklärte. Am 6. November 2009 beantragte er unter Verweis auf die Begründung für das Vorjahr, die Umsatzsteuer für das Jahr 2007 auf 0 € festzusetzen. Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 6. Januar 2010 ab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Der Einspruch war erfolglos.

7

Mit Einreichung der Umsatzsteuererklärung für 2007 hatte der Kläger beim FA zugleich den Antrag gestellt, die Umsatzsteuer für 2007 aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) "niedriger festzusetzen", da "stets die Voraussetzungen der Kleinunternehmerregelung i.S.d. § 19 UStG vorlagen". Diesen Antrag lehnte das FA mit Bescheid vom 10. Februar 2009 ab. Mit Einspruchsentscheidung vom 7. Juni 2010 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen.

8

Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage mit dem Antrag, die Umsatzsteuer für 2007 auf 0 € festzusetzen, statt. Es führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Umsätze des Klägers unterlägen nach § 19 Abs. 1 UStG der Besteuerung für Kleinunternehmer. Er habe --auch durch die Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 2006-- nicht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG zur Regelbesteuerung optiert, da keine "Erklärung" vorliege, seine Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des UStG der Besteuerung unterwerfen zu wollen. Mit der Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 0 € sei der Antrag auf Herabsetzung im Billigkeitswege gemäß § 163 AO gegenstandslos geworden.

9

Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2011, 2211 veröffentlicht.

10

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 19 Abs. 2 UStG. Das Urteil des FG stehe im Gegensatz zu der zu dieser Vorschrift ergangenen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH-- (Urteile vom 19. Dezember 1985 V R 167/82, BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420; vom 11. Dezember 1997 V R 50/94, BFHE 185, 82, BStBl II 1998, 420; vom 9. Juli 2003 V R 29/02, BFHE 202, 403, BStBl II 2003, 904). Der Kläger habe als Kleinunternehmer mit der unter Mitwirkung eines Steuerberaters erstellten Umsatzsteuererklärung für 2006 gegenüber dem FA gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG eine Optionserklärung zur Regelbesteuerung abgegeben, die ihn gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG für mindestens fünf Jahre binde.

11

Das FA beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise das Verfahren an das FG zurückzuverweisen.

13

Er macht im Wesentlichen geltend, er habe mit der Einreichung der Umsatzsteuererklärung für 2006 nicht auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG verzichtet; es bestehe daher für das Streitjahr 2007 keine Bindung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG.

14

Die Erstellung der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 habe auf einem Irrtum beruht, dessen Ursache in der fehlerhaften Berechnung des maßgeblichen Gesamtumsatzes für 2005 durch das FA liege. Es habe aufgrund eines eigenen Fehlers den Kläger im Oktober 2007 zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung für 2006 aufgefordert. Er sei daraufhin davon ausgegangen, zwingend der Regelbesteuerung zu unterliegen. Zwar habe er Kenntnis von § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG gehabt, jedoch habe er zu keiner Zeit freiwillig auf die Anwendung der Kleinunternehmerregelung verzichten wollen. Er habe das Wahlrecht nicht ausgeübt. Da eine fehlerhafte Rechtsanwendung des § 19 Abs. 1 UStG durch das FA zu der Regelbesteuerung geführt habe, bleibe für eine nachrangige Option i.S. des § 19 Abs. 2 UStG kein Raum.

Entscheidungsgründe

15

II. Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache ist zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

16

Das Urteil des FG verletzt § 19 Abs. 2 Sätze 1 und 2 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG bislang getroffenen Feststellungen nicht abschließend entscheiden, ob der Kläger mit der Abgabe der Umsatzsteuererklärung für 2006, in der er die Steuer selbst nach den allgemeinen Vorschriften des UStG berechnet hat, konkludent auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtet hat. Im Verzichtsfall würde ihn die Erklärung nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG mindestens für fünf Kalenderjahre --und damit auch im Streitjahr 2007-- binden.

17

1. Die für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird (§ 19 Abs. 1 Satz 1 UStG).

18

Ein Unternehmer, der --wie das FG im Streitfall zutreffend festgestellt hat-- die Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG erfüllt, weil er die dort genannten Umsatzgrenzen nicht überschreitet (sog. Kleinunternehmer), hat gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG die Möglichkeit, auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG zu verzichten. § 19 Abs. 2 UStG lautet: "Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4) erklären, dass er auf die Anwendung des Absatzes 1 verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären."

19

2. Für die Auslegung und Anwendung des § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG gelten folgende Grundsätze:

20

a) Ein Verzicht auf die Besteuerung als Kleinunternehmer (sog. Option zur Regelbesteuerung) kann dem FA gegenüber auch konkludent abgegeben werden. Der Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG darf weder in dem Sinne verstanden werden, dass der Gesetzgeber für die Option einen bestimmten Erklärungswortlaut habe vorschreiben wollen, noch ist hieraus zu schließen, dass eine Option allein durch eine ausdrückliche Erklärung vorgenommen werden könnte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420, unter II.1.a; Abschn. 19.2. Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses --UStAE--).

21

b) Eine Option zur Regelbesteuerung durch konkludentes Verhalten kann von einem sog. Kleinunternehmer auch in der Weise erklärt werden, dass dieser dem FA auf einem für die Regelbesteuerung vorgesehenen Vordruck eine Umsatzsteuererklärung einreicht, in welcher er die Umsatzsteuer nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes berechnet und den Vorsteuerabzug geltend gemacht hat (vgl. BFH-Urteile in BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420, unter II.1.b; in BFHE 202, 403, BStBl II 2003, 904, unter II.2.b; Abschn. 19.2. Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Satz 2 UStAE).

22

Bei der diesbezüglichen Würdigung kommt es auf die Umstände des Einzelfalles an. Von ihnen hängt es ab, ob durch das FA der Inhalt einer Steuererklärung zweifelsfrei zugleich als Erklärung zur Ausübung des steuerrechtlichen Gestaltungsrechts aufgefasst werden darf oder ob dem Inhalt eine solche Bedeutung nicht zukommt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420, unter II.1.b).

23

c) In Zweifelsfällen muss das FA den Kleinunternehmer fragen, welcher Besteuerungsform er seine Umsätze unterwerfen will (vgl. Abschn. 19.2. Abs. 1 Satz 4 Nr. 2 Satz 3 UStAE). Die Beseitigung etwa bestehender Zweifel ist wegen der erheblichen Rechtsfolgen, nämlich der nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG für mindestens fünf Kalenderjahre geltenden Bindung des Verzichts auf die Kleinunternehmerbesteuerung, aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich. Verbleiben Zweifel, kann eine Option zur Regelbesteuerung nicht angenommen werden.

24

3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist daher aufzuheben.

25

a) Das FG (Urteil, Seite 5) hält für die Beurteilung, ob mit der Umsatzsteuererklärung für 2006 konkludent auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtet worden ist, unzutreffend "einen Erklärungswillen", dass der Kläger "die Regelbesteuerung in Anspruch nehmen" will, für maßgebend. Die oben unter II.2. dargestellte Rechtsprechung des BFH stellt dagegen zur konkludenten Ausübung des Optionsrechts nach § 19 Abs. 2 UStG darauf ab, ob der Erklärungsempfänger --das FA-- das Verhalten des Steuerpflichtigen als Willenserklärung und Ausübung eines Gestaltungsrechts auffassen durfte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 457, BStBl II 1986, 420, unter II.1.b).

26

b) Die Vorentscheidung verletzt mit der Herabsetzung der Umsatzsteuer für 2007 auf 0 € ferner § 19 Abs. 1 Satz 3 UStG, da nach dieser Vorschrift die in § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG vorgesehene Nichterhebung von Umsatzsteuer nicht für die im Streitfall erklärte, nach § 13b Abs. 2 UStG (jetzt § 13b Abs. 5 UStG) vom Leistungsempfänger zu entrichtende Umsatzsteuer gilt und deshalb auch von einem Kleinunternehmer zu entrichten ist.

27

4. Die Sache ist nicht spruchreif, weil der vom FG festgestellte Sachverhalt nicht ausreicht, um abschließend prüfen und beurteilen zu können, ob die eingereichte Umsatzsteuererklärung für 2006 eine schlüssige Option zur Regelbesteuerung enthält.

28

a) Im Rahmen der Würdigung, ob das FA den Inhalt der Umsatzsteuererklärung für 2006 zweifelsfrei als eine schlüssige Option zur Regelbesteuerung auffassen durfte, muss das FG den unstreitigen Aktenvermerk des FA vom 30. März 2007 (Umsatzsteuerakte für 2006, Blatt 1) berücksichtigen, der lautet
"Umsatz 2005 = 20.548,81 § 19 (1) UStG
Ab 2006 U-Signal setzen. Jahreszahler".

29

In Betracht kommt --wofür auch die unstreitig erfolgte Erklärungsanforderung des FA für das Jahr 2006 im Oktober 2007 spricht--, dass das FA irrtümlich der Auffassung war, der Kläger habe im Vorjahr (2005) die Umsatzgrenze von 17.500 € i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG überschritten mit der Folge, dass das FA ggf. unzutreffend davon ausging, dem Kläger stehe die Möglichkeit, gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG zu verzichten, gar nicht zu. In einem solchen Fall hätte die Umsatzsteuererklärung für 2006 vom FA nicht als Erklärung zur Ausübung des steuerrechtlichen Gestaltungsrechts aufgefasst werden dürfen. Im Gegensatz dazu spricht jedoch der von dem FA auf der Umsatzsteuererklärung für 2006 in violetter Farbe angebrachte Vermerk "Umsatz 2005 unter 17.500,- = 2006 Kleinunternehmer" dafür, dass das FA als Erklärungsempfänger im Streitfall davon ausging und davon ausgehen durfte, dass der Kläger ein Optionsrecht nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG hatte und mit Abgabe der Umsatzsteuererklärung ausübte.

30

b) Soweit der Kläger geltend macht, er habe mit der Umsatzsteuererklärung für 2006 gar keine Optionserklärung i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG abgeben wollen, ist dies rechtlich unerheblich.

31

Da das Erklärungsbewusstsein kein notwendiger Bestandteil der Willenserklärung ist, kann schlüssiges Verhalten auch dann als Willenserklärung gewertet werden, wenn der Handelnde an die Möglichkeit einer solchen Wertung nicht gedacht hat, sofern er bei Anwendung pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen konnte, dass sein Verhalten als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und der Erklärungsempfänger es auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185, 82, BStBl II 1998, 420, unter II.1.b; Palandt/Ellenberger, Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aufl., § 133 Rz 11, m.w.N.).

32

Aus den vorstehenden Gründen wendet der Kläger auch zu Unrecht ein, dass das FA den Zweck der Kleinunternehmerregelung, die Verwaltungsvereinfachung, und die vom Gesetzgeber mit der Option gewollte Beseitigung von Nachteilen für Kleinunternehmer unzulässig außer Betracht lasse.

33

c) Der Kläger geht ferner unzutreffend davon aus, bei der Würdigung sei zu beachten, dass er als Kleinunternehmer nicht zur Abgabe einer Umsatzsteuererklärung für 2006 verpflichtet gewesen sei.

34

Auch ein Kleinunternehmer i.S. des § 19 Abs. 1 UStG ist gemäß § 18 Abs. 3 UStG i.V.m. § 149 Abs. 1 Satz 1 AO verpflichtet, eine Umsatzsteuer-Jahreserklärung abzugeben (vgl. Mößlang in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 19 UStG Rz 26; Hildesheim in Offerhaus/Söhn/Lange, § 18 UStG Rz 62; Stadie in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 UStG Rz 27; Kraeusel in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 18 Rz 355; Lippross, Umsatzsteuer, 23. Aufl., S. 1091). § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG sieht keine Befreiung von dieser Verpflichtung vor.

35

Dem FA wird durch die Erklärungspflicht die Prüfung ermöglicht, ob der Unternehmer den Kleinunternehmerstatus zu Recht in Anspruch nimmt (vgl. Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 18 UStG Rz 27).

36

5. Sofern das FG nach der Würdigung aller Umstände zu dem Ergebnis kommt, dass der Kläger für 2006 konkludent auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtet hat, konnte er diese --auch im Streitjahr 2007 geltende-- Option zur Regelbesteuerung nicht mehr wirksam zurücknehmen oder anfechten.

37

a) Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG bindet die Verzichtserklärung für 2006 den Kläger mindestens für fünf Kalenderjahre, wenn --wie im Streitfall-- die Steuerfestsetzung für 2006 unanfechtbar geworden ist. Da der Fünfjahreszeitraum ab Beginn des Jahres 2006 lief, umfasst er auch das Streitjahr 2007.

38

Die fünfjährige Bindungsfrist soll Missbräuche beim Vorsteuerabzug verhindern (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks V/1581[zu], 17). Wäre z.B. ein jährlicher Wechsel zwischen Besteuerung und Nichtbesteuerung möglich, bestünde die Möglichkeit, ungerechtfertigte Vorteile durch entsprechende zeitliche Verlagerungen der vorsteuerbelasteten Leistungen anderer Unternehmer für das Unternehmen sowie der Umsätze zu erlangen (gl. A. Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/ Langer, a.a.O., § 19 UStG Rz 38).

39

Vorliegend hat der Kläger eine in der beantragten Anwendung der Kleinunternehmerregelung (möglicherweise) zu sehende Optionsrücknahme erst nach Eintritt der Bestandskraft des Umsatzsteuer-Jahresbescheids für 2006 vom 9. Mai 2008 erklärt. Sie wäre daher wegen Verstoßes gegen § 19 Abs. 2 Satz 2 UStG wirkungslos (vgl. Lippross, a.a.O., S. 1092).

40

b) Ohne Erfolg wendet der Kläger ein, der BFH (Urteil vom 9. April 1975 I R 55/73, BFHE 115, 377, BStBl II 1975, 616) habe die Rücknahme eines Antrags wegen Irrtums auch nach Ablauf einer Ausschlussfrist zugelassen.

41

Denn der dieser Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt ist nicht mit dem des Streitfalls vergleichbar. Der BFH hat in diesem Urteil (in BFHE 115, 377, BStBl II 1975, 616, unter 2.) die Rücknahme eines in der Steuererklärung irrtümlich gestellten Antrags lediglich aus dem Grund zugelassen, weil sie innerhalb der offenen Einspruchsfrist des Steuerbescheids erfolgte, in dem der Antrag erstmalig steuerlich berücksichtigt worden ist. Das Kreuz im Vordruck war versehentlich um eine Zeile zu hoch gesetzt worden. Das FA war von vornherein von einem offensichtlichen Irrtum ausgegangen. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gerade nicht erfüllt.

42

c) Auch eine Anfechtung einer evtl. vorliegenden Optionserklärung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 UStG wegen Irrtums wäre nicht möglich.

43

Die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) über die Anfechtung von Willenserklärungen wegen Irrtums sind im öffentlichen Recht grundsätzlich nicht sinngemäß anzuwenden. Hier bestimmt sich ausschließlich nach öffentlichem Recht, ob die Erklärung berichtigt, ergänzt oder widerrufen werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 11. Januar 1967 I 78/65, BFHE 87, 529, BStBl III 1967, 208; in BFHE 115, 377, BStBl II 1975, 616, unter 2.; Niedersächsisches FG, Urteil vom 26. Februar 2004  14 K 858/00, EFG 2004, 1199, rkr.). Für den Streitfall hat der Gesetzgeber in § 19 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 UStG abschließend eine abweichende, spezialgesetzliche Regelung getroffen (vgl. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, Vorbemerkungen zu §§ 149-153 AO Rz 13; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 149-153 AO Rz 7 und Fn 2; Stöcker in Beermann/Gosch, AO Vor §§ 149-153 Rz 9).

44

Soweit sich der Kläger darauf beruft, nach Birkenfeld sei auch im Steuerrecht eine Anfechtung einer Willenserklärung wegen Irrtums möglich (Steuer und Wirtschaft --StuW-- 1977, 31), ergibt sich daraus für den Streitfall kein anderes Ergebnis. Nach Birkenfeld (StuW 1977, 31, 41 Buchst. d) handeln Steuerpflichtige bei Anfechtung (erst) nach Bestandskraft fahrlässig und schuldhaft verzögert i.S. von § 121 BGB, wenn sie den Irrtum "in offener Rechtsbehelfsfrist" nicht bemerken; dann sei die Anfechtung ausgeschlossen. Im Streitfall war der --in Anwendung der allgemeinen Vorschriften des UStG ergangene-- Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 9. Mai 2008 bereits bestandskräftig, als der Kläger seine (Nicht-)Besteuerung als Kleinunternehmer nach § 19 UStG begehrte.

45

6. Sofern das FG im zweiten Rechtsgang eine konkludente Optionserklärung des Klägers zur Regelbesteuerung annimmt, hat es über den vom Kläger ferner gestellten und ebenfalls rechtshängigen Antrag auf Herabsetzung der Umsatzsteuer für 2007 im Billigkeitswege gemäß § 163 AO zu entscheiden.

(1) Die für Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 geschuldete Umsatzsteuer wird von Unternehmern, die im Inland oder in den in § 1 Abs. 3 bezeichneten Gebieten ansässig sind, nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 22 000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50 000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Umsatz im Sinne des Satzes 1 ist der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz, gekürzt um die darin enthaltenen Umsätze von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Satz 1 gilt nicht für die nach § 13a Abs. 1 Nr. 6, § 13b Absatz 5, § 14c Abs. 2 und § 25b Abs. 2 geschuldete Steuer. In den Fällen des Satzes 1 finden die Vorschriften über die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchstabe b, § 6a), über den Verzicht auf Steuerbefreiungen (§ 9), über den gesonderten Ausweis der Steuer in einer Rechnung (§ 14 Abs. 4), über die Angabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern in einer Rechnung (§ 14a Abs. 1, 3 und 7) und über den Vorsteuerabzug (§ 15) keine Anwendung.

(2) Der Unternehmer kann dem Finanzamt bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung (§ 18 Abs. 3 und 4) erklären, dass er auf die Anwendung des Absatzes 1 verzichtet. Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung bindet die Erklärung den Unternehmer mindestens für fünf Kalenderjahre. Sie kann nur mit Wirkung von Beginn eines Kalenderjahres an widerrufen werden. Der Widerruf ist spätestens bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung des Kalenderjahres, für das er gelten soll, zu erklären.

(3) Gesamtumsatz ist die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 abzüglich folgender Umsätze:

1.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe i, Nr. 9 Buchstabe b und Nummer 11 bis 29 steuerfrei sind;
2.
der Umsätze, die nach § 4 Nr. 8 Buchstabe a bis h, Nr. 9 Buchstabe a und Nr. 10 steuerfrei sind, wenn sie Hilfsumsätze sind.
Soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 oder § 20), ist auch der Gesamtumsatz nach diesen Entgelten zu berechnen. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen. Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt.

(4) Absatz 1 gilt nicht für die innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge. § 15 Abs. 4a ist entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.