Finanzgericht München Beschluss, 27. Aug. 2018 - 7 V 1846/18

bei uns veröffentlicht am27.08.2018

Gericht

Finanzgericht München

Tenor

1. Die Bescheide vom 6. November 2017 zur Körperschaftsteuer 2011 bis 2015 werden in Höhe von 54.529 € (2011), 32.185 € (2012), 43.207 € (2013), 45.000 € (2014) und 45.000 € (2015) und zum Gewerbesteuermessbetrag 2011 bis 2015 in Höhe von 12.722 € (2011), 7.507 € (2012), 10.080 € (2013), 10.500 € (2014) und 10.500 € (2015) für die Dauer der Rechtshängigkeit des Hauptsacheverfahrens von der Vollziehung ausgesetzt. Die Aussetzung der Vollziehung entfällt rückwirkend, sofern nicht innerhalb von 3 Monaten nach Zustellung dieses Beschlusses eine Sicherheit im Höhe von 271.230 € geleistet wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

I.

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung nach Durchführung einer Steuerfahndungsprüfung. Die Antragstellerin wurde am 1. Dezember 2010 gegründet. Gegenstand des Unternehmens der Antragstellerin ist der Betrieb gastronomischer Betriebe auf verschiedenen Volksfesten.

Aufgrund von Ermittlungen der Steuerfahndung erließ das Finanzamt am 20. September 2017 eine Arrestanordnung betreffend Körperschaftsteuer 2011, 2012 und 2013. Die Steuerfahndung war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Buchführung der Antragstellerin der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden könne. Für die täglich erzielten Umsatzerlöse bei großen Veranstaltungen seien in manchen Fällen handschriftliche Zahlenkolonnen mit teils fünfstelligen Beträgen erstellt und der Buchführung als Beleg - anstelle der Z-Bons der elektronischen Registrierkasse - zugrunde gelegt worden. Für einige Veranstaltungen seien für die geprüften Veranlagungszeiträume überhaupt keine Erlöse gebucht worden. Die Belege seien sehr ungeordnet, insbesondere in einem Wäschekorb bzw. Müllbeutel, und in loser Form aufbewahrt worden. Als Buchungsbelege hätten in vielen Fällen Mahnungen oder Zahlungserinnerungen, nicht jedoch die eigentlichen Rechnungen gedient. Getränke- und Speisekarten seien nur für größere Veranstaltungen aufbewahrt worden. Wareneinkäufe im Zusammenhang mit größeren Veranstaltungen seien mit hohen Pauschalbeträgen eingebucht worden. Anhand von vorliegenden Z-Bons sei ersichtlich, dass wegen inhaltlicher Unstimmigkeiten Manipulationen vorgenommen worden seien. In einer Vielzahl von Fällen seien in bar vereinnahmte Erlöse ohne Beleg (Z-Bon) gebucht worden. Für das Volksfest … im April/Mai 2013 lagen nur X-Bons, d.h. Zwischenberichte, vor. Die darin ausgewiesenen Umsätze seien wesentlich höher als die gebuchten Umsätze.

Das Finanzamt nahm daraufhin eine Schätzung der Umsatzerlöse vor, insbesondere eine Nachkalkulation auf Grundlage des bekannten Getränkeeinkaufs. Anhand von beschlagnahmten EDV-Daten des Kassensystemaufstellers ermittelte das Finanzamt ein ungefähres Verhältnis von 30% Speiseumsätzen zu 70% Getränkeumsätzen bei den meisten Veranstaltungen, die einem Festzeltbetrieb vergleichbar waren.

Entsprechend der Feststellungen der Außenprüfung erließ das Finanzamt am 6. November 2017 zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag für das Jahre 2011 einen Änderungsbescheid bzw. erstmalig Bescheide für die Jahre 2012 bis 2015.

Im dagegen gerichteten Einspruchsverfahren reichte die Antragstellerin am 9. Januar 2018 für die Jahre 2013 und 2014 Steuererklärungen und Bilanzen ein. Auf die Anforderung des Finanzamts, weitere Unterlagen vorzulegen, erfolgte keine Reaktion. Über die Einsprüche hat das Finanzamt noch nicht entschieden. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde beim Finanzamt nicht gestellt.

Mit ihrem bei Gericht gestellten Antrag wendet sich die Antragstellerin gegen die Steuerfestsetzung der Jahre 2011 bis 2015. Die Schätzung der Steuerfahndung sei unzutreffend. Obwohl für die Jahre 2011 bis 2014 Steuererklärungen abgegeben worden seien, hätte das Finanzamt die Einsprüche noch nicht bearbeitet. Im Übrigen habe die Steuerfahndung die Unterlagen für das Jahr 2015 bis 30. April 2015 einbehalten, so dass für das Jahr 2015 noch keine Bilanz und Steuererklärungen erstellt werden konnten.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die Vollziehung der Bescheide jeweils vom 6. November 2017 zur Körperschaftsteuer 2011 bis 2015 in Höhe von 54.529 € (2011), 32.185 € (2012), 43.207 € (2013), 45.000 € (2014) und 45.000 € (2015) und zum Gewerbesteuermessbetrag 2011 bis 2015 in Höhe von

12.722 € (2011), 7.507 € (2012), 10.080 € (2013), 10.500 € (2014) und 10.500 € (2015) wegen ernsthafter Zweifel an der Rechtmäßigkeit auszusetzen.

Das Finanzamt beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Es trägt vor, dass die Aufzeichnungen der Antragstellerin nach den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle erhebliche formelle und materielle Mängel aufgewiesen hätten. Als Buchungsbelege hätten in vielen Fällen nicht die ursprünglichen Originalrechnungen, sondern Mahnungen und Quittungen gedient. Die den Buchungen zugrundeliegenden Tagesendsummenbons (Z-Belege) seien für die Umsätze der Jahre 2011 und 2013 unstimmig gewesen. Die Verbuchung der täglich anfallenden Geschäftsvorfälle sei konsequent nach dem Ist-Prinzip i.S.d. § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) und nicht nach dem gesetzlich vorgeschriebenen Sollprinzip i.S.d. § 4 Abs. 1 i.V.m. § 5 EStG vorgenommen worden.

Die Antragstellerin habe zwar am 9. Januar 2018 für die Jahre 2013 und 2014 Steuererklärungen und Bilanzen eingereicht. Das Finanzamt habe jedoch die aufgrund der Feststellungen der Steuerfahndung ergangenen Bescheide nicht ändern können, da notwendige Unterlagen, beispielsweise die Summen- und Saldenliste, Erlöskonten, Kontennachweise zu den Aufwendungen für bezogene Waren, eine Aufstellung zu den sonstigen betrieblichen Aufwendungen sowie Mietverträge trotz entsprechender Aufforderung nicht eingereicht worden seien.

Im Übrigen habe die Vollstreckungsstelle des Finanzamts erklärt, dass weiterhin Vollstreckungsmaßnahmen betrieben würden, insbesondere sei am 30. Mai 2018 ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten und auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird dahingehend ausgelegt, dass nicht auch die Aussetzung der Bescheide über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. §§ 27, 28 KStG zum 31.12.2011 bis 31.12.2013, die Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2011 und 31.12.2012 und des Bescheids über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2012 begehrt wird. Diese Bescheide waren dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zwar beigefügt, es wurde insoweit jedoch kein eigenständiges Aussetzungsbegehren dargelegt.

2. Der Antrag ist zulässig, da wegen drohender Vollstreckungsmaßnahmen die Zugangsvoraussetzungen des § 69 Abs. 4 Nr. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt sind.

3. Im Übrigen ist der Antrag begründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag auszusetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10.02.1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 08.04.2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 07.09.2011 I B 157/10, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss vom 19.03.2014 V B 14/14, BFH/NV 2014, 999).

An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide zur Körperschaftsteuer 2011 bis 2015 und zum Gewerbesteuermessbetrag 2011 bis 2015 bestehen bei der gebotenen überschlägigen Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts und der präsenten Beweismittel ernsthafte Zweifel.

3.1. Bei summarischer Prüfung war die Schätzungsbefugnis des Finanzamts für die Streitjahre 2011 bis 2014 zwar gegeben, da die Buchführung der Antragstellerin nicht den Anforderungen der §§ 140 ff Abgabenordnung (AO) entspricht. Es liegen gravierende formelle Mängel der Buchführung vor, die für sich bereits eine Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 1 AO eröffnen, da sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln.

Nach den unwidersprochenen Feststellungen der Steuerfahndung wurden die der Buchführung zugrundeliegenden Belege in loser Form und ungeordnet aufbewahrt. Die Höhe der täglichen Umsatzerlöse bei großen Veranstaltungen wurde teilweise nicht aufgrund der Tagesendsummenbons der elektronischen Registrierkasse, sondern aufgrund handschriftlicher Aufzeichnungen belegt, so dass das Zustandekommen der in der Buchführung erfassten Summen der Tageseinnahmen nicht überprüfbar ist. Für einige Veranstaltungen wurden für die geprüften Veranlagungszeiträume überhaupt keine Erlöse gebucht. Außerdem wurden bei der Überprüfung der Z-Bons wegen inhaltlicher Unstimmigkeiten Manipulationen festgestellt. Für das ABC-Fest im April/Mai 2013 lagen nur X-Bons, d.h. Zwischenberichte vor.

Da nach der Art des Betriebs der Antragstellerin (Gaststätte) Barumsätze eine bedeutende Rolle spielen, ist der formelle Mangel der Buchführung auch so erheblich, dass deren sachliche Richtigkeit anzuzweifeln und eine Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Umsätze gegeben ist (vgl. BFH-Beschluss vom 12.7.2017 X B 16/17, BFHE 257, 523). Plausible Gründe, weshalb keine Grundaufzeichnungen erstellt wurden bzw. nicht vorgelegt werden können, wurden von der Antragstellerin nicht vorgetragen. Da sie selbst vorgetragen hat, dass die Steuerfahndung die beschlagnahmten Unterlagen für das Jahr 2015 am 30. April 2015 wieder herausgegeben hat, kann nicht nachvollzogen werden, warum bislang keine Steuererklärungen beim Finanzamt abgegeben worden sind.

Für das Jahr 2015 wurden keine Steuererklärungen abgegeben, so dass die Schätzungsbefugnis des Finanzamts gemäß § 162 Abs. 2 AO eröffnet ist.

3.2. Bei summarischer Prüfung hat der Antrag jedoch im Hinblick auf die Höhe der Zuschätzung aufgrund der vom Finanzamt gewählten Schätzungsmethode Erfolg. Im Streitfall lässt sich die Kalkulation - nicht einmal in Grundzügen - überprüfen.

Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO sind bei einer Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Die gewonnenen Schätzergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Ziel der Schätzung ist es, bezogen auf den jeweils festgestellten Sachverhalt die zahlenmäßigen Auswirkungen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Deshalb sind alle möglichen Anhaltspunkte, u.a. auch das Vorbringen des Steuerpflichtigen oder eine an sich fehlerhafte Buchführung, zu beachten und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um im Rahmen des der Finanzbehörde Zumutbaren die Besteuerungsgrundlagen wenigstens teilweise zu ermitteln (BFH-Urteil vom 29. Mai 2008 VI R 11/07, BFHE 221, 182, BStBl II 2008, 933, unter II.2.b.aa der Gründe, m.w.N.).

Die Auswahl der Schätzungsmethode steht im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde bzw. des Finanzgerichts, das an die von der Behörde gewählte Schätzungsmethode nicht gebunden ist und nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO eine eigene Schätzungsbefugnis besitzt. Bei dieser Entscheidung kommt der Art der zu schätzenden Besteuerungsgrundlagen, den vorliegenden und verwertbaren Unterlagen und der Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen wesentliche Bedeutung zu. Schätzungsunschärfen gehen zu Lasten des Steuerpflichtigen (BFH-Beschluss vom 1.12.1998 III B 78/97, BFH/NV 1999, 741).

Grundsätzlich trägt das Finanzamt die Feststellungslast für steuererhöhende Tatsachen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 05.11.1970 V R 71/67, BStBl II 1971, 220). Bei einer Schätzung gemäß § 162 AO muss das Finanzamt daher - auch im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes - ausreichende Belege vorlegen, um die vorgenommene Schätzung der Höhe nach durch die Offenlegung einer nachvollziehbaren Kalkulation zu substantiieren, so dass sich das Gericht in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein Bild von dem geltend gemachten Anspruch machen kann (BFH-Beschluss vom 14.02.1984 VIII B 112/83, BStBl II 1984, 443). Dafür müssen sowohl die verwendeten Ausgangszahlen (in der Regel die Buchungskonten), als auch der Kalkulationsweg nachvollziehbar dargestellt werden, damit das Finanzgericht in die Lage versetzt wird, seine eigene Schätzungsbefugnis auszuüben. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf seine Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein (vgl. BFH-Urteil vom 14.12.2011 XI R 5/10, BFH/NV 2012, 1921). Die Schätzung ist vom Gericht voll überprüfbar, weil sie keine Ermessensentscheidung darstellt (vgl. BFH-Urteil vom 17.10.2001 I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171).

Im Streitfall hat das Finanzamt keine einheitliche, in sich schlüssige Schätzungsmethode angewandt. Es führt zwar aus, dass anhand der beschlagnahmten EDV-Daten des Kassensystemaufstellers für die Jahre 2014 und 2015 von einem ungefähren Verhältnis von Speisenumsätzen von 30% und Getränkeumsätzen von 70% ausgegangen werden könne, soweit es sich um Veranstaltungen handle, die einem Festzeltbetrieb vergleichbar seien. Um welche Veranstaltungen es sich insoweit handelt, wurde jedoch nicht angegeben. Außerdem hat das Finanzamt nicht dargestellt, welche Ausgangswerte für den Getränkeumsatz als Berechnungsgrundlage herangezogen worden sind und in welcher Weise daraus die geschätzten Getränkeerlöse berechnet werden. Die insoweit in Bezug genommenen Auszüge aus den strafrechtlichen Ermittlungsakten wurden dem Finanzgericht nicht vorgelegt.

Zusätzlich zu der Schätzung nach der sogenannten Kalkulation nach Anteilen hat das Finanzamt auch „pauschale Schätzungen“ vorgenommen, beispielsweise für das „…Fest“ in den Jahren 2011 bis 2013, die Veranstaltung „…“ und „… Festtage“ im Jahr 2013 sowie die Veranstaltung „…“ im Jahr 2014. Auf welcher Grundlage die pauschalen Schätzungen erfolgt sind und wie die Höhe der zugeschätzten Beträge ermittelt worden ist, wurde vom Finanzamt nicht ausgeführt. So wurden die Zuschätzungen für die „…“ im Jahr 2011 lediglich mit dem Vermerk „4,2 hl von Brauerei X, hoher Speisenanteil; Heißgetränke“ und für das „… Fest“ im Jahr 2013 mit dem Vermerk „9 hl v. Brauerei X, Y + Speisen“ versehen. Das Finanzamt hat jedoch nicht dargestellt, mit welchem Anteil die Getränkeumsätze und der „hohe“ Speiseanteil“ in dem geschätzten Betrag jeweils enthalten sind. Ebenso wenig hat es ausgeführt, wie der Anteil der Umsätze mit 7% bzw. 19% Umsatzsteuer bei der Schätzung berechnet wurde. Das Finanzamt hat keine ausreichenden Belege vorgelegt, um die vorgenommene Schätzung der Höhe nach durch die Offenlegung einer nachvollziehbaren Kalkulation zu substantiieren.

Im Übrigen bestehen auch erhebliche Zweifel, ob das Finanzamt die für das Jahr 2013 vorgenommenen pauschalen Schätzungen, die für sich schon nicht detailliert dargestellt worden sind, für die Veranstaltungen „…“ und „…“ des Jahres 2014 übernehmen kann. Ferner fehlen Übersichten über die Ermittlung des Eigenverbrauchs und von Schankverlusten, die bei einer Schätzung im Gastronomiegewerbe grundsätzlich zu berücksichtigen sind.

Auch soweit das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 2015 wegen der fehlenden Abgabe von Steuererklärungen geschätzt hat, hat es die Grundlage der vorgenommenen Schätzung nicht dargelegt. Auch insoweit ist das Finanzgericht nicht in die Lage versetzt, das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung auf seine Schlüssigkeit hin zu kontrollieren.

Bei summarischer Prüfung kann das Finanzgericht daher nicht nachprüfen, ob die gewonnenen Schätzergebnisse für die Jahre 2011 bis 2015 in sich schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sind.

3.3. Da im Streitfall eine schlüssige Begründung des Steueranspruchs in ausreichendem Umfang fehlt, ist es dem Gericht - auch im summarischen Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes - nicht möglich, die aufgeworfenen Rechts- und Tatsachenfragen zu bewerten (vgl. BFH-Beschluss vom 14.02.1984 VIII B 112/83, BFHE 140, 153, BStBl II 1984, 443). Insbesondere die verwendeten Ausgangszahlen und der Kalkulationsweg sind nicht nachvollziehbar dargestellt worden. Das Finanzgericht kann daher seine eigene Schätzungsbefugnis nicht ausüben, so dass die Bescheide zur Körperschaftsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag für die Jahre 2011 bis 2015 in vollem Umfang wegen ernsthafter Zweifel von der Vollziehung auszusetzen sind.

5. Die Aussetzung der Vollziehung wird von der Leistung einer Sicherheit abhängig gemacht (§ 69 Abs. 3 S. 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 69 Abs. 2 S. 3 FGO). Die Aussetzung gegen Leistung einer Sicherheit ist angezeigt, wenn die spätere Vollstreckung der Steuerforderung infolge der Aussetzung der Vollziehung gefährdet oder erschwert erscheint, da die Sicherheitsleistung der Vermeidung von Steuerausfällen bei einem für den Steuerpflichtigen ungünstigen Verfahrensausgang dient (vgl. BFH-Beschluss 10. Februar 2010 V S 24/09, BFH/NV 2010, 930). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist im Streitfall von einer Gefährdung des Steueranspruchs auszugehen. Aufgrund des am 30. Mai 2018 gestellten Insolvenzantrags bestehen bei summarischer Prüfung erhebliche Zweifel an der Realisierung der Steuerforderungen. Wegen der dem Insolvenzantrag zugrundeliegenden Steuerrückstände in Höhe von 281.347,23 € erscheint eine spätere Vollstreckung der Steuerforderungen infolge der Aussetzung der Vollziehung als gefährdet.

Die Sicherheit ist gemäß § 155 FGO i.V.m. § 108 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) zu leisten. Sie kann durch Bürgschaft einer angesehenen Bank oder in Form des § 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO erbracht werden (BFH-Beschluss vom 3. Februar 1993 I B 90/92, BStBl II 1993, 426). Es reicht aus, wenn die Anforderungen des § 244 Abgabenordnung (AO) erfüllt sind. Die Sicherheit kann unmittelbar gegenüber dem Finanzamt erbracht werden.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO.

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(1a)1Posten der Aktivseite dürfen nicht mit Posten der Passivseite verrechnet werden.2Die Ergebnisse der in der handelsrechtlichen Rechnungslegung zur Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken gebildeten Bewertungseinheiten sind auch für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich.

(2) Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden.

(2a) Für Verpflichtungen, die nur zu erfüllen sind, soweit künftig Einnahmen oder Gewinne anfallen, sind Verbindlichkeiten oder Rückstellungen erst anzusetzen, wenn die Einnahmen oder Gewinne angefallen sind.

(3)1Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte dürfen erst gebildet werden, wenn

1.
der Rechtsinhaber Ansprüche wegen der Rechtsverletzung geltend gemacht hat oder
2.
mit einer Inanspruchnahme wegen der Rechtsverletzung ernsthaft zu rechnen ist.
2Eine nach Satz 1 Nummer 2 gebildete Rückstellung ist spätestens in der Bilanz des dritten auf ihre erstmalige Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen, wenn Ansprüche nicht geltend gemacht worden sind.

(4) Rückstellungen für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anlässlich eines Dienstjubiläums dürfen nur gebildet werden, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre bestanden hat, das Dienstjubiläum das Bestehen eines Dienstverhältnisses von mindestens 15 Jahren voraussetzt, die Zusage schriftlich erteilt ist und soweit der Zuwendungsberechtigte seine Anwartschaft nach dem 31. Dezember 1992 erwirbt.

(4a)1Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften dürfen nicht gebildet werden.2Das gilt nicht für Ergebnisse nach Absatz 1a Satz 2.

(4b)1Rückstellungen für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind, dürfen nicht gebildet werden.2Rückstellungen für die Verpflichtung zur schadlosen Verwertung radioaktiver Reststoffe sowie ausgebauter oder abgebauter radioaktiver Anlagenteile dürfen nicht gebildet werden, soweit Aufwendungen im Zusammenhang mit der Bearbeitung oder Verarbeitung von Kernbrennstoffen stehen, die aus der Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe gewonnen worden sind und keine radioaktiven Abfälle darstellen.

(5)1Als Rechnungsabgrenzungsposten sind nur anzusetzen

1.
auf der Aktivseite Ausgaben vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen;
2.
auf der Passivseite Einnahmen vor dem Abschlussstichtag, soweit sie Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen.
2Der Ansatz eines Rechnungsabgrenzungspostens kann unterbleiben, wenn die jeweilige Ausgabe oder Einnahme im Sinne des Satzes 1 den Betrag des § 6 Absatz 2 Satz 1 nicht übersteigt; das Wahlrecht ist einheitlich für alle Ausgaben und Einnahmen im Sinne des Satzes 1 auszuüben.3Auf der Aktivseite sind ferner anzusetzen
1.
als Aufwand berücksichtigte Zölle und Verbrauchsteuern, soweit sie auf am Abschlussstichtag auszuweisende Wirtschaftsgüter des Vorratsvermögens entfallen,
2.
als Aufwand berücksichtigte Umsatzsteuer auf am Abschlussstichtag auszuweisende Anzahlungen.

(6) Die Vorschriften über die Entnahmen und die Einlagen, über die Zulässigkeit der Bilanzänderung, über die Betriebsausgaben, über die Bewertung und über die Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung sind zu befolgen.

(7)1Übernommene Verpflichtungen, die beim ursprünglich Verpflichteten Ansatzverboten, -beschränkungen oder Bewertungsvorbehalten unterlegen haben, sind zu den auf die Übernahme folgenden Abschlussstichtagen bei dem Übernehmer und dessen Rechtsnachfolger so zu bilanzieren, wie sie beim ursprünglich Verpflichteten ohne Übernahme zu bilanzieren wären.2Dies gilt in Fällen des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahme mit vollständiger oder teilweiser Schuldfreistellung für die sich aus diesem Rechtsgeschäft ergebenden Verpflichtungen sinngemäß.3Satz 1 ist für den Erwerb eines Mitunternehmeranteils entsprechend anzuwenden.4Wird eine Pensionsverpflichtung unter gleichzeitiger Übernahme von Vermögenswerten gegenüber einem Arbeitnehmer übernommen, der bisher in einem anderen Unternehmen tätig war, ist Satz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass bei der Ermittlung des Teilwertes der Verpflichtung der Jahresbetrag nach § 6a Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 so zu bemessen ist, dass zu Beginn des Wirtschaftsjahres der Übernahme der Barwert der Jahresbeträge zusammen mit den übernommenen Vermögenswerten gleich dem Barwert der künftigen Pensionsleistungen ist; dabei darf sich kein negativer Jahresbetrag ergeben.5Für einen Gewinn, der sich aus der Anwendung der Sätze 1 bis 3 ergibt, kann jeweils in Höhe von vierzehn Fünfzehntel eine gewinnmindernde Rücklage gebildet werden, die in den folgenden 14 Wirtschaftsjahren jeweils mit mindestens einem Vierzehntel gewinnerhöhend aufzulösen ist (Auflösungszeitraum).6Besteht eine Verpflichtung, für die eine Rücklage gebildet wurde, bereits vor Ablauf des maßgebenden Auflösungszeitraums nicht mehr, ist die insoweit verbleibende Rücklage erhöhend aufzulösen.

(1)1Die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft hat die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen.2Das steuerliche Einlagekonto ist ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben.3Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von Nennkapital im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 und 3 und der Mehrabführungen im Sinne des Absatzes 6 mindern das steuerliche Einlagekonto unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Einordnung nur, soweit sie den auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigen (Einlagenrückgewähr).4Der Bestand des steuerlichen Einlagekontos kann durch Leistungen nicht negativ werden; Absatz 6 bleibt unberührt.5Als ausschüttbarer Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos.

(2)1Der unter Berücksichtigung der Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs ermittelte Bestand des steuerlichen Einlagekontos wird gesondert festgestellt.2Der Bescheid über die gesonderte Feststellung ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt.3Bei Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht ist der zum Zeitpunkt des Eintritts in die Steuerpflicht vorhandene Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen gesondert festzustellen; der gesondert festgestellte Bestand gilt als Bestand des steuerlichen Einlagekontos am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs.4Kapitalgesellschaften haben auf den Schluss jedes Wirtschaftsjahrs Erklärungen zur gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen abzugeben.5Die Erklärungen sind von den in § 34 der Abgabenordnung bezeichneten Personen eigenhändig zu unterschreiben.

(3)1Erbringt eine Kapitalgesellschaft für eigene Rechnung Leistungen, die nach Absatz 1 Satz 3 als Abgang auf dem steuerlichen Einlagekonto zu berücksichtigen sind, so ist sie verpflichtet, ihren Anteilseignern die folgenden Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu bescheinigen:

1.
den Namen und die Anschrift des Anteilseigners,
2.
die Höhe der Leistungen, soweit das steuerliche Einlagekonto gemindert wurde,
3.
den Zahlungstag.
2Die Bescheinigung braucht nicht unterschrieben zu werden, wenn sie in einem maschinellen Verfahren ausgedruckt worden ist und den Aussteller erkennen lässt.

(4)1Ist die in Absatz 1 bezeichnete Leistung einer Kapitalgesellschaft von der Vorlage eines Dividendenscheins abhängig und wird sie für Rechnung der Kapitalgesellschaft durch ein inländisches Kreditinstitut erbracht, so hat das Institut dem Anteilseigner eine Bescheinigung mit den in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Angaben nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erteilen.2Aus der Bescheinigung muss ferner hervorgehen, für welche Kapitalgesellschaft die Leistung erbracht wird.3Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend, wenn anstelle eines inländischen Kreditinstituts eine inländische Zweigniederlassung eines der in § 53b Absatz 1 oder 7 des Kreditwesengesetzes genannten Unternehmen die Leistung erbringt.

(5)1Ist für eine Leistung der Kapitalgesellschaft die Minderung des Einlagekontos zu niedrig bescheinigt worden, bleibt die der Bescheinigung zugrunde gelegte Verwendung unverändert.2Ist für eine Leistung bis zum Tag der Bekanntgabe der erstmaligen Feststellung im Sinne des Absatzes 2 zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Leistung eine Steuerbescheinigung im Sinne des Absatzes 3 nicht erteilt worden, gilt der Betrag der Einlagenrückgewähr als mit 0 Euro bescheinigt.3In den Fällen der Sätze 1 und 2 ist eine Berichtigung oder erstmalige Erteilung von Steuerbescheinigungen im Sinne des Absatzes 3 nicht zulässig.4In anderen Fällen ist die auf den überhöht ausgewiesenen Betrag der Einlagenrückgewähr entfallende Kapitalertragsteuer durch Haftungsbescheid geltend zu machen; § 44 Abs. 5 Satz 1 zweiter Halbsatz des Einkommensteuergesetzes gilt insoweit nicht.5Die Steuerbescheinigungen können berichtigt werden.6Die Feststellung im Sinne des Absatzes 2 für das Wirtschaftsjahr, in dem die entsprechende Leistung erfolgt ist, ist an die der Kapitalertragsteuerhaftung nach Satz 4 zugrunde gelegte Einlagenrückgewähr anzupassen.

(6) Minderabführungen erhöhen und Mehrabführungen mindern das Einlagekonto einer Organgesellschaft, wenn sie ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben. Mehrabführungen im Sinne des Satzes 1 mindern das steuerliche Einlagekonto der Organgesellschaft vor anderen Leistungen.

(7) Die vorstehenden Absätze gelten sinngemäß für andere unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen, die Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 9 oder Nr. 10 des Einkommensteuergesetzes gewähren können.

(8)1Eine Einlagenrückgewähr können auch Körperschaften oder Personenvereinigungen erbringen, die nicht der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen, wenn sie Leistungen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder 9 des Einkommensteuergesetzes gewähren können.2Die Einlagenrückgewähr ist in entsprechender Anwendung der Absätze 1 bis 6 und der §§ 28 und 29 zu ermitteln.3Der als Einlagenrückgewähr zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der Körperschaft oder Personenvereinigung für das jeweilige Wirtschaftsjahr gesondert festgestellt.4Der Antrag ist nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck bis zum Ende des zwölften Monats zu stellen, der auf das Ende des Wirtschaftsjahres folgt, in dem die Leistung erfolgt ist.5Zuständig für die gesonderte Feststellung ist die Finanzbehörde, die im Zeitpunkt der Abgabe des Antrags nach § 20 der Abgabenordnung für die Besteuerung nach dem Einkommen örtlich zuständig ist.6Bei Körperschaften oder Personenvereinigungen, für die im Zeitpunkt der Antragstellung nach § 20 der Abgabenordnung keine Finanzbehörde zuständig ist, ist abweichend von Satz 5 das Bundeszentralamt für Steuern zuständig.7Im Antrag sind die für die Berechnung der Einlagenrückgewähr erforderlichen Umstände darzulegen.8In die Bescheinigung nach Absatz 3 ist das Aktenzeichen der nach Satz 5 oder 6 zuständigen Behörde aufzunehmen.9Soweit für Leistungen nach Satz 1 oder Nennkapitalrückzahlungen eine Einlagenrückgewähr nicht gesondert festgestellt worden ist, gelten sie als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Einnahmen im Sinne des § 20 Absatz 1 Nummer 1 oder 9 des Einkommensteuergesetzes führen.

(1)1Wird das Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht, so gilt der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos als vor den sonstigen Rücklagen umgewandelt.2Maßgeblich ist dabei der sich vor Anwendung des Satzes 1 ergebende Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des Wirtschaftsjahrs der Rücklagenumwandlung.3Enthält das Nennkapital auch Beträge, die ihm durch Umwandlung von sonstigen Rücklagen mit Ausnahme von aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträgen zugeführt worden sind, so sind diese Teile des Nennkapitals getrennt auszuweisen und gesondert festzustellen (Sonderausweis).4§ 27 Abs. 2 gilt entsprechend.

(2)1Im Fall der Herabsetzung des Nennkapitals oder der Auflösung der Körperschaft wird zunächst der Sonderausweis zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs gemindert; ein übersteigender Betrag ist dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben, soweit die Einlage in das Nennkapital geleistet ist.2Die Rückzahlung des Nennkapitals gilt, soweit der Sonderausweis zu mindern ist, als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes führt.3Ein den Sonderausweis übersteigender Betrag ist vom positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos abzuziehen.4Soweit der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos für den Abzug nach Satz 3 nicht ausreicht, gilt die Rückzahlung des Nennkapitals ebenfalls als Gewinnausschüttung, die beim Anteilseigner zu Bezügen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes führt.

(3) Ein Sonderausweis zum Schluss des Wirtschaftsjahrs vermindert sich um den positiven Bestand des steuerlichen Einlagekontos zu diesem Stichtag; der Bestand des steuerlichen Einlagekontos vermindert sich entsprechend.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Tatbestand

1

I. Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Verfahrens betreffend die Aussetzung der Vollziehung (AdV) streitig, ob und in welcher Höhe die Antragstellerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Antragstellerin) für den Abzug von Einkommensteuer auf an den Antragsteller und Beschwerdeführer zu 2. (Antragsteller) gezahlte Vergütungen nach der im Streitjahr 2005 geltenden Fassung des § 50a des Einkommensteuergesetzes (EStG 2002) haftet.

2

Die Antragstellerin hatte mit dem in der Schweiz wohnenden Antragsteller Werbeverträge abgeschlossen, die Gegenstand von Außenprüfungen waren.

3

In einem dieser Werbeverträge verpflichtete sich der Antragsteller für die Laufzeit des Vertrages bei allen öffentlichen Auftritten soweit möglich ihr Logo auf einem Kleidungsstück zu tragen. Zudem verpflichtete sich der Antragsteller in jedem Vertragsjahr für Werbe-, Verkaufsförderungs- und Öffentlichkeitsmaßnahmen oder innerbetriebliche Veranstaltungen oder für die Erstellung von Werbemitteln zur Verfügung zu stehen. Darüber hinaus räumte er der Antragstellerin das Recht ein, seinen Namen, sein Bild, und/oder seinen Namenszug oder seine Unterschrift für die Konzeption und Gestaltung neuer Produkte und Vertriebsunterlagen zu nutzen. Außerdem erhielt die Antragstellerin das Recht, während der Laufzeit des Vertrages Foto-, Ton-, Schrift- und Filmmaterial betreffend den Antragsteller für Verkaufsförderungsmaßnahmen und sonstige Werbemaßnahmen aller Art zu verwenden. Ggf. sollte der Antragsteller der Antragstellerin auch etwaige markenrechtliche Nutzungsrechte einräumen.

4

Für seine vertraglichen Leistungen vereinbarte der Antragsteller mit der Antragstellerin ein jährliches Pauschalhonorar (...) ("Leistungsphase I"), das sich nach Beendigung seiner aktiven Karriere reduzierte ("Leistungsphase II"). In der Leistungsphase II erhöhte sich die Verpflichtung zur persönlichen Präsenz des Antragstellers. Die Umsatzsteuer sollte in beiden Leistungsphasen von der Antragstellerin getragen werden. Die Höhe des Quellensteuerabzugs sollte im Einklang mit der damals aktuellen Rechtsprechung vorgenommen werden, jedoch mit dem Finanzamt abgeklärt werden.

5

In der Zeit des Vertragsschlusses wurde der Antragsteller von der X-GmbH gemanagt, die u.a. die Vermittlung, Aushandlung und Abwicklung von Verträgen mit Werbepartnern übernahm. Im Zuge des Werbevertrages wurde der X-GmbH ein Honorar gezahlt.

6

Zu Beginn des Jahres 2005 wandten sich die Prozessbevollmächtigten der Antragsteller an den Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--), um den Steuerabzug nach Maßgabe eines für vergangene Zeiträume festgelegten Schlüssels zur steuerrechtlichen Aufteilung der einzelnen Teilleistungen vorzunehmen. Mit einer entsprechenden Steueranmeldung für das I. Quartal 2005 wurde ein Vergütungsanteil von 29 % dem Steuerabzug unterworfen. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein mit dem Begehren, lediglich 15 % der Vergütung als abzugssteuerpflichtig anzusehen. (...)

7

Am 11. Dezember 2009 erließ das FA den streitgegenständlichen Haftungsbescheid wegen Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag. Den Haftungsbetrag errechnete das FA ausgehend von einer Vergütung in Höhe von (...), zu dessen Berechnung es von der Gesamtvergütung den bereits in der Steueranmeldung berücksichtigten Vergütungsanteil abzog. Über den gegen den Haftungsbescheid eingelegten Einspruch ist bislang noch nicht entschieden worden. Nachdem das FA eine AdV abgelehnt hatte, setzte das FG die Vollziehung des Haftungsbescheids hinsichtlich eines Teilbetrags bis einen Monat nach Ergehen der Einspruchsentscheidung aus und lehnte im Übrigen den Antrag ab.

8

Mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde wenden sich die Antragsteller gegen die verwehrte vollständige AdV des Haftungsbescheids.

Entscheidungsgründe

9

II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Es bedarf weiterer Sachaufklärung, in welchem Umfang die an den Antragsteller ausgezahlte Vergütung nach dem Werbevertrag im Inland steuerpflichtig ist und das FA die Antragstellerin über die von ihr angemeldeten Steuern hinaus in Haftung nehmen durfte.

10

1. Die Antragsteller sind beschwerde- und antragsberechtigt. Dies gilt nicht nur für die Antragstellerin, gegen die sich der Haftungsbescheid als Vergütungsschuldnerin richtet, sondern auch für den Antragsteller als Vergütungsgläubiger.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein beschränkt steuerpflichtiger Vergütungsgläubiger prinzipiell einen Haftungsbescheid, dessen unmittelbarer Adressat der inländische Vergütungsschuldner ist, aus eigenem Recht mit Einspruch und Klage anfechten (vgl. Senatsurteil vom 24. April 2007 I R 39/04, BFHE 218, 89, BStBl II 2008, 95). Zugleich können sowohl der Vergütungsschuldner als auch der Vergütungsgläubiger AdV beantragen, weil § 361 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) und § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht erkennen lassen, dass die Befugnis zum Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz enger begrenzt sein soll als die in § 350 AO und in § 40 Abs. 2 FGO geregelte Rechtsbehelfsbefugnis (vgl. Senatsbeschluss vom 24. März 1999 I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314 zur Abzugsanordnung nach § 50a Abs. 7 EStG 1997; vgl. auch Gosch in Kirchhof, EStG, 10. Aufl., § 50a Rz 40; Maßbaum in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50a EStG Rz 135 für die Steueranmeldung). Daran hält der Senat fest, so dass die Antragsbefugnis des Vergütungsgläubigers im AdV-Verfahren und seine Beschwer im Hauptsacheverfahren regelmäßig einheitlich zu beantworten sind. Auch wenn dieser Grundsatz nicht ausnahmslos gilt, so besteht im Streitfall kein Anlass für eine Einschränkung der Antragsbefugnis des Vergütungsgläubigers, wie sie der Senat im Fall der vom Vergütungsgläubiger beantragten AdV gegen eine Abzugsanordnung (§ 50a Abs. 7 EStG 1997) mit dem Ziel der Auszahlung des vom Vergütungsschuldner abgeführten Steuerbetrages an ihn gemacht hat (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 1314). Ebenso bedarf es keiner Entscheidung, ob die für den Fall einer Aufhebung der Vollziehung geltende weitere Einschränkung, dass bei einem Vollzug der Vergütungsgläubiger dem Vergütungsschuldner den angeforderten Steuerbetrag zurückzahlen müsse, in gleicher Weise für die AdV gilt (vgl. Senatsbeschluss vom 1. Dezember 1993 I R 48/93, BFH/NV 1994, 549). Denn jedenfalls haben die Antragsteller das Bestehen eines solchen Rückforderungsanspruchs übereinstimmend vorgetragen. Dies hat auch das FA nicht bestritten.

12

2. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechende Umstände gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; Senatsbeschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 2005 II B 14/04, BFH/NV 2005, 1379, m.w.N.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (vgl. dazu Gosch in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 69 FGO Rz 123, m.w.N.).

13

3. Unter Heranziehung dieser Grundsätze reichen weder die Feststellungen des FG noch der bisherige Vortrag der Beteiligten oder der Akteninhalt für eine abschließende Entscheidung über die Gewährung oder Ablehnung einer AdV aus. Die Sache ist nicht spruchreif. Angesichts des Umfangs der nachzuholenden Sachverhaltsfeststellungen hält es der beschließende Senat für sachgerecht, die Sache an das FG zurückzuverweisen (zur Zurückverweisung im Verfahren auf AdV vgl. Senatsbeschluss vom 19. Mai 2010 I B 191/09, BFHE 229, 322, BStBl II 2011, 156, m.w.N.).

14

a) Unterliegen Einkünfte des Vergütungsgläubigers im Inland dem Steuerabzug für beschränkt Steuerpflichtige gemäß § 50a Abs. 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 EStG 2002, ist der Vergütungsschuldner verpflichtet, den Steuerabzug für Rechnung des Vergütungsgläubigers vorzunehmen und die einbehaltene Steuer an das FA abzuführen (§ 50a Abs. 5 Satz 2 EStG 2002). Wird diese Verpflichtung nur teilweise erfüllt, haftet der Vergütungsschuldner unmittelbar für die einzubehaltende und abzuführende Steu-er (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 2002, § 219 Satz 2 AO) und kann vom FA durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden (vgl. § 191 AO i.V.m. § 73g Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 2000, § 3 des Solidaritätszuschlagsgesetzes).

15

Voraussetzung für die Haftungsinanspruchnahme der Antragstellerin als Vergütungsschuldnerin ist damit das Vorliegen von Einkünften i.S. des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 bis 3 EStG 2002 des Antragstellers. In welchem Umfang dies der Fall ist, kann der Senat auch bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht entscheiden.

16

b) Nach Auffassung des FG sind 2/3 der im Streitjahr ausgezahlten Vergütung als inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2002 anzusehen, die dem Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 Nr. 3 EStG 2002 unterliegen. Dabei soll es sich um den Vergütungsanteil handeln, den der Antragsteller für die der Antragstellerin eingeräumten Rechte, seinen Namen, sein Bild und/oder seinen Namenszug/seine Unterschrift zur Produktgestaltung zu nutzen sowie Foto-, Ton-, Schrift- und Filmmaterial für Verkaufsförderungsmaßnahmen und sonstige Werbemaßnahmen aller Art, einschließlich der Werbung in elektronischen Medien und im Fernsehen zu verwenden, erzielt habe. Soweit sich der Antragsteller demgegenüber verpflichtet habe, das Logo der Antragstellerin zu tragen und z.B. an Werbe-, Verkaufsförderungs- und Öffentlichkeitsmaßnahmen teilzunehmen, handelt es sich nach Auffassung des FG bei dem darauf entfallenden Vergütungsanteil von 1/3 der Gesamtvergütung nicht um inländische und dem Steuerabzug unterliegende Einkünfte.

17

c) Der Senat pflichtet der Ansicht des FG jedenfalls insoweit bei, als die Einkünfte für die vom Antragsteller zu erbringenden Dienstleistungen und die von ihm erfolgte Rechteeinräumung zu unterschiedlichen Einkünften im Sinne der beschränkten Steuerpflicht führen. Demzufolge ist eine Aufteilung des gezahlten Pauschalhonorars erforderlich, sofern den Dienstleistungen gegenüber der Rechteverwertung ein eigenständiger Charakter zukommt und sie nicht nur von untergeordneter Bedeutung sind (vgl. Senatsurteile vom 28. Januar 2004 I R 73/02, BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550, und vom 19. Dezember 2007 I R 19/06, BFHE 220, 160, BStBl II 2010, 398). Daran hält der Senat in Kenntnis der tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Schätzung eines geeigneten Aufteilungsmaßstabs gemäß § 162 Abs. 1 AO fest. Denn auch wenn die Vertragsparteien von einem einheitlichen Vertragswerk ausgegangen sind, zwingt das nicht zu einer einheitlichen Qualifizierung der auf der Grundlage des Vertrages erzielten Einkünfte. Zum einen steht es ihnen frei, in den Grenzen der §§ 40 ff. AO und ggf. des Fremdvergleichs für verschiedene Einzelleistungen entsprechende Teilentgelte zu vereinbaren. Zum anderen macht es aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 Satz 1 AO) keinen Unterschied, ob die Vertragsparteien über jede Einzelleistung einen gesonderten oder, wie im Streitfall, einen einheitlichen Vertrag abschließen. Der Senat hält im Streitfall die Einzelleistungen auch nicht für untrennbar miteinander verknüpft. Selbst wenn, worauf die Antragsteller hinweisen, die Rechteüberlassung und die aktiven Werbetätigkeiten einheitlich der Verwertung des positiven Images des Antragstellers dienten, folgt daraus keine Untrennbarkeit von Werbedienstleistung und Rechteüberlassung.

18

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die nach dem Werbevertrag in der streitgegenständlichen "Leistungsphase I" zu erbringenden Leistungen wie folgt aufzuteilen:

19

aa) Die Einnahmen, die der Antragsteller durch das Tragen des Logos der Antragstellerin oder durch vergleichbare Verpflichtungen erzielt, begründen Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. von § 15 EStG 2002. Diese Einkünfte erfüllen jedoch keinen Tatbestand des § 50a Abs. 4 EStG 2002, der die Antragstellerin zum Steuerabzug verpflichtet und aufgrund derer sie in Haftung genommen werden könnte. Gleiches gilt für die Verpflichtung zur persönlichen Präsenz des Antragstellers bei Maßnahmen der Antragstellerin für Werbung, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit, innerbetrieblichen Veranstaltungen oder der Erstellung von Werbemitteln. Auch ist nach Aktenlage der Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 2002 jedenfalls im Streitjahr nicht erfüllt (wird ausgeführt). Dies alles ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

20

bb) Soweit dagegen der Antragsteller der Antragstellerin Rechte an seinem Namen, seinem Bild, seinem Namenszug und seiner Unterschrift sowie etwaige markenrechtliche Nutzungsrechte zur Herstellung von Produkten, Vertriebsunterlagen und Werbung einräumt, erzielt er mit den dafür erhaltenen Vergütungen Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002, die --ebenfalls unstreitig-- in der inländischen Betriebsstätte der Antragstellerin verwertet wurden (vgl. zur zeitlich begrenzten Überlassung von Persönlichkeitsrechten Senatsurteil in BFHE 220, 160, BStBl II 2010, 398). Diese Einkünfte begründen die Verpflichtung zum Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 und sind demzufolge geeignet, die Haftung nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 2002 auszulösen.

21

cc) Gegen eine Aufteilung der Vergütung zur Bestimmung der Höhe des Steuerabzugs können die Antragsteller nicht einwenden, der auf die X-GmbH als inländischem Vertreter (§ 13 AO) entfallende Vergütungsanteil unterliege nicht dem Steuerabzug. Zwar kann, anders als es das FA und das FG meinen, nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller mit der X-GmbH über einen inländischen Vertreter i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a Alternative 2 EStG 2002 verfügte, der an dem streitgegenständlichen Vertrag beteiligt war. Dies ergibt sich nach gegenwärtigem Verfahrensstand zum einen aus dem streitgegenständlichen Werbevertrag selbst, der im Zusammenhang mit der Überlassung der Persönlichkeitsrechte eine Mitwirkung der X-GmbH vorsieht. Zum anderen widerspricht es einer lebensnahen Würdigung des Sachverhalts, dass der X-GmbH eine Vergütung (...) aufgrund des Werbevertrages gezahlt wurde, diese aber dafür keine Leistungen erbracht haben soll.

22

Allerdings schließt die Einschaltung eines inländischen Vertreters die Verpflichtung zum Steuerabzug nicht aus. Dem Steuerabzug unterliegen auch die Einkünfte aus der Einschaltung eines inländischen Vertreters, die anteilig der Rechteüberlassung zuzurechnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002). Soweit § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG 2002 u.a. auf § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2002 Bezug nimmt, folgt daraus, dass es sich bei den jeweiligen Nutzungsentgelten um Einkünfte aus Gewerbebetrieb handeln muss, die der beschränkten Steuerpflicht unterliegen. Es bleibt bei der Einkunftsart, deren Inlandsbezug als Grundvoraussetzung zur beschränkten Steuerpflicht führt (vgl. Maßbaum in Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O., § 50a EStG Rz 96; Blümich/Wied, § 50a EStG Rz 59). Damit ist der Steuerabzug auch vorzunehmen, wenn die Überlassung im Rahmen einer Betätigung i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG 2002 erfolgt (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 23. Januar 1996, BStBl I 1996, 89 Tz. 2.4, nunmehr BMF-Schreiben vom 25. November 2010, BStBl I 2010, 1350, Tz. 21 und Tz. 3 zur inländischen Betriebsstätte).

23

d) Indem die an den Antragsteller gezahlten Vergütungen nur teilweise dem Steuerabzug unterliegen, was das FA im Beschwerdeverfahren nicht mehr in Frage stellt, sind die Vergütungen nach den Verhältnissen im Streitfall schätzweise aufzuteilen (vgl. Senatsurteile in BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550, und in BFHE 220, 160, BStBl II 2010, 398). Indes lassen sich weder dem FG-Beschluss, dem Vorbringen der Beteiligten, dem sonstigen Akteninhalt oder aus präsenten Beweismitteln Anhaltspunkte entnehmen, die selbst nach dem Prüfungsmaßstab im AdV-Verfahren eine nachvollziehbare Bewertung der Verpflichtungen des Antragstellers und damit eine Aufteilung der Gesamtvergütung auf die gesondert zu betrachtenden Einkunftsquellen ermöglichen.

24

Der Senat teilt jedenfalls nicht die Würdigung des FG, bereits aus dem Aufbau des Werbevertrages sei eine Gewichtung des Werts der einzelnen Teilleistungen möglich. Ebenso wenig reichen bloße "Vermutungen" des zeitlichen und wirtschaftlichen Gehalts zur Schätzung eines geeigneten Aufteilungsschlüssels aus.

25

Die Bewertung und Aufteilung wird im zweiten Rechtsgang unter Mitwirkung der Antragsteller (§ 90 AO, § 76 Abs. 1 FGO), aus deren Sphäre die für eine Aufteilung notwendigen Sachumstände herrühren, beispielsweise durch Offenlegung der dem Vertrag zugrunde liegenden unterschiedlichen Kalkulationen für die jeweilige Leistungsphase und die Heranziehung von Vergleichswerten, zu klären sein. Eine etwaige Verletzung der Mitwirkungspflicht kann trotz der bei Haftungsbescheiden bestehenden Feststellungslast des FA eine Entscheidung zum Nachteil der Antragsteller rechtfertigen (vgl. dazu Senatsurteil vom 29. November 2006 I R 103/05, BFH/NV 2007, 1067; BFH-Urteil vom 6. März 2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100).

26

4. Soweit die Antragsteller gegen die Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids die bereits durchgeführte Veranlagung des Antragstellers, das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums und einen Verstoß gegen das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (Freizügigkeitsabkommen --FZA--; vgl. Zustimmungsgesetz vom 2. September 2001, BGBl II 2001, 810) geltend machen, haben sie damit keinen Erfolg.

27

a) Der Haftungsinanspruchnahme steht nicht entgegen, dass der Antragsteller mit seinen inländischen Einkünften im Streitjahr zur beschränkten Steuerpflicht veranlagt wurde. Der Haftungsbescheid enthält ebenso wenig wie die vom Vergütungsschuldner abzugebende Steueranmeldung (§ 50a Abs. 4 EStG 2002) eine Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsgläubiger. Vielmehr realisiert die Finanzbehörde (nur) die (eigene) Entrichtungsschuld des Vergütungsschuldners auf die Anmeldung und Abführung der Abzugsteuer gemäß § 50a Abs. 4 EStG 2002. Es besteht insoweit keine wechselseitige Bindungswirkung (vgl. Senatsurteil in BFHE 218, 89, BStBl II 2008, 95 zur Frage der notwendigen Beiladung). Im Übrigen erfolgte im Streitfall die Veranlagung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO), so dass die Möglichkeit einer späteren Konkretisierung der (abzugs-)steuerpflichtigen Einnahmen bestand. Dass diese nicht mehr hätte geändert werden können, ist nicht erkennbar (vgl. insoweit zur ermessensfehlerhaften Lohnsteuerhaftung BFH-Urteil vom 9. Oktober 1992 VI R 47/91, BFHE 169, 208, BStBl II 1993, 169). Auch liegen die Ausschlusstatbestände des § 191 Abs. 5 AO nicht vor. Die von den Antragstellern behauptete Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme droht aufgrund der Anrechnung nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG 2002 nicht.

28

b) Der Haftungsinanspruchnahme können die Antragsteller auch einen entschuldbaren Rechtsirrtum nicht entgegenhalten. Soweit in der Rechtsprechung des Senats anerkannt ist, dass eine Haftung des Vergütungsschuldners ermessensfehlerhaft ist, wenn er Steuern infolge eines entschuldbaren Rechtsirrtums nicht einbehalten hat (vgl. Senatsurteil vom 20. Juli 1988 I R 61/85, BFHE 154, 473, BStBl II 1989, 99, unter Hinweis auf BFH-Urteil vom 18. September 1981 VI R 44/77, BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801; zur Einordnung als Ermessensfehler vgl. Senatsurteil vom 13. September 2000 I R 61/99, BFHE 193, 286, BStBl II 2001, 67), liegen diese Voraussetzungen nicht vor. Dazu müsste das FA die Antragstellerin aufgrund einer Auskunft, einer Außenprüfung oder einer anderen Sachbehandlung in den Glauben versetzt haben, sie brauche für einen bestimmten Tatbestand keine Steuer einzubehalten (vgl. für die Lohnsteuerhaftung BFH-Urteil in BFHE 134, 149, BStBl II 1981, 801). Es ist im Streitfall nicht erkennbar, dass das FA für die streitgegenständliche Vergütung einer bestimmten Sachbehandlung zugestimmt und damit einen Irrtum bei der Einbehaltung und Abführung der Steuern bei der Antragstellerin hervorgerufen hat. Auch konnte die Antragstellerin nicht aus dem Umstand, dass das FA die beantragte Aufhebung der Vollziehung ihrer Steueranmeldung angeordnet hat, aufgrund der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung den Schluss ziehen, es halte einen über die Steueranmeldung hinausgehenden Betrag für nicht steuerabzugsverpflichtet. Für die Antragstellerin war erkennbar der Umfang der dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte im Streit, wie dies ihre vorsorgliche Kontaktaufnahme mit dem FA vor Auszahlung der Vergütung angesichts des Vertragsschlusses mit Blick auf das damals aktuelle BFH-Urteil in BFHE 205, 174, BStBl II 2005, 550 und der von ihr gegen die Steueranmeldung eingelegte Einspruch belegen. Auch der Werbevertrag sah eine Abklärung der Höhe des Quellensteuerabzugs vor. Aus dem Unterlassen des FA, die Antragstellerin zur Abgabe geänderter Steueranmeldungen mit höheren Beträgen aufzufordern, konnte sie ebenfalls nicht schließen, der anzumeldende Steuerbetrag sei nur geringer, würde aber keinesfalls höher ausfallen, oder das FA sehe von einer etwaigen Haftungsinanspruchnahme ab.

29

c) Schließlich steht der Haftungsinanspruchnahme auch das Freizügigkeitsabkommen nicht entgegen. Dass das Abzugsverfahren bei Zahlungen an einen in der Schweiz ansässigen Vergütungsgläubiger anwendbar ist, wird von den Antragstellern zu Recht nicht in Frage gestellt. Es bestehen allerdings auch keine ernsthaften rechtlichen Bedenken dagegen, dass die Betriebsausgaben bei der Bestimmung der Steuer, für die die Antragstellerin haften soll, unberücksichtigt geblieben sind.

30

aa) Nach § 50a Abs. 4 Satz 3 EStG 2002 ist ein Abzug von Betriebsausgaben nicht zulässig. Dieses Abzugsverbot gilt trotz des Freizügigkeitsabkommens und der dort geregelten Dienstleistungsfreiheit (Art. 5).

31

Zutreffend weisen die Antragsteller im Grundsatz darauf hin, dass das gemäß Art. 300 ff., Art. 310 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Amsterdam vom 2. Oktober 1997 (EG; im Streitjahr in der Fassung mit den Änderungen durch den Vertrag von Nizza; nunmehr Art. 216 f. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union --AEUV-- in der Fassung des Vertrags von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union 2007 Nr. C 306/01) geschlossene Freizügigkeitsabkommen Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist und die Handlung eines Gemeinschaftsorgans darstellt (vgl. zum Assoziationsabkommen mit Ungarn Senatsurteil vom 23. Juni 2010 I R 37/09, BFHE 230, 156, BStBl II 2010, 895). Damit nimmt der Abkommensinhalt, der für die Organe der Gemeinschaft (Union) und die Mitgliedstaaten verbindlich ist (Art. 300 Abs. 7 EG; Art. 216 Abs. 2 AEUV), am Vorrang des EG-Rechts gegenüber nationalem Recht teil und bewirkt im Fall einer abkommenswidrigen innerstaatlichen Vorschrift deren Nichtanwendbarkeit. Über die Auslegung des Abkommens ist der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, jetzt Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), im Vorabentscheidungsverfahren zuständig (vgl. EuGH-Urteile vom 30. April 1974 C-181/73 "Haegeman", Slg. 1974, 449; vom 30. September 1987 C-12/86 "Demirel", Slg. 1987, 3719; Cordewener, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2008, 536, 538).

32

Jedoch rechtfertigt das Freizügigkeitsabkommen nicht die Minderung des Haftungsbetrages um die anteiligen Steuern, die sich aus der Versagung des Abzugs von Betriebsausgaben ergeben. Dabei kann offenbleiben, ob die im Freizügigkeitsabkommen geregelte Dienstleistungsfreiheit so umfassend gewährt wird, wie es nach Art. 49 EG (Art. 56 AEUV) der Fall ist (vgl. dazu EuGH-Urteil vom 15. Juli 2010 C-70/09, Informationsbrief Ausländerrecht --InfAuslR-- 2010, 317; Söffing/Bron, Recht der Internationalen Wirtschaft 2009, 358, 361; Weigell, IStR 2006, 190, 194; Kälin, Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik 4/2002, 123, 126; Kahil-Wolff/Mosters, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2001, 5, 8; kritisch zum EuGH-Urteil in InfAuslR 2010, 317: Epiney, Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht 2011, 64). Denn auch wenn der EuGH und ihm folgend der Senat entschieden haben, dass das Steuerabzugsverfahren bei beschränkt Steuerpflichtigen und die damit einhergehende Haftung des Vergütungsschuldners grundsätzlich mit EU-Recht, insbesondere den Art. 49, Art. 50 EG (Art. 56, Art. 57 AEUV), vereinbar ist, sofern im Steuerabzugsverfahren die im unmittelbaren Zusammenhang mit der inländischen Tätigkeit stehenden Betriebsausgaben des beschränkt steuerpflichtigen EU-Vergütungsgläubigers, die er dem Vergütungsschuldner mitgeteilt hat, geltend gemacht werden können (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006 C-290/04 "Scorpio", Slg. 2006, I-9461; Senatsurteile in BFHE 218, 89, BStBl II 2008, 95, sowie vom 5. Mai 2010 I R 104/08, BFH/NV 2010, 1814, und vom 5. Mai 2010 I R 105/08, BFH/NV 2010, 2043), so ist diese Rechtsprechung jedenfalls wegen Art. 16 Abs. 2 FZA im Streitfall nicht anwendbar.

33

Nach Art. 16 Abs. 2 FZA wird, soweit für die Anwendung des Freizügigkeitsabkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, nur die Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens, dem 21. Juni 1999, berücksichtigt. Über nach diesem Datum ergangene Rechtsprechung wird die Schweiz unterrichtet. Um das ordnungsgemäße Funktionieren des Freizügigkeitsabkommens sicherzustellen, stellt der Gemischte Ausschuss (Art. 14 FZA) auf Antrag einer Vertragspartei die Auswirkungen dieser Rechtsprechung fest. Somit ist nach dieser --besonderen-- vertraglichen Auslegungsregel (vgl. Imhof, Zeitschrift für europäisches Sozial- und Arbeitsrecht --ZESAR-- 2010, 425, 433 und in ZESAR 2007, 155, 161 ff.) grundsätzlich die Gleichwertigkeit der wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Freizügigkeitsabkommen auf der Basis der anzuwendenden Begriffe des Gemeinschaftsrechts, zu denen die Dienstleistungsfreiheit gehört, unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens zu beurteilen. Danach ergangene Entscheidungen des EuGH zu inhaltsgleichen Bestimmungen können wegen dieses statischen Verweises (vgl. Kokott in Festschrift Steinberger, 2002, S. 771, 785; Lang/Lüdicke/Reich, IStR 2008, 709, 714, unter Hinweis auf Reich/König, Europäisches Steuerrecht, 2006, 47) dagegen nicht zur Auslegung des Freizügigkeitsabkommens herangezogen werden, soweit der Gemischte Ausschuss dies --wie im Streitfall-- nicht beschlossen hat. Infolgedessen gibt das Freizügigkeitsabkommen eine qualitativ-zeitliche Begrenzung zur Berücksichtigung der EuGH-Rechtsprechung vor. Auch wenn die Begrenzung für lediglich präzisierende Rechtsprechung nicht gelten sollte (vgl. auch Pärli, ZESAR 2008, 377, 385), so ist für den beschließenden Senat entgegen der Auffassung der Antragsteller bei summarischer Prüfung nicht erkennbar, dass sich die Rechtsprechung zur Berücksichtigung von Betriebsausgaben im Steuerabzugsverfahren bereits zuvor hinreichend konkret abgezeichnet hätte.

34

Der Senat teilt weiterhin nicht die Auffassung der Antragsteller, die Vorschrift entfalte für die EU-Staaten nicht die gleiche Bedeutung wie für die Schweiz. Zwar begünstigt die Vorschrift die einseitige Anpassung der Schweiz an die Rechtsprechung des EuGH (vgl. Kokott in Festschrift Steinberger, a.a.O., S. 771, 787), allerdings lässt sich ihrem Wortlaut nicht entnehmen, dass ihre Schutzfunktion ausschließlich gegenüber der Schweiz wirkt, mit der Folge, dass in Deutschland die nach dem 21. Juni 1999 ergangene Rechtsprechung des EuGH im Verhältnis zur Schweiz uneingeschränkt zugunsten der Antragsteller zu berücksichtigen wäre und dies nur für das Schweizer (Steuer-)Recht nicht der Fall sei.

35

bb) Indem die Abzugsverpflichtung nach § 50a Abs. 4 EStG 2002 an die beschränkte Steuerpflicht und nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, werden auch die allgemeinen Diskriminierungsverbote nach Art. 2 FZA und nach Art. 25 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen nicht verletzt.

Tatbestand

1

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist Unternehmerin. Alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Antragstellerin war A, daneben bestand auch eine Geschäftsführungsbefugnis für B und C.

2

Die Antragstellerin war unmittelbar oder über die Tochtergesellschaft D-GmbH Alleingesellschafter der E-GmbH, F-GmbH, G-GmbH, H-GmbH, I-GmbH und J-GmbH. Mit Ausnahme der J-GmbH war A bei allen Gesellschaften alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Geschäftsführer der J-GmbH waren N, der bei der Antragstellerin zugleich in leitender Funktion tätig war, und C.

3

Für den Zeitraum bis zum 1. Mai 2012 gingen die Antragstellerin und der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass alle sechs Tochtergesellschaften Organgesellschaften der Antragstellerin gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) waren.

4

Am 5. März 2012 stellte die Antragstellerin beim zuständigen Amtsgericht Insolvenzantrag und beantragte Eigenverwaltung. Das zuständige Amtsgericht bestellte noch am gleichen Tag P zum vorläufigen Sachwalter und ordnete an, dass die Antragstellerin berechtigt war, unter Aufsicht des vorläufigen Sachwalters (P) die Insolvenzmasse weiter zu verwalten und über sie zu verfügen.

5

Mit Beschluss vom 1. Mai 2012 eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin und zeitgleich auch über das Vermögen der sechs Tochtergesellschaften. Für alle Verfahren wurde Eigenverwaltung i.S. von § 270 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) angeordnet, P wiederum jeweils zum Sachwalter bestellt und Gläubigerausschüsse eingesetzt. In allen Eröffnungsbeschlüssen wurde angeordnet, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 270 Abs. 1 Satz 1 InsO bei der jeweiligen Schuldnerin verbleibe und schuldbefreiende Leistungen nur an diese zu erfolgen haben.

6

Die für die Antragstellerin sowie deren Tochtergesellschaften gesondert abgegebenen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Mai 2012 fasste das FA in der Annahme, die Organschaft bestehe fort, zusammen und erließ am 5. Juli 2012 einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012 gegenüber der Antragstellerin in Höhe von 590.413,36 €. Die Vorauszahlungen der Tochtergesellschaften wurden durch die Bescheide vom 24. Juli 2012 auf 0 € festgesetzt. Die I-GmbH wurde bei der Festsetzung vom 5. Juli 2012 noch nicht berücksichtigt, sondern erst bei Erlass des Änderungsbescheids vom 18. Oktober 2012.

7

Am 17. Juli 2012 legte die Antragstellerin gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Mai 2012 Einspruch ein, da die Organschaft durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet worden sei. Das FA wies den Einspruch mit Bescheid vom 1. August 2012 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Antragstellerin Klage zum Finanzgericht (FG), über die noch nicht entschieden ist.

8

Den Antrag der Antragstellerin, die Vollziehung des angefochtenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheids Mai 2012 auszusetzen, lehnte das FA mit Bescheid vom 10. Oktober 2012 ab. Das FA änderte sodann die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung Mai 2012 durch Bescheid vom 20. November 2012, so dass sich eine Umsatzsteuer von 556.802,13 € ergab.

9

Auch das FG verneinte in dem in Deutsches Steuerrecht (DStR) 2014, 415 veröffentlichten Beschluss ernstliche Zweifel am Fortbestand der Organschaft. Die organisatorische Eingliederung habe unverändert weiter vorgelegen. Die Insolvenzeröffnung habe im Hinblick auf das Verfahren der Eigenverwaltung ohne Bestellung von Insolvenzverwaltern bei der Antragstellerin und ihren Tochtergesellschaften hieran nichts geändert. Ob die Eigenverwaltung aufgrund besonderer Befugnisse des Sachwalters zu einer Beendigung der Organschaft führen könne, sei unerheblich, da dem Sachwalter im Streitfall keine derartigen Befugnisse zugestanden hätten. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus Art. 11 der Richtlinie des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem 2006/112/EG (MwStSystRL).

10

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom FG zugelassenen Beschwerde. Das FG habe nicht berücksichtigt, dass Aufsichtsrat und Gesellschafterversammlung gemäß § 276a InsO keinen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners hätten. Es fehle damit an der finanziellen Eingliederung. Der Geschäftsführer sei nicht mehr der Gesellschafterversammlung verpflichtet. Es fehle auch die organisatorische Eingliederung. Die Geschäftstätigkeit werde an den Interessen der Gläubiger ausgerichtet, die Überwachung erfolge durch Insolvenzorgane wie Sachwalter, Gläubigerausschuss und Gläubigerversammlung. Der Geschäftsführer sei daher mit "zwei Hüten" tätig. Die Beherrschung sei somit entfallen, auch wenn derselbe Geschäftsführer weiter tätig sei. Der Sachwalter sei nach § 280 InsO auch zur Anfechtung berechtigt. Zudem bestehe nach § 276 InsO für Rechtshandlungen, die für das Insolvenzverfahren von besonderer Bedeutung seien, ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten des Gläubigerausschusses. Dies gelte auch im Konzern und stehe einer uneingeschränkten Willensdurchsetzung durch den Organträger bei der Organgesellschaft entgegen. Bestätigt werde das Entfallen der Organschaft durch die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Eröffnungsverfahren. Entgegen dem FG-Beschluss in DStR 2014, 415 bestehe kein uneingeschränktes Zugriffsrecht auf die Vermögen der Tochtergesellschaften. Schließlich stehe auch § 276a InsO einer finanziellen Eingliederung entgegen.

11

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid Mai 2012 vom 20. November 2012 in Höhe von 3.000 € in der Vollziehung auszusetzen.

12

Das FA beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

13

P sei mit Einreichung des Insolvenzantrags zunächst am 5. März 2012 zum vorläufigen Sachwalter bestellt worden. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Mai 2012 und der Anordnung von Eigenverwaltung sei P zum Sachwalter bei allen Gesellschaften bestellt worden. Sonderrechte wie etwa Kassenführungsbefugnis (§ 275 Abs. 2 InsO) hätten für den Sachwalter nicht bestanden. Es hätten auch keine Zustimmungspflichten nach § 275 Abs. 1 InsO und § 277 Abs. 1 InsO vorgelegen. Bei allen Gesellschaften sei derselbe Sachwalter tätig gewesen. Zudem sei die Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen nicht entfallen. Die Interessen der Muttergesellschaft seien weiter durchsetzungsfähig gewesen.

Entscheidungsgründe

14

II. Die gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist begründet. Das FG hat zu Unrecht ernstliche Zweifel am Fortbestand der Organschaft und damit ernstliche Zweifel der Steuerschuldnerschaft der Antragstellerin für die von den bisherigen Organgesellschaften ausgeführten Umsätze verneint.

15

1. Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO liegen bereits dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; BFH-Beschluss vom 8. April 2009 I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437). Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV) gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt (vgl. BFH-Beschluss vom 7. September 2011 I B 157/10, BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.). Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (BFH-Beschluss in BFHE 235, 215, BStBl II 2012, 590, unter II.2.).

16

2. Umsatzsteuerrechtlich begründet die Organschaft i.S. von § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG eine Zusammenfassung der Unternehmen mehrerer Personen zu einem Unternehmen.

17

a) Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist (Organschaft). Die Wirkungen der Organschaft sind auf Innenleistungen zwischen den im Erhebungsgebiet gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG). Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG).

18

Unionsrechtlich beruht dies auf Art. 11 MwStSystRL. Danach können die Mitgliedstaaten im Inland ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, jedoch durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Bei richtlinienkonformer Auslegung entsprechend Art. 11 MwStSystRL führt die Organschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG zu einer "Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 22. Mai 2008 C-162/07, Ampliscientifica und Amplifin, Slg. 2008, I-4019 Rdnr. 19; zur Behandlung mehrerer Personen als einen Steuerpflichtigen vgl. auch EuGH-Urteile vom 9. April 2013 C-85/11, Kommission/Irland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2013, 418 Rdnrn. 35 ff., und vom 25. April 2013 C-480/10, Kommission/Schweden, UR 2013, 423 Rdnrn. 33 ff.). Aufgrund dieser Verschmelzung hat der Organträger als Unternehmer die Aufgabe als "Steuereinnehmer" für den gesamten Organkreis wahrzunehmen (BFH-Urteil vom 8. August 2013 V R 18/13, BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, unter II.3.a, m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung).

19

b) Die Zusammenfassung zu einem Unternehmen führt dazu, dass der Organträger Steuerschuldner für alle Leistungen ist, die die Unternehmensteile des Organkreises gegenüber Dritten erbringen. So sind die von der Organgesellschaft gegenüber Dritten ausgeführten Umsätze dem Organträger zuzurechnen (BFH-Urteil vom 19. Mai 2005 V R 31/03, BFHE 210, 167, BStBl II 2005, 671, unter II.2.a). Leistungsbezüge der Organgesellschaft von Dritten werden dem Organträger gleichfalls zugerechnet und berechtigen diesen zum Vorsteuerabzug (BFH-Urteil vom 19. Oktober 1995 V R 71/93, BFH/NV 1996, 273, unter II.2.). Leistungsbeziehungen zwischen Organträger und Organgesellschaft sind demgegenüber als Innenumsätze nichtsteuerbar und begründen kein Recht auf Vorsteuerabzug (vgl. BFH-Urteil vom 17. Januar 2002 V R 37/00, BFHE 197, 357, BStBl II 2002, 373, Leitsatz 2). Die vom Organkreis geschuldete Steuer ist einheitlich in einem gegenüber dem Organträger zu erlassenden Steuerbescheid festzusetzen.

20

c) Organträger und Organgesellschaft sind aufgrund ihrer Stellung als Steuerschuldner (Organträger) und Haftungsschuldner gemäß § 73 der Abgabenordnung --AO-- (Organgesellschaft) nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) Gesamtschuldner i.S. von § 421 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Aufgrund seiner Steuerschuldnerschaft für die Umsätze des gesamten Organkreises steht dem Organträger daher zivilrechtlich ein Ausgleichsanspruch i.S. von § 426 BGB gegen die Organgesellschaft auf Zahlung der Umsatzsteuer zu, die auf ihre Umsatztätigkeit entfällt. Dieser Ausgleichsanspruch beruht nach der BGH-Rechtsprechung darauf, dass der Beteiligte am Organkreis, aus dessen Umsätzen die an das FA gezahlten Umsatzsteuerbeträge herrühren, im Innenverhältnis zwischen den dem Organkreis angehörenden Personen auch die Steuerlast zu tragen hat. Der BGH führt hierfür zutreffend an, dass die Umsatzzurechnung zum Organträger ohne zivilrechtlichen Innenausgleich dem Grundsatz der Belastungsneutralität widerspräche, da es sonst zu erheblichen Vermögensverschiebungen zwischen den am Organkreis beteiligten Rechtsträgern käme (BGH-Urteil vom 29. Januar 2013 II ZR 91/11, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2013, 537, unter II.2.b). Ebenso würde der Grundsatz der Belastungsneutralität auf Unternehmensebene systemwidrig durchbrochen, wenn das Recht zum Vorsteuerabzug für die an eine Organgesellschaft erbrachten Lieferungen und Leistungen zivilrechtlich dem Organträger zugewiesen würde (BGH-Urteil in HFR 2013, 537, unter II.2.c bb). Somit erfolgt die Verteilung von Umsatzsteuerlast und Vorsteuerabzugsrecht gleichermaßen nach dem Verursacherprinzip (BGH-Urteil in HFR 2013, 537, unter II.2.d aa).

21

Gegenstand des Ausgleichsanspruchs ist dabei ein Saldobetrag, der sich zu Lasten oder zu Gunsten der Organgesellschaft aus einer fiktiven auf die Organgesellschaft bezogenen Steuerberechnung ergibt (vgl. zur Parallelfrage der Bestimmung des Haftungsumfangs der Organgesellschaft gemäß § 73 AO zutreffend Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Anhang 1 Rz 63). Dementsprechend geht der BGH von einem Ausgleichsanspruch in Höhe des Betrages aus, der sich aus den "internen" Umsatzsteuervoranmeldungen der Organgesellschaft nach Saldierung von Vorsteuerbeträgen und "Umsatzsteuerschulden" ergibt (BGH-Urteil in HFR 2013, 537, unter II.3.).

22

d) Führt z.B. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt dazu, dass der Organträger zu einer Willensdurchsetzung in der Organschaft nicht mehr in der Lage ist und er daher den ihm gegen die Organgesellschaft zustehenden Ausgleichsanspruch aufgrund insolvenzrechtlicher Besonderheiten nicht mehr verwirklichen kann, entfällt die organisatorische Eingliederung und mithin die Organschaft (BFH-Urteil in BFHE 242, 433, BFH/NV 2013, 1747, unter II.3.b).

23

3. Anders als das Umsatzsteuerrecht bei der Organschaft fasst das Insolvenzrecht Verfahren mehrerer Personen nicht zusammen.

24

a) Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 InsO kann das Insolvenzverfahren über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden. Dies gilt gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO auch für das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit wie z.B. einer offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft.

25

b) Das Insolvenzrecht enthält bislang keine Regelungen, die im Fall einer Konzerninsolvenz ein einheitliches Insolvenzverfahren für mehrere Konzerngesellschaften ermöglichen (zur Reformüberlegung vgl. z.B. Siemon, Neue Zeitschrift für das Recht der Insolvenz und Sanierung; das gesamte Verfahren der Unternehmens- und Verbraucherinsolvenz 2014, 55, und Verhoeven, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht 2014, 217). Sowohl hinsichtlich der Feststellung des Insolvenzgrundes als auch in Bezug auf die Abwicklung des Insolvenzverfahrens bleiben verbundene Unternehmen daher insolvenzrechtlich selbständig. Dabei scheidet die Bildung einer einheitlichen Haftungsmasse bestehend aus mehreren rechtlich selbständigen Konzerngesellschaften aus, da ansonsten der unterschiedliche Umfang der Gläubigerrechte, wie sie im Verhältnis zu den einzelnen Insolvenzschuldnern bestehen, missachtet würde (vgl. Hirte in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 13. Aufl., § 11 Rz 394). Die Insolvenz eines herrschenden Unternehmens erstreckt sich daher nach geltendem Recht nur auf dessen Vermögen, nicht dagegen auf das Vermögen seiner Tochtergesellschaften (Hirte in Uhlenbruck, a.a.O., § 11 Rz 395). Die Vermögensmassen insolvenzfähiger Gesellschaften und Personen sind dementsprechend trotz konzernmäßigen Verbundes getrennt abzuwickeln (Maus in Uhlenbruck, a.a.O., § 80 Rz 34), so dass es keine Konzerninsolvenz gibt (Peters in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2013, § 35 Rz 72; vgl. Ehricke in Jaeger, Insolvenzordnung, 2004, § 11 Rz 32).

26

c) Folge dieser insolvenzrechtlichen Einzelbetrachtung ist, dass Ansprüche, die zwischen den Personen bestehen, die umsatzsteuerrechtlich einem Organkreis angehören, im Insolvenzfall nur nach den allgemeinen insolvenzrechtlichen Regelungen geltend gemacht werden können. Daher ist zwischen Insolvenzforderungen (§ 38 InsO), die zur Insolvenztabelle anzumelden sind (§§ 174 ff. InsO), und bevorrechtigten Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu unterscheiden. Dies gilt auch für die Ansprüche Dritter gegen die dem Organkreis angehörigen Personen. So bestehen auch für das FA im Insolvenzfall nach § 251 Abs. 2 Satz 1 AO keine Vorrechte, so dass es Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO) ebenfalls nur als Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit geltend machen kann (vgl. BFH-Urteil vom 13. Mai 2009 XI R 63/07, BFHE 225, 278, BStBl II 2010, 11, unter II.2.a aa).

27

4. Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die Zusammenfassung mehrerer Personen zu einem Unternehmen durch die umsatzsteuerrechtliche Organschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 27 InsO) fortbesteht. Dies gilt gleichermaßen für die Insolvenzeröffnung beim Organträger wie auch bei der Organgesellschaft.

28

a) Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz (s. oben II.3.b) spricht gegen den Fortbestand der Organschaft bei einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers.

29

aa) Der Senat hat bereits für die nach der Konkursordnung bestehende Rechtslage entschieden, dass "eine Organschaft ausnahmsweise mit dem Konkurs des Organträgers enden kann, wenn sich der Konkurs nicht auf die Organgesellschaft erstreckt und der Konkursverwalter auf ihre laufende Geschäftsführung keinen Einfluß nimmt" (BFH-Urteil vom 28. Januar 1999 V R 32/98, BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1.). Der Senat hat hierfür insbesondere angeführt, konkursrechtlich sei zwischen dem Vermögen des Organträgers und dem Vermögen der Organgesellschaft zu unterscheiden. Während das Vermögen des Organträgers in die Konkursmasse falle, bleibe das Vermögen der Organgesellschaft konkursfrei. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten der Organträgerin zähle zu den Massekosten oder Masseschulden, sei aus der Konkursmasse zu berichtigen und in einem an die Konkursverwalter des Organträgers zu richtenden Steuerbescheid geltend zu machen. Die Umsatzsteuer aus den Aktivitäten der Organgesellschaft sei nicht aus der Konkursmasse zu berichtigen und dementsprechend auch nicht in einem an die Konkursverwalter des Organträgers zu richtenden Steuerbescheid geltend zu machen (BFH-Urteil in BFHE 187, 355, BStBl II 1999, 258, unter II.1.).

30

bb) Unter der Geltung der Insolvenzordnung ist darüber hinaus zu beachten, dass das FA --bei Annahme eines Fortbestands der Organschaft-- den sich für den Organkreis ergebenden Steueranspruch für Umsatztätigkeiten nach Insolvenzeröffnung nur insoweit durch Steuerbescheid gegen den Organträger festsetzen kann, als es sich um eine Masseverbindlichkeit des Unternehmers --hier des Organträgers-- handelt.

31

Zwar ist der Umsatzsteueranspruch für eine Umsatztätigkeit nach Insolvenzeröffnung Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO, da es sich um eine "durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet[e]" Verbindlichkeit handelt (BFH-Urteil vom 29. Januar 2009 V R 64/07, BFHE 224, 24, BStBl II 2009, 682, unter II.1.). Dies gilt aber nur für den Umsatzsteueranspruch aus der eigenen Umsatztätigkeit des Organträgers, nicht aber auch für den Umsatzsteueranspruch, der auf die Umsatztätigkeit seiner Organgesellschaften entfällt. Denn die Umsatzsteuer für die Umsatztätigkeit der Organgesellschaft gehört nicht zur Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse, die sich auf das rechtlich eigene Vermögen des Organträgers bezieht und sich nicht auf das Vermögen der Organgesellschaften erstreckt (s. oben II.3.b). Insolvenzrechtlich bestünde daher für das FA allenfalls die Möglichkeit, einen auf die eigene Umsatztätigkeit des Organträgers beschränkten Steuerbescheid zu erlassen und die Organgesellschaft als Haftende nach § 73 AO in Anspruch zu nehmen. Dies ist mit dem umsatzsteuerrechtlichen Grundsatz der organschaftlichen Unternehmenseinheit (s. oben II.2.b) nicht vereinbar.

32

cc) Im Hinblick auf die sich aus dem Insolvenzrecht ergebenden Einschränkungen bestehen somit ernstliche Zweifel, ob der Senat der im Schrifttum vertretenen Auffassung beipflichten könnte, nach der die Insolvenzeröffnung über das Vermögen des Organträgers für die Organschaft ohne Bedeutung sei (so z.B. Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 44 Rz 411; Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz, § 2 Rz 135, und Stadie in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 2 Rz 1016, und Schmittmann, Zeitschrift für Steuern & Recht 2007, 191 ff., allerdings ohne Auseinandersetzung mit dem insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatz).

33

b) Der insolvenzrechtliche Einzelverfahrensgrundsatz steht auch einem Fortbestand der Organschaft bei einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Organgesellschaft entgegen.

34

aa) Die Annahme eines Fortbestands der Organschaft trotz Insolvenzeröffnung bei der Organgesellschaft führte dazu, dass der Organträger Steuerschuldner auch für die Umsatzsteuer bliebe, die auf Umsatztätigkeiten der Organgesellschaft nach Verfahrenseröffnung entfällt. Als "Steuereinnehmer" (s. oben II.2.a) für diese Umsatzsteuer kann der Organträger aber nur angesehen werden, wenn er zumindest dem Grundsatz nach in der Lage ist, den ihm aufgrund seiner Steuerschuldnerschaft zustehenden Ausgleichsanspruch gegen die Organgesellschaft auch durchzusetzen.

35

bb) Mit der Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Organgesellschaft kann der Organträger seinen Ausgleichsanspruch nur durchsetzen, wenn dieser insolvenzrechtlich eine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 InsO ist. Dies ist bei summarischer Prüfung zu verneinen.

36

(1) Zwar ist der Umsatzsteueranspruch, der sich für eine Umsatztätigkeit ergibt, die eine Organgesellschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen ausübt, eine Masseverbindlichkeit dieser Gesellschaft, wenn keine Organschaft bestünde. Dies gilt aber nicht für den zivilrechtlichen Ausgleichsanspruch des Organträgers gegen die Organgesellschaft im Fall des Fortbestehens der Organschaft. Der Ausgleichsanspruch ergibt sich weder aus einer Handlung des Insolvenzverwalters noch ist der Ausgleichsanspruch durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse der Organgesellschaft begründet (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO), die bei einem angenommenen Fortbestand der Organschaft nicht Steuerschuldner ist. Ist von einem Fortbestehen der Organschaft auszugehen, beruht der Ausgleichsanspruch vielmehr auf der umsatzsteuerrechtlichen Organschaft, nicht aber auf der Verwaltung der Insolvenzmasse der Organgesellschaft.

37

(2) Der sich gesetzlich aus einem Gesamtschuldverhältnis ergebende Ausgleichsanspruch (s. oben II.2.c) ist auch keine Verbindlichkeit aus einem gegenseitigen Vertrag i.S. von § 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

38

(3) Der Ausgleichsanspruch des Organträgers ist auch keine Verbindlichkeit "aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Masse" gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Dies setzt eine unmittelbare Bereicherung der Insolvenzmasse voraus (Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., § 55 Rz 87, und Hefermehl, in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., 2013, § 55 Rz 209). Zudem muss die Massebereicherung ohne rechtlichen Grund erfolgt sein (Sinz in Uhlenbruck, a.a.O., § 55 Rz 89, und Hefermehl, a.a.O., § 55 Rz 215).

39

Zwar kann die Organgesellschaft, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steuerpflichtig Leistungen erbringt und hierfür Gegenleistungen bestehend aus Entgelt und Umsatzsteuer vereinnahmt, im Hinblick auf den Umsatzsteueranteil, der --bei einem unterstellten Fortbestand der Organschaft-- vom Organträger zu versteuern ist, als unmittelbar bereichert angesehen werden. Diese Bereicherung erfolgt aber nicht ohne rechtlichen Grund, da die Organgesellschaft zivilrechtlich Inhaber des Anspruchs auf die --auch den Umsatzsteueranteil umfassende-- Gegenleistung ist. Darüber hinaus ist die Organgesellschaft in Bezug auf die von ihr vereinnahmte Umsatzsteuer auch nicht herausgabepflichtig und somit im Verhältnis zum Organträger nicht ohne rechtlichen Grund bereichert, da sich der Ausgleichsanspruch zwischen Organträger und Organgesellschaft nicht auf eine vereinnahmte Umsatzsteuer, sondern auf den Saldobetrag bezieht, der sich bei einer auf die Organgesellschaft bezogenen (fiktiven) Steuerberechnung ergibt (s. oben II.2.c). Diese Eigenständigkeit des Ausgleichsanspruchs gegenüber der von der Organgesellschaft vereinnahmten Umsatzsteuer, schließt die Anwendung von § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO aus, zumal der BGH den Ausgleichsanspruch zivilrechtlich auf den Gesamtschuldnerausgleich, nicht aber auf Bereicherungsrecht stützt (BGH-Urteil in HFR 2013, 537; Ansprüche aus Bereicherungsrecht verneinen auch Pyszka/Hahn, GmbH-Rundschau 2010, 689 ff., 691).

40

cc) Aufgrund dieser insolvenzrechtlichen Besonderheiten kommt es für den Fortbestand der Organschaft auch nicht darauf an, ob für die Organgesellschaft Eigenverwaltung (§ 270 InsO) angeordnet wurde und für einen im Rahmen der Eigenverwaltung tätigen Sachwalter (§ 274 InsO) besondere Befugnisse wie Kassenführung (§ 275 Abs. 2 InsO) und/oder Zustimmungsbedürftigkeit (§ 277 InsO) bestehen. Soweit demgegenüber nach dem Vorliegen derartiger Sonderrechte für den Sachwalter unterschieden und von einem Fortbestand der Organschaft für den Fall ausgegangen wird, dass Eigenverwaltung ohne Sonderbefugnisse für den Sachwalter angeordnet wird (Oberfinanzdirektion --OFD-- Hannover vom 6. August 2007 S 7105-49-StO 172, juris, Tz. 1.3.2, und dem folgend Birkenfeld, a.a.O., § 44 Rz 423; Meyer in Offerhaus/Söhn/Lange, § 2 UStG Rz 97, und Schmittmann, ZSteu 2007, 192) erfolgt dies ohne Berücksichtigung des insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatzes (vgl. oben II.3.).

41

c) Wird über das Vermögen von Organträger und Organgesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, ist aufgrund des insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatzes gleichfalls von einer Beendigung der Organschaft auszugehen. Hierfür ist unerheblich, ob das Insolvenzgericht für Organträger und Organgesellschaft denselben oder unterschiedliche Insolvenzverwalter bestellt (zutreffend Roth, Insolvenzsteuerrecht, 2011, 476 f. im Hinblick auf den Grundsatz der Interessenwahrung des jeweiligen Gläubigerkreises; a.A. aber OFD Frankfurt a.M. vom 20. Juli 2009, UR 2010, 155, Tz. 2.3; Birkenfeld, a.a.O., § 44 Rz 431, und Stadie, a.a.O., § 2 Rz 1012, und Schmittmann, ZSteu 2007, 192 f.) oder ob es Eigenverwaltung anordnet.

42

5. Im Streitfall ist danach ernstlich zweifelhaft, ob die Organschaft über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinaus bestanden hat.

43

a) Entgegen dem Beschluss des FG ergeben sich diese Zweifel aus dem insolvenzrechtlichen Einzelverfahrensgrundsatz, den das FG nicht hinreichend berücksichtigt hat. Auf die im bisherigen Verfahren streitige Frage, welche Bedeutung die Ausgestaltung der Eigenverwaltung hat, kommt es demgegenüber nicht an.

44

b) Im Hinblick auf die Eröffnung von Insolvenzverfahren über das Vermögen der Antragstellerin --als bisherige Organträgerin-- wie auch über die Vermögen ihrer Tochtergesellschaften --als bisherige Organgesellschaften-- kann dabei offenbleiben, welches der Insolvenzverfahren zur Beendigung der Organschaft führt.

45

Ob die Fortdauer der Organschaft daran scheitert, dass die insolvenzrechtlichen Besonderheiten einer finanziellen und/oder einer organisatorischen Eingliederung entgegenstehen und/oder ob die Organschaft aufgrund der insolvenzrechtlichen Besonderheiten nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu verneinen ist, ist im summarischen Verfahren nicht zu entscheiden.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 wird als unzulässig verworfen, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2017 4 V 4265/15 aufgehoben. Die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, werden ab Fälligkeit bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder einen Monat nach anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens ohne Sicherheitsleistung in dem Umfang von der Vollziehung ausgesetzt, der sich -nach näherer Maßgabe der Erläuterungen unter III.4. der Entscheidungsgründe- ergibt, wenn die Hinzuschätzungsbeträge je Streitjahr auf einen Netto-Mehrerlös von 3.000 € und eine Mehr-Umsatzsteuer von 570 € begrenzt werden. Die Ermittlung der auszusetzenden Beträge wird dem Finanzamt übertragen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsteller zu 13 % und der Antragsgegner zu 87 % zu tragen; die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu 33 % und der Antragsgegner zu 67 % zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) wurde in den Streitjahren 2008 bis 2010 mit seiner --nicht am vorliegenden Verfahren beteiligten und seit 2012 von ihm getrennt lebenden-- Ehefrau (E) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er erzielte gewerbliche Einkünfte aus einer Gaststätte, deren Gewinn er durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelte. E war im Betrieb als Angestellte beschäftigt.

2

Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2011 brachte der Antragsteller den Betrieb zu Buchwerten in eine GbR ein, an der er zu 98 % und E zu 2 % beteiligt war. Insoweit ist für die Gewinnfeststellung der Jahre 2011 und 2012 beim IV. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) ein Parallelverfahren anhängig (IV B 4/17).

3

Nahezu sämtliche Betriebseinnahmen fielen in Form von Bargeld an, das der Antragsteller in einer offenen Ladenkasse vereinnahmte. Die Einnahmen stammten neben dem laufenden Gaststättenbetrieb noch aus zwei weiteren Bereichen: So richtete der Antragsteller Veranstaltungen aus (Familienfeiern, Buffets); ferner beteiligte er sich an dem einmal jährlich stattfindenden dreitägigen örtlichen Volksfest.

4

Die Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb notierte der Antragsteller --getrennt je Kassiervorgang-- auf einem Zettel. Durch Summenbildung ermittelte er die Tageseinnahmen und schloss die Summe mit seinem Namenszeichen ab. Die Tageseinnahmen-Zettel enthalten das jeweilige Datum, ansonsten aber kein Ordnungskriterium.

5

Die Einnahmen aus der Bewirtung beim Volksfest notierte der Antragsteller lediglich als Tagessumme. Die Einnahmen aus Veranstaltungen notierte er gleichermaßen in einer Summe pro Veranstaltung auf den Tageseinnahmen-Zetteln. Weitere Unterlagen zu den Veranstaltungen --insbesondere Angebote, Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen-- hat er im bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht vorgelegt.

6

Die Gaststätte hatte in den Streitjahren keinen festen Ruhetag. Allerdings liegen zu einigen Tagen der Streitjahre keine Aufzeichnungen über Einnahmen vor (2008: 14 Tage; 2009: 25 Tage; 2010: 22 Tage). Dabei handelt es sich ganz überwiegend um Samstage. Der Antragsteller hat hierzu erklärt, die Gaststätte sei an diesen Tagen geschlossen gewesen.

7

Aus den Steuererklärungen des Antragstellers ergeben sich die folgenden betrieblichen Kennzahlen:

Jahr   

Umsatzerlöse 19 %

Gewinn

Rohgewinnaufschlagsatz (RAS)

2008   

142.888 €

28.374 €

123 % 

2009   

124.302 €

19.842 €

181 % 

2010   

119.439 €

20.103 €

187 % 

8

Der Antrags- und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) führte beim Antragsteller eine Außenprüfung für die Streitjahre durch, in deren Verlauf er zu der Einschätzung kam, die Kassenführung sei nicht ordnungsgemäß. Die vollständige Erfassung der Bareinnahmen sei nicht überprüfbar. So sei weder feststellbar, ob sämtliche Einzelbeträge auf den Tageseinnahmen-Zetteln notiert worden seien, noch sei bei den Zetteln sichergestellt, dass sie vollständig und nicht nachträglich austauschbar seien. Gleiches gelte für die Einnahmen aus Veranstaltungen, die sich im Einzelfall auf erhebliche Beträge belaufen hätten. Es sei nicht dokumentiert, ob der Kassenbestand täglich durch tatsächliches Auszählen ermittelt worden sei. Auch sei nicht glaubhaft, dass die gelegentlichen Schließungstage der Gaststätte ausgerechnet auf Samstage entfielen, an denen der Antragsteller im Durchschnitt die höchsten Tageseinnahmen erziele.

9

Der Prüfer ermittelte die Höhe der Hinzuschätzung mittels der sog. "Quantilsschätzung". Dazu führte er zunächst einen Zeitreihenvergleich durch. Dabei schätzte er die monatlichen RAS, indem er die vom Antragsteller im jeweiligen Monat geleisteten Zahlungen für Wareneinkäufe (nach Abzug eines pauschalen Eigenverbrauchs) als Wareneinsatz ansah und ins Verhältnis zu den aufgezeichneten monatlichen Erlösen setzte. Der Prüfer interpretierte diese Werte dahingehend, dass sie erhebliche Schwankungen aufweisen würden, die nicht durch betriebliche Umstände erklärbar seien. Die Aufzeichnungen des Antragstellers seien daher nicht schlüssig und zu verwerfen.

10

Anhand der vom Antragsteller vorgelegten Speisekarten ermittelte der Prüfer, dass die Preise der Gaststätte zum 1. Januar 2009 um durchschnittlich 17 % erhöht worden seien. Daher nahm er eine sog. "Konjunkturbereinigung" vor und legte dem Zeitreihenvergleich für die Jahre 2009 und 2010 nicht die tatsächlichen Erlöse zugrunde, sondern solche Werte, die erst nach Vornahme eines Zuschlags von 17 % den tatsächlichen Erlösen entsprechen würden.

11

Für sein weiteres Vorgehen unterstellte der Prüfer, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügten, 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung lägen und "damit am wahrscheinlichsten" seien. Im Umkehrschluss lägen 31,73 % der Datensätze (je 15,865 % am oberen bzw. unteren Ende) außerhalb der ersten Standardabweichung. Bei "abgemilderter" Anwendung führe dies dazu, die obersten 20 % der Datensätze außer Betracht zu lassen (hier: sieben der insgesamt 36 RAS-Monatswerte). Der nächsthöchste Wert (hier: der achthöchste der 36 RAS-Monatswerte) sei der zutreffende Schätzwert, der auf den gesamten Drei-Jahres-Zeitraum anzuwenden sei.

12

Dieser achthöchste Wert lag im streitgegenständlichen Drei-Jahres-Zeitraum bei 185 %. Diesen Wert wendete der Prüfer allerdings nur auf das Jahr 2008 an. Für die Jahre 2009 und 2010 nahm er eine umgekehrte "Konjunkturbereinigung" um 17 % vor und legte seiner Schätzung insoweit einen RAS von 233 % zugrunde.

13

Auf diese Weise ermittelte der Prüfer die folgenden Änderungen der Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 37.000 €

+ 23.000 €

+ 20.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 7.030 €

+ 4.370 €

+ 3.800 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 15.200 €

Mehrgewinn

+ 44.030 €

+ 27.370 €

+ 8.600 €

14

Die Passivierung der infolge der Außenprüfung erhöhten Umsatzsteuer im Jahr 2010 beruhte darauf, dass der Prüfer die Auffassung vertrat, infolge der Buchwerteinbringung des Betriebs in die GbR zum 1. Januar 2011 habe der Antragsteller zum 31. Dezember 2010 zur Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich übergehen und einen entsprechenden Übergangsgewinn ermitteln müssen. Dabei seien die Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten gewinnmindernd anzusetzen.

15

Am 15. bzw. 21. September 2015 erließ das FA entsprechend geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuer-Festsetzungen für die Jahre 2008 bis 2010, einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2008 sowie erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für 2009 und 2010.

16

Hiergegen legte der Antragsteller Einspruch ein, über den das FA noch nicht entschieden hat. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) hatte beim FA zunächst keinen Erfolg. Während des anschließenden gerichtlichen AdV-Verfahrens gewährte das FA am 19. bzw. 20. Januar 2016 AdV für einen Teil der für das Streitjahr 2008 angeforderten Nachzahlungen. Grundlage hierfür war, dass das FA nunmehr von einer Preiserhöhung zum 1. Januar 2009 von 25,83 % (aufgerundet 26 %) ausging, die "Konjunkturbereinigung" entsprechend anpasste, und dadurch für 2008 einen RAS von noch 165 % (statt bisher 185 %) zugrunde legte. Für AdV-Zwecke geht es seither von einem Netto-Mehrerlös im Jahr 2008 von 25.000 € und einer Mehr-Umsatzsteuer von 4.750 € aus.

17

In Höhe der verbleibenden angeforderten Beträge lehnte das Finanzgericht (FG) den Aussetzungsantrag ab (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2017, 537). Zur Begründung führte es aus, eine Aufzeichnungspflicht folge im Streitfall zwar nicht aus § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), wohl aber aus § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Diese Pflicht habe der Antragsteller nicht erfüllt. Zwar handele es sich dabei lediglich um einen formellen Mangel. Die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs würden aber auch auf materielle Mängel hindeuten. Die Quantilsschätzung sei eine sachgerechte Methode für die Ermittlung der Höhe der Hinzuschätzung. Wegen der Divergenz zu einer anderen instanzgerichtlichen Entscheidung hat das FG die Beschwerde zugelassen.

18

Die Entscheidung des FG wurde der Prozessbevollmächtigten (P) des Antragstellers, einer Partnerschaftsgesellschaft mit vier Standorten, nach eigenen Angaben --ein förmliches Empfangsbekenntnis befindet sich nicht in den Akten-- am 10. Januar 2017 zugestellt. Am 16. Januar 2017 ging beim FG ein mit normaler Briefpost übersandter, nicht unterschriebener Schriftsatz der P ein, mit dem Beschwerde gegen den FG-Beschluss eingelegt wurde. Das FG wies auf die fehlende Unterschrift nicht hin, sondern beschloss am 17. Januar 2017, der Beschwerde nicht abzuhelfen, und legte das Verfahren dem BFH vor, wo die Akten am 23. Januar 2017 eingingen.

19

Mit Schreiben vom 8. Februar 2017 (der P zugestellt am 11. Februar 2017) wies die Vorsitzende des beschließenden Senats auf die fehlende Unterschrift sowie die Möglichkeit eines Wiedereinsetzungsantrags hin. Mit einem unterschriebenen Schriftsatz, der am 24. Februar 2017 beim BFH einging, legte P nochmals Beschwerde ein, begründete diese zugleich und stellte einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Hierzu führte sie aus, die in ihrer Kanzlei bestehenden Abläufe zum Posteingang, zur Fristenkontrolle und zum Postausgang seien standardisiert und dokumentiert; sie würden von allen Mitarbeitern einheitlich angewandt. Zur Dokumentation der Arbeitsabläufe werde eine Datev-Software eingesetzt. Nach Tz. 4.1 der --dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügten-- Arbeitsanweisung sei eine Kontrolle der Unterschrift vorzunehmen. Sei ein Schriftsatz nicht unterschrieben, lege ihn das Kanzleipersonal erneut vor, damit die Unterschrift nachgeholt werde. Diese Verfahrensweise habe sich in einer 40-jährigen Kanzleihistorie eingespielt und bewährt. Es seien bisher keine Fälle bekannt geworden, in denen Schriftsätze die Kanzlei ohne Unterschrift verlassen hätten. Am maßgebenden Tag sei die Zentrale durch die zuverlässigste und ausreichend geschulte Kraft, Frau D, besetzt gewesen.

20

Am Tag des Postausgangs (13. Januar 2017) seien zwei Beschwerdeschriften erstellt worden; eine im vorliegenden Verfahren und eine im Parallelverfahren der GbR. Letztere sei unterschrieben beim BFH eingegangen. Es könne nur gemutmaßt werden, dass an dem Schriftsatz im vorliegenden Verfahren noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen und dann versäumt worden sei, die Unterschrift nachzuholen. Beim Eintüten der Beschwerdeschrift müsse die fehlende Unterschrift aufgrund eines nie auszuschließenden menschlichen Versehens unbemerkt geblieben sein.

21

Im elektronischen Postausgangsbuch seien für den 13. Januar 2017 zwei verschiedene Beschwerdeschriften in Sachen des Antragstellers erfasst. Es sei also in der Kanzlei erkannt worden, dass es sich um zwei unterschiedliche Beschwerdeverfahren handele. Das Fehlen der Unterschrift könne daher nicht darauf beruhen, dass der zweite Schriftsatz versehentlich für ein Doppel gehalten worden sei.

22

In der Sache selbst wiederholt und vertieft der Antragsteller sein bisheriges Vorbringen. Er hält seine Aufzeichnungen im Wesentlichen für ordnungsgemäß und bringt Einwendungen gegen die Richtigkeit der Quantilsschätzung vor.

23

Der Antragsteller beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2008 und 2009, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2008 und 2009 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2008 und 2009, alle vom 15. September 2015, sowie die Bescheide über Einkommensteuer, Solidaritätszuschlag und Zinsen für 2010, über Umsatzsteuer und Zinsen für 2010 sowie über den Gewerbesteuermessbetrag für 2010, alle vom 21. September 2015, ohne Sicherheitsleistung von der Vollziehung auszusetzen.

24

Das FA beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

25

Es ist der Auffassung, Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist könne nicht gewährt werden, da es an einer substantiierten, in sich schlüssigen Darstellung der entscheidungserheblichen Tatsachen fehle. Der Antragsteller habe bereits nicht die Person benannt, die in der Kanzlei der P mit der Fertigstellung der Beschwerdeschrift beauftragt gewesen sei. Auf dieser Unkenntnis, die einen schweren Organisationsmangel darstelle, fuße die Mutmaßung des Antragstellers, möglicherweise sei an dem Schriftsatz noch eine Korrektur vorzunehmen gewesen. Bei einer den Anforderungen genügenden Gestaltung der Abläufe hätte der Antragsteller noch heute den tatsächlichen Geschäftsgang beschreiben und mitteilen können, wer an dem Schriftsatz gearbeitet und ihn ohne Unterschrift zur Post gegeben habe. Es sei daher nicht einmal klar, ob es auf die Zuverlässigkeit der Frau D überhaupt ankomme.

26

In der Sache selbst hält das FA an seiner Auffassung fest, die Aufzeichnungen des Antragstellers seien mangelhaft, die Quantilsschätzung sei eine geeignete Schätzungsmethode und sachgerecht durchgeführt worden, und andere Schätzungsmethoden kämen im Streitfall nicht in Betracht.

Entscheidungsgründe

II.

27

1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie den Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer für 2008 bis 2010 sowie die Zinsen zur Einkommen- und Umsatzsteuer für 2008 bis 2010 betrifft.

28

Das FG hatte den erstinstanzlichen Antrag --der ebenfalls das ausdrückliche Begehren nach einer AdV der Festsetzungen des Solidaritätszuschlags und der Zinsen enthielt-- im Interesse des Antragstellers zur Vermeidung einer Unzulässigkeit im Hinblick darauf, dass es sich um bloße Folgebescheide handelt (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 VIII R 413/83, BFHE 151, 319, BStBl II 1988, 240) dahingehend ausgelegt, dass der Antragsteller AdV nur in Bezug auf die Einkommensteuer, die Umsatzsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag begehrt. Diese Auslegung hat es in seiner Entscheidung ausführlich begründet und in das Rubrum nur die drei genannten Steuerarten (ohne den Solidaritätszuschlag und die Zinsen) aufgenommen.

29

Gleichwohl beantragt der Antragsteller im Beschwerdeverfahren  --entgegen dem Rubrum und der Begründung der finanzgerichtlichen Entscheidung-- nochmals ausdrücklich auch die AdV in Bezug auf den Solidaritätszuschlag und die Zinsen. Insoweit ist aber --weil das FG hierüber zur Vermeidung einer Unzulässigkeitsentscheidung nicht entschieden hat-- noch kein erstinstanzlicher Beschluss ergangen. Eine Erweiterung des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens über den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung hinaus ist jedoch unzulässig (BFH-Beschluss vom 20. Juni 2007 VIII B 36/07, BFH/NV 2007, 1911, m.w.N.).

30

2. Im Übrigen ist die Beschwerde zulässig.

31

a) Allerdings hat der Antragsteller die zweiwöchige Frist zur Einlegung der Beschwerde nicht gewahrt.

32

aa) Die Beschwerde ist gemäß § 129 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim FG schriftlich (oder --was vorliegend nicht in Betracht kommt-- zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle) innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung einzulegen. Grundsätzlich folgt aus der gesetzlich ausdrücklich angeordneten Schriftform, dass der bestimmende Schriftsatz eigenhändig unterschrieben werden muss (vgl. § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dies gilt auch für Schriftsätze, die im finanzgerichtlichen Verfahren eingereicht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. aus jüngerer Zeit BFH-Beschluss vom 20. Mai 2015 XI R 48/13, BFH/NV 2015, 1263, Rz 14, m.w.N.).

33

Der im vorliegenden Verfahren angefochtene Beschluss des FG ist P am 10. Januar 2017 zugegangen. Die Einlegungsfrist endete daher am 24. Januar 2017. Innerhalb dieser Frist ist beim FG lediglich ein nicht unterschriebener Schriftsatz eingegangen.

34

bb) Zwar kann ausnahmsweise von dem Unterschriftserfordernis abgesehen werden, wenn aus anderen Gründen ohne Beweisaufnahme feststeht, dass es sich bei dem an das Gericht gelangten, nicht unterschriebenen Schriftstück nicht lediglich um einen Entwurf handelt.

35

Dies ist in der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung etwa angenommen worden, wenn einer nicht unterschriebenen Klageschrift eine vom Kläger eigenhändig unterzeichnete Prozessvollmacht im Original beigefügt war (BFH-Urteil vom 28. September 1995 IV R 76/94, BFH/NV 1996, 332), wenn ein rechtlich unerfahrener Kläger zwar die Klageschrift nicht unterzeichnet, auf dem Briefumschlag aber handschriftlich seinen Namen und seine Anschrift eingetragen hat (BFH-Urteil vom 3. Oktober 1986 III R 207/81, BFHE 148, 205, BStBl II 1987, 131), wenn zwar nicht der --der Schriftform unterliegende-- Antrag, wohl aber ein Begleitschreiben eigenhändig unterzeichnet ist (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2001 III R 24/99, BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159), oder wenn ein erforderlicher Gerichtskostenvorschuss noch innerhalb der Klagefrist eingezahlt wird (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. Oktober 2004  1 BvR 894/04, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2005, 814, unter II.2.b aa (2)).

36

Ein vergleichbarer Ausnahmesachverhalt ist im Streitfall indes nicht gegeben, weil es innerhalb der Beschwerdefrist über den bloßen Eingang des nicht unterschriebenen --und damit als bloßer Entwurf anzusehenden-- Schriftstücks hinaus kein weiteres Indiz für den ernsthaften Willen des Antragstellers zur formgerechten Erhebung einer Beschwerde gibt.

37

b) Dem Antragsteller ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

38

aa) Gemäß § 56 Abs. 1 FGO ist auf Antrag --nach § 56 Abs. 2 Satz 4 FGO auch ohne Antrag-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten steht dem Verschulden des Beteiligten gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 155 FGO).

39

Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind glaubhaft zu machen (§ 56 Abs. 2 Satz 2 FGO). Bereits innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist sind (unbeschadet einer späteren Glaubhaftmachung) alle entscheidungserheblichen Tatsachen wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach schlüssig darzulegen (BFH-Beschlüsse vom 25. März 2003 I B 166/02, BFH/NV 2003, 1193, und vom 29. Oktober 2003 V B 61/03, BFH/NV 2004, 459), es sei denn, die Gründe waren offenkundig oder amtsbekannt (BFH-Urteil vom 17. September 1987 III R 259/84, BFH/NV 1988, 681).

40

bb) Der Senat hat --ebenso wie das FA-- erhebliche Zweifel, ob die Darlegungen des Antragstellers in seinem Wiedereinsetzungsantrag als schlüssige, substantiierte und vollständige Schilderung der maßgebenden Geschehensabläufe innerhalb der Kanzlei der P anzusehen sind.

41

Zum einen wird nicht deutlich, welcher Berufsträger mit der Anfertigung der Beschwerdeschrift befasst war und die Unterschriftsleistung versäumt hat. Zum anderen stellt der Antragsteller ausdrücklich nur eine "Mutmaßung" zum vermeintlichen Geschehensablauf an, gibt aber keine eindeutige Tatsachenschilderung ab.

42

Vor allem aber sind die von P vorgelegten Organisationsunterlagen nicht geeignet, ein Organisationsverschulden auszuschließen. P betreibt ihre Kanzlei an vier Standorten; für die Bearbeitung des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist der Standort in B zuständig. Tz. 4.1 der vorgelegten Kanzleianweisung, aus der sich nach Auffassung des Antragstellers die Pflicht seines Kanzleipersonals zur Kontrolle des Vorhandenseins einer Unterschrift ergeben soll, bezieht sich aber nur auf den Standort S. Der Umstand, dass beispielsweise in der --hier inhaltlich nicht einschlägigen-- Tz. 4.2 der Kanzleianweisung Regelungen enthalten sind, die ausdrücklich zwischen den Standorten B und S differenzieren, zeigt, dass die Nichterwähnung des Standorts B in Tz. 4.1 kein bloßes Versehen sein kann. Hinzu kommt, dass in dem neunteiligen Katalog der Formalprüfungen, der in Tz. 4.1 der Kanzleianweisung enthalten ist, die Prüfung der Unterschrift nicht ausdrücklich erwähnt wird. Lediglich im Einleitungssatz ist von der "unterschriebenen Post" die Rede; eine eindeutige Anordnung, dass das Vorhandensein der Unterschrift zu prüfen ist, fehlt indes. Demgegenüber ist beispielsweise in Tz. 4.3 der Kanzleianweisung in Bezug auf Gewinnermittlungen und Jahresabschlüsse die Kontrolle des Vorhandenseins der Unterschrift ausdrücklich als eigener Punkt in den dortigen Katalog der Formalprüfungen aufgenommen worden; dies lässt durchaus den Umkehrschluss zu, dass eine solche Prüfung in den Fällen der Tz. 4.1 nicht verlangt wird.

43

Auch belegen die eingereichten Ausdrucke aus dem elektronischen Postausgangsbuch nicht zweifelsfrei, dass es gerade die beiden Beschwerdeschriften waren, die am 13. Januar 2017 die Kanzlei der P verlassen haben. In beiden Fällen ist im Postausgangsbuch als Veranlagungsjahr "2017" angegeben. Diese Angabe weicht von den tatsächlichen Streitjahren des vorliegenden Verfahrens (2008 bis 2010) sowie des Parallelverfahrens IV B 4/17 (2011 und 2012) deutlich ab. Auch ist als Porto jeweils "0,55" angegeben. Das günstigste Briefporto betrug am 13. Januar 2017 aber bereits 0,70 €. Hinzu kommt, dass der in der FG-Akte enthaltene Original-Schriftsatz der nicht unterzeichneten Beschwerde nicht geknickt ist, also in einem Umschlag versandt worden sein muss, der so groß ist, dass man ein DIN A4-Schreiben ungefaltet einlegen kann. Das Mindestporto für derartige Sendungen beträgt aber 1,45 €.

44

Zudem hat der Antragsteller das Vorbringen zum Wiedereinsetzungsantrag nicht durch geeignete Mittel --etwa die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der Frau D und des zuständigen Berufsträgers-- glaubhaft gemacht. Er hat auch nach Kenntnisnahme der bereits vom FA mit seiner Beschwerdeerwiderung geäußerten Zweifel weiterhin keine konkretere Darstellung der damaligen Vorgänge abgegeben.

45

cc) Letztlich können diese Zweifel an der hinreichenden Substantiierung des Wiedereinsetzungsantrags aber auf sich beruhen, da dem Antragsteller aus Gründen, die aktenkundig und damit amtsbekannt sind (vgl. dazu BFH-Urteil in BFH/NV 1988, 681), Wiedereinsetzung zu gewähren ist.

46

(1) Ein Prozessbeteiligter kann erwarten, dass offenkundige Versehen, wie das Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift, von dem angerufenen Gericht in angemessener Zeit bemerkt und als Folge der prozessualen Fürsorgepflicht innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumung zu vermeiden (BVerfG-Beschluss in NJW 2005, 814, unter II.2.b bb; dort war der maßgebende Schriftsatz --ebenso wie im vorliegenden Fall-- acht Tage vor Fristablauf beim zuständigen Gericht eingereicht worden).

47

Nach ständiger Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes und des BVerfG ist ein Gericht verpflichtet, einen Schriftsatz, der eindeutig als fehlgeleitet erkennbar ist, im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs ohne schuldhaftes Zögern an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Bei einer schuldhaft verzögerten Weiterleitung ist dem Verfahrensbeteiligten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (grundlegend BVerfG-Beschluss vom 20. Juni 1995  1 BvR 166/93, BVerfGE 93, 99, unter C.II.). Dies gilt nach dieser Rechtsprechung unabhängig davon, auf welchen Gründen der Fehler bei der Einreichung des bestimmenden Schriftsatzes beruht (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 93, 99, unter C.II.2.b; vgl. auch BVerfG-Beschluss vom 2. September 2002  1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835). Für ein bereits vorher mit der Sache befasstes Gericht entspricht das Unterbleiben einer Weiterleitung, obwohl bis zum Fristablauf noch eine Spanne von fünf Arbeitstagen zur Verfügung stand, nicht mehr einem ordentlichen Geschäftsgang (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Juli 2006 II ZB 24/05, NJW 2006, 3499). Demgegenüber besteht keine Pflicht zur sofortigen Prüfung und Weiterleitung noch am Tage des Eingangs des Schriftsatzes oder zu einer beschleunigten Weiterleitung per Telefax (BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2004 XI B 130/02, BFH/NV 2005, 563).

48

Dementsprechend stellt es einen Verfahrensmangel (Verletzung der Verfahrensförderungspflicht des § 76 Abs. 2 FGO) dar, wenn ein FG bei einer weit vor Ablauf der Klagefrist eingereichten Klage zwar noch innerhalb der Klagefrist auf bestimmte formale Mängel hinweist, aber erst nach drei Jahren ergänzend beanstandet, dass die Klageschrift lediglich mit einer Paraphe versehen sei, und aus diesem Grund die Klage als unzulässig verwirft (BFH-Beschluss vom 30. Januar 1996 V B 89/95, BFH/NV 1996, 683, unter II.3.b).

49

(2) Vorliegend ist die nicht unterschriebene Beschwerdeschrift am 16. Januar 2017 beim FG eingegangen. Bis zum Fristablauf am 24. Januar 2017 verblieben daher acht Kalendertage (bzw. sechs Arbeitstage), um den Antragsteller auf das Fehlen der Unterschrift hinzuweisen. Tatsächlich hat sich das FG bereits am 17. Januar 2017 --im Rahmen seiner Nichtabhilfeentscheidung-- mit der Beschwerde befasst, aber nicht auf das Fehlen der Unterschrift hingewiesen. Hätte es zu diesem Zeitpunkt einen Hinweis erteilt, wäre zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller den Formmangel noch innerhalb der Beschwerdefrist geheilt hätte. Dieses Versäumnis des FG überholt das vorherige Verschulden der P, so dass schon deshalb Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

III.

50

Soweit die Beschwerde zulässig ist, ist sie zum überwiegenden Teil begründet.

51

Bei Zugrundelegung der im AdV-Verfahren anzuwendenden Maßstäbe (dazu unten 1.) war das FA dem Grunde nach nur hinsichtlich der Veranstaltungen und des Volksfestes zur Schätzung befugt; im Übrigen bestehen bei der gebotenen summarischen Betrachtung ernstliche Zweifel, ob die Aufzeichnungen des Antragstellers den für eine allein auf formelle Fehler gestützte Schätzungsbefugnis erforderlichen Grad an Mangelhaftigkeit aufweisen (unten 2.). Davon ausgehend hat das FA bisher nicht dargelegt, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs stützen zu können, erfüllt sind (unten 3.). Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke einen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor (unten 4.).

52

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes u.a. dann ganz oder teilweise auszusetzen, wenn --worüber im vorliegenden Verfahren allein gestritten wird-- ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen.

53

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheides neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit für das Hauptsacheverfahren überwiegen (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. zuletzt BFH-Beschlüsse vom 24. Mai 2016 V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253, Rz 25, und vom 8. Februar 2017 X B 138/16, BFH/NV 2017, 579, Rz 32, m.w.N.).

54

2. Ob diese Voraussetzungen für eine Schätzung (dazu unten a) erfüllt sind, ist für die drei Bereiche, in denen der Antragsteller seine Bareinnahmen erzielt, differenziert zu betrachten. Danach können bei der summarischen Betrachtung, auf die sich der im AdV-Verfahren anzuwendende Prüfungsmaßstab beschränkt, und beim derzeitigen --noch sehr unvollständigen-- Stand der Sachaufklärung und des Vorbringens der Beteiligten ernstliche Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb nicht ausgeschlossen werden (unten b). Demgegenüber bestehen hinsichtlich der Einnahmen aus dem Volksfest (unten c) und den Veranstaltungen (unten d) keine ernstlichen Zweifel an der Schätzungsbefugnis.

55

a) Die Finanzbehörde hat gemäß § 162 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) u.a. dann eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorzunehmen, wenn die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können, sie also nicht den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen oder sonst nach den Umständen des Einzelfalls Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.

56

Zwar berechtigen formelle Mängel der Aufzeichnungen nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nur insoweit zur Schätzung, als sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Ergebnisses der Gewinnermittlung anzuzweifeln (BFH-Entscheidungen vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430, unter 1.; vom 25. Januar 1990 IV B 140/88, BFH/NV 1990, 484, und in BFH/NV 2012, 1921, Rz 22, mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Jedenfalls dann, wenn vorwiegend Bargeschäfte getätigt werden, können Mängel der Kassenführung aber den gesamten Aufzeichnungen die Ordnungsmäßigkeit nehmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1921, Rz 34).

57

b) Hinsichtlich des laufenden Gaststättenbetriebs bestehen derzeit ernstliche Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des FA. Beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung steht noch nicht fest, ob der Antragsteller die vom Gesetz (dazu unten aa) und der Rechtsprechung (unten bb) aufgestellten formellen Anforderungen an die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung zu führenden Aufzeichnungen von Bareinnahmen verfehlt hat (unten cc). Die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung ebenfalls nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis auszuschließen (unten dd).

58

aa) Der Antragsteller hat seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt. Zwischen den Beteiligten ist --nach Auffassung des beschließenden Senats zu Recht-- unstreitig, dass er hierzu berechtigt war. § 4 Abs. 3 EStG selbst enthält --mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen § 4 Abs. 3 Satz 5 EStG-- keine Regelungen über den formellen Mindestinhalt der Aufzeichnungen, die bei dieser Gewinnermittlungsart zu führen sind.

59

Allerdings ist nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG jeder Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Umsatzsteuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Aus den Aufzeichnungen müssen die vereinbarten --bzw. in den Fällen des § 20 UStG die vereinnahmten-- Entgelte für die vom Unternehmer ausgeführten Lieferungen und sonstigen Leistungen zu ersehen sein (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 und 5 UStG). Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmers und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten und die Grundlagen für die Steuerberechnung festzustellen (§ 63 Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung --UStDV--). Dabei darf der Unternehmer das Entgelt und den Steuerbetrag in einer Summe --statt des (Netto-)Entgelts allein-- aufzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 UStDV). Am Schluss jedes Voranmeldungszeitraums hat der Unternehmer u.a. die Summe der Entgelte zu errechnen und aufzuzeichnen (§ 63 Abs. 3 Satz 3 UStDV).

60

Gemäß § 146 Abs. 1 AO in der im Streitjahr noch geltenden Fassung (vor den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152) sind die erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen "täglich" festgehalten werden.

61

bb) Der Senat hat bereits entschieden, dass sich in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung auch aus den Vorschriften des § 22 UStG und des § 63 UStDV keine Pflicht zur Führung eines Kassenbuchs ergibt. Bei dieser Gewinnermittlungsart gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld wird sofort Privatvermögen. Die Feststellung eines Kassenbestands, für den bei einer Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich ein Kassenbuch erforderlich ist, kommt nicht in Betracht (ausführlich zum Ganzen Senatsbeschluss vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940, m.w.N.).

62

In der Literatur wird daher das als "Schuhkarton-Buchführung" bezeichnete Erstellen und Sammeln von Einnahmen- und Ausgabenbelegen, verbunden mit einer regelmäßigen Summenziehung, für ausreichend gehalten (Märtens in Beermann/Gosch, § 146 AO Rz 28; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 522; vgl. auch BFH-Urteil vom 13. Oktober 1989 III R 30, 31/85, BFHE 159, 123, BStBl II 1990, 287, unter II.2.a).

63

Das Niedersächsische FG hat in seiner vom FA und der Vorinstanz mehrfach angeführten Entscheidung (Urteil vom 8. Dezember 2011  12 K 389/09, EFG 2013, 291, unter I.2.h, m.w.N.; Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen durch Senatsbeschluss vom 13. März 2013 X B 16/12, BFH/NV 2013, 902) die folgenden drei Möglichkeiten für eine ordnungsmäßige Aufzeichnung von Bareinnahmen in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung bei Sachverhalten, in denen die Führung von Einzelaufzeichnungen nach den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen nicht ohnehin als zwingend anzusehen ist, aufgezeigt:

-    

eine geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnungen der Erlöse;

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf ein tägliches Auszählen des Kassenbestands, aber Aufbewahrung der Ursprungsaufzeichnungen und Abgleich von Soll- und Ist-Bestand der Kasse "in gewissen Abständen" (insbesondere bei der Nutzung von Registrierkassen);

-    

Verzicht sowohl auf Einzelaufzeichnungen als auch auf die Aufbewahrung von Ursprungsbelegen, aber tägliches tatsächliches Auszählen der Kasse, das in fortlaufenden Kassenberichten dokumentiert wird;

-    

demgegenüber genüge das bloße Aufschreiben des täglichen (Gesamt-)Umsatzes ohne Aufbewahrung weiterer Belege den Anforderungen nicht.

64

cc) Danach kann der Senat bei der --angesichts des vorläufigen Charakters des Eilverfahrens gebotenen-- summarischen und im Zweifel großzügigen Betrachtung auf der Grundlage des derzeitigen Standes der Sachaufklärung nicht feststellen, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers über die Einnahmen des laufenden Gaststättenbetriebs die geltenden formellen Anforderungen verletzen. Der Senat weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass in dieser einzelfallbezogenen, ohne hinreichende Sachaufklärungsgrundlage getroffenen, summarischen und großzügigen Betrachtung keine grundsätzliche und abschließende Entscheidung über die in Fällen der Einnahmen-Überschuss-Rechnung geltenden formellen Pflichten zur Aufzeichnung der Kasseneinnahmen zu sehen ist.

65

Der Antragsteller hat tatsächlich Einzelaufzeichnungen zumindest über die vereinnahmten Geldbeträge geführt (dazu unten (1)). Seine Behauptung, weitere Uraufzeichnungen seien niemals erstellt worden und daher auch nicht aufbewahrungspflichtig, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen (unten (2)). Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich (unten (3)). Darüber hinaus gehende Anforderungen, die der Antragsteller nicht erfüllt hätte, folgen auch nicht aus der vom FA und FG angeführten Rechtsprechung (unten (4)). Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben (unten (5)). Zwar können diese Vorgaben die inhaltliche Vollständigkeit der Aufzeichnungen systembedingt nicht gewährleisten; ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben daher unzureichend sind und einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren indes nicht zu entscheiden (unten (6)).

66

(1) Zu einer Einzelaufzeichnung seiner Erlöse war der Antragsteller --wie es wohl auch der Auffassung des FG entspricht-- bei summarischer Betrachtung nicht verpflichtet. Er hat allerdings tatsächlich Einzelaufzeichnungen --wenn auch beschränkt auf die reinen Beträge, ohne Angabe der Kundennamen und der im Einzelnen dargebotenen Speisen und Getränke-- geführt.

67

Das bisherige Vorbringen des FA zu der Frage, ob der Antragsteller Einzelaufzeichnungen geführt habe, ist unklar. Im Schriftsatz vom 10. November 2015 formuliert das FA, es treffe zu, dass für die laufenden Gaststättenumsätze Einzelaufzeichnungen geführt worden seien. Demgegenüber vertritt es im Schriftsatz vom 26. Januar 2016 die Auffassung, der Antragsteller habe zwar die Einnahmen je Kunde bzw. je bedienten Tisch getrennt aufgezeichnet; dies seien aber keine Einzelaufzeichnungen. Letzterem könnte der Senat bei summarischer Betrachtung nicht folgen. Mehr als eine getrennte Aufzeichnung pro Kunde wird bei einer Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und Führung einer offenen Ladenkasse kaum verlangt werden können.

68

(a) Aus § 146 Abs. 1 Satz 1 AO ergab sich in den Streitjahren noch keine allgemeine Einzelaufzeichnungspflicht (anders die Rechtslage seit den Änderungen durch das Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152). Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat lediglich für Kaufleute mit Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich aus den entsprechenden handelsrechtlichen Grundsätzen eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht abgeleitet (BFH-Urteile vom 12. Mai 1966 IV 472/60, BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371, und vom 16. Dezember 2014 X R 42/13, BFHE 248, 99, BStBl II 2015, 519). Zu diesem Personenkreis gehört der Antragsteller aber nicht.

69

(b) Selbst wenn eine grundsätzliche Einzelaufzeichnungspflicht bestünde, könnte der Antragsteller sich für das Unterbleiben von Aufzeichnungen zu den Namen der Kunden und den jeweils zur Verfügung gestellten Speisen und Getränken aber auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus Zumutbarkeitsgründen gewährten Erleichterungen berufen (vgl. hierzu ebenfalls BFH-Urteil in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371).

70

Das FA bringt hierzu vor, nur bei Einzelhändlern mit einer Vielzahl von Barverkäufen an unbekannte Kunden über den Ladentisch und vergleichbaren Berufsgruppen bestehe keine Einzelaufzeichnungspflicht; hierauf könne sich der Antragsteller als Gastwirt (Dienstleister) nicht berufen.

71

Dem kann der Senat nicht folgen. Die Rechtsprechung hat die gewährten Erleichterungen niemals ausdrücklich auf Warenlieferanten beschränkt, sondern stets aus dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit abgeleitet. Insoweit kann aber bei Klein-Dienstleistern dieselbe Interessenlage bestehen wie bei kleinen Warenlieferanten. Bereits in den Gründen der Entscheidung in BFHE 86, 118, BStBl III 1966, 371 sind neben Einzelhandelsgeschäften auch Spielautomaten sowie Stehbierhallen genannt. Dabei handelt es sich aber ebenfalls um Dienstleistungen. Im Übrigen weist gerade die Darreichung von Speisen und Getränken eine erhebliche Nähe zu dem Verkauf von Waren etwa in einem Bäckereigeschäft auf.

72

(2) Die Behauptung des Antragstellers, er habe keine weiteren Uraufzeichnungen erstellt, so dass solche Aufzeichnungen auch nicht aufbewahrt und vorgelegt werden konnten, ist vom FA bisher nicht widerlegt worden und daher für Zwecke des AdV-Verfahrens zugrunde zu legen.

73

Das FA hat zumindest anfänglich unterstellt, den Einzelaufzeichnungen auf den Tageseinnahmen-Zetteln lägen gesonderte "Kellnerzettel" zugrunde, die als Uraufzeichnungen aufbewahrungspflichtig seien. Der Antragsteller hat die Existenz solcher "Kellnerzettel" bestritten und dazu erklärt, in aller Regel habe er allein bei den Gästen kassiert und den erhaltenen Betrag sogleich auf dem Tageseinnahmen-Zettel notiert. Jedenfalls für Zwecke der im AdV-Verfahren gebotenen lediglich summarischen Prüfung ist --in Ermangelung präsenter Beweismittel, die einen gegenteiligen Schluss zulassen würden-- hier von der Erklärung des Antragstellers auszugehen. Diese ist auch durchaus plausibel, da neben dem Antragsteller lediglich E und eine weitere Aushilfe --beide mit eher geringen Einkünften, die für eine bloße Teilzeitbeschäftigung sprechen-- im Betrieb tätig waren; zusätzlich waren in zwei Streitjahren noch zwei weitere Aushilfen tätig, allerdings angesichts eines Jahreslohns von ca. 1.000 € in äußerst geringem Umfang.

74

Soweit das FA in der Beschwerdeerwiderung die Vorlage von Kassenstreifen und Bons vermisst, hat es bisher nicht dargelegt, dass die vom Antragsteller --in zulässiger und auch vom FA dem Grunde nach nicht beanstandeter Weise-- verwendete offene Ladenkasse überhaupt in der Lage war, solche Belege auszugeben. Auch dies wäre erforderlichenfalls im Hauptsacheverfahren noch zu klären, kann beim derzeitigen Verfahrensstand aber nicht zu Lasten des Antragstellers herangezogen werden. Wenn allerdings die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse zur Ausgabe von Kassenzetteln oder ähnlichen Belegen technisch in der Lage gewesen sein sollte, dann hätte der Antragsteller diese Belege als Ursprungsaufzeichnungen aufbewahren und dem Prüfer vorlegen müssen (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG in EFG 2013, 291, unter I.2.h bb).

75

(3) Eine Rechtsgrundlage dafür, die Aufzeichnungen in gebundener Form führen zu müssen, ist jedenfalls bei Anwendung der im Eilverfahren geltenden Maßstäbe nicht ersichtlich.

76

Das FG hat die Aufzeichnungen nicht als ausreichend angesehen, weil sie auf losen, nicht durchnummerierten Blättern vorgenommen worden sind. Es sei nicht ansatzweise ersichtlich, wann, von wem und auf welche Weise die jeweiligen Tagesumsätze ermittelt worden seien. Sie stammten ersichtlich nur von einer Person und erweckten den Eindruck, sie seien im Nachhinein erstellt worden; Näheres bedürfe der Aufklärung im Hauptsacheverfahren.

77

Indes verlangt § 4 Abs. 3 EStG keine Aufzeichnungen in "Buch"form. Die gebundene oder jedenfalls eine in sich geschlossene Form wird etwa beim Fahrten"buch" verlangt (hierzu BFH-Urteil vom 9. November 2005 VI R 27/05, BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408), aber nicht bei bloßen "Aufzeichnungen".

78

Nicht nachvollziehbar ist des Weiteren, wie das FG zu der Wertung kommt, es sei nicht ansatzweise ersichtlich, vom wem die Tagesumsätze ermittelt worden seien. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsteller jedenfalls auf sämtlichen Tageseinnahmen-Zetteln, die in den Akten enthalten sind, die Summenbildung mit seinem Namenszeichen versehen hat. Dass es sich bei den weiteren, nicht in den Akten enthaltenen Einnahmezetteln anders verhielte, haben weder das FG noch das FA ausgeführt.

79

Die weitere Feststellung des FG, die Tageseinnahmen-Zettel seien überwiegend durch dieselbe Handschrift erstellt worden, spricht unter den im Streitfall gegebenen Umständen nicht mit dem Grad an Wahrscheinlichkeit, der im Eilverfahren für eine Verneinung ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide erforderlich wäre, für das vom FG angenommene Nacherstellen der Belege. Wie bereits ausgeführt (oben (2)), sind im Betrieb des Antragstellers außer ihm selbst nur noch E und eine Aushilfe (in zwei Streitjahren zwei weitere, äußerst geringfügig beschäftigte Aushilfen) tätig. Es ist also durchaus denkbar, dass in den meisten Fällen der Antragsteller selbst die Aufzeichnungen vorgenommen hat. Eine etwaige Nacherstellung der Tageseinnahmen-Zettel hatte vor dem FG nicht einmal das FA geltend gemacht. Da das FG hier einen Aufklärungsbedarf im Hauptsacheverfahren gesehen hat, hätte es näher gelegen, wegen bestehender tatsächlicher Zweifel AdV zu gewähren.

80

(4) Aus den vom FA angeführten --und vom FG gleichlautend übernommenen-- Entscheidungen lassen sich für den vorliegend zu beurteilenden Streitfall, worauf bereits der Antragsteller zutreffend hingewiesen hat, keine höheren Anforderungen ableiten.

81

Dem Senatsbeschluss in BFH/NV 2013, 902 lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem der dortige Steuerpflichtige --gerade abweichend vom Antragsteller des vorliegenden Verfahrens-- keine Einzelaufzeichnungen über seine Erlöse geführt, sondern lediglich die Tagessumme in sog. Kassenberichte eingetragen hatte. Das dortige FG hatte die Kassenberichte deshalb als nicht ausreichend angesehen, weil in ihnen zahlreiche Streichungen vorgenommen worden und Eintragungen unleserlich waren (Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2013, 291). So liegt der Streitfall indes nicht. Vorliegend hat der Antragsteller Einzelaufzeichnungen seiner Erlöse vorgenommen. Derartige Aufzeichnungen fehlten hingegen in den Fällen, die den vom FA angeführten Entscheidungen des Niedersächsischen FG und des beschließenden Senats zugrunde lagen.

82

In dem Sachverhalt, zu dem das FG Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 26. Juli 2007  14 K 3368/06 (nachgehend Senatsbeschluss vom 7. Februar 2008 X B 189/07, beide nicht veröffentlicht --n.v.--) entschieden hat, hatte der Steuerpflichtige eine Registrierkasse genutzt, die von dieser Kasse erstellten Tagesendsummenbons (Z-Bons) aber vernichtet. Damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem das FA bisher nicht einmal vorgetragen hat, die vom Antragsteller verwendete offene Ladenkasse sei technisch überhaupt zur Ausgabe von beleghaften Ursprungsaufzeichnungen in der Lage, nicht vergleichbar.

83

In dem darüber hinaus vom FA angeführten BFH-Beschluss vom 2. September 2008 V B 4/08 (n.v.) wird zwar der zugrunde liegende Sachverhalt nicht vollständig mitgeteilt. Offenbar hatte der dortige Steuerpflichtige aber nur eine Sammlung seiner Ausgangsrechnungen ohne weitere Aufzeichnungen (z.B. Ermittlung der Tageseinnahmen) vorgelegt. Außerdem hatte bereits der Steuerberater des dortigen Steuerpflichtigen pauschale Zuschätzungen zu den Erlösen vorgenommen. Auch damit ist der vorliegende Sachverhalt, in dem der Antragsteller selbst täglich seine Einnahmen ermittelt hat, nicht vergleichbar.

84

Dem Urteil des Saarländischen FG vom 21. Juni 2012  1 K 1124/10 (EFG 2012, 1816) lag ebenfalls ein Sachverhalt zugrunde, in dem lediglich die Gesamtsumme der Tageseinnahmen aufgezeichnet worden war. Das dann erforderliche tägliche Auszählen des Kassenbestands war unterblieben.

85

(5) Damit erfüllen die Aufzeichnungen des Antragstellers die oben zu bb) dargestellten Rechtsprechungsvorgaben. Danach wird eine "geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnung der Erlöse" für ausreichend erachtet. Der Antragsteller hat seine Erlöse betragsmäßig einzeln aufgezeichnet. Da für Zwecke dieses Eilverfahrens zu unterstellen ist, dass der Antragsteller keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, handelt es sich bei den Tageseinnahmen-Zetteln um die Ursprungsaufzeichnungen. Das Anbringen des Tagesdatums stellt zumindest ein mögliches Ordnungskriterium dar, so dass auch die Forderung nach einer "geordneten Belegablage" --die nach den unter (3) dargestellten Grundsätzen nicht notwendig in Buchform erfolgen muss-- erfüllt ist.

86

(6) Dem FA ist zwar zuzugeben, dass die Aufzeichnungen des Antragstellers nicht die Gewähr ihrer inhaltlichen Vollständigkeit bieten. Diese fehlende Vollständigkeitsgewähr ist aber im Wesentlichen durch die --zulässige-- Verwendung einer offenen Ladenkasse in Kombination mit den geringeren gesetzlichen Anforderungen an die Aufzeichnungen bei der --hier ebenfalls zulässigen-- Wahl der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung bedingt. Solange der Gesetzgeber eine derartige Kassenführung und eine derartige Gewinnermittlungsart zulässt, kann aus dem Umstand, dass es hier systembedingt keine Vollständigkeitsgewähr geben kann, jedenfalls bei summarischer Betrachtung keine Befugnis zur Vollschätzung abgeleitet werden.

87

Selbst die Führung der vom FA verlangten Kassenberichte würde keineswegs ausschließen, dass zur Steuerhinterziehung entschlossene Steuerpflichtige einen Teil ihrer Erlöse außerhalb ihrer offenen Ladenkasse vereinnahmen und die entsprechenden Beträge von vornherein nicht in ihre Kassenberichte aufnehmen. Die Kassen-Nachschau --als ein mögliches Instrument einer wirksamen Kontrolle der Vollständigkeit der Ursprungsaufzeichnungen-- ist trotz frühzeitiger Kenntnis des Gesetzgebers von der Problematik der vollständigen Einnahmeerfassung in den "Bargeld-Branchen" erst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2018 in § 146b AO aufgenommen worden (Gesetz vom 22. Dezember 2016, BGBl I 2016, 3152).

88

Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob die im Einzelfall vorliegenden Aufzeichnungen ordnungsgemäß sind, ist nicht, ob das verwendete Aufzeichnungssystem bei hinreichender krimineller Energie noch Möglichkeiten zur Steuerverkürzung bietet, sondern ob es den gesetzlichen Anforderungen genügt. Dies ist hier --bei Vornahme der im Eilverfahren gebotenen, hier zugunsten des Antragstellers wirkenden Sachverhaltsunterstellungen-- noch der Fall. Ob die bisherigen Rechtsprechungsvorgaben an die Form und den Inhalt von Aufzeichnungen in Fällen der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung und der Verwendung einer offenen Ladenkasse unzureichend sind und daher noch für die Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 einer Verschärfung bedürften, ist im Eilverfahren nicht zu entscheiden.

89

dd) Auch die Bedenken, die das FA hinsichtlich der materiellen Richtigkeit --insbesondere der betragsmäßigen Vollständigkeit-- der Aufzeichnungen geäußert hat, sind beim gegenwärtigen Stand der Sachaufklärung nicht geeignet, ernsthafte Zweifel am Bestehen einer Schätzungsbefugnis hinsichtlich der Einnahmen aus dem laufenden Gaststättenbetrieb auszuschließen.

90

(1) Seine Bedenken gründet das FA zunächst auf den Umstand, dass für einige Tage des Jahres --noch dazu überwiegend für umsatzstarke Samstage-- keine Tageseinnahmen-Zettel vorliegen. Indes handelt es sich dabei um relativ wenige Tage. Im Betrieb waren --wie bereits dargelegt-- im Wesentlichen der Antragsteller, E und eine bzw. drei Aushilfen tätig. Es ist daher durchaus plausibel, dass eine nahezu ausschließlich vom Inhaber und seiner Ehefrau bewirtschaftete Gaststätte nicht an 365 Tagen im Jahr geöffnet haben kann. Im fortzuführenden Hauptsacheverfahren wird das FA die Möglichkeit haben, mit Hilfe anderer Beweismittel (z.B. Befragung von Zeugen, Auswertung von Inseraten) darzulegen, dass die Gaststätte an Tagen, für die der Antragsteller eine Schließung behauptet, gleichwohl geöffnet hatte. Zudem kommt ein Abgleich mit den Daten von Veranstaltungen in Betracht. Auf die bloße Behauptung des FA, es sei nicht glaubhaft, dass eine inhabergeführte Gaststätte an 14 bis 25 Tagen jährlich geschlossen sei, wird die Inanspruchnahme einer Vollschätzungsbefugnis hingegen nicht gestützt werden können.

91

(2) Auch der Umstand, dass das FA die --von ihm selbst ermittelten-- Warenbestände des Antragstellers für unplausibel hält, ist bei summarischer Betrachtung nicht geeignet, eine materielle Unrichtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers zu belegen.

92

Der Antragsteller, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt, ist zur Aufzeichnung seiner Warenbestände nicht verpflichtet. Das FA hat die von ihm angenommenen Warenbestände daher anhand einer --weder erläuterten noch aus den Akten nachvollziehbaren-- Rückrechnung aus bestimmten Teilergebnissen des Zeitreihenvergleichs geschätzt. Es hat ausgeführt, dabei über alle drei Streitjahre einen konstanten RAS unterstellt zu haben, und damit zu begründen versucht, weshalb es die von ihm selbst ermittelten Veränderungen der Warenbestände --entgegen der nachvollziehbaren Forderung des Antragstellers-- nicht als Korrektiv in die Schätzung der monatlichen RAS einbezogen hat.

93

Die Annahme eines über drei Jahre konstanten RAS dürfte indes so weit von der betrieblichen Realität entfernt sein, dass eine Verwertung der Ergebnisse der Warenbestands-Schätzung jedenfalls bei summarischer Betrachtung nicht zu Lasten des Antragstellers möglich ist. Das Vorbringen des FA zu den Warenbeständen erscheint insoweit als widersprüchlich: Einerseits will es aus den von ihm angenommenen Warenbeständen Unplausibilitäten ableiten, die zu Lasten des Antragstellers gehen sollen; andererseits hält es aber die von ihm selbst bei der Schätzung dieser Warenbestände angewandte Methodik für so wenig überzeugend, dass es eine Berücksichtigung der Warenbestandsveränderungen bei der Schätzung der monatlichen RAS ablehnt.

94

c) Hinsichtlich der auf dem Volksfest erzielten Erlöse genügen die Aufzeichnungen des Antragstellers hingegen auch bei summarischer Betrachtung nicht den geltenden Anforderungen.

95

Der Antragsteller hat ausweislich der in den Akten enthaltenen Unterlagen insoweit lediglich die Einnahmen eines gesamten Tages in einer Summe notiert. Wie diese Summe zustande gekommen ist, ist den Unterlagen und auch den Erläuterungen des Antragstellers nicht zu entnehmen.

96

Zwar war der Antragsteller auch hinsichtlich seiner Einnahmen aus dem Volksfest von der Pflicht befreit, Einzelaufzeichnungen zu führen, da er "über die Theke hinweg" mit einer unbekannten Vielzahl von Personen Bargeschäfte von geringem Wert tätigte. Da er keine weiteren Ursprungsaufzeichnungen geführt hat, hätte er dann aber nach den oben zu b bb) dargestellten Grundsätzen, die sich der Senat zu eigen macht, die Tageseinnahmen durch tatsächliches Auszählen ermitteln und dies in einem Kassenbericht dokumentieren müssen. Dies ist nicht geschehen, so dass die Aufzeichnungen in Bezug auf die beim Volksfest erzielten Erlöse formell nicht ordnungsgemäß sind.

97

d) Gleiches gilt in Bezug auf die Einnahmen des Antragstellers aus den Veranstaltungen.

98

aa) Der Senat kann insoweit offenlassen, ob der Antragsteller --mit Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung-- schon vor dem Inkrafttreten der Neufassung des § 146 Abs. 1 AO (Gesetz vom 22. Dezember 2016 mit Wirkung zum 29. Dezember 2016) in diesem Geschäftsbereich zu Einzelaufzeichnungen verpflichtet war. Immerhin waren dem Antragsteller die Namen seiner Geschäftspartner hier bekannt; der Umfang des einzelnen Geschäfts überstieg den Bagatellbereich.

99

bb) Der Antragsteller hat zu den Veranstaltungen weder Angebote noch Vereinbarungen, Rechnungen oder Quittungen vorgelegt. Er hat hierzu behauptet, solche Unterlagen nicht erstellt zu haben, so dass sie auch nicht aufbewahrungspflichtig seien.

100

Das FA hat jedoch substantiiert vorgetragen, dass zu den Kunden des Antragstellers zumindest auch eine GmbH und eine Stadtverwaltung gehörten. Der Senat hält es aber auch bei Anwendung des im AdV-Verfahren gebotenen großzügigen Prüfungsmaßstabs für ausgeschlossen, dass derartige Kunden auf die Ausstellung ordnungsgemäßer Rechnungen verzichten könnten. Eine GmbH benötigt eine solche Rechnung bereits für den Vorsteuerabzug und für ihre eigene Buchhaltung; eine Stadtverwaltung wird Zahlungen in aller Regel nur gegen Vorlage schriftlicher Rechnungen leisten. Daher hält der Senat die Behauptung des Antragstellers, im Veranstaltungsbereich seien keinerlei schriftliche Unterlagen angefallen --auch in Bezug auf jedenfalls einen Teil der anderen Veranstaltungskunden-- nicht für glaubhaft. Schon zum Zwecke der Organisation derartiger Veranstaltungen --insbesondere zur Vermeidung von Missverständnissen im Verhältnis zu seinen Auftraggebern-- dürfte der Antragsteller eigene Aufzeichnungen geführt haben.

101

cc) Für das Hauptsacheverfahren bietet es sich an, dass das FA diejenigen Kunden, die aus den Aufzeichnungen des Antragstellers namentlich bekannt sind, zur Höhe der Zahlbeträge und zu Einzelheiten der Veranstaltungen befragt. Bei Differenzen zu den Angaben des Antragstellers wäre nicht nur ein formeller, sondern zudem ein materieller Mangel der Aufzeichnungen nachgewiesen, der auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden rechtfertigen würde. Demgegenüber wäre bei einer Übereinstimmung zwischen den Angaben des Antragstellers und seiner Kunden eine Vollschätzung in diesem Bereich nicht zu begründen.

102

e) Damit ist für Zwecke des Eilverfahrens von formellen Mängeln der Aufzeichnungen des Antragstellers in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen", nicht aber im Bereich "laufender Gaststättenbetrieb" auszugehen. Materielle Mängel der Erfassung der Einnahmen hat das FA hingegen bisher nicht konkret dargelegt.

103

aa) Das Gewicht der festgestellten formellen Mängel ist so erheblich, dass sie eine Schätzungsbefugnis begründen können. Ohne die Vorlage der erforderlichen Kassenberichte zu den Einnahmen aus dem Volksfest ist nicht erkennbar, wie die Tagessumme ermittelt worden ist. Das Fehlen jeglicher Unterlagen zu den Veranstaltungen ist ebenfalls ein gewichtiger Mangel, weil es keine andere Möglichkeit zur Kontrolle der inhaltlichen Richtigkeit der Aufzeichnungen des Antragstellers gibt.

104

bb) Allerdings betreffen die festgestellten formellen Mängel lediglich abgegrenzte Teilbereiche des Betriebs des Antragstellers. Für eine Vollschätzung der Erlöse, die auch den laufenden Gaststättenbetrieb umfasst, sieht der Senat daher beim derzeitigen Stand der Sachaufklärung keinen Raum.

105

Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Sachverhaltsermittlungen des FA und FG nicht beurteilen, wie umfangreich die Erlöse der Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen" im Verhältnis zu den Gesamterlösen des Antragstellers sind. Das Volksfest beschränkte sich auf einen Zeitraum von drei Tagen jährlich. Auch wenn an diesen Tagen überdurchschnittlich hohe Erlöse erzielt worden sein dürften, dürfte der Anteil am Gesamtjahresumsatz eher gering sein.

106

Ferner hat das FA nicht mitgeteilt, in welchem Umfang die Einnahmen des Antragstellers auf die Durchführung von Veranstaltungen entfallen. Zwar scheint es sich auch hier im Einzelfall um Beträge zu handeln, die im Verhältnis zu den Tageseinnahmen des Antragstellers aus dem laufenden Gaststättenbetrieb durchaus erheblich sind. Unbekannt ist aber, wie häufig der Antragsteller derartige Veranstaltungen ausgerichtet hat. Dies geht im AdV-Verfahren vorläufig zu Lasten des FA, das sich zur Begründung seiner Schätzungsbefugnis auf das Vorhandensein der Mängel und ihr Gewicht beruft und die erforderlichen Angaben unschwer im Rahmen der Außenprüfung hätte ermitteln und darlegen können.

107

3. Dies zugrunde gelegt ist nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung nicht ersichtlich, dass die in der Senatsrechtsprechung entwickelten Voraussetzungen dafür, eine Schätzung der Höhe nach auf die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs --hier: in der Sonderform der Quantilsschätzung-- stützen zu können, im Streitfall erfüllt sind.

108

Die Anforderungen, die der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung an die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs gestellt hat (dazu unten a), gelten bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Schätzungshöhe herangezogen werden (unten b). Danach ist der Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen keine materiellen Mängel der Aufzeichnungen feststellbar sind, grundsätzlich nachrangig zu anderen Schätzungsmethoden; im Streitfall hat das FA die fehlende Eignung anderer Methoden aber bisher nicht hinreichend dargelegt (unten c). Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob der Prüfer den Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt hat (unten d). Schließlich kann der Senat derzeit nicht erkennen, weshalb gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" sein soll (unten e).

109

a) Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. März 2015 X R 20/13 (BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743) in Bezug auf die dort streitgegenständliche Variante des Zeitreihenvergleichs u.a. die folgenden Grundsätze aufgestellt:

-  

Die dort dargestellte Variante des Zeitreihenvergleichs führt auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Buchführung denklogisch immer zu einem Mehrergebnis gegenüber der Buchführung, was eine vorsichtige Interpretation der Ergebnisse dieser Methode gebietet (Rz 39).

-  

Die zeitliche Verteilung des Wareneinkaufs durch den Prüfer wird im Regelfall den Schlüssel zum Verständnis und zur Einordnung der Einzelergebnisse des Zeitreihenvergleichs darstellen; die Kenntnis der bei diesem Schätzungsschritt vorgenommenen Wertungen des Prüfers ist für den Steuerpflichtigen daher von erheblicher Bedeutung. Zuordnungsfehler am Anfang oder Ende der maßgeblichen Zehn-Wochen-Periode können aufgrund des mathematischen Hebeleffekts das rechnerische Ergebnis des Zeitreihenvergleichs in erheblichem Umfang beeinflussen und verzerren (Rz 51).

Der Zeitreihenvergleich basiert entscheidend auf der Grundannahme, dass im Betrieb das Verhältnis zwischen dem Wareneinsatz und den Erlösen im betrachteten Zeitraum weitgehend konstant ist. Fehlt es an dieser weitreichenden Konstanz, haben die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs regelmäßig keine hinreichende Aussagekraft (Rz 56).

Bei einer Buchführung, die formell ordnungsgemäß ist oder nur geringfügige formelle Mängel aufweist, kann der Nachweis der materiellen Unrichtigkeit grundsätzlich nicht allein aufgrund der Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs geführt werden (Rz 62).

Ist die Buchführung formell nicht ordnungsgemäß, sind aber materielle Unrichtigkeiten der Einnahmenerfassung nicht konkret nachgewiesen, sind andere Schätzungsmethoden, die auf betriebsinternen Daten aufbauen oder in anderer Weise die individuellen Verhältnisse des jeweiligen Steuerpflichtigen berücksichtigen, grundsätzlich vorrangig heranzuziehen. Nur wenn solche Schätzungsmethoden nicht sinnvoll einsetzbar sind, können die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs einen Anhaltspunkt für die Höhe der erforderlichen Hinzuschätzung bilden. Diese Ergebnisse sind aber von Amts wegen auf ihre Plausibilität anhand der besonderen betrieblichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen zu überprüfen. Bei verbleibenden Zweifeln können Sicherheitsabschläge in einem Umfang geboten sein, der über eine bloße Abrundung des rechnerischen "Mehrergebnisses" hinausgeht (Rz 63 bis 65).

Steht bereits aus anderen Gründen fest, dass die Buchführung nicht nur formell, sondern auch materiell unrichtig ist und übersteigt die Unrichtigkeit eine von den Umständen des Einzelfalls abhängige Bagatellschwelle, können die Ergebnisse eines --technisch korrekt durchgeführten-- Zeitreihenvergleichs auch für die Ermittlung der erforderlichen Hinzuschätzung der Höhe nach herangezogen werden, sofern sich im Einzelfall keine andere Schätzungsmethode aufdrängt, die tendenziell zu genaueren Ergebnissen führt und mit vertretbarem Aufwand einsetzbar ist (Rz 66).

-  

Sofern die Ausgangsparameter (insbesondere die Feststellung des Warenbestands) mit Unsicherheiten behaftet sind, ist von Amts wegen eine Sensitivitätsanalyse durchzuführen, die verdeutlichen muss, welche Auswirkungen die nicht behebbaren Unsicherheiten bei einzelnen Parametern auf die Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs haben können (Rz 67 bis 69).

110

b) Diese Anforderungen gelten jedenfalls bei summarischer Betrachtung auch dann, wenn die Ergebnisse eines Zeitreihenvergleichs durch Vornahme einer Quantilsschätzung zur Begründung der Höhe einer Hinzuschätzung herangezogen werden sollen.

111

aa) Auch die Quantilsschätzung stellt eine Vollschätzung dar, da das Ergebnis der eigenen Gewinnermittlung des Steuerpflichtigen vollständig verworfen und durch ein anderes Ergebnis ersetzt wird. Die besonderen Risiken (denknotwendig Ausweis eines Mehrergebnisses auch gegenüber einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung, erhebliche mathematische Hebelwirkungen, Ausgabe großer und kaum vollständig überprüfbarer Datenmengen) bestehen hier ebenso.

112

Letztlich handelt es sich bei der Quantilsschätzung im Kern lediglich um eine geänderte Interpretation der Ergebnisse derjenigen Variante des Zeitreihenvergleichs, die Gegenstand der Senatsentscheidung in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743 war. Während dort der Zehn-Wochen-Zeitraum mit dem höchsten gleitenden RAS als maßgeblich für das Gesamtjahr angesehen wurde, wird bei der Quantilsschätzung der nächsthöchste Einzel-RAS herangezogen, der nach dem Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte verbleibt. Eine solche Schätzung wird auch bei einer formell und materiell ordnungsmäßigen Gewinnermittlung regelmäßig zu Mehrergebnissen führen, da der 80 %-Wert meist höher liegen wird als der 50 %-Wert (Mittelwert). Die mathematischen Hebelwirkungen beziehen sich bei der Quantilsschätzung zwar nicht auf den Anfang und das Ende des maßgebenden Zehn-Wochen-Zeitraums, wohl aber auf den Anfang und das Ende desjenigen Zeitraums, dessen RAS nach Ausscheiden der 20 % höchsten Einzelwerte als maßgeblich für das Gesamtjahr herangezogen wird.

113

bb) Diese Einschätzung liegt --jedenfalls im Ergebnis-- auch einem Großteil der bisher bekannt gewordenen instanzgerichtlichen Entscheidungen zur Quantilsschätzung zugrunde.

114

In einem Fall, in dem materielle Mängel der Gewinnermittlung nicht konkret nachgewiesen waren, hat das FG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 24. August 2016  5 V 5089/16, EFG 2017, 12) in einem AdV-Verfahren die Quantilsschätzung nicht als geeignete Schätzungsmethode angesehen und stattdessen eine eigene Hinzuschätzung in geringerer Höhe vorgenommen. Dies entspricht der Senatsrechtsprechung (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 63 ff.).

115

Das FG Hamburg (Beschluss vom 26. August 2016  6 V 81/16) hatte in einem AdV-Beschluss einen Sachverhalt zu beurteilen, in dem Schwarzeinkäufe konkret nachgewiesen waren, die Gewinnermittlung sich also schon ohne den Zeitreihenvergleich als materiell unrichtig erwiesen hatte. Es hat hier die Quantilsschätzung dem Grunde nach nicht beanstandet, der Höhe nach aber erhebliche Korrekturen vorgenommen. Damit liegt auch das FG Hamburg auf der Linie der Senatsrechtsprechung, die bei nachgewiesenen materiellen Mängeln die Heranziehung der Ergebnisse eines technisch korrekt durchgeführten Zeitreihenvergleichs für die Höhe der Hinzuschätzung grundsätzlich zulässt (Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

116

Demgegenüber hat ein anderer Senat des FG Hamburg (Beschluss vom 31. Oktober 2016  2 V 202/16, EFG 2017, 265) --ebenso wie die Vorinstanz im vorliegenden Verfahren-- in einem Fall, in dem lediglich formelle Mängel nachgewiesen waren, aus den Ergebnissen des Zeitreihenvergleichs und einer Ziffernanalyse auf die materielle Unrichtigkeit der Buchführung geschlossen und eine durchgeführte Quantilsschätzung nicht beanstandet.

117

cc) In der Literatur halten vor allem Autoren, die in der Finanzverwaltung tätig sind, die Quantilsschätzung für eine sachgerechte Schätzungsmethode (z.B. Schumann/Wähnert, Die Steuerberatung 2012, 535; Wähnert, Die steuerliche Betriebsprüfung 2015, 92; Becker, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2016, 1430, 1435; Becker/Schumann/Wähnert, DStR 2017, 1243).

118

Andere Autoren übertragen demgegenüber die in der Senatsrechtsprechung in Bezug auf den Zeitreihenvergleich vorgenommenen Einschränkungen auch auf die Quantilsschätzung (ausführlich Bleschick, DStR 2017, 426, und Krumm, Der Betrieb --DB-- 2017, 1105; ferner Hartmann, EFG 2017, 12).

119

c) Nach der Senatsrechtsprechung ist ein Zeitreihenvergleich in Fällen, in denen --wie hier-- zwar formelle Mängel vorliegen, materielle Mängel der Aufzeichnungen aber nicht konkret nachgewiesen sind, im Verhältnis zu anderen Schätzungsmethoden nachrangig; ggf. sind deutliche Abschläge erforderlich.

120

Bisher hat das FA nicht hinreichend dargelegt, dass eine Heranziehung anderer Schätzungsmethoden im Streitfall ausscheidet. Diese Frage wird daher im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Die danach gegenwärtig bestehende Unsicherheit, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Stützung der Schätzungshöhe auf einen Zeitreihenvergleich erfüllt sind, rechtfertigt dem Grunde nach die Gewährung von AdV.

121

aa) Zur Geldverkehrsrechnung hat das FA ausgeführt, diese Methode scheide im Streitfall aus. Sie habe mit Abschaffung der Vermögensteuer und der damit verbundenen Offenlegungspflicht für Privatvermögen stark an Bedeutung verloren. Weder die vom Steuerpflichtigen genutzten Bankkonten noch die dortigen Geldbewegungen könnten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. E habe in einem Gespräch angegeben, der Antragsteller unterhalte ein Bankkonto im Ausland, auf das er regelmäßig Bargeldbeträge eingezahlt habe. Der Antragsteller habe im Eröffnungsgespräch erklärt, die Bareinnahmen in einem Tresor zu lagern und einen Großteil der Ausgaben aus diesem Bargeldbestand zu bestreiten. Die Hobbys, Vorlieben und der Lebensstandard des Antragstellers seien nicht bekannt. Zudem habe der Antragsteller auf eine längere Amerikareise mit unkalkulierbaren Kosten gespart.

122

Hierzu ist anzumerken, dass im Streitfall eine Pflicht zur Abgabe von Vermögensteuererklärungen angesichts der geringen Höhe jedenfalls des erkennbaren Vermögens des Antragstellers und der hohen Freibeträge mutmaßlich nicht bestanden hätte, die Abschaffung der Vermögensteuer im Streitfall --und in vielen anderen Kleinunternehmer-Fällen-- daher nicht kausal für die Durchführbarkeit oder Nichtdurchführbarkeit einer Geldverkehrsrechnung sein kann. Im Gegenteil ist zeitlich nach Abschaffung der Vermögensteuer durch die erheblich erweiterten Möglichkeiten des Kontenabrufs (§ 93 Abs. 7, § 93b AO) und die deutlich gestärkten Möglichkeiten des internationalen Datenaustausches eine Transparenz des Bankkontenbestands eingetreten, die zu Zeiten der Erhebung der Vermögensteuer kaum denkbar gewesen sein dürfte.

123

Unterlagen zu den vermeintlichen Angaben der E zu einem Auslands-Bankkonto des Antragstellers befinden sich nicht in den vom FA vorgelegten Akten, so dass der Senat nicht in der Lage ist, zu beurteilen, wie konkret solche Angaben waren und welche Folgen sie für das vorliegende Verfahren haben könnten. Das FA ist aber frei, im fortgeführten Hauptsacheverfahren diesen Angaben nachzugehen und entsprechende Ermittlungen anzustellen. Sollte E konkrete Angaben zu einem Auslandskonto gemacht haben, dürfte es angesichts des heute erreichten Standes des internationalen Informationsaustausches in Steuersachen durchaus möglich sein, Kenntnis über die dortigen Geldbewegungen zu erlangen und sie in eine Geldverkehrsrechnung einzubeziehen -- sofern sich aus der Höhe etwaiger bisher unbekannter Bargeldeinzahlungen nicht ohnehin bereits auf die materielle Unrichtigkeit der erklärten Einnahmen schließen ließe und damit nach der Senatsrechtsprechung auch die Anwendung gröberer Schätzungsmethoden bis hin zu einem Zeitreihenvergleich zulässig wäre (vgl. Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 66).

124

Hinsichtlich des Vorbringens des FA zur Nutzung des Tresors ist darauf hinzuweisen, dass der Prüfer zum Eröffnungsgespräch insoweit lediglich notiert hat: "Bareinnahmen Tresor → dann Einzahlung nach Bedarf". Hieraus folgt nur, dass die Bareinnahmen nicht täglich, sondern zusammengefasst für mehrere Tage auf das betriebliche Bankkonto eingezahlt worden sind. Es ist aber nicht ersichtlich, dass dies ein Hindernis für die Vornahme einer Geldverkehrsrechnung darstellen könnte.

125

Informationen zu den Hobbys und dem Lebensstandard des Antragstellers dürften durchaus ermittelbar sein; jedenfalls ist dies der Finanzverwaltung auch in zahlreichen anderen Fällen, die dem Senat bekannt sind, möglich gewesen. Ersatzweise können statistische Durchschnittswerte für die Lebenshaltungskosten herangezogen werden, was in der Verwaltungspraxis nach Kenntnis des Senats durchaus üblich ist. Die vom FA erwähnten Sparbeiträge für die Amerika-Reise wären ebenso wie jede andere Geldposition in die Geldverkehrsrechnung einzubeziehen.

126

bb) Die Erwägungen des FA zur Unmöglichkeit der Durchführung einer Aufschlagkalkulation sind jedenfalls insoweit in tatsächlicher Hinsicht fehlerhaft, als das FA zur Begründung u.a. anführt, es lägen auch für das laufende Gaststättengeschäft keine Informationen zu den Preisgestaltungen vor. Tatsächlich hat der Antragsteller nach Aktenlage alle von ihm in den Streitjahren verwendeten Speisekarten vorgelegt. Damit ist die Preisgestaltung bekannt.

127

d) Darüber hinaus bestehen auch Bedenken, ob der Zeitreihenvergleich im Streitfall technisch korrekt durchgeführt worden ist und der Prüfer bereits von Amts wegen alle betrieblichen Besonderheiten in die von ihm herangezogenen Datengrundlagen einbezogen hat.

128

aa) Die vom Antragsteller während des Prüfungszeitraums vorgenommene erhebliche Preiserhöhung (nach der aktuellen Auffassung des FA immerhin 26 % zum 1. Januar 2009) bedeutet eine wesentliche Änderung im Betrieb, die es bereits methodisch ausschließt, einen durchgehenden Zeitreihenvergleich für die Zeit vor und nach der Preiserhöhung vorzunehmen (vgl. zu dem Erfordernis eines weitgehend konstanten Verhältnisses zwischen Wareneinsatz und Erlösen Urteil in BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 56). Das FA hat hierzu in der Beschwerdeerwiderung ausgeführt, mit der "Konjunkturanpassung" hätten die Ergebnisse der Jahre 2009 und 2010 an das Preisniveau des Jahres 2008 angepasst werden sollen, um die Vergleichbarkeit der Schätzung herzustellen. Indes soll eine Schätzung nicht vergleichbar, sondern möglichst realitätsnah sein. Wenn im Prüfungszeitraum eine erhebliche Preiserhöhung stattgefunden hat, dann muss die Schätzung dies berücksichtigen, nicht aber die --nicht miteinander vergleichbaren-- RAS der Jahre vor und nach der Preiserhöhung vergleichbar machen.

129

bb) Im Betrieb des Antragstellers haben die Bargeschäfte zwar sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite weit überwogen. Allerdings hätte der Prüfer von Amts wegen die unbar getätigten Geschäfte in seine Datenanalyse einbeziehen müssen und sie nicht den Bargeschäften gleichstellen dürfen.

130

Auch wenn nur 31 von insgesamt mehr als 4.000 Eingangsrechnungen unbar bezahlt worden sind, dürfte es sich dabei tendenziell um die höheren Beträge handeln, so dass das tatsächliche Gewicht dieser Ausgaben --und die dadurch ausgelöste Verzerrung der Ergebnisse des Zeitreihenvergleichs-- höher sein dürfte als der geringe prozentuale Anteil an der Gesamtheit der Eingangsrechnungen. Gleiches dürfte für die unbar erzielten Erlöse gelten.

131

Nach Abschluss der Außenprüfung hat das FA zwar erkannt, dass hierin ein Mangel des Zahlenwerks liegt, und den Antragsteller um nochmalige Übermittlung der entsprechenden Eingangsrechnungen und Bankunterlagen gebeten. Der Antragsteller hat hierauf --soweit ersichtlich-- bisher nicht reagiert. Gleichwohl geht die unterbliebene Einbeziehung der unbaren Zahlungen im gegenwärtigen Verfahrensstadium noch zu Lasten des FA, das den Zeitreihenvergleich schon von Anfang an in einer technisch korrekten Form hätte durchführen können und müssen. Sollte der Antragsteller die vom FA nochmals angeforderten Unterlagen allerdings auch im weiteren Verlauf des fortzuführenden Hauptsacheverfahrens nicht vorlegen, würde die darin zu sehende Verletzung seiner Mitwirkungspflichten die Verletzung der Ermittlungspflichten des FA überholen, so dass dem FA dies nicht mehr zum Nachteil gereichen könnte.

132

cc) Eine Verteilung der Einkäufe über den Zeitraum bis zum nächsten Einkauf gleichartiger Waren ist offensichtlich unterblieben. In einem solchen Fall sind einem Zeitreihenvergleich  --vor allem dann, wenn die jeweils betrachteten Zeitabschnitte für die Ermittlung der Einzel-RAS im Verhältnis zur durchschnittlichen Umschlagzeit der eingekauften Waren relativ kurz sind-- aber erhebliche rechnerische Unsicherheiten immanent.

133

Da auch das FA davon ausgeht, dass der Antragsteller selbst bei einer sehr gängigen Ware wie dem Hauptumsatzträger Bier eine Vorratshaltung über einen Zeitraum von bis zu zwei Wochen betrieben hat --was immerhin der Hälfte des vom FA herangezogenen (Monats-)Zeitraums für die Schätzung der einzelnen RAS entspricht--, sind die statistischen Auswirkungen von Verschiebungen der einzelnen Wareneinkäufe als sehr hoch anzusehen.

134

Darüber hinaus berücksichtigt das Vorbringen des FA, der Antragsteller habe im Regelfall knapp einmal wöchentlich Bier eingekauft, nicht, dass in der Gaststätte auch zahlreiche Sorten Schnäpse angeboten wurden. Zu deren Umschlaghäufigkeit hat das FA keine Ermittlungen vorgenommen. Nach der Lebenserfahrung dürfte in diesem Bereich aber durchaus eine nennenswerte --in ihrem Umfang zudem schwankende-- Lagerhaltung bestehen.

135

Unzutreffend ist die Erwägung des FA, etwaige durch den Monatswechsel bedingte Verschiebungen zwischen dem Zeitpunkt des Wareneinkaufs (bzw. der Bezahlung der Eingangsrechnungen) und dem --für die Ermittlung des zutreffenden RAS allein maßgeblichen-- Zeitpunkt des tatsächlichen Wareneinsatzes seien zu vernachlässigen, weil sich die Auswirkungen auf den RAS in den Folgemonaten ausgleichen würden. Dieser Einwand verkennt, dass die Methode der Quantilsschätzung gerade auf der Heranziehung eines der höchsten RAS beruht. Wenn aber ein Teil der in die Betrachtung einbezogenen Einzel-RAS wegen der durch den Monatswechsel bedingten Verschiebungen überhöht ist, kommt es eben nicht zu einem Ausgleich. Vielmehr bleiben diese überhöhten RAS in der Gesamtrechnung bestehen und werden dann zur Begründung der Höhe der Hinzuschätzung herangezogen. Der Antragsteller hat selbst dargelegt, dass im Streitfall bereits eine --auch angesichts der konkreten betrieblichen Verhältnisse als eher geringfügig anzusehende-- Verschiebung eines Wareneinkaufs/Wareneinsatzes im Umfang von nur 250 € über eine Monatsgrenze hinaus zu einer Veränderung des Monatswertes des RAS um 21 Prozentpunkte führt.

136

Die Durchführung von Veranstaltungen, die am jeweiligen Tag zu einem deutlichen "Umsatzsprung" im Vergleich zu einer durchschnittlichen Tageseinnahme geführt hat, wäre ebenfalls gesondert zu betrachten gewesen. In Fällen, in denen der für eine Veranstaltung erforderliche, deutlich erhöhte Wareneinkauf noch vor einem Monatswechsel getätigt wird, die entsprechenden Erlöse aber erst nach dem Monatswechsel vereinnahmt werden, kommt es zu ganz erheblichen Verzerrungen zwischen den einzelnen Monatswerten. Der RAS des Monats, in den die Vereinnahmung des Erlöses fällt, wird deutlich zu hoch ausgewiesen; umgekehrt wird der RAS des Monats, in den der vorbereitende Wareneinkauf fällt, deutlich zu gering ausgewiesen. Da die Idee der hier vom FA angewendeten Variante des Zeitreihenvergleichs gerade darauf beruht, Schwankungen der monatlichen RAS als starkes Indiz für eine materiell fehlerhafte Gewinnermittlung anzusehen, muss das FA es schon bei der Durchführung des Zeitreihenvergleichs --von Amts wegen-- ausschließen, dass betriebliche Besonderheiten derartige rechnerische Schwankungen hervorrufen können.

137

e) Zudem kann der Senat beim derzeitigen Stand des Sachvortrags des FA nicht erkennen, dass gerade der von der Quantilsschätzungs-Software der Finanzverwaltung ausgeworfene Wert "am wahrscheinlichsten" --so die Formulierung des Prüfers-- sei. Insoweit kann sich im Hauptsacheverfahren --sofern dort nach weiterer Sachaufklärung überhaupt die Voraussetzungen für die Durchführung eines Zeitreihenvergleichs festzustellen sein sollten-- die Einholung des Gutachtens eines mathematisch-statistischen Sachverständigen anbieten (vgl. hierzu Krumm, DB 2017, 1105, 1107, re. Sp.), falls das FG nicht selbst über die erforderliche Sachkunde in der Anwendung und Beurteilung mathematisch-statistischer Methoden verfügt.

138

aa) Das FA geht davon aus, dass bei Datensätzen, die der Gauß'schen Normalverteilung genügen, so dass 68,27 % der Datensätze innerhalb der ersten Standardabweichung liegen, der Wert, der sich für den oberen Rand der durch die erste Standardabweichung definierten Bandbreite ergibt, der zutreffende Wert für die Schätzung sei.

139

bb) In mathematischer Hinsicht setzt die Anwendung der statistischen Erkenntnisse zur Gauß'schen Normalverteilung zuvörderst voraus, dass die RAS überhaupt der Normalverteilung folgen und die erhobene Grundgesamtheit (hier: 36 Einzelgrößen) groß genug ist. Beim gegenwärtigen Stand bestehen hinsichtlich beider Voraussetzungen Bedenken.

140

Voraussetzung dafür, dass die Einzelgrößen einer Grundgesamtheit der Gauß'schen Normalverteilung folgen, dürfte im Regelfall sein, dass die Einzelgrößen zutreffend ermittelt wurden. Im Streitfall folgen möglicherweise zwar die --angesichts der Unsicherheiten bei der Schätzung des tatsächlichen Wareneinsatzes nicht mit vertretbarem Aufwand feststellbaren-- exakten tatsächlichen monatlichen RAS eines Betriebs der Gauß'schen Normalverteilung, aber die vom Prüfer relativ grob geschätzten monatlichen RAS weichen mehr oder weniger deutlich von den tatsächlichen monatlichen RAS ab. Insofern ist es jedenfalls nicht selbstverständlich --und wäre ggf. vom FA im Hauptsacheverfahren sachkundig zu belegen--, dass auch die vom Prüfer unter Inkaufnahme eines erheblichen Schätzungsfehlers ermittelten monatlichen RAS normalverteilt sind.

141

Hinzu kommt das möglicherweise nur schwer zu lösende Problem, dass einerseits die Grundgesamtheit (hier: die Anzahl der zur Verfügung stehenden RAS für bestimmte Zeitabschnitte) möglichst hoch sein sollte, um zu einer Normalverteilung zu kommen, gegenläufig aber die Qualität (Validität) des einzelnen RAS mit der Verkürzung des Zeitraums, für den er ermittelt wird, stark abnimmt. So dürften die jeweils für ein Quartal ermittelten RAS zwar je Einzelwert nur eine relativ geringe Fehlermarge aufweisen, da die problematischen Verschiebungen beim Wareneinkauf zu Beginn und zum Ende des jeweiligen Zeitabschnitts hier im Verhältnis zur Gesamthöhe des Wareneinkaufs nicht so stark ins Gewicht fallen wie bei Monats- oder gar Wochenwerten. Indes würden dann für das Jahr 2008 nur vier Einzelwerte und für die --aufgrund der erheblichen Preiserhöhung gesondert zu betrachtenden-- Jahre 2009/2010 nur acht Einzelwerte zur Verfügung stehen. Dies dürfe eine für die Anwendung der Normalverteilung erheblich zu geringe Grundgesamtheit sein.

142

Auf der anderen Seite erhielte man zwar eine ausreichend große Grundgesamtheit, wenn die RAS tageweise ermittelt würden (für 2008 ca. 350 Einzelwerte, für 2009/2010 ca. 700 Einzelwerte). Hier wäre jedoch der einzelne tageweise ermittelte RAS unbrauchbar, da nicht an jedem Tag exakt so viele Waren eingekauft wie am selben Tag verbraucht werden. Es fehlte damit an der Validität der Einzelwerte, so dass ebenfalls nicht davon ausgegangen werden könnte, sie folgten der Normalverteilung.

143

cc) Schließlich wäre zu klären, ob der vom FA behauptete mathematische Erfahrungssatz des Inhalts, dass der "richtige" Wert bei schwankenden und --hier unterstellt-- normalverteilten Gewinnermittlungs-Rohdaten genau dem Mittelwert zuzüglich der ersten Standardabweichung entspricht, tatsächlich existiert.

144

Schon im Ansatz unzutreffend ist in diesem Zusammenhang die Erwägung des FG, die Quantilsschätzung sei schon deshalb eine sachgerechte Schätzungsmethode, weil sie den normalen Geschäftsverlauf als repräsentativ ansehe. Tatsächlich rekurriert die Quantilsschätzung nicht etwa auf den "normalen Geschäftsverlauf", sondern stützt sich für die vorgenommene Vollschätzung auf einen Wert, der in 80 % der Zeitabschnitte gerade nicht erreicht wird.

145

4. Zur Berücksichtigung der vorhandenen formellen Mängel der Aufzeichnungen des Antragstellers nimmt der Senat in Ausübung seiner eigenen Schätzungsbefugnis für AdV-Zwecke --und ohne jedes Präjudiz für das Hauptsacheverfahren-- einen griffweisen Sicherheitszuschlag zu den erklärten Einnahmen von 3.000 € netto pro Jahr vor.

146

a) Die sicher feststellbaren formellen Mängel beschränken sich nach dem derzeitigen Stand der Sachaufklärung auf die Bereiche "Volksfest" und "Veranstaltungen". Der Anteil dieser Geschäftsbereiche am Gesamterlös steht derzeit nicht fest, was im AdV-Verfahren nicht zu Lasten des Antragstellers gehen darf. Daher bewegt sich der Sicherheitszuschlag am unteren Rand der Bandbreite und repräsentiert den Bereich, in dem es keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer Hinzuschätzung gibt.

147

b) Zu Lasten des Antragstellers merkt der Senat allerdings an, dass er derzeit keine Grundlage für die vom Prüfer vorgenommene gewinnmindernde Berücksichtigung der Umsatzsteuer-Mehrergebnisse im Jahr 2010 sieht, und daher in diesem Umfang keine AdV gewähren kann.

148

Obwohl der Antragsteller den Betrieb zum 1. Januar 2011 zu Buchwerten in die Ehegatten-GbR eingebracht hat und sowohl der Antragsteller als auch die GbR ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt haben, vertrat der Prüfer die Auffassung, es sei zwingend eine Aufgabebilanz für das Einzelunternehmen zu erstellen und ein Übergangsgewinn zu berechnen (Tz. 11 des Bp-Berichts). Im Rahmen der Ermittlung dieses Übergangsgewinns hat er die sich aus der Prüfung ergebenden Umsatzsteuer-Verbindlichkeiten (15.200 €) gewinnmindernd passiviert.

149

Für diese Gewinnminderung sieht der Senat indes bei summarischer Prüfung keine Rechtsgrundlage. Wenn sowohl der zu Buchwerten eingebrachte Betrieb als auch die aufnehmende Personengesellschaft ihre Gewinne durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermitteln, ist der einbringende Einzelunternehmer nicht zur Ermittlung eines Übergangsgewinns verpflichtet (vgl. BFH-Urteile vom 13. September 2001 IV R 13/01, BFHE 196, 546, BStBl II 2002, 287, unter II.2., und vom 14. November 2007 XI R 32/06, BFH/NV 2008, 385, unter II.1.d aa), zumal die aufnehmende Personengesellschaft sogleich ein gegenläufiges Übernahmeergebnis ermitteln müsste. Im Rahmen der Ermittlung der von der Vollziehung auszusetzenden Beträge nimmt der Senat daher eine Saldierung mit diesem Rechtsfehler vor.

150

c) Anders als der Antragsteller meint, ist nicht schon deshalb AdV zu gewähren, weil das FA 13 Monate lang nicht über den Einspruch entschieden hat. Der Antragsteller beruft sich hierbei auf den Beschluss des FG Münster vom 16. April 1997  15 V 1134/97 (EFG 1997, 895). Dort war allerdings tragend für die Gewährung von AdV, dass das FA seine im Prüfungsbericht gezogenen Wertungen nicht durch konkrete Tatsachen belegt hatte. Aufgrund des sich daraus ergebenden "erheblichen Aufklärungsbedarfs" hat das FG AdV gewährt. Demgegenüber besteht im Streitfall jedenfalls hinsichtlich der formellen Mangelhaftigkeit der Aufzeichnungen in den Bereichen "Volksfest" und "Veranstaltungen" kein Aufklärungsbedarf mehr.

151

d) Damit ergibt sich die folgende Berechnung der nicht von der Vollziehung auszusetzenden Besteuerungsgrundlagen:

Jahr   

2008   

2009   

2010   

Mehrerlös netto

+ 3.000 €

+ 3.000 €

+ 3.000 €

Mehr-Umsatzsteuer

+ 570 €

+ 570 €

+ 570 €

Passivierung der Umsatzsteuer

        

./. 0 €

Mehrgewinn

+ 3.570 €

+ 3.570 €

+ 3.570 €

152

Die Übertragung der Ermittlung der auszusetzenden Beträge auf das FA beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

IV.

153

Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die für den Antragsteller im Vergleich zum erstinstanzlichen Verfahren ungünstigere Kostenquote für das Beschwerdeverfahren beruht darauf, dass hier zu seinen Lasten auch diejenigen Teile des Antrags zu berücksichtigen waren, die als unzulässig anzusehen sind.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 der Abgabenordnung gelten sinngemäß. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Soweit die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie sie zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.

(2) Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen nach § 158 Absatz 2 nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 nicht erteilt. Hat der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb verletzt, so wird widerlegbar vermutet, dass in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte in Bezug zu Staaten oder Gebieten im Sinne des § 3 Absatz 1 des Gesetzes zur Abwehr von Steuervermeidung und unfairem Steuerwettbewerb

1.
bisher nicht erklärt wurden, tatsächlich aber vorhanden sind, oder
2.
bisher zwar erklärt wurden, tatsächlich aber höher sind als erklärt.

(3) Verletzt ein Steuerpflichtiger seine Mitwirkungspflichten nach § 90 Absatz 3 dadurch, dass er keine Aufzeichnungen über einen Geschäftsvorfall vorlegt, oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar oder wird festgestellt, dass der Steuerpflichtige Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 Satz 5 nicht zeitnah erstellt hat, so wird widerlegbar vermutet, dass seine im Inland steuerpflichtigen Einkünfte, zu deren Ermittlung die Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 dienen, höher als die von ihm erklärten Einkünfte sind. Hat in solchen Fällen die Finanzbehörde eine Schätzung vorzunehmen und können diese Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, insbesondere nur auf Grund von Preisspannen bestimmt werden, kann dieser Rahmen zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgeschöpft werden. Bestehen trotz Vorlage verwertbarer Aufzeichnungen durch den Steuerpflichtigen Anhaltspunkte dafür, dass seine Einkünfte bei Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes höher wären als die auf Grund der Aufzeichnungen erklärten Einkünfte, und können entsprechende Zweifel deswegen nicht aufgeklärt werden, weil eine ausländische, nahe stehende Person ihre Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 oder ihre Auskunftspflichten nach § 93 Abs. 1 nicht erfüllt, ist Satz 2 entsprechend anzuwenden.

(4) Legt ein Steuerpflichtiger über einen Geschäftsvorfall keine Aufzeichnungen im Sinne des § 90 Absatz 3 vor oder sind die über einen Geschäftsvorfall vorgelegten Aufzeichnungen im Wesentlichen unverwertbar, ist ein Zuschlag von 5 000 Euro festzusetzen. Der Zuschlag beträgt mindestens 5 Prozent und höchstens 10 Prozent des Mehrbetrags der Einkünfte, der sich nach einer Berichtigung auf Grund der Anwendung des Absatzes 3 ergibt, wenn sich danach ein Zuschlag von mehr als 5 000 Euro ergibt. Der Zuschlag ist regelmäßig nach Abschluss der Außenprüfung festzusetzen. Bei verspäteter Vorlage von verwertbaren Aufzeichnungen beträgt der Zuschlag bis zu 1 000 000 Euro, mindestens jedoch 100 Euro für jeden vollen Tag der Fristüberschreitung; er kann für volle Wochen und Monate der verspäteten Vorlage in Teilbeträgen festgesetzt werden. Soweit den Finanzbehörden Ermessen hinsichtlich der Höhe des jeweiligen Zuschlags eingeräumt ist, sind neben dem Zweck dieses Zuschlags, den Steuerpflichtigen zur Erstellung und fristgerechten Vorlage der Aufzeichnungen nach § 90 Absatz 3 anzuhalten, insbesondere die von ihm gezogenen Vorteile und bei verspäteter Vorlage auch die Dauer der Fristüberschreitung zu berücksichtigen. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Pflichten nach § 90 Abs. 3 entschuldbar erscheint oder ein Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen steht dem eigenen Verschulden gleich.

(4a) Verletzt der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten nach § 12 des Steueroasen-Abwehrgesetzes, ist Absatz 4 entsprechend anzuwenden. Von der Festsetzung eines Zuschlags ist abzusehen, wenn die Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten entschuldbar erscheint oder das Verschulden nur geringfügig ist. Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters oder eines Erfüllungsgehilfen ist dem Steuerpflichtigen zuzurechnen.

(5) In den Fällen des § 155 Abs. 2 können die in einem Grundlagenbescheid festzustellenden Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Dienstgebäude der Behörde X in Berlin eine Kantine. Seinen Gewinn ermittelte er nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes. Von den im Streitjahr 2001 ausgeführten Umsätzen bezeichnete er einen Anteil von 53,19 % als zum ermäßigten Steuersatz zu besteuernde "Außer-Haus-Verkäufe".

2

Im Jahr 2003 führte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) bei dem Kläger eine Betriebsprüfung durch. Im Bericht vom 14. Oktober 2003 führte die Prüferin unter Tz. 5 zur steuerlichen Beurteilung der Buchführung aus:

3

"Die Prüfung ergab Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen.

4

Die Ergebnisse der Buchführung können unter Berücksichtigung der in den nachfolgenden Textziffern behandelten Änderungen der Besteuerung zugrunde gelegt werden."

5

Unter Tz. 6 werden als Mängel der Buchführung angeführt:

6

"In der jährlichen Bestandsaufnahme wurde nicht das Verpackungsmaterial (Pappteller, Pappschalen, Einschlagpapier usw.) erfasst.

7

Desweiteren wurden keine Speise- und Getränkekarten vorgelegt."

8

Weitere Feststellungen, die gegen die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung sprechen, enthält der Bericht nicht. Unter Tz. 14 nahm die Prüferin "nach Zusammenstellung des betrieblichen Datenmaterials ... eine Umverteilung der 7%igen und der 16%igen USt-Erlöse für Speisen und Getränke" vor. Bei durchschnittlich 361 Gästen täglich an 260 Arbeitstagen und einem täglichen Durchschnittsverzehr von 5,11 DM, hätten --ausgehend von dem vom Kläger genannten Anteil der ermäßigt zu versteuernden Umsätze von 53,19 %-- 49 920 "Außer-Haus-Verkäufe" im Kalenderjahr stattfinden müssen. Das im Jahr 2001 eingekaufte Verpackungsmaterial habe aber weit unter dem gelegen, was für so viele Verkäufe benötigt worden wäre.

9

Das FA ging daraufhin in dem geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2001 vom 5. Februar 2004 von einem Anteil von 27 % der "Außer-Haus-Verkäufe" aus. Der dagegen eingelegte Einspruch, in dem der Kläger u.a. vortrug, der erklärte Anteil der "Außer-Haus-Verkäufe" entspreche dem der Vorpächter der Kantine, hatte keinen Erfolg. In der Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2005 wird u.a. ausgeführt, die Übertragung der Kassenbons in das Kassenbuch sei "nicht identisch" erfolgt. Zum Beispiel seien am 2. und 3. Januar 2001 auf den Kassenbons sämtliche Umsätze als "Im-Haus" registriert worden, während im Kassenbuch eine Aufteilung in "Außer-Haus" und "Im-Haus"-Umsätze erfolgt sei. Am 30. Oktober 2001 seien nach der Registrierkasse Umsätze zu 7 % in Höhe von 373,70 DM und zu 16 % in Höhe von 1.908,70 DM getätigt worden. Im Kassenbuch seien vom Kläger für diesen Tag Umsätze zu 7 % in Höhe von 1.100 DM und zu 16 % in Höhe von 1.182,10 DM erklärt worden.

10

Im Rahmen des sich anschließenden Klageverfahrens trug das FA in der Klageerwiderung vom 11. August 2005 u.a. vor, derartige Abweichungen bei der Gegenüberstellung der Kassenbons mit den jeweiligen Eintragungen im Kassenbuch habe es an 25 Arbeitstagen gegeben. Weiter machte das FA geltend, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Bei einer täglichen Abgleichung des Soll-Ist-Kassenbestands wäre aufgefallen, dass die zu vergleichenden Kassenbestände voneinander abwichen.

11

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es ließ offen, ob die Buchführung des Klägers formell nicht ordnungsgemäß sei, weil er das Verpackungsmaterial nicht in den jährlichen Bestandsaufnahmen erfasst und die Speise- und Getränkekarten nicht aufbewahrt habe. Denn selbst eine formelle Ordnungswidrigkeit der Buchführung würde das FA noch nicht zur Durchführung einer Schätzung berechtigen. Eine solche erfordere stets Anzeichen für eine sachliche Fehlerhaftigkeit der Buchführung. Hierzu habe das FA aber keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Die Grundlagen der anhand des Verpackungsmaterials vorgenommenen Schätzung des FA seien nicht hinreichend substantiiert und vom Kläger in nachvollziehbarer Weise angegriffen worden.

12

Mit seiner Revision trägt das FA vor, die Vorentscheidung verstoße gegen die §§ 162 und 146 der Abgabenordnung (AO). Neben der fehlenden jährlichen Bestandsaufnahme des Verpackungsmaterials und der Nichtvorlage der Speise- und Getränkekarten habe das FA in der Einspruchsentscheidung und im Klageabweisungsantrag vom 11. August 2005 auf die nicht identische Übertragung von mehreren Kassenbons in das Kassenbuch und auf die nicht im zeitlichen Ablauf erfassten Barausgaben hingewiesen sowie auf die mangelnde Kassensturzfähigkeit. Dies begründe auch Zweifel an der sachlichen Richtigkeit der Buchführung. Das FG hätte unter Zugrundelegung des Akteninhalts die Missstände in der Buchführung feststellen und die Buchführung als weder formell noch sachlich ordnungsgemäß verwerfen müssen.

13

Außerdem habe das FG verkannt, dass die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr auf dem Gelände auf Grund des räumlichen Zusammenhangs eine Abgabe zum Verzehr an Ort und Stelle i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstelle, die als sonstige Dienstleistung nicht dem nur für bestimmte Lieferungen geltenden ermäßigten Steuersatz unterfallen könne.

14

Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

15

Der nicht durch einen Prozessbevollmächtigten vertretene Kläger verweist auf seine bereits früher gegenüber dem FA und dem FG abgegebenen Stellungnahmen.

Entscheidungsgründe

16

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat nicht beachtet, dass es sich von dem Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) bilden musste. Es hat ferner den Vortrag des FA nicht berücksichtigt, dass Barausgaben nicht im zeitlichen Ablauf erfasst und Kassenbons nicht identisch in das Kassenbuch übertragen worden seien und die Kassensturzfähigkeit nicht gewährleistet gewesen sei.

17

1. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt (§ 162 Abs. 2 Satz 1 AO). Das Gleiche gilt u.a. dann, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO).

18

a) Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Eine formell ordnungsmäßige Buchführung hat die Vermutung der sachlichen Richtigkeit für sich (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 1985 IV R 29-30/84, BFH/NV 1986, 719; BFH-Beschluss vom 13. Juli 2010 V B 121/09, BFH/NV 2010, 2015, unter 1.a).

19

Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen (§ 146 Abs. 1 Satz 1 AO). Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sollen überdies täglich festgehalten werden (§ 146 Abs. 1 Satz 2 AO). Kassenaufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass ein Buchsachverständiger jederzeit in der Lage ist, den Sollbestand mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1989 X R 39/87, BFHE 158, 301, BStBl II 1990, 109, unter 1., m.w.N.). Das Kassenbuch ist wesentlicher Teil der Buchführung, zumal wenn der Steuerpflichtige nach der Art seines Unternehmens vorwiegend Bargeschäfte tätigt (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12).

20

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Unternehmer verpflichtet, zur Feststellung der Steuer und der Grundlagen ihrer Berechnung Aufzeichnungen zu machen. Dabei ist u.a. ersichtlich zu machen, wie sich die Entgelte auf die steuerpflichtigen Umsätze, getrennt nach Steuersätzen, und auf die steuerfreien Umsätze verteilen (§ 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).

21

b) Ergibt die Würdigung des Sachverhalts, dass eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig ist, so kann das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden. Die objektive Beweislast für die hierfür maßgeblichen steuererhöhenden Tatsachen trägt das FA (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BFH 183, 358, BStBl II 1998, 51, unter 1.a).

22

c) Für die Prüfung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ist das Gesamtbild aller Umstände im Einzelfall maßgebend (vgl. z.B. Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 158 AO, Rz 13). Formelle Buchführungsmängel berechtigen nur zur Schätzung, soweit sie Anlass geben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln (vgl. BFH-Urteile vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430; vom 26. Oktober 1994 X R 114/92, BFH/NV 1995, 373, und vom 7. Juni 2000 III R 82/97, BFH/NV 2000, 1462; BFH-Beschluss vom 9. Januar 2008 X B 144/07, Zeitschrift für Steuern und Recht 2008, R645; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 23, m.w.N.). Ob ggf. nur unwesentliche formelle Buchführungsmängel vorliegen, unterliegt den Regeln der freien Beweiswürdigung (vgl. Trzaskalik in Hübschmann/ Hepp/Spitaler --HHSp--, § 158 AO Rz 3).

23

d) Ist eine Buchführung ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO zu schätzen. Eine Schätzung scheidet allerdings dann aus, wenn die durch die Fehler der Buchführung verursachten Unklarheiten und Zweifel durch anderweitige zumutbare Ermittlungen beseitigt werden können. Im Rahmen einer solchen Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse richten sich die Anforderungen an die nötigen Beweise und die Beweislast nach den allgemein geltenden Grundsätzen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 183, 358, BStBl II 1998, 51).

24

e) Die Schätzungsgrundlagen müssen von der Finanzbehörde so dargelegt werden, dass ihre Nachprüfung möglich ist. Das zahlenmäßige Ergebnis der Schätzung muss auf Schlüssigkeit hin kontrollierbar sein (vgl. Klein/Rüsken, AO, 10. Aufl., § 162 Rz 53; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 162 AO Rz 96, m.w.N.; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 162 Rz 167; wohl auch Söhn in HHSp, § 121 AO Rz 93, m.w.N.). Eine vom FA vorgenommene Schätzung wird vom FG in vollem Umfang überprüft und ggf. durch eine eigene Schätzung ersetzt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 19. Februar 1987 IV R 143/84, BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).

25

2. Nach diesen Grundsätzen durfte es das FG nicht offenlassen, ob die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung ganz oder teilweise aus den vom FA geltend gemachten Gründen zu verneinen ist.

26

a) Soweit das FA vorträgt, der Kläger habe entgegen der aus § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO folgenden Aufbewahrungspflicht keine Speise- und Getränkekarten aufbewahrt, ist allerdings zu beachten, dass der sachliche Umfang der Aufbewahrungspflicht in § 147 Abs. 1 AO grundsätzlich durch die Reichweite der zugrunde liegenden Aufzeichnungspflicht begrenzt wird.

27

aa) Die Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen gemäß § 147 Abs. 1 AO ist akzessorisch. Das heißt, sie setzt stets eine Aufzeichnungspflicht voraus und besteht grundsätzlich nur im Umfang der Aufzeichnungspflicht. Eine eigenständige Pflicht zur Aufbewahrung von Unterlagen, die nicht mit einer Pflicht zur Aufzeichnung von Daten in Zusammenhang stehen, ist § 147 Abs. 1 AO nicht zu entnehmen. Durch die Abhängigkeit der Aufbewahrungspflicht von einer im Gesetz angeordneten Aufzeichnungspflicht wird der Umfang der aufzubewahrenden Unterlagen sachgemäß begrenzt. Diese Beschränkung trägt dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit der in § 147 Abs. 1 AO geregelten Aufbewahrungspflicht ebenso Rechnung wie der von Verfassungs wegen geforderten Verhältnismäßigkeit der Norm (vgl. BFH-Urteil vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).

28

bb) Dies gilt auch für § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO, wonach sonstige Unterlagen aufzubewahren sind, "soweit sie für die Besteuerung von Bedeutung sind".

29

Zwar lässt der weite Wortlaut der Vorschrift die Deutung zu, dass nach ihr ohne Rücksicht auf eine Aufzeichnungpflicht sämtliche für die Besteuerung bedeutsamen Unterlagen aufzubewahren sind. Dementsprechend hat das FG München im Urteil vom 29. Oktober 2009  15 K 219/07 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 10) ohne nähere Begründung im dortigen Streitfall angenommen, durch die Nichtaufbewahrung von Speisekarten habe der Kläger gegen § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO verstoßen.

30

§ 147 Abs. 1 Nr. 5 AO ist aber unter Berücksichtigung der generellen Akzessorietät der Aufbewahrungspflicht im Lichte der im Einzelfall jeweils bestehenden gesetzlichen Aufzeichnungspflichten einschränkend auszulegen. Danach müssen bei einer abstrakten Bestimmung der Reichweite der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO nur solche sonstigen, also nicht unter § 147 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4a AO fallenden, Unterlagen aufbewahrt werden, die zum Verständnis und zur Überprüfung der für die Besteuerung gesetzlich vorgeschriebenen Aufzeichnungen im Einzelfall von Bedeutung sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 302, BStBl II 2010, 452, unter II.1.b cc, m.w.N.).

31

b) Zutreffend rügt das FA, dass das FG wesentlichen, bereits in der vom FG in Bezug genommenen Einspruchsentscheidung und im Schriftsatz vom 11. August 2005 vorgetragenen Sachverhalt unberücksichtigt gelassen und damit gegen seine Pflicht verstoßen habe, sein Urteil auf das Gesamtergebnis des Verfahrens zu stützen (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).

32

aa) Das FA hat in der Einspruchsentscheidung sowie in der Klageerwiderung auf die "nicht identische" Übertragung mehrerer Kassenbons in das Kassenbuch durch den Kläger und darauf hingewiesen, die Aufzeichnungen der Barausgaben seien nicht im zeitlichen Ablauf erfasst worden. Die Kassenaufzeichnungen hätten nicht den Abgleich des tatsächlichen Kassenbestands mit dem des buchmäßigen Kassenbestands (Kassenbuch) ermöglicht. Mit diesem für die Frage der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung maßgeblichen Vortrag hat sich das FG nicht erkennbar auseinandergesetzt, denn es hat sich in den Entscheidungsgründen weder mit der Verbuchung der Bareinnahmen noch mit der Führung des Kassenbuchs befasst.

33

bb) Zwar ist das FG nicht gehalten, sich mit jedem Vorbringen der Beteiligten in der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Vielmehr ist im Allgemeinen davon auszugehen, dass ein Gericht auch denjenigen Akteninhalt in Erwägung gezogen hat, mit dem es sich in den schriftlichen Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. Juni 2003 X B 102/02, BFH/NV 2003, 1209; vom 1. April 2008 X B 154/04, BFH/NV 2008, 1116, unter II.3., m.w.N.). Zumindest die wesentlichen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachen und Rechtsausführungen müssen jedoch in den Entscheidungsgründen verarbeitet werden (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 119 Rz 10a).

34

Zu diesen wesentlichen Umständen gehört im Streitfall insbesondere auch die Feststellung, ob der Kläger seiner Pflicht, Kasseneinnahmen und Kassenausgaben vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet aufzuzeichnen und die Kasseneinnahmen und Kassenausgaben täglich festzuhalten, nachgekommen ist. Zumal wenn --wie hier-- vorwiegend Bargeschäfte getätigt worden sind, können Mängel in der Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1990 X R 54/87, BFH/NV 1990, 683). Dies gilt umso mehr im vorliegenden Fall, in dem die Aufzeichnungen zugleich dazu dienten, die Umsätze entsprechend § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG nach unterschiedlichen Steuersätzen aufzuteilen.

35

3. Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang den Einwänden des FA gegen die Kassenaufzeichnungen des Klägers nachgehen und prüfen, inwieweit die Speise- und Getränkekarten zum Verständnis und zur Überprüfung der für die zutreffende Umsatzbesteuerung in § 22 UStG vorgeschriebenen Aufzeichnung zur Trennung der Umsätze nach Steuerarten im Einzelfall von Bedeutung sind.

36

a) Ob die danach ggf. festzustellenden Mängel der Buchführung und die fehlerhafte Nichtaufnahme des noch vorhandenen Verpackungsmaterials bei der jährlichen Bestandsaufnahme (§ 146 AO) zur Feststellung der formellen Ordnungswidrigkeit führen, ist in erster Linie eine Tatfrage und deshalb zunächst vom FG zu entscheiden, zumal bei der Beurteilung eines Buchführungsfehlers nicht auf die formale Bedeutung des Buchführungsmangels, sondern auf dessen sachliches Gewicht abzustellen ist (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 1462 unter Hinweis auf die BFH-Urteile vom 31. Juli 1969 IV R 57/67, BFHE 97, 246, BStBl II 1970, 125; vom 15. März 1972 I R 60/70, BFHE 105, 138, BStBl II 1972, 488, und vom 12. Dezember 1972 VIII R 112/69, BFHE 109, 167, BStBl II 1973, 555; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 158 AO Rz 13, m.w.N.).

37

b) Das FG muss sich vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen eine Überzeugung bilden. Dies ergibt sich aus § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO, wonach das Gericht "nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung" entscheidet. Deshalb muss das FG den vom FA gegen die Richtigkeit der Buchführung des Klägers vorgebrachten Umständen nachgehen. Das FG wird ggf. von der ihm gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO zustehenden eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch zu machen haben (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 149, 121, BStBl II 1987, 412, unter 2.).

38

c) Das FG wird hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG auf die vom Kläger erbrachten Leistungen die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 10. März 2011 in den verbundenen Rechtssachen C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09 --Bog u.a.-- (Deutsches Steuerrecht 2011, 515, Umsatzsteuer-Rundschau 2011, 272) und die dazu ergangenen BFH-Urteile (vom 8. Juni 2011 XI R 33/08, BFH/NV 2011, 1927 und XI R 37/08, BFHE 234, 443, BFH/NV 2011, 1976, sowie vom 30. Juni 2011 V R 35/08, BFHE 234, 491, BFH/NV 2011, 1811 und V R 3/07, BFHE 234, 484, BFH/NV 2011, 2186) berücksichtigen.

(1) Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts vorbehaltlich des Absatzes 5 nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten. Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden für die darauf beruhenden Folgebescheide.

(2) Die zuständige Finanzbehörde kann die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Auf Antrag soll die Aussetzung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheides bleibt zulässig. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung eines Folgebescheides zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheides die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, tritt an die Stelle der Aussetzung der Vollziehung die Aufhebung der Vollziehung. Bei Steuerbescheiden sind die Aussetzung und die Aufhebung der Vollziehung auf die festgesetzte Steuer, vermindert um die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge, um die anzurechnende Körperschaftsteuer und um die festgesetzten Vorauszahlungen, beschränkt; dies gilt nicht, wenn die Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

(3) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen; Absatz 2 Satz 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 gelten sinngemäß. Der Antrag kann schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung, auch gegen Sicherheit, anordnen. Absatz 2 Satz 8 gilt entsprechend. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(4) Der Antrag nach Absatz 3 ist nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Finanzbehörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(5) Durch Erhebung der Klage gegen die Untersagung des Gewerbebetriebes oder der Berufsausübung wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gehemmt. Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, kann die hemmende Wirkung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält; sie hat das öffentliche Interesse schriftlich zu begründen. Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die hemmende Wirkung wiederherstellen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(6) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(7) Lehnt die Behörde die Aussetzung der Vollziehung ab, kann das Gericht nur nach den Absätzen 3 und 5 Satz 3 angerufen werden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und, soweit die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten es nicht ausschließen, die Zivilprozessordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a sinngemäß anzuwenden; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts und des Bundesgerichtshofs der Bundesfinanzhof und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Finanzgerichtsordnung tritt; die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug sind entsprechend anzuwenden.

(1) In den Fällen der Bestellung einer prozessualen Sicherheit kann das Gericht nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art und Höhe die Sicherheit zu leisten ist. Soweit das Gericht eine Bestimmung nicht getroffen hat und die Parteien ein anderes nicht vereinbart haben, ist die Sicherheitsleistung durch die schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts oder durch Hinterlegung von Geld oder solchen Wertpapieren zu bewirken, die nach § 234 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zur Sicherheitsleistung geeignet sind.

(2) Die Vorschriften des § 234 Abs. 2 und des § 235 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden.

(1) Schuldversprechen und Bürgschaften nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sowie Wechselverpflichtungen aus Artikel 28 oder 78 des Wechselgesetzes sind als Sicherheit nur geeignet, wenn sie von Personen abgegeben oder eingegangen worden sind, die

1.
ein der Höhe der zu leistenden Sicherheit angemessenes Vermögen besitzen und
2.
ihren allgemeinen oder einen vereinbarten Gerichtsstand im Geltungsbereich dieses Gesetzes haben.
Bürgschaften müssen den Verzicht auf die Einrede der Vorausklage nach § 771 des Bürgerlichen Gesetzbuchs enthalten. Schuldversprechen und Bürgschaftserklärungen sind schriftlich zu erteilen; die elektronische Form ist ausgeschlossen. Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer dürfen nicht wechselseitig füreinander Sicherheit leisten und auch nicht wirtschaftlich miteinander verflochten sein. Über die Annahme von Bürgschaftserklärungen in den Verfahren nach dem A.T.A.-Übereinkommen vom 6. Dezember 1961 (BGBl. 1965 II S. 948) und dem TIR-Übereinkommen vom 14. November 1975 (BGBl. 1979 II S. 445) in ihren jeweils gültigen Fassungen entscheidet die Generalzolldirektion. Über die Annahme von Bürgschaftserklärungen über Einzelsicherheiten in Form von Sicherheitstiteln nach dem Zollkodex der Union mit der Delegierten Verordnung (EU) 2015/2446 der Kommission vom 28. Juli 2015 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates mit Einzelheiten zur Präzisierung von Bestimmungen des Zollkodex der Union (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 1) sowie nach der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24. November 2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union (ABl. L 343 vom 29.12.2015, S. 558) und nach dem Übereinkommen vom 20. Mai 1987 über ein gemeinsames Versandverfahren (ABl. EG Nr. L 226 S. 2) in ihren jeweils gültigen Fassungen entscheidet die Generalzolldirektion.

(2) Die Generalzolldirektion kann Kreditinstitute und geschäftsmäßig für andere Sicherheit leistende Versicherungsunternehmen allgemein als Steuerbürge zulassen, wenn sie im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb befugt sind. Bei der Zulassung ist ein Höchstbetrag festzusetzen (Bürgschaftssumme). Die gesamten Verbindlichkeiten aus Schuldversprechen, Bürgschaften und Wechselverpflichtungen, die der Steuerbürge gegenüber der Finanzverwaltung übernommen hat, dürfen nicht über die Bürgschaftssumme hinausgehen.

(3) Das Bundesministerium der Finanzen wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Befugnisse nach Absatz 1 Satz 6 und Absatz 2 auf ein Hauptzollamt oder mehrere Hauptzollämter zu übertragen.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.