Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Juni 2017 - 3 V 506/17

bei uns veröffentlicht am30.06.2017

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Beteiligten streiten sich im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes über die Rechtmäßigkeit einer bereits teilweise vollzogenen Arrestanordnung.

2

Die Antragstellerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2013 gegründet und am ... 2013 in das Handelsregister B des Amtsgerichts Y eingetragen. Gegenstand des Unternehmens war ausweislich der Eintragung im Handelsregister ... (Hinweis des Dokumentars: Handel und Tätigkeiten im Zusammenhang mit u.a. Öl). In der Gesellschafterversammlung vom ... 2015 wurde der Gegenstand des Unternehmens dahingehend erweitert, dass auch ... hiervon umfasst sein sollen.

3

Die Antragstellerin verfügt nicht über ein eigenes Tanklager, sondern führt ihre Lieferungen über ein in X mittels Lager- und Umschlagvertrag vom 20. Juli 2013/ 09. August 2013 angemietetes Tanklager der F aus, wofür der Antragsgegner der Antragstellerin die Bewilligung zur Einrichtung und zum Betreiben eines Umsatzsteuerlagers i.S.v. § 4 Nr. 4a Umsatzsteuergesetz (UStG) erteilt hat. Die Antragstellerin erwirbt ihre Waren ausschließlich von der G.

4

Die Antragstellerin stand in den Jahren 2014 bis 2016 in Geschäftsbeziehungen zu verschiedenen ausländischen Gesellschaften, insbesondere zur

-   

H mit Sitz in W,

-   

I mit Sitz in V,

-   

J mit Sitz in U (T)

-   

K mit Sitz in T

-   

L mit Sitz in S (R)

-   

M mit Sitz in Q (R)

5

Die Vermittlung der Geschäftskontakte erfolgte zum Teil über die N mit Sitz in Q, deren Geschäftsführer mit den Geschäftsführern der Antragstellerin C und D identisch sind. Die Vermittlerin erhielt für die Vermittlung jeweils eine Provision von 4,00 €/Tonne.

6

In Ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen für 2014 und 2015, denen der Antragsgegner jeweils zustimmte, sowie in den Umsatzsteuervoranmeldungen für Januar und Februar 2016 erklärte die Antragstellerin u.a. (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferungen, in denen die nachfolgenden innergemeinschaftlichen Lieferungen enthalten waren:

        

Umsätze 2014

2015   

01/2016

02/2016

H       

        

  5.200.852,00 €

                 

I       

        

  1.321.562,00 €

                 

J       

        

  6.370.046,00 €

                 

K       

        

 403.344,00 €

                 

L       

 1.013.212,00 €

                          

M       

 9.261.931,00 €

  1.991.085,00 €

 382.961,00 €

 564.533,00 €

Gesamt:

10.275.143,00 €

15.286.889,00 €

382.961,00 €

 564.533,00 €

        

Summe 2014-2016: 26.509.526,00 €; hieraus 19/119 Umsatzsteuer bei fehlender Steuerfreiheit ergäbe 4.232.613,39 €.

7

Die o.g. Lieferungen erfolgten nicht an die Geschäftsadressen der jeweiligen ausländischen Gesellschaften, sondern an unterschiedliche Adressen nach R.

8

Insgesamt erklärte die Antragstellerin steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen von 28.582.654,00 € im Jahr 2014 und 69.857.606,00 € im Jahr 2015. Demgegenüber standen erklärte Umsätze zum Regelsteuersatz von 17.433,00 € im Jahr 2014 sowie 57.143.00 € im Jahr 2015. Die Antragstellerin berechnete sich eine Umsatzsteuer von –68.963,19 € im Jahr 2014 sowie –108.450,14 € im Jahr 2015. Den Jahreserklärungen stimmte der Antragsgegner jeweils zunächst zu. In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Januar und Februar 2016 erklärte die Antragstellerin steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen von 3.030.317,00 € (Januar 2016) sowie 5.903.523,00 € (Februar 2016). Sie berechnete sich auch hier einen negativen Umsatzsteuerbetrag von  –7.212,27 € (Januar 2016) sowie –9.967,61 € (Februar 2016). Den Voranmeldungen stimmte der Antragsgegner ebenfalls zu.

9

Der Antragsgegner ordnete am 05. April 2017 gegenüber der Antragstellerin auf der Grundlage von § 324 Abgabenordnung (AO) den dinglichen Arrest zur Sicherung von noch nicht festgesetzter Umsatzsteuer von insgesamt 4.232.613,39 € an, wobei sich die Summe aus 1.640.569,05 € USt für 2014, 2.440.763,79 € USt für 2015, 61.145,03 € USt für Januar 2016 sowie 90.135,52 € USt für Februar 2016 zusammensetzte.

10

Der Arrest bezog sich auf die o.g. innergemeinschaftlichen Lieferungen an die 6 verschiedenen Abnehmer, bei denen es sich um sog. „Missing Trader“ handeln solle. Der Arrest sei erforderlich, weil zu befürchten sei, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert werde. Der Arrestanspruch beruhe auf fehlenden Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Lieferungen gem. §§ 4 Nr. 1 b; 6a UStG, weil die Angaben und dokumentierten Nachweise für so behandelte innergemeinschaftliche Lieferungen der Antragstellerin den tatsächlichen Handelsgeschäften nicht entsprechen, was für die Vertreter der Antragstellerin so auch offenkundig gewesen sei.

11

Es lägen auf Grund von Mitteilungen ausländischer Behörden über das System EUROFISC (dezentrales Netz der Mitgliedstaaten der EU zum Austausch von Informationen über Umsatzsteuerbetrug) sowie SCAC (elektronisches Amtshilfeverfahren mit Hilfe der durch den ständigen Ausschuss für die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der indirekten Besteuerung entwickelten Vordrucke) Informationen vor, die bereits jetzt den Schluss rechtfertigen, dass es sich um sogenannte Missing Trader handele. Der Begriff „Missing Trader“ bezeichne zumeist Briefkasten- bzw. Scheinfirmen, deren Existenz (nahezu) ausschließlich wirtschaftskriminellen Handlungen bzw. der Verschleierung derselben diene. Die Lebensdauer des Missing Traders ende, wenn dessen Funktion z. B. in betrügerischen Lieferketten (Verschleierung tatsächlicher Abnehmer durch Vortäuschen eigenen Handels) erfüllt sei und Nachforschungen von Behörden anstehen bzw. erwartet werden. Typisch für Missing Trader sei eine Diskrepanz zwischen formellem Anschein (Vorhandensein von Gewerbeanmeldung, Steuer- und Umsatzsteuer-ldentifikationsnummer sowie sonstiger Papieren) und inadäquater bzw. nichtvorhandener wirtschaftlicher Substanz. Die o.g. sechs Unternehmen seien nahezu ausschließlich von der Antragstellerin beliefert worden und seien zumeist nur einige Monate existent gewesen. Durch die bewusste Fakturierung an mindestens sechs Missing Trader seien die tatsächlichen Abnehmer bewusst verschleiert worden und die Antragstellerin als Steuersubjekt sowie die Geschäftsführer als der Steuerhinterziehung Verdächtige seien vorsätzlich Teilnehmer betrügerischer Lieferketten geworden.

12

Auf Grund der Verzögerungen der Prüfungen In- und ausländischer Finanzbehörden sei zudem zu erwarten, dass die bisher festgestellten Missing Trader lediglich den aktuellen Sachstand wiederspiegeln würden und die Erkenntnisse der Landesfinanzbehörden später noch weitere Missing Trader ergeben würden.

13

Zudem sei auf Grund der im Mineralölhandel lediglich geringen Margen ein wirtschaftlicher Sinn des Zwischenhandels in der vorliegenden Form nicht zu erkennen. Am nicht betrugsbehafteten Markt könnten die Waren nicht ohne echten Mehrwert auf einer Handelsstufe mehrfach gehandelt werden. Die Antragstellerin sei mit Aufnahme der Tätigkeit sofort mit Millionenumsätzen gestartet. Der administrative Aufwand bzw. die Gemeinkosten für den Ein- und Verkauf von über 180 Millionen Euro im Zeitraum 2013-2016 waren außerordentlich gering. Eine Vielzahl von Händlern auf einer Handelsstufe ohne wirtschaftlichen Nutzen ist typisches Merkmal betrügerischer Lieferketten. Nur bei diesen Lieferketten sei durch den (Umsatzsteuer-)Ausfall mindestens eines Händlers/ Missing Traders und den gleichzeitigen Abzug von Vorsteuer beim Abnehmer im anderen Mitgliedstaat eine Verbilligung der Ware und damit auch der mehrfache Handel auf einer Handelsebene und eine insgesamt größere Zahl von Händlern in der Kette möglich. Die ausgefallene Umsatzsteuer wirke auf alle Preise in der Kette und mache Lieferketten möglich, die ohne den Ausfall wirtschaftlich unmöglich wären. Nutznießer seien sämtliche Glieder der Kette vom Hersteller oder Zwischenhändler bis zu Vermittlern und Transporteuren. Geschädigt werde der nicht betrugsbehaftete Handel und der Fiskus in der EU durch die Hinterziehung von Umsatzsteuer. Das gesamte Handeln der Verantwortlichen der Antragstellerin sei in Bezug auf die Lieferungen an die Missing Trader auf Steuerverkürzung ausgerichtet. Ein  wirtschaftlicher Sinn des Zwischenhandels in der festgestellten Form sei nicht zu erkennen.

14

Mit Urteil vom 18. Dezember 2014  (C-131/13, C-163/13 und C-164/13, HFR 2015,  203) habe der EuGH klargestellt, dass eine Steuerbefreiung versagt werden müsse, sofern anhand objektiver Umstände nachgewiesen sei, dass der Lieferer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich durch den Umsatz, auf den er sich zur Begründung der betreffenden Steuerfreiheit beruft, an einer im Rahmen einer Lieferkette begangenen Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligt hat. Das führe zur Steuerpflicht der an sich steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen. Die Schwelle zur Annahme fahrlässigen Verhaltens sei hier deutlich überschritten und schließe die Vorschrift des § 6a IV UStG aus. Für die Bewertung des Wissens sei zu berücksichtigen, dass der innergemeinschaftliche Handel seit der Gründung der Antragstellerin das einzige Geschäftsfeld der Antragstellerin sei. Das Gesamtbild der Verhältnisse bei der Antragstellerin (und ihren Abnehmern) nähre nachhaltige Zweifel daran, dass die in der Buchführung dargestellten Abläufe auch dem tatsächlichen Lebenssachverhalt entsprechen. Da Scheinhandelsunternehmen auch bürgerlich rechtlich keine tatsächlichen Handelspartner sein könnten, sei evident, dass andere Firmen als die dargestellten Missing Trader Abnehmer der gelieferten Ware waren. Fehlende eigene und fremde Nachforschungen zu allgemeinen und firmenbezogenen Risiken seien ein weiteres Indiz für eine vorsätzliche Beteiligung an betrügerischen Lieferketten.

15

Ein Arrestgrund ergebe sich aus der Gesamtheit der vorliegenden Umstände, insbesondere aus den Vermittlungsleistungen, die auf Grund der partiellen Geschäftsführeridentität nur mit einer planmäßigen Gewinn- und Vermögensverschiebung ins Ausland zu erklären seien, denn die Vermittlung und Akquise von Kunden sei üblicherweise gerade ein Kerngeschäft der Antragstellerin in Person ihrer Geschäftsführer. Zudem seien die Geschäftsführer über eine weitere Firma auch an der als Missing Trader eingeordneten M zu annähernd 100 % beteiligt. Die wirtschaftlich unsinnige Zwischenschaltung der Vermittlungsfirma sowie der damit verbundene Vermögensabfluss und die Steuerverkürzung sei von allen Geschäftsführern organisiert und geduldet worden, woraus sich eine vorausschauende und berechnende Art der Tatbegehung, die regelmäßig den Behalt der Tatfrüchte einschließe, zeige. Es liege zudem ein Geldwäscheverdachtsanzeige der N vor, wonach am 11. Mai 2016 ein Betrag von 100.000,00 € von einer O mit Sitz auf den P als Sicherheit für Lieferungen an ein Unternehmen mit Sitz in W (AA) von einem Schweizer Konto auf das Konto der Antragstellerin überwiesen worden sei. Ein Zusammenhang zwischen beiden Firmen sei nicht erkennbar. Ein ordentlicher Kaufmann würde bei diesen Besonderheiten Abstand vom Geschäft nehmen. Die Antragstellerin sei durch die vertragliche Befassung hinsichtlich dieser Zahlungswege offensichtlich mit internationalen Vermögensverschiebeoptionen vertraut und könne daher dieses Wissen zum Nachteil des Fiskus nutzen. Es sei auch zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine Steuerhinterziehung als Nebenprodukt zu einem ehrlichen Geschäftsbetrieb handele. Es sei vielmehr so, dass die Antragstellerin mit der Fertigung von Scheinrechnungen an die Missing Trader in einem Gesamtumfang von vielen Millionen Euro gewohnheitsmäßig umgehen würde und weitere Straftaten im Ausland unterstützen würden. Seit Aufnahme der Tätigkeit werden Lieferungen in verschiedene europäische Länder ausgeführt. Mit finanziellen Transaktionen ins Ausland seien die Verantwortlichen der Antragstellerin vertraut. Sie kennen dort eine große Zahl an Geschäftspartnern. Es sei für Sie deutlich einfacher, Vermögen ins Ausland zu verlagern, als für Menschen, die derlei Kontakte und Erfahrungen nicht besitzen. Z und D sind Gesellschafter bzw. Geschäftsführer mehrerer ausländischer Firmen und halten sich folglich auch geschäftlich im Ausland auf. Herr C z. B. Dokumentiere auf seiner Internetseite (www. C.com) die Erreichbarkeit mit Telefonnummern in ZZ, ZY, Q und R. Dem Internetauftritt nach halte er sich zumindest zeitweise in Q auf. Dass alle drei Geschäftsführer Vermögensverschiebungen ins Ausland vornehmen bzw. dieser zustimmen, lasse sich an den vorgenannten Vermittlungsleistungen erkennen, die letztlich zu einer Vermögensschmälerung der Antragstellerin führten.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Arrestgrund und zum Arrestanspruch, insbesondere zu den vom Antragsgegner aufgeführten Informationen zu einzelnen Lieferungen an die von ihm angenommen sechs sog. Missing Trader wird auf die Arrestanordnung vom 05. April 2017 verwiesen.

17

Die Antragstellerin hat am 12. Mai 2017 um Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung der Arrestanordnung durch das Gericht nachgesucht. Gleichzeitig hat Sie Klage gegen die Arrestanordnung eingereicht, die unter dem Az. 3 K 505/17 geführt wird und über die das Gericht noch nicht entschieden hat.

18

Sie ist der Auffassung, dass weder ein Arrestanspruch noch ein Arrestgrund vorliegen würden.

19

Bei keiner Kundin der Antragstellerin handele es sich um einen so genannten Missing Trader. Soweit diese Feststellung widerlegt werden sollte, bleibe festzuhalten, dass weder die Antragstellerin noch deren vertretungsberechtigte Personen, die Geschäftsführer, von diesen Umständen Kenntnis gehabt haben oder hätten haben müssen. In diesem Zusammenhang sei festzuhalten, dass alle Unternehmen, mit denen die Antragstellerin Handel getrieben habe eine Umsatzsteueridentifikationsnummer der Antragstellerin vorgelegt haben. Das folgt auch aus der Anlage 2 zum Arrest. Dort sei erkennbar, dass bezüglich jedweder hier aufgeführten Gesellschaften, mit der die Antragstellerin Handel getrieben hatte, eine Identifikationsnummer, jedenfalls für den Zeitraum vorgelegen habe, in dem die Antragstellerin mit der jeweiligen Gesellschaft in geschäftlichen Beziehungen gestanden habe. Des Weiteren berücksichtige der Antragsgegner offensichtlich nicht, dass die Antragstellerin jedwede Voraussetzung für innergemeinschaftliche Lieferungen nach der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung erfüllt habe. Der Antragsgegner selbst habe im Rahmen einer Amtsbetriebsprüfung gegenüber der Antragstellerin mit Schreiben vom 27. November 2013 bestätigt, dass die aktuelle Gesetzeslage zum Belegnachweis für die innergemeinschaftliche Lieferung (§ 17 a UStDV) von der Antragstellerin erfüllt werden. Hierzu übersandte Herr AB von der Antragsgegnern dem Geschäftsführer der Antragstellerin, Herrn B, einen Auszug aus der 11. Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuerdurchführungsverordnung, aus der in Art. 1 Nr. 4 zu erkennen ist, dass bei der Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung und Verwendung des IT-Verfahrens EMCS der Nachweis für innergemeinschaftliche Lieferungen erfüllt sei.

20

Schon insoweit sei nicht nachvollziehbar, worin ein Verstoß gegen diese Nachweisführungspflicht liegen solle. Die Antragstellerin habe den Nachweis erbracht, dass die Lieferung durchgeführt worden ist.

21

Im Gesamtzusammenhang sei zu berücksichtigen ist, dass die Antragstellerin über ein Energiesteuerlager mit Erlaubnis des Hauptzollamtes Z verfüge. Das mache deutlich, dass sich die Antragstellerin an strengste steuerliche Vorschriften gehalten habe. Sie habe zudem eine Energiesteuerbürgschaft über 2,25 Millionen Euro hinterlegt. Auch hierin liege also ein Nachweis dafür vor, dass die Antragstellerin nicht etwa in betrügerischer Absicht Teil einer betrügerischen Lieferkette gewesen ist.

22

Ergänzend ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin ein so genanntes Umsatzsteuerlager genehmigt wurde. Schon allein darin liegt die Notwendigkeit einer umsatzsteuerlich unbedenklichen Handlungsweise der Antragstellerin. Ein Verstoß wurde zu keinem Zeitpunkt festgestellt. In diesem Zusammenhang spiele auch eine erhebliche Rolle, dass bei der Antragstellerin zwei Umsatzsteuersonderprüfungen durchgeführt worden seien, die jeweils beanstandungsfrei verliefen. Der Geschäftsführer der Antragstellerin, Herr B, habe gerade auch im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung mit dem Mitarbeiter des Antragsgegnern stets versucht, herauszubekommen, was er sonst noch neben dem EMCS Verfahren tun könne, um sicher zu gehen, dass ihm keinerlei Vorwurf gemacht werde.

23

Zu den einzelnen vom Antragsgegner genannten Gesellschaften trägt die Antragstellerin wie folgt vor:

        

a) H   

        

Die Antragstellerin habe mit der H einen Vertrag über den Verkauf von Dieselöl geschlossen. Sie habe vom Hauptzollamt ZX die Verbrauchsteuernummer-Auskunft betreffend den Empfänger AC mit Datum vom 25. September 2015 erhalten. Für sämtliche Geschäfte diesbezüglich lägen EMCS Dokumente der Antragstellerin vor. Unter Berücksichtigung der vorgelegten Dokumente sei es nachvollziehbar, dass die Antragstellerinnen alle ihr obliegenden Verpflichtungen zum innergemeinschaftlichen Lieferverkehr eingehalten habe. Sollte es bei den Empfängern beziehungsweise den Geschäftspartnern der Antragstellerinnen zu betrügerischen Handlungen gekommen sein, so vermöge die Antragstellerin diese wieder zu erkennen noch zu verantworten.

        

b) I   

        

Die Unterlagen zum Nachweis der Überprüfung der Gültigkeit der USt-Nummer seien durch den Antragsgegner beschlagnahmt worden. Der Antragstellerin lägen aber die Firmenunterlagen der I, sowie der maßgebliche Liefervertrag sowie die Bestätigung der Verbrauchsteuerdaten des Empfängers der Ware für EMCE nebst dem vollständigen Vorgang und der Konversation mit dem Kunden vor.

        

c) weitere vom Antragsgegner genannte Gesellschaften

24

Auch bezüglich der Gesellschaften KL, M sowie J Läger der Antragstellerin sämtliche Geschäftsunterlagen in dergleichen Form wie bei der I vor

25

Ein Arrestgrund sei nicht gegeben. Die vorgetragene Begründung des Antragsgegners zur Darstellung eines Arrestgrundes genüge den Anforderungen nicht. Ein Arrestgrund bestehe nach ständiger Rechtsprechung, wenn bei objektiver Würdigung unter ruhiger und vernünftiger Abwägung aller Umstände die Besorgnis gerechtfertigt sei, dass ohne sofortige Sicherung durch Arrestanordnung die Vollstreckung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert werde. In Anwendung dieses Grundsatzes habe der Bundesfinanzhof beispielsweise erkannt, dass eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung bereits dann zu besorgen ist, wenn der Steuerpflichtige ein wertvolles Grundstück veräußert, weil Bargeld oder Geldforderungen der Vollstreckung leichter entzogen werden können als unbewegliches Vermögen (BFH-Beschluss vom 06. Februar 2013 - XI B 125/12). Demgegenüber vermöge die allgemein schlechte Vermögenslage des Arrestschuldners ebenso wie die bloße Möglichkeit, dass der Arrestschuldner sein Vermögen beiseiteschaffen könnte für sich genommen keinen Arrest zu rechtfertigen. Ebenso genüge der dringende Verdacht einer Steuerhinterziehung oder sonstige steuerliche Unzuverlässigkeit für sich alleine nicht zur Begründung einer Arrestanordnung (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 03.10.1985 III ZR 28/84; BFH-Beschluss in BFHE 194,40, BStBl II 2001,464, unter II Punkt b). Unter Beachtung dieser Grundsätze genügten die in der Arrestanordnung angegebenen Tatsachen bei summarischer Prüfung nicht, den Arrestgrund zu belegen, noch seien solche Tatsachen sonst ersichtlich. Der Antragsgegner habe keine konkreten Tatsachen angeführt, aus denen sich ergeben würde, dass ohne Anordnung des dinglichen Arrestes zu besorgen sei, dass die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert werde. Soweit der Antragsgegner den Arrestgrund daraus ableite, dass die Vermittlungsleistungen der Q Gesellschaft ein Indiz dafür sei, dass Vermögen ins Ausland verschoben werden würde, vermöge das nicht zu überzeugen. Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen es der Antragstellerin verwehrt sein sollte, einen Vermittler mit der Anwerbung von Kunden zu beauftragen. Selbst wenn Vermittlungsprovisionen in nicht unerheblicher Höhe an einen Vermittler geleistet werden, liege darin kein Grund für die Annahme, dass hier in betrügerischer Absicht Vermögenspositionen der Antragstellerin, in diesem Fall ins Q Ausland, verschoben werden. Es sei weder gesetzlich untersagt, einen Vermittler einzusetzen, noch ergebe sich allein aus der Tatsache, dass dieser Vermittler sich im Ausland befinde, zudem in Q, ein Grund für die Annahme, dass Gewinne und Vermögensverschiebungen ins Ausland vorsätzlich vorgenommen würden. Bezüglich der zur Begründung herangezogenen Geldwäscheverdachtsanzeige der N sei darauf hinzuweisen, dass auch hierin ein Arrestgrund nicht gesehen werden könne. Es handele sich lediglich um eine Verdachtsanzeige, die für sich genommen nicht ausreiche, einen Arrestgrund darzustellen. Die Antragstellerin könne darüber hinaus nachweisen, dass hier grundsätzlich nachvollziehbare Leistungen und Zahlungen durchgeführt worden seien. Bei der Zahlung von 100.000,00 € durch die O handele es sich um eine Sicherheitshinterlegung für Verkäufe an die Firma AA. Eine entsprechende Vereinbarung liege vor. Nach der Freigabe der Sicherheiten durch die Antragstellerin, sei der Betrag mit Rechnungen und Verkäufen an die O verrechnet worden. Die Geschäftsvorfälle liegen dem Antragsgegnern nach der Beschlagnahme vor. Es sei also grundsätzlich davon auszugehen, dass die vorgetragene Geldwäscheverdachtsanzeige nicht genüge, den Arrestgrund darzulegen. Soweit der Antragsgegner den Arrestgrund daraus ableite, dass gegen die Geschäftsführer der Antragstellerin der Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung bestehe, besage dies nach der dargelegten Rechtsprechung allein noch nicht, dass die Beitreibung ohne Anordnung des dinglichen Arrestes vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Aus den in der Begründung der Arrestanordnung angegebenen belastbaren Tatsachen könne nicht gefolgert werden, dass die Antragstellerin sich durch Mitwirkung des Geschäftsführers zielgerichtet an Steuerstraftaten in Gestalt eines Umsatzsteuerkarussells, beteiligt habe. Erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin bzw. deren Geschäftsführer von angeblichen steuerstrafrechtlich relevanten Handlungen ihrer Geschäftspartner wussten und diese sogar billigten, seien nicht erkennbar.

26

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Antragstellerin eingereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

27

Die Antragstellerin beantragt,
die Vollziehung der Arrestanordnung vom 05. April 2017 einstweilen aufzuheben, hilfsweise auszusetzen.

28

Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.

29

Zur Begründung verweist er zum einen auf seine Ausführungen in der Arrestanordnung vom 05. April 2017.

30

Der Antragsgegner begründe die Prognose einer Steuerpflicht in der Arrestanordnung hinsichtlich einer Reihe von innergemeinschaftlichen Lieferungen (siehe Anlage 2 zur Arrestanordnung) nicht mit fehlenden Beleg- oder Buchnachweisen i.S.v. § 17a UStDV. Vielmehr sprechen die im Arrest dargestellten Indizien dafür, dass die in den Belegen aufgeführten Abnehmer keine Verfügungsmacht erlangen konnten bzw. erlangt haben und die Verantwortlichen der Antragstellerin dies mindestens erkennen konnten. Ein zunächst ohne Fehlermeldungen durchgeführtes EMCS - Verfahren bedeute nicht, dass die Lieferungen nicht im Nachgang als bewusste Teilnahme an betrügerischen Lieferketten qualifiziert werden müssen, wenn sich im Nachhinein eine Divergenz zwischen Papierlage und Realität ergebe. Ähnlich dem USt-ID basierten MIAS-Kontroll- bzw. Informationsaustauschsystem auf der Ebene der Umsatzsteuer befördere das EMCS-System lediglich die Möglichkeit, nach einzelnen Lieferungen Prüfungen hinsichtlich der Energiesteuer im Rahmen des Besteuerungs- und oder Strafverfahrens beginnen zu können. Die Abfrage der USt-ID ersetze zudem nie eigene Überprüfungen des Geschäftspartners, sondern ermögliche den Abgleich einzelner Warenbewegungen zwischen Leistendem und Leistungsempfänger in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten über das sog. MIAS - bzw. VIES - System, dessen Daten u. a. die Grundlage für das Bestätigungsverfahren bieten. Das gleiche gelte für Informationen, die ein Geschäftspartner in Papierform (z. B. aus Registern) übergebe.

31

Die Frage, was die Antragstellerin noch hätte tun können, dass ihr keine Vorwürfe gemacht werden können, könne nicht durch einen abschließenden Maßnahmenkatalog der Finanzbehörden beantwortet werden. Die erforderlichen und zumutbaren Recherchen des Leistenden bei innergemeinschaftlichen Lieferungen orientieren sich an Art und vor allem am Umfang der jeweiligen Geschäftsvorfälle. Der EuGH hat in seinen Entscheidungen auch deshalb auf einen Maßnahmenkatalog verzichtet, weil sich Überprüfungsmöglichkeiten ändern (Google-Streetview, Datenbanken, Rechercheangebote wie Offshore leaks, Dienstleistungsangebote für Einzelrecherchen, Wirtschaftsprüfung durch entsprechende Gesellschaften), ein solcher Katalog nicht für jede Branche oder Lebenssituation abschließend sein kann und Personen mit kriminellen Absichten diesen ansonsten nur abarbeiten müssten. Der Impuls zu Überlegungen der Seriosität sollte dabei immer vom Unternehmer ausgehen, weil auch außerhalb des Besteuerungsverfahrens Risiken im Umgang mit Geschäftspartnern bestehen (Liquidität, Rechtssicherheit, Vertragstreue). Jeweils neue Geschäftspartner, mit denen man Geschäfte dieser Größenordnung und im betrugsbehafteten Bereich Mineralöl abzuschließen gedenkt, müssen persönlich oder durch Dienstleister aus verschiedenen Blickwinkeln überprüft und im Einzelfall auch bei perfekter Papierlage abgelehnt werden, wenn Zweifel nicht nur an der Vollständigkeit, sondern vor allem an der Richtigkeit der Angaben des Geschäftspartners bestehen. Richtigkeit bedeute in diesem Zusammenhang beispielsweise, dass die Rechnungsadresse im Zeitpunkt der Lieferungen auch tatsächlich vorhanden gewesen sein muss. Dies sei beispielsweise beim Abnehmer I gemäß den Angaben des Gebäudemanagers nicht so. Das gleich gelte für die Firma ....

32

Bei allen als Missing Trader klassifizierten Firmen stelle sich die Frage, welche wirtschaftliche Funktion diese einnehmen. Sind die Firmen Großhändler, Einzelhändler, Distributor oder Vermittler? Ihnen folgten in R mindestens auf einer weiteren Stufe andere Händler, weil sie selbst nicht an Endkunden verkauft haben. Denn hierfür haben sie keinerlei Vertriebsstrukturen (Internetauftritt, Geschäftssitz mit personeller und sachlicher Ausstattung). Wie bereits im Arrest angemerkt, sei ein redlicher Verkauf der Ware nicht über unzählige, wirtschaftlich obsolete Handelsstufen möglich. Insofern erfüllten die Missing Trader, auch für Lieferanten wie die Antragstellerin, erkennbar, keinen wirtschaftlichen Zweck. Deshalb sei bereits die Frage der wirtschaftlichen Funktion einzelner Händler bzw. Handelsstufen ein gewichtiger Anlass, Angaben von Geschäftspartner nicht nur hinzunehmen, sondern anhand ergebnisoffener Prüfungen zu hinterfragen. Für die Bewertung im Besteuerungsverfahren habe nicht die Bezeichnung Missing Trader Relevanz, sondern die Tatsachen, die zu dieser Einschätzung geführt haben.

33

Ein Arrestanspruch sei gegeben. In der Arrestanordnung seien für jede einzelne Firma Gründe für die Einstufung als Missing Trader genannte. Alle in der Arrestanordnung genannten Geschäftspartner seien Neukunden für die Antragstellerin gewesen. Der Verweis auf die von der Antragstellerin vorgelegten überwiegend fremdsprachlichen Anlagenkonvolute zur Überprüfung ihrer Abnehmer (HHR-Auszüge, Überprüfungen der USt-ID, Gewerbeanmeldungen und Vollmachten) würde zudem nur dann zu einem möglichen Behalt der Steuerfreiheit führen, wenn die Unterlagen auch die realen Abläufe wiederspiegeln würden. Hieran beständen aber erhebliche Zweifel.

34

Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin habe diese gerade nicht alles zur Überprüfung der Abnehmer und deren Dokumentation getan. Das zumutbare Tun bemesse sich immer an den Umständen des Einzelfalls. Vorliegend rechtfertigten die Höhe der Umsätze und das Geschäftsumfeld ein Maximalmaß an Aufwand. Die Antragstellerin hätte daher neben der Abfrage der USt-ID folgende Maßnahmen ergreifen müssen: nachvollziehbare Dokumentation der Geschäftsanbahnung (wo, wer, wann, wie); Überprüfung des Internetauftritts des Vertragspartners, der Verantwortlichen, der Anteilseigner inkl. Google Maps, Google-Streetview, online-Datenbanken, einfache Google-Suchen, soziale Netzwerke wie facebook, berufliche Netzwerke wie Linkedln oder Xing; Überprüfung der tatsächlichen Existenz des Vertragspartners vor Ort durch angemessene Maßnahmen (eigener, ggf. unangemeldeter Besuch, Auskunftei); Überprüfung der Telefon- und Faxnummern des Vertragspartners (Erreichbarkeit der Rechnungsadresse); Einholung von Auskünften von Geschäftspartnern (besaßen sie Branchenkenntnisse, wer hatte schon mit ihnen zu tun und welcher Leumund ergibt sich daraus); Einholung von Einzelauskünften aus Firmendatenbanken und Wirtschaftsauskunfteien (z.B. Creditreform), eindeutige Identifikation der Vertretungsbefugnis der handelnden natürlichen Personen (z. T. vorhanden); Liquidität vorhanden und nachvollziehbar (Eigen-/ Fremdkapital); besitzen Abnehmer branchenspezifische Erfahrungen und Lizenzierungen; Abgleich angebotener Preise und sonstiger Gegebenheiten im Geschäftsablauf (Marktüblichkeit von Preisen, Margen, Abnahmemengen); Prüfung vorhandener Sicherheiten; Prüfung von Vertriebsstrukturen beim Vertragspartner und passen diese zu seiner vorgeblichen Position in der Lieferkette; Gesamtwürdigung aller Umstände auf Schlüssigkeit vor dem Hintergrund der Umsatzhöhe.

35

Zweifel an der Geschäftsbeziehung gründeten mindestens auf folgenden Tatsachen: Geschäftssitze der Abnehmerfirmen bei Büroserviceunternehmen angegeben und teilweise überhaupt nicht vorhanden (I und J); fehlende wirtschaftliche Funktion von Firmen in der Lieferkette (z. B. N als Vermittler für den Vermittler); Lieferungen an Antragstellerin (Verantwortliche: D, C, B) an ... (indirekt beteiligt: D, C), vermittelt durch N (Verantwortliche: D, C); ungewöhnliche Umstände der Warenbewegung (Rechnung nach WITIGB bei HIKII und dann sofortige Weiterlieferung nach R auf dem Papier; Transport erfolgte jeweils direkt von ZZ nach R); auffällige Zahlungsabwicklung, Zahlung durch Dritte bzw. Verwendung von Auslandskonten durch inländische Lieferanten (Sachverhalt Geldwäscheverdachtsanzeige); Eigentümer, Geschäftsführer oder Beteiligte von Firmen sitzen in Steueroasen bzw. in Übersee (I - Teilhaber sind Ltd.s mit Sitz auf den ZW, bzw. außerhalb des Nahbereichs des Unternehmens; sofortige Abnahme großer Mengen durch am Markt neue Unternehmen; Antragstellerin war einzige (deutsche) Lieferantin sämtlicher Abnehmer; plötzliche Fortführung und Fakturierung der Geschäftsvorfälle durch andere Unternehmen; Personen mit Vollmachten für mehrere Firmen (H liefert direkt nach I, beide vertreten durch AD); identische Personen, die für mehrere Unternehmen handeln und Geschäfte mit sich selbst abschließen (insbesondere bei den Geschäftsführern D, C und teilweise B).

36

Besondere Bedeutung für die Bewertung habe hier das EuGH-Urteil vom 18. Dezember 2014 (C-131/13 „Italmoda“). Auch im entschiedenen Fall „Italmoda" seien alle formellen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit gegeben. Demnach verlieren Lieferanten wie die Antragstellerin durch mindestens fahrlässigen Umgang mit (neuen) Geschäftspartnern gem. 6. EG-Richtlinie das Recht, sich auf positive Regelungen wie die Steuerfreiheit oder den Vertrauensschutz gem. § 6a Abs. IV UStG berufen zu können. Die in anderen Mitgliedsstaaten gesammelten Tatsachenfeststellungen können und müssten gem. dem Urteil hier auch in ZZ ausgewertet werden.

37

Über die bereits im Arrest benannten Verhältnismäßigkeitserwägungen hinaus sei zum Arrestgrund u.a. anzumerken, dass insbesondere bei austauschbaren Firmen wie der Antragstellerin, die nur einen oder wenige Lieferanten bzw. Abnehmer hat, der Anreiz und die Möglichkeit der späteren Nichtzahlung besonders hoch sei. Sie verfüge außer dem schnell veräußerbaren Umlaufvermögen (Diesel in fremdem Tank, siehe oben) und Bankguthaben über kein bedeutsames Anlagevermögen (Fahrzeuge geleast, Büro angemietet). Es sei für die Beteiligten einfach, eine neue Firma zu gründen oder eine der bereits existierenden Firmen der Geschäftsführer D und Z C (AE aus ZY, AF aus R) zur Fortführung der Geschäfte zu nutzen.

38

Der Arrest ist durch den Antragsgegner nach dem 06. April 2017 durch Kontenpfändungen bei der N (Kontostand 878.426,17 €) sowie der AG (Kontostand 490,00 € sowie 96.865,00 US$) vollzogen worden, wobei die N hinsichtlich des Guthabens eigene vorrangige Ansprüche angemeldet habe. Der Antragsgegner hat zudem 250.000 Liter Diesel im Wert von ca.100.000,00 € durch Versiegelung des Zu- und Ablaufstutzens bei dem Dienstleister F in X gepfändet, woraufhin dieser Drittwiderspruch erhoben hat.

39

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von Beteiligten im Verfahren eingereichten Schriftsätze und Anlagen verwiesen.

40

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung der Sache durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

41

II. 1. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ist unbegründet.

42

a) Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 7 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen. Gem. § 69 Abs. 2 Satz 7 tritt an die Stelle der Aussetzung die Aufhebung der Vollziehung, wenn der Verwaltungsakt schon vollzogen ist. Die Aussetzung bzw. Aufhebung soll u.a. erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO). Ernstliche Zweifel in diesem Sinn sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes im Aussetzungsverfahren neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Gründen gewichtige, gegen sie sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen bewirken oder Unklarheiten in der Beurteilung der Tatfragen aufwerfen (BFH-Beschlüsse vom 7. September 2007 V B 97/07, BFH/NV 2008, 120; vom 30. Oktober 2007 V B 170/07, BFH/NV 2008, 627, und vom 29. November 2007 I B 181/07, BStBl II 2008, 195, ständige Rechtsprechung). Der lediglich summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage sind der unstreitige Sachverhalt, die gerichtsbekannten Tatsachen und die präsenten Beweismittel zugrunde zu legen (BFH-Beschluss vom 18. Oktober 2007 I B 148/07, BFH/NV 2008, 542). Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Mai 1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174, BFH/NV 1997, R 462, m.w.N.).

43

b) Von diesen Grundsätzen ausgehend bestehen bei summarischer Prüfung keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Arrestanordnung.

44

Gem. § 324 Abs. 1 AO kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Arrestanspruch und Arrestgrund müssen mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegen (BFH-Beschluss vom 8. April 1986 VII R 187/83, BFH/NV 1986, 508). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn der Sachverhalt, auf dessen Grundlage sich der Arrestanspruch/Arrestgrund schlüssig ergibt, wahr zu sein scheint. Nach Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände müssen mehr Gründe für als gegen das Bestehen des Arrestanspruchs/Arrestgrundes sprechen (FG Hamburg, Beschluss vom 20. August 2007 2 V 167/07, juris). Die Arrestanordnung ist eine Ermessensentscheidung. Das Entschließungsermessen, ob die Finanzbehörde überhaupt einen Arrest gegenüber dem Arrestschuldner erlässt, braucht hingegen nicht besonders begründet zu werden, da insofern das Ermessen eingeschränkt ist (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 324 Rz. 6 m.w.N.).

45

Ordnet die Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen gemäß § 324 Abs. 1 AO den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen an, so müssen Arrestanspruch (die zu sichernde Geldforderung) und Arrestgrund zwar nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 352), aber doch mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. April 1986 VII R 187/83, BFH/NV 1986, 508; vom 26. Februar 2001 VII B 265/00,BFHE 194, 40, BStBl II 2001, 464).Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn der Sachverhalt, auf dessen Grundlage sich der Arrestanspruch/Arrestgrund schlüssig ergibt, wahr zu sein scheint. Nach Abwägung aller in Betracht zu ziehenden Umstände müssen mehr Gründe für als gegen das Bestehen des Arrestanspruchs/Arrestgrundes sprechen (FG Münster, Beschluss vom 16. Dezember 2013 – 15 V 3684/13 U –, EFG 2014, 324).

46

Nach diesen Grundsätzen liegt bei summarischer Prüfung mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit sowohl ein Arrestanspruch in der vom Antragsgegner angenommenen betragsmäßigen Höhe als auch ein Arrestgrund vor.

47

aa) Das Bestehen eines Arrestanspruches ist bei summarischer Prüfung hinreichend wahrscheinlich. Es ist hinreichend wahrscheinlich, dass die Voraussetzungen für steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen hinsichtlich der in der Anlage 2 zur Arrestanordnung dargestellten Geschäftsvorfälle nicht gegeben sind, woraus, sollte sich diese Annahme als sicher herausstellen, sich die in der Arrestanordnung berechneten Umsatzsteuernachzahlungen ergeben würden.

48

(1) Innergemeinschaftliche Lieferungen sind unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 1b, § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet. Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen. Die Steuerfreiheit beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach sind steuerfrei "a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt". Der Unternehmer hat die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung  durch Belege und buchmäßige Aufzeichnungen nachzuweisen. Dieser Beleg- und Buchnachweis beruht auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Danach legen die Mitgliedstaaten Bedingungen "zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch" fest, wobei sie die Grundsätze der Rechtssicherheit, der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu beachten haben (EuGH-Urteil vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 45). Der Unternehmer hat den Beweis für die Steuerfreiheit einschließlich der von den Mitgliedstaaten aufgestellten Bedingungen zu erbringen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 46). Erbringt der Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis nicht vollständig, erweisen sich Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte und nicht durch den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben (vgl. BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFH/NV 2011, 1448, unter II.2.c), ist die Lieferung steuerpflichtig, wenn diese Mängel den "sicheren Nachweis" der materiellen Anforderungen verhindern (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 31). Darüber hinaus ist die Lieferung auch steuerpflichtig, wenn -obwohl die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung objektiv vorliegen- der Steuerpflichtige unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnr. 51 und Leitsatz; BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448 und vom 17. Februar 2011 V R 30/10, BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.c).Der EuGH begründet in seinem Urteil R in UR 2011, 15 die Steuerpflicht trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung damit, dass die Vorlage von Scheinrechnungen oder die Übermittlung unrichtiger Angaben sowie sonstige Manipulationen die genaue Erhebung der Steuer verhindern und das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems in Frage stellen. Das Ausstellen unrichtiger Rechnungen berechtigt dabei die Mitgliedstaaten aufgrund der ihnen nach dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG eingeräumten Befugnisse, die Steuerfreiheit zu versagen, wobei die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Neutralität, der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes der Steuerpflicht nicht entgegenstehen, wenn sich der Lieferer dadurch vorsätzlich an einer Steuerhinterziehung beteiligt, dass er die Identität des wahren Erwerbers verschleiert, um diesem zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 48 bis 55). Dementsprechend geht auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) davon aus, dass "die Steuerfreiheit jedenfalls nicht eingreift, wenn die Erwerbsbesteuerung in einem anderen Mitgliedstaat unterlaufen wird" (BVerfG-Beschluss vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09, juris, unter C.I.1.b bb). Maßgeblich ist insoweit der zwischen innergemeinschaftlicher Lieferung und innergemeinschaftlichem Erwerb bestehende Besteuerungszusammenhang und die damit bezweckte Verlagerung des Steueraufkommens auf den Bestimmungsmitgliedstaat durch die dort beim Abnehmer als Steuerschuldner vorzunehmende Besteuerung, die es nicht zulässt, die Steuerfreiheit nach § 6a UStG trotz absichtlicher Täuschung über die Person des Abnehmers (Erwerbers) in Anspruch zu nehmen (BFH-Urteile in BFH/NV 2011, 1448, und in BFH/NV 2011, 1451, jeweils unter II.2.).Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd). Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich (BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 – V R 30/10 –, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769.).

49

Selbst wenn die formalen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind (Beleg- und Buchnachweis) oder der Beweis des tatsächlichen Empfängers und Lieferorts geführt werden könnte (objektiver Nachweis), ist die Steuerbefreiung ausgeschlossen nach Täuschung über den wahren Abnehmer bzw. nach Verschleierung seiner Identität, wodurch die Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland verhindert wird, oder bei bewusster Beteiligung an einer auf der nachfolgenden Handelsstufe einer Lieferkette begangenen Umsatzsteuerhinterziehung (Urteile EuGH vom 18. Dezember 2014 C-131/13 "Italmoda", DB 2015, 38, BB 2015, 544; BFH-Urteil vom 26. November 2014 XI R 37/12, juris, m. w. N.).

50

(2) Vorliegend ist es nach Überzeugung des Berichterstatters auf Grund der vom Antragsgegner ermittelten Umstände hinreichend wahrscheinlich, dass die sechs vom Antragsgegner als sog. Missing Trader bezeichneten Unternehmen entgegen der von der Antragstellerin vorgelegten Belege und buchmäßigen Aufzeichnungen nicht die tatsächlichen Abnehmer der streitigen Lieferungen waren, mithin Leistungsempfänger und Rechnungsempfänger nicht identisch sind. Es bestehen insoweit für Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit der vom Antragsgegner über die Systeme EUROFISC und SCAC erlangten Auskünfte.

51

Hinsichtlich der "I " erfolgte die Einstufung als Missing Trader, da diese niemals unter der angegeben Anschrift ansässig gewesen sei. Insoweit bestehen begründete Zweifel am tatsächlichen Abnehmer der Lieferung. Entsprechendes gilt für die "J " sowie die "K". Hinsichtlich der "H" sind die Waren nicht nach W gelangt. Die SCAC Anfrage ergab, dass der Diesel von der H im Rahmen eines Dreiecksgeschäftes an eine ZVAH weiterverkauft sein soll mit einem Lagerort auf ZZ Gebiet. Aus den Transportunterlagen geht jedoch hervor, dass der Transport lediglich aus dem Tanklager der Antragstellerin nach R erfolgt ist, wobei die H einen derartigen Transport nicht veranlasst hat. Auch hinsichtlich der "L " ist hinreichend wahrscheinlich, dass diese nicht die tatsächliche Abnehmerin der Lieferung war. Denn zum einen erfolgte die Bezahlung (ohne erkennbaren Grund) durch die AI mit Sitz auf ZU. Zum anderen hat die SCAC Anfrage ergeben, dass in W keine innergemeinschaftlichen Erwerbe erklärt wurden und dort keinerlei Kontakt zum Unternehmen und keine Anzeichen für ein tatsächlich ausgeübtes Gewerbe bestehen. Hinsichtlich der M bestehen gleichfalls die vom Antragsgegner dargestellten begründete Zweifel an dem tatsächlichen Abnehmer der Lieferungen, dem die Antragstellerin lediglich durch den Hinweis auf die formal vorliegenden Unterlagen entgegen getreten ist, ohne im Einzelnen zu den Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Der Umstand, dass zum einen die Gesellschafter der Antragstellerin D und C mittelbar zu annähernd 100 v.H. an der M beteiligt sind, der Geschäftskontakt über einen Rahmenvertrag und ausschließlich ohne persönlichen Ansprechpartner per E-Mail verläuft, die Waren nach den vorliegenden Dokumenten als Schmieröl wieder von der Antragstellerin "zurückerworben" wird und von der M direkt zu in ZZ befindlichen Firmen geliefert wird, zudem eine (aus wirtschaftlichen Gründen nicht nachvollziehbare) Vermittlung der M durch die N, ebenfalls mit den Geschäftsführern D und C erfolgt ist, lassen erhebliche Zweifel an der M als tatsächliche Empfängerin der erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen aufkommen, die jedenfalls zu einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Arrestanspruches führen.

52

Hinzukommt, dass die jeweiligen Unternehmen, das zeigt die Gültigkeit der jeweiligen USt-ID- Nummern, mit Ausnahme der M jeweils nur in etwa in dem Zeitraum der Geschäftsbeziehungen zur Antragstellerin wirtschaftlich aktiv waren und zudem die Antragstellerin stets die wesentliche wenn nicht gar einzige Geschäftspartnerin der jeweiligen Unternehmen waren.

53

Eine eidesstattliche Versicherung der Geschäftsführer der Antragstellerin zur Glaubhaftmachung eines entgegenstehenden Sachverhaltes hat diese nicht vorgelegt.

54

(3) Die Antragstellerin konnte auch nicht gem. § 6a Abs. 4 UStG auf unrichtige Abnehmerangaben vertrauen. Ausgeschlossen ist der Vertrauensschutz und damit die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung, wenn (wie bei summarischer Prüfung vorliegend) objektive Anhaltspunkte darauf schließen lassen, dass der Verkäufer wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und der Verkäufer nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren oder vernünftiger Weise zu verlangenden Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Dabei rechtfertigen sich hohe Anforderungen aus dem von der Richtlinie 77/388/EWG angestrebten Ziel der Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung (vgl. Urteile EuGH vom 18.12.2014 C-131/13 "Italmoda", DB 2015, 38, Rz. 50, 62, 64, 69; vom 09.10.2014 C-492/13 "Traum EOOD", UR 2014, 943, Rz. 42; vom 06.09.2012 C-273/11 "Mecsek-Gabona", DStR 2012, 1917, UR 2012, 796). Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim innergemeinschaftlichen Handel mit Mineralölen ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist nach Auffassung des Berichterstatters in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen. Bestehen Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen. Unter diesen Umständen genügen für die dem ordentlichen Kaufmann obliegende Sorgfalt nicht die - von der Antragstellerin angeführte - Einholung einer Bestätigung der USt-Ident-Nummer sowie die Abfragen der Handelsregister-Eintragung oder Gewerbeanmeldung der vermeintlichen Abnehmerfirma (Urteile FG Sachsen-Anhalt vom 22. Januar 2014 2 K 1122/11, Juris; FG München Urteil vom 24. September 2013 2 K 570/11, Juris)  Je nach den Gesamtumständen und danach möglichen Zweifeln obliegt es dem Unternehmer, sich nötigenfalls über seinen wahren Geschäftspartner und dessen tatsächlichen Geschäftssitz durch dortige Kontaktaufnahme oder persönlich zu vergewissern, wenn es darauf umsatzsteuerlich ankommt (FG Hamburg, Urteil vom 05. Februar 2015 – 3 K 46/14, juris). Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers und für die Notwendigkeit sorgfältiger weiterer Nachforschungen können sich in diesen Fällen beispielsweise aus folgenden Umständen ergeben:- Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem angeblichen Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteile FG Sachsen-Anhalt vom 22. Januar 2014 2 K 1122/11, Juris; BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407).- Das Geschäft mit dem vermeintlichen Abnehmer wird nicht an dessen Geschäftssitz oder nur mobil oder durch einen Dritten angebahnt und der Abnehmer tritt nur in Begleitung oder kaum bzw. nur auf dem Papier in Erscheinung- Fehlende Nachvollziehbarkeit des Markt- und Internetauftritts oder -angebots oder des Email- und Schriftverkehrs, z. B. fehlende Faxkennung des vermeintlichen Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z. B. örtlich nicht passende Faxkennung oder Telefonnummer des Abnehmers (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz. 39);- im Hinblick auf den Umsatzumfang nicht ausreichend nachvollziehbare personelle Kapazitäten, Geschäftsausstattung oder Logistik des angeblichen Geschäftspartners oder Auffälligkeiten in seiner Person (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 11. Februar 2014 3 V 241/13, Juris, Rz. 84 f.);- sonstige Unregelmäßigkeiten, Ungereimtheiten oder Auffälligkeiten ähnlich wie bei den vorbeschriebenen Mängeln von Beleg- und Buchnachweisen (FG München, Urteil vom 29. Januar 2014 3 K 631/11, Juris, (FG Hamburg, Urteil vom 05. Februar 2015 – 3 K 46/14 –, Rn. 58, juris).

55

Vorliegend konnte die Antragstellerin aus den vom Antragsgegner dargestellten Gründen (erstmalige Geschäftsbeziehung, kein persönlicher Kontakt, Anbahnung z.T. per E-Mail, Bezahlung durch Drittfirmen, kein Internetauftritt etc., Verkauf auf gleicher Handelsstufe mit fraglicher Gewinnmarge u.a.) nicht allein auf die Vorlage der USt-ID Nummer etc. vertrauen, sondern hätte die oben beschrieben weiteren Ermittlungen anstellen müssen, um Vertrauensschutz für sich beanspruchen zu können.

56

bb) Auch ein Arrestgrund liegt bei summarischer Prüfung vor.

57

Ein Arrestgrund besteht nach ständiger Rechtsprechung, wenn bei objektiver Würdigung unter ruhiger und vernünftiger Abwägung aller Umstände die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass ohne sofortige Sicherung durch Arrestanordnung die Vollstreckung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird; dabei kann es auf die Möglichkeit eines schnellen und unmittelbaren und damit auch eines sicheren Zugriffs ankommen (BFH-Beschluss vom 25. April 1995 VII B 174/94, BFH/NV 1995, 1037). In Anwendung dieses Grundsatzes hat der BFH bspw. erkannt, dass eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung bereits dann zu besorgen ist, wenn der Steuerpflichtige ein wertvolles Grundstück veräußert, weil Bargeld oder Geldforderungen der Vollstreckung leichter entzogen werden können als unbewegliches Vermögen, oder wenn auch nur die nach außen zutage getretene Absicht besteht, den wertvollsten Gegenstand des Vermögens, ein Grundstück, zu veräußern (vgl. BFH-Urteil vom 10. März 1983 V R 143/76, BFHE 138, 16, BStBl II 1983, 401). Ebenso wie Vermögensumschichtungen im Inland können auch Vermögensverlagerungen ins Ausland einen Arrestgrund abgeben (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 1037). Demgegenüber vermag die allgemein schlechte Vermögenslage des Arrestschuldners ebenso wie die bloße Möglichkeit, dass der Arrestschuldner sein Vermögen beiseiteschaffen könnte, für sich genommen keinen Arrest zu rechtfertigen. Ebenso genügt der dringende Verdacht einer Steuerhinterziehung oder sonstige steuerliche Unzuverlässigkeit für sich allein nicht zur Begründung einer Arrestanordnung (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Oktober 1985 III ZR 28/84, HFR 1987, 96; BFH-Beschluss in BFHE 194, 40, BStBl II 2001, 464, unter II.b; BFH, Beschluss vom 06. Februar 2013 – XI B 125/12 –, BFHE 239, 390, BStBl II 2013, 983, Rn. 31)

58

Im Rahmen einer Gesamtwürdigung der vom Antragsgegner glaubhaft gemachten Umstände ist die Besorgnis gerechtfertigt, dass ohne sofortige Sicherung durch Arrestanordnung die spätere Vollstreckung des o.g. Umsatzsteueranspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Die Antragstellerin verfügt, mit Ausnahme des eingelagerten Mineralöls, von dem bereits fraglich ist, ob es bereits im Eigentum der Antragstellerin steht, nahezu ausschließlich über Bankguthaben, und damit über Vermögenswerte, die ohne großen Aufwand und in kürzester Zeit beiseite geschafft werden könnten.Das bisherige geschäftliche Verhalten der Geschäftsführer der Antragstellerin, d.h. die Überweisung von Geldbeträgen an eine zum Teil personenidentische Vermittlerfirma mit Sitz in Q ohne bei summarischer Prüfung erkennbare wirtschaftliche Notwendigkeit der Einschaltung eines derartigen Vermittlers, lässt nicht erwarten, dass die Vermögenswerte mit hinreichender Sicherheit in der Gesellschaft verbleiben werden. Auch die Geldwäscheverdachtsanzeige spricht jedenfalls nicht gegen das Vorliegen eines Arrestgrundes sondern eher dafür, denn die dort beschriebenen Zahlungsflüsse konnte die Antragstellerin bisher nicht vollständig aufklären. Der Antragsgegner weist insoweit zu Recht auf die mögliche schnelle Beendigung der geschäftlichen Tätigkeit und die Möglichkeit, eine neue Firma zu gründen oder eine der bereits existierenden Firmen der Geschäftsführer D und Z C (AE aus ZY, AF aus R) zur Fortführung der Geschäfte zu nutzen, hin.

59

2. Der hilfsweise gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist unzulässig.

60

Soweit sich der hilfsweise gestellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gegen den noch nicht vollzogenen Teil der Arrestanordnung richtet, ist der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Nach Ablauf der in § 324 Abs. 3 Satz 1 AO bestimmten Monatsfrist ist eine Vollziehung der Arrestanordnung unzulässig. Durch die Unzulässigkeit weiterer Vollstreckungsmaßnahmen entfällt das Rechtsschutzbedürfnis auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des noch nicht durch den Antragsgegner mittels Vollstreckungsmaßnahmen ausgeschöpften Betrags der Arrestsumme (Tormöhlen in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 324 AO Rz. 66.1; FG Münster, Beschluss vom 16. Dezember 2013 – 15 V 3684/13 U –, EFG 2014, 324).

61

3. Im Hinblick auf die von den Beteiligten erteilte Zustimmung erschien es sachgerecht, über den Antrag auf Aussetzung sowie Aufhebung der Vollziehung durch den Berichterstatter gem. § 79a Abs. 3 und 4 FGO zu entscheiden.

62

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Juni 2017 - 3 V 506/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Juni 2017 - 3 V 506/17

Referenzen - Gesetze

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Juni 2017 - 3 V 506/17 zitiert 12 §§.

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 135


(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werd

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 3 Lieferung, sonstige Leistung


(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 4 Steuerbefreiungen bei Lieferungen und sonstigen Leistungen


Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:1.a)die Ausfuhrlieferungen (§ 6) und die Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7),b)die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a); dies gilt nicht, wenn der Unternehmer sein

Umsatzsteuergesetz - UStG 1980 | § 6a Innergemeinschaftliche Lieferung


(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: 1. der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebi

Abgabenordnung - AO 1977 | § 41 Unwirksame Rechtsgeschäfte


(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht

Finanzgerichtsordnung - FGO | § 79a


(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht, 1. über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2. bei Zurücknahme der Klage, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;3. bei Erledigung des Rechtsstr

Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung - UStDV 1980 | § 17a Gelangensvermutung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen


(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wen

Abgabenordnung - AO 1977 | § 324 Dinglicher Arrest


(1) Zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen nach den §§ 249 bis 323 kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitr

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Juni 2017 - 3 V 506/17 zitiert oder wird zitiert von 9 Urteil(en).

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 30. Juni 2017 - 3 V 506/17 zitiert 9 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Finanzgericht München Urteil, 29. Jan. 2014 - 3 K 631/11

bei uns veröffentlicht am 29.01.2014

Tenor 1. Die Umsatzsteuer für 2006 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festgesetzt. 2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 65/100, der Beklagte zu

Finanzgericht Hamburg Urteil, 05. Feb. 2015 - 3 K 46/14

bei uns veröffentlicht am 05.02.2015

Tatbestand 1 (Anmerkung: Nur die Entscheidungsgründe des Urteils sind zur Veröffentlichung bestimmt.) Entscheidungsgründe 2 B. Die zulässige Klage ist unbegründet mit Ausnahme der Umsatzsteuer auf die vom FA angenommene zweite Rechnung

Bundesfinanzhof Urteil, 26. Nov. 2014 - XI R 37/12

bei uns veröffentlicht am 26.11.2014

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr 2006 in I einen Handel mit hochwertigen PKW. Im Revisionsverfahren ist noch die Steue

Finanzgericht Hamburg Beschluss, 11. Feb. 2014 - 3 V 241/13

bei uns veröffentlicht am 11.02.2014

Gründe I. 1 Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) den Antragsteller als Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) für die Umsatzsteuerschulden der GmbH für

Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt Urteil, 22. Jan. 2014 - 2 K 1122/11

bei uns veröffentlicht am 22.01.2014

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand 1 Streitig ist, ob die Klägerin Fahrzeuglieferungen gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) als

Bundesfinanzhof Beschluss, 06. Feb. 2013 - XI B 125/12

bei uns veröffentlicht am 06.02.2013

Tatbestand 1 I. Mit Bescheid vom 23. Januar 2012 ordnete der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zur Sicherung eines Anspruchs des Freistaates Sach

Bundesfinanzhof Urteil, 14. Nov. 2012 - XI R 17/12

bei uns veröffentlicht am 14.11.2012

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2003 einen Kraftfahrzeughandel. Sie lieferte am 22. Januar 2003 einen Por

Bundesfinanzhof Urteil, 17. Feb. 2011 - V R 30/10

bei uns veröffentlicht am 17.02.2011

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-Gmb

Bundesfinanzhof Urteil, 17. Feb. 2011 - V R 28/10

bei uns veröffentlicht am 17.02.2011

Tatbestand 1 I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen Personenfahrzeugen und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche

Referenzen

(1) Zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen nach den §§ 249 bis 323 kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Sie kann den Arrest auch dann anordnen, wenn die Forderung noch nicht zahlenmäßig feststeht oder wenn sie bedingt oder betagt ist. In der Arrestanordnung ist ein Geldbetrag zu bestimmen, bei dessen Hinterlegung die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der vollzogene Arrest aufzuheben ist.

(2) Die Arrestanordnung ist zuzustellen. Sie muss begründet und von dem anordnenden Bediensteten unterschrieben sein. Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(3) Die Vollziehung der Arrestanordnung ist unzulässig, wenn seit dem Tag, an dem die Anordnung unterzeichnet worden ist, ein Monat verstrichen ist. Die Vollziehung ist auch schon vor der Zustellung an den Arrestschuldner zulässig, sie ist jedoch ohne Wirkung, wenn die Zustellung nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und innerhalb eines Monats seit der Unterzeichnung erfolgt. Bei Zustellung im Ausland und öffentlicher Zustellung gilt § 169 Abs. 1 Satz 3 entsprechend. Auf die Vollziehung des Arrestes finden die §§ 930 bis 932 der Zivilprozessordnung sowie § 99 Abs. 2 und § 106 Abs. 1, 3 und 5 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen entsprechende Anwendung; an die Stelle des Arrestgerichts und des Vollstreckungsgerichts tritt die Vollstreckungsbehörde, an die Stelle des Gerichtsvollziehers der Vollziehungsbeamte. Soweit auf die Vorschriften über die Pfändung verwiesen wird, sind die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden.

Tatbestand

1

I. Mit Bescheid vom 23. Januar 2012 ordnete der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zur Sicherung eines Anspruchs des Freistaates Sachsen und der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von ... € den dinglichen Arrest gemäß § 324 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) in das Vermögen des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) an. Mit Bescheid vom 12. März 2012 beschränkte das FA die Arrestanordnung auf ... € mit der Begründung, die Anordnung habe nur noch in dieser Höhe als Rechtsgrund Bedeutung für die beim Antragsteller erlangten Sicherungsrechte. In den Bescheiden wird darauf hingewiesen, dass durch Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der Arrestanordnung die Vollziehung des Arrests gehemmt und die Aufhebung bereits durchgeführter Vollziehungsmaßnahmen erreicht werden könne.

2

Zur Begründung führte das FA aus, der Antragsteller solle in Haftung genommen werden für verkürzte Umsatzsteuer zu Gunsten einer OHG, an der er zu 49,44 % beteiligt sei. Die Steuerschuld ergebe sich aus Vorsteuerabzügen, die die OHG zu Unrecht geltend gemacht habe. Es handele sich insoweit um Umsatzsteuern, die von Scheinfirmen (missing trader) im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellen in Rechnung gestellt worden seien. Da insofern Rechnungsaussteller und liefernder Unternehmer nicht identisch seien, sei nicht feststellbar, wer die Ware, die hauptsächlich bar und oft zunächst nur zum Teil bezahlt worden sei, geliefert und die Zahlung tatsächlich vereinnahmt habe. Die die Rechnungen ausstellenden Firmen seien ihren steuerlichen Verpflichtungen regelmäßig nicht nachgekommen. Die betreffenden Waren --hauptsächlich Flachbildschirme-- habe die OHG als vermeintliche innergemeinschaftliche Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet veräußert. Der Antragsteller hafte einerseits als vertretungsberechtigter Gesellschafter nach § 69 AO, andererseits bestehe aufgrund vorliegender tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht der Steuerhinterziehung, so dass als Haftungsnorm auch § 71 AO einschlägig sei. Nach Aktenlage sei davon auszugehen, dass bei steuerlichem Wohlverhalten des Antragstellers der Eintritt des Steuerschadens in vollem Umfang vermieden worden wäre.

3

Da zu besorgen sei, dass ohne Anordnung des dinglichen Arrests die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert werde, sei auch ein Arrestgrund gegeben. Gegen den Antragsteller bestehe der Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung. Nach den belastbaren Tatsachen seien zu Gunsten der OHG zielgerichtet Steuerstraftaten --und zwar im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells-- begangen worden. Der Antragsteller sei wegen seiner Teilnahme an einem Umsatzsteuerbetrugsmodell als besonders steuerunehrlich anzusehen. Aufgrund einer nachhaltigen Begehungsweise und der Höhe des bisher festgestellten Steuerschadens sei zudem eine erhebliche kriminelle Energie gegeben. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei von demjenigen, der sich oder einem Dritten durch eine Straftat einen Vermögensvorteil verschafft hat, zu erwarten, dass er nachhaltige Unternehmungen anstellt, um die Tatvorteile dauerhaft zu sichern. Bereits durch die nachhaltige Verbuchung der Scheinrechnungen sei bereits eine fortwährende Schmälerung des Betriebsvermögens gegeben, die die Annahme eines Arrestgrundes rechtfertige. Die bisherigen Ermittlungen, die auf das Vorliegen eines Umsatzsteuerbetrugsmodells schließen ließen, führten zu der Besorgnis, dass der Antragsteller bestrebt und in der Lage sei, die Geldansprüche des Staates gegen ihn und das von ihm vertretene Unternehmen durch Verschiebung oder Beiseiteschaffung etwaigen Vermögens zu verhindern.

4

Der Antragsteller erhob unter dem 9. Februar 2012 Sprungklage und beantragte wegen der bereits andauernden Vollstreckung gleichzeitig beim Finanzgericht (FG) die Aufhebung der Vollziehung der Arrestanordnung. Er machte geltend, die Hinterlegung des streitigen Arrestbetrages sei nicht möglich, weil ihm nach dem Arrestvollzug kein weiteres freies Vermögen zur Verfügung stehe. Sein Antrag gehe auf Aufhebung der Vollziehungsmaßnahmen ohne Sicherheitsleistung und sei mit diesem Rechtsschutzbedürfnis zulässig. Ferner sei der Antrag auch begründet, weil weder ein Arrestanspruch noch ein Arrestgrund gegeben seien.

5

Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom 26. Juni 2012  6 V 178/12 mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig ab. Da die Aufhebung der Vollziehung grundsätzlich nur gegen Sicherheitsleistung ausgesprochen werden könne, könne der Antragsteller nur das erreichen, was er im Wege der Hinterlegung des in der Arrestanordnung bezeichneten Betrags auch ohne Mitwirkung des Gerichts erreichen könne. Es verwies hierzu im Wesentlichen auf den Beschluss des FG Hamburg vom 20. August 2007  2 V 167/07 (juris).

6

Der --gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)-- zugelassenen Beschwerde des Antragstellers half das FG mit Beschluss vom 4. September 2012 nicht ab und legte die Beschwerde dem Bundesfinanzhof (BFH) vor. Nach Sinn und Zweck einer dinglichen Arrestanordnung sei eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung nicht möglich. Der vorläufige Charakter der Arrestanordnung stehe der Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung grundsätzlich im Wege.

7

Der Antragsteller macht mit seiner Beschwerde geltend, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung könne nur dann entfallen, wenn die Aufhebung der Vollziehung im Falle der Anordnung eines dinglichen Arrests stets nur gegen Sicherheitsleistung ausgesprochen werden könne und der Antragsteller zudem objektiv in der Lage sei, die zur Aufhebung der Vollziehung erforderliche Sicherheitsleistung der Höhe nach aufzubringen.

8

Es sei unstreitig, dass im Zuge der dinglichen Arrestanordnung sein gesamtes Vermögen gepfändet worden sei. Im Ergebnis dessen habe er weder die finanziellen Mittel, die geforderte Sicherheitsleistung aufzubringen, noch habe er eine entsprechende Kreditwürdigkeit (mehr). Die Auffassung des FG, eine Aufhebung der Vollziehung könne "grundsätzlich nur gegen Sicherheitsleistung ausgesprochen werden" verstoße insbesondere gegen das verfassungsrechtliche Gebot effektiven vorläufigen Rechtsschutzes.

9

Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des FG vom 26. Juni 2012 aufzuheben und die beantragte Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung zu gewähren.

10

Das FA beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

11

Es tritt dem Vorbringen des Antragstellers entgegen und verweist u.a. darauf, dass am 16. Juli 2012 "entsprechende Bescheide" betreffend die OHG erlassen worden seien. Weiter teilt es mit, dass die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Antragsteller andauerten.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung zu Unrecht als unzulässig abgelehnt. An der Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung bestehen ernstliche Zweifel, die zur Aufhebung der Vollziehung der Arrestanordnung vom 23. Januar 2012 in Gestalt des Bescheides vom 12. März 2012 --ohne Sicherheitsleistung-- führen.

13

1. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung richtet sich gegen den Bescheid vom 23. Januar 2012 in Gestalt des Bescheides vom 12. März 2012.

14

2. Der Antrag ist zulässig.

15

a) Er erfüllt die Zugangsvoraussetzungen gemäß § 69 Abs. 4 FGO; insbesondere war dem Antragsteller angesichts des bereits laufenden Arrestvollzugs nicht zuzumuten, zunächst beim FA einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen und dessen Ablehnung abzuwarten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236; vom 26. Mai 2004 V S 5/04, BFH/NV 2004, 1414).

16

b) Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann der BFH als Beschwerdegericht auf Antrag ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung eines schon vollzogenen Verwaltungsakts, auch gegen Sicherheit, anordnen. Die Anordnung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).

17

Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken, wobei die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe nicht überwiegen müssen, so dass eine Aufhebung der Vollziehung auch dann zu gewähren ist, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides später im Hauptsacheverfahren bestätigt werden sollte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 2002 V B 110/01, BFHE 199, 55, BFH/NV 2002, 1267; vom 6. August 2007 VII B 108-109/06, BFH/NV 2007, 2358; vom 8. September 2009 II B 63/09, BFH/NV 2010, 68).

18

c) Die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient der Vermeidung von Steuerausfällen. Solche Ausfälle können im Rahmen der Aufhebung der Vollziehung vor allem dadurch entstehen, dass der Steuerpflichtige im Hauptsacheverfahren letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. November 2004 V B 78/04, BFHE 208, 93, BStBl II 2005, 535; in BFH/NV 2007, 2358). Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen entfällt, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 8. August 2011 XI B 39/11, BFH/NV 2011, 2106, Rz 16, m.w.N.). Schließlich darf die Anforderung einer Sicherheitsleistung nicht erfolgen, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine unbillige Härte für ihn bedeuten würde, etwa weil der Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. Mai 1988 V B 26/86, BFH/NV 1989, 403; vom 28. Juni 1994 V B 18/94, BFH/NV 1995, 515). Lassen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine Sicherheitsleistung nicht zu, darf deshalb der Rechtsvorteil der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids --auch bei fortlaufend veranlagten und festgesetzten Steuern wie Lohn- und Umsatzsteuer-- grundsätzlich nicht versagt werden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. September 2009  1 BvR 1305/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 70, unter IV.1.b).

19

d) § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO gilt auch im Falle der Anordnung des dinglichen Arrests.

20

aa) Gegen die Anordnung des dinglichen Arrests i.S. des § 324 Abs. 1 AO ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO statthaft (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. März 1969 V B 5/69, BFHE 95, 317, BStBl II 1969, 399; vom 13. September 2001 IV B 87/01, BFH/NV 2002, 352, unter II.1.b; Beschluss des FG Hamburg vom 20. August 2007  2 V 167/07, juris). Dafür, dass eine solche Aussetzung grundsätzlich nicht ohne Sicherheitsleistung angeordnet werden könnte, wovon das FG ausgeht, ist der Regelung in § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO nichts zu entnehmen (offengelassen im BFH-Beschluss vom 18. August 1987 VII B 97/87, BFH/NV 1988, 374). Das Verfahren nach § 69 FGO wird auch nicht durch § 45 Abs. 4 FGO verdrängt, wonach gegen die Anordnung des dinglichen Arrests die Klage ohne Vorverfahren zulässig ist.

21

bb) Gemäß § 324 Abs. 1 AO kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Der Arrest ist ein Mittel zur Sicherung künftiger Geldvollstreckung (Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 324 Rz 2). Er soll verhindern, dass der Steuerpflichtige einen bestehenden Zustand verändert, um die zukünftige Zwangsvollstreckung zu gefährden. Wegen des Zeitbedarfs des Hauptverfahrens wird dem Steuergläubiger zwar gesetzlich zugestanden, das Interesse an der Sicherung seiner Ansprüche bereits vor Ergehen entsprechender Steuerbescheide zu befriedigen (Urteil des FG Düsseldorf vom 3. Mai 2000  5 K 5963/92 U, juris). Wenn es das Sicherungsinteresse des Steuergläubigers nach dem Willen des Gesetzgebers aber zulässt, dass die Vollziehung eines Steuerbescheides ggf. auch ohne Sicherungsleistung ausgesetzt bzw. aufgehoben wird, so muss dies erst recht gelten, wenn der Steueranspruch noch nicht in Steuerbescheiden --hier nach Aktenlage jedenfalls noch nicht in einem Haftungsbescheid gegen den Antragsteller-- festgesetzt worden ist und es somit nur um die Sicherung einer künftigen Forderung geht. Dafür spricht auch der vom FA herausgestellte Umstand, dass das vorläufige Sicherungsverfahren nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit ohne weiteres in das Beitreibungsverfahren übergeleitet wird (seit BFH-Beschluss vom 28. August 1968 I B 18/68, BFHE 93, 405, BStBl II 1968, 832; BFH-Urteil vom 27. Juni 2006 VII R 34/05, BFH/NV 2006, 2024).

22

Selbst wenn nach Auffassung des FG im Streitfall eine Aufhebung der Vollziehung nicht ohne Sicherheitsleistung ausgesprochen werden konnte, wäre zu prüfen gewesen, ob --unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (BFH-Beschluss vom 4. April 1996 V S 1/96, V B 6/96, BFH/NV 1996, 795)-- ggf. eine nur teilweise Sicherheitsleistung in Betracht kommen könnte (vgl. Beschlüsse des Hessischen FG vom 29. April 2005  3 V 517/04, Haufe-Index 1406716, unter II.4.; des FG München vom 17. Dezember 2007  6 V 4166/06, Haufe-Index 1965867; vom 20. August 2009  14 V 521/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 1866, unter II.6.). Soweit der BFH in seinem Beschluss in BFH/NV 1988, 374 ausgeführt hat, das FG habe zu Recht die Höhe der Sicherheitsleistung nach Maßgabe des Werts der Sicherung festgesetzt, die das FA durch die Arrestvollziehung erlangt habe, handelt es sich um die Würdigung des Einzelfalls, nicht aber um eine Aussage dahingehend, eine Sicherheitsleistung sei gemäß § 69 FGO stets in Höhe des Werts der zu sichernden Forderung festzusetzen.

23

cc) Der Senat teilt nicht die von Finanzgerichten vertretene Auffassung (vgl. auch Beschlüsse des Hessischen FG vom 4. Oktober 1973 B VI 15/73, EFG 1974, 25;des FG München vom 4. Oktober 1979 III 153/79 Aus Arr, EFG 1980, 110;des FG Hamburg vom 2. August 1999 IV 87/99, juris; vom 2. August 2007  2 V 167/07, juris), dass eine Aufhebung der Vollziehung --wie auch eine Aussetzung der Vollziehung vor Ablauf der Vollziehungsfrist gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 AO-- grundsätzlich nur gegen Leistung einer Sicherheit in Betracht komme, weil andernfalls selbst im Falle der Bestätigung der Arrestanordnung im Hauptsacheverfahren eine erneute Vollziehung nicht mehr möglich wäre und damit der Sicherungszweck des Arrests endgültig beseitigt würde (vgl. auch Tormöhlen in Beermann/Gosch, AO § 324 Rz 66; Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 324 AO Rz 91; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 324 AO Rz 48 dazu, dass eine Aussetzung "in der Regel" nur gegen Sicherheitsleistung in Betracht komme, wobei Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 324 AO Rz 48 darauf hinweist, dass die Gefahr des Steuerausfalls vermindert sei, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten sei).

24

Diese Auffassung des FG entspricht weder der gesetzlichen Regelung des § 69 Abs. 3 FGO noch den Anforderungen an die nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung effektiven (vorläufigen) Rechtsschutzes. Sind dem Richter im Interesse einer angemessenen Verfahrensgestaltung Ermessensbefugnisse eingeräumt, so müssen diese im konkreten Fall im Blick auf die Grundrechte ausgelegt und angewendet werden. Sie dürfen nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf einen effektiven Rechtsschutz führen (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2010, 70). Dabei ist zu berücksichtigen, dass, anders als im zivilprozessualen Arrestverfahren, der dingliche Arrest nach der Abgabenordnung von der Steuerverwaltung und nicht durch ein Gericht angeordnet wird. Die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung unter der Bedingung einer Sicherheitsleistung stellt eine teilweise Ablehnung i.S. von § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO dar (vgl. BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809), gegen die vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist. Dies gilt auch, soweit sich der Antragsteller gegen eine Arrestanordnung gemäß § 324 AO wendet. Dem FA verbleiben die Möglichkeiten einer beschleunigten (ggf. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden) Steuerfestsetzung --im Streitfall der Erlass eines Haftungsbescheides gegen den Antragsteller-- sowie einer raschen Vollstreckung (vgl. Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt vom 15. März 2006 S 0545-A-2-St II 4.04).

25

e) Die Arrestanordnung hat sich durch den --nach Vortrag des FA erfolgten-- Erlass von Steuerbescheiden gegen die OHG nicht erledigt, indem das Sicherungsverfahren in das Beitreibungsverfahren übergegangen wäre (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2024). Denn diese Steuerbescheide betreffen nicht den Antragsteller, sondern mit der OHG ein von diesem zu unterscheidendes Steuersubjekt.

26

3. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ist auch begründet.

27

a) Im Beschwerdeverfahren beschränkt sich die Aufgabe des BFH nicht darauf, die Entscheidung der Vorinstanz auf ihre Richtigkeit zu kontrollieren. Vielmehr hat der Senat das Begehren des Antragstellers im Rahmen seiner Anträge erneut in jeder Hinsicht zu prüfen und dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen. Danach muss über den Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung sachlich erneut entschieden werden (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1988, 374; vom 15. Mai 2009 IV B 24/09, BFH/NV 2009, 1402, unter II.1.).

28

b) Ordnet die Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen gemäß § 324 Abs. 1 AO den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen an, so müssen Arrestanspruch (die zu sichernde Geldforderung) und Arrestgrund zwar nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 352), aber doch mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. April 1986 VII R 187/83, BFH/NV 1986, 508; vom 26. Februar 2001 VII B 265/00,BFHE 194, 40, BStBl II 2001, 464).

29

aa) Der Senat kann im Streitfall dahingestellt sein lassen, ob sich aus dem Vorbringen des FA mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit das Vorliegen eines Arrestanspruchs gegen den Antragsteller ergibt, insbesondere auch bezüglich dessen Haftung nach § 69 oder § 71 AO und seine ermessensfehlerfreie Inanspruchnahme (vgl. dazu bspw. BFH-Beschluss in BFH/NV 1986, 508). Denn bei der gebotenen summarischen Prüfung ist das Vorliegen eines Arrestgrundes ernstlich zweifelhaft.

30

bb) Ein Arrestgrund besteht nach ständiger Rechtsprechung, wenn bei objektiver Würdigung unter ruhiger und vernünftiger Abwägung aller Umstände die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass ohne sofortige Sicherung durch Arrestanordnung die Vollstreckung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird; dabei kann es auf die Möglichkeit eines schnellen und unmittelbaren und damit auch eines sicheren Zugriffs ankommen (BFH-Beschluss vom 25. April 1995 VII B 174/94, BFH/NV 1995, 1037). In Anwendung dieses Grundsatzes hat der BFH bspw. erkannt, dass eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung bereits dann zu besorgen ist, wenn der Steuerpflichtige ein wertvolles Grundstück veräußert, weil Bargeld oder Geldforderungen der Vollstreckung leichter entzogen werden können als unbewegliches Vermögen, oder wenn auch nur die nach außen zutage getretene Absicht besteht, den wertvollsten Gegenstand des Vermögens, ein Grundstück, zu veräußern (vgl. BFH-Urteil vom 10. März 1983 V R 143/76, BFHE 138, 16, BStBl II 1983, 401). Ebenso wie Vermögensumschichtungen im Inland können auch Vermögensverlagerungen ins Ausland einen Arrestgrund abgeben (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 1037).

31

Demgegenüber vermag die allgemein schlechte Vermögenslage des Arrestschuldners ebenso wie die bloße Möglichkeit, dass der Arrestschuldner sein Vermögen beiseite schaffen könnte, für sich genommen keinen Arrest zu rechtfertigen. Ebenso genügt der dringende Verdacht einer Steuerhinterziehung oder sonstige steuerliche Unzuverlässigkeit für sich allein nicht zur Begründung einer Arrestanordnung (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Oktober 1985 III ZR 28/84, HFR 1987, 96; BFH-Beschluss in BFHE 194, 40, BStBl II 2001, 464, unter II.b).

32

cc) Unter Beachtung dieser Grundsätze genügen die in der Arrestanordnung angegebenen Tatsachen bei summarischer Prüfung nicht, den Arrestgrund zu belegen, noch sind solche Tatsachen sonst ersichtlich.

33

Das FA hat keine konkreten Tatsachen angeführt, wie etwa Maßnahmen des Antragstellers, ein Grundstück zu veräußern oder Bank- und Sparkonten leerzuräumen, aus denen sich ergeben würde, dass ohne Anordnung des dinglichen Arrests zu besorgen sei, dass die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert werde (vgl. auch Wolf in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 324 Rz 13 f.).

34

Soweit das FA den Arrestgrund daraus ableitet, dass gegen den Antragsteller der Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung bestehe, besagt dies nach der dargelegten Rechtsprechung allein noch nicht, dass die Beitreibung ohne Anordnung des dinglichen Arrests vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Im Übrigen mag zwar aus den in der Begründung der Arrestanordnung angegebenen "belastbaren Tatsachen", deren Richtigkeit unterstellt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit folgen, dass zu Gunsten der OHG zielgerichtet Steuerstraftaten in Gestalt eines Umsatzsteuerkarussells begangen worden sind. Es werden aber keine erheblichen Anhaltspunkte dafür benannt, dass der Antragsteller dies auch wusste und billigte. Soweit das FA im Verfahren vor dem FG mit Schriftsatz vom 20. Februar 2012 auf die Ergebnisse einer Telefonüberwachung Bezug genommen hat, sind diese im finanzgerichtlichen Verfahren nicht verwertbar (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Februar 2004 VII B 260/03, BFH/NV 2004, 807).

35

Entsprechendes gilt für die Behauptung, der Antragsteller sei wegen seiner Teilnahme an einem Umsatzsteuerbetrugsmodell als besonders steuerunehrlich anzusehen, sowie für die Erwägung, es sei im Allgemeinen zu erwarten, dass derjenige, der sich oder einem Dritten durch eine Straftat einen Vermögensvorteil verschafft hat, nachhaltige Unternehmungen anstelle, um die Tatvorteile dauerhaft zu sichern. Derartige allgemeine Ausführungen können nach den oben angeführten Grundsätzen für sich allein eine Arrestanordnung nicht begründen.

36

c) Die Aufhebung der Vollziehung ist ohne Sicherheitsleistung anzuordnen.

37

Die Entscheidung über die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergeht bei der gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergibt sich hieraus, dass die Finanzbehörde die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss und der Steuerpflichtige ggf. Umstände, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 809; vom 7. Mai 2008 IX S 26/07, BFH/NV 2008, 1498).

38

Danach war die Anordnung der Sicherheitsleistung aufzuheben. Nach Auffassung des Senats bestehen, wie dargelegt, bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Das FA hat zudem eine Gefährdung des Steueranspruchs nicht schlüssig dargelegt. Die Vermutung, der Antragsteller sei bestrebt und in der Lage, die Geldansprüche des Staates durch Verschiebung oder Beiseiteschaffung etwaigen Vermögens zu verhindern, stellt sich bislang als bloße Behauptung des FA dar.

(1) Für die Zwecke der Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b des Gesetzes) wird vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, wenn eine der folgenden Voraussetzungen erfüllt ist:

1.
Der liefernde Unternehmer gibt an, dass der Gegenstand der Lieferung von ihm oder von einem von ihm beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde und ist im Besitz folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
a)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
b)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.
2.
Der liefernde Unternehmer ist im Besitz folgender Belege:
a)
einer Gelangensbestätigung (§ 17b Absatz 2 Satz 1 Nummer 2), die der Abnehmer dem liefernden Unternehmer spätestens am zehnten Tag des auf die Lieferung folgenden Monats vorlegt und
b)
folgender einander nicht widersprechenden Belege, welche jeweils von unterschiedlichen Parteien ausgestellt wurden, die voneinander, vom liefernden Unternehmer und vom Abnehmer unabhängig sind:
aa)
mindestens zwei Belege nach Absatz 2 Nummer 1 oder
bb)
einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 1 und einem Beleg nach Absatz 2 Nummer 2, mit dem die Beförderung oder die Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestätigt wird.

(2) Belege im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 sind:

1.
Beförderungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 3 bis 5) oder Versendungsbelege (§ 17b Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 und 2);
2.
folgende sonstige Belege:
a)
eine Versicherungspolice für die Beförderung oder die Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet oder Bankunterlagen, die die Bezahlung der Beförderung oder der Versendung des Gegenstands der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet belegen;
b)
ein von einer öffentlicher Stelle (z. B. Notar) ausgestelltes offizielles Dokument, das die Ankunft des Gegenstands der Lieferung im übrigen Gemeinschaftsgebiet bestätigt;
c)
eine Bestätigung eines Lagerinhabers im übrigen Gemeinschaftsgebiet, dass die Lagerung des Gegenstands der Lieferung dort erfolgt.

(3) Das Finanzamt kann eine nach Absatz 1 bestehende Vermutung widerlegen.

(1) Zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen nach den §§ 249 bis 323 kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Sie kann den Arrest auch dann anordnen, wenn die Forderung noch nicht zahlenmäßig feststeht oder wenn sie bedingt oder betagt ist. In der Arrestanordnung ist ein Geldbetrag zu bestimmen, bei dessen Hinterlegung die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der vollzogene Arrest aufzuheben ist.

(2) Die Arrestanordnung ist zuzustellen. Sie muss begründet und von dem anordnenden Bediensteten unterschrieben sein. Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(3) Die Vollziehung der Arrestanordnung ist unzulässig, wenn seit dem Tag, an dem die Anordnung unterzeichnet worden ist, ein Monat verstrichen ist. Die Vollziehung ist auch schon vor der Zustellung an den Arrestschuldner zulässig, sie ist jedoch ohne Wirkung, wenn die Zustellung nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und innerhalb eines Monats seit der Unterzeichnung erfolgt. Bei Zustellung im Ausland und öffentlicher Zustellung gilt § 169 Abs. 1 Satz 3 entsprechend. Auf die Vollziehung des Arrestes finden die §§ 930 bis 932 der Zivilprozessordnung sowie § 99 Abs. 2 und § 106 Abs. 1, 3 und 5 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen entsprechende Anwendung; an die Stelle des Arrestgerichts und des Vollstreckungsgerichts tritt die Vollstreckungsbehörde, an die Stelle des Gerichtsvollziehers der Vollziehungsbeamte. Soweit auf die Vorschriften über die Pfändung verwiesen wird, sind die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden.

Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

1.
a)
die Ausfuhrlieferungen (§ 6) und die Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7),
b)
die innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a); dies gilt nicht, wenn der Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung (§ 18a) nicht nachgekommen ist oder soweit er diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung unrichtig oder unvollständig abgegeben hat;
2.
die Umsätze für die Seeschiffahrt und für die Luftfahrt (§ 8);
3.
die folgenden sonstigen Leistungen:
a)
die grenzüberschreitenden Beförderungen von Gegenständen, die Beförderungen im internationalen Eisenbahnfrachtverkehr und andere sonstige Leistungen, wenn sich die Leistungen
aa)
unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr beziehen oder auf eingeführte Gegenstände beziehen, die im externen Versandverfahren in das Drittlandsgebiet befördert werden, oder
bb)
auf Gegenstände der Einfuhr in das Gebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union beziehen und die Kosten für die Leistungen in der Bemessungsgrundlage für diese Einfuhr enthalten sind. Nicht befreit sind die Beförderungen der in § 1 Abs. 3 Nr. 4 Buchstabe a bezeichneten Gegenstände aus einem Freihafen in das Inland;
b)
die Beförderungen von Gegenständen nach und von den Inseln, die die autonomen Regionen Azoren und Madeira bilden;
c)
sonstige Leistungen, die sich unmittelbar auf eingeführte Gegenstände beziehen, für die zollamtlich eine vorübergehende Verwendung in den in § 1 Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Gebieten bewilligt worden ist, wenn der Leistungsempfänger ein ausländischer Auftraggeber (§ 7 Abs. 2) ist. Dies gilt nicht für sonstige Leistungen, die sich auf Beförderungsmittel, Paletten und Container beziehen.
Die Vorschrift gilt nicht für die in den Nummern 8, 10 und 11 bezeichneten Umsätze und für die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands einschließlich der Werkleistung im Sinne des § 3 Abs. 10. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat;
4.
die Lieferungen von Gold an Zentralbanken;
4a.
die folgenden Umsätze:
a)
die Lieferungen der in der Anlage 1 bezeichneten Gegenstände an einen Unternehmer für sein Unternehmen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Zusammenhang mit der Lieferung in ein Umsatzsteuerlager eingelagert wird oder sich in einem Umsatzsteuerlager befindet. Mit der Auslagerung eines Gegenstands aus einem Umsatzsteuerlager entfällt die Steuerbefreiung für die der Auslagerung vorangegangene Lieferung, den der Auslagerung vorangegangenen innergemeinschaftlichen Erwerb oder die der Auslagerung vorangegangene Einfuhr; dies gilt nicht, wenn der Gegenstand im Zusammenhang mit der Auslagerung in ein anderes Umsatzsteuerlager im Inland eingelagert wird. Eine Auslagerung ist die endgültige Herausnahme eines Gegenstands aus einem Umsatzsteuerlager. Der endgültigen Herausnahme steht gleich der sonstige Wegfall der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung sowie die Erbringung einer nicht nach Buchstabe b begünstigten Leistung an den eingelagerten Gegenständen,
b)
die Leistungen, die mit der Lagerung, der Erhaltung, der Verbesserung der Aufmachung und Handelsgüte oder der Vorbereitung des Vertriebs oder Weiterverkaufs der eingelagerten Gegenstände unmittelbar zusammenhängen. Dies gilt nicht, wenn durch die Leistungen die Gegenstände so aufbereitet werden, dass sie zur Lieferung auf der Einzelhandelsstufe geeignet sind.
Die Steuerbefreiung gilt nicht für Leistungen an Unternehmer, die diese zur Ausführung von Umsätzen verwenden, für die die Steuer nach den Durchschnittssätzen des § 24 festgesetzt ist. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachgewiesen sein. Umsatzsteuerlager kann jedes Grundstück oder Grundstücksteil im Inland sein, das zur Lagerung der in Anlage 1 genannten Gegenstände dienen soll und von einem Lagerhalter betrieben wird. Es kann mehrere Lagerorte umfassen. Das Umsatzsteuerlager bedarf der Bewilligung des für den Lagerhalter zuständigen Finanzamts. Der Antrag ist schriftlich zu stellen. Die Bewilligung ist zu erteilen, wenn ein wirtschaftliches Bedürfnis für den Betrieb des Umsatzsteuerlagers besteht und der Lagerhalter die Gewähr für dessen ordnungsgemäße Verwaltung bietet;
4b.
die einer Einfuhr vorangehende Lieferung von Gegenständen, wenn der Abnehmer oder dessen Beauftragter den Gegenstand der Lieferung einführt. Dies gilt entsprechend für Lieferungen, die den in Satz 1 genannten Lieferungen vorausgegangen sind. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer eindeutig und leicht nachprüfbar nachgewiesen sein;
4c.
die Lieferung von Gegenständen an einen Unternehmer für sein Unternehmen, die dieser nach § 3 Absatz 3a Satz 1 im Gemeinschaftsgebiet weiterliefert;
5.
die Vermittlung
a)
der unter die Nummern 1 Buchstabe a, Nummern 2 bis 4b und Nummern 6 und 7 fallenden Umsätze,
b)
der grenzüberschreitenden Beförderungen von Personen mit Luftfahrzeugen oder Seeschiffen,
c)
der Umsätze, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt werden,
d)
der Lieferungen, die nach § 3 Abs. 8 als im Inland ausgeführt zu behandeln sind.
Nicht befreit ist die Vermittlung von Umsätzen durch Reisebüros für Reisende. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat,
6.
a)
die Lieferungen und sonstigen Leistungen der Eisenbahnen des Bundes auf Gemeinschaftsbahnhöfen, Betriebswechselbahnhöfen, Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstrecken an Eisenbahnverwaltungen mit Sitz im Ausland,
b)
(weggefallen)
c)
die Lieferungen von eingeführten Gegenständen an im Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3, ansässige Abnehmer, soweit für die Gegenstände zollamtlich eine vorübergehende Verwendung in den in § 1 Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Gebieten bewilligt worden ist und diese Bewilligung auch nach der Lieferung gilt. Nicht befreit sind die Lieferungen von Beförderungsmitteln, Paletten und Containern,
d)
Personenbeförderungen im Passagier- und Fährverkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt, wenn die Personenbeförderungen zwischen inländischen Seehäfen und der Insel Helgoland durchgeführt werden,
e)
die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle im Verkehr mit Wasserfahrzeugen für die Seeschiffahrt zwischen einem inländischen und ausländischen Seehafen und zwischen zwei ausländischen Seehäfen. Inländische Seehäfen im Sinne des Satzes 1 sind auch die Freihäfen und Häfen auf der Insel Helgoland;
7.
die Lieferungen, ausgenommen Lieferungen neuer Fahrzeuge im Sinne des § 1b Abs. 2 und 3, und die sonstigen Leistungen
a)
an andere Vertragsparteien des Nordatlantikvertrages, die nicht unter die in § 26 Abs. 5 bezeichneten Steuerbefreiungen fallen, wenn die Umsätze für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte dieser Vertragsparteien, ihr ziviles Begleitpersonal oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und die Streitkräfte der gemeinsamen Verteidigungsanstrengung dienen,
b)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates stationierten Streitkräfte der Vertragsparteien des Nordatlantikvertrags, soweit sie nicht an die Streitkräfte dieses Mitgliedstaates ausgeführt werden,
c)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ansässigen ständigen diplomatischen Missionen und berufskonsularischen Vertretungen sowie deren Mitglieder,
d)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ansässigen zwischenstaatlichen Einrichtungen sowie deren Mitglieder,
e)
an Streitkräfte eines anderen Mitgliedstaates, wenn die Umsätze für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte, ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und die Streitkräfte an einer Verteidigungsanstrengung teilnehmen, die zur Durchführung einer Tätigkeit der Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits-und Verteidigungspolitik unternommen wird und
f)
an die in dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaates stationierten Streitkräfte eines Mitgliedstaates, wenn die Umsätze nicht an die Streitkräfte des anderen Mitgliedstaates ausgeführt werden, die Umsätze für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Streitkräfte, ihres zivilen Begleitpersonals oder für die Versorgung ihrer Kasinos oder Kantinen bestimmt sind und die Streitkräfte an einer Verteidigungsanstrengung teilnehmen, die zur Durchführung einer Tätigkeit der Union im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unternommen wird.
Der Gegenstand der Lieferung muss in den Fällen des Satzes 1 Buchstabe b bis d und f in das Gebiet des anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet werden. Für die Steuerbefreiungen nach Satz 1 Buchstabe b bis d und f sind die in dem anderen Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen maßgebend. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Bei den Steuerbefreiungen nach Satz 1 Buchstabe b bis d und f hat der Unternehmer die in dem anderen Mitgliedstaat geltenden Voraussetzungen dadurch nachzuweisen, dass ihm der Abnehmer eine von der zuständigen Behörde des anderen Mitgliedstaates oder, wenn er hierzu ermächtigt ist, eine selbst ausgestellte Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster aushändigt. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer die übrigen Voraussetzungen nachzuweisen hat;
8.
a)
die Gewährung und die Vermittlung von Krediten,
b)
die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von gesetzlichen Zahlungsmitteln. Das gilt nicht, wenn die Zahlungsmittel wegen ihres Metallgehalts oder ihres Sammlerwerts umgesetzt werden,
c)
die Umsätze im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren sowie die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Einziehung von Forderungen,
d)
die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze im Einlagengeschäft, im Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr und das Inkasso von Handelspapieren,
e)
die Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die Verwahrung und die Verwaltung von Wertpapieren,
f)
die Umsätze und die Vermittlung der Umsätze von Anteilen an Gesellschaften und anderen Vereinigungen,
g)
die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze,
h)
die Verwaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren im Sinne des § 1 Absatz 2 des Kapitalanlagegesetzbuchs, die Verwaltung von mit diesen vergleichbaren alternativen Investmentfonds im Sinne des § 1 Absatz 3 des Kapitalanlagegesetzbuchs, die Verwaltung von Wagniskapitalfonds und die Verwaltung von Versorgungseinrichtungen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes,
i)
die Umsätze der im Inland gültigen amtlichen Wertzeichen zum aufgedruckten Wert;
j)
(weggefallen)
k)
(weggefallen)
9.
a)
die Umsätze, die unter das Grunderwerbsteuergesetz fallen,
b)
die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen. Nicht befreit sind die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallenden Umsätze, die von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder von denen diese Steuer allgemein nicht erhoben wird;
10.
a)
die Leistungen auf Grund eines Versicherungsverhältnisses im Sinne des Versicherungsteuergesetzes. Das gilt auch, wenn die Zahlung des Versicherungsentgelts nicht der Versicherungsteuer unterliegt;
b)
die Leistungen, die darin bestehen, dass anderen Personen Versicherungsschutz verschafft wird;
11.
die Umsätze aus der Tätigkeit als Bausparkassenvertreter, Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler;
11a.
die folgenden vom 1. Januar 1993 bis zum 31. Dezember 1995 ausgeführten Umsätze der Deutschen Bundespost TELEKOM und der Deutsche Telekom AG:
a)
die Überlassung von Anschlüssen des Telefonnetzes und des diensteintegrierenden digitalen Fernmeldenetzes sowie die Bereitstellung der von diesen Anschlüssen ausgehenden Verbindungen innerhalb dieser Netze und zu Mobilfunkendeinrichtungen,
b)
die Überlassung von Übertragungswegen im Netzmonopol des Bundes,
c)
die Ausstrahlung und Übertragung von Rundfunksignalen einschließlich der Überlassung der dazu erforderlichen Sendeanlagen und sonstigen Einrichtungen sowie das Empfangen und Verteilen von Rundfunksignalen in Breitbandverteilnetzen einschließlich der Überlassung von Kabelanschlüssen;
11b.
Universaldienstleistungen nach Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. L 15 vom 21.1.1998, S. 14, L 23 vom 30.1.1998, S. 39), die zuletzt durch die Richtlinie 2008/6/EG (ABl. L 52 vom 27.2.2008, S. 3) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung. Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass der Unternehmer sich entsprechend einer Bescheinigung des Bundeszentralamtes für Steuern gegenüber dieser Behörde verpflichtet hat, flächendeckend im gesamten Gebiet der Bundesrepublik Deutschland die Gesamtheit der Universaldienstleistungen oder einen Teilbereich dieser Leistungen nach Satz 1 anzubieten. Die Steuerbefreiung gilt nicht für Leistungen, die der Unternehmer erbringt
a)
auf Grund individuell ausgehandelter Vereinbarungen oder
b)
auf Grund allgemeiner Geschäftsbedingungen zu abweichenden Qualitätsbedingungen oder zu günstigeren Preisen als den nach den allgemein für jedermann zugänglichen Tarifen oder als den nach § 19 des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3294), das zuletzt durch Artikel 272 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, genehmigten Entgelten;
12.
a)
die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken, von Berechtigungen, für die die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke gelten, und von staatlichen Hoheitsrechten, die Nutzungen von Grund und Boden betreffen,
b)
die Überlassung von Grundstücken und Grundstücksteilen zur Nutzung auf Grund eines auf Übertragung des Eigentums gerichteten Vertrags oder Vorvertrags,
c)
die Bestellung, die Übertragung und die Überlassung der Ausübung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken.
Nicht befreit sind die Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält, die Vermietung von Plätzen für das Abstellen von Fahrzeugen, die kurzfristige Vermietung auf Campingplätzen und die Vermietung und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören (Betriebsvorrichtungen), auch wenn sie wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind;
13.
die Leistungen, die die Gemeinschaften der Wohnungseigentümer im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 403-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, in der jeweils geltenden Fassung an die Wohnungseigentümer und Teileigentümer erbringen, soweit die Leistungen in der Überlassung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Gebrauch, seiner Instandhaltung, Instandsetzung und sonstigen Verwaltung sowie der Lieferung von Wärme und ähnlichen Gegenständen bestehen;
14.
a)
Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. Satz 1 gilt nicht für die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen (aus Unterpositionen 9021 21 und 9021 29 00 des Zolltarifs) und kieferorthopädischen Apparaten (aus Unterposition 9021 10 des Zolltarifs), soweit sie der Unternehmer in seinem Unternehmen hergestellt oder wiederhergestellt hat;
b)
Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die in Satz 1 bezeichneten Leistungen sind auch steuerfrei, wenn sie von
aa)
zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder anderen Krankenhäusern, die ihre Leistungen in sozialer Hinsicht unter vergleichbaren Bedingungen wie die Krankenhäuser erbringen, die in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft stehen oder nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zugelassen sind; in sozialer Hinsicht vergleichbare Bedingungen liegen vor, wenn das Leistungsangebot des Krankenhauses den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht und die Kosten voraussichtlich in mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen für die Krankenhausleistungen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem Krankenhausentgeltgesetz oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde oder voraussichtlich mindestens 40 Prozent der Leistungen den in § 4 Nummer 15 Buchstabe b genannten Personen zugutekommen, dabei ist grundsätzlich auf die Verhältnisse im vorangegangenen Kalenderjahr abzustellen,
bb)
Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,
cc)
Einrichtungen, die von den Trägern der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 34 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch an der Versorgung beteiligt worden sind,
dd)
Einrichtungen, mit denen Versorgungsverträge nach den §§ 111 und 111a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen,
ee)
Rehabilitationseinrichtungen, mit denen Verträge nach § 38 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch bestehen,
ff)
Einrichtungen zur Geburtshilfe, für die Verträge nach § 134a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch gelten,
gg)
Hospizen, mit denen Verträge nach § 39a Abs. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen, oder
hh)
Einrichtungen, mit denen Verträge nach § 127 in Verbindung mit § 126 Absatz 3 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch über die Erbringung nichtärztlicher Dialyseleistungen bestehen,
erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht, oder
ii)
von Einrichtungen nach § 138 Abs. 1 Satz 1 des Strafvollzugsgesetzes erbracht werden;
c)
Leistungen nach den Buchstaben a und b, die im Rahmen der hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder der besonderen Versorgung nach § 140a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch von Einrichtungen erbracht werden, mit denen entsprechende Verträge bestehen, sowie Leistungen zur Sicherstellung der ambulanten Versorgung in stationären Pflegeeinrichtungen die durch Einrichtungen erbracht werden, mit denen Verträge nach § 119b des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bestehen;
d)
(weggefallen)
e)
die zur Verhütung von nosokomialen Infektionen und zur Vermeidung der Weiterverbreitung von Krankheitserregern, insbesondere solcher mit Resistenzen, erbrachten Leistungen eines Arztes oder einer Hygienefachkraft, an in den Buchstaben a und b genannte Einrichtungen, die diesen dazu dienen, ihre Heilbehandlungsleistungen ordnungsgemäß unter Beachtung der nach dem Infektionsschutzgesetz und den Rechtsverordnungen der Länder nach § 23 Absatz 8 des Infektionsschutzgesetzes bestehenden Verpflichtungen zu erbringen;
f)
die eng mit der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens verbundenen Leistungen, die erbracht werden von
aa)
juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
bb)
Sanitäts- und Rettungsdiensten, die die landesrechtlichen Voraussetzungen erfüllen, oder
cc)
Einrichtungen, die nach § 75 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch die Durchführung des ärztlichen Notdienstes sicherstellen;
15.
die Umsätze der gesetzlichen Träger der Sozialversicherung, der gesetzlichen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sowie der gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch, der örtlichen und überörtlichen Träger der Sozialhilfe sowie der Verwaltungsbehörden und sonstigen Stellen der Kriegsopferversorgung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge
a)
untereinander,
b)
an die Versicherten, die Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, die Empfänger von Sozialhilfe oder die Versorgungsberechtigten;
15a.
die auf Gesetz beruhenden Leistungen der Medizinischen Dienste (§ 278 SGB V) und des Medizinischen Dienstes Bund (§ 281 SGB V) untereinander und für die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung und deren Verbände und für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sowie die gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch;
15b.
Eingliederungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Leistungen der aktiven Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch und vergleichbare Leistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Einrichtungen,
a)
die nach § 178 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch zugelassen sind,
b)
die für ihre Leistungen nach Satz 1 Verträge mit den gesetzlichen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch geschlossen haben oder
c)
die für Leistungen, die denen nach Satz 1 vergleichbar sind, Verträge mit juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die diese Leistungen mit dem Ziel der Eingliederung in den Arbeitsmarkt durchführen, geschlossen haben;
15c.
Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 49 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Rehabilitationsdienste und -einrichtungen nach den §§ 36 und 51 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, mit denen Verträge nach § 38 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch abgeschlossen worden sind;
16.
die eng mit der Betreuung oder Pflege körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftiger Personen verbundenen Leistungen, die erbracht werden von
a)
juristischen Personen des öffentlichen Rechts,
b)
Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 132 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
c)
Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 132a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, § 72 oder § 77 des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht oder die Leistungen zur häuslichen Pflege oder zur Heimpflege erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit § 44 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt sind,
d)
Einrichtungen, die Leistungen der häuslichen Krankenpflege oder Haushaltshilfe erbringen und die hierzu nach § 26 Abs. 5 in Verbindung mit den §§ 32 und 42 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch bestimmt sind,
e)
Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 194 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch besteht,
f)
Einrichtungen, die nach § 225 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind,
g)
Einrichtungen, soweit sie Leistungen erbringen, die landesrechtlich als Angebote zur Unterstützung im Alltag nach § 45a des Elften Buches Sozialgesetzbuch anerkannt sind,
h)
Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung nach § 123 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder nach § 76 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch besteht,
i)
Einrichtungen, mit denen ein Vertrag nach § 8 Absatz 3 des Gesetzes zur Errichtung der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau über die Gewährung von häuslicher Krankenpflege oder Haushaltshilfe nach den §§ 10 und 11 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte, § 10 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte oder nach § 54 Absatz 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch besteht,
j)
Einrichtungen, die aufgrund einer Landesrahmenempfehlung nach § 2 der Frühförderungsverordnung als fachlich geeignete interdisziplinäre Frühförderstellen anerkannt sind,
k)
Einrichtungen, die als Betreuer nach § 1814 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergütet werden,
l)
Einrichtungen, mit denen eine Vereinbarung zur Pflegeberatung nach § 7a des Elften Buches Sozialgesetzbuch besteht, oder
m)
Einrichtungen, bei denen die Betreuungs- oder Pflegekosten oder die Kosten für eng mit der Betreuung oder Pflege verbundene Leistungen in mindestens 25 Prozent der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung, den Trägern der Sozialhilfe, den Trägern der Eingliederungshilfe nach § 94 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch oder der für die Durchführung der Kriegsopferversorgung zuständigen Versorgungsverwaltung einschließlich der Träger der Kriegsopferfürsorge ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet werden.
Leistungen im Sinne des Satzes 1, die von Einrichtungen nach den Buchstaben b bis m erbracht werden, sind befreit, soweit es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Anerkennung, der Vertrag oder die Vereinbarung nach Sozialrecht oder die Vergütung jeweils bezieht;
17.
a)
die Lieferungen von menschlichen Organen, menschlichem Blut und Frauenmilch,
b)
die Beförderungen von kranken und verletzten Personen mit Fahrzeugen, die hierfür besonders eingerichtet sind;
18.
eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen, wenn diese Leistungen von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben, erbracht werden. Etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden. Für in anderen Nummern des § 4 bezeichnete Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht;
18a.
die Leistungen zwischen den selbständigen Gliederungen einer politischen Partei, soweit diese Leistungen im Rahmen der satzungsgemäßen Aufgaben gegen Kostenerstattung ausgeführt werden, und sofern die jeweilige Partei nicht gemäß § 18 Absatz 7 des Parteiengesetzes von der staatlichen Teilfinanzierung ausgeschlossen ist;
19.
a)
die Umsätze der Blinden, die nicht mehr als zwei Arbeitnehmer beschäftigen. Nicht als Arbeitnehmer gelten der Ehegatte, der eingetragene Lebenspartner, die minderjährigen Abkömmlinge, die Eltern des Blinden und die Lehrlinge. Die Blindheit ist nach den für die Besteuerung des Einkommens maßgebenden Vorschriften nachzuweisen. Die Steuerfreiheit gilt nicht für die Lieferungen von Energieerzeugnissen im Sinne des § 1 Abs. 2 und 3 des Energiesteuergesetzes und von Alkoholerzeugnissen im Sinne des Alkoholsteuergesetzes, wenn der Blinde für diese Erzeugnisse Energiesteuer oder Alkoholsteuer zu entrichten hat, und für Lieferungen im Sinne der Nummer 4a Satz 1 Buchstabe a Satz 2,
b)
die folgenden Umsätze der nicht unter Buchstabe a fallenden Inhaber von anerkannten Blindenwerkstätten und der anerkannten Zusammenschlüsse von Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch:
aa)
die Lieferungen von Blindenwaren und Zusatzwaren,
bb)
die sonstigen Leistungen, soweit bei ihrer Ausführung ausschließlich Blinde mitgewirkt haben;
20.
a)
die Umsätze folgender Einrichtungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts: Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, Museen, botanische Gärten, zoologische Gärten, Tierparks, Archive, Büchereien sowie Denkmäler der Bau- und Gartenbaukunst. Das Gleiche gilt für die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Steuerfrei sind auch die Umsätze von Bühnenregisseuren und Bühnenchoreographen an Einrichtungen im Sinne der Sätze 1 und 2, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass deren künstlerische Leistungen diesen Einrichtungen unmittelbar dienen. Museen im Sinne dieser Vorschrift sind wissenschaftliche Sammlungen und Kunstsammlungen,
b)
die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer, wenn die Darbietungen von den unter Buchstabe a bezeichneten Theatern, Orchestern, Kammermusikensembles oder Chören erbracht werden,
21.
a)
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen,
aa)
wenn sie als Ersatzschulen gemäß Artikel 7 Abs. 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind oder
bb)
wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten,
b)
die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Unterrichtsleistungen selbständiger Lehrer
aa)
an Hochschulen im Sinne der §§ 1 und 70 des Hochschulrahmengesetzes und öffentlichen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Schulen oder
bb)
an privaten Schulen und anderen allgemeinbildenden oder berufsbildenden Einrichtungen, soweit diese die Voraussetzungen des Buchstabens a erfüllen;
21a.
(weggefallen)
22.
a)
die Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden,
b)
andere kulturelle und sportliche Veranstaltungen, die von den in Buchstabe a genannten Unternehmern durchgeführt werden, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht;
23.
a)
die Erziehung von Kindern und Jugendlichen und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder durch andere Einrichtungen erbracht werden, deren Zielsetzung mit der einer Einrichtung des öffentlichen Rechts vergleichbar ist und die keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden,
b)
eng mit der Betreuung von Kindern und Jugendlichen verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen, die durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder durch andere als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind Einrichtungen, soweit sie
aa)
auf Grund gesetzlicher Regelungen im Bereich der sozialen Sicherheit tätig werden oder
bb)
Leistungen erbringen, die im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts vergütet wurden,
c)
Verpflegungsdienstleistungen und Beherbergungsleistungen gegenüber Kindern in Kindertageseinrichtungen, Studierenden und Schülern an Hochschulen im Sinne der Hochschulgesetze der Länder, an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Berufsakademie, an öffentlichen Schulen und an Ersatzschulen, die gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind, sowie an staatlich anerkannten Ergänzungsschulen und an Berufsschulheimen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder durch andere Einrichtungen, die keine systematische Gewinnerzielung anstreben; etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, dürfen nicht verteilt, sondern müssen zur Erhaltung oder Verbesserung der durch die Einrichtung erbrachten Leistungen verwendet werden.
Steuerfrei sind auch die Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen, die die Unternehmer den Personen, die bei der Erbringung der Leistungen nach Satz 1 Buchstabe a und b beteiligt sind, als Vergütung für die geleisteten Dienste gewähren. Kinder und Jugendliche im Sinne von Satz 1 Buchstabe a und b sind alle Personen, die noch nicht 27 Jahre alt sind. Für die in den Nummern 15b, 15c, 21, 24 und 25 bezeichneten Leistungen kommt die Steuerbefreiung nur unter den dort genannten Voraussetzungen in Betracht;
24.
die Leistungen des Deutschen Jugendherbergswerkes, Hauptverband für Jugendwandern und Jugendherbergen e.V., einschließlich der diesem Verband angeschlossenen Untergliederungen, Einrichtungen und Jugendherbergen, soweit die Leistungen den Satzungszwecken unmittelbar dienen oder Personen, die bei diesen Leistungen tätig sind, Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen als Vergütung für die geleisteten Dienste gewährt werden. Das Gleiche gilt für die Leistungen anderer Vereinigungen, die gleiche Aufgaben unter denselben Voraussetzungen erfüllen;
25.
Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Absatz 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch, die Inobhutnahme nach § 42 des Achten Buches Sozialgesetzbuch und Leistungen der Adoptionsvermittlung nach dem Adoptionsvermittlungsgesetz, wenn diese Leistungen von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden. Andere Einrichtungen mit sozialem Charakter im Sinne dieser Vorschrift sind
a)
von der zuständigen Jugendbehörde anerkannte Träger der freien Jugendhilfe, die Kirchen und Religionsgemeinschaften des öffentlichen Rechts,
b)
Einrichtungen, soweit sie
aa)
für ihre Leistungen eine im Achten Buch Sozialgesetzbuch geforderte Erlaubnis besitzen oder nach § 44 oder § 45 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Achten Buches Sozialgesetzbuch einer Erlaubnis nicht bedürfen,
bb)
Leistungen erbringen, die im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder Einrichtungen nach Buchstabe a vergütet wurden,
cc)
Leistungen der Kindertagespflege erbringen, für die sie nach § 23 Absatz 3 des Achten Buches Sozialgesetzbuch geeignet sind, oder
dd)
Leistungen der Adoptionsvermittlung erbringen, für die sie nach § 4 Absatz 1 des Adoptionsvermittlungsgesetzes anerkannt oder nach § 4 Absatz 2 des Adoptionsvermittlungsgesetzes zugelassen sind.
Steuerfrei sind auch
a)
die Durchführung von kulturellen und sportlichen Veranstaltungen, wenn die Darbietungen von den von der Jugendhilfe begünstigten Personen selbst erbracht oder die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden und diese Leistungen in engem Zusammenhang mit den in Satz 1 bezeichneten Leistungen stehen,
b)
die Beherbergung, Beköstigung und die üblichen Naturalleistungen, die diese Einrichtungen den Empfängern der Jugendhilfeleistungen und Mitarbeitern in der Jugendhilfe sowie den bei den Leistungen nach Satz 1 tätigen Personen als Vergütung für die geleisteten Dienste gewähren,
c)
Leistungen, die von Einrichtungen erbracht werden, die als Vormünder nach § 1773 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder als Ergänzungspfleger nach § 1809 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bestellt worden sind, sofern es sich nicht um Leistungen handelt, die nach § 1877 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vergütet werden,
d)
Einrichtungen, die als Verfahrensbeistand nach den §§ 158, 174 oder 191 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bestellt worden sind, wenn die Preise, die diese Einrichtungen verlangen, von den zuständigen Behörden genehmigt sind oder die genehmigten Preise nicht übersteigen; bei Umsätzen, für die eine Preisgenehmigung nicht vorgesehen ist, müssen die verlangten Preise unter den Preisen liegen, die der Mehrwertsteuer unterliegende gewerbliche Unternehmen für entsprechende Umsätze fordern;
26.
die ehrenamtliche Tätigkeit,
a)
wenn sie für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird oder
b)
wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht;
27.
a)
die Gestellung von Personal durch religiöse und weltanschauliche Einrichtungen für die in Nummer 14 Buchstabe b, in den Nummern 16, 18, 21, 22 Buchstabe a sowie in den Nummern 23 und 25 genannten Tätigkeiten und für Zwecke geistlichen Beistands,
b)
die Gestellung von land- und forstwirtschaftlichen Arbeitskräften durch juristische Personen des privaten oder des öffentlichen Rechts für land- und forstwirtschaftliche Betriebe (§ 24 Abs. 2) mit höchstens drei Vollarbeitskräften zur Überbrückung des Ausfalls des Betriebsinhabers oder dessen voll mitarbeitenden Familienangehörigen wegen Krankheit, Unfalls, Schwangerschaft, eingeschränkter Erwerbsfähigkeit oder Todes sowie die Gestellung von Betriebshelfern an die gesetzlichen Träger der Sozialversicherung;
28.
die Lieferungen von Gegenständen, für die der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1a ausgeschlossen ist oder wenn der Unternehmer die gelieferten Gegenstände ausschließlich für eine nach den Nummern 8 bis 27 und 29 steuerfreie Tätigkeit verwendet hat;
29.
sonstige Leistungen von selbständigen, im Inland ansässigen Zusammenschlüssen von Personen, deren Mitglieder eine dem Gemeinwohl dienende nichtunternehmerische Tätigkeit oder eine dem Gemeinwohl dienende Tätigkeit ausüben, die nach den Nummern 11b, 14 bis 18, 20 bis 25 oder 27 von der Steuer befreit ist, gegenüber ihren im Inland ansässigen Mitgliedern, soweit diese Leistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeiten verwendet werden und der Zusammenschluss von seinen Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordert, vorausgesetzt, dass diese Befreiung nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung führt.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) handelt mit neuwertigen Personenfahrzeugen und führte in den Streitjahren 2001 und 2002 innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien aus. Abnehmer waren die italienischen Firmen RR, RY und ET, bei denen es sich jeweils um Kapitalgesellschaften italienischen Rechts handelte. RR und RY wurden bei den Vertragsschlüssen mit dem Kläger von S vertreten, die im Inland in P wohnte und der sie jeweils Generalvollmacht erteilt hatten. S überwies den Kaufpreis jeweils über inländische Bankkonten, die sie für zwei der Firmen eingerichtet hatte.

2

Mit Schreiben vom 10. November 2003 an das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und vom 6. Februar 2004 an das zuständige Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung teilte die italienische Staatsanwaltschaft mit, dass RR, RY und ET bei innergemeinschaftlichen Erwerben von Fahrzeugen die Erwerbsteuer hinterzogen hätten. Die Geschäfte der drei Firmen seien von S und D geführt worden. Die Firmen hätten ihre Tätigkeit jedenfalls nicht an ihrem jeweiligen Sitz in Italien ausgeübt. Die Verkäufer hätten von der Steuerhinterziehung zugunsten der drei Firmen gewusst. Die von RR, RY und ET erworbenen Fahrzeuge seien von diesen an andere Abnehmer verkauft worden und direkt aus Deutschland zu diesen Abnehmern verbracht worden.

3

Gegen den Kläger wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet. Im Anschluss an den Steuerfahndungsbericht vom 11. August 2005 ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu versagen sei und änderte gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) die bestehenden Umsatzsteuerbescheide für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 11. Oktober 2005. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens erfolgte eine nochmalige Änderung für beide Streitjahre durch die Bescheide vom 31. Juli 2006. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

4

Demgegenüber gab das Finanzgericht (FG) der Klage überwiegend statt. In der mündlichen Verhandlung sagte das FA zu, die Bescheide für beide Streitjahre in zwei Einzelpunkten zu ändern. Das FG stützte die Klagestattgabe darauf, es sei nicht zweifelhaft, dass RR, RY und ET Vertragspartner und Abnehmer der Lieferungen seien. Ein Erwerb für das Unternehmen des jeweiligen Abnehmers ergebe sich aus den dem Kläger nach § 18e des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) erteilten Bestätigungen. Der Kläger habe auch den Buchnachweis geführt. Alle Fahrzeuge seien tatsächlich nach Italien verbracht worden.

5

Für die Lieferungen an RR und RY, bei denen Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgt seien, liege der Belegnachweis vor. Entgegen der Verwaltungsauffassung komme es hierfür nicht auf eine Unterzeichnung der Frachtbriefe durch den Absender an.

6

Der Nachweis des Bestimmungsorts ergebe sich darüber hinaus aus den in den Rechnungen ausgewiesenen Anschriften der RR, RY und ET. Für den Kläger hätten bei Beachtung kaufmännischer Sorgfalt auch keine Verdachtsmomente bestanden. Es habe sich um Lieferungen im Rahmen normaler Handelsgeschäfte gehandelt. Der Kläger habe nicht an einer Vermeidung der Erwerbsbesteuerung durch seine Abnehmer mitgewirkt. In den Beförderungsfällen hätten Versicherungen vorgelegen, die Fahrzeuge nach Italien zu befördern. Soweit in einzelnen Fällen Name und Anschrift des Abholers nicht ausreichend vermerkt oder nicht lesbar sei, stehe dies der Steuerfreiheit nicht entgegen. Steuerfrei sei auch eine Ausfuhrlieferung an PA nach San Marino.

7

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1537 veröffentlicht.

8

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Die CMR-Frachtbriefe seien nicht als Versendungsbelege anzuerkennen. Zwar komme es nicht auf die Bestätigung des Warenerhalts in Feld 24 durch den Empfänger an. Frachtführer und Absender müssten aber den Frachtbrief wie im Formular vorgesehen unterschreiben. Erst aufgrund der Unterschrift des Frachtführers komme dem Frachtbrief Beweiswirkung zu. Soweit in den CMR-Frachtbriefen der inländische Ort P oder nur Italien als Bestimmungsort genannt werde, reiche dies nicht aus. Der Rechnungsanschrift könne dann keine Bedeutung beigemessen werden. Es fehlten auch Angaben zu den Fahrzeugidentifikationsnummern und den Ausfertigungsdaten. In den Abholfällen lägen keine Belegangaben vor. Das FG habe insoweit unter Missachtung der Beweislastverteilung entschieden, dass die Fahrzeuge nach Italien gelangt seien. Bei den Lieferungen an ET seien die Fahrzeuge von dem im Inland ansässigen G abgeholt worden, ohne dass hinreichende Belegangaben zu dessen Namen und Anschrift vorgelegen hätten. Der nachträglichen Verbringungsbestätigung, die mit unbekannter Unterschrift versehen sei, komme keine Beweiswirkung zu. Soweit das FG allgemein davon ausgegangen sei, dass die Lieferungen aufgrund der objektiven Beweislage steuerfrei seien, sei nicht erkennbar, auf welche Umstände sich das FG dabei stütze. Soweit die Belegnachweise mangelhaft seien, komme entgegen dem FG-Urteil auch kein Vertrauensschutz in Betracht.

9

Das FA beantragt,

das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als das FG Lieferungen in Höhe von 38.567,28 € in 2001 und in Höhe von 288.240 € in 2002 als steuerfrei anerkannt hat und diese als steuerpflichtige Umsätze anzusetzen.

10

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet abzuweisen.

11

Er sei seinen Nachweispflichten nachgekommen. Dass italienische Ermittlungsbehörden im Nachhinein die aufgezeichneten Abnehmer als wirtschaftlich nicht existent bezeichneten, reiche zur Versagung der Steuerfreiheit nicht aus. RR und RY seien zivilrechtlich seine Vertragspartner gewesen. Sie seien wirksam durch S aufgrund ihrer Generalvollmacht verpflichtet worden. Er habe sich hinsichtlich der CMR-Frachtbriefe entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch als Versender ansehen dürfen. Er habe auch qualifizierte Bestätigungsabfragen hinsichtlich der Umsatzsteuer-Identifikationsnummern seiner Abnehmer vorgenommen. Die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit seien auch objektiv erfüllt. Wie den Ermittlungen der italienischen Staatsanwaltschaft zu entnehmen sei, seien die Fahrzeuge nicht direkt zu den Abnehmern RR, RY und ET, sondern im Rahmen von Reihengeschäften zu deren Abnehmern gelangt. Dies zeige, dass RR, RY und ET die Fahrzeuge zuvor innergemeinschaftlich erworben hätten. Welche Anforderungen an den Objektivnachweis der Steuerfreiheit zu stellen seien, obliege der tatrichterlichen Würdigung. Das FA wende sich nur gegen die Beweiswürdigung des FG.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist im Umfang des Revisionsantrags begründet. Das Urteil des FG ist im beantragten Umfang aufzuheben und die Sache ist insoweit an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen vorliegen.

13

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

14

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer der Lieferung entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstands der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

15

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/ die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

16

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

17

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22; vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG in der Fassung der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

18

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

19

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 AO). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

20

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch (zutreffende) Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

21

Der Unternehmer kann grundsätzlich die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern, um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstands zu vermeiden, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts nunmehr die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

22

3. Im Streitfall ist das Urteil des FG aufzuheben, da es § 17a Abs. 2 und Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 10 UStDV verletzt.

23

a) Soweit im Streitfall Versendungen mit CMR-Frachtbriefen erfolgten, hat das FG zu Recht entschieden, dass diese nicht vom Absender unterschrieben sein müssen. Nicht beachtet hat das FG aber, dass derartige Frachtbriefe nur als Versendungsbeleg anzuerkennen sind, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

24

Nach dem Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3. muss ein CMR-Frachtbrief nicht die dort in Feld 24 vorgesehene Empfängerbestätigung enthalten, um als Versendungsbeleg i.S. von § 17a Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 UStDV anerkannt zu werden. Der Senat hat dies insbesondere auf einen Vergleich mit den Angaben gestützt, die bei der Erstellung einer steuerrechtlichen Versandbestätigung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV zu machen sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.3.c aa). Dementsprechend sind CMR-Frachtbriefe umsatzsteuerrechtlich als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten.

25

Wie das FG zutreffend entschieden hat, setzt entgegen dem BMF-Schreiben vom 5. Mai 2010 (BStBl I 2010, 508 Rdnr. 36; ebenso Abschn. 6a.4 Abs. 3 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) die Beurteilung als Versendungsbeleg i.S. des § 10 Abs. 1 UStDV nicht voraus, dass der Auftraggeber des Frachtführers (Versender) den Frachtbrief unterzeichnet. Verzichtet die UStDV auf eine derartige Unterzeichnung bei der steuerrechtlichen Bestätigung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV, ist kein Grund ersichtlich, der es rechtfertigt, die steuerrechtliche Anerkennung eines Frachtbriefs als Versendungsbeleg hiervon abhängig zu machen. Die Annahme des BMF, ohne Unterschrift des Auftraggebers des Frachtführers läge entgegen § 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV kein eindeutig und leicht nachprüfbarer Beleg vor, überzeugt nicht, da auch § 8 Abs. 1 Satz 2 UStDV auf eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit abstellt, zugleich aber in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV für die Versendung durch einen Spediteur auf eine Unterschrift durch den Auftraggeber des Spediteurs auf dem Versendungsbeleg verzichtet.

26

b) Gleichwohl sind die streitigen CMR-Frachtbriefe keine ausreichenden Versendungsbelege.

27

So enthalten die vom FG in Bezug genommenen CMR-Frachtbriefe vom 12. September 2002 und vom 17. Januar 2002 (Bl. 40 und 41 der Beweismittelakte) entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e UStDV keine Angaben zum Auslieferungsort, während ein weiterer CMR-Frachtbrief entgegen § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStDV keine Angaben zum Ausstellungstag enthält und darüber hinaus als Auslieferungsort P im Inland angibt (CMR ohne Datum, Bl. 70 der Beweismittelakte).

28

Soweit die Fahrzeuge durch Frachtführer mit CMR-Frachtbriefen versendet wurden, genügt somit nur der am 27. Februar 2002 ausgefertigte CMR-Frachtbrief (Bl. 39 der Beweismittelakte) den Anforderungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV. Er weist S als Absender, RY als Empfänger, den Ort S.L. in Italien sowie die beförderten Gegenstände als "7 Stück Mercedes A 170", weiter gekennzeichnet mit einer jeweils sechsstelligen Zahlenkombination, aus.

29

c) Auch in den Beförderungsfällen bestehen begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben, so dass entgegen dem FG-Urteil kein hinreichender Belegnachweis vorliegt. Zwar kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts nach dem Senatsurteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03 (BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c) aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird. Letzteres erscheint aber im Hinblick auf das Vorliegen von Reihengeschäften, von dem die italienischen Behörden ausgehen, zweifelhaft.

30

d) Liegen somit die Voraussetzungen des Belegnachweises nicht vor oder bestehen an den Belegangaben zumindest begründete Zweifel, ist nicht erkennbar, aufgrund welcher Feststellungen das FG davon ausgegangen ist, dass nach objektiver Beweislage zweifelsfrei feststehen soll, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen (s. oben II.2.). Ob sich dies für die einzelnen Lieferungen aus den allgemeinen Mitteilungen der italienischen Behörden ergibt, die sich pauschal auf "tausende von Kraftfahrzeugen" (Beweismittelakte Bl. 2) durch eine Vielzahl deutscher Lieferanten (Beweismittelakte Bl. 10 f.) beziehen, ist nicht erkennbar. Auch fehlen Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass die Fahrzeuge in Italien --oder im Fall der Lieferung nach San Marino-- in San Marino zugelassen wurden.

31

4. Die Sache ist nicht spruchreif. Im zweiten Rechtsgang wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

32

a) Gegen die Würdigung des FG, dass RR, RY und ET Abnehmer der Lieferungen waren, bestehen revisionsrechtlich jedenfalls keine Bedenken, soweit diese --was nach den Feststellungen des FG nicht eindeutig ist-- von S vertreten wurden.

33

Im Streitfall waren nach den zwischen dem Kläger und S als bevollmächtigte Vertreter für RR und RY abgeschlossenen Verträgen, die den Lieferungen zugrunde lagen (s. oben II.2.b), RR und RY Abnehmer. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die zwischen dem Kläger und S als Vertreter abgeschlossenen Verträge Scheingeschäfte waren (§ 41 Abs. 2 AO), die andere Rechtsgeschäfte des Klägers mit den Kunden der RR und RY verdecken sollten. Dies scheitert bereits daran, dass dem Kläger diese Kunden nicht bekannt waren.

34

b) Sollten RR, RY und ET entsprechend der Mitteilung der italienischen Staatsanwaltschaft die Fahrzeuge an andere Abnehmer weiterverkauft haben, wird Folgendes zu berücksichtigen sein:

35

Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt der Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands gemäß § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Kommt es bei zwei aufeinanderfolgenden Lieferungen desselben Gegenstands, die gegen Entgelt zwischen Steuerpflichtigen vorgenommen werden, die als solche handeln, zu einer einzigen innergemeinschaftlichen Versendung oder Beförderung dieses Gegenstands, kann nach der Rechtsprechung des EuGH die Versendung oder Beförderung nur einer der beiden Lieferungen zugeordnet werden, die dann als einzige nach Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil vom 6. April 2006 C-245/04, EMAG Handel Eder, Slg. 2006, I-3227, UR 2006, 342, Leitsatz 1).

36

Erklärt der Ersterwerber gegenüber dem ersten Lieferer, den Gegenstand der Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat als den Liefermitgliedstaat zu befördern, handelt er weiter dabei unter seiner Umsatzsteuer-Identifikationsnummer und holt er den gelieferten Gegenstand beim ersten Lieferer mit einem LKW und Fahrer des Zweiterwerbers ab, ist die Beförderung der ersten Lieferung zuzuordnen, so dass der Erstlieferer die innergemeinschaftliche Lieferung ausführt (EuGH-Urteil vom 16. Dezember 2010 C-430/09, Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 15 und 35). Weder die Beteiligung des Zweiterwerbers an der Beförderung noch die Beförderung zu einer anderen Adresse als der des Ersterwerbers führen zu einer Zuordnung der Beförderung zur zweiten Lieferung (EuGH-Urteil Euro Tyre Holding in UR 2011, 176 Rdnrn. 41 f.). Danach kann es sich im Streitfall bei den Lieferungen des Klägers auch dann um innergemeinschaftliche Lieferungen gehandelt haben, wenn die Fahrzeuge nicht zu seinen Abnehmern, die dann als Zwischenhändler anzusehen wären, sondern zu den Abnehmern der Zwischenhändler befördert oder versendet wurden.

37

c) Soweit das FG im zweiten Rechtgang feststellen sollte, dass der Kläger den Beleg- und Buchnachweis zwar vollständig erbracht hat, wozu auch Angaben zur Identität und Anschrift des Abholers gehören (Senatsurteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1), die Beleg- und Buchangaben aber z.B. hinsichtlich des Bestimmungsorts der Lieferungen inhaltlich unzutreffend sind (s. oben II.3.b und c) und darüber hinaus auch das objektive Vorliegen der Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG nicht feststellbar ist (s. oben II.2.c), kann die Lieferung gleichwohl nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei sein, wenn die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben nicht erkennen konnte. War z.B. für den Kläger auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennbar, dass Reihengeschäfte vorliegen und die gelieferten Fahrzeuge entgegen den Angaben seiner Abnehmer nicht zum Unternehmensort der Abnehmer befördert oder versendet werden sollten, kann Vertrauensschutz zu gewähren sein.

38

Einer Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG stehen dann auch nicht die Grundsätze des EuGH-Urteils R in UR 2011, 15 entgegen. Zwar ist danach auch eine tatsächlich stattgefundene innergemeinschaftliche Lieferung steuerpflichtig, wenn der Lieferer "die Identität des wahren Erwerbers verschleiert hat, um diesem zu ermöglichen, die Mehrwertsteuer zu hinterziehen" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz). An einer derartigen Verschleierung fehlt es aber, wenn der Unternehmer bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns davon ausgehen durfte, dass seine Vertragspartner auch die "wirklichen" Abnehmer sind und für ihn das Vorliegen eines Reihengeschäfts nicht erkennbar ist (s. oben II.4.a).

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Österreich an die Firmen EE, FD und BB-GmbH aus. Das Landgericht (LG) verurteilte L.F., den Geschäftsführer der Abnehmerfirmen, mit Urteil vom 9. August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, EE, FD und BB-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an EE, FD und BB-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte das FA die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klägerin aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei.

4

Nach Klageerhebung erging am 6. August 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2000, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1740 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie sei nicht in ein "doloses Umsatzsteuer-Karussell" eingebunden gewesen. Das FG habe sich Feststellungen aus dem Strafverfahren gegen eine für sie fremde Person nicht zu eigen machen dürfen, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei und daher dort keine Einwendungen habe geltend machen können. Im Übrigen stehe die Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Das Strafurteil sei nur gegen L.F. als Geschäftsführer der Abnehmerfirmen ergangen. Das FG habe Zeugenaussagen gewürdigt, ohne Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und die Umsatzsteuer 2000 auf 639.969 DM (anstatt 1.194.163 DM) herabzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die innergemeinschaftlichen Lieferungen seien aufgrund der unzutreffenden Empfängerbezeichnung steuerpflichtig. Die Klägerin habe auch keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

11

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

12

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

13

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

15

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22, und vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber, in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger, in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

16

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

17

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

18

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

19

Der Unternehmer kann die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes zu umgehen, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

20

3. Das FG hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

21

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerfreiheit zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder "wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" oder "Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen".

23

Hierauf hat der EuGH entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zwar objektiv vorliegen, jedoch "bewusst sachlich falsche" Rechnungen ausgestellt werden, um "die Identität der wahren Erwerber" zu "verschleiern" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 47, 49 und Leitsatz). Der EuGH stützt die Steuerpflicht derartiger Lieferungen dabei maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten, zu denen auch Angaben zur Person des Abnehmers gehören.

24

Wie ein Vergleich von Vorabentscheidungsersuchen und EuGH-Urteil zeigt, hat der EuGH in seinem Urteil R in UR 2011, 15 nicht entschieden, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vgl. auch Bülte, Der Betrieb 2011, 442, sowie Bürger/Paul, Betriebs-Berater 2011, 540, 542).

25

b) Ob die Versagung der innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin deswegen nicht in Betracht kommen könnte, weil sie --wie das FG annimmt-- an einem "Karussellgeschäft" beteiligt gewesen sein soll, kann aufgrund der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entschieden werden, denn allein der Hinweis auf ein Karussellgeschäft ersetzt keine tatsächlichen Feststellungen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ihre steuerlichen Pflichten in Hinterziehungsabsicht nicht erfüllt haben und ob dies der Klägerin bekannt war.

26

4. Dem Urteil des FG ist weiter nicht zu entnehmen, ob unzutreffende Abnehmerbezeichnungen vorliegen, wer in einem derartigen Fall als tatsächlicher Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen anzusehen ist und ob die Klägerin die Person des Abnehmers verschleiert hat. Bei der Bestimmung des Abnehmers der von der Klägerin ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung sind im zweiten Rechtsgang die zuvor unter II.2.a und b genannten Grundsätze zu beachten.

27

Liegt keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des jeweiligen Abnehmers vor, sind weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insbesondere zur Erfüllung der dortigen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu treffen. Weiter kommt es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Es kommt dann ggf. auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung möglicherweise bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts in Betracht.

28

Hinsichtlich der vom FG angenommenen Versagung des Vorsteuerabzugs sind weitere Feststellungen zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Vorstandsmitglied der Klägerin und damit die Klägerin Kenntnis von ihrer Einbindung in das Steuerbetrugsmodell ihrer Lieferanten erlangt hat. Hat sie hiervon erst nach dem Leistungsbezug erfahren, würde dies eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs nicht rechtfertigen.

29

5. Auf die Verfahrensrügen kam es nicht mehr an.

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

(1) Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht).

(1a) Als Lieferung gegen Entgelt gilt das Verbringen eines Gegenstands des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in den Fällen des § 6b.

(1b) Einer Lieferung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen;
2.
die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen;
3.
jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens.
Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.

(2) (weggefallen)

(3) Beim Kommissionsgeschäft (§ 383 des Handelsgesetzbuchs) liegt zwischen dem Kommittenten und dem Kommissionär eine Lieferung vor. Bei der Verkaufskommission gilt der Kommissionär, bei der Einkaufskommission der Kommittent als Abnehmer.

(3a) Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Absatz 5 Satz 1 unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro unterstützt. Eine elektronische Schnittstelle im Sinne der Sätze 1 und 2 ist ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder Ähnliches. Ein Fernverkauf im Sinne des Satzes 2 ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber in einem Mitgliedstaat befördert oder versendet wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Erwerber im Sinne des Satzes 4 ist ein in § 3a Absatz 5 Satz 1 bezeichneter Empfänger oder eine in § 1a Absatz 3 Nummer 1 genannte Person, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet noch auf ihre Anwendung verzichtet; im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend. Satz 2 gilt nicht für die Lieferung neuer Fahrzeuge und eines Gegenstandes, der mit oder ohne probeweise Inbetriebnahme durch den Lieferer oder für dessen Rechnung montiert oder installiert geliefert wird.

(4) Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden.

(5) Hat ein Abnehmer dem Lieferer die Nebenerzeugnisse oder Abfälle, die bei der Bearbeitung oder Verarbeitung des ihm übergebenen Gegenstands entstehen, zurückzugeben, so beschränkt sich die Lieferung auf den Gehalt des Gegenstands an den Bestandteilen, die dem Abnehmer verbleiben. Das gilt auch dann, wenn der Abnehmer an Stelle der bei der Bearbeitung oder Verarbeitung entstehenden Nebenerzeugnisse oder Abfälle Gegenstände gleicher Art zurückgibt, wie sie in seinem Unternehmen regelmäßig anfallen.

(5a) Der Ort der Lieferung richtet sich vorbehaltlich der §§ 3c, 3e und 3g nach den Absätzen 6 bis 8.

(6) Wird der Gegenstand der Lieferung durch den Lieferer, den Abnehmer oder einen vom Lieferer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten befördert oder versendet, gilt die Lieferung dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt. Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstands. Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt. Die Versendung beginnt mit der Übergabe des Gegenstands an den Beauftragten.

(6a) Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer (Reihengeschäft), so ist die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung dabei durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen. Wird der Gegenstand der Lieferung durch einen Abnehmer befördert oder versendet, der zugleich Lieferer ist (Zwischenhändler), ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen, es sei denn, er weist nach, dass er den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat. Gelangt der Gegenstand der Lieferung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates und verwendet der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen. Gelangt der Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Gelangt der Gegenstand der Lieferung vom Drittlandsgebiet in das Gemeinschaftsgebiet, ist von einem ausreichenden Nachweis nach Satz 4 auszugehen, wenn der Gegenstand der Lieferung im Namen des Zwischenhändlers oder im Rahmen der indirekten Stellvertretung (Artikel 18 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union, ABl. L 269 vom 10.10.2013, S. 1) für seine Rechnung zum zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr angemeldet wird.

(6b) Wird ein Unternehmer gemäß Absatz 3a behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

(7) Wird der Gegenstand der Lieferung nicht befördert oder versendet, wird die Lieferung dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. In den Fällen der Absätze 6a und 6b gilt Folgendes:

1.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung vorangehen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands beginnt.
2.
Lieferungen, die der Beförderungs- oder Versendungslieferung folgen, gelten dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstands endet.

(8) Gelangt der Gegenstand der Lieferung bei der Beförderung oder Versendung aus dem Drittlandsgebiet in das Inland, gilt der Ort der Lieferung dieses Gegenstands als im Inland gelegen, wenn der Lieferer oder sein Beauftragter Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist.

(8a) (weggefallen)

(9) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind. Sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen.

(9a) Einer sonstigen Leistung gegen Entgelt werden gleichgestellt

1.
die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstands, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen; dies gilt nicht, wenn der Vorsteuerabzug nach § 15 Absatz 1b ausgeschlossen oder wenn eine Vorsteuerberichtigung nach § 15a Absatz 6a durchzuführen ist;
2.
die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung durch den Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, oder für den privaten Bedarf seines Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen.

(10) Überlässt ein Unternehmer einem Auftraggeber, der ihm einen Stoff zur Herstellung eines Gegenstands übergeben hat, an Stelle des herzustellenden Gegenstands einen gleichartigen Gegenstand, wie er ihn in seinem Unternehmen aus solchem Stoff herzustellen pflegt, so gilt die Leistung des Unternehmers als Werkleistung, wenn das Entgelt für die Leistung nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Marktpreis des empfangenen Stoffs und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird.

(11) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung eingeschaltet und handelt er dabei im eigenen Namen, jedoch für fremde Rechnung, gilt diese Leistung als an ihn und von ihm erbracht.

(11a) Wird ein Unternehmer in die Erbringung einer sonstigen Leistung, die über ein Telekommunikationsnetz, eine Schnittstelle oder ein Portal erbracht wird, eingeschaltet, gilt er im Sinne von Absatz 11 als im eigenen Namen und für fremde Rechnung handelnd. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter dieser sonstigen Leistung von dem Unternehmer als Leistungserbringer ausdrücklich benannt wird und dies in den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien zum Ausdruck kommt. Diese Bedingung ist erfüllt, wenn

1.
in den von jedem an der Erbringung beteiligten Unternehmer ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind;
2.
in den dem Leistungsempfänger ausgestellten oder verfügbar gemachten Rechnungen die sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 und der Erbringer dieser Leistung angegeben sind.
Die Sätze 2 und 3 finden keine Anwendung, wenn der Unternehmer hinsichtlich der Erbringung der sonstigen Leistung im Sinne des Satzes 2
1.
die Abrechnung gegenüber dem Leistungsempfänger autorisiert,
2.
die Erbringung der sonstigen Leistung genehmigt oder
3.
die allgemeinen Bedingungen der Leistungserbringung festlegt.
Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht, wenn der Unternehmer lediglich Zahlungen in Bezug auf die erbrachte sonstige Leistung im Sinne des Satzes 2 abwickelt und nicht an der Erbringung dieser sonstigen Leistung beteiligt ist.

(12) Ein Tausch liegt vor, wenn das Entgelt für eine Lieferung in einer Lieferung besteht. Ein tauschähnlicher Umsatz liegt vor, wenn das Entgelt für eine sonstige Leistung in einer Lieferung oder sonstigen Leistung besteht.

(13) Ein Gutschein (Einzweck- oder Mehrzweck-Gutschein) ist ein Instrument, bei dem

1.
die Verpflichtung besteht, es als vollständige oder teilweise Gegenleistung für eine Lieferung oder sonstige Leistung anzunehmen und
2.
der Liefergegenstand oder die sonstige Leistung oder die Identität des leistenden Unternehmers entweder auf dem Instrument selbst oder in damit zusammenhängenden Unterlagen, einschließlich der Bedingungen für die Nutzung dieses Instruments, angegeben sind.
Instrumente, die lediglich zu einem Preisnachlass berechtigen, sind keine Gutscheine im Sinne des Satzes 1.

(14) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem der Ort der Lieferung oder der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und die für diese Umsätze geschuldete Steuer zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen, ist ein Einzweck-Gutschein. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im eigenen Namen, gilt die Übertragung des Gutscheins als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht. Überträgt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im Namen eines anderen Unternehmers, gilt diese Übertragung als Lieferung des Gegenstands oder Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, durch den Unternehmer, in dessen Namen die Übertragung des Gutscheins erfolgt. Wird die im Einzweck-Gutschein bezeichnete Leistung von einem anderen Unternehmer erbracht als dem, der den Gutschein im eigenen Namen ausgestellt hat, wird der leistende Unternehmer so behandelt, als habe er die im Gutschein bezeichnete Leistung an den Aussteller erbracht. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die ein Einzweck-Gutschein als Gegenleistung angenommen wird, gilt in den Fällen der Sätze 2 bis 4 nicht als unabhängiger Umsatz.

(15) Ein Gutschein im Sinne des Absatzes 13, bei dem es sich nicht um einen Einzweck-Gutschein handelt, ist ein Mehrzweck-Gutschein. Die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung, für die der leistende Unternehmer einen Mehrzweck-Gutschein als vollständige oder teilweise Gegenleistung annimmt, unterliegt der Umsatzsteuer nach § 1 Absatz 1, wohingegen jede vorangegangene Übertragung dieses Mehrzweck-Gutscheins nicht der Umsatzsteuer unterliegt.

(1) Ist ein Rechtsgeschäft unwirksam oder wird es unwirksam, so ist dies für die Besteuerung unerheblich, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Dies gilt nicht, soweit sich aus den Steuergesetzen etwas anderes ergibt.

(2) Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich. Wird durch ein Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft verdeckt, so ist das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgebend.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Aktiengesellschaft, bezog in den Streitjahren 1999 und 2000 Lieferungen von der BA-GmbH und der P-GmbH. Sie führte innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien und Österreich an die Firmen EE, FD und BB-GmbH aus. Das Landgericht (LG) verurteilte L.F., den Geschäftsführer der Abnehmerfirmen, mit Urteil vom 9. August 2001 wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten, da er die Firmen BA-GmbH, P-GmbH, EE, FD und BB-GmbH als Strohmannfirmen ausschließlich zum Zweck der Umsatzsteuerhinterziehung gegründet habe. Die Geschäftsführung dieser Gesellschaften habe in seiner Hand gelegen. Die Klägerin habe die von der P-GmbH erworbenen Handys absprachegemäß unmittelbar an EE, FD und BB-GmbH weiterveräußert, von wo aus sie wieder in ein "Umsatzsteuer-Karussell" eingeschleust worden seien.

2

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) schloss sich den Feststellungen der Steuerfahndungsstelle an und erließ am 10. November 2005 für 1999 und 2000 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geänderte Umsatzsteuerbescheide. Mit Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 setzte das FA die Umsatzsteuer 1999 auf 420.370 DM und die Umsatzsteuer 2000 auf 1.281.253 DM fest. Im Übrigen wies es die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Klage hatte keinen Erfolg.

3

Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass der Klägerin aufgrund der ihrem Vorstandsmitglied bekannten Einbindung in ein "Umsatzsteuer-Karussell" der Vorsteuerabzug zu versagen sei. Aus diesem Grund seien auch ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen nicht steuerfrei.

4

Nach Klageerhebung erging am 6. August 2007 ein geänderter Umsatzsteuerbescheid 2000, der gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens wurde.

5

Das Urteil des FG ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2010, 1740 veröffentlicht.

6

Mit ihrer Revision macht die Klägerin Verletzung materiellen Rechts geltend. Sie sei nicht in ein "doloses Umsatzsteuer-Karussell" eingebunden gewesen. Das FG habe sich Feststellungen aus dem Strafverfahren gegen eine für sie fremde Person nicht zu eigen machen dürfen, da sie an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen sei und daher dort keine Einwendungen habe geltend machen können. Im Übrigen stehe die Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung nicht entgegen. Das Strafurteil sei nur gegen L.F. als Geschäftsführer der Abnehmerfirmen ergangen. Das FG habe Zeugenaussagen gewürdigt, ohne Zeugen in der mündlichen Verhandlung zu vernehmen und dadurch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen.

7

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung der Bescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 2007 und des Änderungsbescheides vom 6. August 2007 die Umsatzsteuer 1999 auf 374.955 DM (anstatt 420.370 DM) und die Umsatzsteuer 2000 auf 639.969 DM (anstatt 1.194.163 DM) herabzusetzen.

8

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die innergemeinschaftlichen Lieferungen seien aufgrund der unzutreffenden Empfängerbezeichnung steuerpflichtig. Die Klägerin habe auch keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen im Strafverfahren erhoben.

Entscheidungsgründe

10

II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferungen und den Vorsteuerabzug im Hinblick auf ihre bloße Einbindung in ein Umsatzsteuer-Karussell verneint.

11

1. Innergemeinschaftliche Lieferungen sind gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei. Die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung setzt gemäß § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG voraus, dass der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet.

12

Darüber hinaus bestehen bei Lieferungen an Unternehmer oder juristische Personen weitere, in der Person des Erwerbers zu erfüllende Voraussetzungen. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG muss es sich beim Abnehmer entweder um einen Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat, oder um eine juristische Person handeln, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat; der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung muss in allen Fällen beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegen.

13

Die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung beruht auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach "befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Mißbrauch festlegen: a) die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

14

2. Aufgrund der personenbezogenen Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b, Nr. 3 UStG setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass der Unternehmer nachweist, wer Abnehmer seiner Lieferung ist.

15

a) Der Person des Abnehmers und seiner Identität kommt für die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung entscheidende Bedeutung zu, da innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb "ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang" (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 27. September 2007 C-409/04, Teleos, Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 23 f.) und dabei Teil eines "innergemeinschaftlichen Umsatzes" sind (EuGH-Urteil Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnrn. 37 und 41), der bezweckt, die "Steuereinnahmen auf den Mitgliedstaat zu verlagern, in dem der Endverbrauch der gelieferten Gegenstände erfolgt" (EuGH-Urteile Teleos in Slg. 2007, I-7797 Rdnr. 36; vom 27. September 2009 C-146/05, Collée, Slg. 2007, I-7861 Rdnr. 22, und vom 27. September 2009 C-184/05, Twoh International, Slg. 2007, I-7897 Rdnr. 22; vom 22. April 2010 C-536/08, C-539/08, X und Facet Trading, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2010, 418 Rdnr. 30, und vom 7. Dezember 2010 C-285/09, R, UR 2011, 15 Rdnr. 37). Diese Verlagerung erfolgt auf denjenigen, der den innergemeinschaftlichen Erwerb bewirkt, und damit auf den Abnehmer der Lieferung als sog. Erwerber (Art. 21 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG i.d.F. der Richtlinie 2000/65/EG des Rates vom 17. Oktober 2000 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG bezüglich der Bestimmung des Mehrwertsteuerschuldners; § 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Somit setzt die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist, nicht erreicht werden kann (Treiber, in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a UStG Rz 82; Wäger, in Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 110 UStG Rz 7 und 18).

16

b) Abnehmer (Leistungsempfänger) bei Lieferungen i.S. von § 3 Abs. 1 UStG und damit Erwerber bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ist derjenige, dem der liefernde Unternehmer die Verfügungsmacht über den Gegenstand verschafft. Maßgeblich ist, wer nach dem der Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23. September 2009 XI R 14/08, BFHE 227, 218, BStBl II 2010, 243, unter II.2.a; vom 18. Februar 2009 V R 82/07, BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a aa, und vom 24. August 2006 V R 16/05, BFHE 215, 311, BStBl II 2007, 340, unter II.2.b). Abnehmer (Erwerber) ist somit derjenige, der nach dem der Lieferung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis die Verfügungsmacht erhalten soll. Ob diese Person auch auf eigene Rechnung tätig ist, spielt keine Rolle. Handelt z.B. ein Strohmann oder Treuhänder im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung, ist daher er, nicht aber sein Auftraggeber Abnehmer (BFH-Urteil in BFHE 225, 198, BStBl II 2009, 876, unter II.2.a cc und dd).

17

Ohne Bedeutung für die Bestimmung des Leistungsempfängers sind sog. Scheingeschäfte (§ 41 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung --AO--). Ein Scheingeschäft liegt insbesondere vor, wenn die Parteien eines Rechtsgeschäfts einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäftes nicht zwischen ihnen, sondern zwischen nur einer Vertragspartei und einem Dritten eintreten sollen (BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139, unter II.1.b bb; BFH-Beschluss vom 31. Januar 2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, unter II.4.c). Verdeckt das Scheingeschäft ein anderes Rechtsgeschäft, ist nach § 41 Abs. 2 Satz 2 AO das verdeckte Rechtsgeschäft für die Besteuerung maßgeblich.

18

c) Der Unternehmer (Steuerpflichtige) hat die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung unter Berücksichtigung der von den Mitgliedstaaten nach dem Einleitungssatz in Art. 28c Teil A der Richtlinie 77/388/EWG festgelegten Bedingungen nachzuweisen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 43 und 46). Diese Bedingungen ergeben sich im nationalen Recht aus § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 --UStDV-- (BFH-Urteil vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.1.b). Hierzu gehören auch Angaben zur Person des Erwerbers (Abnehmers) wie Name, Anschrift und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (§ 17c Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 UStDV).

19

Der Unternehmer kann die innergemeinschaftliche Lieferung als steuerfrei erfassen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b). Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b), es sei denn, der Verstoß gegen die Nachweispflichten (die formellen Anforderungen) verhinderte den sicheren Nachweis, dass die materiellen Anforderungen der Steuerfreiheit erfüllt werden (EuGH-Urteil Collée in Slg. 2007, I-7861, zweiter Leitsatz). In der Rechtssache Collée hatte der Unternehmer nicht aufgrund unzutreffender Angaben die Steuerfreiheit der Lieferung beansprucht, sondern um eine Gebietsbeschränkung des Herstellers des verkauften Gegenstandes zu umgehen, eine steuerpflichtige Inlandslieferung erklärt und erst nach Aufdeckung des wahren Sachverhalts die Steuerfreiheit der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung beansprucht. Dient der Verstoß gegen die Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV aber dazu, die Identität des Erwerbers zu verschleiern, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen, kann der Unternehmer die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung auch nicht aufgrund des objektiven Nachweises ihrer Voraussetzungen in Anspruch nehmen (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15, Leitsatz).

20

3. Das FG hat die Klageabweisung darauf gestützt, dass bereits die "dolose Einbindung" in ein "Umsatzsteuer-Karussell" zur Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferungen führe, da der Abnehmer nicht zutreffend bezeichnet worden sei, und es sich um Vorgänge gehandelt habe, die zur Umsatzsteuerhinterziehung stattgefunden hätten. Ähnlich wie beim Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 UStG setze die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass der tatsächliche Abnehmer und nicht ein zu Betrugszwecken vorgeschobener Leistungsempfänger (Scheingesellschaft) bezeichnet werde.

21

Dies hält einer revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Urteil des FG ist daher aufzuheben.

22

a) Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. Juli 2009  1 StR 41/09 (Deutsches Steuerrecht 2009, 1688) den EuGH um Vorabentscheidung ersucht, ob einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung die Steuerfreiheit zu versagen ist, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der steuerpflichtige Verkäufer entweder "wusste, dass er sich mit der Lieferung an einem Warenumsatz beteiligt, der darauf angelegt ist, Mehrwertsteuer zu hinterziehen" oder "Handlungen vorgenommen hat, die darauf abzielten, die Person des wahren Erwerbers zu verschleiern, um diesem oder einem Dritten zu ermöglichen, Mehrwertsteuer zu hinterziehen".

23

Hierauf hat der EuGH entschieden, dass innergemeinschaftliche Lieferungen steuerpflichtig sind, wenn die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung zwar objektiv vorliegen, jedoch "bewusst sachlich falsche" Rechnungen ausgestellt werden, um "die Identität der wahren Erwerber" zu "verschleiern" (EuGH-Urteil R in UR 2011, 15 Rdnrn. 47, 49 und Leitsatz). Der EuGH stützt die Steuerpflicht derartiger Lieferungen dabei maßgeblich auf die Verletzung der für den Unternehmer bestehenden Nachweispflichten, zu denen auch Angaben zur Person des Abnehmers gehören.

24

Wie ein Vergleich von Vorabentscheidungsersuchen und EuGH-Urteil zeigt, hat der EuGH in seinem Urteil R in UR 2011, 15 nicht entschieden, ob eine Steuerpflicht der innergemeinschaftlichen Lieferung trotz Vorliegens der objektiven Voraussetzungen der hierfür zu erfüllenden Voraussetzungen in Betracht kommt, wenn dem Unternehmer --ohne über die Identität des Abnehmers zu täuschen-- nur bekannt ist, dass der Abnehmer, den er nach seinen Belegen und buchmäßigen Aufzeichnungen als Abnehmer führt, seine steuerlichen Verpflichtungen im Bestimmungsmitgliedstaat nicht erfüllt (vgl. auch Bülte, Der Betrieb 2011, 442, sowie Bürger/Paul, Betriebs-Berater 2011, 540, 542).

25

b) Ob die Versagung der innergemeinschaftlichen Lieferungen der Klägerin deswegen nicht in Betracht kommen könnte, weil sie --wie das FG annimmt-- an einem "Karussellgeschäft" beteiligt gewesen sein soll, kann aufgrund der vorliegenden Feststellungen des FG nicht entschieden werden, denn allein der Hinweis auf ein Karussellgeschäft ersetzt keine tatsächlichen Feststellungen. So ist dem Urteil nicht zu entnehmen, welche Abnehmer im Bestimmungsmitgliedstaat ihre steuerlichen Pflichten in Hinterziehungsabsicht nicht erfüllt haben und ob dies der Klägerin bekannt war.

26

4. Dem Urteil des FG ist weiter nicht zu entnehmen, ob unzutreffende Abnehmerbezeichnungen vorliegen, wer in einem derartigen Fall als tatsächlicher Abnehmer der von der Klägerin ausgeführten Lieferungen anzusehen ist und ob die Klägerin die Person des Abnehmers verschleiert hat. Bei der Bestimmung des Abnehmers der von der Klägerin ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung sind im zweiten Rechtsgang die zuvor unter II.2.a und b genannten Grundsätze zu beachten.

27

Liegt keine Verschleierung hinsichtlich der Identität des jeweiligen Abnehmers vor, sind weitere Feststellungen zu den Abnehmerfirmen in den Bestimmungsmitgliedstaaten, insbesondere zur Erfüllung der dortigen umsatzsteuerrechtlichen Pflichten zu treffen. Weiter kommt es darauf an, aufgrund welcher Umstände die Klägerin von einer möglichen Hinterziehungsabsicht der Abnehmer Kenntnis hatte oder Kenntnis hätte haben müssen. Es kommt dann ggf. auch eine Vorlage an den EuGH zur Klärung möglicherweise bestehender Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts in Betracht.

28

Hinsichtlich der vom FG angenommenen Versagung des Vorsteuerabzugs sind weitere Feststellungen zum Zeitpunkt zu treffen, zu dem das Vorstandsmitglied der Klägerin und damit die Klägerin Kenntnis von ihrer Einbindung in das Steuerbetrugsmodell ihrer Lieferanten erlangt hat. Hat sie hiervon erst nach dem Leistungsbezug erfahren, würde dies eine rückwirkende Versagung des Vorsteuerabzugs nicht rechtfertigen.

29

5. Auf die Verfahrensrügen kam es nicht mehr an.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betrieb im Streitjahr 2006 in I einen Handel mit hochwertigen PKW. Im Revisionsverfahren ist noch die Steuerfreiheit von folgenden PKW-Lieferungen an drei Abnehmer streitig:

2

1. Die Klägerin stellte am 1. und 20. Februar 2006 der von X geführten A-Automobile (A) in Ö (Österreich) jeweils die Lieferung eines Ferrari F430 F1 in Rechnung. Der Kaufpreis wurde jeweils mit "Exportpreis netto: € 159.000,--" ausgewiesen; die Rechnungen enthielten ansonsten weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferungen noch auf weitere Dokumente. Ihnen beigefügt war jeweils eine "Anlage zur Rechnung", die auf die jeweilige Rechnungsnummer und das jeweilige Rechnungsdatum verwies und den Hinweis "Bestätigung Innergemeinschaftlicher Lieferung" enthielt. Hierin bestätigte X durch seine Unterschrift die Richtigkeit der von ihm angegebenen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, dass die Lieferung durch die Klägerin stattgefunden habe und dass der PKW in I zur Abholung durch X übergeben worden sei. Zugleich versicherte X darin, die näher bezeichneten PKW ausschließlich für sein Unternehmen zu verwenden sowie die PKW "in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich)" zu befördern. Auf einem weiteren, mit "Verbringungsnachweis" überschriebenen Dokument, das zusammen mit den vorgenannten Dokumenten in der Buchführung der Klägerin aufbewahrt wurde, hatte X mit seiner Unterschrift bestätigt, "ein umsatzsteuerfreies innergemeinschaftliches Warengeschäft" getätigt zu haben sowie die näher bezeichneten PKW "[i]ns Ausland (nach Österreich) zu verbringen und dort der Mehrwertsteuer zuzuführen".

3

Im Rahmen eines später gegen X eingeleiteten Steuerstrafverfahrens gab dieser jedoch an, die beiden PKW unter Verwendung von roten Fahrzeugkennzeichen eines anderen Händlers ohne Wissen des Geschäftsführers der Klägerin tatsächlich nicht nach Österreich verbracht zu haben.

4

Zu beiden PKW-Lieferungen liegen Auskünfte des Bundeszentralamtes für Steuern (BZSt) im Bestätigungsverfahren gemäß § 18e Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), Übernahmeprotokolle, die Kopie eines Gewerberegisterauszugs sowie Kopien des Deutschen Bundespersonalausweises von X vor. Unter den Ausweiskopien hatte dieser jeweils mit seiner Unterschrift bestätigt, als Bevollmächtigter der A zu handeln und am 1. bzw. 20. Februar 2006 einen Betrag von 159.000 € in bar an die Klägerin bezahlt zu haben.

5

2. Die Klägerin veräußerte im Streitjahr ferner u.a. einen Mercedes-Benz ML 280 CDI an die B S.L. (B) aus Spanien. Für die B trat eine Person auf, die sich als … (G) ausgab. Die Klägerin stellte für die PKW-Lieferung eine Rechnung an die B, in der der Kaufpreis mit "Exportpreis netto: € 51.000,--" ausgewiesen wurde, die ansonsten keinen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielt und der eine Anlage zur Rechnung ebenfalls mit einem Hinweis auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung sowie ein Verbringungsnachweis beigefügt waren.

6

Nach einem von der Klägerin vorgelegten Dokument hatte die B eine Spedition beauftragt, den PKW nach P (Spanien) zu transportieren. Dagegen sind auf dem CMR-Frachtbrief in dem Feld 1 (Absender) die Klägerin und im Feld 2 (Empfänger) "G" mit der Adresse … (O) in Spanien genannt. Das Feld 3 zum Auslieferungsort enthält mit einer eingekreisten "2" einen Hinweis auf das Feld 2 sowie den Zusatz "Espana". Als Adresse der B ist auf dem Rechnungsdokument, der "Anlage zur Rechnung" und dem Verbringungsnachweis jeweils O angegeben. Dagegen liegt die Adresse der B nach einem auf diesen Dokumenten aufgebrachten Stempelaufdruck in S in Spanien.

7

Der Mercedes-Benz ML 280 CDI wurde nach Spanien versandt und nicht auf die B, sondern innerhalb kurzer Zeit nacheinander auf drei andere spanische Unternehmen zugelassen. In einer Antwort auf das Auskunftsersuchen des BZSt teilten die spanischen Behörden u.a. mit, das Profil der B gleiche einem sog. Missing Trader. Geschäftsführer der B sei Herr G gewesen, der erklärt habe, dass die Gesellschaft zwar "auf seinen Namen laufe", er allerdings im Zusammenhang mit ihr keinerlei Einkünfte habe und ihr derzeitiger "Manager" eine andere Person sei. Die gegenüber den Finanzbehörden angegebene Adresse der B sei die Wohnanschrift des G, an der eine Geschäftsausstattung für den Handel mit Fahrzeugen nicht vorhanden sei.

8

3. Außerdem stellte die Klägerin am 14. September 2006 der C-GmbH (C), … in Z (Österreich) die Lieferung eines Ferrari F430 F1 Coupé mit einem "Exportpreis netto: € 169.900,--" in Rechnung. Die Rechnung enthielt weder einen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung noch einen Hinweis auf weitere Dokumente. In der "Anlage zur Rechnung" bestätigte der Geschäftsführer der C, Herr N, u.a. die am 15. September 2006 durch die Klägerin erfolgte Übergabe in I zur Abholung durch ihn.

9

Auf einem CMR-Frachtbrief, der auf den 15. September 2006 datiert ist, sind als Absenderin sowie als Frachtführerin die Klägerin, als Empfängerin die C und als Auslieferungsort I genannt. Im Rahmen eines Auskunftsersuchens des BZSt teilten die österreichischen Behörden u.a. mit, dass sie die C als Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit identifiziert hätten. Sie habe ihren Sitz bei ihrem Steuerberater, tätige vor allem innergemeinschaftliche Erwerbe aus Deutschland und innergemeinschaftliche Lieferungen nach Italien. Im Streitjahr seien innergemeinschaftliche Erwerbe für 21,7 Mio. € erfolgt. Bis auf eine kleine angemietete Lagerhalle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von Fahrzeugen sowie einem "Büro" in einer abgelegenen Wohnung verfüge die C nicht über die für einen Händler exklusiver PKW übliche Infrastruktur.

10

Hinsichtlich der Lieferung an die C hat der Geschäftsführer der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung insbesondere angegeben, dass ihm der persönlich am 14. September 2006 in I anwesende Geschäftsführer der C, Herr N, erklärt habe, sein Abnehmer habe auf keinen Fall einen Transport des PKW nach Österreich "auf eigenen Rädern" gewünscht. Deshalb habe der Geschäftsführer der Klägerin den PKW auf einem Hänger nach Z in Österreich befördert und diesen auf dem Gelände einer Tankstelle in der Nähe der Geschäftsadresse der C an Herrn N übergeben.

11

Die Klägerin behandelte die vorgenannten PKW-Lieferungen als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erkannte dies im Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 12. Februar 2008, zuletzt geändert durch Bescheid vom 18. November 2011, nicht an.

12

Daraufhin hat die Klägerin Sprungklage erhoben und im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. Januar 2012 berichtigte Rechnungen vom 16. Januar 2012 zu den streitbefangenen Lieferungen vorgelegt. Hierin ist ein Hinweis auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG enthalten.

13

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich einer hier nicht streitigen PKW-Lieferung ab und gab der Klage in Bezug auf die im Revisionsverfahren noch streitbefangenen PKW-Lieferungen an die A, die B und an die C statt.

14

Die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A folge aus § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Unter Zugrundelegung der Angaben des X gegenüber der Klägerin seien sämtliche materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfüllt. Insbesondere scheitere der ordnungsgemäße Belegnachweis nicht daran, dass die ursprünglichen Rechnungen zumindest auf dem eigentlichen Rechnungsdokument keine Hinweise auf die Steuerfreiheit der Lieferung enthielten. Dieser Mangel sei rechtzeitig bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch die korrigierten Rechnungen behoben worden. Die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der Angaben des X auch unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können.

15

Hinsichtlich der Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien stehe zur Überzeugung des Gerichts objektiv fest, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung vorliegen würden. Dass der PKW tatsächlich nach Spanien gelangt sei, stehe wegen der dortigen Zulassung außer Zweifel. Wer Abnehmer der Lieferung gewesen sei, könne dahinstehen, zumal dessen Identifizierung aufgrund der vorliegenden Belege einerseits und der Mitteilung der spanischen Behörden andererseits nicht möglich sei.

16

Auch im Hinblick auf die Lieferung an die C seien die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben. Angesichts der detaillierten und widerspruchsfreien Schilderung des Geschäftsführers der Klägerin, der den Transport durchgeführt habe, sowie der Übereinstimmung mit den vorgelegten Belegen stehe zur Überzeugung des FG fest, dass der PKW nach Z (Österreich) und damit in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert worden sei.

17

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.

18

Der Belegnachweis sei jeweils nicht ordnungsgemäß erbracht worden, weil in den ursprünglichen Rechnungen ein Hinweis auf die Steuerbefreiung als innergemeinschaftliche Lieferung fehle. Die berichtigten Rechnungen seien auch nicht geeignet, den Mangel zu heilen, weil keine Anhaltspunkte für deren Zugang bestünden. Die Umsatzsteuer-Identifikationsnummern des X, der B und der C seien seit 2006 bzw. seit 2007 ungültig. Auch lägen über die Erreichbarkeit der gesetzlichen Vertreter der Abnehmer keine Informationen vor. Damit habe die Erwerbsbesteuerung zum Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung nicht mehr nachgeholt werden können. Insoweit greife auch nicht die Vertrauensschutzregelung. Da die Abnehmer der Klägerin jeweils Scheinunternehmer gewesen seien, scheide eine Steuerfreiheit der streitbefangenen PKW-Lieferungen nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. November 2012 XI R 17/12 (BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz 23) aus.

19

Die Lieferungen an die A seien auch deshalb keine steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen, weil die PKW tatsächlich nicht nach Österreich transportiert worden seien und damit für den Nachweis des Bestimmungsortes nicht auf die Rechnungsanschrift der A zurückgegriffen werden könne. Mangels Belegnachweises seien die PKW-Lieferungen auch nicht nach § 6a Abs. 4 UStG steuerfrei.

20

Überdies sei die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI nach Spanien nicht steuerfrei, weil die von der B angegebene Lieferanschrift der Wohnungsanschrift ihres Geschäftsführers entspreche und erhebliche Zweifel daran bestünden, dass der (hochwertige) PKW tatsächlich dorthin transportiert worden sei. Eine Steuerfreiheit scheide auch deshalb aus, weil die B keine Erwerbe der Klägerin versteuert habe, dies jedoch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 16. Juni 2011  2 BvR 542/09 (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2011, 775, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2011, 1145) bei fehlendem Buch- und Belegnachweis Voraussetzung für eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung sei. Dass der PKW in Spanien zugelassen worden sei, genüge nicht zum Nachweis der Steuerfreiheit. Dieser Nachweis erfordere nach dem BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 32/09 (BFH/NV 2012, 1004, Rz 27) sowie nach dem Urteil des Hessischen FG vom 19. Februar 2013  1 K 513/11 (nicht veröffentlicht) eine Zulassung auf den Abnehmer, die im Streitfall nicht vorliege. Die Gewährung von Vertrauensschutz scheide von vornherein aus, weil es schon wegen fehlerhafter Angaben zum Bestimmungsort und mangels Vorliegens eines ordnungsgemäßen Doppels einer Rechnung am erforderlichen Belegnachweis fehle. Hinzu komme, dass eine Identifizierung des Abnehmers nicht möglich sei, sodass auch die Klägerin nicht auf eine Erwerbsbesteuerung durch die B habe vertrauen können.

21

Die Belegnachweise seien für die PKW-Lieferung an die C auch deshalb nicht ordnungsgemäß, weil die Auslieferung entgegen der Angabe im CMR-Frachtbrief tatsächlich nicht an die Adresse der C, sondern an eine nahegelegene Tankstelle erfolgt sei. Fehle es an einem Belegnachweis, bedürfe es wegen des Beschlusses des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 einer tatsächlichen Erwerbsbesteuerung, deren Vorliegen hier aber unklar sei. Zudem stehe der Bestimmungsort wegen des Widerspruchs zwischen den Belegnachweisen und den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nicht objektiv zweifelsfrei fest. Da die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht vollständig nachgekommen sei, seien die Lieferungen auch nicht im Rahmen der Vertrauensschutzregelungen steuerfrei.

22

Das FA beantragt,
das Urteil des FG, soweit es die Umsätze aus Fahrzeuglieferungen an die A, die B und die C betrifft, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

23

Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

24

Sie tritt dem Vorbringen des FA entgegen und macht u.a. geltend, die berichtigten Rechnungen wirkten nach dem BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03 (BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634) auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnungserteilung zurück.

Entscheidungsgründe

25

II. Die Revision ist teilweise begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat die PKW-Lieferung an die B zu Unrecht als steuerfrei behandelt; das Urteil war aufzuheben und die Klage neben der hier nicht streitigen PKW-Lieferung auch insoweit abzuweisen. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg, weil das FG hinsichtlich der PKW-Lieferungen an die A und an die C zu Recht von einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ausgegangen ist.

26

1. Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist steuerfrei (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG), wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, b oder c UStG erfüllt und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG). Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (§ 6a Abs. 4 Satz 1 UStG).

27

2. Die PKW-Lieferungen an die A sind gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen zu behandeln.

28

a) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) nachkommt (vgl. BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30).

29

Diese Voraussetzungen liegen für die PKW-Lieferungen an die A vor. Die Klägerin hat insoweit --anders als es das FA meint-- den nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV erforderlichen Belegnachweis erbracht. Die ursprünglichen Rechnungen vom 1. bzw. 20. Februar 2006 entsprechen den Anforderungen der §§ 14, 14a UStG. Der gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderliche Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 8/11, BFH/NV 2013, 596, Rz 44, m.w.N.) fehlt diesen Rechnungen entgegen der Auffassung des FA nicht.

30

aa) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 UStG muss eine Rechnung die dort aufgeführten Angaben enthalten. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine Rechnung jedes Dokument, mit dem über eine Lieferung oder sonstige Leistung abgerechnet wird, gleichgültig, wie dieses Dokument im Geschäftsverkehr bezeichnet wird.

31

bb) Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) war der Hinweis auf die Steuerfreiheit der PKW-Lieferungen an die A jeweils in den Rechnungen enthalten.

32

Das FG hat auf Seite 4 und 21 seines Urteils sowie durch Bezugnahme festgestellt, dass der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Teil der Abrechnung einen Verweis auf die Rechnungsnummer, das Rechnungsdatum, die genaue Bezeichnung des gelieferten PKW einschließlich Marke, Fahrzeugtyp und Fahrzeug-Identifizierungsnummer sowie insbesondere neben dem Hinweis "Bestätigung innergemeinschaftlicher Lieferung" auch die Versicherung, "dass der gekaufte Gegenstand in einen anderen EG-Mitgliedstaat (Österreich) befördert wird", enthielt. Aufgrund des dadurch gegebenen engen Bezugs zu dem mit "Rechnung" überschriebenen Teil der Abrechnung, der einen "Exportpreis netto: € 159.000,--" auswies, bildeten die genannten Erklärungen ein einheitliches Dokument über die Abrechnung der PKW-Lieferungen und mithin in ihrer Gesamtheit das Rechnungsdokument über die jeweilige PKW-Lieferung an die A. Da in dem mit "Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteil keine Umsatzsteuer enthalten ist und der mit "Anlage zur Rechnung" überschriebene Abrechnungsteil auf das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung hinweist, enthält das Rechnungsdokument den gemäß § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 8 Alternative 3 UStG erforderlichen Hinweis auf die Steuerfreiheit der Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung.

33

cc) Der Senat weicht dadurch nicht von dem BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596 ab. Denn in dem diesem Rechtsstreit zugrunde liegenden Sachverhalt ließ sich --anders als nach den Feststellungen des FG in dem hier zu entscheidenden Verfahren-- nach den bindenden Feststellungen des FG nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass es sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung und nicht etwa um eine Lieferung aus einem Drittland oder um eine Lieferung in ein Drittland handelte (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2013, 596, Rz 47).

34

dd) Weil die mit "Rechnung" bzw. "Anlage zur Rechnung" überschriebenen Abrechnungsteile eine einheitliche Rechnung bilden, greift auch nicht § 14 Abs. 6 Nr. 2 UStG i.V.m. § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV, wonach bei aus mehreren Dokumenten bestehenden Rechnungen in einem dieser Dokumente u.a. alle anderen Dokumente zu bezeichnen sind, aus denen sich die übrigen Angaben nach § 14 Abs. 4 UStG ergeben.

35

b) Die Erwägungen des FG, die Klägerin habe i.S. von § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns beachtet, sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

36

aa) Ob die "Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns" beachtet wurde, ist durch eine Würdigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls, ggf. nach Durchführung einer entsprechenden Beweisaufnahme, zu entscheiden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 6. November 2008 V B 126/07, BFH/NV 2009, 234, unter 2.; vom 28. September 2009 XI B 103/08, BFH/NV 2010, 73, unter 1.).

37

bb) Das FG hat seine Würdigung, die Klägerin habe die mögliche Unrichtigkeit der von X gemachten Angaben zum Bestimmungsort auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können, insbesondere darauf gestützt, dass die Klägerin sich durch eine qualifizierte Bestätigungsabfrage nach § 18e UStG der Gültigkeit der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des X versichert habe und dass die Verwendung roter Fahrzeugkennzeichen anderer Händler ein branchenübliches Verhalten gewesen sei, das kein grundlegendes Misstrauen gegenüber dem Abnehmer begründen könne.

38

Diese Würdigung der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; sie bindet deshalb den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil vom 24. April 2013 XI R 7/11, BFHE 241, 459, BStBl II 2013, 648, Rz 34, m.w.N.).

39

3. Für die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI hat das FG die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung zu Unrecht bejaht.

40

a) Es steht --entgegen der Auffassung des FG-- nicht objektiv zweifelsfrei fest, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind, da die Identität des Abnehmers der PKW-Lieferung ungeklärt ist.

41

aa) Zwar ist die Ansicht des FG, dass der gegenüber der Klägerin handelnde Abnehmer der Lieferung den Transport des PKW nach Spanien durch eine Spedition veranlasst habe, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn die Person des Abnehmers und damit des Leistungsempfängers bestimmt sich nach ständiger Rechtsprechung des BFH nach dem der Lieferung oder sonstigen Leistung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dieses Rechtsverhältnis kann vertraglicher oder gesetzlicher Art sein (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG). Im Fall einer Vertretung ohne Vertretungsmacht, die auch im Fall einer Identitätstäuschung vorliegen kann und zur entsprechenden Anwendung von §§ 177, 179 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) führt, bestimmt sich die Person des Abnehmers nach dem Rechtsverhältnis, das gemäß § 179 BGB zum vollmachtlosen Vertreter besteht (BFH-Urteil in BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz 26, m.w.N.). Dementsprechend war Abnehmer die Person, deren Identifizierung nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht möglich ist.

42

bb) Indes geht das FG rechtsfehlerhaft davon aus, dass dahingestellt bleiben könne, ob tatsächlicher Abnehmer die B oder aber eine namentlich nicht bekannte Person gewesen sei, die im Namen der B, aber ohne Vertretungsmacht aufgetreten sei.

43

Denn die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung setzt voraus, dass aufgrund der zutreffenden Angaben des leistenden Unternehmers die Person des Abnehmers ("Erwerbers") dieser Lieferung bekannt ist, da sonst das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Steuerschuldner ist (vgl. BFH-Urteile vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 17; V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769, Rz 15, jeweils m.w.N.).

44

Mithin vermag der Umstand, dass die Lieferung im Bestimmungsmitgliedstaat als solche der Erwerbsbesteuerung unterliegt, die fehlende, zur zutreffenden Verlagerung der Steuereinnahmen jedoch notwendige Feststellung der Identität des Abnehmers nicht zu ersetzen.

45

b) Die Zulassung des PKW im Bestimmungsland auf eine andere Person als den Abnehmer reicht ebenfalls nicht aus, um davon auszugehen, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung objektiv zweifelsfrei feststehen; denn nach der Rechtsprechung des BFH ergibt sich daraus nur das Gelangen in den Bestimmungsmitgliedstaat, nicht aber auch, wer Abnehmer der Lieferung war, für die die Steuerbefreiung beansprucht wird (BFH-Urteil vom 25. April 2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz 45; ferner BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 27).

46

c) Die Lieferung des Mercedes-Benz ML 280 CDI ist auch nicht nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG als steuerfrei anzusehen, weil die Klägerin die von ihr für die PKW-Lieferung an die B beanspruchte Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht --wie erforderlich-- entsprechend § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachgewiesen hat.

47

aa) Versendet der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet, soll der Nachweis hierüber durch das Doppel der Rechnung i.S. der §§ 14, 14a UStG und durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1 UStDV geführt werden (§ 17a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 UStDV). CMR-Frachtbriefe sind nur als Versendungsbeleg anzuerkennen, wenn sie die in § 10 Abs. 1 Nr. 2 UStDV bezeichneten Angaben enthalten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 23). Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen sein (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV).

48

bb) Diesen Anforderungen hat die Klägerin nicht genügt, weil die Angaben in den Belegen widersprüchlich sind, was begründete Zweifel an der Richtigkeit der Belegangaben hervorruft (vgl. BFH-Urteil vom 14. Dezember 2011 XI R 18/10, BFH/NV 2012, 1006, Leitsatz 2).

49

Zudem fehlen --wie bereits ausgeführt-- Feststellungen dazu, wer der wirkliche Abnehmer des PKW ist und ggf. welchem Unternehmer die Versendung zuzurechnen ist. Die vollständige Erbringung des Beleg- und Buchnachweises verlangt jedoch auch Angaben zur Identität des Abholers (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, Leitsatz 1; in BFHE 233, 331, BFH/NV 2011, 1448, Rz 37).

50

4. Zu Recht hat das FG entschieden, dass die PKW-Lieferung an die C aufgrund der Feststellungen des FG objektiv zweifelsfrei die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG erfüllte.

51

a) Die Frage, ob die Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 UStG objektiv zweifelsfrei gegeben sind, obliegt im finanzgerichtlichen Verfahren der tatrichterlichen Überzeugungsbildung, die einer Überprüfung im Revisionsverfahren nach § 118 Abs. 2 FGO weitgehend entzogen ist (vgl. BFH-Urteile vom 11. August 2011 V R 50/09, BFHE 235, 32, BStBl II 2012, 151, Rz 27; vom 14. Dezember 2011 XI R 33/10, BFH/NV 2012, 1009, Rz 29 bis 31; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 28; in BFH/NV 2013, 596, Rz 56; Treiber in Sölch/ Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a, Rz 87; Wäger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 108 Rz 90; vgl. auch BFH-Urteil vom 27. April 1995 V R 2/94, BFH/NV 1996, 184, unter II.1.b, zur Ausfuhrlieferung).

52

b) Demnach ist aufgrund der bindenden Feststellungen des FG davon auszugehen, dass die Klägerin den PKW an die C in das übrige Gemeinschaftsgebiet lieferte und diese den PKW im Rahmen ihres Unternehmens erwarb.

53

aa) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Feststellung des FG, die C sei die Abnehmerin des PKW gewesen und der PKW sei nach Z in Österreich gelangt.

54

Das FG ist insoweit nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls unter Einbeziehung der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis gelangt, dass der Geschäftsführer der Klägerin den PKW nach Österreich auf einem Anhänger der Klägerin transportiert habe, weil der Abnehmer der C keine Überführung "auf eigenen Rädern" gewünscht habe. Zudem hat es die von der Klägerin vorgelegten Belege dahingehend gewürdigt, dass die Unterschriften auf der vorliegenden Passkopie und auf anderen im Zusammenhang mit der Lieferung stehenden Dokumenten, die mit einem Stempel der C und einem Namenszug versehen seien, eine Ähnlichkeit aufwiesen, die mit der Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin im Einklang stehen würden, Herr N habe als Geschäftsführer der C das gelieferte Fahrzeug selbst in I besichtigt und übernommen.

55

Diese Würdigungen der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, die im Übrigen nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen worden sind, sind möglich und verstoßen weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Folglich binden sie den Senat.

56

Die gegen diese Feststellungen vom FA vorgebrachten Einwände sind nach § 118 Abs. 2 FGO unbeachtlich. Denn soweit es vorträgt, die Belegangaben würden der Aussage des Geschäftsführers der Klägerin widersprechen, setzt es lediglich seine Meinung an die Stelle der --im Streitfall möglichen-- Würdigung des FG.

57

bb) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die --in Bezug auf die Unternehmereigenschaft der C mögliche und weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze verstoßende-- Würdigung des FG, für eine Zwischenhändlerin wie die C sei es nicht ungewöhnlich, dass sie über eine kleine, nicht einsehbare Halle zur Zwischenlagerung, Empfangnahme und Auslieferung von PKW sowie über ein Büro in einer Wohnung verfüge.

58

cc) Schließlich geht das FG ohne Rechtsfehler davon aus, die C sei aufgrund der umfangreichen innergemeinschaftlichen Erwerbe und innergemeinschaftlichen Lieferungen entgegen der Einschätzung der österreichischen Behörden wirtschaftlich tätig gewesen.

59

Nach der Rechtsprechung des BFH erlaubt die Feststellung, der Empfänger der Lieferung habe die mit Hilfe der bezogenen Lieferungen ausgeführten Umsätze nicht versteuert, für sich genommen nicht den Schluss, nicht der Vertragspartner ("Missing Trader"), sondern eine andere Person sei Empfänger der Lieferung. Darüber hinaus ist die ordnungsgemäße Erfüllung von Steuererklärungspflichten kein Tatbestandsmerkmal der Unternehmereigenschaft (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1004, Rz 20, m.w.N.). Sofern die Annahme der österreichischen Behörden, es handele sich bei C um eine Gesellschaft ohne wirtschaftliche Tätigkeit, darauf beruht, dass das Unternehmen seine innergemeinschaftlichen Erwerbe aus Deutschland in Österreich nicht anmeldete, begründet dies allein --wie das FG zu Recht ausgeführt hat-- keine Zweifel an der Unternehmereigenschaft. Diese Zweifel ergeben sich auch nicht aus den übrigen von den österreichischen Behörden angeführten Umständen, wie das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt hat (FG-Urteil, S. 26).

60

Entgegen der Auffassung des FA ist daher nicht davon auszugehen, es handele sich bei der C um ein Scheinunternehmen. Damit steht zugleich fest, dass ein Sonderfall, bei dem das Recht des Objektivnachweises einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht besteht --wie z.B. bei einer Täuschung über die Identität des Abnehmers (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Leitsatz)--, im Streitfall nicht vorliegt.

61

dd) Demnach sind nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. a UStG gegeben. Dass der innergemeinschaftliche Erwerb eines PKW in Österreich --wie es zudem für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG Voraussetzung ist-- den Vorschriften der Umsatzbesteuerung unterliegt, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht streitig.

62

ee) Dass die Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat tatsächlich besteuert werden, ist --entgegen der Auffassung des FA-- für das Vorliegen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung nicht erforderlich (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 69 ff.; BFH-Urteil vom 27. Februar 2014 V R 21/11, BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 18, m.w.N.). Das Erfordernis einer tatsächlichen Besteuerung im Bestimmungsmitgliedstaat stünde im Widerspruch zur Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, die bewusst auf eine solche innere Verknüpfung verzichtet hat (vgl. EuGH-Urteil --Teleos u.a.-- in Slg. 2007, I-7797, BStBl II 2009, 70, Rz 70). Die Gefahr von Steuerausfällen durch Nichtbesteuerung im Erwerbstaat steht daher der Steuerbefreiung nicht entgegen (BFH-Urteil in BFHE 244, 150, BStBl II 2014, 501, Rz 19).

63

ff) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem vom FA genannten Beschluss des BVerfG in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145. Der vom FA begehrten Auslegung, § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG verlange bei fehlendem Nachweis der Steuerfreiheit die tatsächliche Erwerbsbesteuerung, steht das Erfordernis richtlinienkonformer Auslegung entgegen.

64

Das BVerfG hat in Rz 60 seines Beschlusses in UR 2011, 775, HFR 2011, 1145 lediglich ausgeführt, dass es innerhalb des Rahmens möglicher Wortlautauslegung zu § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG liege, die tatsächliche Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs beim Abnehmer zu verlangen. Bei der Auslegung des nationalen Rechts ist, soweit es auf einer unionsrechtlichen Harmonisierung durch Richtlinien der Europäischen Union beruht, jedoch das Unionsrecht und die hierzu ergangene Rechtsprechung des EuGH im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 22. August 2013 V R 37/10, BFHE 243, 20, BStBl II 2014, 128, Rz 42). Da nach dem Unionsrecht und der dazu ergangenen Rechtsprechung --wie ausgeführt-- die tatsächliche Erwerbsbesteuerung keine Voraussetzung für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung ist, kann der möglicherweise anders zu interpretierende Wortlaut einer nationalen Vorschrift allein kein anderes Auslegungsergebnis rechtfertigen.

65

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1, § 143 Abs. 1 FGO.

66

Da die Revision des FA teilweise Erfolg hat, kann auch die Kostenentscheidung des FG keinen Bestand haben. Der Senat hält es für angemessen, über die Kosten nach Verfahrensabschnitten zu entscheiden. Auch eine solche Entscheidung wahrt den Grundsatz der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung (vgl. dazu BFH-Urteil vom 30. April 2014 XI R 24/13, BFHE 245, 66, BFH/NV 2014, 1289, Rz 38, m.w.N.).

(1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nummer 1 Buchstabe b) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1.
der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2.
der Abnehmer ist
a)
ein in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasster Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b)
eine in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasste juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c)
bei der Lieferung eines neuen Fahrzeugs auch jeder andere Erwerber,
3.
der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerungund
4.
der Abnehmer im Sinne der Nummer 2 Buchstabe a oder b hat gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet.
Der Gegenstand der Lieferung kann durch Beauftragte vor der Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bearbeitet oder verarbeitet worden sein.

(2) Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstands (§ 3 Abs. 1a).

(3) Die Voraussetzungen der Absätze 1 und 2 müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Absatz 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin Fahrzeuglieferungen gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) als steuerfrei behandeln darf.

2

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages die Beschaffung und Verwaltung von Fahrzeugen und die damit verbundenen oder sich ergebenden Dienstleistungen sowie Leasing und Finanzierung.

3

Die Klägerin erteilte im Streitjahr u.a. an die Fa. C. ... (Österreich), Inh. S. D., über die Lieferung von Fahrzeugen der Marke ... 4 Rechnungen. S. D. ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in ... (Deutschland). Er war im Streitjahr in seinem Beruf als ... tätig. Er hatte im Juni 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft ... ein Handelsgewerbe mit Sitz in ... (Österreich) angemeldet und war damit seit 2008 steuerlich beim Finanzamt .../Österreich gemeldet. Ihm war eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt und im Herbst 2009 entzogen worden.

4

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen:

5
        

Datum 

Fahrzeug

Betrag

Bp-Akte

a)    

20.02.2009

1       

... €

Bl.     

b)    

02.04.2009

2       

... €

Bl.     

c)    

09.06.2009

3       

... €

Bl.     

d)    

09.06.2009

4       

... €

Bl.     

6

Die vorgenannten Rechnungen enthalten jeweils den folgenden Vermerk: „Es handelt sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 6 a UstG in Verbindung mit $ 4 Nr. 1 b UstG“. Umsatzsteuer wurde nicht ausgewiesen.

7

In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar, April und Juni 2009 behandelte die Klägerin die 4 Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen i.S.d. § 6a UStG.

8

Im Sommer 2009 führte der Beklagte (das Finanzamt –FA-) bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde bekannt, dass die Fahrzeuge nicht von S. D., sondern von einem M. L. bestellt wurden. Gegenüber der Prüferin hatte der Geschäftsführer der Klägerin angegeben, dass er zu S. D. keinen Kontakt gehabt habe. M. L., der in R. als Geschäftsführer der M-GmbH im Fahrzeughandel tätig war, war dem Geschäftsführer der Klägerin, der zuvor im Raum R. beruflich tätig war, persönlich bekannt. M. L. hatte die Klägerin wegen der hier in Streit stehenden Fahrzeuglieferungen jeweils gebeten, die Rechnungen per Fax zu ihm nach R. und per Post an die Fa. C. nach Österreich zu übersenden. Zugleich hatte er zugesichert, sich selbst um die umgehende Bezahlung der Rechnungen zu kümmern. Der Kaufpreis für das erste Fahrzeug wurde am 27. Februar 2009 per Überweisung von einer österreichischen Bank als EU-Standardüberweisung überwiesen. Am 5. Mai 2009 folgte die Bezahlung für das zweite Fahrzeug in gleicher Weise. Als Auftraggeber ist in den Kontoauszügen der Klägerin „D. S. C.“ angegeben. Die weiteren Fahrzeuge wurden bei der Übernahme bar bezahlt. Abgeholt wurden die Fahrzeuge jeweils von M. L. Dieser erklärte bei der Übernahme schriftlich, das jeweilige Fahrzeug im Auftrage des in der Rechnungsstellung angeführten Erwerbers S. D. zu übernehmen und es an die in der Rechnungsstellung genannte Anschrift in Österreich auszuführen sowie eine entsprechende amtliche Bescheinigung über die Ausfuhr nachzureichen.

9

Ebenfalls im Jahre 2009 ermittelte die Steuerfahndung R. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen verschiedene Unternehmen im Bereich R., die im Fahrzeughandel tätig waren. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde S. D. als Beschuldigter vernommen. Er gab gegenüber der Steuerfahndung R., dass er M. D. keine Vollmacht erteilt habe. Er sei nur für einen Herrn E. tätig gewesen. Für diesen habe er das Unternehmen in Österreich gegründet. Herr E. habe alleinige Kontovollmacht gehabt. Rechnungsvordrucke der Fa. C. habe nur Herr E. besessen. Fahrzeuge seien nie an den Firmensitz der Fa. C. in Österreich überführt worden. Die Fahrzeuge seien vielmehr immer direkt nach R. gegangen. Daraufhin forderte die Prüferin die Klägerin ohne Erfolg auf, einen Nachweis über die Bevollmächtigung des M. L. durch S. D. vorzulegen.

10

Die Ermittlungen der Steuerfahndung R. hatten des Weiteren ergeben, dass nach dem Verkauf der hier in Rede stehenden Fahrzeuge mindestens 2 Fahrzeuge in Deutschland und ein weiteres in Ungarn zugelassen wurden.

11

Die Prüferin sah die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Sinne des § 6a UStG in keinem Fall als erfüllt an. Sie ging ferner davon aus, dass § 6a Abs. 4 UStG nicht zur Anwendung kommen könne, da die Klägerin nicht mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt habe. Das FA schloss sich den Feststellungen an und behandelte die Lieferungen als umsatzsteuerpflichtig.

12

Zur Begründung der gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 -jeweils vom 12. Oktober 2009- eingelegten Einsprüche trug die Klägerin vor, mit der Beförderung der Fahrzeuge nach Österreich sei die Firma X. GmbH beauftragt worden. Dies habe die Fa. X. GmbH „mit ihrer Unterschrift“ bestätigt. Damit habe der Klägerin eine vom Beauftragten des ausführenden Unternehmers erteilte Übernahmebestätigung vorgelegen, aus der hervorgehe, dass der Beauftragte den PKW erhalten habe und die Ausfuhr nach Österreich übernehme. Damit seien die Nachweise gem. § 17 a Abs. 2 Umsatzsteuer-Durchführungs-verordnung (UStDV) erbracht.

13

Bei der Erstellung der Rechnungen habe sie, die Klägerin, eine qualifizierte Abfrage der USt-Identifikationsnummer vorgenommen. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass diese in Ordnung sei. Des Weiteren haben ihr ein Gewerberegisterauszug der Stadt B. und ein Schreiben des Finanzamts B. über die Erteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer vorgelegen.

14

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, die Klägerin habe sich nicht durch einen Anruf bei S. D. rückversichert, dass dieser die Fahrzeuge habe erwerben wollen. Dies sei aber geboten gewesen, nachdem M. D. die Fahrzeuge bei der Klägerin bestellt hatte. Es habe auch keinen Email-Verkehr zwischen der Klägerin und S. D. gegeben. Die Klägerin habe sich auf die Aussagen des M. D. verlassen.

15

Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die umsatzsteuerfreie Behandlung der 4 Fahrzeuglieferungen. Zur Begründung führt die Klägerin aus, sie habe den Belegnachweis gem. § 17a UStDV geführt. Eine Vollmacht für den Beauftragten werde in § 17a UStDV nicht explizit gefordert. Nachdem die beiden ersten Fahrzeuge per Überweisung reibungslos bezahlt worden seien und eine Empfangsvollmacht des Beauftragten vorlag, habe sie, die Klägerin, darauf vertrauen können, dass die Fahrzeuge in das EU-Ausland gelangen. Das Landgericht M. habe den Autohändler M. L. zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Damit sei jetzt erkennbar, dass M. L. falsche Angaben gemacht habe. Dies sei im Zeitpunkt der Verkäufe der Fahrzeuge für sie, die Klägerin, nicht erkennbar gewesen.

16

Während des Klageverfahrens hat das FA am 5. Oktober 2011 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009 erlassen.

17

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 vom 12. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. September 2011 –geändert durch den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 5. Oktober 2011 – die Umsatzsteuer 2009 um 51.153,37 € herabzusetzen.

18

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung verweist das FA auf seine Einspruchsentscheidung. Die Klägerin habe ausschließlich mit M. L. verhandelt und gewusst, das dieser selbst mit Fahrzeugen handelt. Ein ordentlicher Kaufmann hätte bei dieser Sachlage mit dem angeblichen Abnehmer unmittelbar Kontakt aufgenommen und sich über die Wirksamkeit der Vertretungsmacht und das Verbringen der Fahrzeuge nach Österreich Gewissheit verschafft. Die Klägerin habe dies unterlassen und könne sich deshalb nicht auf die Billigkeitsregelung des § 6a Abs. 4 UStG berufen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist unbegründet.

21

Die im Streit stehenden Fahrzeuglieferungen sind nicht steuerfrei, da die Klägerin die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne von § 6a Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen hat. Die Steuerfreiheit setzt nämlich u.a. voraus, dass die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangen. Diesen Nachweis konnte die Klägerin nicht führen. Vielmehr hat S. D. in seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben, dass sämtliche Fahrzeuge nach R. verbracht wurden. Einen Nachweis über die Beförderung oder Versendung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet fehlt hingegen.

22

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Sie setzt mithin voraus, dass der Unternehmer alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Bestehende Zweifel hat der Unternehmer auszuräumen. Einzelne Anhaltspunkte für Zweifel hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407, aufgeführt. So bestehen zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bereits dann, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer keine längeren Geschäftsbeziehungen bestehen und der Unternehmer keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person hat. Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hatte bis zur ersten Fahrzeuglieferung zum vermeintlichen Abnehmer keine Geschäftsbeziehungen unterhalten. Die Klägerin hat es unterlassen, zum vermeintlichen Abnehmer Kontakt aufzunehmen und sich stattdessen auf die Angaben des dem Geschäftsführer der Klägerin persönlich bekannten angeblichen Bevollmächtigten des Abnehmers verlassen. Dessen Bevollmächtigung hat sie sich nicht nachweisen lassen.

23

Zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bestehen nach dem vorgenannten Urteil des BFH aber auch dann, wenn die Geschäftsanbahnung - wie im vorliegenden Fall - mit dem Unternehmer durch einen zwischengeschalteten Dritten erfolgt und der Abnehmer -  außer auf dem Papier - nicht in Erscheinung tritt.

24

Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es nach Auffassung des Senats noch nicht aus, dass der (vermeintliche) Abnehmer über eine gültige USt-ID-Nr. verfügt und sie sich diese und die Gewerbeanmeldung hat bestätigen lassen. Ebenso wenig reicht es schon, dass den beiden ersten Lieferungen kein Bargeschäft über hochwertige Fahrzeuge zu Grunde lag. Gerade hier hätte der Klägerin auffallen müssen, dass M. L. ihr die umgehende Zahlung der Rechnung nach einer Übersendung an ihn in R. zugesagt hatte.

25

Zudem liegen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG in formeller Hinsicht nicht vor. Danach muss die Inanspruchnahme auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruhen. Der Abnehmer (S. D.) ist gegenüber der Klägerin nicht in Erscheinung getreten. Die Erklärung über die Verbringung der Fahrzeuge nach Österreich stammt von M. L. Dessen Erklärung kann dem S.D. nur zugerechnet werden, wenn dieser M. D. bevollmächtigt hat. Hieran fehlt es.

26

Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung zugelassen wegen der Frage, ob die Vertrauensregelung des § 6a Abs. 4 UStG auch dann angewendet werden kann, wenn die unrichtigen Angaben von einer Person stammen, deren Bevollmächtigung durch den Abnehmer nicht nachgewiesen wurde.


Tatbestand

1

(Anmerkung: Nur die Entscheidungsgründe des Urteils sind zur Veröffentlichung bestimmt.)

Entscheidungsgründe

2

B. Die zulässige Klage ist unbegründet mit Ausnahme der Umsatzsteuer auf die vom FA angenommene zweite Rechnung an A.

3

Nur bezüglich letzterer Position ist die angefochtene Umsatzsteuerfestsetzung 2003 vom 17. September 2007 (oben A II 12) in Gestalt der Änderungsbescheide vom 14. Februar 2008 (oben A II 13) und vom 8. Juli 2008 (oben A II 18) sowie der Einspruchsentscheidung vom 22. März 2011 (oben A II 19) rechtswidrig und wird die Klägerin in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs. 1 FGO).

4

I. INNERGEMEINSCHAFTLICHE LIEFERUNGEN

5

Zu Recht hat das FA die von der Klägerin ausgeführten Pkw-Lieferungen 2003, soweit sie als innergemeinschaftliche Lieferungen an die Firmen B (unten 2), C (unten 3), A (unten 4), D (unten 5) und E (unten 6) fakturiert wurden, der Umsatzsteuer unterworfen und damit die Befreiung gemäß § 4 Nr. 1 Bstb. b i. V. m. § 6a UStG versagt (unten 1).

6

Lediglich die vom FA angenommene zweite Rechnung der Klägerin an A über einen Pkw und dessen Lieferung durch die Klägerin sind nicht ersichtlich und nicht zu besteuern (unten 4).

7

1. VORAUSSETZUNGEN DER UMSATZSTEUERBEFREIUNG

8

a) Befreiungstatbestand

9

aa) Eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung setzt eine im Inland steuerbare Lieferung voraus (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Nr. 1a UStG; Art. 28c Teil A Bstb. a der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Richtlinie 77/388/EWG -, jetzt Art. 138 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem -MwStSystRL-).

10

Gegenstand der Lieferung muss ein körperlicher Gegenstand sein, der vom liefernden Unternehmer, vom Abnehmer oder von einem vom liefernden Unternehmer oder vom Abnehmer beauftragten Dritten in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wird. Eine solche Lieferung gilt dort als ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten beginnt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, Art. 28c Teil A Bstb. a Richtlinie 77/388/EWG, Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL). Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt eine innergemeinschaftliche Lieferung voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (EuGH-Urteil vom 27.09.2007 Rs. C-409/04 "Teleos", BStBl II 2009, 70).

11

bb) Innergemeinschaftliche Lieferungen sind steuerfrei unter den Voraussetzungen von § 4 Nr. 1 Bstb. b und § 6a UStG.

12

Eine gemäß § 4 Nr. 1 Bstb. b UStG steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.

13

cc) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung im Streitzeitraum auf Art. 28c Teil A Bstb. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. nunmehr entsprechend Art. 138 Abs. 1 i. V. m. Art. 131 MwStSystRL).

14

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen, danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

15

b) Beleg- und Buchnachweis

16

aa) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Pflichten über den Beleg- und Buchnachweis erfüllt (BFH-Urteile vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, unter II 3 b; vom 12.05.2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II B 2 b).

17

Diese Nachweisvorschriften sind im Rahmen des vorgenannten Gestaltungsspielraums der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch (oben a cc) unionsrechtskonform (ständ. Rspr.; z. B. Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2014 3 K 1283/12, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2014, 1166, Juris Rz. 51; FG Nürnberg vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244 m. w. N.; BFH vom 12.05.2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511 Rz. 21 m. w. N.; vgl. EuGH vom 09.10.2014 C-492/13, Umsatzsteuer-Rundschau -UR- 2014, 943 Rz. 27); wie auch die entsprechenden Nachweisregelungen für Ausfuhren i. S. d. § 6 UStG (BFH-Urteil vom 28.08.2014 V R 16/14, BFHE 246, 573, BStBl II 2015, 46).

18

bb) Den Belegnachweis soll der Unternehmer dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in der im Streitjahr 2003 geltenden Fassung in den Fällen führen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert,

1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten
sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern.

19

Hinsichtlich der inhaltlichen Anforderungen an den Belegnachweis in Abholfällen ist zu berücksichtigen, dass § 17a Abs. 2 UStDV eine Sollvorschrift über die an den Nachweis nach § 17a Abs. 1 UStDV zu stellenden Anforderungen ist. Das Fehlen einer der in § 17a Abs. 2 UStDV genannten Voraussetzungen führt deshalb nicht zwangsläufig dazu, dass der Belegnachweis als nicht geführt zu beurteilen ist (BFH-Urteil vom 07.12.2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420).

20

cc) Für den Buchnachweis nach § 17c Abs. 2 UStDV in der im Streitjahr 2003 geltenden Fassung soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:

1. den Namen und die Anschrift des Abnehmers;
2. den Namen und die Anschrift des Beauftragten des Abnehmers bei einer Lieferung, die im Einzelhandel oder in einer für den Einzelhandel gebräuchlichen Art und Weise erfolgt;
...
9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet.

21

dd) Eindeutig und leicht nachprüfbar müssen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV; vgl. Urteile Sächsisches FG vom 12.03.2014 2 K 1127/13, Mehrwertsteuerrecht -MwStR- 2014, 619, Juris Rz. 23, Rev. XI R 15/14; FG Nürnberg vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244).

22

Daran fehlt es bei konkreten Zweifeln, während mündliche Ergänzungen nicht genügen (vgl. Sächsisches FG, Beschluss vom 04.03.2014 4 V 297, 13, Juris Rz. 14; Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2014 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166, Juris Rz. 55; FG München vom 21.03.2013 14 K 2542/11, Juris).

23

ee) Von herausgehobener Bedeutung sind für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen wie für die Sicherstellung der Erwerbsbesteuerung diejenigen vorbezeichneten Nachweise, die sich auf den Lieferweg und den Verbleib, den Bestimmungsort und die Identität des Abnehmers sowie des Ausstellers der Empfangsbestätigung und der Versicherung über die Beförderung beziehen (vgl. Urteile FG Düsseldorf vom 14.03.2014 1 K 4566/10 U, EFG 2014, 1526; BFH vom 07.12.2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420).

24

Anstelle eines fehlenden Bestimmungsort-Belegs genügt deshalb die Rechnungs- bzw. Firmensitzanschrift zumindest dann - entgegen der Auffassung der Klägerin (oben A V 1 a bb, cc) - nicht, wenn der Lieferweg unklar ist (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407; anders noch frühere Rspr. bei unstreitiger Lieferung an Unternehmenssitz, vgl. Urteile BFH vom 07.12.2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420; FG Rheinland-Pfalz vom 10.02.2005 6 K 1738/03, DStR-Entscheidungsdienst -DStRE- 2006, 1290).

25

Wenn der Abholbeauftragte mit dem passenden Geldbetrag erscheint, lässt sich daraus - entgegen der Auffassung der Klägerin (oben A V 1 d) - nicht schließen, wer und wo der Auftraggeber und tatsächliche Abnehmer ist.

26

ff) Bei Barverkäufen hochwertiger Pkw sind erst recht besonders hohe Anforderungen an diese Nachweispflichten zu stellen (vgl. BFH-Urteil vom 15.07.2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, unter II 2 b). Diese Nachweis-Anforderungen sind gemäß aktueller Rechtsprechung zum Beispiel in folgenden Fällen nicht erfüllt:
- bezüglich Abnehmer, Lieferweg und Bestimmungsort (oben ee) widersprüchliche Belege (FG München, Urteil vom 30.07.2013 2 K 155/12, Juris);
- betreffend Identifizierung des Abholers und tatsächlichen Abnehmers widersprüchliche Belege (BFH-Urteil vom 26.11.2014 XI R 37/12, Juris);
- unvollständige Ausweiskopie (Sächsisches FG, Urteil vom 04.03.2014 4 V 297/13, Juris);
- unklare Unterschrift und Identität des Beauftragten (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.02.2014 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166);
- nicht nachgewiesene Abholer-Vollmacht oder wenigstens nachprüfbare Abhol-Berechtigung (Urteile FG Sachsen-Anhalt vom 22.01.2014 2 K 1122/11 zu § 6a Abs. 4 UStG, Juris; FG München vom 24.09.2013 2 K 570/11; BFH vom 25.04.2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453; z. T. entgg. BFH-Urteil vom 23.04.2009, BFHE 225, 243; BStBl II 2010, 509);
- fehlende datierte Empfangsbestätigung, nicht zuzuordnende Unterschrift ohne Vertretungszusatz, ohne Ausweiskopie nicht nachgewiesene Identität und Vertretungsberechtigung des Abholers (FG München, Urteil vom 24.09.2013 2 K 570/11, Juris);
- mit Stempel des angeblichen Abnehmers versehene undatierte und nachträglich gefaxte Verbringungsbestätigung, nicht mit Passkopien der Abholer übereinstimmende unleserliche Unterschriften (FG München, Urteil vom 29.01.2014 3 K 631/11, Juris, Rev. V R 38/14);
- mit Stempel der Empfängerin ohne oder mit Unterschrift am Ort der Verkäuferin erstellte Belege ohne Gebrauchsspuren (FG Nürnberg, Urteil vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244);
- Stempel und bloßes Kürzel unter Liste des Lieferers (FG Düsseldorf, Urteil vom 31.01.2014 1 K 3117/12 U, Juris, Rev. V R 14/14);
- fehlende Nachweise des Lieferwegs und Bestimmungsorts (oben ee), der Identitäten der Abholer und des wahren Abnehmers, Ausweiskopien ohne Ortsangabe, mit Ausweis nicht übereinstimmende unleserliche Unterschriften (BFH-Beschluss vom 24.06.2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584);
- fehlende Angaben zu Ort und Datum der Übernahme sowie zum Bestimmungsort (oben ee; FG Hamburg, Urteil vom 07.06.2013 5 K 61/10, EFG 2014, 160, Juris Rz. 64);
- fehlender Bestimmungsort-Beleg (oben ee; BFH-Beschluss vom 19.03.2014 V B 26/13, BFH/NV 2014, 1102);
- in Verbringungserklärung fehlender Bestimmungsort nicht durch Rechnungsanschrift ersetzbar (oben ee; FG Düsseldorf, Urteil vom 14.03.2014 1 K 4566/10 U, EFG 2014, 1527, Rev. XI R 20/14).

27

gg) Kommt der Unternehmer den formellen Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen, soweit nicht der objektive Nachweis geführt wird (vgl. unten d - e; BFH-Urteile vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188; vom 12.05.2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957).

28

c) Widerlegter oder bezweifelter Beleg- und Buchnachweis

29

aa) Außerdem ist die Steuerbefreiung nicht zu gewähren, wenn sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend erweisen (z. B. nachträglich unzutreffend erstellter Beleg, BFH-Urteil vom 18.07.2002 V R 3/02, BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616) oder wenn an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben zumindest berechtigte bzw. nicht ausgeräumte Zweifel bestehen, die der Unternehmer nicht durch objektive Nachweise ausräumen kann (unten d - e), und wenn insoweit kein Vertrauensschutz zu gewähren ist (unten f; vgl. BFH-Urteile vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, BStBl II 2011, 957; vom 12.05.2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957).

30

bb) Widerlegt oder berechtigt in Zweifel gezogen werden die vorgelegten Nachweisangaben ggfs. durch anderslautende zwischenstaatliche - etwa aufgrund Rechts- oder Amtshilfe erlangte - Auskünfte, die durch das Gericht gemäß § 96 FGO verwertet werden können; insbesondere Indizien wegen zweifelhafter Abnehmer-Firmen oder Abnahmen oder wegen fehlender Fahrzeug-Zulassungen am Bestimmungsort (vgl. Sächsisches FG, Beschluss vom 04.03.2014 4 V 297/13, Juris Rz. 26; Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2014 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166, Juris Rz. 52; FG Nürnberg vom 14.05.2013 2 K 568/11, EFG 2013, 1273, Juris Rz. 41; FG Baden-Württemberg vom 09.06.2008 9 K 408/04, Juris Rz. 55, 63).

31

cc) Weitere Indizien zur Widerlegung oder zur berechtigten Bezweifelung des danach nicht mehr ausreichenden Beleg- und Buchnachweises ergeben sich ggfs. aus auffälligen Distanzen zwischen angeblichem Abnehmersitz und weiter entferntem Geschäft oder Ort, wohin die Autos nach weiteren Unterlagen wahrscheinlicher verbracht wurden (z. B. mehrere 100 km, vgl. FG Nürnberg, Urteil vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244 zu 5, Juris Rz. 65).

32

dd) Widerlegt oder berechtigt in Zweifel gezogen und deshalb ungenügend wird der Beleg- und Buchnachweis im Übrigen durch Erkenntnisse oder Indizien für Scheingeschäfte, für eine Scheinfirma oder einen Scheinsitz. Eine Scheinfirma liegt nicht stets schon dann vor, wenn eine Gesellschaft sich nach Leistungsaustausch ihren steuerlichen Verpflichtungen entzieht (Missing Trader) und an ihrem eingetragenen Sitz nur (noch) über eine Briefkastenanschrift verfügt. Vielmehr kommt es auch darauf an, ob sie tatsächlich die Geschäfte ausführt und dazu aufgrund ausreichender Kapital- und sonstiger Ausstattung überhaupt in der Lage ist oder ob sie nur als Rechtsmantel zur unlauteren Abwicklung von wirtschaftlichen Vorgängen verwendet wird. Abzustellen ist für Scheingestaltungen auf die Gesamtschau der Indizien; zum Beispiel:
- angeblicher Geschäftssitz des vermeintlichen Abnehmers bei einem branchenfremden Unternehmen oder Büroservice;
- keine eigenen oder gemieteten Geschäftsräume, kein Verkaufs- oder Lagerraum, kein eigenes Mobiliar, keine Kassenführung, kein Bankkonto, kein sonst gehaltenes Vermögen, keine Buchführung oder keine aufbewahrten Geschäftsunterlagen an der angeblichen Adresse;
- an der angeblichen Adresse mangelnde eigene Geschäftstätigkeit oder fehlende Wahrnehmung von Geschäftsleitungs- und Arbeitgeberfunktion oder Behördenkontakten über die Anmeldung oder Gründung hinaus;
- keine Mitwirkung der Mitarbeiter des an der angeblichen Adresse tätigen fremden Unternehmens bei den angeblichen Geschäften mit der Abnehmerfirma;
- keine Geschäftsanbahnung oder -abwicklung über die angebliche Adresse; Kommunikation nur mobil oder mit Dritten;
- Unstimmigkeiten oder Abweichungen bei angegebenen gesetzlichen und anderen Vertretern, bei Kontaktdaten, bei Geschäftsgegenstands-Bezeichnungen, bei Eintragungen im Handels- oder Gewerberegister
(vgl. insges. u. mit weiteren Bsp. FG Hamburg, Beschluss vom 26.10.2010 im Parallelfall 3 V 85/10, EFG 2011, 1111, DStRE 2011, 1073; BFH-Urteil vom 19.04.2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315 Rz. 50; FG Hamburg, Beschluss vom 23.09.2005 im Parallelfall III 71/05, Juris, oben A VI 8 a; BFH-Beschluss vom 04.02.2003 V B 81/02, BFH/NV 2003, 670 m. w. N.; FG Hamburg, Urteil vom 04.08.1998 II 39/97, EFG 1999, 193, Internationales Steuerrecht -IStR- 1999, 47 m. Anm. Hardt, IStR 1999, 50, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht -UVR-1999, 72, nachgehend BFH-Beschluss vom 10.05.1999 V B 1/99, BFH/NV 1999, 1526; FG Hamburg Beschlüsse vom 23.02.1998 II 83/97, DStRE 1998, 929, EFG 1998, 1294, IStR 1998, 543, Bespr. Hardt, KFR F. 7 UStG § 15, 3/98 H 10/98 S. 353; vom 29.10.1996 II 118/96, IStR 1997, 88, EFG 1997, 508; BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BFHE 181, 197, BStBl II 1996, 620).

33

ee) Zur Frage des Vorhandenseins der Flächen, Gebäude oder sonstigen Ausstattung in der örtlichen und räumlichen Situation an der zu prüfenden Adresse sind Erkenntnisse aus Google-Earth und -Street-View von Amts wegen heranzuziehen und ohne weiteres - als allgemein bekannt bzw. zugänglich - verwertbar (vgl. z. B. FG Hamburg, Urteil vom 18.02.2014 3 K 257/13, Juris Rz. 3; OLG Köln, Beschluss vom 20.03.2012 III-1 RBs 65/12, Juris Rz. 30; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 08.09.2011 5 L 754/11, Juris Rz. 54).

34

d) Objektiver Nachweis der Befreiungsvoraussetzungen

35

aa) Ausnahmsweise ist trotz Nichterfüllung der formellen Beleg- und Buchnachweispflichten aus §§ 17a, 17c UStDV oder nach berechtigten Zweifeln die Steuerbefreiung zu gewähren, wenn letztlich objektiv zweifelsfrei bewiesen wird oder feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen (Urteile FG Berlin-Brandenburg vom 09.10.2014 5 K 5225/12, Juris Rz. 19 ff., Rev. V R 53/14; BFH vom 24.07.2014 V R 44/13, BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955, Rz. 19; vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, unter II 3 c; vom 12.05.2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, unter II 1 c und II 3; vom 06.12.2007 V R 59/03, BFHE 219, 469, BStBl II 2009, 57).

36

bb) Dazu gehört insbesondere der Beweis, wer an welchem Bestimmungsort wahrer Empfänger der jeweiligen Lieferung ist bzw. wo und bei welchem vertraglichen Abnehmer die Lieferung tatsächlich "bewirkt" (effected, effectué) wurde. Auf diesen Beweis kommt es deshalb entscheidend an, weil ansonsten das Ziel nicht erreicht werden kann, Steuereinnahmen dadurch auf den Bestimmungsmitgliedstaat zu verlagern, dass der Erwerber der innergemeinschaftlichen Lieferung in diesem Mitgliedstaat Schuldner der Umsatzsteuer auf den Erwerb bzw. der Einfuhrumsatzsteuer ist (vgl. § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG; oben a bb).

37

So reicht beispielsweise der bloße Beweis von Fahrzeug-Zulassungen im Bestimmungsland - vgl. unten dd - nicht aus (BFH, Urteile vom 26.11.2014 XI R 37/12, BFH/NV 2015, 358 Rz. 42 ff.; vom 25.04.2013 V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz. 45; Beschluss vom 24.06.2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584 Rz. 23, 27, 32; Urteile FG Nürnberg vom 28.05.2013 2 K 417/11, EFG 2014, 1244; vom 14.05.2013 2 K 568/11, EFG 2013, 1273; FG München vom 21.03.2013 14 K 2542/11, Juris Rz. 41, 47).

38

cc) Den objektiven und zweifelsfreien Beweis hat der Verkäufer mittels vorhandener Beweismittel zu führen, ohne dass weitere Ermittlungen notwendig werden; dabei trägt er die Feststellungslast bzw. objektive Beweislast (vgl. Urteile FG Rheinland-Pfalz vom 25.02.2014 3 K 1283/12, EFG 2014, 1166; ferner z. T. EuGH vom 06.09.2012 C-273/11 "Mecsek-Gabona", Juris). Er hat gegensätzliche Erkenntnisse oder Indizien zu widerlegen und kann dazu keine behördlichen oder gerichtlichen Ermittlungen von Amts wegen verlangen (Urteile FG Düsseldorf vom 31.01.2014 1 K 3117/12 U, Juris; BFH vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 23; V R 10/11, BFH/NV 2013, 832, Rz. 41, 45); insbesondere auch keine zwischenstaatlichen Auskunftsersuchen (Urteile FG München vom 29.01.2014 3 K 631/11, Juris Rz. 53; Hessisches FG vom 14.04.2011 6 K 1390/08, Juris Rz. 33; FG Köln vom 17.04.2008 10 K 4864/07, EFG 2008, 1334, Juris Rz. 21, 25; EuGH vom 27.09.2007 C-184/05 "Twoh" , BStBl II 2009, 83, UR 2007, 745).

39

dd) Soweit die Klägerin für den objektiven Nachweis - entgegen oben bb - allein eine Zulassung gelieferter Fahrzeuge im Bestimmungsland für ausreichend hält und sich dafür auf die BFH-Urteile vom 24.07.2014 V R 44/13 (BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955) und vom 21.05.2014 V R 34/13 (BFHE 246, 232, BStBl II 2014, 914) bezieht (vgl. oben A V 1 a aa, bb, cc bbb, dd bbb), ergibt sich dazu nichts aus diesen Entscheidungen.

40

In ersterer wurde eine zu prüfende leichtfertige Steuerverkürzung i. S. d. § 378 AO abgegrenzt gegenüber der ggfs. zu versagenden Steuerbefreiung (dort Rz. 19-22).

41

In letzterer waren die objektiven Nachweise der Verbringung und des Erwerbers unproblematisch. Unstreitig hatte ein gewerblicher Yacht-Vercharterer seine Yacht für eigene unternehmerische Zwecke nach Palma de Mallorca verbracht (dort Rz. 2-8, 30 ff., insbes. Rz. 45). Gestritten wurde stattdessen u. a. über die steuerlichen Konsequenzen aus seiner dort unterlassenen Erwerbs-Anmeldung und -Versteuerung, insbesondere über die Frage einer die Steuerbefreiung ausschließenden Steuerhinterziehung (dort Rz. 46 ff.).

42

e) Ausschluss der Steuerbefreiung bei kollusiver Täuschung

43

Selbst wenn die formalen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind (Beleg- und Buchnachweis; oben b) oder der Beweis des tatsächlichen Empfängers und Lieferorts geführt werden könnte (objektiver Nachweis; oben c), ist die Steuerbefreiung ausgeschlossen nach Täuschung über den wahren Abnehmer bzw. nach Verschleierung seiner Identität, wodurch die Besteuerung des Erwerbs im Bestimmungsland verhindert wird, oder bei bewusster Beteiligung an einer auf der nachfolgenden Handelsstufe einer Lieferkette begangenen Umsatzsteuerhinterziehung (Urteile EuGH vom 18.12.2014 C-131/13 "Italmoda", Der Betrieb -DB- 2015, 38, BB 2015, 544; BFH vom 26.11.2014 XI R 37/12, Juris Rz. 60; BFH-Beschluss vom 24.06.2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584 Rz. 42 m. w. N.).

44

So liegt der Fall insbesondere, wenn der inländische Verkäufer im kollusiven Zusammenwirken mit dem tatsächlichen Abnehmer die Lieferung an einen Zwischenhändler vorgetäuscht hat, um dem tatsächlichen Abnehmer die Steuerhinterziehung zu ermöglichen (Urteile BGH vom 19.03.2013 1 StR 318/12, Neue Zeitschrift für Wirtschafts-, Steuer- und Unternehmensstrafrecht -NZWiSt- 2014, 73; BFH vom 11.08.2011 V R 50/09, BFHE 235, 32; BStBl II 2012, 151, vorgehend FG Baden-Württemberg vom 12.11.2009 12 K 273/04, EFG 2010, 673; FG Hamburg, Beschluss vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1113, DStRE 2011, 1073, EFG 2010, 673, Juris Rz. 264 m. w. N. u. Bsp. im Parallelfall AAA, oben A II 1, IV, VI 8 a; zu Schein-Gestaltungen vgl. oben c bb - dd).

45

Werden diese Lieferungen durch den inländischen Verkäufer gleichwohl als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklärt, macht er gegenüber den Finanzbehörden unrichtige Angaben i. S. von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO und verkürzt dadurch die von ihm geschuldete Umsatzsteuer (BFH-Urteil vom 21.05.2014 V R 34/13, BFHE 246, 232, BStBl II 2014, 914 Rz. 50; BGH-Beschluss vom 20.11.2008 1 StR 354/08, BGHSt 53, 45; Deutsches Steuerrecht -DStR- 2009, 577; nachgehend BVerfG-Beschluss vom 16.06.2011 2 BvR 542/09, DStRE 2012, 279).

46

Denn in diesen Fällen, in denen ernsthafte Gründe zu der Annahme bestehen, dass der mit der fraglichen Lieferung zusammenhängende innergemeinschaftliche Erwerb im Bestimmungsland der Zahlung der Mehrwertsteuer entgehen könnte, muss der Ausgangsmitgliedstaat grundsätzlich dem Lieferer der Gegenstände die Befreiung verweigern und ihn verpflichten, die Steuer nachzuentrichten, um zu vermeiden, dass der fragliche Umsatz jeglicher Besteuerung entgeht (EuGH-Urteil vom 07.12.2010 C-285/09 "R.", BStBl II 2011, 846; vorgehend BGH-Beschluss vom 07.07.2009 1 StR 41/09, DStR 2009, 1688).

47

f) Vertrauen auf unrichtige Abnehmer-Angaben

48

Auch wenn bei einer als steuerfrei behandelten Lieferung die Befreiungs-Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, genießt ein gutgläubiger Verkäufer Vertrauensschutz und ist nach § 6a Abs. 4 UStG die Lieferung gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

49

aa) Diese Regelung entspricht der zu Art. 28c Teil A Bstb. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. Art. 138 Abs. 1 i. V. m. Art. 131 MwStSystRL entwickelten Rechtsprechung des EuGH (vgl. Urteile FG München vom 29.01.2014 3 K 631/11, Juris Rz. 56; BFH vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 17; V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz. 29; EuGH vom 27.09.2007 C-409/04 "Teleos", BStBl II 3009, 70, UR 2007, 774, Rz. 65 f.).

50

bb) Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i. V. m. §§ 17a ff. UStDV ihrer Art nach nachkommt. Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt. Die Frage des Vertrauensschutzes ergibt sich damit erst, wenn der Unternehmer aufgrund der Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmannes seinen Nachweispflichten vollständig nachgekommen ist (BFH-Urteile vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 21; V R 10/11, BFH/NV 2013, 1453, Rz. 33; vom 15.02.2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188 Rz. 32; vom 12.05.2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz. 29 f.).

51

cc) Die damit vorausgesetzte formelle Vollständigkeit der nach § 6a Abs. 3 UStG vorgeschriebenen Nachweise bezieht sich auf die Beleg- und Buchnachweispflichten gemäß §§ 17a, 17c UStDV und deren bereits ausgeführten Umfang (oben 1 b, insbes. ee - ff mit beispielhaft zitierter Rspr.); und zwar zum Zeitpunkt der Lieferung und nicht auf nachträgliche Belege (BFH-Urteil vom 18.07.2002 V R 3/02, BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616).

52

dd) Erst nach der formellen Nachweis-Vollständigkeit ist die Gutgläubigkeit des Verkäufers zu prüfen, nämlich ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der vom Abnehmer stammenden und übernommenen Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

53

ee) Ausgeschlossen ist der Vertrauensschutz und damit die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung, wenn objektive Anhaltspunkte darauf schließen lassen, dass der Verkäufer wusste oder hätte wissen müssen, dass der von ihm bewirkte Umsatz mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft war, und der Verkäufer nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren oder vernünftiger Weise zu verlangenden Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.

54

Dabei rechtfertigen sich hohe Anforderungen aus dem von der Richtlinie 77/388/EWG angestrebten Ziel der Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung (vgl. Urteile EuGH vom 18.12.2014 C-131/13 "Italmoda", DB 2015, 38, Rz. 50, 62, 64, 69; vom 09.10.2014 C-492/13 "Traum EOOD", UR 2014, 943, Rz. 42; vom 06.09.2012 C-273/11 "Mecsek-Gabona", DStR 2012, 1917, UR 2012, 796).

55

ff) Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim Handel mit Kraftfahrzeugen auf dem grauen Markt sowie beim (dort u. U. üblichen) Barverkauf von hochwertigen Pkw in das Ausland mit Abholung durch einen Beauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen. Bestehen Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (BFH-Urteile vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 28 ff.; vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz. 35 ff. m. w. N.).

56

gg) Unter diesen Umständen genügen für die dem ordentlichen Kaufmann obliegende Sorgfalt nicht die - von der Klägerin (oben A II 15, V 1 a dd, d) angeführte - Einholung einer Bestätigung der USt-Ident-Nummer sowie die Abfragen der Handelsregister-Eintragung oder Gewerbeanmeldung der vermeintlichen Abnehmerfirma (Urteile FG Sachsen-Anhalt vom 22.01.2014 2 K 1122/11, Juris Rz. 24; FG München vom 24.09.2013 2 K 570/11, Juris Rz. 44 m. w. N.).

57

hh) Je nach den Gesamtumständen und danach möglichen Zweifeln obliegt es dem Unternehmer, sich nötigenfalls über seinen wahren Geschäftspartner und dessen tatsächlichen Geschäftssitz durch dortige Kontaktaufnahme oder persönlich zu vergewissern, wenn es darauf umsatzsteuerlich ankommt (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2014 3 V 241/13, Juris Rz. 81 ff.; BFH-Urteil vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 28 ff.; FG Hamburg, Beschluss vom 26.10.2010 im Parallelfall 3 V 85/10, EFG 2011, 1111, DStRE 2011, 1073 zu 2 d, e, Juris Rz. 255, 257; oben A VI 8 a).

58

ii) Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers und für die Notwendigkeit sorgfältiger weiterer Nachforschungen können sich in diesen Fällen beispielsweise aus folgenden Umständen ergeben:
- Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem angeblichen Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteile FG Sachsen-Anhalt vom 22.01.2014 2 K 1122/11, Juris Rz. 22; FG München vom 24.09.2013 2 K 570/11, Juris Rz. 42; BFH vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz. 39; FG Köln vom 27.01.2005 10 K 1367/04, EFG 2005, 822).
- Das Geschäft mit dem vermeintlichen Abnehmer wird nicht an dessen Geschäftssitz oder nur mobil oder durch einen Dritten angebahnt und der Abnehmer tritt nur in Begleitung oder kaum bzw. nur auf dem Papier in Erscheinung (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2014 3 V 241/13, Juris, Rz. 86; Urteile FG Sachsen-Anhalt vom 22.01.2014 2 K 1122/11, Juris, Rz. 23; FG München vom 24.09.2013 2 K 570/11, Juris, Rz. 42; BFH vom 25.04.2013 V R 28/11, BFHE 242, 77, BStBl II 2013, 656, Rz. 31; vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz. 39).
- Fehlende Nachvollziehbarkeit des Markt- und Internetauftritts oder -angebots oder des Email- und Schriftverkehrs, z. B. fehlende Faxkennung des vermeintlichen Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z. B. örtlich nicht passende Faxkennung oder Telefonnummer des Abnehmers (vgl. BFH-Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407, Rz. 39);
- im Hinblick auf den Umsatzumfang nicht ausreichend nachvollziehbare personelle Kapazitäten, Geschäftsausstattung oder Logistik des angeblichen Geschäftspartners oder Auffälligkeiten in seiner Person (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 11.02.2014 3 V 241/13, Juris, Rz. 84 f.);
- sonstige Unregelmäßigkeiten, Ungereimtheiten oder Auffälligkeiten ähnlich wie bei den vorbeschriebenen Mängeln von Beleg- und Buchnachweisen (vgl. oben b ff, c dd; FG München, Urteil vom 29.01.2014 3 K 631/11, Juris, Rz. 60, Rev. V R 38/14) oder bei der Unterschrift (BFH-Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BFHE 239, 516, BStBl II 2013, 407 Rz. 26).

59

2. LIEFERUNGEN ANGEBLICH AN B ...

60

Zu Recht hat das FA die Umsatzsteuerbefreiung versagt für die in 49 Rechnungen an B fakturierten Lieferungen von 57 Fahrzeugen zum Nettopreis von 3.066.800 Euro - nach Abzug von 3 Gutschriften - (oben A 3 a).

61

Der Beleg- und Buchnachweis ist jeweils unvollständig (a) und im Übrigen widerlegt (b). Ein objektiver Nachweis wird nicht geführt (c). Danach kommt es auf die kollusive Täuschung nicht mehr an, die gleichwohl vorliegt (d). Ein Vertrauensschutz scheidet aus wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises sowie wegen mangelnder Gutgläubigkeit bei kollusiver Täuschung; im Übrigen würde es an der gebotenen Sorgfalt fehlen (e).

62

a) B: Unvollständiger Beleg- und Buchnachweis

63

Für sämtliche an B fakturierten Lieferungen fehlt es bereits am vollständigen Beleg- und Buchnachweis.

64

aa) Frachtbrief ohne ausreichende Lieferadresse

65

Der für die zuerst fakturierte Lieferung von zusammen sechs VW Beetle vorliegende Frachtbrief ist ohne Angabe einer für die Lieferung ausreichende Adresse (oben A I 3 a mm nn) nicht nachvollziehbar und deshalb nicht einfach und leicht nachprüfbar (oben 1 b cc - dd).

66

Die danach mangelnde Schlüssigkeit dieses Frachtbriefs wird nicht durch den nachträglichen Abdruck des angeblichen Empfänger-Stempels im Feld für die Empfangsquittung ersetzt; erst recht nicht nach Herstellung des Stempels am Ort der liefernden Klägerin (oben A I 3 a ll bbb).

67

bb) Verbringungserklärungen ohne Bestimmungsort

68

Für die übrigen Lieferungen fehlt in den Verbringungserklärungen die Eintragung des Bestimmungsorts (oben A I 3 a mm aaa), auf die neben dem Bestimmungsland nicht verzichtet werden kann (oben 1 b ee - ff; vgl. 1 c dd, d bb).

69

Im Übrigen lässt sich der Bestimmungsort auch nicht anhand der Rechnungsanschrift hinreichend bestimmen; erst recht nicht, wenn sonst für eine Lieferung dorthin nichts ersichtlich ist (oben A I 3 a aa - bb) und deshalb der Lieferweg nicht anderweitig leicht nachprüfbar, sondern unklar ist (oben 1 b ee, ff).

70

Die Beifügung des Abdrucks eines - zumal hier am Ort der liefernden Klägerin hergestellten - angeblichen Empfänger-Stempels (oben A I 3 a ll bbb) ermöglicht ebenso wenig die erforderliche leichte Nachprüfbarkeit des tatsächlichen Wegs der Lieferung (oben aa; 1 b dd, ff).

71

cc) Keine Abholer-Vollmachten

72

In den Abholfällen fehlen außerdem für die Abholfahrer Vollmachten (A I 3 a mm ccc) oder anderweitige Möglichkeiten der - entgegen dem Klägervorbringen (A V 1 d) erforderlichen - einfachen und leichten Nachprüfbarkeit der Abholberechtigung (oben 1 b dd, ff).

73

dd) Geschäftsführer- statt Abholer-Unterschriften

74

Bei einer Reihe von Abholfällen fehlt jeweils die Abholer-Unterschrift, sondern erscheint an deren Stelle die Unterschrift oder ein Namenszug des nominellen Geschäftsführers der angeblichen Empfängerin. Dadurch wird der Widerspruch zum Fehlen der Abholer-Unterschriften ebenso wenig eindeutig und leicht nachprüfbar aufgelöst wie bei nachträglichen Bestätigungen (oben 1 b dd, ff).

75

Diese Entscheidung über den Belegnachweis lässt dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit der gesondert zu prüfenden objektiven Nachweisführung offen (oben 1 d; unten d).

76

ee) Ebenso wenig einfach und leicht nachprüfbar ist die Abzeichnung der nachträglichen Lieferliste mit Namenszug oder Unterschrift des nominellen Geschäftsführers der angeblichen Empfängerin (oben dd; 1 b dd, ff); zumal nach Herstellung der Liste auf dem von der Klägerin benutzten Computer (oben A I 3 a oo).

77

b) B: Widerlegter Beleg- und Buchnachweis

78

Abgesehen von den wie vorstehend jeweils durchgreifenden Mängeln des Beleg- und Buchnachweises ist dieser im Übrigen in allen Fällen widerlegt und ist auch deshalb, soweit kein objektiver Nachweis geführt wird oder Vertrauensschutz besteht (oben 1 d - f), die Steuerbefreiung nicht zu gewähren (oben 1 c),

79

Alle an B, F, fakturierten Rechnungen sind an eine Scheinfirma an einem Scheinsitz adressierte Scheinrechnungen (§ 41 Abs. 2 AO) zur Verdeckung der tatsächlichen Lieferungen an oder zur Verfügung von G.

80

aa) Diese Erkenntnis lässt sich kurz gesagt nicht deutlicher ausdrücken als mit der von der Klägerin verwendeten Dateibezeichnung für die nachträglich erstellte Liste der hier streitigen Lieferungen (oben A I 3 a oo):

81

"Liste der an G gelieferten Kfz".

82

bb) Ebenso gründet sich die Überzeugung des Senats, dass die Lieferungen an B nur zum Schein belegt werden, auf die Herstellung des vielfach verwendeten Stempels B zugleich mit dem Stempel D am Ort der Klägerin in H (oben A I 3 a mm bbb, d ll aaa) und auf die Unglaubhaftigkeit des diesbezüglichen Klägervorbringens.

83

Gegen den Klägervortrag betreffend Stempelbesorgung durch den nominellen D-Geschäftsführer anlässlich einer Auto-Abholung in H
"verschwunden und kam mit einem Stempel wieder"
(oben A V 1 e) spricht bereits die gemeinsame Abspeicherung beider Stempelabdrucke durch den Hersteller (oben A I 3 a mm bbb, d ll aaa).

84

Außerdem ist der Vortrag nicht nachvollziehbar erstens wegen des Zeitbedarfs für die Herstellung; ebenso wenig zweitens wegen der Distanzen zum Laden sowie drittens zwischen Laden und Hersteller (oben A I 3 a mm bbb, d ll aaa).

85

cc) Das vorstehende Ergebnis, dass es sich bei B in F um Scheingestaltungen mit Scheinfirma, Scheinsitz, Scheinrechnungen und Scheinbelegen zur Verdeckung der tatsächlichen Lieferungen an G oder eines seiner Unternehmen in J handelt, folgt gleichfalls aus folgenden - im Einzelnen unwiderlegten und unbestrittenen - Umständen und Indizien:
aaa) Eingetragene Sitzadresse in F
- ohne verfügbare Räumlichkeiten für Büro, Laden oder Ausstellungsflächen (oben 1 c dd, f ii; A I 3 a aa, dd ddd),
- ohne Geschäftsausstattung (oben 1 c dd, f ii; A I 3 a aa, dd ddd),
- ohne Personal (oben 1 c dd, f ii; A I 3 a dd ddd) ,
- ohne Kommunikationsanschlüsse (oben 1 c dd, f ii; A I 3 a dd ddd);
- wo Firma und Geschäftsführer unbekannt sind (oben A I 3 a dd ddd);
- wo lediglich eine frühere Gefängnisbekanntschaft einer dortigen Person mit einer Vertrauensperson bestand (oben 1 c dd; A I 3 a dd ddd),
- wo über den nicht unterschriebenen Entwurf eines Schein-Mietvertrags mit Phantasiedaten hinaus keine Kontakte mit dem arbeitslosen Gefängnis-Bekannten oder anderen Personen stattfanden (oben 1 c dd; A I 3 a dd ddd),
- wohin die Distanz vom Wohnort des eingetragenen Geschäftsführers rund 820 km beträgt (oben 1 c cc; AI a bb).
bbb) Eingetragener Geschäftsführer K
- ohne Handels- und Branchenkenntnisse oder -Erfahrungen nach Arbeitslosigkeit durch Gs Vertrauensperson L in M angeworben für Zeichnung bei Gründung, als Geschäftsführer, bei Antrag auf IVA-Nummer bzw. USt-Ident-Nummer (oben 1 c dd; A I 3 a dd ccc, eee, ff bbb);
- keine persönliche Betätigung im Handel und keine weiteren Tätigkeiten
- außer Unterzeichnung der nach Gs Anweisungen im Büro von dessen Vertrauensperson L unter dem Briefkopf B erstellten Dokumente, fast ausschließlich Rechnungen, in M, mehr als 800 km vom Sitzort entfernt (oben 1 c cc, dd, f ii; A I 3 a dd eee, ff ccc), oder
- außer Mitwirkung bei der Erstellung und Unterzeichnung von Rechnungen nach Gs Anweisungen unter dem Briefkopf B im N-Büro in J, mehr als 400 km vom Sitzort entfernt (oben 1 c cc, dd, f ii; A I 3 a dd eee, ff ccc; entgg. Klägerwürdigung oben A V 1 a cc eee).
ccc) Kein Auftritt der Firma B über Eintragung und Rechnungen hinaus, insbesondere
- keine Handels-, gewerbliche oder sonstige irgendwie geartete Betätigung und keine weitere Buchhaltung (oben 1 c dd, f ii; A I 3 a dd aaa, ddd),
- keine Steuererklärungen oder -zahlungen (oben A I 3 a dd aaa).
ddd) Geschäftsanbahnungen, Geschäfte oder Kontakte - statt mit B bzw. K - tatsächlich laut
- Verkaufsnotizen,
- Preisnotizen sowie
- Kontaktdaten-Eintragungen
mit G in J oder mit dem Büro von Gs Vertrauensperson L; keine Kontaktdaten B bzw. K (oben A I 3 a ff ccc, ddd, gg, hh, ii, jj).
eee) Tatsächliche Lieferungen der an B, F, fakturierten Fahrzeuge nach J an G oder den Betrieb seiner Firmen N oder O oder an deren Kunden
- durch von P aus H eingesetzte Lieferfahrer (oben A I 3 a ll) oder
- insbesondere durch von G beauftragte und mit Abholflugtickets sowie mit Kaufpreis in der Regel bar ausgestattete Abholfahrer aus J und Umgebung, wie durch kopierte Ausweise belegt; rund 400 km vom Sitzort der B in F entfernt (oben 1 c cc; A I 3 a dd bbb, fff).
fff) Tatsächliche Übermittlung der an B, F, fakturierten Rechnungen der Klägerin
- an Gs Vertrauensperson L in M, mehr als 800 km von F entfernt (oben A I 3 a ff ccc), oder
- an G in J (oben A I 3 a dd fff), mehr als 400 km von F entfernt (oben 1 c cc; A I 3 a dd bbb).
ggg) Tatsächliche Bezahlung der an B fakturierten Fahrzeuge mit Geld von G aus J
- in der Regel bar bei Übergabe, insbesondere in Abholfällen mit dem jeweiligen Abholfahrer in einem Umschlag Gs mitgegebenem Barbetrag (oben 1 b ff, f ff; A I 3 a fff);
- in Ausnahmefällen unbar mit von G in J ausgestellten Bankschecks (oben A I 3 a kk).

dd) Danach kommt der Senat zu der Überzeugung, wie im Übrigen die Guardia di Finanza, dass die B als Scheinfirma nur zu dem Zweck gegründet wurde, sie als vorgeschaltete italienische Käuferin von Personenkraftwagen aus der EU einzusetzen (oben I 3 a dd aaa), und wie weiter das Landgericht H, bestätigt durch den BGH, dass die B nur Scheinfirma für Steuerhinterziehungszwecke war (oben I 3 a ff).

86

ee) Insoweit nimmt der Senat zugleich ergänzend auf die dortigen Feststellungen und Beweiswürdigungen Bezug (oben 1 c bb, A I 2, 3 a dd, ff, IV, VI 4, 5 d).

87

ff) Letzteres gilt auch für die Feststellung und Beweiswürdigung des Landgerichts, dass auf telefonisch von P an G übermittelten Wunsch der eingetragene Geschäftsführer K eine Vollmacht für G namens der B ausgestellt habe, um der Rechnungstellung an B den Anschein einer seriösen Geschäftsverbindung zu geben und G als Bevollmächtigten der Firma B darzustellen und die unmittelbare Lieferbeziehung zu Gs N zu verdecken (oben A I 3 a ggg).

88

Dementsprechend handelt es sich um eine Scheinvollmacht gemäß § 41 AO und lassen sich - entgegen dem Klägervortrag (oben A V 1 a cc ddd, eee) - die Handlungen, Geschäfte und Verfügungen Gs nicht der B zurechnen und die vorbeschriebenen tatsächlichen Verhältnisse nicht umgekehrt würdigen.

89

gg) Ferner kann der Senat die unsubstanziierte Behauptung im Klägervortrag nicht nachvollziehen, dass für P andere Kontaktmöglichkeiten mit B - statt G - bzw. dafür geeignete Kontaktdaten von B jederzeit aus Rechnungen greifbar gewesen seien oder dass P solche Kontaktdaten im Kopf gehabt haben könnte (oben A V 1 a cc fff, dd aaa).

90

hh) Im Übrigen sieht der Senat in denklogisch möglichen anderen Würdigungen einzelner Indizien (z. B. oben A V 1 a aa aaa, bbb, cc ddd, fff) deren Wesensgehalt und ergeben sich daraus nicht ohne weiteres mögliche Schlüsse auf eine abweichende Gesamtwürdigung.

91

ii) Auch sonst sind keine substanziierten Einwendungen gegen die vorstehenden Feststellungen erhoben oder Beweisanträge gestellt oder Auslandsbeweise angeboten worden.

92

c) B: Kein objektiver Nachweis für die Steuerbefreiung

93

Ein objektiver Beweis, bei welchem vertraglichen Abnehmer an welchem Bestimmungsort die Lieferung tatsächlich bewirkt wurde (oben 1 d), wird von der Klägerin nicht geführt.

94

Zulassungen der Pkw zum Straßenverkehr in Italien reichen dafür nicht aus (oben 1 d bb, dd).

95

Ebenso wenig genügen theoretische Hinweise auf denkbare Weiterlieferungen aufgrund von Weiterverkäufen durch eine Rechnungsadressatin oder auf diesbezügliche Judikatur (vgl. A V 1 a aa bbb, cc, dd).

96

d) B: Kollusive Täuschung

97

aa) Auch wenn es nach unzureichendem und widerlegtem Beleg- und Buchnachweis sowie fehlendem objektiven Nachweis (oben a - c) nicht mehr auf einen Ausschluss der Steuerbefreiung wegen kollusiver Täuschung ankommt (oben 1 e), liegt letztere schon nach den von der Guardia di Finanza und insbesondere vom Landgericht H im Parallelfall AAA zu den Fakturierungen an B getroffenen Feststellungen und Beweiswürdigungen vor; auf diese nimmt das Finanzgericht im Einzelnen Bezug (oben b; 1 c bb; A I 2, 3 a dd, ff; IV; VI 4, 5 d).

98

bb) Den gegen die Strafverfahrens-Erkenntnisse gerichteten Angriffen im Klägervortrag (oben c hh, ii; A V 1 a dd) folgt der Senat ebenso wenig wie der BGH (oben A IV 2).

99

cc) Nach den vorbeschriebenen italienischen und deutschen Feststellungen und den daran anknüpfenden Erkenntnissen des Finanzgerichts wurde die B als Missing Trader, das heißt als Scheinfirma ohne dortige Abführung von Umsatzsteuer bzw. Einfuhrumsatzsteuer, zur Rechnungserteilung mit Umsatzsteuerausweis für den nachfolgenden Vorsteuerabzug seitens G bei den tatsächlichen Lieferungen an ihn bzw. an eine seiner Firmen in J zwischengeschaltet und beteiligte sich P als faktischer Geschäftsführer der Klägerin (oben A I 1 d) wie der AAA an der kollusiven Täuschung zu Hinterziehungszwecken; und zwar durch die vorsätzliche Verschleierung des tatsächlichen Empfängers der hiesigen Lieferungen mittels Fakturierung an die Scheinfirma B bei gleichzeitiger Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen.

100

dd) Gleichermaßen in subjektiver Hinsicht ergibt sich diese Überzeugung (§ 96 FGO) - entgegen dem Klägervortrag (oben A V 1 a dd) - aus den vorstehend zusammengefassten Feststellungen (oben b aa - cc); insbesondere auch betreffend
- Geschäftsanbahnungen, Geschäfte und sonst notierte Kontakte des faktischen Geschäftsführers P mit G, J, statt mit B, F (oben b cc ddd);
- Übermittlung der an B, F, adressierten Rechnungen an Gs Vertrauensperson L in M oder an G in J (oben b cc fff);
- Entsendung von Lieferfahrern durch P nach J statt F und Fahrzeugübergaben durch P an Abholfahrer aus J gegen durch G aus J mitgegebene Kaufpreiszahlung (oben b cc eee, ggg).

101

ee) Insbesondere wurden Steuerhinterziehung und kollusive Täuschung über den wahren Abnehmer durch eine Erfassung der nämlich an die Scheinfirma fakturierten Rechnungen im Umsatzsteuerkontrollsystem der Länder (USLO) - entgegen dem Klägervortrag (oben A V 1 a dd) gerade nicht beseitigt.

102

e) B: Kein Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben

103

aa) Ein Schutz des Vertrauens in unrichtige Angaben des Abnehmers (oben 1 f) scheidet bereits aufgrund Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises aus (oben a).

104

bb) Erst recht scheiden Vertrauensschutz und Gutgläubigkeit aus wegen im Gegenteil bewiesener kollusiver Täuschung (oben d).

105

cc) Davon unabhängig würde es auch schon an der Erfüllung der gebotenen Sorgfaltsobliegenheiten fehlen (oben 1 f hh - ii); zumal unter den bekannten Umständen und ersichtlichen Widersprüchen u. a. zwischen eingetragenem Sitzort und tatsächlichem Kontakt- und Lieferort (oben b cc aaa und ddd - ggg) sowie zwischen eingetragenem Geschäftsführer und tatsächlichem Geschäftspartner (oben b bbb und ddd, fff, ggg).

106

Entgegen dem Vortrag der Klägerin (oben A V 1 a cc fff;1 d) genügen nicht schon eine bestätigte italienische USt-Ident-Nummer sowie formale Prüfungen der Eintragung der Firma und ihres nominellen Geschäftsführers; das heißt nicht allein Kopien seines Passes (oder Ausweises) sowie Kopien der Gewerbe- oder Handelsregisteranmeldung (oben 1 f gg).

107

3. LIEFERUNGEN ANGEBLICH AN C ...

108

Zu Recht hat das FA die Umsatzsteuerbefreiung versagt für die in sechs Rechnungen an C fakturierten Lieferungen von sechs Fahrzeugen zum Nettopreis von 385.000 Euro (oben A I 3 b).

109

Der Beleg- und Buchnachweis ist jeweils unvollständig (a) und im Übrigen widerlegt (b). Ein objektiver Nachweis wird nicht geführt (c). Danach kommt es auf die kollusive Täuschung nicht mehr an, die gleichwohl vorliegt (d). Ein Vertrauensschutz scheidet aus wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises sowie wegen mangelnder Gutgläubigkeit bei kollusiver Täuschung; im Übrigen würde es an der gebotenen Sorgfalt fehlen (e).

110

a) C: Unvollständiger Beleg- und Buchnachweis

111

Bei sämtlichen an C fakturierten Lieferungen mangelt es bereits am ausreichenden Beleg- und Buchnachweis.

112

aa) Gänzlich unausgefüllte Verbringungserklärung

113

Zunächst genügt die gänzlich unausgefüllte Verbringungserklärung für den Porsche Cayenne Turbo FIN ...5 (oben A I 3 b hh aaa) nicht den Anforderungen an einen beleg- und buchmäßigen Nachweis (oben 1 b).

114

bb) Verbringungserklärungen ohne Angabe des Bestimmungsortes

115

Bei allen übrigen Verbringungserklärungen fehlt die Angabe des Bestimmungsortes (oben A I 3 b hh bbb), auf die neben dem Bestimmungsland nicht verzichtet werden kann (oben 1 b ee, ff; vgl. 1 c dd, d bb).

116

Die spätere Beifügung des Abdrucks eines angeblichen Empfänger-Stempels in der auf demselben Formular vorgesehenen Empfangsbestätigung (oben A I 3 b hh ccc) ermöglicht ebenso wenig die erforderliche leichte Nachprüfbarkeit des tatsächlichen Wegs der Lieferung (oben 1 b dd, ff).

117

Im Übrigen lässt sich der Bestimmungsort auch nicht anhand der Rechnungsanschrift hinreichend bestimmen; erst recht nicht, wenn sonst für eine Lieferung dorthin nichts ersichtlich ist (oben A I 3 b bb, cc) und deshalb der Lieferweg nicht anderweitig leicht nachprüfbar, sondern unklar ist (oben 1 b ee, ff).

118

cc) Keine Abholer-Vollmachten

119

Für alle angeblichen Lieferungen an C liegen keine Vollmachten für die Abholfahrer vor und ist deren Berechtigung zur Abholung für den Abnehmer - entgegen dem Klägervortrag (oben A V 1 d) - auch nicht anderweitig einfach und leicht nachprüfbar (oben 1 b dd, ff).

120

dd) Gleichzeitige Verbringungserklärungen desselben Abholers

121

Im Übrigen nicht einfach und leicht nachprüfbar (oben 1 b dd) sind im die im Widerspruch zueinander stehenden beiden mit gleicher Unterschrift versehenen Verbringungserklärungen über die Abholung der beiden BMW X 5 FIN ...0 und FIN ...8 von H nach Italien am selben Tag 17. März 2003 (oben 1 b dd, ff; A I 3 b hh eee).

122

ee) Weitere Unstimmigkeiten der Verbringungserklärungen

123

Danach kommt es nicht mehr an auf die weiteren Unstimmigkeiten hinsichtlich nicht einfach und leicht nachprüfbarer Unterschriften (oben 1 b dd, ff; A I 3 b hh ddd).

124

b) C: Widerlegter Beleg- und Buchnachweis

125

Selbst der unvollständige Beleg- und Buchnachweis für alle Fahrzeuglieferungen ist im Übrigen nach nicht ausgeräumten berechtigten Zweifeln widerlegt.

126

aa) Bei der angeblichen Firma C handelte es sich aufgrund der folgenden - im Einzelnen unwiderlegten und nicht konkret bestrittenen - Umstände und Indizien um Scheingestaltungen mit Scheinfirma, Scheinsitz, Scheinrechnungen und Scheinbelegen (§ 41 AO) zur Verdeckung der tatsächlichen Lieferungen an G oder zu seiner Verfügung:

127

aaa) eingetragene Sitzadresse in M, X-Straße ...,
- ohne für einen Pkw-Handel geeignete Laden- oder Ausstellungsflächen (oben 1 c dd, f ii; A I 3 b bb),
- ohne Betriebsstätte (oben 1 c dd, f ii; A I 3 b ee aaa),
- ohne Kommunikationsanschlüsse (oben 1 c dd, f ii; A I 3 b ii);
bbb) eingetragener Geschäftsführer R
- ohne Handels- und Branchenkenntnisse oder -Erfahrungen nach Drogendelikts-Vorstrafen durch Gs Vertrauensperson L in M angeworben für Zeichnung bei Gründung, als Geschäftsführer, bei Antrag auf IVA-Nummer bzw. USt-Ident-Nummer (oben 1 c dd; A I 3 b ee bbb);
- keine persönliche Betätigung im Handel und keine weiteren Tätigkeiten für C außer Mitwirkung nach Gs Anweisungen bei der Erstellung der in 2003 siebenstelligen Rechnungen, wie u. a. bei den in 2005 und 2008 sechs- und siebenstelligen Rechnungen unter der Firma ..., deren Stempel sich in H befand (oben 1 c dd; A I 3 b ee bbb, ccc);
ccc) kein Auftritt der Firma C über Eintragung und Rechnungen hinaus, insbesondere
- keine Handels-, gewerbliche oder sonstige irgendwie geartete Betätigung und keine weitere Buchhaltung (oben 1 c dd, f ii; A I 3 b dd, ee bbb),
- Keine Steuererklärungen oder -zahlungen (oben A I 3 a dd aaa);
ddd) Geschäftsanbahnungen, Geschäfte oder Kontakte - statt mit C oder R - tatsächlich laut
- Verkaufsnotizen,
- Preisnotizen sowie
- Kontaktdaten-Eintragungen
mit G in J oder mit dem Büro von Gs Vertrauensperson L; keine Kontaktdaten C oder R (oben A I 3 b ii - hh);
eee) tatsächliche Lieferungen der an C, M, fakturierten Fahrzeuge nach J an G oder den Betrieb seiner Firmen N oder O oder an deren Kunden durch von G beauftragte und mit Abholflugtickets sowie von ihm mit Kaufpreis in der Regel bar ausgestattete Abholfahrer aus J und Umgebung, wie durch kopierte Ausweise belegt; rund 470 km vom Sitzort der C in M entfernt (oben 1 c cc; b ff, f ff; A I 3 b ee aaa, ddd, ff).

128

bb) Damit folgt der Senat zugleich den in Bezug genommenen Erkenntnissen der Guardia di Finanza (oben A I 3 b ee aaa - ddd).

129

c) C: Kein objektiver Nachweis für die Steuerbefreiung

130

Ein objektiver Beweis, bei welchem vertraglichen Abnehmer an welchem Bestimmungsort die Lieferung tatsächlich bewirkt wurde (oben 1 d), wird von der Klägerin nicht geführt.

131

Zulassungen der Pkw zum Straßenverkehr in Italien reichen dafür nicht aus (oben 1 d bb, dd).

132

Ebenso wenig genügen theoretische Hinweise auf denkbare Weiterlieferungen aufgrund von Weiterverkäufen durch eine Rechnungsadressatin oder auf diesbezügliche Judikatur (vgl. A V 1 a aa bbb, cc, dd).

133

d) C: Kollusive Täuschung

134

aa) Nach unzureichendem und widerlegtem Beleg- und Buchnachweis sowie fehlendem objektiven Nachweis (oben a - c) kommt es auf einen Ausschluss der Steuerbefreiung wegen kollusiver Täuschung nicht mehr an (oben 1 e).

135

bb) Gleichwohl liegt unter den vorliegenden Umständen auch die kollusive Täuschung vor (sinngemäß wie bei B, oben 2 d).

136

cc) Gleichermaßen in subjektiver Hinsicht ergibt sich diese Überzeugung (§ 96 FGO) - entgegen dem unsubstanziierten klägerseitigen Bestreiten (oben A V 1 b) - aus den vorstehend zusammengefassten Feststellungen (oben b aa - bb); insbesondere auch betreffend
- Geschäftsanbahnungen, Geschäfte und sonst notierte Kontakte des faktischen Geschäftsführers P mit G, J, statt mit C, M (oben b aa ddd);
- Fahrzeugübergaben von P an Abholfahrer aus J gegen durch G aus J mitgegebene Kaufpreiszahlung (oben b aa eee).

137

e) C: Kein Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben

138

a) Ein Schutz des Vertrauens in unrichtige Angaben des Abnehmers (oben 1 f) scheidet bereits aufgrund Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises aus (oben a).

139

bb) Erst recht scheiden Vertrauensschutz und Gutgläubigkeit aus wegen im Gegenteil bewiesener kollusiver Täuschung (oben d).

140

cc) Davon unabhängig würde es auch schon an der Erfüllung der gebotenen Sorgfaltsobliegenheiten fehlen (oben 1 f hh - ii); zumal unter den bekannten Umständen und ersichtlichen Widersprüchen u. a. zwischen eingetragenem Sitzort und tatsächlichem Kontakt- und Lieferort (oben b aa aaa und eee) sowie zwischen eingetragenem Geschäftsführer und tatsächlichem Geschäftspartner (oben b bbb und ddd).

141

Entgegen dem Vortrag der Klägerin (oben A V 1 a cc fff; d) genügen nicht schon eine bestätigte italienische USt-Ident-Nummer sowie formale Prüfungen der Eintragung der Firma oder ihres nominellen Geschäftsführers; das heißt nicht allein Kopien seines Passes (oder Ausweises) oder Kopien der Gewerbe- oder Handelsregisteranmeldung (oben 1 f gg).

142

4. LIEFERUNGEN ANGEBLICH AN A DI S

143

Zu Recht hat das FA die Umsatzsteuerbefreiung versagt für die von der Klägerin in einer Rechnung über 95.000 Euro an die Firma A fakturierte Lieferung.

144

Dagegen wird der Klage stattgegeben hinsichtlich einer vom FA angenommenen zweiten Rechnung der Klägerin an A über einen Pkw für 54.000 Euro. Eine solche Rechnung oder Lieferung der Klägerin ist nicht ersichtlich, wie im Sachstand ausgeführt (oben A I 3 c aa aaa - ccc).

145

Für die verbleibende an A fakturierte Lieferung über 95.000 Euro ist der Beleg- und Buchnachweis unvollständig (a) und im Übrigen widerlegt (b). Ein objektiver Nachweis wird nicht geführt (c). Danach kommt es auf die kollusive Täuschung nicht mehr an, die gleichwohl vorliegt (d). Ein Vertrauensschutz scheidet aus wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises sowie wegen mangelnder Gutgläubigkeit bei kollusiver Täuschung; im Übrigen würde es an der gebotenen Sorgfalt fehlen (e).

146

a) A: Unvollständiger Beleg- und Buchnachweis

147

aa) Verbringungserklärung(en) ohne Angabe des Bestimmungsortes

148

Bei den verschiedenen Verbringungserklärungen für die Lieferung desselben Fahrzeugs fehlt jeweils die Angabe des Bestimmungsortes (oben A I 3 c ii aaa), auf die neben dem Bestimmungsland nicht verzichtet werden kann (oben 1 b ee, ff; vgl. 1 c dd, d bb).

149

Die spätere Beifügung des Abdrucks eines angeblichen Empfänger-Stempels auf einem Exemplar, ungeklärt wann, wo oder durch wen (oben A I 3 c ii bbb; vgl. oben A I 3 a jj bbb, b ee bbb, d ll aaa), ermöglicht ebenso wenig die erforderliche leichte Nachprüfbarkeit des tatsächlichen Wegs der Lieferung (oben 1 b dd, ff).

150

Im Übrigen lässt sich der Bestimmungsort auch nicht anhand der Rechnungsanschrift hinreichend bestimmen; erst recht nicht, wenn sonst für eine Lieferung dorthin nichts ersichtlich ist (oben A I 3 c bb - ee) und deshalb der Lieferweg nicht anderweitig leicht nachprüfbar, sondern unklar ist (oben 1 b ee, ff).

151

bb) Keine Abholer-Vollmacht

152

Für die angebliche Lieferung an A liegt keine Vollmacht für den Abholfahrer vor (oben A I 3 c jj; entgegen dem Klägervortrag oben A V 1 d) und ist die Berechtigung zur Abholung für den Abnehmer auch nicht anderweitig einfach und leicht nachprüfbar (oben 1 b dd, ff); entgegen dem Klägervortrag (oben A V 1 d).

153

cc) Widersprechende Verbringungserklärungen

154

Auch wegen der sich widersprechenden Daten 7. oder 8. August 2003 auf den verschiedenen Verbringungserklärungen (oben A I 3 c ii bbb, ddd) ist die Lieferung der Klägerin angeblich an A nicht belegmäßig einfach und leicht nachprüfbar (oben 1 b dd, ff).

155

dd) Zwischengeschaltete B-Fakturierung und -Abholerklärung

156

Die Unklarheit über den Lieferweg ist umso größer in Anbetracht des vorhergehenden Einkaufs des Fahrzeug mit dessen Übergabe von der ... GmbH in ... (Baden-Württemberg) am 6. August 2003 mit auf dortiger Rechnung an die vermeintliche Empfängerin B angebrachter Abnehmer-Erklärung über die Verbringung nach Italien gemäß beigefügtem Stempel B, F, sowie in Anbetracht der angeblichen Rechnung von B unter dem 6. August 2003 an die Klägerin (oben A I 3 c kk).

157

ee) Abholer-Unterschriften nicht zuzuordnen

158

Ohne dass es danach für den unzureichenden Belegnachweis noch erheblich ist, kommt zur fehlenden Abholvollmacht und zu den sich widersprechenden Verbringungserklärungen erschwerend hinzu, dass sich bereits die Unterschriften nicht ohne weiteres, das heißt nicht einfach und leicht nachprüfbar, einem Fahrer bzw. einer Ausweis- bzw. Passkopie zuordnen lassen (oben 1 b dd, ff; A I 3 c ii bbb, ddd, kk).

159

b) A: Widerlegter Beleg- und Buchnachweis

160

Wenngleich der Beleg- und Buchnachweis mängelbedingt bereits nicht ausreicht, ist dieser im Übrigen nach nicht ausgeräumten berechtigten Zweifeln widerlegt.

161

aa) Bei der angeblichen Firma A handelte es sich aufgrund der folgenden - im Einzelnen unwiderlegten und nicht konkret bestrittenen - Umstände und Indizien um Scheingestaltungen mit Scheinfirma, Scheinsitz, Scheinrechnungen und Scheinbelegen (§ 41 AO) zur Verdeckung der tatsächlichen Lieferungen zur Verfügung von T oder seiner Firma U... di T in M:
aaa) eingetragene Sitzadresse in V
- ohne verfügbare Räumlichkeiten für Laden, Büro- oder Ausstellungsflächen (oben 1 c dd, f ii; A I 3 c bb),
- ohne Kommunikationsanschlüsse oder eigenen Marktauftritt (oben 1 c dd, f ii; A I 3 c ee);
bbb) Geschäftsanbahnungen, Geschäfte oder Kontakte - statt mit A bzw. deren eingetragenen Geschäftsführer S - tatsächlich laut
- Notiz auf Handelsregister-Auszug,
- Verkaufsnotizen,
- Preisnotizen sowie
- Visitenkarte und Kontaktdaten-Eintragungen
mit T in dessen Firma U in M; keine Kontaktdaten A bzw. S; einschließlich 2004 (oben A I 3 c dd - hh);
ccc) Barzahlung oder tatsächliche Zahlungsnachweise 2004 durch Überweisungsträger mit Vermerk "per Conto di T" (oben 1 b ff, f ff; A I 3 c gg).

162

bb) Die vorbezeichneten Unterlagen (aa bbb - ccc) widerlegen zugleich die - im Übrigen unsubstanziierte - Behauptung der Klägerin, dass T die Verhandlungen betreffend die hier interessierenden Lieferungen nur als Dolmetscher geführt habe (oben A V 1 d).

163

Im Übrigen kommt es für die Scheingestaltung nicht auf die Frage an, ob der eingetragene Geschäftsführer S als Abholfahrer in H gewesen sei, wenn eine Verbringungserklärung seine Unterschrift trage (vgl. oben A I 3 c ii bbb - ddd), was beides im Klägervortrag nicht substanziiert wird und wofür die Klägerin keinen Beweisantrag stellt bzw. Auslandsbeweis anbietet (oben A V 1 d).

164

c) A: Kein objektiver Nachweis für die Steuerbefreiung

165

Auch ein objektiver Beweis, bei welchem vertraglichen Abnehmer an welchem Bestimmungsort die Lieferung tatsächlich bewirkt wurde (oben 1 d), wird von der Klägerin nicht geführt.

166

Eine Zulassung des Fahrzeugs zum Straßenverkehr in Italien reicht dafür nicht aus (oben 1 d bb, dd).

167

Ebenso wenig genügen theoretische Hinweise auf eine denkbare Weiterlieferung aufgrund eines Weiterverkaufs durch eine Rechnungsadressatin oder auf diesbezügliche Judikatur (vgl. A V 1 a aa bbb, cc, dd).

168

d) A: Kollusive Täuschung

169

aa) Nach unzureichendem und widerlegtem Beleg- und Buchnachweis sowie fehlendem objektiven Nachweis (oben a - c) kommt es auf einen Ausschluss der Steuerbefreiung wegen kollusiver Täuschung nicht mehr an (oben 1 e).

170

bb) Gleichwohl liegt unter den vorliegenden Umständen auch die kollusive Täuschung vor.

171

Gleichermaßen in subjektiver Hinsicht ergibt sich diese Überzeugung (§ 96 FGO) - entgegen dem unsubstanziierten klägerseitigen Bestreiten (oben b bb; A V 1 d) - aus den vorstehend zusammengefassten Feststellungen (oben b aa); insbesondere betreffend
- Geschäftsanbahnungen, Geschäfte oder Kontakte des faktischen Geschäftsführers P - statt mit A bzw. deren eingetragenem Geschäftsführer S - tatsächlich laut
- Notiz auf Handelsregister-Auszug,
- Verkaufsnotizen,
- Preisnotizen sowie
- Visitenkarte und Kontaktdaten-Eintragungen
mit T in dessen Firma U in M; keine Kontaktdaten A bzw. S in V; einschließlich 2004 (oben b aa bbb; A I 3 c dd - hh);
- Entgegennahme tatsächlicher Zahlungsnachweise mit Vermerk "per Conto di T" einschließlich 2004 (oben b aa ccc; A I 3 c gg).

172

e) A: Kein Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben

173

a) Ein Schutz des Vertrauens in unrichtige Angaben des Abnehmers (oben 1 f) scheidet bereits aufgrund des mangelbedingt unzureichenden Beleg- und Buchnachweises aus (oben a).

174

bb) Erst recht scheiden Vertrauensschutz und Gutgläubigkeit aus wegen im Gegenteil bewiesener kollusiver Täuschung (oben d).

175

cc) Davon unabhängig würde es auch schon an der Erfüllung der gebotenen Sorgfaltsobliegenheiten fehlen (oben 1 f hh - ii); zumal unter den bekannten Umständen und ersichtlichen Widersprüchen u. a. zwischen eingetragenem Sitzort und tatsächlichem Kontaktort sowie zwischen eingetragenem Geschäftsführer und tatsächlichem Geschäftspartner (oben b aa aaa und bbb).

176

Entgegen dem Vortrag der Klägerin (oben A V 1 a cc fff; d) genügen nicht schon eine bestätigte italienische USt-Ident-Nummer sowie formale Prüfungen der Eintragung der Firma oder ihres nominellen Geschäftsführers; das heißt nicht allein Kopien seines Passes (oder Ausweises) oder Kopien der Gewerbe- oder Handelsregisteranmeldung (oben 1 f gg).

177

5. LIEFERUNGEN ANGEBLICH AN D ... DI W ...

178

Zu Recht hat das FA die Umsatzsteuerbefreiung versagt für die in sechs Rechnungen an D fakturierten Lieferungen von sechs Fahrzeugen zum Nettopreis von 365.520 Euro (oben A I 3 e).

179

Der Beleg- und Buchnachweis ist jeweils unvollständig (a) und im Übrigen widerlegt (b). Ein objektiver Nachweis wird nicht geführt (c). Danach kommt es auf die kollusive Täuschung nicht mehr an, die gleichwohl vorliegt (d). Ein Vertrauensschutz scheidet aus wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises sowie wegen mangelnder Gutgläubigkeit bei kollusiver Täuschung; im Übrigen würde es an der gebotenen Sorgfalt fehlen (e).

180

a) D: Unvollständiger Beleg- und Buchnachweis

181

Bei sämtlichen an D fakturierten Lieferungen ist der Beleg- und Buchnachweis unvollständig.

182

aa) Verbringungserklärungen ohne Bestimmungsort

183

Für alle Lieferungen fehlt in den Verbringungserklärungen die Eintragung des Bestimmungsorts (oben A I 3 d ll), auf die neben dem Bestimmungsland nicht verzichtet werden kann (oben 1 b ee - ff; vgl. 1 c dd, d bb).

184

Im Übrigen lässt sich der Bestimmungsort auch nicht anhand der Rechnungsanschrift hinreichend bestimmen; erst recht nicht, wenn sonst für eine Lieferung dorthin nichts ersichtlich ist (oben A I 3 d bb, dd - kk) und deshalb der Lieferweg nicht anderweitig leicht nachprüfbar, sondern unklar ist (oben 1 b ee, ff).

185

Der Abdruck eines Monate später - zumal hier am Ort der liefernden Klägerin - hergestellten angeblichen Empfänger-Stempels (oben A I d ll aaa - ccc) ermöglicht ebenso wenig die erforderliche leichte Nachprüfbarkeit des tatsächlichen Wegs der Lieferung (oben aa; 1 b dd, ff).

186

bb) Keine Abholer-Vollmachten

187

Für alle angeblichen Lieferungen an D liegen keine Vollmachten für die Abholfahrer vor und ist deren Berechtigung zur Abholung für den Abnehmer - entgegen dem Klägervortrag (oben A V 1 d) - auch nicht anderweitig einfach und leicht nachprüfbar (oben 1 b dd, ff).

188

cc) Abholer-Unterschriften nicht zuzuordnen

189

Ohne dass es danach für den unzureichenden Beleg- und Buchnachweis noch erheblich ist, kommt erschwerend hinzu, dass sich bereits die Unterschriften nicht ohne weiteres, das heißt nicht einfach und leicht nachprüfbar, einem Fahrer bzw. einer Ausweis- bzw. Passkopie zuordnen lassen (oben 1 b dd, ff; A I 3 c ll ddd, fff).

190

b) D: Widerlegter Beleg- und Buchnachweis

191

Abgesehen von den wie vorstehend jeweils durchgreifenden Mängeln des Beleg- und Buchnachweises ist dieser im Übrigen in allen Fällen widerlegt und ist auch deshalb, soweit kein objektiver Nachweis geführt wird oder Vertrauensschutz besteht (oben 1 d - f), die Steuerbefreiung nicht zu gewähren (oben 1 c).

192

Alle an D, F, fakturierten Rechnungen sind an eine Scheinfirma an einem Scheinsitz adressierte Scheinrechnungen (§ 41 Abs. 2 AO) zur Verdeckung tatsächlicher anderweitiger Lieferungen an bzw. zur Verfügung von T oder seiner Firma U ... in M.

193

aa) Die Überzeugung des Senats (§ 96 FGO), dass die Lieferungen an D nur zum Schein belegt werden, gründet sich bereits auf die jeweils nachträgliche Verwendung des Stempels D nach dessen Herstellung zugleich mit dem Stempel B am Ort der Klägerin in H (oben A I 3 a mm bbb, d ll aaa) und auf die Unglaubhaftigkeit des diesbezüglichen Klägervorbringens (oben 2 b aa).

194

Gegen den Klägervortrag betreffend Stempelbesorgung durch den nominellen D-Geschäftsführer anlässlich einer Auto-Abholung in H
"verschwunden und kam mit einem Stempel wieder"
(oben A V 1 e) spricht bereits die gemeinsame Abspeicherung beider Stempelabdrucke durch den Hersteller (oben 2 b aa; A I 3 a mm bbb, d ll aaa).

195

Außerdem ist der Vortrag nicht nachvollziehbar erstens wegen des Zeitbedarfs für die Herstellung; ebenso wenig zweitens wegen der Distanzen zum Laden sowie drittens zwischen Laden und Hersteller (oben 2 b aa; A I 3 a mm bbb, d ll aaa).

196

bb) Das vorstehende Ergebnis, dass es sich bei D in Y um Scheingestaltungen mit Scheinfirma, Scheinsitz, Scheinrechnungen und Scheinbelegen zur Verdeckung der tatsächlichen Lieferungen an bzw. zur Verfügung von T oder seiner Firma U ..., in M handelt, folgt gleichfalls aus folgenden - im Einzelnen unwiderlegten und unbestrittenen - Umständen und Indizien:
aaa) eingetragene Sitzadresse in Y
- wohin die Distanzen von den Wohnorten der eingetragenen Geschäftsführer rund 500 bzw. 700 km betragen (oben 1 c cc; A I 3 d cc);
- ohne verfügbare Räumlichkeiten für Büro, Laden oder Ausstellungsflächen (oben 1 c dd, f ii; A I 3 d bb, dd);
-  ohne Kommunikationsanschlüsse, Personal oder Geschäftsausstattung (oben 1 c dd, f ii; A I 3 d bb, dd, gg);
bbb) eingetragener Geschäftsgegenstand ohne Bezug zum Autohandel (oben 1 c dd; A I 3 d dd).
ccc) kein Auftritt der Firma über Eintragung, vermeintliche Rechnungen, Stempel oder Belege hinaus, sondern
- unauffindbar ("untraceable", oben 1 c dd, f ii; oben A I 3 d dd) und
- keine Steuererklärungen oder -zahlungen (oben A I 3 a dd aaa);
ddd) Geschäftsanbahnungen, Geschäfte oder Kontakte - statt mit D in Y bzw. den dort eingetragenen Geschäftsführern W oder Z - tatsächlich laut
- Verkaufsnotizen,
- Preisnotizen sowie
- Visitenkarte und Kontaktdaten-Eintragungen
mit T in dessen Firma U in M; keine Kontaktdaten D, W oder Z (oben A I 3 d ee, gg - ii);
eee) tatsächliche Lieferungen der an D, Y, fakturierten Fahrzeuge
- an Abholfahrer laut Ausweiskopien aus Orten weit entfernt vom eingetragenen Sitz Y, aber deutlich näher am Ort der U von T in M, insbesondere AA mit rund 120 statt 600 km und BB mit rund 70 statt 520 km (oben 1 c cc; A I 3 d ll ddd, eee)
- gegen Barzahlung (oben 1 b ff, f ff; A I 3 d jj);
fff) größere Nähe des Wohnsitzes des eingetragenen Geschäftsführers und Firmen-Namensträgers W, auf dessen Namenszug die Unterschriften unter den nachträglich erstellten oder gestempelten Abholfahrer-Verbringungserklärungen hindeuten, zur U von T mit 120 km statt zum Sitzort Y mit rund 500 km (oben 1 c cc; A I 3 d cc, ll fff).

197

cc) Die vorbezeichneten Unterlagen (cc ddd - eee; oben A I 3 d) widerlegen zugleich die - im Übrigen unsubstanziierte - Behauptung der Klägerin, dass T die Verhandlungen über die hier interessierenden Lieferungen nur als Dolmetscher geführt habe (oben A V 1 d).

198

Im Übrigen kommt es für die Scheingestaltung nicht auf die Frage an, ob der eingetragene Geschäftsführer W, wenn er Verbringungserklärungen unterschrieben habe (vgl. oben A I 3 d ll fff), als Abholfahrer in H gewesen sei, was durch die Klägerin in Anbetracht der im Widerspruch zur Stempelherstellung stehenden Daten nicht substanziiert wird und wofür die Klägerin keinen Beweisantrag stellt bzw. Auslandsbeweis anbietet (oben A V 1 d).

199

c) D: Kein objektiver Nachweis für die Steuerbefreiung

200

Ebenso wenig wird ein objektiver Beweis geführt, bei welchem vertraglichen Abnehmer an welchem Bestimmungsort die Lieferung tatsächlich bewirkt wurde (oben 1 c).

201

Zulassungen der Pkw zum Straßenverkehr in Italien reichen dafür nicht aus (oben 1 d bb, dd).

202

Ebenso wenig genügen theoretische Hinweise auf denkbare Weiterlieferungen aufgrund von Weiterverkäufen durch eine Rechnungsadressatin oder auf diesbezügliche Judikatur (vgl. A V 1 a aa bbb, cc, dd).

203

d) D: Kollusive Täuschung

204

aa) Nach unzureichendem und widerlegtem Beleg- und Buchnachweis sowie fehlendem objektiven Nachweis (oben a - c) kommt es auf einen Ausschluss der Steuerbefreiung wegen kollusiver Täuschung nicht mehr an (oben 1 e).

205

bb) Gleichwohl liegt unter den vorliegenden Umständen auch die kollusive Täuschung vor.

206

Gleichermaßen in subjektiver Hinsicht ergibt sich diese Überzeugung (§ 96 FGO) - entgegen dem unsubstanziierten und unglaubhaftigen klägerseitigen Bestreiten (oben b aa; A V 1 d) - aus der
aaa) Unglaubhaftigkeit des Klägervortrags betreffend die hiesige Herstellung des verwendeten D-Stempels (oben b aa)
sowie aus den vorstehend zusammengefassten Feststellungen (oben b bb); insbesondere betreffend
bbb) Geschäftsanbahnungen, Geschäfte oder Kontakte des faktischen Geschäftsführers P - statt mit D bzw. deren eingetragenen Geschäftsführern W oder Z - tatsächlich laut
- Verkaufsnotizen,
- Preisnotizen sowie
- Visitenkarte und Kontaktdaten-Eintragungen
mit T in dessen Firma U in M; keine Kontaktdaten D, W oder Z (oben A I 3 d ee, gg - ii);
ccc) tatsächliche Übergabe der an D, Y, fakturierten Fahrzeuge
- an Abholfahrer laut Ausweiskopien aus Orten weit entfernt vom eingetragenen Sitz Y, aber deutlich näher am Ort der U von T in M, insbesondere AA mit rund 120 statt 600 km und BB mit rund 70 statt 520 km (oben 1 c cc; A I 3 d ll ddd, eee)
- gegen Barzahlung (oben 1 b ff, f ff; A I 3 d jj);
ddd) größere Nähe des Wohnsitzes des eingetragenen Geschäftsführers und Firmen-Namensträgers W zur U von T mit 120 km statt zum Sitzort Y mit rund 500 km (oben 1 c cc; A I 3 d cc, ll fff).

207

e) D: Kein Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben

208

a) Ein Schutz des Vertrauens in unrichtige Angaben des Abnehmers (oben 1 f) scheidet bereits aufgrund des mangelbedingt unzureichenden Beleg- und Buchnachweises aus (oben a).

209

bb) Erst recht scheiden Vertrauensschutz und Gutgläubigkeit aus wegen im Gegenteil bewiesener kollusiver Täuschung (oben d).

210

cc) Davon unabhängig würde es auch schon an der Erfüllung der gebotenen Sorgfaltsobliegenheiten fehlen (oben 1 f hh - ii); zumal unter den bekannten Umständen und ersichtlichen Widersprüchen u. a.
- wischen eingetragenem Sitzort und tatsächlichem Kontaktort (oben b bb aaa - ddd) bzw.
- zwischen eingetragenem Geschäftsführer und tatsächlichem Geschäftspartner (oben b bb ddd) sowie
- zwischen eingetragenem Geschäftsgegenstand und tatsächlichem Geschäft (oben 1 c dd; b bb bbb).

211

Entgegen dem Vortrag der Klägerin (oben A V 1 a cc fff; d, e) genügen nicht schon eine bestätigte italienische USt-Ident-Nummer sowie formale Prüfungen der Eintragung der Firma oder ihres nominellen Geschäftsführers; das heißt nicht allein Kopien seines Passes (oder Ausweises) oder Kopien der Gewerbe- oder Handelsregisteranmeldung (oben 1 f gg).

212

6. LIEFERUNGEN ANGEBLICH AN E ...

213

Obgleich die Klägerin ihre Klage hinsichtlich der begehrten Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen an E reduziert hat, bleiben diese vom Streitgegenstand Umsatzsteuer für das Streitjahr umfasst. Im Rahmen der Amtsermittlung nach § 76 FGO sind Saldierungen nicht von vornherein auszuschließen.

214

Die Klägerin hat ihre Klage nicht aufgrund tatsächlicher Verständigung reduziert. Sie erklärt, für Lieferungen an E werde die Steuerbefreiung für Lieferungen nach Dänemark nicht weiter beansprucht; die Klägerin nehme zur Kenntnis, dass die gelieferten Fahrzeuge nicht in Dänemark zum Straßenverkehr zugelassen worden seien (oben A V 1 f).

215

Rein vorsorglich schließt das Gericht im Übrigen eine Saldierung aus. Zu Recht hat das FA die Umsatzsteuerbefreiung versagt für die in 10 Rechnungen an E fakturierten Lieferungen von 10 Pkw zum Nettopreis von zusammen 622.550 Euro (oben A 3 e).

216

Auch hier ist der Beleg- und Buchnachweis jeweils unvollständig: Unvollständige und daher so nicht ermittelbare Rechnungsadresse (oben A I 3 e hh); Verbringungserklärungen ohne Bestimmungsort, teils auch ohne Bestimmungsland oder nur Entwurf (oben A I 3 e pp - qq).

217

Im Übrigen ist der Belegnachweis widerlegt: Scheingestaltungen, fakturierte Pkw nicht in Dänemark zugelassen (oben A I 3 e ee, ff eee); keine Fahrzeuge in Dänemark gekauft oder verkauft (oben A I 3 e ff bbb); am eingetragenen Sitz keine Laden- oder Ausstellungsflächen (oben A I 3 e bb); keine Kommunikationsanschlüsse oder Bankverbindungen (oben A I 3 e dd); keine Unterlagen und keine Steuererklärungen über innergemeinschaftliche Erwerbe oder Lieferungen, Missing Trader (oben A I 3 e ff aaa, ccc); Widersprüche bei späteren Verbringungsdaten, Verbringungsorten und Verbringungsstaat (oben A I 3 e nn - oo); Feststellungen des Landgerichts H über die Zugehörigkeit des angeblichen Geschäftsführers CC und des in Dänemark verurteilten, als "..." aufgetretenen vermeintlichen Abholfahrers DD zu der durch EE geführten dänischen Tätergruppe (oben A I 3 e ff fff, gg); Personen-Identität des mittelbaren Firmeninhabers FF mit dem Geschäftsführer der weiteren dänischen Scheinfirma GG (oben A I 3 e ff bbb, ddd); zugleich in subjektiver Hinsicht: Verkaufshinweise in Rechnungskopien der Klägerin auf "... Fa. HH" und auf "..." - gemeint JJ, Geschäftsführer der italienischen Firma KK -, auf letzteren auch im Telefonverzeichnis unter "E" wie unter "KK JJ" (oben A I 3 e mm); Herstellung und Vervielfältigung von Vollmachten der E, z. T. in sprachlich widersprüchlicher Schreibweise, und Erstellung einer vorgeblichen Lieferbestätigung der E auf dem Computer der Klägerin (oben A I 3 e ii, ii ddd, jj).

218

Ein objektiver Abnehmer-Nachweis wird nicht geführt. Auch wenn es danach auf die kollusive Täuschung nicht mehr ankommt, liegt diese gemäß vorbezeichneten Beweisen zur subjektiven Tatseite vor. Ein Vertrauensschutz scheidet aus wegen Unvollständigkeit des Beleg- und Buchnachweises sowie wegen mangelnder Gutgläubigkeit bei kollusiver Täuschung; im Übrigen würde es an der gebotenen Sorgfalt fehlen.

219

II. NEBENENTSCHEIDUNGEN

220

1. Die Übertragung der Neuberechnung folgt aus § 100 Abs. 2 Satz 2 UStG.

221

2. Die Kostenlast der Klägerin ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 3 FGO, da das FA nur zu einem geringen Teil (ca. 1/100) unterlegen ist.

222

3. Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sind nicht ersichtlich (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24.06.2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584 Rz. 42; vom 19.03.2014 V B 26/13, BFH/NV 2014/ 1102).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Klägerin Fahrzeuglieferungen gem. § 6a Abs. 4 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) als steuerfrei behandeln darf.

2

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist nach § 2 des Gesellschaftsvertrages die Beschaffung und Verwaltung von Fahrzeugen und die damit verbundenen oder sich ergebenden Dienstleistungen sowie Leasing und Finanzierung.

3

Die Klägerin erteilte im Streitjahr u.a. an die Fa. C. ... (Österreich), Inh. S. D., über die Lieferung von Fahrzeugen der Marke ... 4 Rechnungen. S. D. ist deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in ... (Deutschland). Er war im Streitjahr in seinem Beruf als ... tätig. Er hatte im Juni 2008 bei der Bezirkshauptmannschaft ... ein Handelsgewerbe mit Sitz in ... (Österreich) angemeldet und war damit seit 2008 steuerlich beim Finanzamt .../Österreich gemeldet. Ihm war eine österreichische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt und im Herbst 2009 entzogen worden.

4

Im Einzelnen handelt es sich um folgende Rechnungen:

5
        

Datum 

Fahrzeug

Betrag

Bp-Akte

a)    

20.02.2009

1       

... €

Bl.     

b)    

02.04.2009

2       

... €

Bl.     

c)    

09.06.2009

3       

... €

Bl.     

d)    

09.06.2009

4       

... €

Bl.     

6

Die vorgenannten Rechnungen enthalten jeweils den folgenden Vermerk: „Es handelt sich um eine innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 6 a UstG in Verbindung mit $ 4 Nr. 1 b UstG“. Umsatzsteuer wurde nicht ausgewiesen.

7

In den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für Februar, April und Juni 2009 behandelte die Klägerin die 4 Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen i.S.d. § 6a UStG.

8

Im Sommer 2009 führte der Beklagte (das Finanzamt –FA-) bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch. Im Rahmen dieser Prüfung wurde bekannt, dass die Fahrzeuge nicht von S. D., sondern von einem M. L. bestellt wurden. Gegenüber der Prüferin hatte der Geschäftsführer der Klägerin angegeben, dass er zu S. D. keinen Kontakt gehabt habe. M. L., der in R. als Geschäftsführer der M-GmbH im Fahrzeughandel tätig war, war dem Geschäftsführer der Klägerin, der zuvor im Raum R. beruflich tätig war, persönlich bekannt. M. L. hatte die Klägerin wegen der hier in Streit stehenden Fahrzeuglieferungen jeweils gebeten, die Rechnungen per Fax zu ihm nach R. und per Post an die Fa. C. nach Österreich zu übersenden. Zugleich hatte er zugesichert, sich selbst um die umgehende Bezahlung der Rechnungen zu kümmern. Der Kaufpreis für das erste Fahrzeug wurde am 27. Februar 2009 per Überweisung von einer österreichischen Bank als EU-Standardüberweisung überwiesen. Am 5. Mai 2009 folgte die Bezahlung für das zweite Fahrzeug in gleicher Weise. Als Auftraggeber ist in den Kontoauszügen der Klägerin „D. S. C.“ angegeben. Die weiteren Fahrzeuge wurden bei der Übernahme bar bezahlt. Abgeholt wurden die Fahrzeuge jeweils von M. L. Dieser erklärte bei der Übernahme schriftlich, das jeweilige Fahrzeug im Auftrage des in der Rechnungsstellung angeführten Erwerbers S. D. zu übernehmen und es an die in der Rechnungsstellung genannte Anschrift in Österreich auszuführen sowie eine entsprechende amtliche Bescheinigung über die Ausfuhr nachzureichen.

9

Ebenfalls im Jahre 2009 ermittelte die Steuerfahndung R. wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen verschiedene Unternehmen im Bereich R., die im Fahrzeughandel tätig waren. Im Rahmen dieser Ermittlungen wurde S. D. als Beschuldigter vernommen. Er gab gegenüber der Steuerfahndung R., dass er M. D. keine Vollmacht erteilt habe. Er sei nur für einen Herrn E. tätig gewesen. Für diesen habe er das Unternehmen in Österreich gegründet. Herr E. habe alleinige Kontovollmacht gehabt. Rechnungsvordrucke der Fa. C. habe nur Herr E. besessen. Fahrzeuge seien nie an den Firmensitz der Fa. C. in Österreich überführt worden. Die Fahrzeuge seien vielmehr immer direkt nach R. gegangen. Daraufhin forderte die Prüferin die Klägerin ohne Erfolg auf, einen Nachweis über die Bevollmächtigung des M. L. durch S. D. vorzulegen.

10

Die Ermittlungen der Steuerfahndung R. hatten des Weiteren ergeben, dass nach dem Verkauf der hier in Rede stehenden Fahrzeuge mindestens 2 Fahrzeuge in Deutschland und ein weiteres in Ungarn zugelassen wurden.

11

Die Prüferin sah die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Sinne des § 6a UStG in keinem Fall als erfüllt an. Sie ging ferner davon aus, dass § 6a Abs. 4 UStG nicht zur Anwendung kommen könne, da die Klägerin nicht mit der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Kaufmanns gehandelt habe. Das FA schloss sich den Feststellungen an und behandelte die Lieferungen als umsatzsteuerpflichtig.

12

Zur Begründung der gegen die Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 -jeweils vom 12. Oktober 2009- eingelegten Einsprüche trug die Klägerin vor, mit der Beförderung der Fahrzeuge nach Österreich sei die Firma X. GmbH beauftragt worden. Dies habe die Fa. X. GmbH „mit ihrer Unterschrift“ bestätigt. Damit habe der Klägerin eine vom Beauftragten des ausführenden Unternehmers erteilte Übernahmebestätigung vorgelegen, aus der hervorgehe, dass der Beauftragte den PKW erhalten habe und die Ausfuhr nach Österreich übernehme. Damit seien die Nachweise gem. § 17 a Abs. 2 Umsatzsteuer-Durchführungs-verordnung (UStDV) erbracht.

13

Bei der Erstellung der Rechnungen habe sie, die Klägerin, eine qualifizierte Abfrage der USt-Identifikationsnummer vorgenommen. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass diese in Ordnung sei. Des Weiteren haben ihr ein Gewerberegisterauszug der Stadt B. und ein Schreiben des Finanzamts B. über die Erteilung der Umsatzsteueridentifikationsnummer vorgelegen.

14

Die Einsprüche blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das FA aus, die Klägerin habe sich nicht durch einen Anruf bei S. D. rückversichert, dass dieser die Fahrzeuge habe erwerben wollen. Dies sei aber geboten gewesen, nachdem M. D. die Fahrzeuge bei der Klägerin bestellt hatte. Es habe auch keinen Email-Verkehr zwischen der Klägerin und S. D. gegeben. Die Klägerin habe sich auf die Aussagen des M. D. verlassen.

15

Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die umsatzsteuerfreie Behandlung der 4 Fahrzeuglieferungen. Zur Begründung führt die Klägerin aus, sie habe den Belegnachweis gem. § 17a UStDV geführt. Eine Vollmacht für den Beauftragten werde in § 17a UStDV nicht explizit gefordert. Nachdem die beiden ersten Fahrzeuge per Überweisung reibungslos bezahlt worden seien und eine Empfangsvollmacht des Beauftragten vorlag, habe sie, die Klägerin, darauf vertrauen können, dass die Fahrzeuge in das EU-Ausland gelangen. Das Landgericht M. habe den Autohändler M. L. zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Damit sei jetzt erkennbar, dass M. L. falsche Angaben gemacht habe. Dies sei im Zeitpunkt der Verkäufe der Fahrzeuge für sie, die Klägerin, nicht erkennbar gewesen.

16

Während des Klageverfahrens hat das FA am 5. Oktober 2011 einen Umsatzsteuerbescheid für 2009 erlassen.

17

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheide für Februar, April und Juni 2009 vom 12. Oktober 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5. September 2011 –geändert durch den Umsatzsteuerbescheid 2009 vom 5. Oktober 2011 – die Umsatzsteuer 2009 um 51.153,37 € herabzusetzen.

18

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

19

Zur Begründung verweist das FA auf seine Einspruchsentscheidung. Die Klägerin habe ausschließlich mit M. L. verhandelt und gewusst, das dieser selbst mit Fahrzeugen handelt. Ein ordentlicher Kaufmann hätte bei dieser Sachlage mit dem angeblichen Abnehmer unmittelbar Kontakt aufgenommen und sich über die Wirksamkeit der Vertretungsmacht und das Verbringen der Fahrzeuge nach Österreich Gewissheit verschafft. Die Klägerin habe dies unterlassen und könne sich deshalb nicht auf die Billigkeitsregelung des § 6a Abs. 4 UStG berufen.

Entscheidungsgründe

20

Die Klage ist unbegründet.

21

Die im Streit stehenden Fahrzeuglieferungen sind nicht steuerfrei, da die Klägerin die Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung im Sinne von § 6a Abs. 1 UStG nicht nachgewiesen hat. Die Steuerfreiheit setzt nämlich u.a. voraus, dass die Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangen. Diesen Nachweis konnte die Klägerin nicht führen. Vielmehr hat S. D. in seiner Beschuldigtenvernehmung angegeben, dass sämtliche Fahrzeuge nach R. verbracht wurden. Einen Nachweis über die Beförderung oder Versendung der Fahrzeuge in das übrige Gemeinschaftsgebiet fehlt hingegen.

22

Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Sie setzt mithin voraus, dass der Unternehmer alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Bestehende Zweifel hat der Unternehmer auszuräumen. Einzelne Anhaltspunkte für Zweifel hat der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 14.11.2012 XI R 17/12, BStBl II 2013, 407, aufgeführt. So bestehen zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bereits dann, wenn zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer keine längeren Geschäftsbeziehungen bestehen und der Unternehmer keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person hat. Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin hatte bis zur ersten Fahrzeuglieferung zum vermeintlichen Abnehmer keine Geschäftsbeziehungen unterhalten. Die Klägerin hat es unterlassen, zum vermeintlichen Abnehmer Kontakt aufzunehmen und sich stattdessen auf die Angaben des dem Geschäftsführer der Klägerin persönlich bekannten angeblichen Bevollmächtigten des Abnehmers verlassen. Dessen Bevollmächtigung hat sie sich nicht nachweisen lassen.

23

Zur Nachforschung verpflichtende Zweifel bestehen nach dem vorgenannten Urteil des BFH aber auch dann, wenn die Geschäftsanbahnung - wie im vorliegenden Fall - mit dem Unternehmer durch einen zwischengeschalteten Dritten erfolgt und der Abnehmer -  außer auf dem Papier - nicht in Erscheinung tritt.

24

Entgegen der Auffassung der Klägerin reicht es nach Auffassung des Senats noch nicht aus, dass der (vermeintliche) Abnehmer über eine gültige USt-ID-Nr. verfügt und sie sich diese und die Gewerbeanmeldung hat bestätigen lassen. Ebenso wenig reicht es schon, dass den beiden ersten Lieferungen kein Bargeschäft über hochwertige Fahrzeuge zu Grunde lag. Gerade hier hätte der Klägerin auffallen müssen, dass M. L. ihr die umgehende Zahlung der Rechnung nach einer Übersendung an ihn in R. zugesagt hatte.

25

Zudem liegen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG in formeller Hinsicht nicht vor. Danach muss die Inanspruchnahme auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruhen. Der Abnehmer (S. D.) ist gegenüber der Klägerin nicht in Erscheinung getreten. Die Erklärung über die Verbringung der Fahrzeuge nach Österreich stammt von M. L. Dessen Erklärung kann dem S.D. nur zugerechnet werden, wenn dieser M. D. bevollmächtigt hat. Hieran fehlt es.

26

Der Senat hat die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung zugelassen wegen der Frage, ob die Vertrauensregelung des § 6a Abs. 4 UStG auch dann angewendet werden kann, wenn die unrichtigen Angaben von einer Person stammen, deren Bevollmächtigung durch den Abnehmer nicht nachgewiesen wurde.


Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, betrieb im Streitjahr 2003 einen Kraftfahrzeughandel. Sie lieferte am 22. Januar 2003 einen Porsche 911 Carrera 4S Coupe umsatzsteuerfrei zum Preis von ... € an die in Italien ansässige "Abnehmerin" T mit Sitz in V. Das Fahrzeug wurde durch Vermittlung einer Firma S durch einen Bevollmächtigten bei der Klägerin abgeholt, der den Kaufpreis bar bezahlte. Als Abholer trat ein Herr mit dem Namen B auf, von dem sich die Klägerin eine Kopie des Personalausweises vorlegen ließ. Die Empfangsbestätigung auf der Rechnung beinhaltet den handschriftlichen Vermerk "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" und ist mit dem Namen "B" unterschrieben. Diese Unterschrift weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie ab.

2

Im Anschluss an eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den bis zu diesem Zeitpunkt als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung angesehenen Umsatz als steuerpflichtig und erließ am 12. Juli 2004 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2003, in dem es die Umsatzsteuer um insgesamt ... € erhöhte. Das FA hat für den Umsatz mit T einen Umsatzsteuerbetrag von ... € und für einen weiteren, revisionsrechtlich nicht angegriffenen Geschäftsvorfall einen Betrag von ... € angesetzt. Die Versagung der Steuerfreiheit für die Lieferung an T beruht auf einer Mitteilung des Bundesamtes für Finanzen, nach der T ein Scheinunternehmen war, was nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) zwischen den Beteiligten unstreitig ist.

3

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

4

Das FG gab der Klage hinsichtlich der Lieferung des Porsche 911 Carrera an T unter Herabsetzung der Umsatzsteuer um ... € statt und wies die Klage im Übrigen in dem revisionsrechtlich nicht angegriffenen Teil ab. Für die Lieferung des Porsche 911 Carrera an T seien zwar die Voraussetzungen des § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) nicht erfüllt, denn der Abnehmer --die T-- sei ein Nichtunternehmer ("Scheinunternehmer") gewesen. Gleichwohl sei die Lieferung als steuerfrei zu behandeln, weil die Voraussetzungen des § 6a Abs. 4 UStG vorlägen.

5

Die Klägerin habe keine Zweifel am tatsächlichen Abholer haben müssen. Sie habe sich sämtliche Belege, die nach § 17a der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erforderlich seien, vorlegen lassen. Insbesondere habe sie den Belegnachweis gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV erfüllt. Danach sei der Nachweis der innergemeinschaftlichen Lieferung in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern, zu führen. Dies sei erfüllt, denn die Klägerin habe durch den Vermittler S einen Handelsregisterauszug betreffend der T vorgelegt. Damit verbunden sei eine Versicherung gewesen, dass das Fahrzeug nach Italien befördert werden solle. Diese Versicherung sei auch schriftlich und in deutscher Sprache erfolgt. Sie enthalte unter Bezugnahme auf den Handelsregisterauszug Name und Anschrift der T (Abnehmer) sowie eine mit Datum versehene Unterschrift des Abnehmers bzw. in diesem Fall des Bevollmächtigten B. Damit habe die Klägerin ihre Sorgfaltspflichten aus § 6a Abs. 4 UStG erfüllt. Soweit die Finanzverwaltung im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. Mai 2010 IV D 3-S 7141/08/10001, 2010/ 0334195 (BStBl I 2010, 508) in Tz. 32 die Auffassung vertrete, "die Unterschrift (müsse) ggf. einen Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen", sei dies unverhältnismäßig. Zum einen könne sich eine Unterschrift durchaus im Laufe mehrerer Jahre verändern, zum anderen sehe eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem nur wenig Platz für die Unterschrift bestehe, häufig anders aus als auf anderen Unterlagen. Dass im Streitfall die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht ohne Weiteres übereinstimme, könne deshalb nicht zum Nachteil der Klägerin ausgelegt werden. Weitere Umstände, die einen Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmanns i.S. des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG rechtfertigen könnten, seien im Streitfall nicht ersichtlich.

6

Mit seiner Revision macht das FA die Verletzung materiellen Rechts geltend. Das Urteil des FG verstoße gegen § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V.m. § 6a UStG. Bei Barverkäufen hochwertiger Gegenstände seien an die Sorgfaltspflichten besonders hohe Anforderungen zu stellen. Die Umstände, dass ein hochwertiges Fahrzeug in bar veräußert werde und auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung bestehen, müssten den Unternehmer zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen. In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt habe, seien alle Umstände einzubeziehen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Mai 2009 V R 65/06, BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511). Von diesen Rechtssätzen weiche das FG ab. Zum einen halte es den Umstand, dass die Unterschriften auf dem vom Abholer vorgelegten Personalausweis und der Verbringenserklärung auffällige Unterschiede aufwiesen, für unbeachtlich. Denn es habe den Rechtssatz aufgestellt, dass ein Vergleich der Unterschriften unverhältnismäßig sei. Zum anderen würdige das FG nicht alle Umstände. Es würdige insbesondere nicht, dass die Klägerin ein hochwertiges Fahrzeug veräußert habe, der Kaufpreis von ... € in bar entrichtet worden sei, die Vermittlung des Verkaufs des gebrauchten Fahrzeugs über die S erfolgt sei und S den Handelsregisterauszug des Abnehmers vorgelegt habe. Gerade diese Umstände hätten die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers veranlassen müssen.

7

Die Frage des Gutglaubensschutzes stelle sich daher nicht, weil die Klägerin ihren Nachweispflichten nicht nachgekommen sei. Es fehle an Belegen, aus denen sich insbesondere der tatsächliche Abholer der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung und dessen Berechtigung leicht und einfach nachprüfbar habe entnehmen lassen.

8

Das FA beantragt,
das Urteil des FG insoweit aufzuheben, als es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

10

Sie habe den Beleg- und Buchnachweis vollständig erbracht. Die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung i.S. von § 6a Abs. 1 UStG seien unstreitig nicht erfüllt, weil --wie sich später herausstellte-- es sich bei dem Kunden um einen Nichtunternehmer gehandelt habe. Die Klägerin habe die Unrichtigkeit der Angaben der Abnehmer auch bei Beachtung der größten Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen können. Der von dem FA zitierte Beschluss vom 6. November 2008 V B 126/07 (BFH/NV 2009, 234) behandle einen abweichenden Fall, in dem das betreffende Fahrzeug sofort zum selben Preis weiterverkauft worden und dies dem liefernden Unternehmer bekannt gewesen sei, so dass tatsächlich bei dem Lieferer der Verdacht einer versuchten Steuerhinterziehung aufkommen könne. Im Streitfall habe es jedoch keinen ähnlichen Anlass gegeben, an der Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen zu zweifeln.

11

Auch die Barzahlung des Kaufpreises sei nach der Erfahrung bei Exportgeschäften von Luxussportwagen nicht ungewöhnlich, sondern die Regel und die einzig praktikable Lösung bei Fahrzeugverkäufen ins Ausland. Gerade bei so mobilen Gegenständen wie Autos wolle der Verkäufer nicht das Risiko eines Forderungsausfalls tragen, sondern bestehe auf Barzahlung oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung; dies gelte gerade für Exportgeschäfte. Wenn das FA behaupte, dass eine "Barzahlung ungewöhnlich" sei und das Misstrauen der Klägerin habe wecken müssen, so sei diese Auffassung wirklichkeitsfremd.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt hinsichtlich der zu beurteilenden Lieferung des Porsche 911 Carrera an T zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Urteil des FG verletzt § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG. Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob für das Fahrzeug Porsche 911 Carrera die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen.

13

1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht nachgewiesen sind.

14

Innergemeinschaftliche Lieferungen können unter den Voraussetzungen des § 6a UStG steuerfrei sein.

15

a) Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
"... 1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet,
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

16

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV nachzuweisen.

17

Der Unternehmer soll dabei gemäß § 17a Abs. 2 UStDV in den Fällen, in denen er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis führen
"... 1. durch das Doppel der Rechnung (§§ 14, 14a des Gesetzes),
2. durch einen handelsüblichen Beleg, aus dem sich der Bestimmungsort ergibt, insbesondere Lieferschein,
3. durch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten sowie
4. in den Fällen der Beförderung des Gegenstands durch den Abnehmer durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern."

18

Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung müssen eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen sein (§ 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV).

19

Nach § 17c Abs. 2 UStDV soll der Unternehmer regelmäßig Folgendes aufzeichnen:
"... 9. den Bestimmungsort im übrigen Gemeinschaftsgebiet."

20

b) Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG; vgl. nunmehr Art. 131, 138 f. der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem --MwStSystRL--).

21

Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versands oder der Beförderung der Gegenstände handelt."

22

c) Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für eine innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; vom 15. Februar 2012 XI R 42/10, BFH/NV 2012, 1188, Rz 14). Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteile in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.2.b; in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 14; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 14).

23

d) Im Streitfall fehlt es bereits am Nachweis, wer der wirkliche Abnehmer des PKW war. Nach den Feststellungen des FG war --was zwischen den Beteiligten unstreitig ist-- T lediglich ein Scheinunternehmen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG liegen daher nicht vor.

24

2. Entgegen der Auffassung des FG ist die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG nicht anwendbar.

25

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 28).

26

b) Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 234, unter 3.). Solche auffälligen Unterschiede liegen im Streitfall vor. Die Unterschrift unter der Empfangsbestätigung auf der Rechnung weicht von der Unterschrift auf der Personalausweiskopie --auf den ersten Blick erkennbar-- ganz erheblich ab.

27

c) Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hält die Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2010, 508, Tz. 32; Abschn. 6a.3. Abs. 9 Satz 5 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses), dass die Unterschrift ggf. einen "Vergleich mit der Unterschrift auf der Passkopie des Abnehmers (bzw. dessen Vertretungsberechtigten oder des unselbständigen Beauftragten) ermöglichen" müsse, per se für unverhältnismäßig und lässt den Umstand, dass die Unterschrift auf der Empfangsbestätigung mit der Unterschrift des B auf seinem Personalausweis nicht übereinstimmt, bei der Würdigung, ob die Klägerin mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, unzutreffend von vornherein außer Acht. Der Senat verkennt nicht, dass sich eine Unterschrift im Einzelfall im Laufe mehrerer Jahre verändern und eine Unterschrift auf einem Personalausweis, bei dem wenig Platz für die Unterschrift besteht, ein anderes Bild als auf sonstigen Unterlagen haben kann. Diese Umstände rechtfertigen es entgegen der Ansicht des FG aber nicht, die auffälligen Unterschiede in den Unterschriften in die Prüfung und Würdigung gar nicht erst miteinzubeziehen.

28

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Folgendes zu berücksichtigen haben:

29

a) Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) ist gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG ausgeschlossen für Lieferungen, die der Differenzbesteuerung unterliegen; diese sind steuerpflichtig. Die Ausnahme entspricht Art. 26a Teil B, Teil D Buchst. c i.V.m. Art. 28c Teil A Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2006 V R 52/03, BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.1.). Anhaltspunkt für eine ggf. durchzuführende Differenzbesteuerung könnte insoweit der Eintrag eines Umsatzsteuerbetrags in Höhe von ... € in der Zeile "nicht auszuweisen im Rahmen der Differenzbesteuerung gem. § 25a UStG" im Kaufvertrag sein.

30

Das FG hat keine Feststellungen getroffen, die eine Entscheidung darüber ermöglichen, ob die Klägerin die streitbefangene Kfz-Lieferung im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeführt hat. Gemäß § 25a Abs. 1 UStG gilt für Lieferungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG von beweglichen körperlichen Gegenständen eine Differenzbesteuerung, wenn u.a. folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer ist ein Wiederverkäufer. Als Wiederverkäufer gilt, wer gewerbsmäßig mit beweglichen körperlichen Gegenständen handelt oder solche Gegenstände im eigenen Namen öffentlich versteigert.

2. Die Gegenstände wurden an den Wiederverkäufer im Gemeinschaftsgebiet geliefert. Für diese Lieferung wurde

a) Umsatzsteuer nicht geschuldet oder nach § 19 Abs. 1 nicht erhoben oder

b) die Differenzbesteuerung vorgenommen.
..."

31

Eine Differenzbesteuerung käme allerdings gemäß § 25a Abs. 7 Nr. 1 Buchst. b UStG nicht zur Anwendung, wenn es sich um die innergemeinschaftliche Lieferung eines neuen Fahrzeugs i.S. des § 1b Abs. 2 und 3 UStG handelt. Dafür könnte --sofern der Kilometerstand in der "Verbindlichen Bestellung" des Fahrzeugs vom 20. Januar 2003 korrekt ausgewiesen ist-- der niedrige Kilometerstand sprechen. Widersprüchlich ist jedoch, dass nach den dortigen Angaben die gesamte km-Leistung laut Vorbesitzer 0 km und der km-Stand laut Zähler indes 4 500 km beträgt.

32

Das FG hat die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.

33

b) Sofern die Lieferung nicht der Differenzbesteuerung unterliegt, stellt sich im Rahmen der nachfolgend zu prüfenden innergemeinschaftlichen Lieferung die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist (BFH-Urteile vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil in BFHE 234, 436, BStBl II 2011, 957, Rz 30; in BFH/NV 2012, 1188, Rz 32).

34

Die Ausführungen des FG sind insoweit unzureichend, da es keine Feststellungen zu dem Bestimmungsort des Liefergegenstands Porsche 911 Carrera (vgl. § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV) getroffen hat. Der Gesetzeszweck des § 6a Abs. 1 UStG erfordert den Nachweis des Bestimmungsorts der innergemeinschaftlichen Lieferung, um die Warenbewegung nachzuvollziehen und um sicherzustellen, dass der gemeinschaftliche Erwerb in dem anderen Mitgliedstaat als Bestimmungsland den Vorschriften der Erwerbsbesteuerung unterliegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2; Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73). Die Angaben in der Verbringenserklärung "Fzg. wird gem. Kaufvertrag vom 21.01.2003 nach Italien ausgeführt" sind insoweit nicht ausreichend, da der Bestimmungsort nicht genannt ist (vgl. Langer in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 6a Rz 73) und auch nicht mit der im Bezug genommenen Kaufvertrag vom 21. Januar 2003 enthaltenen Unternehmensanschrift ohne Weiteres gleichzusetzen ist. Nach dem Urteil des BFH in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, unter II.2.c kann sich die gemäß § 17a Abs. 2 Nr. 2, § 17c Abs. 2 Nr. 9 UStDV erforderliche Angabe des Bestimmungsorts zwar unter Berücksichtigung aller Umstände im Einzelfall aus der Rechnungsanschrift des Abnehmers ergeben. Dies gilt jedoch im Grundsatz nur, wenn davon auszugehen ist, dass der Gegenstand der Lieferung auch zum Unternehmenssitz des Abnehmers versendet oder befördert wird (vgl. BFH-Urteil vom 17. Februar 2011 V R 28/10, BFHE 233, 331, Rz 29). Hierzu fehlen hinreichende Feststellungen. Die Frage des der Klägerin obliegenden Nachweises des Bestimmungsorts ist Gegenstand der Tatsachenwürdigung durch das FG (BFH-Urteil in BFHE 216, 367, BStBl II 2007, 420, Leitsatz 2).

35

c) An die Nachweispflichten sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wenn der angeblichen innergemeinschaftlichen Lieferung eines hochwertigen PKW ein Barkauf (hier ... €) mit "Beauftragten" zugrunde liegt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 81, unter II.2.b). In die Würdigung, ob ein Unternehmer mit der erforderlichen kaufmännischen Sorgfalt gehandelt hat, sind diese Umstände einzubeziehen (BFH-Urteil in BFHE 225, 264, BStBl II 2010, 511, unter II.B.4.b bb). Im Streitfall kommt hinzu, dass ein Vermittler zwischengeschaltet worden ist und die vermeintliche "Abnehmerin" T faktisch --außer auf dem Papier-- gar nicht in Erscheinung trat.

36

aa) Ohne Erfolg wendet die Klägerin ein, die Barzahlung des Kaufpreises sei bei Exportgeschäften von Luxussportwagen die Regel.

37

Der Senat verkennt nicht, dass in der Autobranche bei innergemeinschaftlichen Lieferungen Barzahlung Zug um Zug gegen Aushändigung des Fahrzeugs üblich sein mag (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 29. Mai 2012  3 K 2138/10, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2012, 1968, Rz 71, m.w.N.) und dass ohne Barzahlung bei Übergabe oder vollständiger bargeldloser Vorauszahlung durch den im Ausland ansässigen Abnehmer der Verkäufer das Risiko eines Forderungsausfalls tragen würde, jedoch diese Abwicklungsmodalität eine erhebliche umsatzsteuerrechtliche Missbrauchsgefahr birgt. Die Bekämpfung von Missbrauch, Steuerumgehung und -hinterziehung ist indes ein von der Richtlinie 77/388/EWG bzw. MwStSystRL angestrebtes Ziel (vgl. Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union --EuGH-- vom 29. April 2004 C-487/01 und C-7/02 --Gemeente Leusden und Holin Groep--, Slg. 2004, I-5337, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2004, 302, Rz 76; vom 7. Dezember 2010 C-285/09 --R--, Slg. 2010, I-12605, UR 2011, 15, Rz 36; vom 21. Juni 2012 C-80/11 und C-142/11 --Mahagében und Dávid--, BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 41; vom 6. September 2012 C-273/11 --Mecsek-Gabona--, UR 2012, 796, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2012, 1917, Rz 47) und rechtfertigt hohe Anforderungen an die Einhaltung der umsatzsteuerrechtlichen Verpflichtungen des Verkäufers (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 2007 C-409/04 --Teleos u.a.--, Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 58 und 61; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 47; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 6a Rz 103). Der Unternehmer muss daher alle ihm zur Verfügung stehenden, zumutbaren Maßnahmen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, ergriffen haben, um sicherzustellen, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu seiner Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt (vgl. EuGH-Urteile in Slg. 2007, I-7797, BFH/NV Beilage 2008, 25, Rz 65; in BFH/NV 2012, 1404, UR 2012, 591, Rz 54; in UR 2012, 796, DStR 2012, 1917, Rz 48 und 53 f.; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 103).

38

bb) Bestehen Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers oder seines angeblichen Beauftragten, so ist der Unternehmer auch verpflichtet, Nachforschungen bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzustellen (Oelmaier, DStR 2008, 1213, 1217; Treiber in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 6a Rz 104). Die Zumutbarkeit von Maßnahmen richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Da beim Barverkauf von hochwertigen PKW in das Ausland und Abholung durch einen Beauftragten ein erhebliches umsatzsteuerrechtliches Missbrauchspotenzial besteht, ist in diesen Fällen der Rahmen des Zumutbaren weit zu ziehen.

39

Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Abnehmers können in diesen Fällen beispielsweise folgende Umstände begründen:

-       

Es besteht keine längere Geschäftsbeziehung zwischen dem Unternehmer und dem Abnehmer und der Unternehmer hat keine Kenntnis von der Vertretungsberechtigung der für den Abnehmer auftretenden Person (vgl. Urteil des FG Köln vom 27. Januar 2005  10 K 1367/04, EFG 2005, 822);

-       

die Geschäftsanbahnung mit dem Unternehmer erfolgt durch einen von dem Abnehmer zwischengeschalteten Dritten und der Abnehmer tritt --außer auf dem Papier-- nicht in Erscheinung;

-       

die fehlende Nachvollziehbarkeit des Schriftverkehrs, z.B. fehlende Faxkennung des Abnehmers, oder widersprüchliche Angaben des Abnehmers, z.B. der im Ausland ansässige Abnehmer hat eine Faxadresse im Inland.

40

Dagegen stellen im Regelfall keine Gründe für Zweifel an der Richtigkeit geringfügige, rein formale Versehen dar, wie z.B. ein bloßes Verschreiben auf der Verbringenserklärung.

41

4. Soweit das FA dem Revisionsantrag das Begehren hinzugefügt hat, den Umsatzsteuerbescheid für 2003 vom 12. Juli 2004 dahingehend zu bestätigen, dass die festgesetzte Steuer ... € beträgt, versteht der Senat dies lediglich als ziffernmäßig bestimmte, klarstellende Wiederholung des Revisionsantrags der Klägerin. Denn von dem gestellten Revisionsantrag, das Urteil des FG aufzuheben, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen, wird inhaltlich auch das mit der Revision verfolgte Ziel der Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzung vom 12. Juli 2004 mitumfasst.

Gründe

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist in der Hauptsache streitig, ob der Haftungsbescheid, durch den der Antragsgegner (das Finanzamt -FA-) den Antragsteller als Geschäftsführer der A GmbH (GmbH) für die Umsatzsteuerschulden der GmbH für die Voranmeldungszeiträume (VAZ) Juni 2009 bis Januar 2010, März 2010 und April 2010, November 2010 sowie März 2011 nebst steuerlicher Nebenleistungen in Höhe von insgesamt 480.568,22 € in Haftung genommen hat, rechtmäßig ist.

2

1. Der Antragsteller war ab dem 18.12.2008 neben Herrn B (einzelvertretungsberechtigter) Geschäftsführer der durch Gesellschaftsvertrag vom ... 2008 gegründeten GmbH, deren Geschäftsgegenstand der Großhandel mit Schrott und Altmaterialien war. Im Mai 2009 wurde die Sitzverlegung von C in den X- Weg in Hamburg beschlossen (vgl. Handelsregisterauszug vom ... 2012 Haftungsakte -HaftA- Bl. 4).

3

2. Die GmbH reichte beim FA ab Mai 2009 auf elektronischem Wege Umsatzsteuervoranmeldungen ein und machte darin z. T. erhebliche Vorsteuerbeträge geltend, die teilweise zu Vorsteuerüberschüssen (VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010) führten, teilweise die abzuführende Umsatzsteuersteuer entsprechend verringerten. Das FA erteilte in den Vergütungsfällen jeweils die Zustimmung nach § 168 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und zahlte die angemeldeten Vorsteuerüberschüsse aus (vgl. USt-Überwachungsbogen 2009, Umsatzsteuerakte -UStA- Bl. 8; Bp-Bericht Betriebsprüfungsakte -BpA- Bl. 16 und 17, Rechtsbehelfsakte -RbA- Bd. II Bl. 4 und 5).

4

3. Das FA führte in dem Zeitraum vom 05.11.2009 bis zum 18.01.2011 bei der GmbH zwei Umsatzsteuer-Sonderprüfungen für die VAZ Mai bis September 2009 sowie die VAZ Oktober 2009 bis Februar 2010 durch. Im Rahmen der Prüfungen holte der Prüfer bei anderen Finanzämtern und Steuerfahndungsstellen Auskünfte über die mutmaßlichen Lieferanten D, E sowie die F GmbH & Co KG (F) ein.

5

a) Die Steuerfahndung des FA für Fahndung und Strafsachen G (Steufa G; RbA Bd. I Bl. 92 f.) teilte mit, Herr D sei nicht selbst als Unternehmer tätig gewesen, sondern habe unbekannten Dritten seinen Namen für deren Ablieferungen zur Verfügung gestellt. Herr D habe binnen kürzester Zeit Ablieferungen in beträchtlicher Höhe abgerechnet, ohne über die hierfür erforderlichen entsprechenden Erfahrungen und Kenntnisse im Schrotthandel oder das notwendige Kapital zum Ankauf der Materialien verfügt zu haben. Obwohl er weder über einen Lastkraftwagen, noch einen entsprechenden Führerschein verfügt habe, solle er z. B. an einem Tag bei drei verschiedenen und entfernt gelegenen Recyclingbetrieben jeweils in größerem Umfang Ablieferungen vorgenommen haben, nämlich bei der GmbH in Hamburg, der H GbR in J und bei der K GmbH & Co KG in L. Der von Herrn D behauptete Transport der Materialen auf einem geliehenen Kleintransporter (Sprinter) sei angesichts der abgerechneten Mengen völlig abwegig. Zudem wiesen die Wiegescheine der Recyclingunternehmen aufgrund der darin aufgeführten Lastkraftwagenkennzeichen auf andere Schrotthändler als tatsächliche Anlieferer hin. Hierbei seien Lastkraftwagen von über zehn verschiedenen Personen verwendet worden.

6

Herr D habe zudem bei der auf den Abrechnungen angeführten Anschrift in ... M über keinerlei Geschäftsräume oder Lagerungsmöglichkeiten verfügt. Nach seinen eigenen Angaben habe es sich bei der Adresse auch nicht um seine Wohnanschrift gehandelt.

7

Der Umstand, dass Herr D zuvor im Schrotthandel nicht tätig gewesen sei und kurz nach der Gewerbeanmeldung plötzlich erhebliche, zum Teil fünfstellige Abrechnungen vorgenommen habe, sei angesichts des geschilderten Sachverhalts nur dadurch erklärlich, dass er durch den Erhalt einer Steuernummer und die Gewerbeanmeldung in die Lage versetzt worden sei, gegenüber den Recyclingbetrieben Umsatzsteuer offen auszuweisen und hierdurch als Strohmann für Ablieferungen Dritter attraktiv zu werden.

8

b) Das FA N teilte mit, Herr E habe mit Gewerbeanmeldung vom ... 2009 eine gewerbliche Tätigkeit im Bereich Metallrecycling und zum ... 2009 seinen Wohnsitz in N angemeldet. Im Rahmen einer Umsatzsteuernachschau sei am 07.04.2010 festgestellt worden, dass Herr E unter der in den Rechnungen angegebenen Anschrift weder einen Geschäftssitz unterhalten, noch jemals dort gewohnt habe. Mit einem undatierten Schreiben (Eingang 22.04.2010) habe Herr E dem FA N mitgeteilt, seinen Betrieb aus Krankheitsgründen aufgegeben zu haben und weggezogen zu sein. In der Zauber-Datei existiere über Herrn E ein Eintrag, nach dem sein Name bereits in der Vergangenheit einmal in Zusammenhang mit Abdeck- bzw. Scheinrechnungen bekannt geworden sei. Umsatzsteuer-Voranmeldungen habe Herr E nicht abgegeben (RbA Bd. II Bl. 7 f.).

9

c) Bezüglich der F erhielt der Prüfer von der zuständigen Dienststelle des FA die Auskunft, die F habe unter der in den Rechnungen genannten Anschrift zu keinem Zeitpunkt ihren Sitz gehabt und der auf den an die GmbH gestellten Rechnungen genannte Geschäftsführer O sei nur bis zum 03.05.2007 der Geschäftsführer der F gewesen (vgl. Prüfungsbericht, BpA Bl. 15).

10

d) Dementsprechend erkannte der Prüfer die in den Rechnungen/Gutschriften von Herrn D (VAZ Juni bis November 2009; insgesamt 143.246,49 €), Herrn E (VAZ November und Dezember 2009; insgesamt 88.758,73 €) sowie F (VAZ Februar 2010, 5.438,69 €) ausgewiesene Vorsteuer nicht an mit der Begründung, die Lieferanten seien unter den angegebenen Rechnungsanschriften nicht ansässig gewesen (Berichte über die Umsatzsteuer-Sonderprüfung vom 04.03.2011 BpA Bl. 7 ff.).

11

4. a) Am 08.06.2010 erließ das FA aufgrund von Kontrollmaterial des FA P (RbA Bd. II Bl. 18 ff.) Änderungsbescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate März und April 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus weiteren Rechnungen der F in Höhe von 44.214,49 € für März 2010 und in Höhe von 36.392,33 € für April 2010 (RbA Bd. II Bl. 4 und 5).

12

b) Am 23.12.2010 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat November 2010 über 5.933,51 € fällig gestellt. Die GmbH zahlte nicht.

13

c) Auf der Grundlage der Prüfungsfeststellungen erließ das FA am 15.04.2011 geänderte Bescheide über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für die Monate Juni bis Dezember 2009 und Februar 2010 (RbA Bd. I Bl. 16-23).

14

d) aa) Am 22.08.2011 erhielt das FA durch das FA für Fahndung und Strafsachen Q (Steufa Q) die schriftliche Einlassung vom 18.05.2011 eines weiteren Lieferanten der GmbH, Herrn R, zur Kenntnis (RbA Bd. I Bl. 63 ff.). Darin ließ sich Herr R in dem gegen ihn gerichteten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren über seinen Verteidiger gegenüber der Steufa Q dahingehend ein, dass er seinerzeit von Leuten - deren Namen er nicht nennen könne und wolle, da er massiv bedroht werde - angesprochen worden sei, die ihm erklärt hätten, sie suchten jemanden, über den und für den man abrechnen könne und der daran partizipiere. Man brauche praktisch einen "Partner" für Ablieferungen. Diese Leute hätten ihm zugesagt, sie würden alles für ihn erledigen, insbesondere "das mit dem Gewerbe, das mit der Anschrift der Firma etc". So sei es zu einer Meldeadresse in Q gekommen, eine Adresse, mit der er, Herr R ansonsten nichts zu tun gehabt habe. Er habe dort weder eine Wohnung unterhalten, noch sich zu irgendeinem Zeitpunkt dort aufgehalten. Es habe dort keinen Briefkasten oder sonst etwas gegeben. Er habe für Schrottablieferungen bestimmte Teilbeträge erhalten, zunächst kleinere Beträge, dann ein- oder zweimal maximal 500,00 €.

15

Für die Gewerbeanmeldung sei er begleitet worden, so wie er auch auf allen übrigen Wegen, die er im Zusammenhang mit der Firma durchgeführt habe, begleitet worden sei. Mit dem Ankauf des Metalls habe er überhaupt nichts zu tun gehabt. Er habe gehört, dass man auf seinen Namen auch anderweitig abgeliefert habe. Er habe sich auf das leichte Geldverdienen eingelassen, um sich von dem Geld Drogen (2,5 g Heroin pro Tag) kaufen zu können.

16

bb) Daraufhin erließ das FA am 02.09.2011 einen geänderten Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat Januar 2010 und versagte dabei der GmbH den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des Herrn R in Höhe von insgesamt 67.387,56 € mit dem Hinweis, Herr R sei unter der in den Gutschriften angegebenen Anschrift nicht ansässig gewesen und habe weder dort noch an einem anderen Ort eine Geschäftstätigkeit ausgeübt. (Klageakte -KlA- Bl. 21 f.).

17

e) Ebenfalls am 02.09.2011 erließ das FA den Bescheid für 2009 über Umsatzsteuer (KlA Bl. 18).

18

f) Am 13.09.2011 wurde die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2011 über 0,01 € fällig gestellt, die von der GmbH nicht bezahlt wurde.

19

5. Die GmbH legte gegen die geänderten Bescheide über die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen sowie den Umsatzsteuerjahresbescheid 2009 rechtzeitig Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung (AdV). Nachdem das FA die AdV abgelehnt hatte, lehnte das Finanzgericht Hamburg mit Beschluss vom 12.01.2012 die bei Gericht am 04. und 25.10.2011 gestellten Aussetzungsanträge betreffend die Umsatzsteuer 2009 sowie die VAZ Januar bis April 2010 ab (Finanzgerichtsakten -FGA- 5 V 241/11 Bl. 40 ff.) und führte zur Begründung u. a. aus:

20

"Hiernach steht der Antragstellerin der Vorsteuerabzug aus den strittigen Rechnungen und Gutschriften nach summarischer Prüfung nicht zu.

21

Zum einen waren die Rechnungsaussteller bzw. Gutschriftenempfänger D, E und R nach den vorliegenden Erkenntnissen, nämlich den Mitteilungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen G in Sachen D, des Finanzamtes N in Sachen E und der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen Q in Sachen R, nicht unter den in den Abrechnungspapieren angegebenen Geschäftsadressen ansässig. Für den Senat sind die Mitteilungen der genannten Dienststellen hinreichend substantiiert; es ergeben sich zudem nach Aktenlage keine Anhaltspunkte, die mitgeteilten Erkenntnisse in Frage zu stellen, zumal die Antragstellerin hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen hat. Gelegenheit hätte sie dazu gehabt, da ihr die wesentlichen Feststellungen mit den Prüfungsberichten und den Steuerbescheiden mitgeteilt worden sind. Auf die weiteren Prüfungsfeststellungen zu den Abrechnungspapieren kommt es hiernach für die Frage der Versagung des Vorsteuerabzugs nicht an, so dass der Senat dazu an dieser Stelle nicht weiter Stellung nimmt.

22

Zum anderen ist das Vorsteuerabzugsrecht der Antragstellerin aus den Rechnungen der F nach den Grundsätzen der Feststellungslast zu versagen (BFH-Urteil vom 27.06.1996 V R 51/93, BStBl II 1996, 620). Die Antragstellerin hat sich nicht hinreichend über die Richtigkeit der von der F mitgeteilten Geschäftsdaten vergewissert. Die der Antragstellerin von der F (mutmaßlich) vorgelegte "Steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung" und "Gewerbeanmeldung" enthalten offensichtliche Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten, wonach sich der Antragstellerin Zweifel an der Echtheit der Dokumente hätten aufdrängen müssen (z. B. Rechtschreibfehler im Briefkopf der "Steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung" ["schreiben und Überweißungen"] und in der "Gewerbeanmeldung" ["Hadels-", "be- und Entladen", "Angeben zum geschäftsführenden...", "können...Geahndet werden"]; zu den Einzelheiten vgl. Bl. 94 ff. Bd. IV Rb-A). Die beigebrachten Nachweise reichen nicht aus, um von nachvollziehbaren Rechnungsangaben der F und der Richtigkeit der mitgeteilten Geschäftsdaten auszugehen, zumal nach den Feststellungen des Antragsgegners Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die F unter der in den Rechnungspapieren angegebenen Geschäftsadresse nicht ansässig war."

23

6. Mit Schreiben vom 09.02.2012 teilte das FA dem Antragsteller mit, dass dessen Haftung für die Umsatzsteuerschulden und steuerlichen Nebenleistungen der GmbH, über die eine Aufstellung beigefügt wurde, geprüft werde (HaftA Bl. 12). Die Steuerschulden seien in dem Zeitraum der Geschäftsführung durch den Kläger fällig geworden. Das FA bat den Antragsteller, den beigefügten Fragebogen auszufüllen und bis zum 02.03.2012 zurückzusenden. Auf den weiteren Inhalt des Schreibens wird Bezug genommen.

24

7. Am 30.03.2012 wurde aufgrund des von der GmbH am 21.02.2012 gestellten Insolvenzantrags das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr Rechtsanwalt Dr. S aus Hamburg zum Insolvenzverwalter bestellt (RbA Bd. I Bl. 106).

25

8. Am 08.05.2012 erließ das FA gegen den Antragsteller einen Haftungsbescheid nebst Anlage (HaftA Bl. 20 f.). Hierin wurde der Antragsteller für die im einzelnen aufgeführten Umsatzsteuerschulden sowie Verspätungszuschläge, Zinsen und Säumniszuschläge der GmbH aus den VAZ Juni 2009 bis Januar 2010, März, April und November 2010 sowie März 2011 in Höhe von insgesamt 480.568,22 € gemäß § 69 AO i. V. m. § 34 AO in Haftung genommen, weil er als Geschäftsführer seiner Pflicht zur pünktlichen und vollständigen Entrichtung der Steuern bzw. der Verspätungszuschläge, Säumniszuschläge und Zinsen nicht nachgekommen sei.

26

Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Haftungssumme sofort fällig sei.

27

In der Anlage zum Haftungsbescheid wies das FA bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für 2009 und für die VAZ Januar 2010, März und April 2010 auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfungen hin. Bezüglich der Pflichtverletzung des Antragstellers betreffend den Umsatzsteuerrückstand für den VAZ November 2010 führte das FA aus, der Antragsteller hätte als Verfügungsberechtigter im Vorwege durch Bildung von Rücklagen dafür sorgen müssen, dass die Steuerschulden der GmbH hätten beglichen werden können. Auch die wegen der verspäteten Abgabe der Steuererklärungen/-anmeldungen festgesetzten Verspätungszuschläge sowie die wegen nicht rechtzeitiger Zahlung entstandenen Säumniszuschläge hätten aus den vom Antragsteller verwalteten Mitteln der GmbH beglichen werden müssen. Diese Pflichtverletzungen seien ursächlich für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis und damit für den Eintritt des Haftungsschadens. Die Zahlungen an das Finanzamt seien von dem Antragsteller nicht veranlasst worden, sodass der Haftungsschaden aufgrund dieser Pflichtverletzung eingetreten sei (HaftA Bl. 22).

28

Des Weiteren wies das FA in der Anlage zum Haftungsbescheid darauf hin, dass der Mitgeschäftsführer Herr B einen entsprechenden Haftungsbescheid erhalte (HaftA Bl. 22 R).

29

9. Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 14.05.2012 (HaftA Bl. 23) Einspruch gegen den Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ein und beantragte AdV. Zur Begründung trug er vor, der Haftungsbescheid sei rechtswidrig. Er enthalte keinen haftungsbegründenden Sachverhalt. Insbesondere fehle eine Beschreibung des konkret pflichtwidrigen Verhaltens. Die Umsatzsteuerforderungen 2009 - April 2010 würden bestritten. Bestandskräftige Bescheide lägen insoweit nicht vor. Bis Anfang/Mitte Februar 2012 seien Anträge auf AdV bearbeitet worden. Ein Geschäftsführer handele nicht pflichtwidrig, sofern er bestrittene und nicht vollstreckbare Verbindlichkeiten nicht bezahle. Ganz im Gegenteil würde er sich gegenüber der Gesellschaft und den Gesellschaftern ersatzpflichtig machen, wenn er Zahlungen auf solche Verbindlichkeiten veranlassen würde.

30

Nachdem das Finanzgericht Hamburg die Aussetzungsanträge abgelehnt habe, hätten er, der Antragsteller, und Herr B vorsorglich den Geschäftsbetrieb und den Zahlungsverkehr vorläufig eingestellt und versucht, durch Anträge auf AdV wegen unzumutbarer Härte die Insolvenz der Gesellschaft abzuwenden. Nachdem auch diese Anträge durch das FA abgelehnt worden seien, hätten er und Herr B unverzüglich Insolvenz angemeldet.

31

Unabhängig hiervon habe die GmbH zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um substantielle Zahlungen auf diese - bestrittenen und nicht bestandskräftig festgesetzten - Verbindlichkeiten zu leisten.

32

Vorsorglich beantrage er die AdV und die Aussetzung der Vollstreckung auch aus Gründen der Billigkeit, da Vollstreckungsmaßnahmen zu unbilliger Härte führen würden. Seine Einkommensverhältnisse - monatliche Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit i. H. v. 5.000,00 € brutto - seien dem FA bekannt.

33

10. Am 20.08.2013 nahm der Insolvenzverwalter Dr. S sämtliche der durch die GmbH eingelegten Einsprüche zurück (RbA Bd. I Bl. 110).

34

11. Mit Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 wies das FA den Einspruch gegen den Haftungsbescheid zurück. Zur Begründung führte es aus, der Antragsteller habe die ihm gem. § 34 Abs. 1 AO obliegenden Pflichten verletzt, indem er nicht korrekte Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. -erklärungen eingereicht und die Steuerrückstände nicht getilgt habe. Unter Verweis auf die Ausführungen des Finanzgerichts Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 stellte das FA klar, dass der Leistungsempfänger die Pflicht habe, sich über die Richtigkeit der Geschäftsdaten des Rechnungserstellers (Anschrift, Firma, Rechtsform etc.) zu vergewissern (HaftA Bl. 41 ff.).

35

12. Der Antragsteller hat am 31.10.2013 bei Gericht AdV beantragt.

36

Er trägt zur Begründung seines Antrags vor:

37

Der Haftungsbescheid vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 sei bereits deshalb rechtswidrig, weil er nicht i. S. d. § 366 AO hinreichend begründet sei. Die Begründung der Einspruchsentscheidung enthalte keinen genau beschriebenen Sachverhalt. Konkret werde das FA in der Begründung nur, wenn es auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 zur Ablehnung der AdV verweise. Die Bezugnahme auf andere Schriftstücke in einer Einspruchsentscheidung sei grundsätzlich fraglich, da die AO hierzu keine Rechtsgrundlage enthalte. Unzulässig sei die Bezugnahme aber auf jeden Fall dann, wenn das Bezugsschreiben ein anderes Verfahren und eine andere Rechtsfrage zum Gegenstand habe (Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 11 K 2229/99). In dem Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2013 gehe es zwar um die Umsatzsteuer bzw. den Vorsteuerabzug der GmbH, nicht aber um die Pflichtwidrigkeit und Haftung des Antragstellers. Weder aus dem Haftungsbescheid noch der Einspruchsentscheidung ergebe sich aber eine konkrete Pflichtverletzung. Ebenso fehlten Ausführungen dazu, weshalb eine Pflichtverletzung des Antragstellers vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen worden sein solle.

38

Unabhängig davon sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil bereits der GmbH der Vorsteuerabzug aus den streitigen Lieferantenrechnungen zustehe. Sämtliche Rechnungen der Lieferanten seien gem. §§ 14 ff. Umsatzsteuergesetz (UStG) formal ordnungsgemäß. Darüber hinaus habe die GmbH dem FA im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung mitgeteilt und belegt, dass sie von den besagten Lieferanten Kopien der Gewerbeanmeldung, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen, Ausweiskopien sowie Vollmachten u. Ä. erhalten habe. Der Lieferant E sei bei der Geschäftsanbahnung persönlich zugegen gewesen und habe Herrn T, der sich durch eine notarielle Vollmacht legitimiert habe, als seinen Handlungsbevollmächtigten vorgestellt. Die Gelder seien auf das Konto des Lieferanten E überwiesen worden. Darüber hinaus seien die Lieferanten D und R bei der Geschäftsanbahnung und bei den Lieferungen selber persönlich zugegen gewesen und hätten Gelder persönlich entgegengenommen.

39

Der Antragsteller ist unter Hinweis auf das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C-142/11) der Ansicht, der Vorsteuerabzug sei der GmbH zwingend zu gewähren gewesen. Das FA habe im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und dem anschließenden Einspruchsverfahren stets argumentiert, die GmbH habe keine ausreichenden Nachforschungen angestellt, um sich Gewissheit über die Identität der Lieferanten etc. zu verschaffen. Welche Nachforschungen und Maßnahmen aber stattdessen "ausreichend" gewesen wären, habe das FA nicht genau zu benennen vermocht. Nach der neueren höchstrichterlichen EuGH-Rechtsprechung sei es aber nicht Aufgabe und Pflicht des Steuerpflichtigen, Nachforschungen in diese Richtung anzustellen.

40

Das FA habe weder im Haftungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung eine konkrete Pflichtverletzung dargestellt, noch ausgeführt, weshalb es von einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Begehungsweise ausgehe.

41

Weiter werde bestritten, dass es sich bei den Rechnungsausstellern der streitgegenständlichen Rechnungen um "Strohmänner" o. ä. gehandelt habe. Das FA habe den Sachverhalt insoweit nie vollständig aufgeklärt oder eigene Ermittlungen angestellt; vielmehr habe sich die Sachverhaltsaufklärung in Anfragen bei möglichen Wohnsitz- und Betriebsstättenfinanzämtern und Anfragen bei Ermittlungsbehörden beschränkt.

42

Auch wenn die Umsatzsteuerbescheide nach Rücknahme der Einsprüche durch den Insolvenzverwalter formal bestandskräftig seien, so blieben sie dennoch materiell rechtswidrig.

43

Darüber hinaus sei der Haftungsbescheid rechtswidrig, weil sich die Haftung des Geschäftsführers gem. § 69 AO auf den sog. Quotenschaden beschränke, der vorliegend 0 % betrage. Der Antragsteller habe sofort nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung des Finanzgerichts vom 12.01.2012 noch im Januar 2012 den Geschäftsbetrieb eingestellt, keine Zahlungen mehr geleistet und Insolvenzantrag gestellt. Dem FA lägen die Bilanzen der GmbH für 2009 und 2010 vor. Diese wiesen einen Verlust von 196.686,90 € (2009) und 70.414,28 € (2010) aus. Aus der Umsatzsteuer-Sonderprüfung sei dem FA bekannt gewesen, dass die GmbH im Rahmen des laufenden Geschäftsbetriebes kurzfristige Bankguthaben und ebenso kurzfristige liquide Barmittel zweckgebunden eingesetzt und hieraus laufende Verbindlichkeiten aus Wareneinkäufen finanziert habe. Bei Zweckentfremdung der liquiden Mittel hätte die GmbH ihre Lieferanten nicht mehr bezahlen können, da die Liquidität von laufenden Einnahmen abhängig gewesen sei.

44

Die GmbH habe zu keinem Zeitpunkt über liquide Mittel verfügt, um die - bestrittenen - Umsatzsteuerverbindlichkeiten zu tilgen.

45

Schließlich hätte die Vollziehung des Haftungsbescheides für ihn, den Antragsteller, eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Er sei Arbeitnehmer. Sein monatliches Netto-Einkommen betrage 3.797,47 €. Er verfüge darüber hinaus über kein Vermögen. Unter Hinweis auf das Schreiben seines Arbeitgebers - der Fa. U GmbH mit Sitz im X-Weg in Hamburg - vom 02.12.2013 (Anlage 1 zum Schriftsatz des Antragstellers vom 02.12.2013, FGA-Anlagenband), wonach ihm im Falle einer Lohnpfändung gekündigt werde, trägt der Antragsteller vor, Vollstreckungsmaßnahmen würden seine berufliche Existenz gefährden, ohne dass Aussicht auf Tilgung des festgesetzten Haftungsbetrages bestehe.

46

Der Antragsteller beantragt,

47

die Vollziehung des Haftungsbescheides vom 08.05.2012 in Form der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bis zu einer Entscheidung des Finanzgerichts in der Hauptsache auszusetzen.

48

Das FA beantragt,

49

den Antrag abzulehnen.

50

Das FA nimmt zur Begründung auf den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor (FGA Bl. 24 ff.):

51

Der angefochtene Haftungsbescheid sei nicht rechtswidrig, insbesondere sei er hinreichend begründet und seien die darin vorgenommenen Verweise nicht zu beanstanden. Die von dem Antragsteller genannte Entscheidung des FG Düsseldorf stehe dem nicht entgegen, da der dort behandelte Sachverhalt rechtlich keine Ähnlichkeit mit den Gegebenheiten im hiesigen Verfahren aufweise. Das vorliegende Verfahren sei auf der Sachverhaltsebene nicht trennbar von dem Verfahren der GmbH wegen Versagung des Vorsteuerabzugs aus Lieferantenrechnungen im Zuge der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 2009/2010.

52

Der Antragsteller habe seine steuerlichen Pflichten als Geschäftsführer verletzt, indem er unzutreffende Umsatzsteuervoranmeldungen und eine unzutreffende Umsatzsteuerjahreserklärung für die GmbH eingereicht und nicht für die Tilgung der entstandenen Steuerrückstände gesorgt habe. Dadurch habe der Antragsteller seine Pflichten zumindest grob fahrlässig und weit vor der Festsetzung der Umsatzsteuer aufgrund der Sonderprüfung verletzt. Aufgrund dieses frühen Zeitpunktes der Pflichtverletzung müsse eine Quotierung nicht vorgenommen werden.

53

Der Hinweis des Antragstellers auf seine finanzielle Situation lasse keine unbillige Härte i. S. d. § 361 Abs. 2 AO erkennen.

54

Dem Gericht haben ein Band Haftungsakten (St.-Nr. .../.../...) vorgelegen sowie folgende Steuerakten der GmbH (St.-Nr. .../.../...): ein Band Umsatzsteuerakten, ein Band Betriebsprüfungsakten, Band I und II der Rechtsbehelfsakten und Band I und II der Klageakten.

II.

55

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

56

1. Der Antrag ist zulässig. Das FA hat über den vom Antragsteller mit Schreiben vom 14.05.2012 gestellten AdV-Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden, so dass die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt ist.

57

2. Er hat aber in der Sache aber keinen Erfolg.

58

Nach Maßgabe der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung auf Grundlage präsenter Beweismittel sind die Voraussetzungen für eine AdV nicht erfüllt. An der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheids vom 08.05.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 bestehen im Hinblick auf die Umsatzsteuerschulden sowie steuerlichen Nebenleistungen keine ernstlichen Zweifel.

59

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

60

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsaktes im Sinne des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind nach der Rechtsprechung des BFH zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des Bescheides neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige, gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer Rechtsfrage bewirken (BFH-Beschlüsse vom 21.11.2013 II B 46/13, BFH/NV 2014, 269; vom 11.07.2013 XI B 41/13 BFH/NV 2013, 1647; vom 12.12.2012 I B 127/12, BFHE 239, 25, BStBl II 2013, 272).

61

a) Das FA hat den Antragsteller zu Recht als Geschäftsführer nach § 69 i. V. m. § 34 AO für von der GmbH zu Unrecht nach § 15 UStG gezogene Vorsteuern sowie nicht gezahlte Umsatzsteuer in Haftung genommen.

62

aa) Gemäß § 69 AO haften die in den Vorschriften §§ 34 und 35 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich hohen Maße außer Acht lässt (BFH-Urteil vom 28.06.2005 I R 2/04, BFH/NV 2005, 2149). Die Vertreterhaftung erstreckt sich gemäß § 69 Satz 2 AO auch auf die Säumniszuschläge (§ 240 AO), die infolge der Pflichtverletzung entstanden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28.06.2006 VII B 267/05 BFH/NV 2006, 1792; BFH-Urteil vom 26.02.2003 I R 30/02, BFH/NV 2003, 1301).

63

Die Vertreter juristischer Personen haben gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Gesetzlicher Vertreter einer GmbH ist ihr Geschäftsführer (§ 35 GmbHG). Er hat insbesondere dafür zu sorgen, dass die (Umsatz-)Steuern fristgerecht erklärt (§ 149 AO i. V. m. § 18 UStG) und aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltet (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Der gesetzliche Vertreter einer Gesellschaft ist demnach auch dazu verpflichtet, bereits vor Fälligkeit von Steuerforderungen Vorsorge für deren spätere Tilgung im Zeitpunkt der Fälligkeit zu treffen (vgl. BFH-Urteile vom 04.12.2007 VII R 18/06 BFH/NV 2008, 521; vom 11.03.2004 VII R 19/02, BStBl II 2004, 967). Reichen bei Zahlungsschwierigkeiten die verfügbaren Mittel nicht zur Tilgung aller fälligen Schulden aus, haftet der Geschäftsführer für eine angemessene - zumindest der Befriedigung der anderen Gläubiger entsprechende - Tilgung der Umsatzsteuerforderungen (BFH-Urteil vom 26.04.1984 V R 128/79, BStBl II 1984, 776).

64

bb) Der Antragsteller war als eingetragener Geschäftsführer der GmbH ihr gesetzlicher Vertreter i. S. v. § 34 Abs. 1 AO.

65

cc) Der Antragsteller hat als Geschäftsführer der GmbH die ihm nach § 34 AO obliegenden steuerlichen Pflichten verletzt, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen/-gutschriften der Herren D, E und R sowie der F die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend gemacht (aaa) und bbb)) sowie die sich für die Monate November 2010 und März 2011 ergebende Umsatzsteuerzahllast nicht abgeführt hat (ccc)).

66

Hinsichtlich des Grundes und der Höhe der streitgegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten sind Einwendungen des Antragstellers nicht grundsätzlich nach § 166 AO ausgeschlossen, da die durch die GmbH gegen die streitgegenständlichen Umsatzsteuerfestsetzungen eingelegten Einsprüche durch den Insolvenzverwalter zurückgenommen wurden zu einem Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller aufgrund des Insolvenzverfahrens nicht mehr vertretungsberechtigt war.

67

Die durch den Antragsteller erhobenen Einwendungen gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs (oben I. 12.) greifen aber nicht durch, da sie nicht das Vorliegen der Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG belegen. Den Antragsteller trifft aber auch im Haftungsverfahren die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorhandensein aller Voraussetzungen derjenigen Normen, ohne deren Anwendung sein Prozessbegehren keinen Erfolg haben kann (BFH-Urteil vom 12.08.2009 XI R 4/08, BFH/NV 2010, 393), hier somit für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG.

68

An dieser Verteilung der objektiven Feststellungslast ändert sich nach Ansicht des Senats im vorliegenden Fall auch nichts durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 (C-80/11 und C 142/11, BFH/NV 2012, 1404). Danach kann der Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug dem Steuerpflichtigen nur verweigert werden, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass der Steuerpflichtige, dem die Gegenstände geliefert bzw. dem gegenüber die Dienstleistungen erbracht wurden, die als Grundlage für die Begründung der Rechts auf Vorsteuerabzug dienen, wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine vom Liefernden bzw. vom Leistenden oder einem anderen Wirtschaftsteilnehmer auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangene Steuerhinterziehung einbezogen war. Vorliegend hätte der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH nämlich zumindest wissen müssen, dass die genannten Eingangsrechnungen zur Verschleierung des tatsächlich Leistenden und somit zur Begehung einer Steuerhinterziehung benutzt wurden und daher der GmbH der Vorsteuerabzug aus den genannten Rechnungen nicht zustand.

69

aaa) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann ein Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Lieferungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, dann als Vorsteuer abziehen, wenn er eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Die Rechnung kann nach § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde.

70

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kommt der Anspruch auf Vorsteuerabzug nur dann in Betracht, wenn der Rechnungsaussteller bzw. der Empfänger der Gutschrift und der leistende Unternehmer im Sinne von § 2 UStG, der die in der Rechnung bezeichnete Lieferung oder sonstige Leistung gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ausgeführt hat, identisch sind (vgl. BFH-Urteile vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 04.09.2003 V R 9, 10/02 BStBl. II 2004, 627; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233; vom 16.08.2001 V R 67/00, UR 2002, 213; Urteil des FG Hamburg vom 20.09.2011 2 K 139/09, juris).

71

Wer bei einem Umsatz als Leistender anzusehen ist, ergibt sich regelmäßig aus den abgeschlossenen zivilrechtlichen Vereinbarungen. Leistender ist in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder sonstigen Leistungen im eigenen Namen gegenüber einem anderen selbst ausführt oder durch einen Beauftragten ausführen lässt. Ob eine Leistung dem Handelnden oder einem anderen zuzurechnen ist, hängt deshalb grundsätzlich davon ab, ob der Handelnde gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen oder berechtigterweise im Namen eines anderen bei der Ausführung entgeltlicher Leistungen aufgetreten ist (BFH-Urteile vom 12.05.2011 V R 25/10, BFH/NV 2011, 1541; vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867; vom 12.08.2009 XI R 48/07, BFH/NV 2010, 259, vom 07.07.2005 V R 60/03, BFH/NV 2006, 139; vom 26.06.2003 V R 22/02, BFH/NV 2004, 233).

72

Leistender kann dabei auch ein "Strohmann" sein. Tritt jemand im Rechtsverkehr (sog. "Strohmann") im eigenen Namen, aber für Rechnung eines anderen auf, der - aus welchen Gründen auch immer - nicht selbst als berechtigter oder verpflichteter Vertragspartner in Erscheinung treten will (sog. "Hintermann"), ist zivilrechtlich grundsätzlich nur der "Strohmann" aus dem Rechtsgeschäft berechtigt und verpflichtet. Dementsprechend sind dem "Strohmann" auch solche Leistungen zuzurechnen, die der "Hintermann" berechtigterweise im Namen des "Strohmannes" tatsächlich ausgeführt hat (BFH-Urteil vom 10.11.2010 XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867).

73

Unbeachtlich ist das "vorgeschobene" Strohmanngeschäft (vgl. § 41 Abs. 2 AO) nur dann, wenn es nur zum Schein abgeschlossen wird, d. h. wenn die Vertragsparteien - der "Strohmann" und der Leistungsempfänger - einverständlich oder stillschweigend davon ausgehen, dass die Rechtswirkungen des Geschäfts gerade nicht zwischen ihnen, sondern zwischen dem Leistungsempfänger und dem "Hintermann" eintreten sollen (vgl. BFH-Beschluss vom 17.10.2003 V B 111/02, BFH/NV 2004, 235). Letzteres ist insbesondere dann zu bejahen, wenn der Leistungsempfänger weiß oder davon ausgehen muss, dass der Strohmann keine eigene - ggf. auch durch Subunternehmer auszuführende - Verpflichtung aus dem Rechtsgeschäft übernehmen will und dementsprechend auch keine eigenen Leistungen versteuern will (vgl. BFH-Urteil vom 17.02.2011 V R 30/10, BFHE 233, 341, BStBl II 2011, 769; BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622).

74

a) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass die Herren D, E und R sowie die F lediglich als Rechnungsschreiber bzw. Gutschriftenempfänger auftraten, aber nicht die tatsächlichen Leistungserbringer waren und aus dem Rechtsgeschäft keine Verpflichtungen übernehmen wollten, insbesondere die Leistungen nicht versteuern wollten.

75

Im Einzelnen:

76

Bezüglich Herrn D beruht diese Überzeugung auf den ausführlichen Feststellungen sowie den daraus nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen der Steufa G (oben I. 3. a)).

77

Hinsichtlich Herrn R beruht diese Überzeugung auf seinen eigenen glaubhaften Angaben (oben I. 4. d)aa)). Der Senat hat - in Kenntnis dessen, dass es sich insoweit um die Angaben eines Beschuldigten in einem Steuerstrafverfahren handelte, der naturgemäß ein Interesse daran hat, seinen eigenen Tatbeitrag als möglichst gering darzustellen - keine Zweifel an den Angaben von Herrn R. Für die Glaubhaftigkeit seiner Angaben spricht insbesondere, dass er kurz nach seiner steuerlichen Anmeldung im Juli 2009 (vgl. RbA Bd. I Bl. 68) gegenüber der GmbH in nur drei Monaten (November 2009 bis Januar 2010) über Lieferungen zu 760.307,29 € netto zzgl. 144.458,38 € USt abgerechnet hat und diese Zahlungen bar geflossen sein sollen (vgl. Mitteilung der Steufa Q vom 08.08.2011, RbA Bd. I Bl. 69).

78

Hinsichtlich Herrn E beruht diese Überzeugung auf der Mitteilung des FA N vom 10.06.2010 (oben I. 3. b)). Für die Schlussfolgerung, dass Herr E nicht selbst die abgerechneten Lieferungen erbracht hat und er sich diese auch (steuerlich) nicht zurechnen lassen wollte, spricht insbesondere der Umstand, dass Herr E unmittelbar nach seiner steuerlichen Erfassung bei dem FA N gegenüber der GmbH in den Monaten November und Dezember 2009 über Lieferungen in einer Bruttogesamthöhe von 555.909,93 € abgerechnet hat und diese Rechnungsbeträge bis auf eine Überweisung über 115.103,94 € (RbA Bd. I Bl. 78) in bar abgewickelt worden sein sollen.

79

Bezüglich der F beruht die Überzeugung zum einen auf der Feststellung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung (oben I. 3. c)). Zum anderen steht aufgrund der bereits durch das FG Hamburg in seinem Beschluss vom 12.01.2012 aufgeführten offensichtlichen Rechtschreibfehler und Ungereimtheiten (oben I. 5.) zur Überzeugung des Senats fest, dass es sich insoweit um Kopien von gefälschten Dokumenten handelt. Die Verwendung von derartigen Dokumenten und Rechnungsvordrucken ist nur dann sinnvoll, wenn damit die tatsächliche Leistungserbringung durch einen anderen verschleiert werden soll.

80

Weder der Antragsteller noch die GmbH im damaligen AdV-Verfahren haben die von der Umsatzsteuer-Sonderprüfung in den Prüfungsberichten vom 04.03.2011 bereits aufgezeigten Ungereimtheiten und Widersprüchlichkeiten widerlegen oder erklären können. Es sind keine ergänzenden Nachweise vorgelegt worden, dass die genannten Rechnungsaussteller tatsächlich die gegenüber der GmbH abgerechneten Leistungen erbracht haben.

81

ß) Der Senat kommt im summarischen Verfahren zu der Überzeugung, dass für den Antragsteller hinreichende Anhaltspunkte für das Bestehen von Unregelmäßigkeiten vorlagen, aufgrund derer er verpflichtet war, sich über die Person des tatsächlichen Leistungserbringers zu vergewissern.

82

Zwar hat die GmbH im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung bezüglich aller streitigen Rechnungsausteller Unterlagen vorgelegt, insbesondere Gewerbeanmeldungen, steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigungen u. ä., und vorgetragen, sie habe keinen Anlass gehabt, zu vermuten, dass die Rechnungsaussteller nicht die tatsächlichen Lieferanten seien oder ihre eigenen steuerlichen Pflichten nicht erfüllen würden.

83

Im Hinblick auf die für die F vorgelegten gefälschten Unterlagen ergibt sich ohne weiteres, dass der Antragsteller als Geschäftsführer der GmbH Anlass hatte, daran zu zweifeln, dass die F auch die tatsächliche Leistungserbringerin war. Der Senat ist davon überzeugt, dass für den Antragsteller auch ohne eingehende Prüfung ersichtlich war, dass es sich bei den Dokumenten um die Kopien von Fälschungen handelte.

84

Auch bezüglich der Herren D, E und R ergibt sich aus den Feststellungen der Steuerfahndungsstellen Q und G bzw. des FA N, dass ein Anlass für den Antragsteller bestand, an der Lieferanteneigenschaft der Rechnungsaussteller zu zweifeln. Alle drei Personen traten unmittelbar nach der Aufnahme ihrer gewerblichen Tätigkeit gegenüber der GmbH als Lieferanten von sehr großen Mengen an Metall/Schrott gegen Barzahlung von fünf- und sechsstelligen €-Beträgen auf. Die Herren D und R hatten keine Kenntnisse vom Metallhandel und ebenso wie Herr E gar nicht die notwendige Anzahl von Fahrzeugen zur Anlieferung der berechneten Metalllieferungen. Dafür, dass sie entsprechende Subunternehmer beauftragt hätten, liegen keine Anhaltspunkte vor und wurden von dem Antragsteller auch keine vorgetragen.

85

Hinsichtlich Herrn R ist der Senat darüber hinaus davon überzeugt, dass er als langjähriger Drogenabhängiger mit einem täglichen Heroinkonsum von 2,5 g gar nicht den Eindruck vermittelt haben kann, er könne die Lieferungen selbst ausführen.

86

Hinzu kommt, dass Herr R und Herr D - wie der Antragsteller gegenüber dem Betriebsprüfer bestätigte (KlA Bl. 27) - stets in Begleitung bei der GmbH auftraten und sich Herr E durch seinen Generalbevollmächtigten vertreten ließ, so dass bereits aufgrund dieses Auftretens in Zweifel zu ziehen war, ob die Rechnungsaussteller auch die tatsächlich Leistenden waren.

87

bbb) Darüber hinaus ist der Vorsteuerabzug auch deshalb zu versagen, weil der in den Rechnungen angegebene Sitz des jeweils leistenden Unternehmens bei der Ausführung der Leistung und bei Rechnungsstellung tatsächlich nicht bestanden hat (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. BFH-Beschluss vom 31.01.2002 V B 108/01, BFHE 198, 208, BStBl II 2004, 622, Beschluss des FG Hamburg vom 23.09.2005 III 71/05, EFG 2006, 149). Vorliegend hatten schon die vermeintlichen Lieferanten keinen Geschäftssitz an den in den Rechnungen angegebenen Adressen (oben I. 3. a) - c), 4. d)aa)).

88

Die Frage, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer die Feststellungslast dafür trägt, dass der in den Rechnungen angegebene Sitz tatsächlich bestanden hat (so BFH-Urteil vom 06.12.2007, V R 61/05, BFHE 221, 55, BStBl II 2008, 695; Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 1111) oder ob durch das EuGH-Urteil vom 21.06.2012 diesbezüglich die objektive Feststellungslast nunmehr beim FA liegt (so Beschluss des FG Münster vom 12.12.2013 5 V 1934/13 U; juris), kann dahingestellt bleiben, da der Antragsteller aufgrund der bereits festgestellten Gesamtumstände und Unregelmäßigkeiten verpflichtet war, sich über den Sitz des jeweils leistenden Unternehmens zu vergewissern.

89

ccc) Bezüglich der VAZ November 2010 und März 2011 hat der Antragsteller seine Pflicht verletzt, die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen der GmbH bei deren Fälligkeit am 23.12.2010 sowie am 13.09.2011 zu entrichten.

90

dd) Der Antragsteller hat die Pflichtverletzungen auch verschuldet. Er hat zumindest grob fahrlässig gehandelt.

91

Grob fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten verpflichtet und imstande ist, in ungewöhnlich großem Maße verletzt (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 AO Rn. 26).

92

aaa) Bezüglich der gezogenen Vorsteuer hätte sich der Antragsteller nicht einfach auf die Richtigkeit der Angaben bzgl. des leistenden Unternehmers und des angegebenen Geschäftssitzes verlassen dürfen. Aufgrund der vorliegenden Gesamtumstände bestand für ihn die Obliegenheit, sich über die Richtigkeit der in einer Rechnung angegebenen Geschäftsdaten zu vergewissern. Gerade bezüglich der Einkäufe bei der F mit angeblichem Geschäftssitz in der Y-Straße in ... Hamburg wäre es aufgrund der räumlichen Nähe zu der angegebenen Anschrift und der hohen Anzahl der getätigten Ankäufe auch zumutbar gewesen, sich vor Ort von der Richtigkeit der angegebenen Adresse zu vergewissern. Hätte oder hat der Antragsteller dies getan, hätte oder hat er gesehen, dass die F dort nicht ihren Sitz hatte.

93

bbb) Bezüglich der nicht entrichteten Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für November 2010 in Höhe von 5.933,51 € sowie März 2011 in Höhe von 0,01 € hätte der Antragsteller hinreichende Mittel zur Verfügung stellen müssen (oben 2. a)).

94

ee) Auch die Inanspruchnahme des Antragstellers in der geltend gemachten Höhe ist rechtmäßig; insbesondere fehlt es nicht an der haftungsbegründenden Kausalität.

95

Hinsichtlich des Umfangs der Haftung aufgrund einer Pflichtverletzung nach § 69 AO gilt, dass zwischen der Pflichtverletzung und dem mit dem Haftungsbescheid geltend gemachten Schaden eine adäquate Kausalität bestehen muss. Dies ergibt sich aus dem Schadensersatzcharakter der Vorschrift (BFH-Urteil vom 06.03.2001 VII R 17/00, BFH/NV 2001, 1100). Danach sind solche Pflichtverletzungen für den Erfolg ursächlich, die allgemein und erfahrungsgemäß geeignet sind, diesen Erfolg zu verursachen.

96

aaa) Bezüglich der ausgezahlten Vorsteuern für die streitgegenständlichen VAZ Juni, Juli und Dezember 2009, Januar, Februar bis April 2010 ergibt sich ein adäquater Kausalzusammenhang bereits daraus, dass bei einer zutreffenden Voranmeldung keine Auszahlung an die GmbH vorgenommen worden wäre (vgl. Beschluss des FG Hamburg vom 26.10.2010 3 V 85/10, EFG 2011, 111; Urteil des FG Brandenburg vom 06.04.2004 3 K 418/01, EFG 2005, 665). Durch die Abgabe der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldungen ist dem FA ein Schaden durch die Auszahlung der zu Unrecht angemeldeten Vorsteuern entstanden. Der Grundsatz der nur anteiligen Tilgungsverpflichtung greift insoweit nicht ein, weil es sich nicht um eine Zahlungsverpflichtung der GmbH, sondern um eine zu Unrecht an die GmbH ausgezahlte Steuervergütung handelt (BFH-Urteil vom 25.04.1995 VII R 99-100/94, BFH/NV 1996, 97).

97

bbb) Bezüglich der streitgegenständlichen VAZ August bis November 2009, November 2010 und März 2011 gilt, dass der Umfang der Haftung nach § 69 AO auf den Betrag beschränkt ist, der infolge der Pflichtverletzung nicht entrichtet wurde. Stehen zur Begleichung der Steuerschulden insgesamt keine ausreichenden Mittel zur Verfügung, so bewirkt die durch die schuldhafte Pflichtverletzung verursachte Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis die Haftung nur in dem Umfang, in dem der Verpflichtete das Finanzamt gegenüber den anderen Gläubigern benachteiligt hat (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 01.08.2000 VII R 110/99, BStBl II 2001, 271). Der Fiskus darf gegenüber anderen Gläubigern nicht benachteiligt werden. Ein Geschäftsführer, der dies gleichwohl tut, handelt in der Regel - d. h. soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Annahme einer leichteren Form des Verschuldens rechtfertigen - zumindest grob fahrlässig (vgl. BFH-Urteil vom 11.03.2004 VII R 52/02, BStBl II 2004, 579).

98

Rückständige Umsatzsteuer ist danach vom Geschäftsführer in ungefähr dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Ist dies nicht geschehen, so liegt im Umfang des die durchschnittliche Tilgungsquote unterschreitenden Differenzbetrages (= Haftungssumme) eine schuldhafte Pflichtverletzung vor, für die der Geschäftsführer als Haftungsschuldner einzustehen hat (BFH-Beschluss vom 16.02.2006 VII B 122/05, BFH/NV 2006, 1051).

99

Hierzu hat das Finanzamt unter Berücksichtigung der vorhandenen Daten und Zahlen die Haftungsquote zu ermitteln oder - soweit der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden kann - im Schätzungswege die Quote festzustellen, die der Wahrscheinlichkeit am nächsten kommt (§ 162 AO). Zur Feststellung der Haftungssumme kann das Finanzamt vom Geschäftsführer einer GmbH, den es als Haftungsschuldner wegen der nicht entrichteten Umsatzsteuer in Anspruch nehmen will, die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte über die Gesamtverbindlichkeiten und die anteilige Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum verlangen (§ 90 Abs. 1 AO, vgl. BFH-Urteile vom 27.02.2007 VII R 60/05, BFH/NV 2007, 1731; vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

100

Die Feststellungslast für eine Benachteiligung des Fiskus trägt zwar grundsätzlich das Finanzamt. Es kann aber von dem durch Haftungsbescheid in Anspruch genommenen Geschäftsführer verlangen, dass er die zur Feststellung des Haftungsumfangs notwendigen Auskünfte erteilt und insbesondere Feststellungen zur Höhe der Gesamtverbindlichkeiten der Gesellschaft im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuerschulden sowie zur Höhe der an sämtliche Gläubiger geleisteten Zahlungen ermöglicht (BFH-Urteil vom 23.08.1994 VII R 134/92, BFH/NV 1995, 570). Der Antragsteller hat aber auf die Haftungsanfrage des FA vom 26.01.2012 bislang keine Angaben über die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und den Umfang ihrer Tilgung im Haftungszeitraum gemacht. Es ist daher im summarischen Verfahren nicht zu beanstanden, dass das FA, da es keine nachvollziehbaren Angaben über die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, im Schätzungswege von einer anteiligen Gläubigerbefriedigung im Haftungszeitraum von 100 % ausging, zumal der Antragsteller auch im gerichtlichen Verfahren hierzu nichts Substantielles vorgetragen hat. Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, bleibt es ihm vorbehalten, einen entsprechenden Liquiditätsstatus der GmbH vorzulegen. Ein Schätzungsfehler kann dem FA, das keinerlei Angaben über die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten Verbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden (BFH-Urteil vom 26.10.2011 VII R 22/10, BFH/NV 2012, 777; BFH-Beschluss vom 31.03.2000 VII B 187/99, BFH/NV 2000, 1322).

101

ccc) Obige Ausführungen gelten gleichermaßen für die während der Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der GmbH durch schuldhafte Pflichtverletzungen verwirkten Säumniszuschläge und festgesetzten Verspätungszuschläge (§ 69 Satz 1, § 37 Abs. 1, § 3 Abs. 4 AO).

102

b) Neben der vorstehend bejahten Haftung als Geschäftsführer nach § 69 AO kommt es nicht mehr darauf an, dass der Haftungsbescheid auch wegen Steuerhinterziehung gemäß § 71 AO begründet ist, insbesondere weil der Antragsteller (ggf. bedingt) vorsätzlich Einkaufsrechnungen mit Lieferanten-Scheinsitzen in die Buchführung gab und so die unberechtigte Erklärung von Vorsteuerbeträgen veranlasste und nicht gerechtfertigte Steuervorteile für die GmbH erlangte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

103

c) Der Haftungsbescheid ist auch in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Er ist insbesondere hinreichend begründet i. S. d. § 121 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO. Nach diesen Vorschriften hat der durch einen schriftlichen Verwaltungsakt Belastete Anspruch darauf, aus dem Verwaltungsakt die Gründe für seine Inanspruchnahme zu erfahren, es sei denn, dass ihm die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist. Die Verfahrensweise des FA hält sich im Rahmen dieser Anforderungen. Das FA hat in dem Haftungsbescheid einerseits das Bestehen der geltend gemachten Steueransprüche und die Geschäftsführerstellung des Antragstellers zum Zeitpunkt der Fälligkeit dieser Ansprüche bzw. zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Falschabgabe der Voranmeldungen festgestellt. Bezüglich der dem Antragsteller vorgeworfenen Pflichtverletzung ist es in dem Haftungsbescheid auf die zumindest grob fahrlässige Verletzung der Pflicht zur Mittelbereitstellung zur Entrichtung der fälligen Steuern durch den Antragsteller ausreichend ausführlich eingegangen, während es bezüglich der Pflichtverletzung durch die ungerechtfertigte Inanspruchnahme von Vorsteuerabzugsbeträgen pauschal auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung verwiesen hat.

104

Grundsätzlich können zur Begründung auch in Bezug genommene Unterlagen wie etwa Prüfberichte herangezogen werden (vgl. BFH-Urteil vom 15.03.2007 II R 5/04, BFHE 215, 540, BStBl II 2007, 4729). Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Bezugnahme im Haftungsbescheid auf die Feststellungen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung zur Begründung der Pflichtverletzung nicht ausreichend war, da diese Feststellungen vornehmlich die (objektiven) Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1 UStG betrafen und eine Pflichtverletzung des Antragstellers nicht ausdrücklich thematisiert wurde, so wäre dieser Begründungsmangel durch die Einspruchsentscheidung geheilt worden. Indem das FA nämlich in der Einspruchsentscheidung vom 11.10.2013 unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des BFH die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs sowie unter Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 die bestehende Verpflichtung des Leistungsempfängers, die Rechnungsangaben zu überprüfen, dargestellt hat, hat es die diesbezügliche Pflichtverletzung des Antragstellers hinreichend bezeichnet und damit der ursprünglich gegebenen Begründungsmangel geheilt (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO).

105

Die Bezugnahme auf den Beschluss des FG Hamburg vom 12.01.2012 war insoweit zur Begründung der grob fahrlässigen Pflichtverletzung durch den Antragsteller zulässig, da in dem Beschluss die Auffälligkeiten/Ungereimtheiten der Rechnungsangaben im Einzelnen aufgezeigt wurden. Das von dem Antragsteller zitierte Urteil des FG Düsseldorf vom 28.10.1999 (11 K 2229/99 E, F, EFG 2000, 47) steht der Zulässigkeit der Bezugnahme zur Begründung nicht entgegen. Nach diesem Urteil ist eine Einspruchsentscheidung, deren Inhalt lediglich in einer Bezugnahme auf ein unklares Erläuterungsschreiben besteht, wegen fehlender Begründung rechtswidrig. Mit diesem Sachverhalt ist die Einspruchsentscheidung des Streitfalles, in der zur Begründung auf einen zwischen der GmbH und dem FA ergangenen finanzgerichtlichen AdV-Beschluss Bezug genommen worden ist, der die Steuerschulen betraf, für die der Antragsteller in Haftung genommen worden ist, nicht vergleichbar (vgl. BFH-Beschluss vom 18.05.2005 VIII B 56/04 BFH/NV 2005, 1811 zu der Bezugnahme auf ein zwischen denselben Beteiligten ergangenes finanzgerichtliches Urteil).

106

Zumindest in der Einspruchsentscheidung hat das FA ausreichend dargelegt, aus welchen Gründen seiner Auffassung nach der Antragsteller seine Pflicht als Geschäftsführer der GmbH grob fahrlässig verletzt habe und für die Nichterfüllung der Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis hafte. Weitere Ausführungen sind aus formellen Gründen insoweit nicht erforderlich, denn der Geschäftsführer einer GmbH hat von Gesetzes wegen für die Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten, insbesondere auch für die Entrichtung der Steuern einzustehen, § 35 AO.

107

d) Die lediglich nach Maßgabe des § 102 FGO überprüfbare Ermessensentscheidung des FA im Haftungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung über die Inanspruchnahme des Klägers als Haftungsschuldner nach § 191 Abs. 1 AO begegnet keinen Bedenken. Unter den gegebenen Umständen des Falles hat das FA sein Entschließungs- und Auswahlermessen richtig betätigt. Eine Inanspruchnahme des Antragstellers als Geschäftsführer der GmbH war gerechtfertigt, da eine Realisierung der Steuerrückstände bei der GmbH nicht möglich war. Daneben hat das FA den zweiten möglichen Haftungsschuldner, den weiteren eingetragenen Geschäftsführer der GmbH, Herrn B, durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen. Auf beide Aspekte hat das FA im Haftungsbescheid vom 08.05.2012 ausdrücklich hingewiesen.

108

e) Ebenso wenig ist die Aussetzung geboten, weil die Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides für den Antragsteller eine unbillige Härte zur Folge hätte.

109

Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Pflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 21.02.1990 II B 98/89, BFHE 160, 61, BStBl II 1990, 510; vom 01.08.1986 V B 79/84, BFH/NV 1988, 335).

110

Härten, die nicht mit der Zahlung vor endgültiger Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des ihr zugrundeliegenden Steuer- oder Haftungsbescheides zusammenhängen, sondern die typischerweise mit der Vollziehung eines Bescheides als solcher verbunden sind, rechtfertigen die AdV nicht (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325; vom 19.04.1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538). Nur solche Nachteile macht der Antragsteller jedoch geltend.

111

Im Übrigen rechtfertigt das Vorliegen einer Lohnpfändung für sich allein noch keine ordentliche Kündigung (Urteil des Bundesarbeitsgerichts -BAG- vom 04.11.1981 7 AZR 264/79, BAGE 37, 64) und kann eine unbillige Härte grundsätzlich nicht allein in der Vollziehung einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung liegen, bei der die gesetzlichen Pfändungsschutzvorschriften - auch vom Drittschuldner - beachtet werden (Beschluss des FG München vom 15.03.2012 14 V 471/12, juris).

III.

112

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

113

Die Nichtzulassung der Beschwerde folgt aus § 128 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FGO, da Zulassungsgründe gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht ersichtlich sind.

Tenor

1. Die Umsatzsteuer für 2006 wird unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 65/100, der Beklagte zu 35/100.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

I. Streitig ist, ob von der Klägerin getätigte Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerbefreit sind.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist u.a. der Handel mit Kraftfahrzeugen (KFZ).

In ihrer Umsatzsteuererklärung für 2006 errechnete die Klägerin ihre Umsatzsteuer mit dem negativen Betrag von 229.604,86 €; hierbei behandelte sie u.a. die Lieferungen von 12 KFZ als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen.

Der Beklagte (das Finanzamt –FA-) setzte die Umsatzsteuer für 2006 mit gem. § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 28. Januar 2008 auf den negativen Betrag von 226.724,86 € fest.

Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 20. Februar 2008 setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 auf den negativen Betrag von 229.604,86 € fest.

Im Anschluss an eine Außenprüfung (Bericht vom 19. Februar 2010) setzte das FA die Umsatzsteuer für 2006 mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 182.290,34 € fest, behandelte u.a. die og. 12 Fahrzeuglieferungen als steuerpflichtig und erhöhte dementsprechend die steuerpflichtigen Umsätze um den Betrag von 340.231 €.

Zur Begründung verwies das FA auf eine Stellungnahme des an der Außenprüfung beteiligten Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009, wonach der Beleg- und Buchnachweis für og. Lieferungen nicht geführt worden sei. So sei bei den von den Abnehmern angeblich abgeholten Fahrzeugen der Bestimmungsort der Lieferungen nicht aufgezeichnet worden, sondern lediglich von den Abholern bestätigt worden, dass die jeweiligen Fahrzeuge "aus Deutschland ausgeführt" bzw. "nach Spanien verbracht" würden, ohne einen Bezug zu den Rechnungsadressen der Abnehmer herzustellen. Bei den an die Abnehmer angeblich versandten Fahrzeugen hätten die Abnehmer den Empfang der Fahrzeuge nicht in Feld 24 der CMR-Frachtbriefe bestätigt.

Am 23. April 2010 erhob die Klägerin gegen den streitgegenständlichen Umsatzsteuerbescheid Sprungklage, der das FA nicht zugestimmt hat, die am 8. Juni 2010 zur Behandlung als Einspruch an das FA abgegeben wurde und über den das FA nicht entschieden hat.

Am 28. Februar 2011 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben.

Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, dass den einzelnen Rechnungen und weiteren Belegen der jeweilige Bestimmungsort zu entnehmen sei und die jeweiligen Abnehmer bzw. Abholer den Export in die jeweiligen Bestimmungsländer bestätigt hätten. Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit lägen für die streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen demzufolge vor. Ein Vergleich des Schriftbildes der auf den Verbringensbestätigungen mit den Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer sei zudem nicht zulässig, da nach Auffassung der Datenschutzbeauftragten der Länder das Anfertigen der Kopie eines Personalausweises gegen das Bundesdatenschutzgesetz verstoße.

Die Klägerin beantragt,

die Umsatzsteuer für 2006 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheids vom 23. März 2010 auf den negativen Betrag von 229.218,34 € festzusetzen,

hilfsweise

die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt,

nach Maßgabe des Zugeständnisses in der mündlichen Verhandlung die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des FA vom 18. März 2011, 1. Juni 2011, 18. April 2013, 26. Juni 2013, 24. Januar 2012 sowie 24. Januar 2014 verwiesen.

Mit Anordnung vom 10. Juni 2013 (zugestellt am 17. Juni 2013) wurde die Klägerin gem. § 79 b Abs. 2 FGO unter Fristsetzung zum 19. Juli 2013 aufgefordert, bezüglich der für das Streitjahr erklärten innergemeinschaftlichen Lieferungen die Aufzeichnungen im Sinne des § 17c UStDV (Buchnachweis) im Original vorzulegen sowie darzulegen, wann diese Aufzeichnungen erstellt wurden, die Belege im Sinne des § 17a UStDV (Belegnachweis) im Original vorzulegen, die diesen Lieferungen zugrunde liegenden Kaufverträge sowie Geschäftskorrespondenz im Original vorzulegen sowie Zahlungsnachweise für die Vereinnahmung der vereinbarten Entgelte im Original vorzulegen.

Auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung wird Bezug genommen.

Gründe

II. Die Klage ist nur zum Teil begründet.

1. Nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) ist eine innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:

"1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder

c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber

und

3. der Erwerb des Gegenstands der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung."

Der Unternehmer hat diese Voraussetzungen gemäß § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStDV) nachzuweisen.

Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung auf Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr anwendbaren Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Steuerfrei sind unter den Bedingungen, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch festlegen danach "... die Lieferungen von Gegenständen im Sinne des Artikels 5, die durch den Verkäufer oder durch den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb des in Artikel 3 bezeichneten Gebietes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person bewirkt werden, der/die als solcher/solche in einem anderen Mitgliedstaat als dem Beginn des Versandes oder der Beförderung der Gegenstände handelt".

Der Unternehmer kann grundsätzlich die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung in Anspruch nehmen, wenn er die nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV bestehenden Nachweispflichten erfüllt. Kommt der Unternehmer demgegenüber den Nachweispflichten nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen; trotz derartiger Mängel ist die Lieferung aber steuerfrei, wenn objektiv zweifelsfrei feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit erfüllt sind (BFH-Urteil vom 12. Mai 2011 V R 46/10, BStBl II 2011, 957 m.w.N.).

2. Hinsichtlich der folgenden streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen hat das FA das Vorliegen der Voraussetzungen der Steuerfreiheit in der mündlichen Verhandlung anerkannt. Die Bezeichnung der einzelnen Fahrzeuglieferungen orientiert sich nachfolgend an der von der Klägerin in den vorgelegten Originalunterlagen vorgenommenen Auflistung (A1 – L1) sowie der Auflistung in der Stellungnahme des Bay. Landesamts für Steuern vom 28. Dezember 2009 (Nr. 1-18).

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1001859 vom 15. März 2006, MB SLK350, 38.000 €, Fall A1 bzw. Nr. 3)

  • ·Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1002817 vom 26. Juli 2006, MB A180CDI, 18.300 €, Fall B1 bzw. Nr. 4)

  • ·Lieferung an V. S.L., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1001818 vom 9. März 2006, MB C220CDI, 20.000 €, Fall E1 bzw. Nr. 11)

  • ·Lieferung an D. SL U., E- Barcelona (Rechnung Nr. 1002598 vom 30. Juni 2006, MB A180CDI, 15.500 €, Fall G1 bzw. Nr. 13)

  • ·Lieferung an A. SA, , L- Luxemburg (Rechnung Nr. 1004064 vom 30. Juni 2006, MB SLK200 Kompressor, 25.775 €, Fall L1 bzw. Nr. 18)

3. Hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Fahrzeuglieferungen ist die Klage unbegründet. Die Klägerin hat den Belegnachweis nicht erbracht.

a) Lieferung an Fa. P. S.L., E- T. (Rechnung Nr. 1003173 vom 4. Oktober 2006, MB A170CDI, 11.600 €, Fall C1 bzw. Nr. 5)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 4 Satz 1 Nummer 2 UStDV in den Fällen, in denen der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet versendet, den Nachweis hierüber führen durch einen Beleg entsprechend § 10 Abs. 1. UStDV. Gem. § 10 Abs. 1 Nummer 1 UStDV soll der Unternehmer den Nachweis regelmäßig führen durch einen Versendungsbeleg, insbesondere durch Frachtbrief.

In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Vollmacht sowie Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. TTI in, F- H. bevollmächtigt hat. Letzteres hat auch die mündliche Verhandlung ergeben. Der Versendungsbeleg ist daher unrichtig.

b) Lieferung an Fa. L., H- Budapest (Rechnung Nr. 1001690 vom 24. Februar 2006, MB ML320CDI, 48.000 €, Fall D1 bzw. Nr. 10)

Bei dieser Lieferung kann es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Beförderungs- oder eine Versendungslieferung handeln. Der Unternehmer soll gemäß § 17a Abs. 2 Nummer 4 UStDV in den Fällen, in denen der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert, den Nachweis hierüber führen durch eine Versicherung des Abnehmers oder seines Beauftragten, den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu befördern. Dieser Nachweis kann auch bei einer Versendungslieferung zulässig sein (§ 17 a Abs. 4 Satz 2 UStDV). Der Belegnachweis setzt dabei aber voraus, dass derjenige, der den Gegenstand (Fahrzeug) tatsächlich abholt (der Abnehmer oder sein Beauftragter) versichern muss, diesen in das übrige Gemeinschaftsgebiet zu verbringen (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 2011 V B 102/10 BFH/NV 2011, 1930).

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das KFZ "ordnungsgemäß aus Deutschland auszuführen" und bevollmächtigte Herrn F., im europäischen Raum Fahrzeuge aller Art und Baustoffe sowie Waren aller Art einzukaufen.

Die vorgelegte Verbringensbestätigung ist jedoch nicht datiert. Zudem ist unklar, ob sie vom angeblichen tatsächlichen Abholer F., wohnhaft in A- Wels-Land, ausgefüllt wurde, wogegen spricht, dass sie mit einem Firmenstempel des angeblichen Abnehmers versehen ist. Zudem ist die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung aufgrund einer Überstempelung nicht leserlich, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Es fehlt daher an einem ordnungsmäßigen Belegnachweis.

Ein Berücksichtigung der Unterschriften auf den vorgelegten Passkopien der Abholer verstößt entgegen der Auffassung der Klägerin bereits deshalb nicht gegen das Bundesdatenschutzgesetz, da sie offensichtlich mit Einwilligung der Passinhaber angefertigt wurden (§ 4 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz). Zudem verkennt die Klägerin, dass sie zur Erlangung der Steuerbefreiung den Nachweis der Richtigkeit der gesetzlich geforderten Verbringensbestätigungen zu erbringen hat. Eine Nichtberücksichtigung der Passkopien hätte jedoch zur Folge, dass die vorgelegten Verbringensbestätigungen nicht auf ihre Richtigkeit überprüft werden könnten, so dass die Steuerbefreiung gleichfalls zu versagen wäre.

c) Lieferung an R, P- (Rechnung Nr. 1001966 vom 31. März 2006, MB SLK200K, 29.656 €, Fall F1 bzw. Nr. 12)

Es fehlt wiederum am Belegnachweis. Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn Z. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers Z., wohnhaft in  Tn., und eine Empfangsbestätigung (§ 17 A Abs. 2 Nr. 3 u. 4 UStDV) wurden jedoch nicht vorgelegt.

Ferner wurde die Bestätigung nicht bei der tatsächlichen Abholung des Fahrzeugs erteilt, sondern – wie aus dem Vermerk unten auf der Bestätigung ersichtlich – zugefaxt.

d) Lieferung an R., P- (Rechnung Nr. 1003046 vom 1. September 2006, MB A160CDI, 14.200 €, Fall H1 bzw. Nr. 14)

Der Abnehmer versicherte zwar, das Fahrzeug "aus der Bundesrepublik Deutschland in den EU-Mitgliedsstaaten" zu befördern und erteilte dem Herrn S. Abholvollmacht.

Die Unterschrift des angeblichen Abholers S., wohnhaft in der G-Str. in K. auf der Verbringensbestätigung weicht jedoch erkennbar von der Unterschrift in seiner vorgelegten Passkopie ab, so dass Zweifel daran bestehen, dass diese Verbringensbestätigung tatsächlich vom angeblichen Abholer unterschrieben wurde. Das Gericht kann daher keinen ordnungsgemäßen Belegnachweis erkennen.

e) Lieferung an C.SL, E- F. (Rechnung Nr. 1003218 vom 13. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 48.300 €, Fall I1 bzw. Nr. 15)

Der angebliche Abnehmer bestätigte zwar, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen und bevollmächtigte mit weiterem Schreiben Herrn H., (26)/Frankreich zur Abholung für den "Export nach Spanien".

Die vorgelegte Verbringensbestätigung wurde ausweislich des aufgebrachten Firmenstempels sowie der Unterschrift vom Abnehmer ausgefüllt. Eine Verbringensbestätigung des tatsächlichen Abholers wurde jedoch nicht vorgelegt, dieser bestätigte lediglich ohne Datumsangabe auf der vorgelegten Rechnung, das Fahrzeug erhalten zu haben. Der Belegnachweis ist daher nicht vollständig erbracht.

f) Lieferung an P LDA, P- (Rechnung Nr. 1003306 vom 26. Oktober 2006, MB CLS320CDI, 49.500 €, Fall J1 bzw. Nr. 16)

Der angebliche Abnehmer, vertreten durch einen Herrn AP bestätigte zwar ohne Datumsangabe, das Fahrzeug "in og. Bestimmungsland" zu bringen. Ein Herr F., Halle 23, erteilte Herrn K., K. Abholvollmacht.

Eine Verbringensbestätigung des angeblichen tatsächlichen Abholers K. wurde jedoch nicht vorgelegt.

g) Lieferung an C. , E-3 (Rechnung Nr. 1003368 vom 31. Oktober 2006, MB E220CDI, 21.400 €, Fall K1 bzw. Nr. 17)

Bei dieser Lieferung handelt es sich nach den vorgelegten Unterlagen um eine Versendungslieferung. In Feld 1 des vorgelegten CMR-Frachtbriefs ist die Klägerin als Auftraggeberin der Versendung ("Expediteur") eingetragen, während in Widerspruch hierzu gemäß vorgelegter Verbringensbestätigung die Abnehmerin den selbständigen Transportbeauftragten, die Fa. E. Autotransporte GmbH, Sg bevollmächtigt hat.

4. Die Klägerin hat auch nicht auf sonstige Weise nachgewiesen, dass die Voraussetzungen der Steuerfreiheit vorliegen und die streitgegenständlichen Fahrzeuge aufgrund ihrer Lieferungen in das Gemeinschaftsgebiet gelangt sind. Ein derartiger Nachweis, etwa durch eine Bestätigung, dass die Fahrzeuge in einem anderen Mitgliedsstaat zeitnah auf ihre Abnehmer straßenverkehrsrechtlich zugelassen wurden, wurde nicht vorgelegt.

Es ist jedoch Sache des Lieferanten der Gegenstände, den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung erfüllt sind. Dabei sind die Finanzbehörden des Mitgliedstaats, in dem der Versand oder die Beförderung von Gegenständen im Rahmen einer innergemeinschaftlichen Lieferung beginnt, nicht verpflichtet, die Behörden des vom Lieferanten angegebenen Bestimmungsmitgliedstaats um Auskunft zu ersuchen, ob die Gegenstände tatsächlich in den Bestimmungsmitgliedstaat verbracht worden sind (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-184/05 Twoh, Slg. 2007, I-07897).

5. Die Lieferung ist auch nicht gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG steuerfrei.

a) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, ist die Lieferung gemäß § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG gleichwohl steuerfrei, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte.

Für diese Vorschrift besteht zwar keine ausdrückliche Grundlage in der Richtlinie 77/388/EWG. Sie entspricht jedoch der Rechtsprechung des EuGH. Danach sind die zuständigen Behörden des Liefermitgliedstaats nicht befugt, einen gutgläubigen Lieferanten, der Beweise vorgelegt hat, die dem ersten Anschein nach sein Recht auf Befreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung von Gegenständen belegen, zu verpflichten, später Mehrwertsteuer auf diese Gegenstände zu entrichten, wenn die Beweise sich als falsch herausstellen, jedoch nicht erwiesen ist, dass der Lieferant an der Steuerhinterziehung beteiligt war, soweit er alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu seiner Beteiligung an einer solchen Steuerhinterziehung führt (EuGH-Urteil Teleos u.a. in Slg. 2007, I-7797, dritter Leitsatz).

Die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG setzt dabei voraus, dass der Unternehmer den Nachweispflichten nach § 6a Abs. 3 UStG i.V.m. §§ 17a ff. UStDV als Voraussetzung für die Steuerfreiheit nach § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG ihrer Art nach nachkommt (BFH-Urteil vom 15. Juli 2004 V R 1/04, BFH/NV 2005, 81, Leitsatz 2). Maßgeblich ist hierfür die formelle Vollständigkeit, nicht aber auch die inhaltliche Richtigkeit der Beleg- und Buchangaben, da § 6a Abs. 4 Satz 1 UStG das Vertrauen auf unrichtige Abnehmerangaben schützt (BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863).

c) Im Streitfall hat die Klägerin jedoch hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen F1, I1 und J1 den Belegnachweis nicht geführt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen C1 und K1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass das Feld 2 der CMR-Frachtbriefe falsche Angaben zum Auftraggeber enthielt (s.o.).

Hinsichtlich der Fahrzeuglieferungen D1 und H1 hat sie ihre Sorgfaltspflichten verletzt, da ihr hätte auffallen müssen, dass die Unterschrift auf der Verbringensbestätigung von der Unterschrift in der Passkopie abweicht (s.o.). Auffällige Unterschiede zwischen der Unterschrift auf dem vom Abholer vorgelegten Pass und der Verbringenserklärung können Umstände darstellen, die die Klägerin zu besonderer Sorgfalt hinsichtlich der Identität des angeblichen Vertragspartners und des Abholers hätten veranlassen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 2012 XI R 17/12, BFH/NV 2013, 863)

6. Die Umsätze zum Regelsteuersatz sind gegenüber dem angegriffenen Umsatzsteuerbescheid um den Nettobetrag der vom FA im vorliegenden Verfahren als steuerfrei anerkannten Fahrzeuglieferungen (101.357,76 €) herabzusetzen. Die Umsatzsteuer für 2006 ist somit auf den negativen Betrag von 198.507,58 € festzusetzen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und über den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

8. Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Revisionsgründe vorliegt.

Tatbestand

1

I. Mit Bescheid vom 23. Januar 2012 ordnete der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zur Sicherung eines Anspruchs des Freistaates Sachsen und der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von ... € den dinglichen Arrest gemäß § 324 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) in das Vermögen des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) an. Mit Bescheid vom 12. März 2012 beschränkte das FA die Arrestanordnung auf ... € mit der Begründung, die Anordnung habe nur noch in dieser Höhe als Rechtsgrund Bedeutung für die beim Antragsteller erlangten Sicherungsrechte. In den Bescheiden wird darauf hingewiesen, dass durch Hinterlegung eines Geldbetrages in Höhe der Arrestanordnung die Vollziehung des Arrests gehemmt und die Aufhebung bereits durchgeführter Vollziehungsmaßnahmen erreicht werden könne.

2

Zur Begründung führte das FA aus, der Antragsteller solle in Haftung genommen werden für verkürzte Umsatzsteuer zu Gunsten einer OHG, an der er zu 49,44 % beteiligt sei. Die Steuerschuld ergebe sich aus Vorsteuerabzügen, die die OHG zu Unrecht geltend gemacht habe. Es handele sich insoweit um Umsatzsteuern, die von Scheinfirmen (missing trader) im Rahmen von Umsatzsteuerkarussellen in Rechnung gestellt worden seien. Da insofern Rechnungsaussteller und liefernder Unternehmer nicht identisch seien, sei nicht feststellbar, wer die Ware, die hauptsächlich bar und oft zunächst nur zum Teil bezahlt worden sei, geliefert und die Zahlung tatsächlich vereinnahmt habe. Die die Rechnungen ausstellenden Firmen seien ihren steuerlichen Verpflichtungen regelmäßig nicht nachgekommen. Die betreffenden Waren --hauptsächlich Flachbildschirme-- habe die OHG als vermeintliche innergemeinschaftliche Lieferungen in das übrige Gemeinschaftsgebiet veräußert. Der Antragsteller hafte einerseits als vertretungsberechtigter Gesellschafter nach § 69 AO, andererseits bestehe aufgrund vorliegender tatsächlicher Anhaltspunkte der Verdacht der Steuerhinterziehung, so dass als Haftungsnorm auch § 71 AO einschlägig sei. Nach Aktenlage sei davon auszugehen, dass bei steuerlichem Wohlverhalten des Antragstellers der Eintritt des Steuerschadens in vollem Umfang vermieden worden wäre.

3

Da zu besorgen sei, dass ohne Anordnung des dinglichen Arrests die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert werde, sei auch ein Arrestgrund gegeben. Gegen den Antragsteller bestehe der Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung. Nach den belastbaren Tatsachen seien zu Gunsten der OHG zielgerichtet Steuerstraftaten --und zwar im Rahmen eines Umsatzsteuerkarussells-- begangen worden. Der Antragsteller sei wegen seiner Teilnahme an einem Umsatzsteuerbetrugsmodell als besonders steuerunehrlich anzusehen. Aufgrund einer nachhaltigen Begehungsweise und der Höhe des bisher festgestellten Steuerschadens sei zudem eine erhebliche kriminelle Energie gegeben. Nach allgemeiner Lebenserfahrung sei von demjenigen, der sich oder einem Dritten durch eine Straftat einen Vermögensvorteil verschafft hat, zu erwarten, dass er nachhaltige Unternehmungen anstellt, um die Tatvorteile dauerhaft zu sichern. Bereits durch die nachhaltige Verbuchung der Scheinrechnungen sei bereits eine fortwährende Schmälerung des Betriebsvermögens gegeben, die die Annahme eines Arrestgrundes rechtfertige. Die bisherigen Ermittlungen, die auf das Vorliegen eines Umsatzsteuerbetrugsmodells schließen ließen, führten zu der Besorgnis, dass der Antragsteller bestrebt und in der Lage sei, die Geldansprüche des Staates gegen ihn und das von ihm vertretene Unternehmen durch Verschiebung oder Beiseiteschaffung etwaigen Vermögens zu verhindern.

4

Der Antragsteller erhob unter dem 9. Februar 2012 Sprungklage und beantragte wegen der bereits andauernden Vollstreckung gleichzeitig beim Finanzgericht (FG) die Aufhebung der Vollziehung der Arrestanordnung. Er machte geltend, die Hinterlegung des streitigen Arrestbetrages sei nicht möglich, weil ihm nach dem Arrestvollzug kein weiteres freies Vermögen zur Verfügung stehe. Sein Antrag gehe auf Aufhebung der Vollziehungsmaßnahmen ohne Sicherheitsleistung und sei mit diesem Rechtsschutzbedürfnis zulässig. Ferner sei der Antrag auch begründet, weil weder ein Arrestanspruch noch ein Arrestgrund gegeben seien.

5

Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom 26. Juni 2012  6 V 178/12 mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig ab. Da die Aufhebung der Vollziehung grundsätzlich nur gegen Sicherheitsleistung ausgesprochen werden könne, könne der Antragsteller nur das erreichen, was er im Wege der Hinterlegung des in der Arrestanordnung bezeichneten Betrags auch ohne Mitwirkung des Gerichts erreichen könne. Es verwies hierzu im Wesentlichen auf den Beschluss des FG Hamburg vom 20. August 2007  2 V 167/07 (juris).

6

Der --gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO)-- zugelassenen Beschwerde des Antragstellers half das FG mit Beschluss vom 4. September 2012 nicht ab und legte die Beschwerde dem Bundesfinanzhof (BFH) vor. Nach Sinn und Zweck einer dinglichen Arrestanordnung sei eine Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung nicht möglich. Der vorläufige Charakter der Arrestanordnung stehe der Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung grundsätzlich im Wege.

7

Der Antragsteller macht mit seiner Beschwerde geltend, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine gerichtliche Entscheidung könne nur dann entfallen, wenn die Aufhebung der Vollziehung im Falle der Anordnung eines dinglichen Arrests stets nur gegen Sicherheitsleistung ausgesprochen werden könne und der Antragsteller zudem objektiv in der Lage sei, die zur Aufhebung der Vollziehung erforderliche Sicherheitsleistung der Höhe nach aufzubringen.

8

Es sei unstreitig, dass im Zuge der dinglichen Arrestanordnung sein gesamtes Vermögen gepfändet worden sei. Im Ergebnis dessen habe er weder die finanziellen Mittel, die geforderte Sicherheitsleistung aufzubringen, noch habe er eine entsprechende Kreditwürdigkeit (mehr). Die Auffassung des FG, eine Aufhebung der Vollziehung könne "grundsätzlich nur gegen Sicherheitsleistung ausgesprochen werden" verstoße insbesondere gegen das verfassungsrechtliche Gebot effektiven vorläufigen Rechtsschutzes.

9

Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des FG vom 26. Juni 2012 aufzuheben und die beantragte Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung zu gewähren.

10

Das FA beantragt,
die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

11

Es tritt dem Vorbringen des Antragstellers entgegen und verweist u.a. darauf, dass am 16. Juli 2012 "entsprechende Bescheide" betreffend die OHG erlassen worden seien. Weiter teilt es mit, dass die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den Antragsteller andauerten.

Entscheidungsgründe

12

II. Die Beschwerde ist begründet. Das FG hat den Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung zu Unrecht als unzulässig abgelehnt. An der Rechtmäßigkeit der Arrestanordnung bestehen ernstliche Zweifel, die zur Aufhebung der Vollziehung der Arrestanordnung vom 23. Januar 2012 in Gestalt des Bescheides vom 12. März 2012 --ohne Sicherheitsleistung-- führen.

13

1. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung richtet sich gegen den Bescheid vom 23. Januar 2012 in Gestalt des Bescheides vom 12. März 2012.

14

2. Der Antrag ist zulässig.

15

a) Er erfüllt die Zugangsvoraussetzungen gemäß § 69 Abs. 4 FGO; insbesondere war dem Antragsteller angesichts des bereits laufenden Arrestvollzugs nicht zuzumuten, zunächst beim FA einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen und dessen Ablehnung abzuwarten (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1985 VII B 69/85, BFHE 145, 17, BStBl II 1986, 236; vom 26. Mai 2004 V S 5/04, BFH/NV 2004, 1414).

16

b) Nach § 128 Abs. 3 i.V.m. § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO kann der BFH als Beschwerdegericht auf Antrag ganz oder teilweise die Aufhebung der Vollziehung eines schon vollzogenen Verwaltungsakts, auch gegen Sicherheit, anordnen. Die Anordnung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).

17

Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken, wobei die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe nicht überwiegen müssen, so dass eine Aufhebung der Vollziehung auch dann zu gewähren ist, wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides später im Hauptsacheverfahren bestätigt werden sollte (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 2002 V B 110/01, BFHE 199, 55, BFH/NV 2002, 1267; vom 6. August 2007 VII B 108-109/06, BFH/NV 2007, 2358; vom 8. September 2009 II B 63/09, BFH/NV 2010, 68).

18

c) Die Anordnung einer Sicherheitsleistung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient der Vermeidung von Steuerausfällen. Solche Ausfälle können im Rahmen der Aufhebung der Vollziehung vor allem dadurch entstehen, dass der Steuerpflichtige im Hauptsacheverfahren letztlich unterliegt und zu diesem Zeitpunkt die Durchsetzung der Steuerforderung gefährdet oder erschwert ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 29. November 2004 V B 78/04, BFHE 208, 93, BStBl II 2005, 535; in BFH/NV 2007, 2358). Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Steuerausfällen entfällt, wenn mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 8. August 2011 XI B 39/11, BFH/NV 2011, 2106, Rz 16, m.w.N.). Schließlich darf die Anforderung einer Sicherheitsleistung nicht erfolgen, wenn sie mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine unbillige Härte für ihn bedeuten würde, etwa weil der Steuerpflichtige im Rahmen zumutbarer Anstrengungen nicht in der Lage ist, Sicherheit zu leisten (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 26. Mai 1988 V B 26/86, BFH/NV 1989, 403; vom 28. Juni 1994 V B 18/94, BFH/NV 1995, 515). Lassen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen eine Sicherheitsleistung nicht zu, darf deshalb der Rechtsvorteil der Aussetzung bzw. der Aufhebung der Vollziehung bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids --auch bei fortlaufend veranlagten und festgesetzten Steuern wie Lohn- und Umsatzsteuer-- grundsätzlich nicht versagt werden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 22. September 2009  1 BvR 1305/09, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2010, 70, unter IV.1.b).

19

d) § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO gilt auch im Falle der Anordnung des dinglichen Arrests.

20

aa) Gegen die Anordnung des dinglichen Arrests i.S. des § 324 Abs. 1 AO ist der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO statthaft (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 20. März 1969 V B 5/69, BFHE 95, 317, BStBl II 1969, 399; vom 13. September 2001 IV B 87/01, BFH/NV 2002, 352, unter II.1.b; Beschluss des FG Hamburg vom 20. August 2007  2 V 167/07, juris). Dafür, dass eine solche Aussetzung grundsätzlich nicht ohne Sicherheitsleistung angeordnet werden könnte, wovon das FG ausgeht, ist der Regelung in § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO nichts zu entnehmen (offengelassen im BFH-Beschluss vom 18. August 1987 VII B 97/87, BFH/NV 1988, 374). Das Verfahren nach § 69 FGO wird auch nicht durch § 45 Abs. 4 FGO verdrängt, wonach gegen die Anordnung des dinglichen Arrests die Klage ohne Vorverfahren zulässig ist.

21

bb) Gemäß § 324 Abs. 1 AO kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Der Arrest ist ein Mittel zur Sicherung künftiger Geldvollstreckung (Klein/Brockmeyer, AO, 11. Aufl., § 324 Rz 2). Er soll verhindern, dass der Steuerpflichtige einen bestehenden Zustand verändert, um die zukünftige Zwangsvollstreckung zu gefährden. Wegen des Zeitbedarfs des Hauptverfahrens wird dem Steuergläubiger zwar gesetzlich zugestanden, das Interesse an der Sicherung seiner Ansprüche bereits vor Ergehen entsprechender Steuerbescheide zu befriedigen (Urteil des FG Düsseldorf vom 3. Mai 2000  5 K 5963/92 U, juris). Wenn es das Sicherungsinteresse des Steuergläubigers nach dem Willen des Gesetzgebers aber zulässt, dass die Vollziehung eines Steuerbescheides ggf. auch ohne Sicherungsleistung ausgesetzt bzw. aufgehoben wird, so muss dies erst recht gelten, wenn der Steueranspruch noch nicht in Steuerbescheiden --hier nach Aktenlage jedenfalls noch nicht in einem Haftungsbescheid gegen den Antragsteller-- festgesetzt worden ist und es somit nur um die Sicherung einer künftigen Forderung geht. Dafür spricht auch der vom FA herausgestellte Umstand, dass das vorläufige Sicherungsverfahren nach dem Eintritt der Vollstreckbarkeit ohne weiteres in das Beitreibungsverfahren übergeleitet wird (seit BFH-Beschluss vom 28. August 1968 I B 18/68, BFHE 93, 405, BStBl II 1968, 832; BFH-Urteil vom 27. Juni 2006 VII R 34/05, BFH/NV 2006, 2024).

22

Selbst wenn nach Auffassung des FG im Streitfall eine Aufhebung der Vollziehung nicht ohne Sicherheitsleistung ausgesprochen werden konnte, wäre zu prüfen gewesen, ob --unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit (BFH-Beschluss vom 4. April 1996 V S 1/96, V B 6/96, BFH/NV 1996, 795)-- ggf. eine nur teilweise Sicherheitsleistung in Betracht kommen könnte (vgl. Beschlüsse des Hessischen FG vom 29. April 2005  3 V 517/04, Haufe-Index 1406716, unter II.4.; des FG München vom 17. Dezember 2007  6 V 4166/06, Haufe-Index 1965867; vom 20. August 2009  14 V 521/09, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 1866, unter II.6.). Soweit der BFH in seinem Beschluss in BFH/NV 1988, 374 ausgeführt hat, das FG habe zu Recht die Höhe der Sicherheitsleistung nach Maßgabe des Werts der Sicherung festgesetzt, die das FA durch die Arrestvollziehung erlangt habe, handelt es sich um die Würdigung des Einzelfalls, nicht aber um eine Aussage dahingehend, eine Sicherheitsleistung sei gemäß § 69 FGO stets in Höhe des Werts der zu sichernden Forderung festzusetzen.

23

cc) Der Senat teilt nicht die von Finanzgerichten vertretene Auffassung (vgl. auch Beschlüsse des Hessischen FG vom 4. Oktober 1973 B VI 15/73, EFG 1974, 25;des FG München vom 4. Oktober 1979 III 153/79 Aus Arr, EFG 1980, 110;des FG Hamburg vom 2. August 1999 IV 87/99, juris; vom 2. August 2007  2 V 167/07, juris), dass eine Aufhebung der Vollziehung --wie auch eine Aussetzung der Vollziehung vor Ablauf der Vollziehungsfrist gemäß § 324 Abs. 3 Satz 1 AO-- grundsätzlich nur gegen Leistung einer Sicherheit in Betracht komme, weil andernfalls selbst im Falle der Bestätigung der Arrestanordnung im Hauptsacheverfahren eine erneute Vollziehung nicht mehr möglich wäre und damit der Sicherungszweck des Arrests endgültig beseitigt würde (vgl. auch Tormöhlen in Beermann/Gosch, AO § 324 Rz 66; Hohrmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 324 AO Rz 91; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 324 AO Rz 48 dazu, dass eine Aussetzung "in der Regel" nur gegen Sicherheitsleistung in Betracht komme, wobei Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 324 AO Rz 48 darauf hinweist, dass die Gefahr des Steuerausfalls vermindert sei, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit ein für den Steuerpflichtigen günstiger Prozessausgang zu erwarten sei).

24

Diese Auffassung des FG entspricht weder der gesetzlichen Regelung des § 69 Abs. 3 FGO noch den Anforderungen an die nach Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes verfassungsrechtlich gebotene Gewährleistung effektiven (vorläufigen) Rechtsschutzes. Sind dem Richter im Interesse einer angemessenen Verfahrensgestaltung Ermessensbefugnisse eingeräumt, so müssen diese im konkreten Fall im Blick auf die Grundrechte ausgelegt und angewendet werden. Sie dürfen nicht zu einer Verkürzung des grundrechtlich gesicherten Anspruchs auf einen effektiven Rechtsschutz führen (vgl. BVerfG-Beschluss in HFR 2010, 70). Dabei ist zu berücksichtigen, dass, anders als im zivilprozessualen Arrestverfahren, der dingliche Arrest nach der Abgabenordnung von der Steuerverwaltung und nicht durch ein Gericht angeordnet wird. Die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung unter der Bedingung einer Sicherheitsleistung stellt eine teilweise Ablehnung i.S. von § 69 Abs. 4 Satz 1 FGO dar (vgl. BFH-Beschluss vom 20. März 2002 IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809), gegen die vorläufiger Rechtsschutz zu gewähren ist. Dies gilt auch, soweit sich der Antragsteller gegen eine Arrestanordnung gemäß § 324 AO wendet. Dem FA verbleiben die Möglichkeiten einer beschleunigten (ggf. unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden) Steuerfestsetzung --im Streitfall der Erlass eines Haftungsbescheides gegen den Antragsteller-- sowie einer raschen Vollstreckung (vgl. Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt vom 15. März 2006 S 0545-A-2-St II 4.04).

25

e) Die Arrestanordnung hat sich durch den --nach Vortrag des FA erfolgten-- Erlass von Steuerbescheiden gegen die OHG nicht erledigt, indem das Sicherungsverfahren in das Beitreibungsverfahren übergegangen wäre (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2006, 2024). Denn diese Steuerbescheide betreffen nicht den Antragsteller, sondern mit der OHG ein von diesem zu unterscheidendes Steuersubjekt.

26

3. Der Antrag auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung ist auch begründet.

27

a) Im Beschwerdeverfahren beschränkt sich die Aufgabe des BFH nicht darauf, die Entscheidung der Vorinstanz auf ihre Richtigkeit zu kontrollieren. Vielmehr hat der Senat das Begehren des Antragstellers im Rahmen seiner Anträge erneut in jeder Hinsicht zu prüfen und dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung zugrunde zu legen. Danach muss über den Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung sachlich erneut entschieden werden (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1988, 374; vom 15. Mai 2009 IV B 24/09, BFH/NV 2009, 1402, unter II.1.).

28

b) Ordnet die Finanzbehörde zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen gemäß § 324 Abs. 1 AO den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen an, so müssen Arrestanspruch (die zu sichernde Geldforderung) und Arrestgrund zwar nicht zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 352), aber doch mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit vorliegen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. April 1986 VII R 187/83, BFH/NV 1986, 508; vom 26. Februar 2001 VII B 265/00,BFHE 194, 40, BStBl II 2001, 464).

29

aa) Der Senat kann im Streitfall dahingestellt sein lassen, ob sich aus dem Vorbringen des FA mit einem hinreichenden Maß an Wahrscheinlichkeit das Vorliegen eines Arrestanspruchs gegen den Antragsteller ergibt, insbesondere auch bezüglich dessen Haftung nach § 69 oder § 71 AO und seine ermessensfehlerfreie Inanspruchnahme (vgl. dazu bspw. BFH-Beschluss in BFH/NV 1986, 508). Denn bei der gebotenen summarischen Prüfung ist das Vorliegen eines Arrestgrundes ernstlich zweifelhaft.

30

bb) Ein Arrestgrund besteht nach ständiger Rechtsprechung, wenn bei objektiver Würdigung unter ruhiger und vernünftiger Abwägung aller Umstände die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass ohne sofortige Sicherung durch Arrestanordnung die Vollstreckung des Anspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert wird; dabei kann es auf die Möglichkeit eines schnellen und unmittelbaren und damit auch eines sicheren Zugriffs ankommen (BFH-Beschluss vom 25. April 1995 VII B 174/94, BFH/NV 1995, 1037). In Anwendung dieses Grundsatzes hat der BFH bspw. erkannt, dass eine wesentliche Erschwerung der Vollstreckung bereits dann zu besorgen ist, wenn der Steuerpflichtige ein wertvolles Grundstück veräußert, weil Bargeld oder Geldforderungen der Vollstreckung leichter entzogen werden können als unbewegliches Vermögen, oder wenn auch nur die nach außen zutage getretene Absicht besteht, den wertvollsten Gegenstand des Vermögens, ein Grundstück, zu veräußern (vgl. BFH-Urteil vom 10. März 1983 V R 143/76, BFHE 138, 16, BStBl II 1983, 401). Ebenso wie Vermögensumschichtungen im Inland können auch Vermögensverlagerungen ins Ausland einen Arrestgrund abgeben (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1995, 1037).

31

Demgegenüber vermag die allgemein schlechte Vermögenslage des Arrestschuldners ebenso wie die bloße Möglichkeit, dass der Arrestschuldner sein Vermögen beiseite schaffen könnte, für sich genommen keinen Arrest zu rechtfertigen. Ebenso genügt der dringende Verdacht einer Steuerhinterziehung oder sonstige steuerliche Unzuverlässigkeit für sich allein nicht zur Begründung einer Arrestanordnung (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 3. Oktober 1985 III ZR 28/84, HFR 1987, 96; BFH-Beschluss in BFHE 194, 40, BStBl II 2001, 464, unter II.b).

32

cc) Unter Beachtung dieser Grundsätze genügen die in der Arrestanordnung angegebenen Tatsachen bei summarischer Prüfung nicht, den Arrestgrund zu belegen, noch sind solche Tatsachen sonst ersichtlich.

33

Das FA hat keine konkreten Tatsachen angeführt, wie etwa Maßnahmen des Antragstellers, ein Grundstück zu veräußern oder Bank- und Sparkonten leerzuräumen, aus denen sich ergeben würde, dass ohne Anordnung des dinglichen Arrests zu besorgen sei, dass die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert werde (vgl. auch Wolf in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 324 Rz 13 f.).

34

Soweit das FA den Arrestgrund daraus ableitet, dass gegen den Antragsteller der Anfangsverdacht der Steuerhinterziehung bestehe, besagt dies nach der dargelegten Rechtsprechung allein noch nicht, dass die Beitreibung ohne Anordnung des dinglichen Arrests vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Im Übrigen mag zwar aus den in der Begründung der Arrestanordnung angegebenen "belastbaren Tatsachen", deren Richtigkeit unterstellt, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit folgen, dass zu Gunsten der OHG zielgerichtet Steuerstraftaten in Gestalt eines Umsatzsteuerkarussells begangen worden sind. Es werden aber keine erheblichen Anhaltspunkte dafür benannt, dass der Antragsteller dies auch wusste und billigte. Soweit das FA im Verfahren vor dem FG mit Schriftsatz vom 20. Februar 2012 auf die Ergebnisse einer Telefonüberwachung Bezug genommen hat, sind diese im finanzgerichtlichen Verfahren nicht verwertbar (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Februar 2004 VII B 260/03, BFH/NV 2004, 807).

35

Entsprechendes gilt für die Behauptung, der Antragsteller sei wegen seiner Teilnahme an einem Umsatzsteuerbetrugsmodell als besonders steuerunehrlich anzusehen, sowie für die Erwägung, es sei im Allgemeinen zu erwarten, dass derjenige, der sich oder einem Dritten durch eine Straftat einen Vermögensvorteil verschafft hat, nachhaltige Unternehmungen anstelle, um die Tatvorteile dauerhaft zu sichern. Derartige allgemeine Ausführungen können nach den oben angeführten Grundsätzen für sich allein eine Arrestanordnung nicht begründen.

36

c) Die Aufhebung der Vollziehung ist ohne Sicherheitsleistung anzuordnen.

37

Die Entscheidung über die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergeht bei der gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen darzulegen und glaubhaft zu machen, soweit ihre Mitwirkungspflicht reicht. Für die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergibt sich hieraus, dass die Finanzbehörde die für eine Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vortragen muss und der Steuerpflichtige ggf. Umstände, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 809; vom 7. Mai 2008 IX S 26/07, BFH/NV 2008, 1498).

38

Danach war die Anordnung der Sicherheitsleistung aufzuheben. Nach Auffassung des Senats bestehen, wie dargelegt, bereits ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Das FA hat zudem eine Gefährdung des Steueranspruchs nicht schlüssig dargelegt. Die Vermutung, der Antragsteller sei bestrebt und in der Lage, die Geldansprüche des Staates durch Verschiebung oder Beiseiteschaffung etwaigen Vermögens zu verhindern, stellt sich bislang als bloße Behauptung des FA dar.

(1) Zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen nach den §§ 249 bis 323 kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Sie kann den Arrest auch dann anordnen, wenn die Forderung noch nicht zahlenmäßig feststeht oder wenn sie bedingt oder betagt ist. In der Arrestanordnung ist ein Geldbetrag zu bestimmen, bei dessen Hinterlegung die Vollziehung des Arrestes gehemmt und der vollzogene Arrest aufzuheben ist.

(2) Die Arrestanordnung ist zuzustellen. Sie muss begründet und von dem anordnenden Bediensteten unterschrieben sein. Die elektronische Form ist ausgeschlossen.

(3) Die Vollziehung der Arrestanordnung ist unzulässig, wenn seit dem Tag, an dem die Anordnung unterzeichnet worden ist, ein Monat verstrichen ist. Die Vollziehung ist auch schon vor der Zustellung an den Arrestschuldner zulässig, sie ist jedoch ohne Wirkung, wenn die Zustellung nicht innerhalb einer Woche nach der Vollziehung und innerhalb eines Monats seit der Unterzeichnung erfolgt. Bei Zustellung im Ausland und öffentlicher Zustellung gilt § 169 Abs. 1 Satz 3 entsprechend. Auf die Vollziehung des Arrestes finden die §§ 930 bis 932 der Zivilprozessordnung sowie § 99 Abs. 2 und § 106 Abs. 1, 3 und 5 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen entsprechende Anwendung; an die Stelle des Arrestgerichts und des Vollstreckungsgerichts tritt die Vollstreckungsbehörde, an die Stelle des Gerichtsvollziehers der Vollziehungsbeamte. Soweit auf die Vorschriften über die Pfändung verwiesen wird, sind die entsprechenden Vorschriften dieses Gesetzes anzuwenden.

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Der Vorsitzende kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid (§ 90a) entscheiden. Dagegen ist nur der Antrag auf mündliche Verhandlung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheides gegeben.

(3) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle des Senats entscheiden.

(4) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Der unterliegende Beteiligte trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, soweit er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Besteht der kostenpflichtige Teil aus mehreren Personen, so haften diese nach Kopfteilen. Bei erheblicher Verschiedenheit ihrer Beteiligung kann nach Ermessen des Gerichts die Beteiligung zum Maßstab genommen werden.