Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 28. Juni 2017 - 4 B 22/17

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2017:280617B4B22.17.0
bei uns veröffentlicht am28.06.2017

Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Fragen, ob

- der erstmalige Einbau eines Personenaufzugs in ein Baudenkmal mit Erdgeschoss und mehreren (vorliegend sechs) Obergeschossen und

- der erstmalige Ausbau eines Dachgeschosses zu Wohnraum in einem Baudenkmal

zu dessen sinnvoller Nutzung im Sinne des § 7i Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG erforderlich sind, rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Soweit sich die Fragen losgelöst von den Umständen des Einzelfalls beantworten lassen, sind sie entweder bereits geklärt oder lassen sich ohne Weiteres im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde klären.

3

Nach § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige in gewissem, hier nicht interessierenden Umfang die Herstellungskosten für Baumaßnahmen absetzen, die u.a. nach Art und Umfang zur sinnvollen Nutzung eines im Inland gelegenen Baudenkmals erforderlich sind.

4

Der Tatbestand der sinnvollen Nutzung eines Baudenkmals ist in § 7i Abs. 1 Satz 2 EStG definiert. Danach ist eine sinnvolle Nutzung (nur) anzunehmen, wenn das denkmalgeschützte Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung seiner schützenswerten Substanz auf die Dauer gewährleistet ist. Das Tatbestandsmerkmal der Dauer verlangt eine Gebäudenutzung, die eine dauerhafte Substanzerhaltung gewährleistet (Pfirrmann, in: Kirchhof, EStG, 16. Aufl. 2017, § 7i Rn. 2). Wie der Verwaltungsgerichtshof zutreffend erkannt hat, markiert § 7i Abs. 1 Satz 2 EStG damit keinen Zeithorizont, der jenseits eines überschaubaren und einer seriösen Prognose zugänglichen Zeitraums liegt (vgl. für die Anforderungen an die Dauerhaftigkeit eines landwirtschaftlichen Betriebs nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2004 - 4 C 7.04 - BVerwGE 122, 308 <311>). Im Interesse des verantwortungsbewussten Umgangs mit öffentlichen Mitteln sollen vielmehr solche Investitionen von der Steuervergünstigung ausgeschlossen sein, die nicht nachhaltig, sondern allenfalls kurzzeitig den Substanzerhalt eines Baudenkmals sichern.

5

Erforderlich im Sinne des § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG sind die Aufwendungen für die Erhaltung eines Baudenkmals, wenn sie, gemessen an dessen Zustand vor Beginn der Baumaßnahmen, geboten sind, um den unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten erstrebenswerten Zustand herbeiführen zu können (BFH, Beschluss vom 8. September 2004 - X B 51/04 - BFH/NV 2005, 53 = juris Rn. 5). Der Wortlaut der Vorschrift schließt es aus, Baumaßnahmen bereits deshalb für erforderlich zu halten, weil sie zu einer besseren wirtschaftlichen Nutzung des Gebäudes führen (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 2014 - 4 B 18.14 - BRS 82 Nr. 214 Rn. 5).

6

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass Aufwendungen für den nachträglichen Anbau eines Aufzugs an ein als Mietshaus genutztes Wohnhaus erforderlich und damit steuerbegünstigt sind, wenn andernfalls die bisherige Vermietbarkeit der Wohnungen längerfristig nicht gesichert ist. Dieser Standpunkt ist richtig und wird auch von der Klägerin nicht in Frage gestellt. Der Verwaltungsgerichtshof hat deshalb geprüft, ob die Nachrüstung des als Baudenkmal geschützten Gebäudes rechtlich gefordert ist oder wegen neuzeitlicher Nutzungserfordernisse vom Markt verlangt wird.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat verneint, dass sich aus Art. 6 Abs. 4 BayDSchG die Verpflichtung zum Einbau eines Aufzugs ergibt. Mit der Auslegung der Vorschrift ist die Klägerin nicht einverstanden. Der Senat ist aber nach § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO an die Auslegung gebunden, weil es sich bei dem Denkmalschutzgesetz um Landesrecht handelt.

8

Ob das Baudenkmal der Klägerin auch ohne einen Aufzug faktisch weiterhin als Wohngebäude nutzbar ist oder Leerstand droht, weil sich die Vermietbarkeit der Wohnungen in den oberen Stockwerken nur mit einem Aufzug längerfristig sichern lässt, ist eine Tat- und keine Rechtsfrage. Der Verwaltungsgerichtshof hat sie bejaht. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass die Wohnungen in den oberen Geschossen ohne einen Aufzug in absehbarer Zeit nicht mehr vermietbar wären. Die voraussichtliche demografische Entwicklung in der Landeshauptstadt München in den nächsten 20 Jahren gehe mit einer weiteren Steigerung des Bedarfs an Wohnraum einher. Wegen der zentral guten bis besten Lage des denkmalgerecht sanierten Gebäudes der Klägerin, bei dem es sich nicht um einen einfachen Altbau handele, sei nicht zu erkennen, dass die Klägerin jetzt oder in absehbarer Zukunft Einbußen bei der Vermietbarkeit der Wohnungen hinnehmen müsste, falls im Gebäude keine Aufzugsanlage zur Verfügung stünde. Irgendwelche zu befürchtenden konkreten Mietverluste bzw. Mietminderungen ohne den Einbau einer Aufzugsanlage im Gebäude würden auch von der Klägerin in keiner Weise dargelegt.

9

Der Senat ist nach § 137 Abs. 2 VwGO an diese Feststellungen gebunden, weil die Klägerin sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen hat. Mit neuem Tatsachenvortrag kann sie im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gehört werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. August 2016 - 4 B 34.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016:290816B4B34.16.0] - juris Rn. 6). Das in der Beschwerdebegründung präsentierte Zahlenwerk, das einen jährlichen Mietverlust in Höhe von 14 774,76 € ausweist, wenn das Denkmal der Klägerin ohne Aufzugsanlage und ohne Wohnungen im Dachgeschoss des Vorderhauses bliebe, ist daher nicht zu berücksichtigen.

10

Trotz der fehlenden Verfahrensrügen entfiele die Bindung des Senats nach § 137 Abs. 2 VwGO, wenn die Tatsachenwürdigung der Vorinstanz gegen revisible Rechtssätze verstieße (BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 1988 - 1 C 44.86 - BVerwGE 81, 74 <76>). Ein solcher Verstoß liegt jedoch nicht vor. Der Verwaltungsgerichtshof ist - wie bereits dargelegt - bei der Prüfung, ob die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Baudenkmals der Klägerin auf die Dauer gewährleistet ist, zutreffend von einem Rechtssatz des Inhalts ausgegangen, dass der Prognose ein überschaubarer Zeitraum zugrunde zu legen ist. Bei der Subsumtion hat er auf die vom Bayerischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung erarbeitete Statistik abgestellt, in der die Bevölkerungsentwicklung in der Landeshauptstadt München bis zum 31. Dezember 2034 vorausberechnet worden ist. Unvertretbar kurz ist der betrachtete Zeitraum nicht. Der von der Klägerin ins Feld geführten Statistik des Bundesinstituts für Bevölkerungsentwicklung, aus der sich ablesen lassen soll, dass im Jahr 2060 Wohnungen in Obergeschossen von Gebäuden ohne Aufzug wegen der Alterung der Bevölkerung nur noch von 72 % der Bevölkerung benutzbar sein würden, musste der Verwaltungsgerichtshof nicht den Vorzug geben. Die Statistik trifft keine Aussagen speziell für die Landeshauptstadt München, sondern prognostiziert die Entwicklung der Bevölkerungszahl in Deutschland.

11

b) Der Prüfung der Steuerbegünstigung des nachträglichen Ausbaus des Dachgeschosses zu Wohnzwecken hat der Verwaltungsgerichtshof den rechtlichen Ansatz zugrunde gelegt, dass auf die Nutzung des Baudenkmals insgesamt und nicht nur auf die Nutzung des ehemaligen Trockenspeichers abzustellen sei. Zur sinnvollen Nutzung des Baudenkmals der Klägerin sei der Dachgeschossausbau nicht erforderlich, weil das Baudenkmal bislang als Wohnhaus genutzt werde und auch weiterhin so genutzt werden könne, dass die Erhaltung seiner schützenswerten Substanz auf Dauer gewährleistet sei.

12

Der rechtliche Ausgangspunkt der Vorinstanz ist nicht zu beanstanden. Der Wortlaut des § 7i Abs. 1 EStG ist eindeutig. Steuerbegünstigt sind nach § 7i Abs. 1 Satz 1 EStG nur Herstellungskosten, die u.a. zur sinnvollen Nutzung des Gebäudes erforderlich sind, und eine sinnvolle Nutzung ist nach § 7i Abs. 1 Satz 2 EStG nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes gewährleistet ist. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es also nicht darauf an, ob es sinnvoll ist, den Trockenraum im Dachgeschoss nunmehr als Wohnung zu nutzen. Dass die historische Funktion der Dachgeschosse als Abstellräume und Trockenböden weitgehend verloren gegangen ist und Wohnungen in Dachgeschossen nachgefragt werden, rechtfertigt es nicht, die Aufwendungen für den Umbau der Steuervergünstigung zuzuführen. Der Rechtsauffassung des Staatsministeriums des Innern des Freistaats Sachsen in der Verwaltungsempfehlung vom 2. Februar 2011 folgt der Senat nicht.

13

Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich nicht, dass die Kosten des nachträglichen Ausbaus eines Dachgeschosses zu Wohnraum steuerbegünstigt sind. Der Zweck des § 7i EStG, die Erhaltung und Modernisierung kulturhistorisch wertvoller Gebäude zu fördern, weil die ordnungsgemäße Erhaltung von Baudenkmalen, die regelmäßig besonders aufwendig ist, bestehenden Wohnraum sichert, zur Entspannung der Wohnungssituation beiträgt und ein Anreiz ist, privates Kapital für die Gebäudesanierungen und Bestandserhaltungen zu mobilisieren (vgl. BT-Drs. 11/5680 S. 9), ist pauschal formuliert und gibt für die Frage der Steuerbegünstigung konkreter Maßnahmen nichts her. Ein Steuertatbestand, der die Schaffung zusätzlichen Wohnraums in Ballungsgebieten mit hohem Nachfragedruck fördert, ist § 7i EStG nicht.

14

Aus der behaupteten früheren Praxis des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege, die Kosten für den erstmaligen Ausbau von Dachgeschossflächen zu Wohnraum als steuerbegünstigt zu bescheinigen, kann die Klägerin nichts für sich herleiten. Eine Selbstbindung der Verwaltung kommt nur in Betracht, wenn es um die Ausübung von Ermessen geht (vgl. BFH, Beschluss vom 28. November 2016 - GrS 1/15 - [ECLI:DE:BFH:2016:B.281116.GrS1.15.0] - BFHE 255, 482 Rn. 41 f.). Die Bescheinigung nach § 7i Abs. 2 Satz 1 EStG steht jedoch nicht im Ermessen der zuständigen Behörde.

15

Die Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs, dass die Erhaltung der Substanz des Baudenkmals der Klägerin auch ohne Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnzwecken nicht gefährdet ist, ist für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindend. Der mit Zahlen unterlegte Vortrag der Klägerin in der Beschwerdebegründung, mit dem sie Mieteinbußen und eine daraus resultierende Gefahr für den dauerhaften Erhalt des Denkmals bei fehlendem Dachgeschossausbau belegen will, hat außer Betracht zu bleiben.

16

2. Die weitere Frage, welche Kriterien vorliegen müssen, damit eine Maßnahme, gemessen am Zustand des Baudenkmals vor Beginn der Baumaßnahme, geboten ist, um den unter denkmalpflegerischen Gesichtspunkten erstrebenswerten Zustand herbeiführen zu können, führt nicht zur Zulassung der Grundsatzrevision, weil sie so unbestimmt formuliert ist, dass sie für eine Vielzahl gedachter Fallgestaltungen einer Antwort zugänglich ist. Der Senat könnte sie deshalb nur im Stil eines Lehrbuchs beantworten. Das ist nicht Aufgabe eines Revisionsverfahrens (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 11. Februar 2016 - 4 B 1.16 - ZfBR 2016, 372 Rn. 2). Soweit sich die Frage vorliegend stellt, hat sie der Senat in diesem Beschluss beantwortet.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es1.einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Bet

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(1) 1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis

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Bundesfinanzhof Beschluss, 28. Nov. 2016 - GrS 1/15

bei uns veröffentlicht am 28.11.2016

Tenor Mit dem unter den Voraussetzungen des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. März 2003 IV A 6 S 2140 8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das Schreiben des Bundesministerium

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(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.

(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Im Außenbereich ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen, die ausreichende Erschließung gesichert ist und wenn es

1.
einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb dient und nur einen untergeordneten Teil der Betriebsfläche einnimmt,
2.
einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dient,
3.
der öffentlichen Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser, der Abwasserwirtschaft oder einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dient,
4.
wegen seiner besonderen Anforderungen an die Umgebung, wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die Umgebung oder wegen seiner besonderen Zweckbestimmung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll, es sei denn, es handelt sich um die Errichtung, Änderung oder Erweiterung einer baulichen Anlage zur Tierhaltung, die dem Anwendungsbereich der Nummer 1 nicht unterfällt und die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen oder allgemeinen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung unterliegt, wobei bei kumulierenden Vorhaben für die Annahme eines engen Zusammenhangs diejenigen Tierhaltungsanlagen zu berücksichtigen sind, die auf demselben Betriebs- oder Baugelände liegen und mit gemeinsamen betrieblichen oder baulichen Einrichtungen verbunden sind,
5.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Windenergie nach Maßgabe des § 249 oder der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Wasserenergie dient,
6.
der energetischen Nutzung von Biomasse im Rahmen eines Betriebs nach Nummer 1 oder 2 oder eines Betriebs nach Nummer 4, der Tierhaltung betreibt, sowie dem Anschluss solcher Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit dem Betrieb,
b)
die Biomasse stammt überwiegend aus dem Betrieb oder überwiegend aus diesem und aus nahe gelegenen Betrieben nach den Nummern 1, 2 oder 4, soweit letzterer Tierhaltung betreibt,
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben und
d)
die Kapazität einer Anlage zur Erzeugung von Biogas überschreitet nicht 2,3 Millionen Normkubikmeter Biogas pro Jahr, die Feuerungswärmeleistung anderer Anlagen überschreitet nicht 2,0 Megawatt,
7.
der Erforschung, Entwicklung oder Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken oder der Entsorgung radioaktiver Abfälle dient, mit Ausnahme der Neuerrichtung von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität,
8.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie dient
a)
in, an und auf Dach- und Außenwandflächen von zulässigerweise genutzten Gebäuden, wenn die Anlage dem Gebäude baulich untergeordnet ist, oder
b)
auf einer Fläche längs von
aa)
Autobahnen oder
bb)
Schienenwegen des übergeordneten Netzes im Sinne des § 2b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes mit mindestens zwei Hauptgleisen
und in einer Entfernung zu diesen von bis zu 200 Metern, gemessen vom äußeren Rand der Fahrbahn, oder
9.
der Nutzung solarer Strahlungsenergie durch besondere Solaranlagen im Sinne des § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 Buchstabe a, b oder c des Erneuerbare-Energien-Gesetzes dient, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben steht in einem räumlich-funktionalen Zusammenhang mit einem Betrieb nach Nummer 1 oder 2,
b)
die Grundfläche der besonderen Solaranlage überschreitet nicht 25 000 Quadratmeter und
c)
es wird je Hofstelle oder Betriebsstandort nur eine Anlage betrieben.

(2) Sonstige Vorhaben können im Einzelfall zugelassen werden, wenn ihre Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist.

(3) Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange liegt insbesondere vor, wenn das Vorhaben

1.
den Darstellungen des Flächennutzungsplans widerspricht,
2.
den Darstellungen eines Landschaftsplans oder sonstigen Plans, insbesondere des Wasser-, Abfall- oder Immissionsschutzrechts, widerspricht,
3.
schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann oder ihnen ausgesetzt wird,
4.
unwirtschaftliche Aufwendungen für Straßen oder andere Verkehrseinrichtungen, für Anlagen der Versorgung oder Entsorgung, für die Sicherheit oder Gesundheit oder für sonstige Aufgaben erfordert,
5.
Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege, des Bodenschutzes, des Denkmalschutzes oder die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet,
6.
Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur beeinträchtigt, die Wasserwirtschaft oder den Hochwasserschutz gefährdet,
7.
die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt oder
8.
die Funktionsfähigkeit von Funkstellen und Radaranlagen stört.
Raumbedeutsame Vorhaben dürfen den Zielen der Raumordnung nicht widersprechen; öffentliche Belange stehen raumbedeutsamen Vorhaben nach Absatz 1 nicht entgegen, soweit die Belange bei der Darstellung dieser Vorhaben als Ziele der Raumordnung abgewogen worden sind. Öffentliche Belange stehen einem Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 in der Regel auch dann entgegen, soweit hierfür durch Darstellungen im Flächennutzungsplan oder als Ziele der Raumordnung eine Ausweisung an anderer Stelle erfolgt ist.

(4) Den nachfolgend bezeichneten sonstigen Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 kann nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des Absatzes 3 sind:

1.
die Änderung der bisherigen Nutzung eines Gebäudes, das unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 errichtet wurde, unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Vorhaben dient einer zweckmäßigen Verwendung erhaltenswerter Bausubstanz,
b)
die äußere Gestalt des Gebäudes bleibt im Wesentlichen gewahrt,
c)
die Aufgabe der bisherigen Nutzung liegt nicht länger als sieben Jahre zurück,
d)
das Gebäude ist vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden,
e)
das Gebäude steht im räumlich-funktionalen Zusammenhang mit der Hofstelle des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebs,
f)
im Falle der Änderung zu Wohnzwecken entstehen neben den bisher nach Absatz 1 Nummer 1 zulässigen Wohnungen höchstens fünf Wohnungen je Hofstelle und
g)
es wird eine Verpflichtung übernommen, keine Neubebauung als Ersatz für die aufgegebene Nutzung vorzunehmen, es sei denn, die Neubebauung wird im Interesse der Entwicklung des Betriebs im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 erforderlich,
2.
die Neuerrichtung eines gleichartigen Wohngebäudes an gleicher Stelle unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das vorhandene Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
das vorhandene Gebäude weist Missstände oder Mängel auf,
c)
das vorhandene Gebäude wurde oder wird seit längerer Zeit vom Eigentümer selbst genutzt und
d)
Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des bisherigen Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird; hat der Eigentümer das vorhandene Gebäude im Wege der Erbfolge von einem Voreigentümer erworben, der es seit längerer Zeit selbst genutzt hat, reicht es aus, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das neu errichtete Gebäude für den Eigenbedarf des Eigentümers oder seiner Familie genutzt wird,
3.
die alsbaldige Neuerrichtung eines zulässigerweise errichteten, durch Brand, Naturereignisse oder andere außergewöhnliche Ereignisse zerstörten, gleichartigen Gebäudes an gleicher Stelle,
4.
die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägenden Gebäuden, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient,
5.
die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter folgenden Voraussetzungen:
a)
das Gebäude ist zulässigerweise errichtet worden,
b)
die Erweiterung ist im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse angemessen und
c)
bei der Errichtung einer weiteren Wohnung rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass das Gebäude vom bisherigen Eigentümer oder seiner Familie selbst genutzt wird,
6.
die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist.
In begründeten Einzelfällen gilt die Rechtsfolge des Satzes 1 auch für die Neuerrichtung eines Gebäudes im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1, dem eine andere Nutzung zugewiesen werden soll, wenn das ursprüngliche Gebäude vom äußeren Erscheinungsbild auch zur Wahrung der Kulturlandschaft erhaltenswert ist, keine stärkere Belastung des Außenbereichs zu erwarten ist als in Fällen des Satzes 1 und die Neuerrichtung auch mit nachbarlichen Interessen vereinbar ist; Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b bis g gilt entsprechend. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 und 3 sowie des Satzes 2 sind geringfügige Erweiterungen des neuen Gebäudes gegenüber dem beseitigten oder zerstörten Gebäude sowie geringfügige Abweichungen vom bisherigen Standort des Gebäudes zulässig.

(5) Die nach den Absätzen 1 bis 4 zulässigen Vorhaben sind in einer flächensparenden, die Bodenversiegelung auf das notwendige Maß begrenzenden und den Außenbereich schonenden Weise auszuführen. Für Vorhaben nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6, 8 Buchstabe b und Nummer 9 ist als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung eine Verpflichtungserklärung abzugeben, das Vorhaben nach dauerhafter Aufgabe der zulässigen Nutzung zurückzubauen und Bodenversiegelungen zu beseitigen; bei einer nach Absatz 1 Nummer 2 bis 6 und 8 Buchstabe b zulässigen Nutzungsänderung ist die Rückbauverpflichtung zu übernehmen, bei einer nach Absatz 1 Nummer 1 oder Absatz 2 zulässigen Nutzungsänderung entfällt sie. Die Baugenehmigungsbehörde soll durch nach Landesrecht vorgesehene Baulast oder in anderer Weise die Einhaltung der Verpflichtung nach Satz 2 sowie nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe g sicherstellen. Im Übrigen soll sie in den Fällen des Absatzes 4 Satz 1 sicherstellen, dass die bauliche oder sonstige Anlage nach Durchführung des Vorhabens nur in der vorgesehenen Art genutzt wird.

(6) Die Gemeinde kann für bebaute Bereiche im Außenbereich, die nicht überwiegend landwirtschaftlich geprägt sind und in denen eine Wohnbebauung von einigem Gewicht vorhanden ist, durch Satzung bestimmen, dass Wohnzwecken dienenden Vorhaben im Sinne des Absatzes 2 nicht entgegengehalten werden kann, dass sie einer Darstellung im Flächennutzungsplan über Flächen für die Landwirtschaft oder Wald widersprechen oder die Entstehung oder Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten lassen. Die Satzung kann auch auf Vorhaben erstreckt werden, die kleineren Handwerks- und Gewerbebetrieben dienen. In der Satzung können nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit getroffen werden. Voraussetzung für die Aufstellung der Satzung ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar ist,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
Bei Aufstellung der Satzung sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. § 10 Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden. Von der Satzung bleibt die Anwendung des Absatzes 4 unberührt.

(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.

(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts über das Bestehen und den Inhalt von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, ist für die auf die Revision ergehende Entscheidung maßgebend.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.

(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

Mit dem unter den Voraussetzungen des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. März 2003 IV A 6 S 2140 8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. Dezember 2009 IV C 6 S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) vorgesehenen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer verstößt das Bundesministerium der Finanzen gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

Tatbestand

A.

1

I. Vorgelegte Rechtsfrage

2

Der X. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat mit Beschluss vom 25. März 2015 X R 23/13 (BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696) dem Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt:

3

"Verstößt das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. Dezember 2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung?"

4

II. Sachverhalt und Ausgangsverfahren

5

1. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb ein Einzelunternehmen. Seine Gewinnermittlungen gemäß § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergaben für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2006 Verluste.

6

Nach einer zwischen dem Kläger und einer Sparkasse im November 2005 getroffenen Vereinbarung, die fällige Zahlungsansprüche der Sparkasse sowie einer Bankengruppe gegen den Kläger betraf, erklärten jene, auf "die nicht bedienbaren Forderungen" verzichten zu wollen, falls der Kläger seinen Verpflichtungen aus der Vereinbarung ordnungsgemäß und termingerecht nachkomme. Nachdem der Kläger eine sog. Vergleichszahlung geleistet hatte, unterrichtete ihn die Sparkasse im Dezember 2007 über den seitens der Bankengruppe erklärten Verzicht auf die Restforderung.

7

Der Veranlagung zur Einkommensteuer für das Jahr 2007 (Streitjahr) legte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) Einkünfte des Klägers aus Gewerbebetrieb gemäß dem eingereichten Jahresabschluss zugrunde, der Erträge aus den genannten Forderungsverzichten der Banken enthielt, und setzte mit Steuerbescheid vom 17. Februar 2009 Einkommensteuer gegen den Kläger und seine mit ihm zusammen veranlagte Ehefrau fest.

8

Hiergegen legte der Kläger Einspruch mit der Begründung ein, der sich aus den Forderungsverzichten ergebende Sanierungsgewinn müsse "steuerlich neutral behandelt werden". Auf Hinweis des FA beantragte der Kläger am 19. März 2009 den "Erlass der anfallenden Steuern auf den Sanierungsgewinn" und legte im September 2009 ein von ihm selbst erstelltes Konsolidierungskonzept vor, welches den Forderungsverzicht der Sparkasse und des FA voraussetzt.

9

Für die Folgejahre 2008 und 2009 wies der Kläger in seinen Einkommensteuererklärungen wieder Verluste aus Gewerbebetrieb aus.

10

Den Einspruch des Klägers gegen den inzwischen geänderten Einkommensteuerbescheid 2007 vom 29. April 2010, der Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden war und der gemäß dem zuletzt eingereichten Jahresabschluss Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von ca. 599.000 € (hierin enthalten Erträge aus den genannten Forderungsverzichten in Höhe von ca. 620.000 €) zugrunde legte, wies das FA mit der Begründung zurück, der Gewinn aus Gewerbebetrieb sei zutreffend ermittelt worden; über den Antrag nach § 163 der Abgabenordnung (AO), der nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens sei, werde in einem gesonderten Verfahren entschieden. Klage wurde insoweit nicht erhoben.

11

Den Antrag "auf Erlass der Steuern für 2007 aus dem Sanierungsgewinn" lehnte das FA mit Bescheid vom 12. Juli 2010 ab. Den hiergegen erhobenen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 18. April 2012 zurück. Die Voraussetzungen für die Annahme eines begünstigten Sanierungsgewinns i.S. des sog. Sanierungserlasses des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) lägen nicht vor. Es fehle die Sanierungseignung des Forderungsverzichts, weil der Kläger auch im Folgejahr einen Verlust erzielt habe. Zudem hätte der Kläger die Steuerfestsetzung für das Streitjahr auch ohne die begehrte Billigkeitsmaßnahme, nämlich durch Teilwertabschreibungen auf den betrieblichen Grundbesitz, vermeiden können.

12

Die hiergegen erhobene Klage, mit der der Kläger geltend macht, die Voraussetzungen für einen Erlass der festgesetzten Einkommensteuer 2007 aus sachlichen Billigkeitsgründen gemäß dem sog. Sanierungserlass lägen vor, wies das Finanzgericht (FG) mit Urteil vom 24. April 2013  1 K 759/12 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2013, 1898) ab. Es könne offen bleiben, ob die Voraussetzungen des sog. Sanierungserlasses im Streitfall erfüllt seien, denn der Gesetzgeber habe mit der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG in der vor dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 --UntStRFoG-- (BGBl I 1997, 2590) geltenden Fassung (EStG a.F.) zum Ausdruck gebracht, Sanierungsgewinne unterschiedslos besteuern zu wollen. Mit dem sog. Sanierungserlass verstoße die Finanzverwaltung daher gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

13

2. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Erlassbegehren weiter. Den Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des sog. Sanierungserlasses sei der X. Senat des BFH bereits mit Urteil vom 14. Juli 2010 X R 34/08 (BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916) entgegengetreten. Mit der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. habe der Gesetzgeber nicht zum Ausdruck gebracht, es solle für Sanierungsgewinne keine Erlassmöglichkeit mehr geben. Für die nach Ansicht des FA möglichen Teilwertabschreibungen auf den betrieblichen Grundbesitz hätten die Voraussetzungen nicht vorgelegen.

14

3. Das FA hält an der Ablehnung des Erlassantrags fest. Zur Ansicht des FG, mit dem sog. Sanierungserlass verstoße die Finanzverwaltung gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, äußert sich das FA nicht, sondern meint, das FG-Urteil sei aus anderen Gründen richtig (§ 126 Abs. 4 FGO), da die Voraussetzungen für den Steuererlass nicht vorlägen.

15

4. Das BMF ist dem Verfahren beigetreten. Es teilt die vom vorlegenden Senat mit Urteil in BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916 vertretene Auffassung, der sog. Sanierungserlass tangiere nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

16

Mit der Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. habe eine nach Einführung des zeitlich unbegrenzten Verlustvortrags mögliche Doppelbegünstigung vermieden werden sollen. Später sei aber der Verlustvortrag durch Einführung einer Mindestgewinnbesteuerung wieder beschränkt worden. Ein sorgfältiger Gesetzgeber hätte sich zu jenem Zeitpunkt der Verknüpfung von Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. mit zeitlich unbegrenztem Verlustvortrag erinnert und von der Mindestgewinnbesteuerung die Verlustverrechnung mit Sanierungsgewinnen ausgenommen. Dies habe der Gesetzgeber aber nicht getan, weil kurz zuvor im März 2003 der sog. Sanierungserlass die unbeschränkte Verlustverrechnung des Sanierungsgewinns vorgesehen habe. Der sog. Sanierungserlass reduziere die Besteuerung systemgerecht und dem Willen des Gesetzgebers bei Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. folgend auf den eigentlichen Fiskalzweck. Zu einer gesetzeswidrigen Doppelbegünstigung komme es nicht. Schon in der Begründung des Entwurfs des Gesetzes zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 (gemeint ist offenbar die Begründung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1999 der CDU/CSU- und FDP-Fraktion vom 22. April 1997, BTDrucks 13/7480, 192) sei auf mögliche Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung hingewiesen worden und auch später habe der Gesetzgeber erkennen lassen, dass der sog. Sanierungserlass eine taugliche Rechtsgrundlage für Billigkeitsmaßnahmen im Sanierungsfall sei.

17

Darüber hinaus sei zum 1. Januar 1999 die Insolvenzordnung (InsO) in Kraft getreten, deren wesentliche Ziele die Förderung der außergerichtlichen Sanierung, die bessere Abstimmung von Sanierungsverfahren und die Restschuldbefreiung für den redlichen Schuldner seien. Die Abschaffung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen stehe mit diesen Zielen der InsO in einem "Zielkonflikt". Dieser Wertungswiderspruch werde durch den sog. Sanierungserlass in hinreichender Weise aufgehoben.

18

Eine gesetzliche Regelung möglicher Billigkeitsmaßnahmen bei Sanierungsgewinnen wäre --wegen der erforderlichen Folgeänderungen im Bereich der Verlustverrechnungsbeschränkungen-- äußerst komplex und liefe den Bemühungen um eine Steuervereinfachung zuwider. Anders als eine starre gesetzliche Regelung sei die bestehende Verwaltungsanweisung flexibler zu handhaben und habe sich in der Praxis bewährt.

19

III. Vorlagebeschluss des X. Senats

20

Nach Ansicht des vorlegenden Senats verstößt der sog. Sanierungserlass nicht gegen den Vorbehalt des Gesetzes.

21

§§ 163 und 227 AO seien die rechtlichen Grundlagen, die eine abweichende Steuerfestsetzung oder einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen in das Ermessen der Finanzbehörden stellten. Mit dem sog. Sanierungserlass habe das BMF die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festgeschrieben und damit deren Ermessen auf Null reduziert. Dies sei im Interesse einer gleichmäßigen Festsetzung und Erhebung der Einkommen- und Körperschaftsteuer durch die Landesfinanzbehörden notwendig.

22

Anders als das FG München im Urteil vom 12. Dezember 2007  1 K 4487/06 (EFG 2008, 615) meine, habe das BMF mit dem sog. Sanierungserlass die vor Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. bestehende Rechtslage nicht im Wege der Billigkeit wieder in Kraft gesetzt. Vielmehr unterscheide sich der sog. Sanierungserlass von der früheren gesetzlichen Regelung und der hierzu ergangenen Rechtsprechung insoweit, als er die vorrangige vollständige Verrechnung des Sanierungsgewinns mit Verlustvorträgen und negativen Einkünften auch anderer Einkunftsquellen fordere und die Stundung oder den Erlass der Steuer nur für den danach verbleibenden Sanierungsgewinn vorsehe. Außerdem werde im Gegensatz zur früheren Rechtslage grundsätzlich nur eine unternehmensbezogene, nicht aber eine unternehmerbezogene Sanierung steuerlich begünstigt.

23

Des Weiteren sei zu berücksichtigen, dass die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. mit der seinerzeit bestehenden Möglichkeit eines unbeschränkten Verlustvortrags begründet worden sei, die aber ab dem Veranlagungszeitraum 2004 wieder beschränkt worden sei.

24

Der nach BMF-Auffassung bestehende Konflikt der Besteuerung von Sanierungsgewinnen mit den Zielen der InsO lasse sich nicht vorrangig durch insolvenzrechtliche Regelungen, sondern nur durch steuerliche Maßnahmen lösen. Der sog. Sanierungserlass trage zum Abbau grundlegender Konflikte zwischen Steuerrecht und InsO bei. Gläubiger eines angeschlagenen Unternehmens, die mit einem Forderungsverzicht einen Beitrag zu dessen "Überleben" leisteten, erwarteten regelmäßig, dass sich der Fiskus hieran beteilige und die beabsichtigte Sanierung nicht durch die Besteuerung eines Gewinns erschwere.

25

Auch habe der Gesetzgeber im Zusammenhang mit mehreren gesetzlichen Regelungen zu erkennen gegeben, dass er den sog. Sanierungserlass des BMF billige und auch für erforderlich halte.

26

Billigkeitsmaßnahmen im Zusammenhang mit Sanierungsgewinnen seien zum Ausgleich sachlicher, nicht gewollter Härten unerlässlich. Unter den im sog. Sanierungserlass beschriebenen Voraussetzungen bestünden sachliche Billigkeitsgründe i.S. der §§ 163 und 227 AO.

27

Der sog. Sanierungserlass sei auch mit dem unionsrechtlichen Beihilferecht vereinbar.

28

IV. Stellungnahme der Beteiligten

29

Der Kläger und das FA haben sich zur Vorlage nicht geäußert. Das BMF hat allein zu den beihilferechtlichen Fragen ergänzend Stellung genommen.

Entscheidungsgründe

30

B. Entscheidung des Großen Senats zu Verfahrensfragen

31

I. Keine mündliche Verhandlung

32

Der Große Senat entscheidet gemäß § 11 Abs. 7 Satz 2 FGO ohne mündliche Verhandlung, weil eine weitere Förderung der Entscheidung durch eine mündliche Verhandlung nicht zu erwarten ist. Die Vorlagefrage und die Auffassungen, die dazu in Rechtsprechung und Schrifttum vertreten werden, sind im Vorlagebeschluss eingehend dargestellt. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, zur Vorlagefrage Stellung zu nehmen.

33

II. Zulässigkeit der Vorlage

34

1. Entscheidungsreife des Revisionsverfahrens

35

Der vorlegende X. Senat war nicht gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO verpflichtet, die zusammen mit dem Kläger veranlagte Ehefrau, die im Einspruchsverfahren hinzugezogen war (§ 360 Abs. 3 AO), im Revisionsverfahren beizuladen oder die Sache an das FG zur Nachholung der Beiladung zurückzuverweisen, denn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO liegen nicht vor, wenn einer der zusammen veranlagten Ehegatten die Steuerfestsetzung anficht oder --wie im Streitfall-- Verpflichtungsklage auf eine abweichende Steuerfestsetzung oder einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen erhebt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 7. Februar 2008 VI R 41/05, BFH/NV 2008, 1136, m.w.N.).

36

2. Vorlagegrund

37

Der vorlegende Senat hat eine Entscheidung des Großen Senats wegen grundsätzlicher Bedeutung der Vorlagefrage gemäß § 11 Abs. 4 FGO erbeten, weil diese Frage in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beantwortet werde und auch der VIII. Senat in einem Kostenbeschluss vom 28. Februar 2012 VIII R 2/08 (BFH/NV 2012, 1135) zu erkennen gegeben habe, er könnte hinsichtlich dieser Frage möglicherweise zu einer anderen Rechtsauffassung als der vorlegende X. Senat gelangen. An die Auffassung des vorlegenden Senats, die Vorlagefrage habe aus den genannten Gründen grundsätzliche Bedeutung (Rz 93 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696), ist der Große Senat gebunden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 31. Januar 2013 GrS 1/10, BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317, m.w.N.).

38

3. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

39

Ob die vorgelegte Rechtsfrage entscheidungserheblich ist, hängt von der Vorfrage ab, welche Rechtswirkung der sog. Sanierungserlass im finanzgerichtlichen Verfahren entfaltet.

40

a) Verwaltungsvorschriften, zu denen der sog. Sanierungserlass gehört, sind keine die Gerichte bindenden Rechtsnormen. Daran ändert auch der Umstand grundsätzlich nichts, dass der sog. Sanierungserlass --wie der vorlegende Senat meint-- eine Ermessensrichtlinie der Finanzverwaltung ist, mit der das BMF "die entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festgeschrieben und damit deren Ermessen auf Null reduziert" hat (Rz 58 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696), denn sowohl im Fall einer Anfechtungs- als auch einer Verpflichtungsklage kann das angerufene Gericht die in Ermessensrichtlinien niedergelegten Regeln, unter welchen Umständen die Verwaltung das ihr eingeräumte Ermessen in welcher Weise ausüben soll, für ermessensfehlerhaft halten und die auf der Grundlage der Richtlinie ergangene Ermessensentscheidung im Fall der Anfechtungsklage aufheben und im Fall der Verpflichtungsklage die Behörde zur Neubescheidung verpflichten. An der dem Gericht nach § 102 Satz 1 FGO obliegenden Prüfung, ob die Behörde mit ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, ändert sich also nichts, wenn die Behörde mit ihren Ermessenserwägungen und ihrer Entscheidung einer Ermessensrichtlinie gefolgt ist (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Juli 2011 I R 44/10, BFH/NV 2011, 2005).

41

Rechtliche Bedeutung können Ermessensrichtlinien im finanzgerichtlichen Verfahren allein insofern erlangen, als sie --soweit sie tatsächlich angewandt werden-- die Finanzverwaltung unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) binden (sog. Selbstbindung der Verwaltung, vgl. Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 11. Mai 1988  2 B 58.88, Neue Juristische Wochenschrift 1988, 2907). Den für die Entscheidung des Einzelfalls zuständigen Finanzbehörden ist es danach verwehrt, die Anwendung einer Ermessensrichtlinie in einem Fall, der von der Richtlinie gedeckt ist, ohne triftige Gründe abzulehnen. Nur insoweit hat der Steuerpflichtige einen auch von den Finanzgerichten zu beachtenden Rechtsanspruch, nach Maßgabe der Ermessensrichtlinie behandelt zu werden (z.B. BFH-Urteil vom 23. April 1991 VIII R 61/87, BFHE 164, 422, BStBl II 1991, 752, m.w.N.).

42

Dies gilt wegen der Bindung der Gerichte an die gesetzlichen Vorschriften und der gemäß § 102 Satz 1 FGO in jedem Fall gebotenen Rechtsprüfung allerdings nur, soweit die Ermessensrichtlinie eine ausreichende Rechtsgrundlage hat und sie der Gesetzeslage nicht widerspricht (vgl. BFH-Beschluss vom 30. Januar 1991 IX B 58/89, BFH/NV 1992, 463; BFH-Urteil in BFHE 164, 422, BStBl II 1991, 752, jeweils m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt nach ständiger Rechtsprechung keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis (BFH-Urteil vom 7. Oktober 2010 V R 17/09, BFH/NV 2011, 865, m.w.N.).

43

b) Der vorlegende Senat geht von einem Fall der Selbstbindung der Verwaltung durch das BMF-Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) aus. Wie seine Ausführungen in Rz 59 bis 74 des Vorlagebeschlusses (BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696) deutlich machen, sieht er die Bejahung sachlicher Unbilligkeit unter den im sog. Sanierungserlass beschriebenen Voraussetzungen im Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften und meint, das BMF habe mit dem sog. Sanierungserlass die für den Fall des Billigkeitserlasses entscheidenden Ermessenserwägungen der Finanzbehörden festgeschrieben und damit deren Ermessen auf Null reduziert; deshalb sei die Steuer zu stunden, niedriger festzusetzen oder zu erlassen, wenn im Streitfall die im sog. Sanierungserlass genannten Voraussetzungen vorlägen, was allerdings in tatsächlicher Hinsicht noch der Klärung durch das FG bedürfe (Rz 58, 87 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696).

44

Darüber hinaus ist dem Vorlagebeschluss die Ansicht des vorlegenden Senats zu entnehmen, die Besteuerung eines Sanierungsgewinns sei nur unter den im sog. Sanierungserlass beschriebenen Voraussetzungen sachlich unbillig (so auch schon sein Urteil in BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916), denn nach seiner Ansicht müsse die Revision zurückgewiesen werden, wenn der Große Senat die Vorlagefrage bejahe. Andere Gründe sachlicher Unbilligkeit der Besteuerung sieht der vorlegende Senat im Streitfall offenbar nicht.

45

c) Geht es um die Entscheidungserheblichkeit einer dem Großen Senat vorgelegten Rechtsfrage, ist die Beantwortung der hierfür maßgeblichen rechtlichen Vorfragen ausschließlich Sache des vorlegenden Senats. Der Große Senat muss daher über die Entscheidungserheblichkeit einer vorgelegten Rechtsfrage auf der Grundlage der Rechtsauffassung des vorlegenden Senats zu den Vorfragen befinden (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317, m.w.N.).

46

Da der vorlegende Senat eine Selbstbindung der Finanzverwaltung durch den sog. Sanierungserlass bejaht und außerhalb des sog. Sanierungserlasses liegende Billigkeitsgründe im Streitfall verneint, ist die Sache --wie unter Rz 91 des Vorlagebeschlusses (BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696) ausgeführt-- an das FG zurückzuverweisen, falls die Vorlagefrage verneint wird, dagegen ist die Revision zurückzuweisen, falls die Vorlagefrage bejaht wird.

47

Die Vorlagefrage ist somit entscheidungserheblich.

48

C. Entscheidung des Großen Senats über die Vorlagefrage

49

I. Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen - Gesetzeshistorie und Rechtsprechung

50

1. Gesetzeshistorie

51

Gesetzliche Regelungen zur ertragsteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen wurden durch die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) veranlasst, der mit Urteilen vom 30. Juni 1927 VI A 297/27 (RFHE 21, 263) und vom 12. Dezember 1928 VI A 1499/28 (RStBl 1929, 86) für die Einkommensteuer entschied, durch Forderungsverzicht der Gläubiger entstandene Mehrungen des Geschäftsvermögens seien nicht einkommensteuerpflichtig, weil die auf einer Vereinbarung zwischen den Gläubigern beruhende Vermögensmehrung außerhalb des Geschäftsbetriebs des Steuerpflichtigen liege. Allerdings werde ein ohne die Berücksichtigung des Sanierungsgewinns vorhandener Verlust beseitigt, soweit die Sanierung reiche (RFH-Urteil vom 21. Oktober 1931 VI A 968/31, RFHE 29, 315). Da der für die Körperschaftsteuer zuständige I. Senat eine andere Ansicht vertrat und lediglich die Möglichkeit eines Steuererlasses aus Billigkeitsgründen in Betracht zog (RFH-Urteil vom 5. Februar 1929 I A 394/27, RStBl 1929, 228), führte der Gesetzgeber 1934 mit § 11 Nr. 4 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) den Abzug des Sanierungsgewinns vom körperschaftsteuerlichen Einkommen ein (vgl. zur Entwicklung ausführlich: Seer, Insolvenz, Sanierung und Ertragsteuern, Finanz-Rundschau --FR-- 2014, 721, 725 ff.; Kahlert/Rühland, Sanierungs- und Insolvenzsteuerrecht, 2. Aufl. 2011, Rz 2.2 ff.).

52

Auch nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 KStG i.d.F. vom 5. September 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets 1949, 311), das nur für einige Bundesländer galt und durch Art. V Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes vom 29. April 1950 (BGBl 1950, 95) auch in den übrigen Bundesländern in Kraft gesetzt wurde, waren Vermögensmehrungen, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, bei der Ermittlung des Einkommens abzuziehen.

53

Diese Regelung wurde in den folgenden Jahren wortgleich beibehalten und fand sich zuletzt in § 11 Nr. 4 KStG i.d.F. vom 13. Oktober 1969 --KStG a.F.-- (BGBl I 1969, 1869).

54

Die Neufassung des KStG --KStG 1977-- gemäß Art. 1 des Körperschaftsteuerreformgesetzes vom 31. August 1976 --KStRG-- (BGBl I 1976, 2597) enthielt keine solche Vorschrift. Stattdessen wurde durch Art. 2 Nr. 1 Buchst. b KStRG § 3 EStG um die Nr. 66 erweitert. Steuerfrei waren danach "Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden". Diese Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen galt über § 8 Abs. 1 KStG 1977 ebenso für die Körperschaftsteuer. Die Änderungen waren ab dem Veranlagungszeitraum 1977 anzuwenden.

55

§ 3 Nr. 66 EStG a.F. wurde durch Art. 1 Nr. 1 UntStRFoG aufgehoben. Die Vorschrift war nach § 52 Abs. 2i EStG i.d.F. des Art. 2 des Gesetzes zur Finanzierung eines zusätzlichen Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung vom 19. Dezember 1997 (BGBl I 1997, 3121) letztmals auf Erhöhungen des Betriebsvermögens anzuwenden, die in dem Wirtschaftsjahr entstehen, das vor dem 1. Januar 1998 endet.

56

2. BFH-Rechtsprechung zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen

57

a) Obwohl bis zum Veranlagungszeitraum 1977 eine dem § 11 Nr. 4 KStG a.F. entsprechende Vorschrift für das Einkommensteuerrecht fehlte, führte der BFH die RFH-Rechtsprechung --wenn auch mit anderer Begründung-- fort und sah den Sanierungsgewinn nunmehr kraft Gewohnheitsrechts und wegen der sowohl im Körperschaft- als auch im Einkommensteuerrecht übereinstimmenden Grundsätze der Gewinnermittlung als nicht einkommensteuerpflichtig an (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1963 I 359/60 S, BFHE 78, 308, BStBl III 1964, 122; vom 22. November 1963 VI 117/62 U, BFHE 78, 325, BStBl III 1964, 128, und vom 27. September 1968 VI R 41/66, BFHE 94, 186, BStBl II 1969, 102).

58

Allerdings hielt der BFH zunächst auch an der Rechtsprechung des RFH fest, dass ein Sanierungsgewinn, der in die Jahre der Entstehung oder Absetzbarkeit eines betrieblichen Verlustes falle, diesen Verlust verbrauche. Es sei nicht gerechtfertigt, über die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns hinaus einen Verlust, den der Steuerpflichtige wegen der Sanierung wirtschaftlich nicht zu tragen brauche, trotzdem beim Steuerpflichtigen abzuziehen (BFH-Urteile vom 4. August 1961 VI 35/61 U, BFHE 73, 685, BStBl III 1961, 516, und in BFHE 78, 325, BStBl III 1964, 128, m.w.N.).

59

Diese BFH-Rechtsprechung wurde für die Körperschaftsteuer mit Beschluss des Großen Senats vom 15. Juli 1968 GrS 2/67 (BFHE 93, 75, BStBl II 1968, 666) aufgegeben. Danach war ein nach § 11 Nr. 4 KStG a.F. körperschaftsteuerfreier Sanierungsgewinn weder mit einem ohne ihn in demselben Veranlagungszeitraum entstehenden Verlust noch mit einem abzugsfähigen Verlust aus einem früheren Veranlagungszeitraum zu verrechnen. Den Verlust oder Verlustabzug durch einen Sanierungsgewinn zu beseitigen, sei mit dem Wortlaut dieser Vorschrift nicht zu vereinbaren, denn der Sanierungsgewinn würde im Ergebnis besteuert, wenn man ihn mit einem Verlust des laufenden Veranlagungszeitraums oder einem Verlustabzug verrechne. Dass es mit dem Nebeneinander von steuerfreiem Sanierungsgewinn und Verlustausgleich oder Verlustabzug zu einer doppelten Vergünstigung für den Steuerpflichtigen kommen könne, sei ein vom Gesetzgeber gewolltes Ergebnis.

60

Für die Einkommensteuer schloss sich der VI. Senat mit Urteil in BFHE 94, 186, BStBl II 1969, 102 dieser Auffassung des Großen Senats an.

61

b) Für die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns gemäß § 3 Nr. 66 EStG a.F. (ab dem Veranlagungszeitraum 1977) mussten nach ständiger Rechtsprechung des BFH folgende Voraussetzungen erfüllt sein: die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens, der volle oder teilweise Erlass seiner Schulden, die insoweit bestehende Sanierungsabsicht der Gläubiger sowie die Sanierungseignung des Schuldenerlasses (BFH-Urteile vom 19. März 1991 VIII R 214/85, BFHE 164, 70, BStBl II 1991, 633; vom 19. März 1993 III R 79/91, BFH/NV 1993, 536; vom 6. März 1997 IV R 47/95, BFHE 183, 78, BStBl II 1997, 509, und vom 17. November 2004 I R 11/04, BFH/NV 2005, 1027, jeweils m.w.N.).

62

Die Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens war nach den Verhältnissen zu dem Zeitpunkt zu beurteilen, zu dem der Forderungsverzicht vereinbart wurde (BFH-Urteile vom 14. März 1990 I R 64/85, BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810, und in BFH/NV 1993, 536, jeweils m.w.N.). Maßgebend waren insoweit die Ertragslage und die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens, die Möglichkeiten zur Zahlung von Steuern und sonstiger Schulden, d.h. das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldenlast, die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und die Höhe des Privatvermögens (BFH-Urteile in BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810, und in BFH/NV 1993, 536, jeweils m.w.N.). Die Sanierungsbedürftigkeit war zu vermuten, wenn sich mehrere Gläubiger an einer Sanierung beteiligten (BFH-Urteile vom 3. Dezember 1963 I 375/60 U, BFHE 78, 327, BStBl III 1964, 128, und in BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810).

63

Hinsichtlich der Sanierungseignung war zu prüfen, ob der Schuldenerlass allein oder zusammen mit anderen --auch nicht steuerbefreiten-- Maßnahmen das Überleben des Betriebs zu sichern geeignet war (vgl. BFH-Urteile vom 22. Januar 1985 VIII R 37/84, BFHE 143, 420, BStBl II 1985, 501; vom 20. Februar 1986 IV R 172/84, BFH/NV 1987, 493, und vom 19. Oktober 1993 VIII R 61/92, BFH/NV 1994, 790, m.w.N.). Aber auch die Aufgabe des Unternehmens hinderte die Annahme der Sanierungseignung nicht; vielmehr sollte es (unter Hinweis auf RFH-Rechtsprechung) insoweit genügen, wenn der Schuldenerlass einen Einzelunternehmer in den Stand versetzte, das von ihm betriebene Unternehmen aufzugeben, ohne von weiterbestehenden Schulden beeinträchtigt zu sein (BFH-Urteile in BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810; in BFHE 164, 70, BStBl II 1991, 633, und in BFH/NV 1993, 536, jeweils m.w.N.). Für die Annahme der Sanierungseignung war entscheidend, ob die Sanierung im Zeitpunkt des Schuldenerlasses zu erwarten war; nachträglich eingetretene Umstände, die das Gelingen der Sanierung verhinderten, rechtfertigten keine andere Beurteilung (BFH-Urteile in BFH/NV 1987, 493; in BFH/NV 1993, 536, und in BFH/NV 1994, 790, m.w.N.). Als ungeeignet wurden aber Maßnahmen angesehen, die von vornherein erkennbar nicht ausreichten, das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens sicherzustellen (BFH-Urteil in BFH/NV 1993, 536, m.w.N.).

64

Zur Voraussetzung der Sanierungsabsicht der Gläubiger war die BFH-Rechtsprechung nicht einheitlich. Teilweise wurde vertreten, die Sanierungsabsicht sei zu verneinen, wenn der Gläubiger Schulden erlasse, weil er erkennbar besonders an der Fortführung seiner Geschäftsbeziehungen mit dem Schuldner interessiert sei oder er durch einen Teilerlass den Erhalt der Restforderung sichern wolle (BFH-Urteil in BFH/NV 1994, 790, m.w.N.). Demgegenüber hieß es in anderen Entscheidungen, an das Vorliegen der Sanierungsabsicht seien keine strengen Anforderungen zu stellen; vielmehr sei es ausreichend, wenn neben eigennützigen Motiven des Gläubigers wie etwa der Rettung eines Teils der Forderung oder des Erhalts der Geschäftsverbindungen die Sanierungsabsicht mitentscheidend gewesen sei (BFH-Urteile in BFH/NV 1987, 493; in BFH/NV 1993, 536, und vom 24. Februar 1994 IV R 71/92, BFH/NV 1995, 15, jeweils m.w.N.). Bei einem gemeinschaftlichen Erlass mehrerer Gläubiger sei die Sanierungsabsicht in der Regel zu unterstellen (BFH-Urteile in BFHE 161, 28, BStBl II 1990, 810; in BFH/NV 1993, 536, und in BFH/NV 2005, 1027, jeweils m.w.N.).

65

II. Billigkeitserlass der auf Sanierungsgewinne entfallenden Steuer - Rechtsprechung, Schrifttum und Verwaltungsauffassung

66

Seit Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. haben Erhöhungen des Betriebsvermögens, die dadurch entstehen, dass Schulden zum Zweck der Sanierung ganz oder teilweise erlassen werden, bei der Gewinnermittlung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG keine Sonderstellung mehr. Eine Steuerbefreiung solcher Sanierungsgewinne kann nur durch Billigkeitsmaßnahmen im Einzelfall erreicht werden.

67

1. Rechtsprechung zum Billigkeitserlass bei Sanierungsgewinnen

68

a) Rechtsprechung des BFH

69

Der vorlegende Senat hat mit Urteil in BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916 die --jene Entscheidung allerdings nicht tragende-- Ansicht vertreten, die im sog. Sanierungserlass wiedergegebene Auffassung der Finanzverwaltung, Sanierungsgewinne könnten nach § 227 AO erlassen werden, tangiere nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Der Ansicht des FG München (Urteil in EFG 2008, 615), die Finanzverwaltung habe mit dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 eine Verwaltungspraxis contra legem eingeführt, könne "in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden". Auch für das Urteil des vorlegenden Senats vom 12. Dezember 2013 X R 39/10 (BFHE 244, 485, BStBl II 2014, 572) war die dort ebenfalls vertretene Auffassung, der sog. Sanierungserlass tangiere nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, nicht tragend.

70

Der VIII. Senat des BFH hat es mit Beschluss in BFH/NV 2012, 1135 (Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache) als zweifelhaft angesehen, ob die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen wegen sachlicher Unbilligkeit gemäß dem sog. Sanierungserlass beansprucht werden könne. Die von der Vorinstanz (FG München, Urteil in EFG 2008, 615) vertretene Auffassung, ein Erlass der Einkommensteuer auf Sanierungsgewinne wegen sachlicher Unbilligkeit komme wegen des durch die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. zum Ausdruck gebrachten abweichenden Willens des Gesetzgebers nicht in Betracht, sei "nicht von vornherein abzulehnen".

71

Der I. Senat des BFH hat mit Urteil vom 25. April 2012 I R 24/11 (BFHE 237, 403) die Fragen, ob der Sanierungserlass den Erfordernissen des allgemeinen Gesetzesvorbehalts sowie des unionsrechtlichen Beihilfeverbots uneingeschränkt genügt, offen gelassen.

72

b) Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

73

Auch der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Haftungsfall, in dem der beklagte Steuerberater seinen Mandanten nicht auf die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses nach dem sog. Sanierungserlass hingewiesen hatte, die Frage, "ob der Sanierungserlass gesetzeswidrig ist", offen gelassen, weil ein Steuerberater auch für Schäden einzustehen habe, die dem Mandanten entstanden sind, weil dieser sich durch schuldhaftes Handeln des Steuerberaters eine Behördenpraxis nicht hat zunutze machen können, die sich im Nachhinein als rechtswidrig erweist (BGH-Urteil vom 13. März 2014 IX ZR 23/10, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2014, 638).

74

c) Rechtsprechung der Finanzgerichte

75

Die im Vorlagebeschluss eingehend dargestellte Rechtsprechung der Finanzgerichte lässt sich wie folgt zusammenfassen:

76

Die im Streitfall vom 1. Senat des Sächsischen FG mit Urteil in EFG 2013, 1898 vertretene Auffassung, mit dem sog. Sanierungserlass werde gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen, entspricht im Ergebnis derjenigen des 5. Senats des Sächsischen FG (Urteil vom 14. März 2013  5 K 1113/12, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2014, 190) sowie derjenigen des 6. Senats des Sächsischen FG (Urteil vom 15. Juli 2015  6 K 1145/12, EFG 2016, 1582). Diese Auffassung wird mit ähnlicher Wortwahl ("Verwaltungspraxis contra legem") vom FG München geteilt (Urteil in EFG 2008, 615).

77

Mit Beschluss vom 20. Januar 2014  4 V 1794/12 (juris) hat der 4. Senat des Sächsischen FG die Voraussetzungen des sog. Sanierungserlasses als in jenem Fall nicht glaubhaft gemacht angesehen und die Frage, ob der sog. Sanierungserlass überhaupt einen Rechtsanspruch auf Gewährung einer Billigkeitsmaßnahme begründen kann, offen gelassen. In gleicher Weise wird diese Frage mangels Entscheidungserheblichkeit offen gelassen vom FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 7. Januar 2014 6 K 6209/11, EFG 2014, 975), vom FG Hamburg (Urteil vom 8. August 2012  2 K 104/11, juris), vom Hessischen FG (Urteil vom 11. Februar 2010  3 K 351/06, Steuerrecht kurzgefasst 2010, 345) sowie vom 13. Senat des FG Köln (Urteil vom 16. Juni 2016  13 K 984/11, EFG 2016, 1756).

78

Keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des sog. Sanierungserlasses haben der 6. Senat des FG Köln (Urteil vom 24. April 2008  6 K 2488/06, EFG 2008, 1555), das FG Düsseldorf (Urteil vom 16. März 2011  7 K 3831/10 AO, EFG 2011, 1685) und das FG des Landes Sachsen-Anhalt (Urteil vom 14. November 2013  6 K 1267/11, EFG 2014, 721). Das FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 18. April 2012  12 K 12179/09, 12 K 12177/10, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2013, 413) und das Niedersächsische FG (Urteil vom 31. Januar 2012  8 K 34/09, EFG 2012, 1523) wenden den sog. Sanierungserlass an, ohne die streitige Rechtsfrage zu erörtern. Das FG Münster hält unter den Voraussetzungen, die denjenigen des sog. Sanierungserlasses entsprechen, die Besteuerung eines Sanierungsgewinns für sachlich unbillig (Urteil vom 27. Mai 2004  2 K 1307/02 AO, EFG 2004, 1572).

79

d) Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte und Verwaltungsgerichte

80

Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung ist uneinheitlich (vgl. dazu die Nachweise bei Krumm, Sanierungsgewinne und Gewerbesteuer, Der Betrieb --DB-- 2015, 2714). Zumeist wird der sog. Sanierungserlass als für die Gemeinden nicht verbindlich angesehen und eine Ermessensreduktion auf Null verneint (Sächsisches Oberverwaltungsgericht --OVG--, Beschluss vom 21. Oktober 2013  5 A 847/10, juris; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 18. Juli 2012  5 A 293/12.Z, Zeitschrift für Kommunalfinanzen --ZKF-- 2013, 20). Das OVG Lüneburg hat es dagegen offen gelassen, ob der sog. Sanierungserlass die Verwaltung bindet; sein Inhalt sei aber bei der Entscheidung über den Erlassantrag zu beachten (Beschluss vom 1. April 2011  9 ME 216/10, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungs-Report 2011, 508).

81

Das Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg sieht ebenfalls keine Bindungswirkung des sog. Sanierungserlasses für die Gemeinden und hält die Ablehnung eines Steuererlasses aus Billigkeitsgründen unter Hinweis auf die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. für ermessensfehlerfrei (Urteil vom 25. Februar 2014  2 A 193/12, juris). Dagegen berücksichtigt das VG Köln die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. nicht (Urteil vom 27. August 2014  24 K 2780/13, juris). Das VG Halle verneint ebenfalls die Bindung der Gemeinde an den sog. Sanierungserlass, bejaht aber die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung unter den dort beschriebenen Voraussetzungen (Urteil vom 22. Juni 2011  5 A 289/09, juris). Auch das VG Düsseldorf meint, die Gemeinde dürfe den Inhalt des sog. Sanierungserlasses bei der Ermessensausübung berücksichtigen, sie dürfe aber ermessensfehlerfrei auch weitere Erwägungen anstellen wie z.B. die regionalwirtschaftliche oder fiskalische Bedeutung eines Unternehmens, die Verhinderung städtebaulich unerwünschter Leerstände oder die Rettung von Arbeitsplätzen (Urteil vom 28. Juli 2014  25 K 6763/13, FR 2014, 942). Das VG Münster meint, die von der Gemeinde im Anschluss an das Urteil des FG München in EFG 2008, 615 vertretene Auffassung, nach Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. begründe ein Sanierungsgewinn als solcher keine sachliche Unbilligkeit und das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 sei deshalb mit höherrangigem Gesetzesrecht nicht vereinbar, sei nicht zu beanstanden (Urteil vom 21. Mai 2014  9 K 1251/11, DStRE 2015, 626).

82

2. Auffassungen im Schrifttum

83

a) Schon vor Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. hat Groh (Abschaffung des Sanierungsprivilegs?, DB 1996, 1890) die Besteuerung eines trotz Ausschöpfung der Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinns für sachgerecht gehalten. Ebenso hielt Kroschel die Aufhebung der Steuerfreiheit für richtig, allenfalls eine zeitweilige Zurückstellung des Steueranspruchs für gerechtfertigt, und sprach sich gegen einen Steuererlass im Billigkeitsweg aus (Rechtskritische Anmerkungen zur steuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen, DStR 1999, 1383). Heinicke hat bereits anlässlich der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. die Auffassung vertreten, wegen des ausdrücklich abweichenden Willens des Gesetzgebers entfalle nunmehr im Regelfall auch der vor Einführung der Vorschrift von Verwaltung und Rechtsprechung praktizierte Erlass der Steuer wegen sachlicher Unbilligkeit (in Schmidt, EStG, 17. Aufl., § 3, ABC "Sanierungsgewinn"). Er hält auch nach Bekanntgabe des sog. Sanierungserlasses an dieser Auffassung fest (in Schmidt, EStG, 35. Aufl., § 4 Rz 460 "Sanierungsgewinne"). Erhard (in Blümich, EStG, § 3 Nr. 66 a.F. Rz 3) sieht die gesetzliche Grundlage des sog. Sanierungserlasses ungeklärt. Bareis/Kaiser (Sanierung als Steuersparmodell?, DB 2004, 1841) sehen in dem sog. Sanierungserlass eine Kompetenzüberschreitung seitens des BMF und den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung tangiert. Maus meint, der Steuererlass habe den Zweck, im Einzelfall die Fehler des generalisierenden Gesetzgebers zu korrigieren; die explizite Abschaffung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. könne aber nicht als Fehler des Gesetzgebers gesehen werden, der durch die Finanzverwaltung zu korrigieren sei (Die Besteuerung des Sanierungsgewinns, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2002, 589). In gleicher Weise sieht v. Groll im sog. Sanierungserlass eine gesetzesvertretende Verwaltungsvorschrift, die allgemein und abstrakt die Behandlung von Sanierungsgewinnen regele und eine aufgehobene gesetzliche Regelung teilweise ersetzen wolle (in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 227 AO Rz 32). Eine gesetzliche Regelung ebenfalls für erforderlich halten Diffring (Umwandlung von Forderungen zur Sanierung von Kapitalgesellschaften, Berlin 2012) sowie Kanzler (Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns durch Billigkeitserlass ..., FR 2003, 480), der jedenfalls 2003 noch feststellte, die eindeutige gesetzgeberische Entscheidung, das Sanierungsprivileg aufzuheben, werde durch den Sanierungserlass des BMF konterkariert.

84

b) Die Verwaltungsauffassung, die Besteuerung eines Sanierungsgewinns sei unter den Voraussetzungen des sog. Sanierungserlasses sachlich unbillig, wird geteilt von Frotscher (in Schwarz, AO, § 163 Rz 132), Musil (in Herrmann/Heuer/ Raupach --HHR--, § 4 EStG Rz 134), Seer (Der sog. Sanierungserlass vom 27.3.2003 als Rechtsgrundlage für Maßnahmen aus sachlichen Billigkeitsgründen, FR 2010, 306), derselbe (Insolvenz, Sanierung und Ertragsteuern ..., FR 2014, 721), Kahlert (Ertragsbesteuerung in Krise und Insolvenz, FR 2014, 731), Kahlert/Rühland (a.a.O., Rz 2.10 f.), Wiese/Lukas (Sanierungsgewinne und Gewerbesteuer, DStR 2015, 1222), Hageböke/ Hasbach (Gewerbesteuerliche Kompetenzfragen beim Sanierungserlass, DStR 2015, 1713), Sonnleitner/Strotkemper (Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen: Quo vadis?, Betriebs-Berater --BB-- 2015, 2395), Krumm (DB 2015, 2714), derselbe (in Blümich, § 5 EStG Rz 959), Keuthen/Hübner (Aktuelle steuerliche Fragen bei Sanierungsgewinnen, FR 2015, 865), Buschendorf/Vogel (Der Anspruch auf Billigkeitserlass bei Sanierungsgewinnen, DB 2016, 676), Kanzler --anders als 2003-- (Anmerkung zum Urteil des FG München vom 12. Dezember 2007  1 K 4487/06, FR 2008, 1114, 1117), Mitschke (Anmerkung zum BFH-Urteil vom 12. Dezember 2013 X R 39/10, FR 2014, 658, 661), Hoffmann-Theinert/Häublein (Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen bei Forderungsverzichten, FU Berlin, online-Dokument). Weitere dem sog. Sanierungserlass zustimmende Autoren sind in Rz 50 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696 aufgeführt.

85

3. Auffassung der Verwaltung

86

Die Finanzverwaltung hält am sog. Sanierungserlass fest und meint, dieser verletze nicht den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

87

III. Auffassung des Großen Senats

88

Der Große Senat bejaht die Vorlagefrage. Die im sog. Sanierungserlass aufgestellten Voraussetzungen für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen beschreiben keinen Fall sachlicher Unbilligkeit i.S. der §§ 163, 227 AO. Soweit der sog. Sanierungserlass gleichwohl den Erlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer vorsieht, liegt darin ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

89

1. Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung

90

a) Art. 20 Abs. 3 GG bindet die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht. Hieraus abgeleitet --zum Teil auch mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung synonym gebraucht-- wird das Prinzip des Vorrangs des Gesetzes, dem zufolge das Gesetzesrecht Vorrang hat gegenüber von der Exekutive gesetzten Normen und anderen Verwaltungsentscheidungen (Grzeszick in Maunz/Dürig, Komm. z. GG, Art. 20 V Rz 98, Art. 20 VI Rz 72); untergesetzliche Normen und andere Maßnahmen der Verwaltung dürfen gesetzlichen Rechtsnormen nicht widersprechen (Grzeszick, a.a.O., Art. 20 VI Rz 73; Schnapp, in: v. Münch/ Kunig, GGK, 6. Aufl., 2012, Rz 65 zu Art. 20). Ein Verstoß gegen dieses aus Art. 20 Abs. 3 GG folgende Verfassungsprinzip kommt danach in Betracht, wenn eine der Verwaltungsmaßnahme entgegenstehende gesetzliche Vorschrift existiert (vgl. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- vom 28. Oktober 1975  2 BvR 883/73, 2 BvR 379/74, 2 BvR 497/74, 2 BvR 526/74, BVerfGE 40, 237, 247).

91

b) Im Abgabenrecht hat der vorgenannte Verfassungsgrundsatz seinen Niederschlag in § 85 Satz 1 AO gefunden. Nach dieser Vorschrift sind die Finanzbehörden verpflichtet, die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Dieser für das gesamte Verfahren geltende Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung ist der für das Steuerrecht einfachrechtlich formulierte Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung i.S. des Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. Schmitz in Schwarz, a.a.O., § 85 Rz 8; Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 85 Rz 1). § 85 Satz 1 AO enthält das im Steuerrecht geltende Legalitätsprinzip.

92

Die Finanzbehörden sind danach nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, die wegen Verwirklichung eines steuerrechtlichen Tatbestands entstandenen Steueransprüche (§ 38 AO) festzusetzen und die Steuer zu erheben. In dem von den Grundsätzen der Gleichheit und der Gesetzmäßigkeit geprägten Steuerschuldverhältnis entspricht der Pflicht des Schuldners zur gesetzmäßigen Steuerzahlung die Pflicht der Finanzbehörden zur gesetzmäßigen Steuererhebung (BVerfG-Urteil vom 27. Juni 1991  2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 271). Die mit dem Vollzug der Steuergesetze beauftragte Finanzverwaltung hat die Besteuerungsvorgaben in strikter Legalität umzusetzen und so Belastungsgleichheit zu gewährleisten (BVerfG-Urteil in BVerfGE 84, 239, 271).

93

Die im Rahmen einer Ermessensausübung anzustellenden Zweckmäßigkeitserwägungen spielen daher bei der Steuerfestsetzung und -erhebung grundsätzlich keine Rolle. Einen im Belieben der Finanzverwaltung stehenden, freien Verzicht auf Steuerforderungen gibt es nicht. Auch im Wege von Verwaltungserlassen dürfen die Finanzbehörden Ausnahmen von der gesetzlich vorgeschriebenen Besteuerung nicht zulassen (Schmitz, a.a.O., § 85 Rz 10; Klein/Rätke, a.a.O., § 85 Rz 8), denn auch der Verzicht auf den Steuereingriff bedarf einer gesetzlichen Grundlage (Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., § 3 Rz 235 ff.; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 227 AO Rz 2; BVerwG-Urteil vom 18. April 1975 VII C 15.73, BVerwGE 48, 166, BStBl II 1975, 679). Fehlt diese, können die Finanzbehörden von der Festsetzung und Erhebung gemäß § 38 AO entstandener Steueransprüche nicht absehen. Anderenfalls verstoßen sie gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 Satz 1 AO) und damit gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG).

94

2. Gesetzliche Grundlagen für Billigkeitsmaßnahmen

95

Die rechtlichen Grundlagen für einen Steuererlass aus Billigkeitsgründen finden sich in den Vorschriften der §§ 163, 227 AO, auf die sich der sog. Sanierungserlass ausdrücklich bezieht.

96

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre; unter den gleichen Voraussetzungen können bereits entrichtete Beträge erstattet oder angerechnet werden.

97

Diese gesetzlichen Ermächtigungen der Finanzbehörden, das steuerliche Ergebnis im Einzelfall aus Gründen der Billigkeit zu korrigieren, sind aus der früher in nur einer Gesetzesvorschrift enthaltenen und nahezu gleichlautenden Billigkeitsregelung des § 131 der Reichsabgabenordnung (RAO) hervorgegangen. Wegen der durch die AO vorgegebenen Trennung von Steuerfestsetzungs- und Steuererhebungsverfahren finden sich mit dem im Vierten Teil des Gesetzes enthaltenen § 163 Satz 1 AO und mit dem im Fünften Teil enthaltenen § 227 AO zwei gleichartige Vorschriften, die es ermöglichen, die Steuer im Einzelfall abweichend festzusetzen oder Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis zu erlassen, wobei der in § 163 Satz 1 AO verwendete Begriff der "Unbilligkeit" mit dem in § 227 AO verwendeten identisch ist (BFH-Urteil vom 24. August 2011 I R 87/10, BFH/NV 2012, 161). Die Unbilligkeit der Erhebung der Steuer oder der Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis kann daher sowohl im Festsetzungs- als auch im Erhebungsverfahren geltend gemacht werden und ist dementsprechend in beiden Verfahren zu prüfen.

98

a) Die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme ist sowohl im Festsetzungs- als auch im Erhebungsverfahren eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO). Allerdings handelt es sich hierbei nicht um ein voraussetzungsloses Ermessen. Vielmehr setzen die abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 Satz 1 AO und der Erlass nach § 227 AO voraus, dass die Erhebung bzw. Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre. Die Unbilligkeit der Besteuerung kann sich nach allgemeiner Auffassung aus persönlichen oder sachlichen Gründen ergeben (vgl. statt vieler: Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 32, 36).

99

aa) Auf eine Vorlage des BVerwG hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmS-OGB) mit Beschluss vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70 (BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603) auf die ihm vorgelegte Frage geantwortet, die nach § 131 Abs. 1 Satz 1 RAO zu treffende Entscheidung der Finanzbehörde, ob die Einziehung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig ist, sei eine Ermessensentscheidung und von den Gerichten nach den für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen geltenden Grundsätzen zu prüfen. Allerdings rage der Begriff "unbillig" in den Ermessensbereich hinein und bestimme damit zugleich Inhalt und Grenzen der Ermessensausübung.

100

bb) Die Auffassung des GmS-OGB wird in der Kommentarliteratur zur AO fast einhellig abgelehnt. Frotscher (in Schwarz, a.a.O., § 163 Rz 35) bezeichnet sie als fragwürdig, weil der unbestimmte Rechtsbegriff "Unbilligkeit" der Rechtsauslegung zugängig sei. V. Groll sieht die "Unbilligkeit" als Tatbestandsvoraussetzung und in § 163 und § 227 AO jeweils eine Koppelungsvorschrift mit einem unbestimmten Rechtsbegriff auf der Tatbestands- sowie einer Ermessensermächtigung auf der Rechtsfolgenseite (in HHSp, § 227 AO Rz 110, 115). Dem entspricht die Kommentierung von Krabbe (in Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 227 Rz 8). Ähnlich formuliert es auch Oellerich (in Beermann/Gosch, AO, § 163 Rz 185). Ebenso meint Loose, der unbestimmte Rechtsbegriff "Unbilligkeit" sei Tatbestandsvoraussetzung; auf der Tatbestandsseite könne aber kein Verwaltungsermessen eingeräumt werden (Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 Rz 22 bis 24). Rüsken teilt die Kritik und meint im Anschluss an Loose, die Auslegung und Anwendung des Begriffs "Billigkeit" seien nicht dem Ermessen der Finanzbehörde überlassen, sondern Rechtsanwendung (Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 20). In gleicher Weise meint v. Wedelstädt, der Begriff "unbillig" sei ein unbestimmter Rechtsbegriff, der als Rechtsfolgevoraussetzung Rechtsentscheidung sei und vom Gericht ohne die Einschränkung des § 102 FGO überprüft werden könne (in: Kühn/ v. Wedelstädt, 21. Aufl., AO, § 163 Rz 6). Allein Cöster und Fritsch (beide in Koenig, Abgabenordnung, 3. Aufl., § 163 Rz 16 bzw. § 227 Rz 11) geben die vom GmS-OGB vertretene Auffassung unkommentiert wieder.

101

cc) Die vorstehend beschriebenen unterschiedlichen Auffassungen führen allerdings nicht zu voneinander abweichenden Ergebnissen. Geht man mit der Formulierung des GmS-OGB davon aus, dass "der Begriff 'unbillig' in den Ermessensbereich hineinragt und damit zugleich Inhalt und Grenzen der pflichtgemäßen Ermessensausübung bestimmt", kann es sich nur um einen Rechtsbegriff handeln, welcher der Definition bedarf, und zwar in derselben Weise, wie es bei einem Tatbestandsmerkmal erforderlich ist. Daher kommt auch der GmS-OGB mit seiner Entscheidung in BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603 zu dem Schluss, es mache "vom Ergebnis her keinen bedeutsamen Unterschied", ob man von einem Tatbestandsmerkmal und einer Rechtsentscheidung ausgehe oder von einer Ermessensentscheidung, die auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Billigkeit geprüft werde.

102

dd) Dem entspricht die ständige Rechtsprechung des BFH, der seinen Entscheidungen zu §§ 163 und 227 AO stets den Beschluss des GmS-OGB in BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603 zugrunde legt und dementsprechend davon ausgeht, dass die Entscheidung über eine Billigkeitsmaßnahme sowohl im Festsetzungs- als auch im Erhebungsverfahren eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung ist, bei der Inhalt und Grenzen des Ermessens durch den Begriff der Unbilligkeit bestimmt werden (vgl. aus jüngerer Zeit: BFH-Urteil vom 22. Oktober 2014 II R 4/14, BFHE 247, 170, BStBl II 2015, 237), und im Anschluss daran --wie im Schrifttum zutreffend vermerkt wird (vgl. v. Groll in HHSp, § 227 AO Rz 117; Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 20)-- vollen Umfangs prüft, ob die Besteuerung im jeweiligen Streitfall unbillig ist. Bescheidungsurteile des BFH sind deshalb auf wenige Ausnahmefälle, in denen noch sachlicher Klärungsbedarf gesehen wurde, beschränkt geblieben (BFH-Urteile vom 6. Februar 1980 II R 7/76, BFHE 130, 186, BStBl II 1980, 363; vom 11. Juli 1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259, und vom 9. Juli 2003 V R 57/02, BFHE 203, 8, BStBl II 2003, 901).

103

Bestätigt der BFH die Behördenentscheidung und verneint er die Unbilligkeit der Besteuerung, weist er die Revision des Klägers zurück oder ändert auf die Revision der Finanzbehörde die Vorentscheidung (vgl. aus jüngerer Zeit: BFH-Urteile vom 17. April 2013 II R 13/11, BFH/NV 2013, 1383; vom 25. September 2013 VII R 7/12, BFH/NV 2014, 7; vom 17. Dezember 2013 VII R 8/12, BFHE 244, 184; vom 4. Juni 2014 I R 21/13, BFHE 246, 130, BStBl II 2015, 293; vom 21. Januar 2015 X R 40/12, BFHE 248, 485, BStBl II 2016, 117; BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 2005).

104

Bejaht der BFH dagegen die Unbilligkeit der Besteuerung, kommt er im zweiten Schritt durchweg dazu, eine Ermessensreduktion auf Null anzunehmen, oder er problematisiert die Frage des Ermessens nicht und weist entweder die Revision der Finanzbehörde zurück oder ändert auf die Revision des Klägers die Vorentscheidung und verpflichtet die Finanzbehörde zum Erlass (vgl. aus jüngerer Zeit: BFH-Urteile vom 21. August 2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11, und in BFHE 247, 170, BStBl II 2015, 237).

105

ee) In gleicher Weise geht die Rechtsprechung des BVerwG zu Billigkeitsmaßnahmen gemäß § 163 Abs. 1 Satz 1 oder § 227 AO von einer uneingeschränkten Überprüfbarkeit des Merkmals der "Unbilligkeit" aus. Mit den BVerwG-Urteilen vom 29. September 1982  8 C 48.82 (BStBl II 1984, 236) und vom 9. März 1984  8 C 43.82 (HFR 1985, 481) wurde die Entscheidung der Behörde, die geltend gemachte sachliche Unbilligkeit der Einziehung der Lohnsummensteuer sei nicht gegeben, voll überprüft. Mit seinen Urteilen vom 4. Juni 1982  8 C 90.81 (HFR 1984, 595), 8 C 126.81 (HFR 1984, 594) und 8 C 106.81 (ZKF 1982, 194) hat das BVerwG die sachliche Unbilligkeit der Einziehung der Grundsteuer in jenen Fällen verneint, ohne den Begriff des "Ermessens" zu erwähnen. Ebenso hat das BVerwG in einem aktuellen Urteil vom 19. Februar 2015  9 C 10.14 (BVerwGE 151, 255) die in jenem Fall geltend gemachte sachliche Unbilligkeit der Einziehung der Gewerbesteuer eingehend geprüft und verneint, ohne ein behördliches Ermessen und eine daraus folgende nur eingeschränkte gerichtliche Überprüfbarkeit der Behördenentscheidung zu erwähnen.

106

b) Ist somit nach den vorstehend beschriebenen Rechtsauffassungen in Literatur und Rechtsprechung das in §§ 163 und 227 AO verwendete Merkmal "unbillig" ein im gerichtlichen Verfahren überprüfbarer Rechtsbegriff oder mit anderen Worten --wie auch der vorlegende Senat mit Urteil in BFHE 248, 485, BStBl II 2016, 117 ausführt-- die "gesetzliche Voraussetzung" einer Ermessensentscheidung, kommt ein dieses Merkmal einschließendes behördliches Ermessen nicht in Betracht und deshalb auch keine durch eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift herbeigeführte Ermessensreduktion auf Null. Wäre die Bejahung oder Verneinung der Unbilligkeit der Erhebung und Einziehung der Steuer eine Ermessensentscheidung, läge der Steuererlass gänzlich im Ermessen der Finanzbehörden, was --wie ausgeführt-- mit dem in § 85 Satz 1 AO steuerrechtlich begründeten Legalitätsprinzip und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht vereinbar wäre.

107

c) Soweit daher das BMF mit dem sog. Sanierungserlass die Auffassung vertritt, unter den dort beschriebenen Voraussetzungen sei die Erhebung der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer sachlich unbillig i.S. des § 163 Abs. 1 Satz 1 und des § 227 AO, handelt es sich um eine norminterpretierende (nämlich das Merkmal sachlicher Unbilligkeit konkretisierende) Verwaltungsvorschrift, welche die gleichmäßige Auslegung und Anwendung des Rechts sichern soll. Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften haben nach ständiger BFH-Rechtsprechung keine Bindungswirkung im gerichtlichen Verfahren. Sie stehen unter dem Vorbehalt einer abweichenden Auslegung der Norm durch die Rechtsprechung, der allein es obliegt zu entscheiden, ob die Auslegung der Rechtsnorm durch die Finanzverwaltung im Einzelfall Bestand hat (vgl. dazu aus jüngerer Zeit: BFH-Urteil vom 16. September 2015 XI R 27/13, BFH/NV 2016, 25, m.w.N.).

108

d) Nach alledem lässt sich der Steuererlass in Fällen, in denen die Unbilligkeit der Besteuerung i.S. der §§ 163 und 227 AO nicht gegeben ist, auch nicht mit einer durch Verwaltungsvorschrift geschaffenen Selbstbindung der Finanzverwaltung und einem darauf gestützten Anspruch des Steuerpflichtigen auf Gleichbehandlung begründen (so auch Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 227 AO Rz 55, 62, 128), denn Art. 3 Abs. 1 GG vermittelt --wie ausgeführt-- nach ständiger Rechtsprechung keinen Anspruch auf Anwendung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis.

109

3. Voraussetzungen sachlicher Unbilligkeit

110

Für die Prüfung einer auf den sog. Sanierungserlass gestützten Billigkeitsmaßnahme kommt es danach allein darauf an, ob sich unter den dort genannten Voraussetzungen die sachliche Unbilligkeit der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer bejahen lässt. Das ist jedoch nicht der Fall.

111

Die Voraussetzungen sachlicher Unbilligkeit der Besteuerung, um die es sowohl im Streitfall als auch im sog. Sanierungserlass allein geht, sind durch eine langjährige höchstrichterliche Rechtsprechung definiert worden, mit der sich der sog. Sanierungserlass nicht auseinandersetzt.

112

a) Eine sachliche Billigkeitsmaßnahme stellt immer auf den Einzelfall ab und ist atypischen Ausnahmefällen vorbehalten. Das bedeutet zwar nicht, dass sie allein für singulär auftretende Fälle vorgesehen ist; sie kann vielmehr auch in durch besondere Ausnahmevoraussetzungen gekennzeichneten Fallgruppen gewährt werden. Die Voraussetzungen einer Billigkeitsmaßnahme sind aber im Fall einer solchen Gruppenregelung dieselben wie bei einer Einzelfallentscheidung der Finanzbehörde: Die Erhebung oder Einziehung muss gemäß § 163 Satz 1 und § 227 AO "nach Lage des einzelnen Falls" unbillig sein. Eine Gruppe gleichgelagerter Einzelfälle kann daher mit dem Ziel einer einheitlichen Behandlung zusammenfassend beurteilt werden, doch müssen hinsichtlich all dieser Einzelfälle die Voraussetzungen der sachlichen Unbilligkeit vorliegen (BFH-Urteile vom 9. Juli 1970 IV R 34/69, BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696, und vom 25. November 1980 VII R 17/78, BFHE 132, 159, BStBl II 1981, 204). Typisierende Billigkeitsregelungen in Gestalt subsumierbarer Tatbestände kommen deshalb nicht in Betracht; sie können allein Bestandteil einer gesetzlichen Regelung sein (Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 163 Rz 32; Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 6 f.).

113

Billigkeitsmaßnahmen dienen der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls, um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten im Einzelfall aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen (vgl. die Nachweise in Klein/Rüsken, a.a.O., § 163 Rz 32). Gründe außerhalb des Steuerrechts wie z.B. wirtschafts-, arbeits-, sozial- oder kulturpolitische Gründe können einen Billigkeitsentscheid somit nicht rechtfertigen (BFH-Urteile vom 19. Januar 1965 VII 22/62 S, BFHE 81, 572, BStBl III 1965, 206, und in BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696).

114

aa) Soweit der vorlegende Senat sowie Stimmen im Schrifttum Fälle eines durch Forderungsverzicht entstandenen Sanierungsgewinns für im vorgenannten Sinn atypische Einzelfälle halten, weil der Sanierungsgewinn nicht zu einem Liquiditätszufluss oder einem Zuwachs an Leistungsfähigkeit führe (Seer, FR 2014, 721, 727; Buschendorf/Vogel, DB 2016, 676, 679; ebenso Rz 62 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696), folgt der Große Senat dieser Ansicht nicht.

115

Ein aus betrieblichen Gründen erklärter Verzicht auf eine betriebliche Darlehensforderung ist --ungeachtet der Art der Gewinnermittlung und ungeachtet dessen, ob sie mit der Erhöhung der Liquidität oder der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbunden ist-- als Betriebseinnahme zu erfassen (§ 4 Abs. 1 und 3 EStG; ggf. i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG und § 8 Abs. 1 KStG); auch handelt es sich hierbei nicht um eine atypische, vom Gesetzgeber nicht gewollte Gewinnerhöhung oder Verlustminderung. Vielmehr zeigt sich gerade im Fall der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG), dass die Besteuerung des durch einen solchen Forderungsverzicht entstandenen Gewinns die notwendige Folge der gesetzlich vorgegebenen Gewinnermittlungsart ist. Letztere umfasst die Forderungen und Verbindlichkeiten als Teil des positiven und negativen Betriebsvermögens mit der Folge, dass der mit dem Forderungsverzicht des Gläubigers ausgelöste und betrieblich veranlasste Wegfall der Schuld das Nettovermögen des Schuldners mehrt und damit seinen Gewinn sowie die hierdurch ausgedrückte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erhöht. Hierbei ist unerheblich, dass der Forderungsverzicht als solcher die Liquidität des begünstigten Unternehmers nicht (unmittelbar) erhöht. Demgemäß ist es auch ausgeschlossen, eine hierauf beruhende Besteuerung als ungewollte und "überschießende" Folge einer typisierenden gesetzlichen Regelung zu qualifizieren.

116

Darüber hinaus trifft es nicht zu, dass der durch den Forderungsverzicht eines Gläubigers entstandene Gewinn nur bilanzieller Natur und nicht mit einer Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verbunden ist. Vielmehr ist eine solche Steigerung auf Seiten des Steuerpflichtigen faktisch bereits mit der ursprünglichen Leistung des Gläubigers eingetreten, die allerdings wegen des bilanziellen Ausweises einer Verbindlichkeit zunächst gewinnneutral blieb, weshalb nunmehr, nachdem der Steuerpflichtige die Leistung wegen des Forderungsverzichts endgültig behält, die frühere Steigerung seiner Leistungsfähigkeit in Gestalt einer Gewinnerhöhung ertragsteuerlich zu berücksichtigen ist.

117

bb) Dies ist auch nicht anders zu beurteilen, wenn der Forderungsverzicht in Sanierungsabsicht erklärt wird. Der in der Literatur vertretenen Ansicht, der einem wirtschaftlich notleidenden Unternehmen in Sanierungsabsicht gewährte Schuldenerlass verhindere lediglich den endgültigen Zusammenbruch des Unternehmens und führe daher nicht zu einem Zuwachs an Leistungsfähigkeit (Seer, FR 2014, 721, 727; Krumm, DB 2015, 2714; Buschendorf/Vogel, DB 2016, 676, 679 ff.; Gondert/Büttner, Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen, DStR 2008, 1676), ist nicht zu folgen. Vielmehr verfolgt gerade der in Sanierungsabsicht gewährte Schuldenerlass den Zweck, dem angeschlagenen Unternehmen durch Steigerung seiner Leistungsfähigkeit wieder aufzuhelfen, indem z.B. erwirtschaftete Erträge nicht mehr für den Schuldendienst verwendet werden müssen, sondern für notwendige Investitionen verbleiben. Könnte hingegen ein seitens der Gläubiger gewährter Schuldenerlass nichts an der mangelnden Leistungsfähigkeit und der prekären Liquidität des in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckenden Unternehmens ändern, fehlte es schon an der Sanierungseignung des Forderungsverzichts, die der sog. Sanierungserlass (im Anschluss an die frühere BFH-Rechtsprechung zu § 3 Nr. 66 EStG a.F.) nach wie vor fordert. Unbeschadet der vorstehend unter aa) aufgeführten Gründe ist daher gerade im Fall eines in Sanierungsabsicht gewährten und für die Sanierung geeigneten Schuldenerlasses eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des nunmehr ganz oder teilweise entschuldeten Unternehmens bereits mit dem Fortfall der Verbindlichkeit zu bejahen.

118

Soweit gleichwohl in Fällen eines in Sanierungsabsicht erklärten Forderungsverzichts die steuerliche Begünstigung des auf Seiten des Steuerpflichtigen entstehenden Gewinns für erforderlich gehalten wird, um die beabsichtigte (und für erstrebenswert erachtete) Sanierung eines notleidenden Unternehmens nicht zu hindern und die Gläubiger nicht vom Verzicht auf ihre Forderungen abzuhalten (vgl. statt vieler: Krumm, DB 2015, 2714, 2715; Gondert/Büttner, DStR 2008, 1676; Fritsche, Die Streichung von § 3 Nr. 66 EStG..., DStR 2000, 2171, 2172; vgl. auch Groh, DB 1996, 1890; Kroschel, DStR 1999, 1383; s.a. Rz 72 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696), liegen diese wirtschafts-, ggf. auch arbeitsmarktpolitischen Gründe außerhalb des Steuerrechts und können --wie ausgeführt-- keine Billigkeitsmaßnahme rechtfertigen.

119

Dass die Besteuerung des Sanierungsgewinns für das betroffene Unternehmen problematisch ist, weil der durch den Forderungsverzicht gewonnene wirtschaftliche Spielraum wieder eingeengt wird und die steuerliche Belastung das Unternehmen "zur Unzeit" trifft (so Krumm, DB 2015, 2714, 2715), führt ebenfalls nicht zu sachlicher Unbilligkeit, denn sachliche Gründe für eine Billigkeitsentscheidung sind unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen zu beurteilen (BFH-Urteil vom 30. August 1963 III 112/60 U, BFHE 77, 522, BStBl III 1963, 511). Die Pflicht der Finanzverwaltung, Steueransprüche durchzusetzen, ist nicht schon deshalb sachlich unbillig, weil sie zu einer erheblichen wirtschaftlichen Beeinträchtigung des Steuerschuldners führt (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2011 VII R 50/10, BFH/NV 2012, 552).

120

cc) Darüber hinaus sieht der sog. Sanierungserlass, soweit er gleichwohl Billigkeitsmaßnahmen nach §§ 163 und 227 AO für Sanierungsgewinne anordnet, keine Einzelfallprüfung vor, sondern enthält typisierende Regelungen, welche die sachliche Unbilligkeit unter den dort beschriebenen Voraussetzungen ohne Rücksicht auf die Höhe des Sanierungsgewinns und der darauf entfallenden Steuer sowie ungeachtet einer zu befürchtenden Gefährdung der Unternehmenssanierung als gegeben unterstellen.

121

Gerade bei der vom sog. Sanierungserlass unter Nr. III geforderten vorrangigen Verlustverrechnung kann der nach Verrechnung verbleibende Sanierungsgewinn so gering sein, dass seine Besteuerung eine Gefährdung der Unternehmenssanierung nicht befürchten lässt. Gleichwohl gewährt der sog. Sanierungserlass in jedem Fall eines verbleibenden Sanierungsgewinns den Steuererlass. Die auch in Fällen sog. Gruppenunbilligkeit erforderliche Prüfung der Unbilligkeit im Einzelfall (vgl. BFH-Urteil in BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696) unterbleibt.

122

Eine weitere Typisierung enthält das BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240, unter Nr. II, soweit die geforderten Voraussetzungen eines Sanierungsgewinns (Sanierungsbedürftigkeit und -fähigkeit des Unternehmens, Sanierungseignung des Schuldenerlasses und Sanierungsabsicht der Gläubiger) als gegeben angesehen werden, wenn ein Sanierungsplan vorliegt. Diese Typisierung geht auf die (bereits dargestellte) frühere BFH-Rechtsprechung zu § 3 Nr. 66 EStG a.F. zurück. Im Rahmen der damaligen gesetzlichen Regelung war sie zulässig; im Rahmen eines Steuererlasses aus Billigkeitsgründen ist sie es nicht.

123

b) Da eine Regelung, die der Gesetzgeber abstrakt hätte treffen können, nicht Gegenstand von Billigkeitsmaßnahmen sein kann (BFH-Urteil in BFHE 99, 448, BStBl II 1970, 696), spricht gegen die mit dem sog. Sanierungserlass angenommene sachliche Unbilligkeit des Weiteren, dass die Steuerfreiheit eines Sanierungsgewinns über viele Jahre hinweg --zunächst im KStG, dann im EStG-- auf einer gesetzlichen Regelung beruhte.

124

Vor allem aber kam mit der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. der Wille des Gesetzgebers klar und deutlich zum Ausdruck, Sanierungsgewinne künftig nicht mehr steuerlich zu privilegieren. Ein Sanierungsgewinn ist danach steuerlich genauso zu behandeln wie jeder andere durch Vermögensvergleich ermittelte Gewinn. Damit sind Billigkeitsmaßnahmen in Einzelfällen nicht von vornherein ausgeschlossen (wie die Vorinstanz mit Urteil in EFG 2013, 1898 und das FG München mit Urteil in EFG 2008, 615 möglicherweise meinen), sondern kommen in Fällen sachlicher Unbilligkeit durchaus in Betracht. Dementsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung zur Aufhebung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. abschließend (vgl. BTDrucks 13/7480, 192): "Einzelnen persönlichen oder sachlichen Härtefällen kann im Stundungs- oder Erlasswege begegnet werden."

125

Gleichwohl lässt sich nicht annehmen, gerade diejenigen Voraussetzungen, die bisher nach langjähriger höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns führten (Sanierungsbedürftigkeit des Unternehmens, Forderungsverzicht der Gläubiger in Sanierungsabsicht sowie Sanierungseignung des Forderungsverzichts) und die dem Gesetzgeber bei Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. bekannt waren, könnten nach Aufhebung dieser Vorschrift die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung eines Sanierungsgewinns begründen. So hat auch der vorlegende Senat mit Urteil in BFHE 229, 502, BStBl II 2010, 916 sowie mit Beschluss vom 8. Juni 2011 X B 209/10 (BFH/NV 2011, 1828) zu Recht entschieden, Billigkeitsmaßnahmen könnten nicht nach den Kriterien einer Vorschrift beurteilt werden, die der Gesetzgeber bewusst aufgehoben habe.

126

c) Auch die nunmehr zusätzlich neben die früheren Voraussetzungen der Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. tretenden Bedingungen, die der sog. Sanierungserlass stellt, können den Steuererlass aus Billigkeitsgründen nicht rechtfertigen.

127

aa) Soweit auf die vom sog. Sanierungserlass unter III. geforderte vorrangige und vollständige Verrechnung des Sanierungsgewinns mit Verlustvorträgen und negativen Einkünften verwiesen und vertreten wird, jedenfalls die Besteuerung eines solchen, nicht mehr durch Verlustverrechnung reduzierbaren Sanierungsgewinns sei als sachlich unbillig anzusehen, weil der zur Zeit der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. unbegrenzt mögliche Verlustvortrag mittlerweile durch § 10d Abs. 2 EStG in Gestalt einer sog. Mindestbesteuerung wieder beschränkt worden sei (Krumm, DB 2015, 2714, 2716; Seer, FR 2014, 721, 727; Vorlagebeschluss in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696, Rz 65), folgt der Große Senat dieser Auffassung aus mehreren Gründen nicht.

128

(1) Die Annahme, die Besteuerung eines nach vollständiger Verlustverrechnung verbleibenden Sanierungsgewinns laufe den Wertungen des Gesetzgebers zuwider, weil nach der Begründung des Entwurfs eines Steuerreformgesetzes 1999 der CDU/CSU- und FDP-Fraktion (BTDrucks 13/7480, 192) mit der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. allein eine sog. "Doppelbegünstigung" (Steuerbegünstigung des Sanierungsgewinns bei zugleich unbegrenzt möglichem Verlustvortrag) habe vermieden werden sollen (vgl. z.B. Krumm, DB 2015, 2714, 2716; Gondert/Büttner, DStR 2008, 1676; Braun/Geist, Zur Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen, BB 2009, 2508; Vorlagebeschluss in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696, Rz 60, 61, 65), trifft nicht zu. Vielmehr waren nach der Begründung des vorgenannten Gesetzentwurfs mehrere Motive für die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. ausschlaggebend, wobei an erster Stelle hervorgehoben wurde, dass die Bemessungsgrundlage zu verbreitern und Steuervergünstigungen abzuschaffen seien und dass die Steuerfreiheit des Sanierungsgewinns nach den Grundprinzipien des Einkommensteuerrechts systemwidrig sei, da der durch den Erlass der Verbindlichkeiten entstehende Gewinn entgegen den allgemeinen ertragsteuerlichen Regeln nicht besteuert werde. Anschließend wurde in der Begründung zwar auf den seinerzeit unbegrenzt möglichen Verlustvortrag verwiesen, daneben aber auch das Motiv der Steuervereinfachung genannt (vgl. BTDrucks 13/7480, 192). Dass darüber hinaus die Generierung eines höheren Steueraufkommens ein weiteres zentrales Motiv für die Streichung der Steuervergünstigung war, zeigt die damalige Schätzung der finanziellen Auswirkungen, in der die durch die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. veranschlagten Mehreinnahmen für das Jahr 2001 mit 42 Mio. DM ausgewiesen wurden (BTDrucks 13/7480, 165; s.a. Bericht des Finanzausschusses vom 24. Juni 1997, BTDrucks 13/8023, 43). Der Vorschlag, § 3 Nr. 66 EStG a.F. aufzuheben, wurde schließlich vorgezogen und zur Gegenfinanzierung der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer in das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform vom 29. Oktober 1997 aufgenommen.

129

Es ist nicht zulässig, aus diesem Bündel gesetzgeberischer Motive für die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. allein die Vermeidung einer sog. "Doppelbegünstigung" herauszulösen und als Begründung für eine angebliche sachliche Unbilligkeit der Besteuerung für solche Fälle zu verwenden, in denen Sanierungsgewinne trotz Verrechnung mit Verlusten verbleiben. Damit blieben zum einen die übrigen Motive des Gesetzgebers und infolgedessen zum anderen die ständige Rechtsprechung des BFH sowie des BVerwG unbeachtet, der zufolge eine steuerliche Belastung, die der Wertentscheidung des Gesetzgebers entspricht, weil er sie auch in Anbetracht der Umstände des betreffenden Einzelfalls in Kauf genommen hat, grundsätzlich hinzunehmen ist und nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme beseitigt werden kann (BFH-Urteile vom 5. Oktober 1966 II 111/64, BFHE 88, 382, BStBl III 1967, 415; vom 26. April 1979 V R 67/74, BFHE 127, 556, BStBl II 1979, 539; vom 4. Februar 2010 II R 25/08, BFHE 228, 130, BStBl II 2010, 663, und vom 20. September 2012 IV R 29/10, BFHE 238, 518, BStBl II 2013, 505, jeweils m.w.N.; BVerwG-Urteile in HFR 1984, 595, und in HFR 1985, 481).

130

(2) Darüber hinaus gibt es im Hinblick auf die Zeitpunkte weder der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. noch der Aufnahme einer Mindestbesteuerung in § 10d EStG Anhaltspunkte für die Annahme, der Gesetzgeber habe seinerzeit die Möglichkeit auch nach Verlustverrechnung gleichwohl verbleibender Sanierungsgewinne übersehen. Schon unter der Geltung sowohl des § 11 Nr. 4 KStG a.F. als auch des § 3 Nr. 66 EStG a.F. gab es nämlich bis zum Beschluss des Großen Senats in BFHE 93, 75, BStBl II 1968, 666 eine langjährige BFH-Rechtsprechung, der zufolge nur nach Verlustverrechnung verbleibende Sanierungsgewinne steuerlich begünstigt waren. Diese Rechtsprechung kann nicht übersehen worden sein.

131

Jedenfalls hätte mit der Neufassung des § 10d EStG das Problem trotz Verlustverrechnung verbleibender Sanierungsgewinne wieder in den Blick rücken müssen, denn spätestens zu jenem Zeitpunkt war klar, dass sich die bei Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. gegebene Möglichkeit eines uneingeschränkten Verlustvortrags geändert hatte und es vermehrt zu nicht verrechenbaren Sanierungsgewinnen kommen könnte. Gleichwohl wurden keine Sonderreglungen für Sanierungsgewinne geschaffen.

132

(3) Ob hierin zu Recht ein Versäumnis oder ein widersprüchliches Verhalten des Gesetzgebers gesehen wird (vgl. insoweit die Stellungnahme des beigetretenen BMF; ebenso Seer, FR 2010, 306, 308; Braun/Geist, BB 2009, 2508), bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls war und ist es vor dem Hintergrund einer nunmehr wieder beschränkten Verlustverrechnung allein Sache des Gesetzgebers, die aufgehobene Privilegierung von Sanierungsgewinnen neu zu überdenken. Es liegt hingegen nicht in der Kompetenz der Finanzverwaltung, vermeintlich unschlüssige Gesetzesänderungen durch Billigkeitsmaßnahmen zu korrigieren.

133

(4) Darüber hinaus wird ein den Billigkeitsvorschriften der §§ 163, 227 AO fremdes Motiv deutlich, soweit der sog. Sanierungserlass die vorrangige umfassende Verlustverrechnung sowie bei später auftretenden Verlusten den Verlustrücktrag zwingend vorsieht und für den Fall eines hiervon abweichenden Verhaltens des Steuerpflichtigen die Rücknahme seines Erlassantrags fingiert (Nr. III Abs. 2 des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 240), denn die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung folgt --wie ausgeführt-- aus dem den Sinn und Zweck einer steuerrechtlichen Vorschrift verfehlenden Ergebnis in einem atypischen Einzelfall und kann nicht --wie es der sog. Sanierungserlass vorsieht-- von bestimmten dem Steuerpflichtigen abverlangten Handlungen und der Wahrnehmung anderer Möglichkeiten des Steuersparens abhängig sein.

134

Dies gilt umso mehr, als der sog. Sanierungserlass diese Maßnahmen zum Teil ohne Rücksicht auf entgegenstehende gesetzliche Verrechnungsbeschränkungen verlangt, was von Stimmen in der Literatur als "schlicht rechtswidrig" bezeichnet wird (Janssen, Erlass von Steuern auf Sanierungsgewinne, DStR 2003, 1055; kritisch auch Siebert/Lickert, Handels- und steuerrechtliche Behandlung eines Forderungsverzichts mit Besserungsschein und eines Rangrücktritts bei der GmbH, online-Dokument, S. 19). Daran zeigt sich, dass es beim sog. Sanierungserlass nicht um die Abwendung steuerlicher Unbilligkeit i.S. der §§ 163, 227 AO geht, sondern ein anderes Ziel verfolgt wird, nämlich die steuerliche Subventionierung der Sanierung notleidender Unternehmen. Eine solche Subvention kann von bestimmten Bedingungen wie der vorrangigen totalen Verlustverrechnung abhängig gemacht werden. Billigkeitsmaßnahmen mit solchen Bedingungen zu verknüpfen, kommt hingegen nicht in Betracht.

135

bb) Auch soweit der sog. Sanierungserlass unter Nr. I.1. nur unternehmensbezogene, nicht aber unternehmerbezogene Billigkeitsmaßnahmen vorsieht, unterscheidet er sich zwar von der früheren Rechtslage unter der Geltung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. Jedoch lässt sich auch hieraus kein die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung rechtfertigender Grund herleiten. Vielmehr spricht gerade diese Voraussetzung gegen die im sog. Sanierungserlass liegende Billigkeitsregelung, denn es kann unter Annahme sachlicher Unbilligkeit der Erhebung oder Einziehung einer Steuer keinen Unterschied machen, wem die sich daraus ergebende Billigkeitsmaßnahme zugutekommt. Erweist sich die Besteuerung im Einzelfall als sachlich unbillig, sind die Voraussetzungen für einen Billigkeitserlass unabhängig davon gegeben, ob das Unternehmen oder der Unternehmer von diesem profitiert.

136

Gerade diese Beschränkung des Billigkeitserlasses auf das betroffene Unternehmen, indem der sog. Sanierungserlass (von einem Ausnahmefall abgesehen) verlangt, dass das Unternehmen fortgeführt wird (Nr. I.2. des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 240), zeigt wiederum deutlich, dass es nicht um steuerliche Unbilligkeit geht, sondern um das wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Ziel, die Sanierung eines wirtschaftlich notleidenden Unternehmens nicht zu erschweren und Arbeitsplätze zu erhalten (so auch Bareis/Kaiser, DB 2004, 1841; Hoffmann-Theinert/Häublein, a.a.O.). Ob es aber mit Blick auf wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Ziele geboten ist, sich seitens des Fiskus daran zu beteiligen, Unternehmen vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und wieder ertragfähig zu machen, ist keine Entscheidung, welche die Finanzverwaltung ohne gesetzliche Grundlage im Wege eines Erlasses treffen kann. Diese politische Entscheidung obliegt dem Gesetzgeber.

137

cc) Sind nach alledem die neben die Erzielung eines Sanierungsgewinns tretenden Bedingungen, die der sog. Sanierungserlass für einen Billigkeitserlass zusätzlich fordert, nicht geeignet, die sachliche Unbilligkeit der Besteuerung zu begründen, verbleibt die Feststellung, dass die Finanzverwaltung mit dem sog. Sanierungserlass, der sowohl in inhaltlicher als auch zeitlicher Hinsicht ausdrücklich an die Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. anknüpft (Nr. IV des BMF-Schreibens in BStBl I 2003, 240), die vom Gesetzgeber aufgehobene Steuerbefreiung für Sanierungsgewinne jedenfalls im Ergebnis durch Verwaltungsvorschrift wieder eingeführt hat. Darin liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (vgl. dazu: BVerfG-Beschluss in BVerfGE 40, 237).

138

d) Daran ändert auch die im sog. Sanierungserlass unter Nr. III Abs. 1 vertretene Ansicht des BMF nichts, die Besteuerung von Sanierungsgewinnen nach Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. sei sachlich unbillig, weil sie mit den Zielen der InsO in Konflikt stehe (so auch statt vieler: Kahlert, FR 2014, 731, 733; ebenso Rz 71 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696).

139

aa) Das mit der InsO verfolgte Ziel, insolvente Unternehmen zu erhalten und die außergerichtliche Sanierung zu fördern, zwingt nicht zu der Folgerung, der Fiskus habe sich mit Steuersubventionen an Sanierungen zu beteiligen. Im Übrigen waren dem Gesetzgeber im Zeitpunkt der Aufhebung des § 3 Nr. 66 EStG a.F. im Jahr 1997 die Vorschriften der InsO und ihre Ziele bekannt, denn die InsO ist zwar erst am 1. Januar 1999 in Kraft getreten (Art. 110 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994, BGBl I 1994, 2911), war jedoch bereits 1994 verabschiedet und im BGBl I 1994, 2866 verkündet worden. Wenn aber der Gesetzgeber die Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen gemäß § 3 Nr. 66 EStG a.F. in Kenntnis des neuen Insolvenzrechts beseitigte, ist anzunehmen, dass er dessen Regelungen für ausreichend hielt, die Sanierung insolventer Unternehmen zu fördern.

140

bb) Darüber hinaus kann auch bei Annahme eines gesetzgeberischen Zielkonflikts, wie er im sog. Sanierungserlass beschrieben ist, nicht angenommen werden, er könne durch Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung gelöst werden. Lassen sich gesetzgeberische Ziele nicht miteinander vereinbaren, kommen regelmäßig mehrere Möglichkeiten der Konfliktlösung in Betracht. Die Entscheidung, welcher Weg der Konfliktlösung zu beschreiten und welchem Ziel der Vorrang einzuräumen ist, ist allein vom Gesetzgeber zu treffen und kann nicht Gegenstand einer Verwaltungsvorschrift sein. Wenn in diesem Zusammenhang im Schrifttum zustimmend vermerkt wird, das BMF habe mit dem sog. Sanierungserlass den Zielkonflikt zugunsten der InsO gelöst (vgl. Kahlert, FR 2014, 731, 733), fehlt die Auseinandersetzung mit der Frage, ob diese Art der Konfliktlösung in der Kompetenz der Finanzverwaltung liegt.

141

e) Liegen somit in Fällen durch Schuldenerlass erzielter Sanierungsgewinne, wie sie der sog. Sanierungserlass beschreibt, die Voraussetzungen sachlicher Unbilligkeit i.S. der §§ 163, 227 AO nicht vor, lässt sich der nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 240 vorgesehene Steuererlass aus Billigkeitsgründen auch nicht mit dem Vorbringen des dem Streitfall beigetretenen BMF rechtfertigen, solche Billigkeitsmaßnahmen entsprächen dem mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers, weil in verschiedenen Begründungen zu Gesetzentwürfen Billigkeitsmaßnahmen im Allgemeinen oder der sog. Sanierungserlass im Besonderen erwähnt würden (vgl. insoweit auch: Frotscher in Schwarz, a.a.O., § 163 Rz 132; HHR/Musil, § 4 EStG Rz 134; Kanzler, FR 2008, 1116, 1117; Geist, Die Besteuerung von Sanierungsgewinnen, BB 2008, 2658; Gondert/Büttner, DStR 2008, 1676; Hoffmann-Theinert/Häublein, a.a.O.; Buschendorf/Vogel, DB 2016, 676, 679 ff.; s.a. Rz 66 des Vorlagebeschlusses in BFHE 249, 299, BStBl II 2015, 696).

142

Diesen Auffassungen, die sich auf den Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes der Fraktionen der CDU/CSU und SPD vom 27. März 2007 (BTDrucks 16/4841, 76), auf die Empfehlungen der Ausschüsse zum Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung vom 23. März 2009 (BRDrucks 168/1/09, 33) und die diesbezügliche Stellungnahme des Bundesrates vom 22. April 2009 (BTDrucks 16/12674, 10) stützen, in denen Billigkeitsmaßnahmen bzw. die Möglichkeit der Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen gemäß dem sog. Sanierungserlass des BMF erwähnt werden, folgt der Große Senat nicht.

143

Zum einen sind derartige Äußerungen in deutlich späteren Begründungen zu Gesetzentwürfen von Parlamentsfraktionen oder in Stellungnahmen von Ausschüssen nicht geeignet, auf einen mutmaßlichen Willen des historischen Gesetzgebers zu schließen. Zum anderen ist der verfassungsrechtliche Aspekt des insbesondere im Steuerrecht geltenden Legalitätsprinzips zu beachten: Bedürfen Steuervergünstigungen für Sanierungsgewinne einer gesetzlichen Regelung, weil das Tatbestandsmerkmal sachlicher Unbilligkeit der §§ 163, 227 AO, auf das sich der sog. Sanierungserlass stützt, nicht vorliegt, ist es ohne Bedeutung, ob sich in bestimmten Gesetzesmaterialien Hinweise finden, dass der Gesetzgeber den sog. Sanierungserlass stillschweigend oder konkludent billigt. Die notwendige, aber fehlende rechtliche Grundlage für eine steuerrechtliche Begünstigung von Sanierungsgewinnen kann nicht durch die Erwägung ersetzt werden, dass der Gesetzgeber in Anbetracht einer vorhandenen Problemlösung durch Verwaltungsvorschrift keinen Anlass sieht, tätig zu werden.

144

4. Zusammenfassung und Ergebnis

145

Das von der Finanzverwaltung und von Teilen der Rechtsprechung sowie des Schrifttums als richtig erkannte Ziel, Sanierungsgewinne generell, jedenfalls aber nachdem sie mit Verlusten verrechnet worden sind, nicht zu besteuern, lässt sich mit einem Billigkeitserlass nach § 163 Satz 1 oder § 227 AO nicht erreichen. Die nach der BFH-Rechtsprechung für das Merkmal sachlicher Unbilligkeit maßgebenden Kriterien rechtfertigen keine Billigkeitsmaßnahmen für die im sog. Sanierungserlass beschriebenen Fälle. Auf besondere, außerhalb des sog. Sanierungserlasses liegende Gründe des Einzelfalls, insbesondere auf persönliche Billigkeitsgründe gestützte Billigkeitsmaßnahmen bleiben allerdings unberührt.

146

Der sog. Sanierungserlass gewährt in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindlichen Unternehmen eine steuerliche Begünstigung, die durch den Umstand veranlasst wird, dass die Gläubiger mit ihrem Forderungsverzicht zu erkennen gegeben haben, dass sie die Unternehmenssanierung für erforderlich und die ergriffenen Maßnahmen für erfolgversprechend halten. Das Bedürfnis für eine solche Begünstigung wird aus dem wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Interesse am Erfolg der eingeleiteten Unternehmenssanierung hergeleitet. Ob sich der Fiskus in Anbetracht eines solchen Interesses an der Sanierung von Unternehmen beteiligt und in welcher Weise er dies tut, d.h. welche der verschiedenen in Betracht kommenden steuerlichen Erleichterungen für Sanierungsgewinne gewährt werden (vgl. zu unterschiedlichen gesetzlichen Lösungen in anderen Ländern: Maus, ZIP 2002, 589), ist eine allein dem Gesetzgeber obliegende politische Entscheidung.

147

Indem das BMF durch sein Schreiben vom 27. März 2003 (BStBl I 2003, 240) mit im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen nicht zulässigen typisierenden Regelungen die vom Gesetzgeber aufgehobene Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen unter (leicht) modifizierten Bedingungen wieder einführt, um (u.a.) einen angeblichen Zielkonflikt mit der InsO zu bereinigen, wird es in gesetzesvertretender Weise tätig. Mit der Schaffung typisierender Regelungen für einen Steuererlass außerhalb der nach §§ 163 und 227 AO im Einzelfall möglichen Billigkeitsmaßnahmen nimmt das BMF eine strukturelle Gesetzeskorrektur vor und verstößt damit gegen das sowohl verfassungsrechtlich (Art. 20 Abs. 3 GG) als auch einfachrechtlich (§ 85 Satz 1 AO) normierte Legalitätsprinzip.

148

D. Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage

149

Mit dem unter den Voraussetzungen des BMF-Schreibens vom 27. März 2003 IV A 6-S 2140-8/03 (BStBl I 2003, 240; ergänzt durch das BMF-Schreiben vom 22. Dezember 2009 IV C 6-S 2140/07/10001-01, BStBl I 2010, 18; sog. Sanierungserlass) vorgesehenen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer verstößt das BMF gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

150

Damit bedarf es keiner Stellungnahme des Großen Senats zu sich im Zusammenhang mit dem sog. Sanierungserlass stellenden beihilferechtlichen Fragen.

(1)1Bei einem im Inland belegenen Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, kann der Steuerpflichtige abweichend von § 7 Absatz 4 und 5 im Jahr der Herstellung und in den folgenden sieben Jahren jeweils bis zu 9 Prozent und in den folgenden vier Jahren jeweils bis zu 7 Prozent der Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal oder zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, absetzen.2Eine sinnvolle Nutzung ist nur anzunehmen, wenn das Gebäude in der Weise genutzt wird, dass die Erhaltung der schützenswerten Substanz des Gebäudes auf die Dauer gewährleistet ist.3Bei einem im Inland belegenen Gebäudeteil, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, sind die Sätze 1 und 2 entsprechend anzuwenden.4Bei einem im Inland belegenen Gebäude oder Gebäudeteil, das für sich allein nicht die Voraussetzungen für ein Baudenkmal erfüllt, aber Teil einer Gebäudegruppe oder Gesamtanlage ist, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften als Einheit geschützt ist, kann der Steuerpflichtige die erhöhten Absetzungen von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen vornehmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des schützenswerten äußeren Erscheinungsbildes der Gebäudegruppe oder Gesamtanlage erforderlich sind.5Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen im Jahr des Abschlusses der Baumaßnahme und in den folgenden elf Jahren auch für Anschaffungskosten in Anspruch nehmen, die auf Baumaßnahmen im Sinne der Sätze 1 bis 4 entfallen, soweit diese nach dem rechtswirksamen Abschluss eines obligatorischen Erwerbsvertrags oder eines gleichstehenden Rechtsakts durchgeführt worden sind.6Die Baumaßnahmen müssen in Abstimmung mit der in Absatz 2 bezeichneten Stelle durchgeführt worden sein.7Die erhöhten Absetzungen können nur in Anspruch genommen werden, soweit die Herstellungs- oder Anschaffungskosten nicht durch Zuschüsse aus öffentlichen Kassen gedeckt sind.8§ 7h Absatz 1 Satz 5 ist entsprechend anzuwenden.

(2)1Der Steuerpflichtige kann die erhöhten Absetzungen nur in Anspruch nehmen, wenn er durch eine nicht offensichtlich rechtswidrige Bescheinigung der nach Landesrecht zuständigen oder von der Landesregierung bestimmten Stelle die Voraussetzungen des Absatzes 1 für das Gebäude oder Gebäudeteil und für die Erforderlichkeit der Aufwendungen nachweist.2Hat eine der für Denkmalschutz oder Denkmalpflege zuständigen Behörden ihm Zuschüsse gewährt, so hat die Bescheinigung auch deren Höhe zu enthalten; werden ihm solche Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt, so ist diese entsprechend zu ändern.

(3) § 7h Absatz 3 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung

1.
von Bundesrecht oder
2.
einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt,
beruht.

(2) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(3) Wird die Revision auf Verfahrensmängel gestützt und liegt nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 vor, so ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden. Im übrigen ist das Bundesverwaltungsgericht an die geltend gemachten Revisionsgründe nicht gebunden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.