Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 22. Juni 2017 - 2 WD 6/17, 2 WD 6/17 (2 WD 16/16)

ECLI:ECLI:DE:BVerwG:2017:220617B2WD6.17.0
bei uns veröffentlicht am22.06.2017

Tatbestand

1

Die Anhörungsrüge wendet sich gegen das dem Soldaten am 4. Mai 2017 zugestellte Urteil vom 23. März 2017 (BVerwG 2 WD 16.16), mit dem dessen Berufung zurückgewiesen worden war. Zu der Berufungshauptverhandlung waren weder der Soldat noch sein Verteidiger erschienen. Der Soldat war am 2. Januar 2017 zu der Berufungshauptverhandlung vom 23. März 2017 geladen worden. In dieser Ladung wurde er auch darauf hingewiesen, dass in seiner Abwesenheit verhandelt werden kann.

2

Nach Zurückweisung mehrerer Befangenheitsanträge und eines Terminsverlegungsgesuches, wies das Gericht die beiden Verteidiger am 22. März 2017 nochmals darauf hin, dass die Berufungshauptverhandlung am 23. März 2017 stattfinden werde. Der Wahlverteidiger Dr. W. teilte in dem erneuten Ablehnungsgesucht mit, dass der Verteidiger S. erkrankt sei und zu der Berufungshauptverhandlung nicht erscheinen werde. Etwa eine halbe Stunde später zeigte Dr. W. die Niederlegung seines Mandats an.

3

Am 23. März 2017 informierte der Soldat um 7.11 Uhr die Geschäftsstelle des Senates telefonisch darüber, dass er sich seit gestern nicht wohl fühle und heute zum Arzt gehe. Er melde sich krank. Daraufhin wurde er gebeten, die ärztliche Bescheinigung und eine Reiseunfähigkeitsbescheinigung wenn möglich noch vor 9.00 Uhr an das Gericht zu faxen. Eine Stunde später wurde er telefonisch informiert, dass eine Reise- bzw. Verhandlungsunfähigkeit durch einen Amtsarzt bescheinigt werden müsse. Eine Bestätigung der Reiseunfähigkeit durch den Truppenarzt reiche nicht aus. Gegen 8.30 Uhr teilte der Truppenarzt Oberstabsarzt A. der Vorsitzenden fernmündlich mit, der Soldat habe sich um 7.22 Uhr bei ihm vorgestellt und angegeben, seit gestern an Übelkeit, Erbrechen und Durchfall zu leiden. Er könne diese Symptome nicht widerlegen, habe aber auch nichts Spezielles gefunden und werde den Soldaten "im Zweifel für den Patienten" für zwei Tage "KzH" schreiben. Es habe für ihn einen negativen Beigeschmack, dass sich der Soldat am Tage der Verhandlung so vorstelle. Er habe deshalb eine "fragliche Gastroenteritis" aufgeschrieben und den Soldaten informiert, dass ein Krankenschein "kzH" nicht zur Vorlage bei Gericht geeignet sei. Ein mit der Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit des Soldaten oder seines Verteidigers begründeter Verlegungs- oder Vertagungsantrag wurde nicht gestellt.

4

Eine Vertagung von Amts wegen wurde mit in der Berufungshauptverhandlung verkündetem Beschluss abgelehnt und im Berufungsurteil näher begründet.

5

Am Tag nach der Berufungshauptverhandlung ging eine truppenärztliche Bescheinigung zur Erkrankung des angeschuldigten Soldaten vom 23. März 2017 ein. Wegen des Inhalts wird auf den Beschluss im Verfahren BVerwG 2 WDB 2.17 verwiesen.

6

Am 4. Mai 2017 hat der Verteidiger Anhörungsrüge erhoben und beantragt, das Verfahren fortzuführen. Das Urteil beruhe auf Verletzungen des rechtlichen Gehörs. Dieses sei zum einen durch die Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung der Ehefrau des deutschen Botschafters im B. als Zeugin verletzt. Der Senat habe ihre Ladung trotz ausdrücklichen Verlangens der Verteidigung verweigert. In der Hauptverhandlung hätte die Verteidigung mit der Zeugin herausarbeiten können, dass die Dinge im B. sich anders zugetragen hätten, als in der Vorinstanz angenommen. Der Senat stelle ohne Not auf Zeugen vom Hören-Sagen ab und habe eine Vernehmung der Zeugin per Videokonferenz nicht erwogen. Wäre sie geladen worden, wäre der Berufung möglicherweise zumindest teilweise stattgegeben worden. Zum anderen sei rechtliches Gehör durch die Durchführung der Berufungshauptverhandlung in Abwesenheit des Soldaten und seines Verteidigers verletzt worden. Der Soldat habe durch ein wehrmedizinisches Gutachten nachgewiesen, erkrankt und reiseunfähig gewesen zu sein. Auch der Verteidiger sei reise- und verhandlungsunfähig gewesen. Von einem erkrankten Verteidiger könne kein Verlegungs- und Verteidigungsantrag erwartet werden. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hätte auf Hinweis des Gerichts vorgelegt werden können. Der Verteidiger sei schwerbehindert und leide an orthopädischen Beschwerden. Mit dem Antrag ist eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für S. vom 22. März 2017 für den Zeitraum 22. März 2017 bis 31. März 2017 und ein Rezept vom 23. März 2017 durch einen Facharzt für Orthopädie und Sportmedizin vorgelegt worden, in dem es heißt: "Der Pat. ist seit dem 22.3.17 bis zum 31.3.17 nicht reisefähig". Der Senat habe sein Vertagungsermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt. Der Soldat hat Oberstabsarzt A. als Zeugen dafür benannt, dass dieser sein Attest vorab per Fax übersandt und am 29. März 2017 als Einschreiben auf den Weg gebracht habe. Ihm sei die Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung wichtig gewesen.

7

Der Bundeswehrdisziplinaranwalt tritt dem Antrag entgegen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige, insbesondere fristgerecht erhobene und nach § 121a WDO statthafte Anhörungsrüge ist unbegründet. Das Berufungsverfahren ist nicht fortzusetzen, weil das angegriffene Urteil nicht auf einer Verletzung des Grundrechtes auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruht.

9

1. Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet, dass das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beteiligten vom Gericht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen wird. Das Gericht wird dadurch jedoch nicht verpflichtet, dem Vorbringen der Beteiligten zu folgen (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 5. April 2017 - 8 B 6.17 - juris Rn. 2 und BVerfG, vgl. Beschluss vom 12. April 1983 - 2 BvR 678, 679, 680, 681, 683/81 - BVerfGE 64, 1 <12>). Art. 103 Abs. 1 GG gewährt keinen Schutz dagegen, dass das Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberücksichtigt bleibt. Die Nichtberücksichtigung eines als sachdienlich und erheblich angesehenen Beweisangebotes verstößt nur dann gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279 <311> m.w.N.). Ein Rechtssuchender muss die nach der jeweiligen prozessualen Lage gegebenen und zumutbaren prozessualen Möglichkeiten ausschöpfen, um sich das rechtliche Gehör zu verschaffen, wenn er dessen Verletzung mit Erfolg rügen will (BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 1987 - 2 BvR 314/86 - BVerfGE 74, 220 <225>). Insbesondere muss er einen nach der konkreten Sachlage zumutbaren und nicht von vornherein als aussichtslos einzustufenden erneuten Vertagungsantrag nutzen (BVerfG, Beschluss vom 15. April 2003 - 2 BvR 628/98 - juris Rn. 3). Rechtliches Gehör wird auch dann verletzt, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <144 f.>).

10

2. Nach diesen Maßstäben ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs weder ausreichend dargelegt noch liegt sie vor.

11

a) Dies gilt zunächst wegen der unterbliebenen Ladung von C. als Zeugin zum Termin der Berufungshauptverhandlung.

12

Der Senat hat den mit der Anhörungsrüge nur wiederholten Vortrag des Soldaten aus dem Berufungsverfahren ausdrücklich erwogen, von der Ladung der Zeugin aus den in den Randnummern 45 und 55 der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils dargelegten Erwägungen aber abgesehen. Damit hat der Senat den Vortrag des Soldaten berücksichtigt, ist ihm jedoch aus Rechtsgründen nicht gefolgt. Die Anhörungsrüge legt nicht dar, warum die genannten Teile der Entscheidungsgründe im Prozessrecht keine Stütze finden sollten. Auch mit der Anhörungsrüge ist zudem keine konkrete Tatsachenbehauptung vorgebracht worden, die Gegenstand der Wahrnehmung der Zeugin und damit der Beweiserhebung sein könnte. Es fehlt des Weiteren an einer Darlegung der Erheblichkeit der von der Zeugin zu bekundenden Wahrnehmungen. Kommt es auf die Vernehmung der Zeugin nicht an, ist auch unerheblich, ob sie im Wege einer Videokonferenz hätte vernommen werden können. Die Anhörungsrüge genügt damit nicht den Anforderungen an die Darlegung einer Gehörsverletzung.

13

b) Eine Verletzung rechtlichen Gehörs kann der Soldat auch nicht wegen der Durchführung der Berufungshauptverhandlung in seiner und seines Verteidigers Abwesenheit mit Erfolg rügen.

14

Zwar schützt Art. 103 Abs. 1 GG das Recht auf Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung und das Recht, sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers zu bedienen (§ 90 Abs. 1 Satz 1 WDO). Daher ist bei einer unverschuldeten Verhinderung eines Verfahrensbeteiligten, der alles Erforderliche und Zumutbare getan hat, um sich rechtliches Gehör auch im Verhandlungstermin zu verschaffen, eine Terminsverlegung oder Vertagung geboten (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1994 - 3 C 28.92 - BVerwGE 96, 368 <369 f.>). Jedoch kann sich ein Beteiligter, der von der Möglichkeit, sich im Rahmen des Zumutbaren selbst rechtliches Gehör zu verschaffen, nicht Gebrauch gemacht hat, später nicht darauf berufen, ihm sei das rechtliche Gehör versagt worden (BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 6 B 32.09 - juris Rn. 4 m.w.N.). Er muss daher, wenn - wie hier - eine Verhandlung auch ohne ihn und ohne seinen Verteidiger durchgeführt werden kann, schlüssig und substantiiert zu den Voraussetzungen einer Terminsverlegung vortragen, sodass das Gericht in die Lage versetzt wird, ggf. von Amts wegen über die Terminsverlegung zu entscheiden.

15

aa) Hiernach stand das Fernbleiben des Verteidigers von der Berufungshauptverhandlung deren Durchführung auch im Lichte des Art. 103 Abs. 1 GG nicht entgegen. Denn die Verteidigung hat es versäumt, einen mit ihrer Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit begründeten Terminsverlegungsantrag zu stellen oder durch rechtzeitigen substantiierten Vortrag, der geeignet gewesen wäre, die unverschuldete Verhinderung und den Teilnahmewillen glaubhaft zu machen, eine Vertagung oder Terminsverlegung von Amts wegen zu erreichen.

16

Ein mit der Erkrankung des Verteidigers begründeter Verlegungsantrag ist nie gestellt worden, obwohl dem Verteidiger nach dem Beschluss der Vorsitzenden vom 21. März 2017 klar war, dass die Berufungshauptverhandlung stattfinden würde. Der Einwand, dies könne von einem erkrankten Verteidiger nicht erwartet werden, greift nicht durch, weil die Erkrankung von Rechtsanwalt S. in einem von dem zweiten Wahlverteidiger Dr. W. gezeichnetem Schriftsatz behauptet worden ist. Dr. W. war nicht gehindert, einen mit einer Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit von Rechtsanwalt S. begründeten Terminsverlegungsantrag zu stellen. Die Niederlegung seines Mandates hatte er mit einem späteren Schriftsatz angezeigt. Dass er durch die behaupteten, aber nie glaubhaft gemachten Grippesymptome an der Verfassung von Schriftsätzen gehindert gewesen wäre, ist nicht einmal behauptet worden. Es ist auch sonst kein Grund ersichtlich, der den Verteidiger Dr. W. - bei entsprechendem Teilnahmeinteresse des Soldaten oder des Verteidigers S. - an einem Terminsverlegungsantrag gehindert hätte.

17

In den Schriftsätzen vom 22. März 2017 war zudem zu einem Verlegungsgrund nicht schlüssig und substantiiert vorgetragen worden. Es fehlt bereits aus den in Randnummer 30 der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils dargelegten Gründen an hinreichenden Angaben zur Art und zur Schwere der Erkrankung von Rechtsanwalt S., die dem Senat eine kurzfristig eingetretene Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit des Verteidigers hätten plausibel machen und zu einer Vertagung von Amts wegen hätten drängen müssen. Es ist auch kein Grund ersichtlich, der die Verteidigung gehindert hätte, vor dem Beginn der Berufungshauptverhandlung, den Vortrag zu der kurzfristigen Erkrankung von Rechtsanwalt S. zu ergänzen, hätte denn ein Wille zur Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung bestanden. Die erst mit der Anhörungsrüge vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für Rechtsanwalt S. ist am Vortag der Berufungshauptverhandlung ausgestellt worden. Es wäre Rechtsanwalt Dr. W. auch in Vertretung des erkrankten Kollegen möglich und zumutbar gewesen, entsprechenden Vortrag auch vor Niederlegung des Mandates zu tätigen und glaubhaft zu machen.

18

Hierzu bedurfte es auch keines vorherigen Hinweises des Senates. Denn die Notwendigkeit, einen Verhinderungsgrund substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen, muss sich einem Rechtsanwalt aufdrängen, entspricht dies doch den Anforderungen der ständigen Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2009 - 6 B 32.09 - juris Rn. 4 m.w.N., Nds OVG, Beschluss vom 20. April 2011 - 11 LA 57/11 - juris Rn. 3, BayVGH, Beschluss vom 27. Juli 2016 - 11 ZB 16.30121 - juris Rn. 8, OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Januar 2017- 2 L 34/16 - juris Rn. 4). Die Möglichkeit, einen Terminsverlegungsantrag zu stellen, war der Verteidigung ausweislich des Antrages vom 14. März 2017 zudem sicher bekannt.

19

Da beide Verteidiger zuvor bereits einen Verlegungsantrag gestellt hatten, nach dessen Zurückweisung aber davon absahen, wegen neuer Gründe einen weiteren zu stellen und nur vage dazu vortrugen, warum Rechtsanwalt S. nicht erscheinen werde, war aus diesem Verhalten auch auf den fehlenden Willen, an der Berufungshauptverhandlung teilzunehmen, zu schließen. Diese Würdigung des Verhaltens der Verteidiger stützt sich zudem auf deren vorangegangenes prozessuales Verhalten in der Form mehrere Ablehnungsanträge und des Terminsverlegungsantrages wegen der unterbliebenen Ladung einer Zeugin. Auch hieraus schließt der Senat, dass die Verteidiger die Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung verweigern wollten, um das Verfahren zu verzögern.

20

bb) Die Durchführung der Berufungshauptverhandlung verletzte auch wegen der Abwesenheit des Soldaten nicht dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Denn auch er hat die Möglichkeit versäumt, sich durch die Anzeige der Absicht der Teilnahme an der Berufungshauptverhandlung und der Gründe für eine unverschuldete Verhinderung zumutbar selbst rechtliches Gehör zu verschaffen. Insoweit wird auf die Gründe des Beschlusses im Verfahren BVerwG 2 WDB 2.17 verwiesen.

21

cc) Der Senat hat den Vortrag der Erkrankung des Wahlverteidigers und des Soldaten auch nicht übergangen, ihn vielmehr zum Anlass genommen, in der Berufungshauptverhandlung eine Vertagung von Amts wegen zur Gewährleistung rechtlichen Gehörs zu prüfen. Die für den diese ablehnenden Beschluss maßgeblichen Erwägungen sind in den Randnummern 24 bis 30 der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wiedergegeben. Die Anhörungsrüge setzt sich mit den dort angestellten Erwägungen nicht auseinander.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 WDO.

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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

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Hat das Bundesverwaltungsgericht bei einer Berufungsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf das rechtliche Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es, sofern der Beteiligte noch beschwert ist, von Amts wegen oder auf Antrag insoweit das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Berufungsgericht zu stellen und zu begründen.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Der Soldat kann sich in jeder Lage des Verfahrens des Beistands eines Verteidigers bedienen. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer bestellt dem Soldaten, der noch keinen Verteidiger gewählt hat, auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger, wenn die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint. Ist der Soldat verhandlungsunfähig, durch Abwesenheit an der Wahrnehmung seiner Rechte gehindert oder minderjährig, ist ihm in jedem Fall ein Verteidiger zu bestellen.

(2) Verteidiger vor dem Truppendienstgericht können Rechtsanwälte und andere Personen, welche die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz haben, sowie Soldaten sein. Als Verteidiger vor dem Bundesverwaltungsgericht sind nur Personen zugelassen, welche die Befähigung zum Richteramt nach dem Deutschen Richtergesetz haben.

(3) Dem Verteidiger steht das Recht, Einsicht in die Akten zu nehmen, in gleichem Umfang zu wie dem Soldaten.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

Tenor

I.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

1. Die Berufung ist nicht wegen der gerügten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.

Die Kläger machen insoweit geltend, das Verwaltungsgericht hätte dem zweiten Antrag ihres Prozessbevollmächtigten auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung stattgeben oder ihn verbescheiden, jedenfalls aber ihren Prozessbevollmächtigten rechtzeitig dahingehend informieren müssen, dass der Termin nicht abgesetzt werde. Dann hätte dieser die Bescheinigung über seine Arbeitsunfähigkeit durch Familienmitglieder zur Kanzlei bringen und von dort an das Verwaltungsgericht übermitteln lassen.

Das Verwaltungsgericht hat jedoch dadurch, dass es dem Antrag der Prozessbevollmächtigten der Kläger auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 27. Mai 2016 um 9.00 Uhr nicht stattgegeben und ihn auch nicht vor dem Termin verbeschieden hat, das rechtliche Gehör der Kläger nicht verletzt.

Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann eine Verhandlung aus erheblichen Gründen vertagt werden. Die Vorschrift dient unter anderem dazu, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte im Prozess durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag zu ermöglichen, so dass ihre Verletzung den Anspruch auf rechtliches Gehör berührt (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.1985 - 9 C 84.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 178 S. 68, v. 26.1.1989 - 6 C 66.86 - BVerwGE 81, 229). Dieser Anspruch schließt das Recht eines Beteiligten ein, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Vertretung in der mündlichen Verhandlung infolge einer kurzfristigen, überraschenden Erkrankung des Prozessbevollmächtigten mit daraus folgender Unzumutbarkeit des Erscheinens oder des Verhandelns ist daher in der Regel ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.1985 a. a. O. S. 68, B. v. 23.1.1995 - 9 B 1.95 - Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 21 S. 1 f., v. 26.4.1999 - 5 B 49.99 - juris Rn. 4 und v. 22.5.2001 - 8 B 69.01 - Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 30 S. 6). Wenn ein solcher Grund vorliegt, verdichtet sich angesichts des hohen Ranges des Anspruchs auf rechtliches Gehör das Ermessen, das § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO einräumt, regelmäßig zu einer entsprechenden Verpflichtung des Gerichts (vgl. zum Ganzen BVerwG, B. v. 21.12.2009 - 6 B 32.09 - juris Rn. 3).

Hier war jedoch weder eine Verlegung des Termins veranlasst, noch war aufgrund der Tatsache, dass der Verlegungsantrag erst am Morgen des Tages, an dem die mündliche Verhandlung für 9.00 Uhr angesetzt war, beim Verwaltungsgericht einging, eine Verbescheidung des Antrags oder ein Hinweis des Gerichts veranlasst.

Wird die Verlegung eines Termins begehrt, muss der Grund der Verhinderung angegeben und hinreichend substantiiert werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016 § 102 Rn. 6 m. w. N.). Hierzu reicht es nicht aus, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger durch eine Kanzleisekretärin den Absetzungsantrag übermittelt und zur Begründung lediglich hat mitteilen lassen, er sei an der Wahrnehmung des Termins „kranheitsbedingt“ verhindert. Vielmehr hätte dargelegt werden müssen, dass Art und Schwere der Krankheit der Verhandlungs- und/oder ggf. der Reisefähigkeit entgegenstehen (vgl. BFH, B. v. 26.11.2013 - I B 2.13 - juris).

Wird eine Terminsaufhebung bzw. -verlegung erst einen Tag vor der anberaumten mündlichen Verhandlung beantragt und mit einer Erkrankung begründet, so muss der Verhinderungsgrund so dargelegt und untermauert sein, dass das Gericht ohne weitere Nachforschungen selbst beurteilen kann, ob Verhandlungs- bzw. Reisefähigkeit besteht. Im Falle eines erst kurz vor dem Termin gestellten Aufhebungs- bzw. Verlegungsantrags ist das Gericht - jedenfalls bei einem anwaltlich vertretenen Kläger - grundsätzlich weder verpflichtet, dem Betroffenen einen Hinweis zu geben, noch, ihn zur Ergänzung seines Vortrags aufzufordern oder selbst Nachforschungen anzustellen (vgl. BSG, B. v. 3.7.2013 - B 12 R 38.12 B - juris Rn.12, v. 13.10.2010 - B 6 KA 2/10 B - SozR 4-1500 § 110 Nr. 1). Selbst die Vorlage einer (pauschalen) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung reicht generell nicht aus (vgl. BFH, B. v. 8.9.2015 - XI B 33.15 - juris, NdsOVG, B. v. 5.11.2012 - 2 LA 177.12 - juris, OVG NW, B. v. 5.6.2012 - 17 E 196.12 - juris, Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014 § 102 Rn. 7), denn sie belegt keine Verhandlungs- und/oder ggf. Reiseunfähigkeit auch für eine begrenzte Zeit (Anreise und Dauer der mündlichen Verhandlung). Nur die Vorlage eines ärztlichen Attestes, welches dem Beteiligten eine krankheitsbedingte Verhinderung (im Sinne einer Verhandlungs- und/oder ggf. Reiseunfähigkeit) bescheinigt, ist grundsätzlich als ausreichende Entschuldigung anzusehen (vgl. BVerwG, B. v. 9.8.2007 - 5 B 10.07 - Buchholz 303 § 227 ZPO Nr. 35).

Das Verwaltungsgericht wäre hier nur dann zu einem rechtzeitigen Hinweis darauf, dass der Termin nicht abgesetzt wird, verpflichtet gewesen, wenn der Prozessbevollmächtigte der Kläger dem Absetzungsantrag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beigelegt hätte. Diese Pflicht hätte hier aber nur deswegen bestanden, weil das Verwaltungsgericht einen Monat vorher auf die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hin den damaligen Termin abgesetzt hat. In diesem Fall hätte der Prozessbevollmächtigte der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass auch dem zweiten Antrag ohne anderweitige vorherige Mitteilung stattgegeben wird (vgl. BSG, B. v. 24.10.2013 - B 13 R 59.13 B - juris). Eine solche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger hier nicht vorgelegt und auch nicht darauf verwiesen, dass eine solche nachgereicht werde und er sich derzeit beim Arzt zur dringend notwendigen Behandlung befinde.

Solange ein Termin zur mündlichen Verhandlung vom Gericht nicht aufgehoben worden ist, dürfen und müssen die Beteiligten davon ausgehen, dass der Termin auch stattfindet (vgl. BSG, B. v. 8.5.2015 - B 13 R 4/15 B - juris).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

3. Mit der unanfechtbaren (§ 80 AsylG) Ablehnung des Zulassungsantrags ist das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat Erfolg.

2

Der Senat lässt die Berufung auf der Grundlage des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO zu. Die Kläger rügen zu Recht, das Verwaltungsgericht habe ihren Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt, weil es nach § 102 Abs. 2 VwGO in Abwesenheit ihres Prozessbevollmächtigten die mündliche Verhandlung am 25.02.2016 durchgeführt und auf dieser Grundlage entschieden hat, obwohl ihr Prozessbevollmächtigter an diesem Tag einen Terminsverlegungsantrag wegen einer plötzlichen Erkrankung gestellt hat.

3

Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt werden. Dadurch soll den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte im Prozess ermöglicht werden. Dies schließt das Recht eines Beteiligten ein, sich durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen. Das Fehlen einer ordnungsgemäßen Vertretung in der mündlichen Verhandlung infolge einer kurzfristigen, überraschenden Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ist daher in der Regel ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 21.12.2009 – BVerwG 6 B 32.09 –, juris, RdNr. 3, m.w.N.).

4

Allerdings obliegt es dem Prozessbevollmächtigten, die Hinderungsgründe, auf die er sich berufen will, möglichst noch vor dem Termin schlüssig und substantiiert darzulegen, so dass das Gericht in die Lage versetzt wird, das Vorliegen eines erheblichen Grundes zu beurteilen und gegebenenfalls eine (weitere) Glaubhaftmachung gemäß § 227 Abs. 2 ZPO zu verlangen; bei alledem dürfen vor dem Hintergrund des verfassungsrechtlichen Ranges der prozessualen Gewährleistung des rechtlichen Gehörs keine überzogenen Anforderungen gestellt werden (BVerwG, Urt. v. 21.12.2009, a.a.O., RdNr. 4, m.w.N.). Wird der Antrag auf Terminsverlegung mit einer plötzlichen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten begründet, müssen gegenüber dem Gericht regelmäßig nähere Angaben zu Art und Schwere der Krankheit gemacht und diese ggf. durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemacht werden (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 20.04.2011 – 11 LA 57/11 –, juris, RdNr. 7, m.w.N).

5

Der Obliegenheit, den Hinderungsgrund schlüssig darzulegen, ist der Prozessbevollmächtigte der Kläger nachgekommen. In seinem Antrag vom 25.02.2016 auf Verlegung des für diesen Tag um 12.30 Uhr anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung mit dem Vermerk "Eilt sehr! Bitte sofort vorlegen" hat er anwaltlich versichert, dass er am Vorabend überraschend – mutmaßlich an einer akuten Grippe – erkrankt sei und sich die Erkrankung durch Hustenanfälle, Erbrechen, Durchfall, Schwindelgefühle und Mattigkeit bemerkbar gemacht habe. Möglicherweise habe er sich bei seiner Mitarbeiterin angesteckt, die wegen einer schweren Grippe ihres kleinen Sohnes bereits seit ein paar Tagen arbeitsunfähig geschrieben sei. Angesichts seines Gesundheitszustandes sei er nicht in der Lage, sicher Auto zu fahren und die Kläger wie abgesprochen mitzunehmen sowie sinnvoll an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Er werde sich noch am selben Tag zum Arzt begeben.

6

Den Terminsverlegungsantrag durfte das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung nicht mit der Begründung ablehnen, ein erheblicher Grund im Sinne von § 227 ZPO i.V.m. § 173 VwGO sei nicht glaubhaft gemacht worden, weil dem Verlegungsantrag kein ärztliches Attest beigefügt gewesen sei. Hinderungsgründe nach § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO sind dann glaubhaft zu machen, wenn dem Gericht zweifelhaft erscheint, ob der von dem Beteiligten schlüssig behauptete Sachverhalt zutrifft (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.06.2000 – BVerwG 5 B 27.00 –, juris, RdNr. 10). Es ist allgemein anerkannt, dass auch eine anwaltliche Versicherung über selbst erlebte Vorgänge ein zulässiges Beweismittel zur Glaubhaftmachung einer Behauptung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO) darstellt, das allerdings vom Gericht frei zu würdigen ist (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 20.04.2011, a.a.O., RdNr. 7, m.w.N.). Wenn auch das Gericht bei einer wenige Stunden vor dem Verhandlungstermin geltend gemachten Erkrankung den Termin nicht ohne Weiteres verlegen muss, besteht jedenfalls ein hinreichender tatsächlicher Anlass, durch einen Rückruf in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten von Amts wegen weitere für erforderlich gehaltene Ermittlungen wegen der geltend gemachten Erkrankung anzustellen und gegebenenfalls – wie von § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO vorgesehen – eine (weitere) Glaubhaftmachung der Verhinderung durch Vorlage eines ärztlichen Attestes zu verlangen, wenn bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung noch eine auskömmliche Zeitspanne zur Verfügung steht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.12.2009, a.a.O., RdNr. 6). Nach § 227 Abs. 2 ZPO sind die erheblichen Gründe nur "auf Verlangen des Vorsitzenden" glaubhaft zu machen. Die Glaubhaftmachung ist also keine förmliche Voraussetzung des Vortrags eines erheblichen Grundes im Sinne des § 227 ZPO, sondern (erst) auf Verlangen hin erforderlich (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.06.2000, a.a.O.).

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An einem solchen Verlangen des Einzelrichters nach einer Glaubhaftmachung der anwaltlich versicherten kurzfristigen Erkrankung fehlt es hier, obwohl zwischen dem Eingang des Verlegungsantrages beim Verwaltungsgericht um 9.47 Uhr und dem Beginn der mündlichen Verhandlung um 12.30 Uhr eine auskömmliche Zeitspanne zur Verfügung stand. Vielmehr ergibt sich – wie die Kläger mit Recht rügen –, dass der Prozessbevollmächtigte sogar versucht hat, den Einzelrichter telefonisch zu erreichen, um zu erfahren, ob er dem Antrag auf Terminsverlegung entspricht. Aus diesen Vermerken ergibt sich ferner, dass die Geschäftsstelle des Verwaltungsgerichts den Einzelrichter über die Bitte des Prozessbevollmächtigten um Rückruf in Kenntnis gesetzt und (ausnahmsweise) seine Durchwahl herausgegeben hat. Ein entsprechender Rückruf erfolgte jedoch nicht.

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Der Einzelrichter durfte den Terminsverlegungsantrag auch nicht mit der Begründung ablehnen, ein erkrankter Einzelanwalt müsse im Ergebnis in einem zumutbaren Umfang für einen Vertreter sorgen. Bei einer Erkrankung eines Prozessbevollmächtigten ist in der Regel davon auszugehen, dass die Verhinderung unverschuldet und damit ein "erheblicher Grund" im Sinne von § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist. Eine andere Beurteilung ist zwar dann geboten, wenn es sich nicht um eine plötzliche, nicht vorhersehbare, sondern um eine chronische, wiederholt in gleicher Weise auftretende Erkrankung handelt, die den Anwalt außerstande setzt, seinen Berufspflichten ordnungsgemäß nachzukommen; ihn trifft eine Vorsorgepflicht dann, wenn sein eigener Gesundheitszustand hierzu Anlass gibt, also für ihn erkennbar eine geordnete Erfüllung seiner prozessualen Mitwirkungspflichten wesentlich behindert (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Beschl. v. 22.05.2001 – BVerwG 8 B 69.01 –, NJW 2001, 2735, RdNr. 8 in juris, m.w.N.). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Die vom Einzelrichter in diesem Zusammenhang zitierte Kommentarstelle (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 74. Aufl., RdNr. 23), nach der "auch derjenige Anwalt, der ohne einen Sozius arbeitet, leider grundsätzlich für einen Vertreter sorgen muss", betrifft ersichtlich nicht die hier in Rede stehende Fallgestaltung einer plötzlichen, nicht vorhersehbaren Erkrankung.