Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 14. Juli 2015 - 2 BvR 1549/14, 2 BvR 1550/14

ECLI:ECLI:DE:BVerfG:2015:rk20150714.2bvr154914
bei uns veröffentlicht am14.07.2015

Tenor

Die Verfassungsbeschwerden werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

Der Beschluss des Landgerichts Leipzig vom 26. Mai 2014 - 02 T 285/14 - verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 und Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

Das Land Sachsen hat der Beschwerdeführerin ihre notwendigen Auslagen zu erstatten.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde der seit Jahren an einer schizoaffektiven Störung leidenden Beschwerdeführerin betrifft die Genehmigung ihrer vorläufigen Unterbringung sowie ihrer während dieser Unterbringung erfolgenden medikamentösen Zwangsbehandlung nach § 1906 BGB.

I.

2

1. Die Beschwerdeführerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 25. März 2014 auf der Grundlage des Sächsischen Gesetzes über die Hilfen und die Unterbringung bei psychischen Krankheiten (SächsPsychKG) zunächst für die Dauer von sechs Wochen untergebracht, nachdem sie gegenüber ihrer behandelnden Nervenärztin einen Suizid angedroht und sich in ihrer verwahrlosten Wohnung verschanzt hatte.

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2. Am Tag der Einweisung beantragte der Schwiegersohn der Beschwerdeführerin beim zuständigen Amtsgericht Eilenburg, ihn zu ihrem vorläufigen Betreuer zu bestellen. Das Landratsamt Nordsachsen nahm als zuständige Betreuungsbehörde am selben Tag zu dem Antrag Stellung. Nach Rücksprache mit behandelndem Arzt und Schwiegersohn der Beschwerdeführerin habe ermittelt werden können, dass weder aus medizinischer Sicht noch anderweitig Gefahr im Verzug bestehe. Eine eventuelle Zwangsmedikation sei derzeit nicht indiziert, da die Beschwerdeführerin zwar krankheitsuneinsichtig sei, teilweise aber ihre Medikamente einnehme. Sie sei ansprechbar, aber nicht dazu in der Lage, zu so komplexen Sachverhalten wie einer Betreuungseinrichtung zu kommunizieren. Es sei derzeit kein sofortiges Handeln eines Betreuers erforderlich.

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Anfang April 2014 wiederholte der Schwiegersohn der Beschwerdeführerin die Anregung seiner Betreuerbestellung vor dem Amtsgericht Eilenburg, da seine Schwiegermutter nach Auskunft der behandelnden Ärzte jegliche Medikamenteneinnahme verweigere und eine Zwangsmedikation nur nach Betreuerbestellung zulässig sei. Zeitgleich wandte sich die Psychiatrie, in der die Beschwerdeführerin untergebracht war, mit einem auf einem Vordruck erstellten ärztlichen Zeugnis an das Amtsgericht. Unter "Art und Ausmaß der Erkrankung" war vermerkt: "Psychotisch bedingte Fehlorientierung, sprunghafter Gedankengang, Redefluss, Gedankenabbrüche, stark schwankende Affektivität, Gereiztheit, psychomotorische Unruhe, Schreien, Schimpfen, erhebliche Fehlhandlungen mit Eigen- und Fremdgefährdung". Die Beschwerdeführerin sei außer Stande, die Notwendigkeit der Inanspruchnahme fremder Hilfe zu erkennen; der Arzt rege eine vorläufige Betreuung an; es bestehe ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, weil über die Durchführung ärztlicher Maßnahmen, insbesondere zwangsweise zu verabreichende Medikation (Diabetes, Blutdruck, Psychopharmaka) entschieden werden müsse. Es bestehe Gefahr im Verzug, da die Verzögerung der Medikation zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes führen würde.

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3. a) Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 9. April 2014 bestellte das Amtsgericht Eilenburg einen Verfahrenspfleger für die Beschwerdeführerin und führte am selben Tag im Betreuungs- und Unterbringungsverfahren eine Anhörung durch. Dem über die Anhörung erstellten Protokoll zufolge erklärte der zunächst zum Krankheitsbild der Beschwerdeführerin befragte behandelnde Arzt, dass die Betroffene an einer schizoaffektiven Störung leide, schnell reizbar, verbal aggressiv und in keiner Weise krankheitseinsichtig sei. Danach befragt, welche Folge eine Nichtbehandlung mit Medikamenten haben werde, führte der Arzt aus, dass dann mit einer Änderung des Krankheitsbildes nicht zu rechnen sei, beim Absetzen der Diabetes- und Blutdruckmedikamente jedoch keine akute erhebliche Gesundheitsgefährdung bestehe. Die Beschwerdeführerin wurde angehört, wobei sie laut Protokoll auf das Gericht einen sehr wachen, interessierten und eloquenten Eindruck machte. Im Gespräch werde deutlich, dass sie den Grund der bisherigen Unterbringung nicht nachvollziehen könne oder wolle. Sie lehne den zwangsweisen Aufenthalt in der Psychiatrie und die angeregte Zwangsmedikation ab. Die Psychopharmaka hätten ihr in der Vergangenheit mehr geschadet als genutzt; hinsichtlich Blutdruck und Zucker habe sie erklärt, die Medikamente zwar nicht für erforderlich zu halten, diese jedoch einnehmen zu wollen. Mit der Betreuerbestellung ihres Schwiegersohnes sei sie einverstanden.

6

Mit Beschluss vom selben Tag bestellte das Amtsgericht Eilenburg den Schwiegersohn der Beschwerdeführerin befristet bis zum 8. Oktober 2014 zu ihrem vorläufigen Betreuer.

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b) Mit Schreiben vom 10.April 2014 beantragte dieser beim Amtsgericht Eilenburg die mit einer Zwangsmedikation verbundene Unterbringung der Beschwerdeführeringemäß §1906 BGB. Deren medikamentöse Behandlung sei zur Verbesserung ihres Gesundheitszustandes notwendig; die Einnahme der Medikamente werde nach wie vor verweigert.

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Mit Schreiben vom selben Tag teilte der Verfahrenspfleger dem Amtsgericht mit, dass sich die Beschwerdeführerin ihm gegenüber zur Einnahme der Blutdruck- und Diabetesmedikamente bereiterklärt habe, die Einnahme von Psychopharmaka jedoch weiterhin ablehne. Eine Entscheidung über die Durchführung einer Zwangsmedikation könne er, der Verfahrenspfleger, derzeit mangels hinreichender Aussage der Ärzte nicht treffen. Die Zwangsmedikation setze eine erhebliche gesundheitliche Gefährdung der Beschwerdeführerin voraus. Deren gesundheitlicher Zustand werde sich nach Auskunft der behandelnden Ärzte bei Einnahme von Psychopharmaka nach drei bis sechs Wochen verbessern, wobei die Phase der Verbesserung immer länger dauern würde, je länger mit einer Behandlung gewartet würde. Allein die Gefahr des Krankheitsrückfalls begründe jedoch noch keine Zwangsmedikation.Vor einer diesbezüglichen Entscheidung müssten weitere ausführlichere Informationen über die gesundheitliche Gefährdung der Beschwerdeführerin bei Nichteinnahme der Medikamente eingeholt werden.

9

Die dem Antrag des vorläufigen Betreuers auf Zwangsmedikation und Unterbringung beigefügte ärztliche Stellungnahme vom 10. April 2014 beschrieb zunächst die Umstände der am 24. März 2014 erfolgten Einweisung der Beschwerdeführerin in die Psychiatrie und deren Verhalten unmittelbar nach der Einweisung. Die Wohnung sei in einem katastrophalen Zustand gewesen (Stuhlgeruch; Müll; aus der Verankerung gerissene Fenster; miteinander verbundene Stromkabel), und auf der Straße habe man ein stehendes Messer gefunden. Die nur teilweise bekleidete, aggressiv-wahnhafte Beschwerdeführerin habe sich verschanzt und sei nicht ansprechbar gewesen. Bei ihrer Aufnahme in die Psychiatrie sei sie weiterhin aggressiv und angespannt gewesen, habe die diensthabende Ärztin dazu aufgefordert, schwarze Sachen anzuziehen, sei in Zimmer anderer Patienten gelaufen, habe deren Sachen gegessen und die Toilette verstopft. Ihre Fixierung sei notwendig gewesen; in diesem Zustand habe die Beschwerdeführerin freiwillig Medikamente eingenommen, was in den letzten Monaten unterblieben sei. Zur (aktuellen) Behandlungsbedürftigkeit wurde ausgeführt, dass die Erkrankung der Beschwerdeführerin ohne Unterbringung und Behandlung zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen würde. Ihr Verhalten stelle aufgrund der wahnhaften Verkennung der Realität, psychotisch motivierter Fehlhandlungen und einer massiven Verwahrlosung eine akute Eigen- und Fremdgefährdung dar. Des Weiteren bestehe die Gefahr einer Chronifizierung der psychischen Erkrankung und eine Entgleisung des Diabetes Mellitus und der arteriellen Hypertonie mit allen erdenklichen Folgeerscheinungen.Zur Abwendung eines drohenden gesundheitlichen Schadens sei es erforderlich, die Betroffene kontinuierlich antipsychotisch, antidiabetisch und antihypertensiv mit entsprechender Medikation zu behandeln. Die Maßnahmen seien ohne Unterbringung nicht durchführbar, weil die Betroffene im Rahmen ihrer psychischen Erkrankung die Notwendigkeit der Maßnahmen nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln könne. Eine Behandlung sei auch gegen ihren Willen erforderlich, weil sonst ein schwerer gesundheitlicher Schaden eintrete, der nicht allein durch die Maßnahme der Unterbringung abzuwenden sei. Es sei davon auszugehen, dass andere Maßnahmen nicht zur erfolgreichen Behandlung ausreichten, so dass insgesamt der Erfolg der Behandlung die eventuell zu erwartenden Beeinträchtigungen bei Weitem überwiege. Auch sei mehrfach versucht worden, die Beschwerdeführerin von der Notwendigkeit der Behandlung, die nach internationalen Standards leitliniengerecht erfolge, zu überzeugen.

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Auf diese ärztliche Stellungnahme hin widersprach der Verfahrenspfleger gegenüber dem Amtsgericht der zwangsweisen Behandlung der Beschwerdeführerin. Bei seinem Besuch sei die Betroffene in der Lage gewesen, sich hinreichend zur Sache zu äußern, und habe sich nach längerer Unterredung auch bereit erklärt, ihre Blutdruck- und Diabetesmedikamente wieder einzunehmen. Die Einnahme von Psychopharmaka lehne sie weiterhin ab, obwohl ihr ihre psychische Erkrankung bewusst sei. Sie betätige sich seit längerer Zeit in einem sich gegen den Einsatz von Psychopharmaka engagierenden Verein. Selbst soweit man unterstelle, dass die Beschwerdeführerin ihr Krankheitsbild derzeit nicht wahrnehmen könne, sei anzunehmen, dass sie auch dann der Verabreichung von Psychopharmaka nicht zustimmen würde, wenn ihr das Krankheitsbild vollumfänglich bewusst wäre. Für eine Eigen- oder Fremdgefährdung gebe die ärztliche Stellungnahme keine ausführlichen konkreten Anhaltspunkte wieder; es werde lediglich das zurückliegende Verhalten der Beschwerdeführerin bei ihrer Aufnahme in die Psychiatrie am 24. März 2014 als angespannt und aggressiv beschrieben; über ihren gegenwärtigen Zustand werde nichts verlautbart. Bei seinem Besuch sei die Betroffene weder aggressiv noch angespannt gewesen. Eine massive Verwahrlosung oder Fehlhandlungen seien in Anbetracht des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs, der bei einer zwangsweisen Medikamentenverabreichung vorliege, hinzunehmen.

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c) Mit nicht angegriffenem Beschluss vom 25. April 2014 lehnte das Amtsgericht die durch den vorläufigen Betreuer beantragte Unterbringung und Zwangsmedikation der Beschwerdeführerin ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen lägen nicht vor. Im Rahmen ihrer Anhörung habe die Betroffene deutlich gemacht, dass sie Unterbringung und Medikation ablehne. Voraussetzung für beide Zwangsmaßnahmen zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge psychischer Erkrankung sei, dass die Betroffene aufgrund ihrer Krankheit ihren Willen nicht frei bestimmen könne. Über diesen freien Willen habe die Beschwerdeführerin aber beim häuslichen Abbruch der bisherigen psycho-pharmazeutischen Medikation verfügt. Sie habe über einen jahrzehntelangen Zeitraum Psychopharmaka eingenommen und, als sie noch unter dem Einfluss der Medikamente gestanden und somit einen freien Willen gehabt habe, den Entschluss gefasst, in Zukunft keine Medikamente mehr nehmen zu wollen, da ihr diese mehr schadeten als nützten. Offensichtlich sei dies auch der Grund dafür, dass sie sich seit einiger Zeit in einem sich gegen die Verwendung von Psychopharmaka einsetzenden Verein engagiere. Dieser seinerzeit unter dem Einfluss der Medikamente gebildete freie Wille, in Zukunft keine Tabletten mehr einnehmen zu wollen, sei beachtlich und bleibe es auch dann, wenn die Beschwerdeführerin wieder in einen Zustand verfalle, bei dem krankheitsbedingt die freie Willensbildung aufgehoben oder zumindest beeinträchtigt sei.

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4. a) Gegen diesen Beschluss legte der vorläufige Betreuer Beschwerde ein. Für den durch das Amtsgericht angeführten freien Willen der Beschwerdeführerin fehlten tatsächliche Anhaltspunkte. Es sei der Familie nicht bekannt, dass sie sich in einem Verein gegen Psychopharmaka engagiere. Für die Annahme, sie habe sich im Zustand freier Willensbildung für einen Abbruch jedweder Medikation entschieden, seien tatsächliche Anknüpfungstatsachen nicht nachvollziehbar. Auch die die Beschwerdeführerin behandelnden Ärzte verträten weiterhin die Ansicht, dass ein dringender Behandlungsbedarf bestehe. Die Beschwerdeführerin sei weder krankheits- noch behandlungseinsichtig, und ein Abbruch des derzeitigen stationären Aufenthalts würde zum Erstarken der in der Vergangenheit erfolgten Fehlhandlungen führen.

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b) In dem Unterbringungsverfahren auf der Grundlage des SächsPsychKG verlängerte das Amtsgericht Leipzig mit Beschluss vom 5. Mai 2014 im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung der Beschwerdeführerin bis zum 15. Juni 2014, was es im Wesentlichen mit dem Fortbestehen der Gefahr einer Selbst- oder Fremdschädigung begründete. Gegen diesen Beschluss legte die Beschwerdeführerin Beschwerde ein.

14

5. a) Das für die Beschwerde im zivilrechtlichen Unterbringungs- und Zwangsbehandlungsverfahren gleichermaßen wie für die Beschwerde im öffentlich-rechtlichen Unterbringungsverfahren zuständige Landgericht Leipzig führte für beide Verfahren am 20. Mai 2014 eine Anhörung der Beschwerdeführerin, zweier der sie behandelnden Ärzte und der übrigen Beteiligten durch. Zum Inhalt der Anhörung enthält das Protokoll keine Angaben.

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b) Mit Beschluss vom 26. Mai 2014 hob das Landgericht Leipzig im öffentlich-rechtlichen Unterbringungsverfahren den Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 5. Mai 2014 auf. Die vorläufige Unterbringung der Beschwerdeführerin sei zwar aufgrund akuter Eigen- und Fremdgefährdung zunächst angezeigt gewesen, diese Gefahr sei gegenwärtig jedoch nicht mehr akut. Aufgrund des Eindrucks, den die Kammer von der Beschwerdeführerin gewonnen habe, und den Einschätzungen der sie behandelnden Ärzte, könne derzeit eine erhebliche Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit nicht mehr gesehen werden.

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c) Zugleich änderte das Landgericht mit angegriffenem Beschluss vom 26. Mai 2014 den Beschluss des Amtsgerichts Eilenburg vom 25. April 2014 ab und genehmigte im Wege der einstweiligen Anordnung die vorläufige Unterbringung der Beschwerdeführerin bis zum 30. Juni 2014 sowie ihre zwangsweise medikamentöse Behandlung mit Neuroleptika (Seroquel), deren Verabreichung und Dokumentation in ärztlicher Verantwortung zu erfolgen habe. Nach § 1906 Abs. 1 BGB sei eine Unterbringung der Betroffenen durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden sei, nur zulässig, solange sie zum Wohl der Betroffenen erforderlich sei, weil zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Heilbehandlung notwendig sei, die ohne Unterbringung des Betroffenen nicht durchgeführt werden könne, und der Betroffene aufgrund seiner psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser handeln könne. Dies sei vorliegend der Fall. Die Beschwerdeführerin bedürfe der ärztlichen Behandlung, die derzeit ohne geschlossene Unterbringung nicht durchführbar sei. Da die Beschwerdeführerin der angezeigten ärztlichen Maßnahme widerspreche, habe der vorläufige Betreuer in diese einwilligen können.

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Aufgrund des während des Anhörungstermins von der Beschwerdeführerin gewonnenen Eindrucks und der Darlegungen der behandelnden Ärzte stehe fest, dass ihre Erkrankung an der seit langem bekannten schizoaffektiven Störung ohne Behandlung zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen werde. Aufgrund von wahnhafter Verkennung der Realität, psychotisch motivierten Fehlhandlungen und massiver Verwahrlosung bestehe ohne eine medikamentöse Behandlung eine Eigen- und Fremdgefährdung sowie die Gefahr einer Chronifizierung der psychischen Erkrankung, die Entgleisung des Diabetes Mellitus und der arteriellen Hypertonie mit allen erdenklichen medizinischen Folgeerscheinungen.Die inzwischen eingetretene Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes der Beschwerdeführerin, nach der eine akute Eigen- oder Fremdgefährdung nicht mehr vorliege, sei laut Darlegung der behandelnden Ärzte auf die während der Unterbringung verabreichte Notmedikation zurückzuführen; eine Stabilisierung der medikamentös behandelbaren Erkrankung sei insoweit nicht eingetreten. Die Heilbehandlung erscheine auch erfolgversprechend. Die Beschwerdeführerin habe jahrelang bei Einnahme der notwendigen Medikamente ihr Leben selbstbestimmt führen können; erst ihre Entscheidung über die Absetzung der verordneten Medizin habe zu ihrem jetzigen Absturz geführt. Diese Entscheidung beruhe auch nicht auf ihrem freien Willen, sondern sei bereits Ausdruck des erneuten Ausbruchs der seit Jahrzehnten bestehenden psychischen Erkrankung. Die Kammer verkenne nicht, dass die geplante medikamentöse Behandlung unangenehme Nebenwirkungen habe, diese stünden jedoch in keinem Verhältnis zum derzeitigen Krankheitszustand der Beschwerdeführerin. Es erscheine daher in ihrem Interesse geboten, die vom vorläufigen Betreuer beantragte Genehmigung zur Einwilligung in die Heilbehandlung zu erteilen.

18

Bei der Festsetzung der Dauer der Maßnahme habe sich das Gericht daran orientiert, dass in der Regel bei medikamentöser Behandlung eine akute Exazerbation einer schizoaffektiven Störung innerhalb von sechs Wochen stabilisiert werden könne und sich Krankheitseinsicht bei der Betroffenen einstelle.

II.

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1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde wendet sich die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Landgerichts und rügt eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 2 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 104 GG.

20

Die Fachgerichte hätten bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts die Bedeutung und Tragweite des Freiheitsgrundrechts verkannt, indem sie die weitere Unterbringung einstweilig angeordnet hätten, ohne dass die Voraussetzungen der § 1906 BGB, § 331 FamFG vorgelegen hätten. Es fehle bereits am dringenden Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, nachdem das Landgericht in dem am selben Tag ergangenen Beschluss festgestellt habe, dass eine akute Eigengefährdung nicht mehr bestehe. Die bloße Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung rechtfertige nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Das Hauptsacheverfahren mit der erforderlichen Einholung eines Sachverständigengutachtens sei umgangen und der Beschwerdeführerin die Möglichkeit der Einlegung einer Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof abgeschnitten worden. Die weitere vorläufige Unterbringung der Beschwerdeführerin nur aufgrund der bei der Anhörung der behandelnden Ärzte festgestellten Behandlungsbedürftigkeit sei zudem unverhältnismäßig.

21

Die durch den Beschluss des Landgerichts angeordnete Zwangsmedikation sei ein Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit, der zwar auf gesetzlicher Grundlage des § 1906 Abs. 3 BGB erfolgen könne, dessen Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien. Das Landgericht habe bereits keine Ausführungen dazu gemacht, inwiefern der durch die Zwangsmedikation zu erwartende Nutzen die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiege (§ 1906 Abs. 3 Nr. 5 BGB), oder ausgeführt, warum erheblicher gesundheitlicher Schaden durch keine andere Maßnahme abgewendet werden könne (§ 1906 Abs. 3 Nr. 4 BGB). Es sei nicht ersichtlich, dass erheblicher gesundheitlicher Schaden überhaupt eintreten würde; hinsichtlich der Diabetes- und Blutdruckerkrankung habe die Beschwerdeführerin die Medikamente regelmäßig eingenommen.

22

Es bedürfe eines Hauptsacheverfahrens, das nicht geführt werde. § 333 FamFG lasse die einstweilige Anordnung bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur für die Dauer von zwei Wochen zu, wobei auch bei mehrfacher Verlängerung eine Gesamtdauer von sechs Wochen nicht überschritten werden dürfe. Das Landgericht habe die Zwangsmedikation für einen Zeitraum von mehr als fünf Wochen genehmigt; insofern liege ein eklatanter Verstoß gegen gesetzliche Regelungen vor, der unmittelbar zu einer Grundrechtsbeeinträchtigung führe. Die behandelnden Ärzte hätten im Vorfeld des Beschlusses mitgeteilt, dass sich die Gefahr entsprechender Krankheitsschübe der Beschwerdeführerin auch bei Medikamentenabgabe nicht vollständig ausschließen lasse. Auch die neuerliche Stellungnahme des Krankenhauses zeige, dass die Medikamentenabgabe nicht zum gewünschten Erfolg führe. Dies untermauere die Bedenken am Überwiegen des Nutzens der medizinischen Zwangsbehandlung gegenüber den zu erwartenden Beeinträchtigungen.

23

2. Das Sächsische Staatsministerium der Justiz und für Europa hat von einer Stellungnahme abgesehen.

24

3. Die Akten des fachgerichtlichen Verfahrens wurden beigezogen. Aus diesen ergibt sich, dass der vorläufige Betreuer der Beschwerdeführerin eine zunächst am 24. Juni 2014 beantragte Verlängerung der zivilrechtlichen Unterbringung und Zwangsbehandlung beim Amtsgericht Eilenburg nach gerichtlichem Hinweis darauf, dass die gesetzlich vorgesehene Höchstfrist überschritten sei, zurückgenommen hat.

III.

25

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte der Beschwerdeführerin angezeigt ist (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung (§ 93c Abs. 1 BVerfGG) liegen insoweit vor. Die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen sind durch das Bundesverfassungsgericht bereits geklärt (vgl. BVerfGE 45, 187 <223>; 58, 208 <225 f.>; 65, 317 <322>; 70, 297 <308>; 128, 282 ff.; 129, 269 ff.; 133, 112 ff.). Die Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet. Die Entscheidung des Landgerichts zur ärztlichen Zwangsbehandlung (hierzu 1.) und zur Unterbringung (hierzu 2.) verletzt die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes.

26

1. Soweit der Beschluss des Landgerichts die zwangsweise medikamentöse Behandlung der Beschwerdeführerin mit Neuroleptika genehmigt, verletzt er sie in ihrem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

27

a) Die medizinische Behandlung gegen den natürlichen Willen (kurz: Zwangsbehandlung) einer Betroffenen greift in deren Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein, das die körperliche Integrität der Grundrechtsträgerin und damit auch das diesbezügliche Selbstbestimmungsrecht schützt (vgl. BVerfGE 128, 282 <300>; 129, 269 <280>; 133, 112 <131>). Die Zwangsbehandlung ist, wie jeder andere Grundrechtseingriff, nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig, das die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimmt (vgl. BVerfGE 128, 282 <317>). Dies gilt nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Gesetzlicher Regelung bedürfen sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materieller Hinsicht die für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen (vgl. BVerfGE 128, 282 <318 ff.>; 129, 269 <283>; 133, 112 <132>). Mit den vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 128, 282 ff.; 129, 269 ff.) und des Bundesgerichtshofs(vgl. BGH, Beschlüsse vom 20. Juni 2012 - XII ZB 130/12 und XII ZB 99/12) zum 26. Februar 2013 in Kraft getretenen Neuregelungen der § 1906 Abs. 3 und 3a BGB sowie der §§ 312, 323, 329 und 333 FamFG hat der Gesetzgeber materielle und formelle Eingriffsvoraussetzungen für die Veranlassung einer ärztlichen Zwangsmaßnahme unter geschlossenen stationären Bedingungen durch den Betreuer neu geschaffen (vgl. BTDrucks 17/11513 und 17/12086). Diesen Anforderungen wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht. Damit verkennt das Landgericht die Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG.

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Auch wenn die Genehmigung der Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Wege der einstweiligen Anordnung erteilt wird, müssen für deren Zulässigkeit die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 3 BGB erfüllt sein (vgl. Schmidt-Recla, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 331 Rn. 5; Budde, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 331 Rn. 3). Diesen materiellen Voraussetzungen genügt der Beschluss des Landgerichts in mehrfacher Hinsicht nicht (hierzu b)). Das Verfahren der einstweiligen Anordnung richtet sich weiterhin gemäß § 51 Abs. 2 Satz 1 FamFG nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den §§ 331 bis 334 FamFG etwas anderes ergibt. Diese verfahrensrechtliche Anforderungen hat das Landgericht ebenfalls in mehrfacher Hinsicht nicht beachtet (hierzu c)).

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b) aa) Gemäß § 1906 Abs. 3 Nr. 1 BGB kann der Betreuer in eine dem natürlichen Willen des Betreuten widersprechende ärztliche Maßnahme nur einwilligen, wenn der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann (vgl. für dieses Erfordernis BVerfGE 128, 282 <304 f.>). Die Beschwerdeführerin hat, was auch nach den Feststellungen des landgerichtlichen Beschlusses feststehen dürfte, seit Jahrzehnten aufgrund der medikamentösen Behandlung ihrer Erkrankung ein Leben ohne Betreuer geführt und nach den Feststellungen des Beschlusses des Amtsgerichts Eilenburg in diesem Zustand den Entschluss gefasst, in Zukunft keine Psychopharmaka mehr einnehmen zu wollen. Auch soweit feststehen dürfte, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Erlasses des landgerichtlichen Beschlusses krankheitsbedingt die Notwendigkeit der Behandlung nicht (mehr) einsehen konnte, hätte das Landgericht angesichts der aus dem amtsgerichtlichen Beschluss ersichtlichen Feststellungen überprüfen müssen, ob nicht möglicherweise ein nach § 1901a Abs. 1 oder 2 BGB beachtlicher Wille der Beschwerdeführerin der Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung entgegenstand (vgl. hierfür Marschner, in: Jürgens, Betreuungsrecht, 5. Auflage 2014, § 1906 Rn. 36; siehe hierzu auch die Neuregelung des § 630d BGB; vgl. zur Bindung des Betreuers an den mutmaßlichen Patientenwillen bei dessen Einwilligungsunfähigkeit, soweit keine Patientenverfügung i.S.d. § 1901a Abs. 1 BGB vorliegt, auch die Gesetzesbegründung BTDrucks 17/11513, S. 7).

30

Das Amtsgericht Eilenburg hat die Annahme, die Beschwerdeführerinhabe sich im Zustand freier Willensbildung zur Absetzung ihrer Medikamente entschieden, auf die Stellungnahmen des Verfahrenspflegers und den von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Anhörung gewonnenen Eindruck gestützt. Das Landgericht ist demgegenüber auf das vom Verfahrenspflegeraufgeworfene Engagement der Beschwerdeführerin in einem sich gegen den Einsatz von Psychopharmaka engagierenden Verein nicht eingegangen. Auch wenn der vorläufige Betreuer der Beschwerdeführerin in seiner Beschwerde diesem Engagement widersprochen hat, wäre das Landgericht verpflichtet gewesen, diesbezüglich weitere Sachverhaltsermittlungen anzustellen. Ob dies in der mündlichen Anhörung durch das Landgericht am 20. Mai 2014 erfolgt ist, ist dem betreffenden Anhörungsprotokoll nicht zu entnehmen. Seine Ausführungen zum Vorliegen eines die Zwangsmedikation ausschließenden freien Willens der Beschwerdeführerin im Beschluss selbst (es habe nicht feststellen können, dass es sich bei dem Entschluss der Beschwerdeführerin zur Absetzung der Medikamente um eine aus freiem Willen getroffene Entscheidung gehandelt habe; diese Entscheidung sei bereits Ausdruck des erneuten Ausbruchs ihrer seit Jahrzehnten andauernden psychischen Erkrankung) sind demgegenüber nicht geeignet, nachvollziehbar zu begründen, dass sich die Beschwerdeführerin nicht - wie vom Amtsgericht festgestellt - in einem Zustand der Einsichtsfähigkeit wegen der Nebenwirkungen bewusst gegen die weitere Einnahme von Psychopharmaka entschieden hat. Vielmehr lassen sie vermuten, dass das Landgericht daraus, dass die Entscheidung der Beschwerdeführerin zur Absetzung der Medikamente von durchschnittlichen Präferenzen abweicht und aus der Außenansicht unvernünftig erscheinen dürfte, auf die (eingriffslegitimierende) Unfähigkeit der Beschwerdeführerin zu freier Selbstbestimmung geschlossen hat. Damit verkennt es, dass das Recht auf körperliche Unversehrtheit als Freiheitsgrundrecht das Recht einschließt, von der Freiheit einen Gebrauch zu machen, der - jedenfalls in den Augen Dritter - den wohlverstandenen Interessen des Grundrechtsträgers zuwiderläuft. Die grundrechtlich geschützte Freiheit schließt gerade auch die "Freiheit zur Krankheit" und damit das Recht ein, auf Heilung zielende Eingriffe abzulehnen, selbst wenn diese nach dem Stand des medizinischen Wissens dringend angezeigt sind (vgl. BVerfGE 128, 282 <304 m.w.N.>).

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bb) Gemäß § 1906 Abs. 3 Nr. 2 BGB kann der Betreuer weiterhin nur einwilligen, wenn zuvor versucht wurde, die Betreute von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen (vgl. für dieses Erfordernis BVerfGE 128, 282 <309 f.>). Dieser Versuch muss ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks erfolgen (vgl. BVerfGE 128, 282 <309>; 129, 269 <283>; 133, 112 <139>; BTDrucks 17/12086, S. 1, 11) und durch eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen werden, was das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Juli 2014 - XII ZB 169/14 - juris, Rn. 15 f. und vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - juris, Rn. 15 f.). Auch bei diesem Merkmal handelt es sich um eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung durch den Betreuer. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert, dass die Durchführung der ärztlichen Zwangsmaßnahme gegen den natürlichen Willen der Betroffenen nicht dadurch vermieden werden kann, dass sie von ihrer Notwendigkeit überzeugt und eine Änderung ihres Willens herbeigeführt wird (vgl. BGH, a.a.O.).

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Vorliegend erwähnt zwar die ärztliche Stellungnahme vom 10. April 2014, dass versucht worden sei, die Beschwerdeführerin von der Notwendigkeit der Heilbehandlung zu überzeugen. Wie genau sich dieser lediglich in einem Satz erwähnte Überzeugungsversuch der Ärzte hinsichtlich Zeitpunkt, äußerem Rahmen, Beteiligten, Umfang und Inhalt dargestellt hat und ob er den gesetzlichen Anforderungen entsprechend vorgenommen wurde (vgl. hierzu im Einzelnen BGH, Beschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - juris, Rn. 18 ff.), ist der ärztlichen Stellungnahme jedoch nicht zu entnehmen. Dies wiegt umso schwerer, als der Beschluss des Landgerichts diesen Satz lediglich wiederholt, ohne nähere Feststellungen hierzu zu treffen.

33

cc) Gemäß § 1906 Abs. 3 Nr. 3 BGB muss die ärztliche Zwangsmaßnahme zum Wohl der Betreuten erforderlich sein, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden abzuwenden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfordert, dass der drohende gesundheitliche Schaden einen erheblichen Schweregrad erreichen muss, damit ein Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich der körperlichen Integrität gerechtfertigt erscheint (vgl. für dieses Erfordernis im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB a.F. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1998 - 2 BvR 2270/96 - NJW 1998, S. 1774 <1775>; für Beispielsfälle vgl. Dodegge, NJW 2013, S. 1265 <1267 f.>). Worin der drohende erhebliche gesundheitliche Schaden bei einer unterbleibenden Behandlung der Beschwerdeführerin liegen könnte, ergibt sich aus den Feststellungen des landgerichtlichen Beschlusses nicht. Dieser stellt lediglich fest, dass die Beschwerdeführerin seit langem an einer "schizoaffektiven Störung" leide, die ohne Unterbringung und Behandlung zu erheblichen gesundheitlichen Schäden führen würde, und verweist diesbezüglich ohne nähere Konkretisierung auf die Ausführungen der behandelnden Ärzte. Welche Angaben diese zum gesundheitlichen Zustand der Beschwerdeführerin während der Anhörung vor dem Landgericht gemacht haben, ist dem Anhörungsprotokoll wiederum nicht zu entnehmen. Die weiteren Ausführungen, nach denen bei der Beschwerdeführerin "aufgrund von wahnhafter Verkennung der Realität, psychotisch motivierten Fehlhandlungen und massiver Verwahrlosung ohne eine medikamentöse Behandlung Eigen- und Fremdgefährdung" sowie "die Gefahr einer Chronifizierung der psychischen Erkrankung, die Entgleisung des Diabetes Mellitus und der ateriellen Hypertonie mit allen erdenklichen medizinischen Folgeerscheinungen" bestehe, wiederholen lediglich Formulierungen aus der ärztlichen Stellungnahme vom 10. April 2014 und gehen auf den konkreten Gesundheitszustand der Beschwerdeführerin nicht ein. Sie benennen überdies keine konkreten gesundheitlichen Schäden, die den erforderlichen Grad der Erheblichkeit erreichen würden. Der bloß formelhafte Hinweis auf "alle erdenklichen medizinischen Folgeerscheinungen" genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.

34

dd) Gemäß § 1906 Abs. 3 Nr. 4 BGB darf der erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere dem Betreuten zumutbare Maßnahme abgewendet werden können (vgl. hierzu BVerfGE 128, 282 <309>). Zu diesem Erforderlichkeitsmerkmal verhält sich der Beschluss bis auf die anfängliche Wiedergabe des Wortlauts des § 1906 Abs. 3 BGB überhaupt nicht, so dass nicht zu erkennen ist, ob die Möglichkeit einer weniger in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit eingreifenden Behandlung, für deren Beurteilung allein die Sicht der Betreuten maßgeblich ist, überhaupt in Betracht gezogen wurde (für Beispiele weniger eingreifender Maßnahmen vgl. Dodegge, NJW 2013, S. 1265 <1268>).

35

ee) Ebenso wenig ergibt sich aus dem Beschluss, dass - wie von § 1906 Abs. 3 Nr. 5 BGB gefordert - der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt (vgl. zu diesem Erfordernis BVerfGE 128, 282 <310 f.>). Das Landgericht stellt diesbezüglich - wiederum formelhaft - lediglich fest, dass es die durch die Medikation bedingten unangenehmen Nebenwirkungen nicht verkenne, diese jedoch in keinem Verhältnis zu dem derzeit bestehenden Krankheitszustand der Beschwerdeführerin stünden. Weder zu dem konkreten Krankheitszustand noch zu dem Eintreten konkreter Nebenwirkungen enthält der Beschluss Ausführungen, die den gesetzlichen Anforderungen genügen.

36

c) In verfahrensrechtlicher Hinsicht hat der Gesetzgeber durch die Neufassung des § 312 Satz 1 Nr. 1 FamFG die Genehmigung der betreuungsrechtlichen Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme den Unterbringungssachen im Sinne des § 312 FamFG zugeordnet. Den sich aus diesem Verfahren ergebenden Anforderungen wird der Beschluss ebenfalls nicht gerecht.

37

aa) Es ist bereits zweifelhaft, ob dem Gericht vor Genehmigung der Einwilligung des vorläufigen Betreuers in die Zwangsbehandlung ein den Anforderungen des § 331 Satz 1 Nr. 2 FamFG genügendes ärztliches Zeugnis vorgelegen hat. Zwar ist im Verfahren der einstweiligen Anordnung einer Zwangsbehandlungsmaßnahme nach § 312 Satz 1 Nr. 1 FamFG nicht erforderlich, dass zuvor ein von einem die Betroffene nicht behandelnden Arzt zu erstellendes Sachverständigengutachten (vgl. § 321 Abs. 1 Satz 5 FamFG) eingeholt worden ist (vgl. BTDrucks 17/12086, S. 2; vgl. auch Budde, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 331 Rn. 5). Die Zeitersparnis der einstweiligen Anordnung gegenüber dem Hauptsacheverfahren besteht gerade darin, statt eines Gutachtens nach § 321 FamFG auf ein ärztliches Zeugnis zurückgreifen zu können (vgl. Schmidt-Recla, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 331 Rn. 2). Aus dem Beschluss geht jedoch nicht hervor, dass dem Landgericht ein den Anforderungen des § 331 Satz 1 Nr. 2 FamFG genügendes ärztliches Zeugnis über den Zustand der Beschwerdeführerin und die Notwendigkeit der Maßnahme vorgelegen hat. In den Akten des fachgerichtlichen Verfahrens findet sich lediglich die ärztliche Stellungnahme vom 10. April 2014, die zum Zeitpunkt der Verhandlung über die Beschwerde am 20. Mai 2014 bereits über einen Monat alt war, für die Beschreibung des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführerin auf deren Zustand bei Einweisung in die Psychiatrie am 24. März 2014 zurückgriff und sich hinsichtlich der aktuellen Beschreibung ihres Gesundheitszustandes auf dieselben formelhaften Formulierungen beschränkte, die der Beschluss des Landgerichts verwendet. Hinsichtlich der beschriebenen Gefahr einer Entgleisung des Diabetes Mellitus und der Blutdruckerkrankungbestehen zudem Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Stellungnahme, da sich aus den Akten konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Beschwerdeführerin ihre diese Erkrankungen betreffenden Medikamente freiwillig eingenommen hatte (vgl. grundsätzlich für die inhaltlichen Anforderungen, die auch ein ärztliches Zeugnis erfüllen muss, Schmidt-Recla, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 331 Rn. 7 m.w.N.; Budde, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 331 Rn. 8 m.w.N.; Diekmann, in: Jurgeleit, Betreuungsrecht, 3. Auflage 2013, § 331 Rn. 4 m.w.N.).

38

bb) Hinzu kommt, dass in dem landgerichtlichen Beschluss die zulässige Höchstdauer der einstweilig angeordneten Zwangsmedikation deutlich überschritten worden ist. Gemäß § 333 Abs. 2 Satz 1 FamFG darf die einstweilige Anordnung bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme die Dauer von zwei Wochen nicht überschreiten. Diese Regelung soll gerade sicherstellen, dass bei einer so einschneidenden Maßnahme wie der Zwangsbehandlung die Gesamthöchstdauer von sechs Wochen nicht überschritten wird und damit die Verfahrensgarantie der Begutachtung durch einen unabhängigen Sachverständigen nicht umgangen werden kann (vgl. hierzu Schmidt-Recla, in: Münchener Kommentar zum FamFG, 2. Auflage 2013, § 333 Rn. 7). Der die Maßnahme für eine - lediglich im Hauptsacheverfahren zulässige (§ 329 Abs. 1 Satz 2 FamFG) - Höchstdauer von sechs Wochen anordnende Beschluss genügt somit auch den Anforderungen für die Zulässigkeit einer im einstweiligen Anordnungsverfahren genehmigten Zwangsbehandlung offensichtlich nicht.

39

2. Soweit der Beschluss des Landgerichts die vorläufige Unterbringung der Beschwerdeführerin genehmigt, verletzt er sie in ihrem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

40

a) Die Freiheit der Person ist unverletzlich (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG). In diese Freiheit darf gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes eingegriffen werden. Inhalt und Reichweite eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes sind von den Fachgerichten so auszulegen, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten. Ungeachtet des hohen Ranges des hier geschützten Grundrechts ist es allerdings auch in diesem Bereich in erster Linie Aufgabe der Fachgerichte, den Sinn des Gesetzesrechts mit Hilfe der anerkannten Methoden der Rechtsfindung zu ergründen und den Anwendungsbereich des Gesetzes zu bestimmen. Das Bundesverfassungsgericht kann erst korrigierend tätig werden, wenn das fachgerichtliche Auslegungsergebnis über die vom Grundgesetz gezogenen Grenzen hinausgreift, insbesondere wenn es mit Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf persönliche Freiheit nicht zu vereinbaren ist (vgl. BVerfGE 65, 317 <322>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 23. März 1998 - 2 BvR 2270/96 -, NJW 1998, S. 1774 <1774>).

41

Die Freiheit der Person ist ein so hohes Rechtsgut, dass sie nur aus besonders gewichtigem Grund angetastet werden darf (vgl. BVerfGE 45, 187 <223>). Die Einschränkung dieser Freiheit ist daher stets der strengen Prüfung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu unterziehen. Sie ist in der Regel nur zulässig, wenn sie der Schutz der Allgemeinheit oder der Rechtsgüter anderer verlangt (vgl. BVerfGE 58, 208 <224 f.>). Dies schließt allerdings nicht von vornherein einen staatlichen Eingriff aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, einen psychisch Kranken vor sich selbst zu schützen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen. Die Fürsorge der staatlichen Gemeinschaft schließt auch die Befugnis ein, den psychisch Kranken, der infolge seines Krankheitszustandes und der damit verbundenen fehlenden Einsichtsfähigkeit die Schwere seiner Erkrankung und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen nicht zu beurteilen vermag oder sich trotz einer solchen Erkenntnis infolge der Krankheit nicht zu einer Behandlung entschließen kann, zwangsweise in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen, wenn sich dies als unumgänglich erweist, um eine drohende gewichtige gesundheitliche Schädigung von dem Kranken abzuwenden (vgl. BVerfGE 58, 208 <224 ff.>). Eine allein zur Durchführung einer zwangsweisen Heilbehandlung angeordnete Unterbringung ist jedoch lediglich dann verhältnismäßig, wenn die angeordnete Zwangsbehandlung ihrerseits ohne Verletzung der Grundrechte der Betroffenen erfolgt.

42

b) Diesen Maßstäben wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht. Das Landgericht hat seine Entscheidung über die vorläufige Unterbringung allein darauf gestützt, dass die Voraussetzungen zur Durchführung einer Heilbehandlung gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorlägen. Zwar zitiert der Beschluss nicht allein diesen Teil der Norm, sondern nennt allgemein § 1906 Abs. 1 BGB als gesetzliche Grundlage für die Unterbringung. Im Folgenden gibt er jedoch hinsichtlich der konkreten Voraussetzungen für die Unterbringung fast wortgleich § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB wieder und stellt im Übrigen ausdrücklich fest, dass bei der Betroffenen eine akute Eigen- und Fremdgefährdung nicht mehr vorhanden sei. Diese Feststellung deckt sich mit der Begründung der Aufhebung des die öffentlich-rechtliche Unterbringung der Beschwerdeführerinverlängernden Beschlusses des Amtsgerichts Leipzig vom 5. Mai 2014. Aufgrund derselben mündlichen Anhörung der Beschwerdeführerin vom 20. Mai 2014 hat das Landgericht mit Beschluss vom 26. Mai 2014 - 02 T 294/14 - festgestellt, dass mangels Eigen- oder Fremdgefährdung die Voraussetzungen für eine öffentlich-rechtliche Unterbringung der Beschwerdeführerin nicht mehr gegeben seien. Insoweit wird deutlich, dass das Landgericht die Genehmigung der vorläufigen Unterbringung der Beschwerdeführerin nicht auf § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, sondern auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt hat.

43

Die unter diesen Voraussetzungen angeordnete Freiheitsentziehungist jedoch nur verhältnismäßig, wenn während der Unterbringung eine erfolgversprechende Heilbehandlung überhaupt durchgeführt werden kann, ohne ihrerseits Grundrechte der Betroffenen zu verletzen (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30. Juli 2014 - XII ZB 169/14 - juris, Rn. 21 ff.). Vorliegend war, wie in den in § 1906 Abs. 3 BGB erfassten Fällen, auszuschließen, dass die Beschwerdeführerin eine Behandlung ohne Zwang vornehmen lassen würde. Die Genehmigung der Unterbringung zur Durchführung der Heilbehandlung wäre mithin nur zulässig gewesen, wenn die Voraussetzungen für eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Sinne des § 1906 Abs. 3 BGB vorgelegen hätten und diese nach § 1906 Abs. 3a BGB rechtwirksam genehmigt worden wäre (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 23). Da die Genehmigung der ärztlichen Zwangsbehandlung durch das Landgericht bereits ihrerseits das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf körperliche Unversehrtheit verletzt (vgl. hierzu oben, 1.), ist die allein zur Durchführung dieser rechtswidrigen Maßnahme angeordnete Freiheitsentziehung der Beschwerdeführerin unverhältnismäßig und verletzt sie daher auch in ihrem Freiheitsgrundrecht.

44

c) Darüber hinausverstößt die Genehmigung der vorläufigen Unterbringung der Beschwerdeführerin gegen ihr Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, weil die Unterbringung über die gesetzlich vorgesehene Dauer hinaus angeordnet worden ist und mithin ohne gesetzliche Grundlage erfolgte.

45

Gemäß § 333 Abs. 1 Satz 1 FamFG kann die vorläufige Unterbringung für die Dauer von sechs Wochen genehmigt werden. Sie kann nach Anhörung eines Sachverständigen verlängert werden (§ 333 Abs. 1 Satz 2 FamFG). Jedenfalls darf die Gesamtdauer der vorläufigen Unterbringung drei Monate nicht überschreiten (§ 333 Abs. 1 Satz 4 FamFG). Die hier angegriffene Unterbringungsanordnung stellt bereits die Verlängerung der einstweiligen Maßnahme nach dem SächsPsychKG dar. Eine wiederholte einstweilige Anordnung ist als Verlängerung der früher ergangenen einstweiligen Anordnung anzusehen, wenn es sich um dieselbe Angelegenheit handelt. Hierbei ist maßgeblich, ob nach Beendigung der vorherigen Unterbringungsmaßnahme eine neue Sachlage, insbesondere ein neues Krankheitsbild eingetreten ist. Die Überleitung einer nach Landesrecht angeordneten Maßnahme in eine zivilrechtliche steht der Bewertung als einheitliche Angelegenheit nicht entgegen (vgl. hierzu Budde, in: Keidel, FamFG, 18. Auflage 2014, § 333 Rn. 2 ff.).

46

Vorliegend wurde die vorläufige Unterbringung der Beschwerdeführerin erstmalig mit Beschluss des Amtsgerichts Leipzig vom 25. März 2014 auf Grundlage des SächsPsychKG angeordnet. Das Amtsgericht Leipzig hat diese Unterbringungsmaßnahme aufgrund desselben Krankheitsbildes verlängert. Durch den hier angegriffenen Beschluss des Landgerichts wurde diese öffentlich-rechtliche Unterbringung - wiederum aufgrund desselben Krankheitsbildes - in eine zivilrechtliche Unterbringung übergeleitet. Letztere sollte bis zum 30. Juni 2014 dauern. Die Höchstdauer der vorläufigen Unterbringung von drei Monaten in derselben Angelegenheit war aber bereits am 24. Juni 2014 erreicht. Jedenfalls die Anordnung der vorläufigen Unterbringung vom 25. Juni 2014 bis zum 30. Juni 2014 erfolgte damit ohne rechtliche Grundlage und verstößt bereits deshalb gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG.

47

3. Die Entscheidung beruht auf dem Grundrechtsverstoß. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 1 BVerfGG ist festzustellen, dass das Landgericht die Grundrechte der Beschwerdeführerin aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG verletzt hat. Da der Unterbringungsbeschluss des Landgerichts mit Ablauf des 30. Juni 2014 erledigt ist, bleibt für eine Zurückverweisung kein Raum (vgl. BVerfGE 42, 212 <222>; 44, 353 <383>; 50, 234 <243>). Auch eine Zurückverweisung wegen der Kosten kommt nicht in Betracht, weil das Verfahren vor dem Landgericht gerichtsgebührenfrei war.

48

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG.

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme anordnen oder genehmigen, wenn

1.
dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht,
2.
ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen und über die Notwendigkeit der Maßnahme vorliegt; der Arzt, der das ärztliche Zeugnis ausstellt, soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie haben; dies gilt nicht für freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 312 Nummer 2 und 4,
3.
im Fall des § 317 ein Verfahrenspfleger bestellt und angehört worden ist und
4.
der Betroffene persönlich angehört worden ist.
Eine Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe ist abweichend von § 319 Abs. 4 zulässig.

(1) Die einstweilige Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten. Reicht dieser Zeitraum nicht aus, kann sie nach Anhörung eines Sachverständigen durch eine weitere einstweilige Anordnung verlängert werden. Die mehrfache Verlängerung ist unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zulässig. Sie darf die Gesamtdauer von drei Monaten nicht überschreiten. Eine Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens (§ 322) ist in diese Gesamtdauer einzubeziehen.

(2) Die einstweilige Anordnung darf bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung die Dauer von zwei Wochen nicht überschreiten. Bei mehrfacher Verlängerung darf die Gesamtdauer sechs Wochen nicht überschreiten.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 130/12
vom
20. Juni 2012
in der Betreuungssache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling,
Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Der Beteiligten zu 2 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung und zur Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt. Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt vom 27. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 KostO). Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Die Beteiligte zu 2 begehrt als Betreuerin die Genehmigung einer Zwangsbehandlung der Betroffenen.
2
Das Amtsgericht hat für die Betroffene, bei der im Jahr 2011 eine paranoide Schizophrenie festgestellt wurde, die Betreuung unter anderem mit dem Aufgabenkreis Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung einschließlich der Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung angeordnet. Zudem hat es die Unterbringung der Betroffenen durch die Betreuerin gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB bis Januar 2014 unter Hinweis darauf genehmigt, dass wegen der drohenden Obdachlosigkeit eine Eigengefährdung drohe.
3
Den Antrag der Betreuerin, die Betroffene auch gegen ihren Willen medikamentös behandeln und dazu notfalls fixieren lassen zu dürfen, hat das Amtsgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug und das Fehlen einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage abgelehnt. Die gegen diesen Beschluss eingelegte Beschwerde der Betreuerin hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

B.

4
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat die Genehmigung der Zwangsbehandlung der Betroffenen zu Recht abgelehnt.

I.

5
Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
6
Während die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB unter bestimmten Voraussetzungen eine Zwangsbehandlung zugelassen habe, müssten die Voraussetzungen für eine Zwangsmedikation nunmehr an den verfassungsrechtlichen Maßstäben der jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gemessen werden. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB enthalte keine hinreichende Ermächtigung zur zwangsweisen Durchsetzung einer Behandlung gegenüber der Betroffenen. Die Norm ermächtige das Betreuungsgericht nach seinem Wortlaut nur dazu, die Unterbringung der Betroffenen zur Heilbehandlung zu genehmigen, also freiheitsentziehende Maßnahmen anzuordnen, in deren Rahmen dann eine Heilbehandlung durchgeführt werden könne. Der Wortlaut enthalte keinerlei Hinweis auf eine Zwangsbehandlung.
7
Zudem habe der Gesetzgeber ausdrücklich davon abgesehen, im Betreuungsrecht eine Ermächtigung zur Zwangsbehandlung wie auch ein generelles Verbot der Zwangsbehandlung zu regeln. Ein formelles Gesetz habe er also gerade nicht geschaffen.
8
Eine ausreichende gesetzliche Grundlage ergebe sich ebenso wenig aus § 1906 Abs. 4 BGB. Auch insoweit fehlten jegliche Kriterien dafür, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Fixierung zum Zwecke der Zwangsbehandlung genehmigungsfähig sei. Entscheidend sei, dass der Zweck dieser Vorschrift die Regelung der gerichtlichen Genehmigungsbedürftigkeit bei Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sei.
9
Dass § 1906 BGB nach diesem Verständnis nur einen beschränkten Anwendungsbereich habe, müsse angesichts der unmissverständlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hingenommen werden. Dabei sei nicht zu verkennen , dass es zumeist dem objektiven Wohl des Betroffenen entsprechen möge, eine Behandlung durchzuführen. Es bestehe die Gefahr, dass sich die derzeitige Situation, die eine Behandlung gegen den Willen der Betroffenen trotz Behandlungsbedürftigkeit nicht zulasse, für alle Beteiligten unbefriedigend sei. Dieser Nachteil müsse angesichts der Schwere der Grundrechtseingriffe und des Fehlens einer klaren und bestimmten Eingriffsnorm hingenommen werden.
10
Die Ansicht, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würden für den Bereich des Betreuungsrechts nicht gelten, weil die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem enthielten, dessen Schutzniveau den verfassungsrechtlichen Anforderungen sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht gerecht würden, könne nicht überzeugen.
11
Die Betreuerin begehre auch nicht nur die Anordnung einer Unterbringung an sich. Eine freiheitsentziehende Maßnahme sei zwischenzeitlich bereits durch den Beschluss des Amtsgerichts aufgrund des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgt und habe zum Zeitpunkt der Beschwerde bereits vorgelegen. Der Antrag der Betreuerin auf Unterbringung zur Heilbehandlung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verfolge vielmehr den Zweck, die von der Betroffenen verweigerte medikamentöse Behandlung zwangsweise gegen ihren Willen durchzusetzen. Eine solche Zwangsbehandlung sei aber - wie vorstehend ausgeführt - nicht möglich. Eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, bei der die Heilbehandlung nicht durchgeführt werde oder werden könne, dürfe nicht genehmigt werden.

II.

12
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
13
1. Der Rechtsbeschwerde bleibt nicht bereits deshalb der Erfolg versagt, weil die Betroffene wegen Selbstgefährdung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB untergebracht ist.
14
Zwar kommt nach der bisherigen Senatsrechtsprechung die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer vom Betreuer veranlassten Zwangsbehandlung gegen den natürlichen Willen des im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Be- troffenen nur im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Betracht (BGHZ 166, 141, 149 ff. = FamRZ 2006, 615, 617 f.).
15
Die Rechtsbeschwerde kann aber nicht allein deshalb zurückgewiesen werden, weil die Betroffene - nur - nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB untergebracht ist. Das Beschwerdegericht hat den Antrag der Betreuerin, die Betroffene auch gegen ihren Willen medikamentös behandeln und dazu notfalls auch fixieren lassen zu dürfen bzw. ihren Antrag auf Genehmigung der Unterbringung ersichtlich auch als einen Antrag auf Genehmigung der Unterbringung zur Heilbehandlung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB ausgelegt.
16
Ausgehend von der Prämisse, dass nach der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht mehr genehmigungsfähig ist, sind die weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts allerdings konsequent , wonach eine Unterbringung nicht in Betracht kommt, weil die Heilbehandlung nicht durchgeführt werden kann. Deshalb kommt es für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde maßgeblich darauf an, ob § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch unter Berücksichtigung der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Genehmigung in die Einwilligung einer mit Zwangsbehandlung verbundenen Unterbringung noch zu rechtfertigen vermag.
17
2. Diese Frage ist zu verneinen; der Senat hält an seiner Rechtsprechung insoweit nicht mehr fest.
18
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats umfasst die Befugnis des Betreuers, in ärztliche Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen eines im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betroffenen einzuwilligen, im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch das Recht, erforderlichenfalls einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 149 ff. = FamRZ 2006, 615, 617 f.). Da eine medizinische Maßnahme nur dann als notwendig im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB angesehen werden könne, wenn sie rechtlich zulässig sei, könne der Betroffene auf dieser Rechtsgrundlage nur untergebracht werden, wenn er während der Unterbringung auch behandelt werden dürfe. Sähe man die zwangsweise Überwindung eines der Behandlung entgegenstehenden Willens des Betroffenen auch im Rahmen einer Unterbringungsmaßnahme als unzulässig an, würde der Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB von vornherein auf die - eher seltenen - Fälle beschränkt, in denen der Betroffene zwar die Notwendigkeit der medizinischen Maßnahme bejahe oder jedenfalls trotz fehlender Behandlungseinsicht keinen der medizinischen Maßnahme entgegenstehenden natürlichen Willen manifestiere, er aber nicht die Notwendigkeit der Unterbringung einsehe. Die Vorschrift könne daher sinnvoll nur dahin ausgelegt werden, dass der Betroffene die notwendigen medizinischen Maßnahmen, in die der Betreuer zu seinem Wohl eingewilligt habe und derentwegen der Betroffene untergebracht werden dürfe, unabhängig von seinem möglicherweise entgegenstehenden natürlichen Willen während der Unterbringung zu dulden habe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 152 = FamRZ 2006, 615, 618). Allerdings müsse in der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die von dem Betroffenen zu duldende Behandlung so präzise wie möglich angegeben werden, weil sich nur aus diesen Angaben der Unterbringungszweck sowie Inhalt, Gegenstand und Ausmaß der vom Betroffenen zu duldenden Behandlung hinreichend konkret und bestimmbar ergäben; dazu gehörten bei einer Behandlung durch Verabfolgung von Medikamenten in der Regel auch die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder des Wirkstoffs und deren (Höchst-)Dosierung sowie Verabreichungshäufigkeit (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 f. = FamRZ 2006, 615, 618).
19
Aus dem Umstand, dass die Erzwingung medizinischer Maßnahmen gegen den Widerstand des Betroffenen nur im Rahmen einer vom Betreuungsgericht nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigten freiheitsentziehenden Unterbringung zulässig sei, dürfe freilich nicht gefolgert werden, dass eine freiheitsentziehende Unterbringung immer schon dann vom Betreuer veranlasst werden dürfe, wenn eine medizinische Maßnahme notwendig sei, aber nur gegen den Widerstand des Betroffenen durchgeführt werden könne. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlange nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig sei. Die freiheitsentziehende Unterbringung müsse vielmehr auch ihrerseits erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt werden könne. Sie sei in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten sei, dass der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der erforderlichen medizinischen Maßnahme räumlich, also etwa durch Fernbleiben oder "Weglaufen" , entziehe. Umgekehrt begründe die Erforderlichkeit der medizinischen Maßnahme ebenso wie die Erforderlichkeit, den dieser Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden, für sich genommen noch keine Notwendigkeit, den Betroffenen freiheitsentziehend unterzubringen, also etwa auch dann, wenn der Betroffene sich der Maßnahme zwar physisch widersetze , sich ihr aber nicht räumlich entziehe (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 23).
20
Der Senat hat ferner entschieden, dass die Genehmigung nur zulässig sei, wenn die Zwangsmedikation erforderlich und angemessen sei. Ob dies der Fall sei, bedürfe im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs einer besonders sorgfältigen Prüfung (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 8). Es liege auf der Hand, dass ein noch strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen sei, wenn die Freiheitsentziehung mit einer Zwangsbehandlung des Betroffenen - deren Zulässigkeit vorausgesetzt - verbunden werden solle. Dies folge schon daraus, dass in diesem Falle nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen seien. Bei der Prüfung, ob eine - insbesondere längerfristige - Behandlung eines untergebrachten Betroffenen unter Zwang dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch entspreche, seien an die Gewichtigkeit des ohne Behandlung drohenden Gesundheitsschadens, aber auch an die Heilungs- bzw. Besserungsprognose strengere Anforderungen zu stellen. Dies lege gerade bei der Behandlung psychischer Erkrankungen eine besonders kritische Prüfung des therapeutischen Nutzens einer nur unter Zwang durchgeführten Medikation nahe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 146 f. = FamRZ 2006, 615, 616).
21
Schließlich sei ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
22
b) Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr in zwei grundlegenden Beschlüssen aus dem Jahr 2011 entschieden, dass die Zwangsbehandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig sei, das die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs bestimme (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72 und 2011, 1927 Rn. 38). Dies gelte nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Die in verfahrensrechtlicher wie in materieller Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen bedürften gesetzlicher Regelungen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72). Der Gesetzgeber sei gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Die notwendige Bestimmtheit fehle zwar nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Die Betroffenen müssten jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können, und die gesetzesausführende Verwaltung müsse für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden. Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehöre die Klarheit und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit der Norm. Die Anforderung an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit seien umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff sei, den eine Norm vorsehe. Dabei könne auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung sein (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73).
23
Dem Eingriffscharakter einer Zwangsbehandlung stehe nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 40). Krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit eines Untergebrachten ändere ebenfalls nichts daran, dass eine gegen seinen natürlichen Willen erfolgende Behandlung, die seine körperliche Integrität berühre, einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstelle. Sie könne im Gegenteil dazu führen, dass der Eingriff von dem Betroffenen als besonders bedrohlich erlebt werde. Selbst die Einwilligung des Betreuers nehme daher der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42), zumal der Eingriff für den Betroffenen nicht dadurch weniger belastend sei, dass gerade ein Betreuer ihr zugestimmt habe (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
24
Der Gesetzgeber sei (allerdings) berechtigt, unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgers ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig sei (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 49).
25
In materieller Hinsicht folge aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst, dass Maßnahmen der Zwangsbehandlung nur eingesetzt werden dürften, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertige , Erfolg versprächen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 57). Zwangsmaßnahmen dürften ferner nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn mildere Mittel keinen Erfolg versprächen. Zudem müsse der Zwangsbehandlung, soweit der Betroffene gesprächsfähig sei, der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von unzulässigem Druck unternommene Versuch vorausgegangen sein, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58).
26
Grundsätzlich sei eine Ankündigung erforderlich, die dem Betroffenen die Möglichkeit eröffne, vor Schaffung vollendeter Tatsachen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, auch wenn die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters vorliege (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 63). Allerdings dürfe die Flexibilität der fachgerechten ärztlichen Reaktion auf individuelle Unterschiede nicht über Gebühr beeinträchtigt werden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 64), wobei die Anordnung und Überwachung einer medikamentösen Zwangsbehandlung durch einen Arzt unabdingbar seien. Es sei notwendig, die Zwangsbehandlung zu dokumentieren. Art. 2 Abs. 2 GG fordere darüber hinaus spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen die besonderen situationsbedingten Grundrechtsgefährdungen , die sich ergäben, wenn über die Anordnung einer Zwangsbehandlung außerhalb akuter Notfälle allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheide (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 68). Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung und die dadurch eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenste- hende versetzten den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit , in der er besonderen Schutz dagegen bedürfe, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt würden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 69). Es seien keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, derentwegen eine Betreuerlösung von Verfassungs wegen vorzugswürdiger wäre beispielsweise gegenüber einem Richtervorbehalt oder gegenüber der Beteiligung einer anderen neutralen Stelle. Die Ausgestaltung der Art und Weise , in der sichergestellt werde, dass vor Durchführung einer Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinde, sei Sache des jeweils zuständigen Gesetzgebers (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
27
c) Nach überwiegender Auffassung in der - nach Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 (FamRZ 2011, 1128) veröffentlichten - Rechtsprechung und Literatur fehlt es an einer den vorgenannten verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Ermächtigungsgrundlage für eine betreuungsrechtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung (LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris; LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris; AG Ludwigsburg Beschluss vom 18. Mai 2011 - 8 VII 257/11 - juris und FamRZ 2012, 739; AG Bremen BtPrax 2012, 85 und NJW 2012, 1090; AG Frankfurt a.M. Beschluss vom 29. Februar 2012 - 49 XVII HOF 399/12 - juris; Bienwald FPR 2012, 4, 8; Moll-Vogel FamRB 2011, 249, 250; Marschner R&P 2011, 160, 163; aA LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris; Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 236 ff., 238).
28
d) Der Senat teilt im Ergebnis diese Auffassung und gibt damit seine Rechtsprechung auf, wonach Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich genehmigungsfähig sind (Senatsbeschlüsse BGHZ 166, 141 = FamRZ 2006, 615; vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 und vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976).
29
Nach Auffassung des Senats sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586 - FamFG) werden den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat, nicht gerecht.
30
aa) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 mwN; s. auch LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris Rn. 19) finden die Grundrechte auch bei der im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung stattfindenden Zwangsbehandlung unmittelbar Anwendung. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 (BGHZ 166, 141, 148 = FamRZ 2006, 615, 616 f.) ausgeführt hat, gilt im Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen nichts anderes als in dem Verhältnis zwischen Vormund und Mündel. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Vormund im Rahmen der Fürsorge eine öffentliche Funktion wahrnimmt und sich daher der Mündel auch gegenüber Handlungen des Vormunds auf seine Grundrechte berufen kann. Es verbiete sich, die Unterbringung volljähriger Geisteskranker durch den Vormund rechtlich so zu würdigen, als ob sich die Freiheitsentziehung im Rahmen privatrechtlicher Beziehung zwischen Staatsbürgern abspielte. Der Staat könne sich von der Grundrechtsbindung nicht dadurch befreien, dass er eine Privatperson zur Wahrung einer öffentlichen Aufgabe bestelle und ihm die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überlasse (vgl. BVerfGE 10, 302, 327).
31
Richtig ist allerdings, dass das Genehmigungserfordernis des § 1906 BGB die sich aus §§ 1901, 1902 BGB ergebende Rechtsmacht des Betreuers, nicht jedoch die Freiheit des Betroffenen einschränkt (Lipp JZ 2006, 661, 663 f.). § 1906 BGB regelt also nicht den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, sondern die Kontrolle des Betreuers wegen seiner dem Grunde nach bestehenden unbeschränkten Vertretungsmacht (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 83; vgl. zum Vormund BVerfGE 10, 302, 310; zum Bevollmächtigten BVerfG FamRZ 2009, 945, 947). Die sich hieran anschließende Frage, ob sich die Kontrolle des von staatlichen Gerichten bestellten Betreuers hinsichtlich der grundrechtsrelevanten Eingriffe an denselben Maßstäben messen lassen muss, die gelten, wenn der Staat die Maßnahmen, in die der Betreuer einwilligen will, selbst angeordnet hätte, ist nach Auffassung des Senats zu bejahen.
32
Das Bundesverfassungsgericht geht auch bei der Genehmigung einer - von dem Betreuer veranlassten - Unterbringung von "einem staatlichen Eingriff" aus (BVerfG FamRZ 1998, 895, 896). Zudem hat es ausgeführt, dass selbst die Einwilligung des Betreuers der (Zwangs-)Maßnahme nicht den Eingriffscharakter nehme (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42). Auch wenn sich seine Handlungsbefugnisse nach der Dogmatik des Betreuungsrechts unmittelbar aus §§ 1901, 1902 BGB ergeben (vgl. Lipp JZ 2006, 661, 663 f.), muss die gebotene staatliche Kontrolle inhaltlich den Anforderungen genügen, die das Bundesverfassungsgericht für eine an den Staat adressierte Ermächtigungsgrundlage fordert. Dass die Betreuung im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, die Betreuung die mit der Menschenwürde garantierte Selbstbestimmung des Einzelnen verwirklichen soll und der Betreuer die Rechte des Betroffenen auch gegenüber dem Staat wahrzunehmen hat (Lipp JZ 2006, 661, 663), ändert nichts daran, dass jener bei fehlender Einsichtsfähigkeit des Betroffenen neben der zivilrechtlichen Vertretung auch öffentliche Fürsorge ausübt.
33
bb) Die Vorschriften des Betreuungsrechts genügen denAnforderungen nicht, die das Bundesverfassungsgericht für die gesetzliche Regelung einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat und die für die staatliche Kontrolle des darauf bezogenen Betreuerhandelns gleichermaßen gelten müssen. Ebenso wenig enthalten die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem zur betreuungsrechtlichen Genehmigung einer Zwangsbehandlung, dessen Schutzniveau den nunmehr vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (aA Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 f.).
34
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Vorschrift so bestimmt gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73). Dem aktuell oder potentiell betroffenen Untergebrachten sowie den zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträgern , dem Betreuer, der Unterbringungseinrichtung und den behandelnden Ärzten, müssen die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz erkennbar sein (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 74).
35
Weder § 1906 BGB noch die übrigen betreuungsrechtlichen materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften verhalten sich zur Frage der Zwangsbehandlung. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die notwendige Bestimmtheit nicht schon deshalb fehle, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Demgemäß hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf abgestellt, dass die Norm im Wesentlichen sinnlos wäre, wenn die von ihr vorausgesetzte Heilbehandlung nicht durchsetzbar wäre. Das ändert indes nichts daran, dass für die aktuell bzw. potentiell betroffenen Untergebrachten die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz selbst nicht erkennbar sind.
36
Hinzu kommt, dass § 1906 BGB seinem Wortlaut nach unmittelbar nur die Kontrolle eines Eingriffs in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Person gewährleistet, sich aber nicht zu dem in besonders intensiver Weise tangierten, von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit geschützten Recht auf Selbstbestimmung des Betroffenen hinsichtlich seiner körperlichen Integrität (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 44) verhält.
37
(2) Der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar entsprochen (so zutreffend Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237). Danach waren nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen (BGHZ 166, 141, 146 = FamRZ 2006, 615, 616). Auch wenn sich Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 1906 BGB selbst finden, weil die Unterbringung nur zulässig ist, "solange sie zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist", kann das allerdings im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht darüber hinweghelfen, dass das Gesetz selbst keine Ausführungen zur Zwangsbehandlung, namentlich zur Auswahl der konkret anzuwendenden Maßnahmen nach Art und Dauer - einschließlich der Auswahl und Dosierung einzusetzender Medikamente und begleitender Kontrol- len - enthält. Ebenso fehlen Regelungen dazu, dass die Zwangsbehandlung nicht mit Belastungen verbunden sein darf, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen und dass die Zwangsbehandlung nur das letzte Mittel darstellen darf, also eine weniger eingreifende Behandlung aussichtslos sein muss (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58). Soweit der Senat hierzu bereits Leitsätze aufgestellt hat, handelt es sich um Richterrecht. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kann das indes nicht genügen. Danach sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht. Für die näheren Anforderungen ist auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73 - s. auch LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris Rn. 13).
38
(3) Schließlich sind auch die in verfahrensrechtlicher Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen zur Zwangsbehandlung (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72) gesetzlich nicht geregelt.
39
(a) Allerdings dürfte die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, dass vor Durchführung der Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinden muss (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71), erfüllt sein.
40
Denn zum einen ist in den Fällen der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung der Betreuer eingeschaltet; grundsätzlich ist nur er befugt, die Behandlung zu veranlassen. Hinzu kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats für den Fall der bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Unterbringung bekannten Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung, dass sich der genehmigende Beschluss nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch auf die Zwangsbe- handlung zu erstrecken hat (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 = FamRZ 2006, 615, 618).
41
Gleiches dürfte für den Fall gelten, dass sich die Erforderlichkeit einer Zwangsmedikation bei einem bereits nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB untergebrachten Betroffenen erst im Nachhinein herausstellt. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig ist (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
42
(b) Demgegenüber vermögen die im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthaltenen Verfahrensvorschriften den von dem Bundesverfassungsgericht gestellten Anforderungen an die gesetzliche Regelung der Zwangsbehandlung nicht gerecht zu werden. Sie beziehen sich jeweils nur auf die Unterbringung, nicht aber auf eine Zwangsbehandlung. In § 321 FamFG ist beispielsweise geregelt, dass vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden hat. Demgegenüber genügt gemäß § 321 Abs. 2 FamFG für eine Maßnahme nach § 312 Nr. 2 FamFG (die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB) eine ärztliche Stellungnahme. Ob vor der Genehmigung einer Zwangsbehandlung ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, oder ob insoweit auch eine ärztliche Stellungnahme ausreicht , ist gesetzlich nicht geregelt. Zwar dürfte ein Sachverständigengutachten notwendig sein, wenn die Genehmigung der Zwangsbehandlung mit der Unterbringung einhergeht. Welche Anforderungen aber bestehen, wenn eine gesonderte Genehmigung der Zwangsbehandlung erforderlich wird, kann dem Gesetz nicht entnommen werden.
43
(c) Ferner finden sich im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit weder Vorschriften, die - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 67, 79) - zur Dokumentation der Maßnahme verpflichten, noch enthält es Bestimmungen, wonach die Maßnahme nur auf Anordnung und unter der Leitung eines Arztes durchgeführt werden darf (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 79). Dass die behandelnde Klinik beide Aspekte regelmäßig aus eigenem Interesse beachten und der Arzt - berufsrechtlich - zur Dokumentation verpflichtet sein wird (so Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 238), genügt nicht, um den vom Bundesverfassungsgericht herausgestellten verfahrensrechtlichen Anforderungen zu genügen.
44
(d) Ebenso fehlen konkrete Regelungen darüber, welche Behandlungsdauer eine gerichtliche Genehmigung umfassen kann und wie konkret die Genehmigung erfolgen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfen auch diese wesentlichen Fragen einer gesetzlichen Regelung.
45
e) Gemessen an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Regelung vermag § 1906 Abs. 4 BGB ebenso wenig die Genehmigung der Anordnung einer Zwangsbehandlung durch den Betreuer zu rechtfertigen. Wie § 1906 Abs. 1 BGB regelt auch § 1906 Abs. 4 BGB den Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit und die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 145, 297, 301 f. = FamRZ 2001, 149, 150). Die Regelungsmaterie geht also nicht über den in § 1906 Abs. 1 BGB geregelten Bereich hinaus. Vielmehr hat der Gesetzgeber Absatz 4 ersichtlich als geringeren Eingriff angesehen, weil es für eine Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB gemäß § 321 Abs. 2 iVm § 312 Nr. 2 FamFG lediglich der Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses bedarf.
46
f) Nach alledem fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Deshalb darf ein Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlung veranlassen.
47
3. Entgegen dem Antrag der Betreuerin kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Betracht (aA LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris).
48
Voraussetzung hierfür ist, dass das vorlegende Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Das ist hier nicht der Fall.
49
Unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts enthalten die Vorschriften des Betreuungsrechts, insbesondere § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Eine Auslegung des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Gestalt der bisherigen Senatsrechtsprechung kommt nicht mehr in Betracht. Deshalb kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.
50
Ob der Staat im Rahmen seiner ihm nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG obliegenden Schutzpflicht (vgl. dazu BVerfG NVwZ 2011, 991 Rn. 37) verpflichtet ist, zum Wohle der Betroffenen die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer Zwangsbehandlung gesetzlich zu regeln, kann dahinstehen. Art. 100 Abs. 1 GG enthält nach seinem Wortlaut nicht die Verpflichtung des Gerichts, ein Unterlassen des Gesetzgebers als Verfassungsverstoß zur Prüfung zu stellen. Dass Art. 100 Abs. 1 GG entsprechend auszulegen wäre, hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls bislang nicht entschieden (offengelassen in BVerfG Be- schluss vom 9. Mai 2006 - 2 BvL 4/02 - juris Rn. 22; NJW 1994, 2750, 2751; NVwZ 1984, 365 und NJW 1964, 1411).
51
4. Der Senat verkennt nicht, dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen dazu führen kann, dass ein Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen Schaden nimmt. Der Senat hat bereits hinsichtlich der Problematik einer ambulanten Zwangsbehandlung wiederholt darauf hingewiesen (Senatsbeschlüsse BGHZ 145, 297, 310 = FamRZ 2001, 149, 152 und vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866, 868).
Dose Klinkhammer Schilling Günter Botur
Vorinstanzen:
AG Ingolstadt, Entscheidung vom 02.01.2012 - 17 XVII 78/11 -
LG Ingolstadt, Entscheidung vom 27.02.2012 - 13 T 220/12 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 99/12
vom
20. Juni 2012
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur
Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72 und
FamRZ 2011, 1927 Rn. 38) fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen
Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche
Zwangsbehandlung (Aufgabe der Senatsrechtsprechung Senatsbeschlüsse BGHZ
166, 141 = FamRZ 2006, 615; vom 23. Januar 2008 XII ZB 185/07 - FamRZ 2008,
866 und vom 22. September 2010 XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976).
Deshalb darf der Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung
keine Zwangsbehandlung veranlassen.
BGH, Beschluss vom 20. Juni 2012 - XII ZB 99/12 - LG Stuttgart
AG Ludwigsburg
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Juni 2012 durch den
Vorsitzenden Richter Dose und die Richter Dr. Klinkhammer, Schilling,
Dr. Günter und Dr. Botur

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 131 Abs. 5 KostO). Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe:

A.

1
Die Beteiligte zu 1 begehrt als Betreuerin die Genehmigung einer Zwangsbehandlung der Betroffenen.
2
Die Betroffene leidet an einer blanden Psychose bei vielfältigen sozialen Problemen und an einer Borderline Persönlichkeitsstörung. Die Betreuung wurde unter anderem für die Bereiche Bestimmung des Aufenthalts einschließlich Maßnahmen der Freiheitsbeschränkung und -entziehung sowie der Unterbringung und für die medizinische und pflegerische Betreuung und Versorgung, einschließlich der Einwilligung in ärztliche Maßnahmen und Eingriffe angeordnet. Die Beteiligte zu 1 wurde zur Betreuerin bestellt. Anschließend genehmigte das Betreuungsgericht auf ihren Antrag die Unterbringung der Betroffenen auf der geschlossenen Station einer psychiatrischen Einrichtung gemäß § 1906 Abs. 1 BGB.
3
Den Antrag der Betreuerin auf betreuungsgerichtliche Genehmigung für eine Zwangsmedikation nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB hat das Betreuungsgericht unter Hinweis auf die jüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts abgelehnt. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betreuerin zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betreuerin mit der vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
4
Am 2. April 2012 ist die Betroffene entlassen worden.

B.

5
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat die Genehmigung der Zwangsbehandlung zu Recht abgelehnt.

I.

6
Nach Auffassung des Landgerichts genügt § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen an eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage. Die Norm ermächtige das Betreuungsgericht nach seinem Wortlaut nur dazu, die Unterbringung des Betroffenen zur Heilbehandlung zu genehmigen, dem Betroffenen gegenüber also eine freiheitsentziehende Maßnahme anzuordnen, in deren Rahmen dann eine Heilbehandlung durchgeführt werden könne. Der Wortlaut enthalte keinerlei Hinweise auf eine Zwangsbehandlung. Für den jeweiligen Kreis der Normbetroffenen, bei denen es sich in aller Regel um schwer psychisch erkrankte und deshalb beein- trächtigte Menschen handele, ergebe sich keineswegs bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Heilbehandlung auch gegen den Willen des Betroffenen durchgeführt werden könne, die Norm also etwa zur Zwangsmedikation berechtigen solle. Zudem habe der Gesetzgeber § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB bewusst nicht als Grundlage für eine Zwangsbehandlung formuliert. Er habe vielmehr trotz Problembewusstseins ausdrücklich davon abgesehen, im Betreuungsrecht eine Ermächtigung zur Zwangsbehandlung wie auch ein generelles Verbot zur Zwangsbehandlung zu regeln. Ein formelles Gesetz, das zum Grundrechtseingriff berechtige, habe er also gerade nicht geschaffen.
7
Dass die Vorschrift nach diesem Verständnis nur einen beschränkten Anwendungsbereich habe, müsse angesichts der unmissverständlichen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hingenommen werden. Dabei sei nicht zu verkennen, dass es zumeist dem objektiven Wohl des Betroffenen entsprechen möge, eine Behandlung durchzuführen. Die derzeitige Situation, die eine Behandlung gegen den Willen der Betroffenen trotz Behandlungsbedürftigkeit nicht zulasse, sei für alle Beteiligten unbefriedigend. Dieser Nachteil müsse angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffs und des Fehlens einer klaren und bestimmten Eingriffsnorm im Sinne eines wirksamen Grundrechtsschutzes und unter Berücksichtigung der hierzu ergangenen Rechtsprechung hingenommen werden.
8
Die Ansicht, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würden für den Bereich des Betreuungsrechts nicht gelten, weil die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem enthielten, dessen Schutzniveau den verfassungsrechtlichen Anforderungen sowohl in materieller als auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht gerecht würde, überzeuge nicht. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur ermächtigenden Norm gründeten auf der Qualität des Grundrechtseingriffs. Für den Betroffenen werde der Eingriff, der in der medizinischen Zwangsbehandlung liege, nicht dadurch weniger belastend, dass ein Betreuer zustimme. Es sei gemäß Art. 2 Abs. 2 GG dem Gesetzgeber vorbehalten , Eingriffsbereiche und deren Ziele zu formulieren, dies sei hinsichtlich einer betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung nicht erfolgt. Eine Norm, deren Wortlaut für den Kreis der Normanwender und Normbetroffenen klar ergebe, dass die Zwangsbehandlung betreuungsgerichtlich genehmigt werden könne, sei auch nicht in den übrigen Vorschriften des Betreuungsrechts zu erkennen.
9
Die Betreuerin begehre auch nicht nur die Anordnung einer Unterbringung an sich. Die freiheitsentziehende Maßnahme sei bereits durch den Beschluss des Amtsgerichts aufgrund § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfolgt. Der Antrag der Betreuerin auf Unterbringung zur Heilbehandlung im Sinne des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verfolge vielmehr den Zweck, die von der Betroffenen verweigerte medikamentöse Behandlung zwangsweise gegen ihren Willen durchzusetzen. Eine solche Zwangsbehandlung sei aber - wie vorstehend ausgeführt - nicht möglich. Eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, bei der die Heilbehandlung - aus welchen Gründen auch immer - nicht durchgeführt werde oder werden könne, dürfe jedoch nicht genehmigt werden. Wenn und soweit weiterhin die Voraussetzungen des § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB vorlägen, werde eine Unterbringung der Betroffenen auch weiterhin betreuungsgerichtlich zu genehmigen sein.

II.

10
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung stand.
11
1. Allerdings bleibt der Rechtsbeschwerde nicht bereits deshalb der Erfolg versagt, weil die Betroffene nach den Angaben der Betreuerin bereits aus der Betreuung entlassen worden ist bzw. sie gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB wegen Selbstgefährdung untergebracht war.
12
Nach den getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB nicht mehr vorliegen und eine Unterbringung nach Nr. 2 deshalb nicht in Betracht kommt, weil die gebotene medikamentöse Behandlung gegen den Willen der Betroffenen entsprechend der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts nicht durchsetzbar ist. Auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung, wonach eine betreuungsgerichtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung im Rahmen der Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB zulässig war, wäre der Antrag der Betreuerin auf Genehmigung der Zwangsmedikation jedenfalls dahin auszulegen, dass auch die übrigen Voraussetzungen einer Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB festzustellen und bei Vorliegen der Voraussetzungen eine entsprechende Unterbringung zu genehmigen wäre. Denn bereits der ursprüngliche Antrag der Betreuerin auf Genehmigung der Unterbringung war auf § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB gestützt.
13
Ausgehend von der Prämisse, dass nach der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Einwilligung des Betreuers in eine Zwangsbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht mehr genehmigungsfähig ist, sind die weiteren Ausführungen des Beschwerdegerichts allerdings konsequent , wonach eine solche Unterbringung nicht in Betracht kommt, weil die Heilbehandlung nicht durchgeführt werden kann. Deshalb kommt es für die Entscheidung der Rechtsbeschwerde maßgeblich darauf an, ob § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch unter Berücksichtigung der jüngsten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Genehmigung in die Einwilligung einer mit Zwangsbehandlung verbundenen Unterbringung noch zu rechtfertigen vermag.
14
2. Diese Frage ist zu verneinen; der Senat hält an seiner Rechtsprechung insoweit nicht mehr fest.
15
a) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats umfasst die Befugnis des Betreuers, in ärztliche Maßnahmen auch gegen den natürlichen Willen eines im Rechtssinne einwilligungsunfähigen Betroffenen einzuwilligen, im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zur Heilbehandlung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch das Recht, erforderlichenfalls einen der ärztlichen Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 149 ff. = FamRZ 2006, 615, 617 f.). Da eine medizinische Maßnahme nur dann als notwendig im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB angesehen werden könne, wenn sie rechtlich zulässig sei, könne der Betroffene auf dieser Rechtsgrundlage nur untergebracht werden, wenn er während der Unterbringung auch behandelt werden dürfe. Sähe man die zwangsweise Überwindung eines der Behandlung entgegenstehenden Willens des Betroffenen auch im Rahmen einer Unterbringungsmaßnahme als unzulässig an, würde der Anwendungsbereich des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB von vornherein auf die - eher seltenen - Fälle beschränkt, in denen der Betroffene zwar die Notwendigkeit der medizinischen Maßnahme bejahe oder jedenfalls trotz fehlender Behandlungseinsicht keinen der medizinischen Maßnahme entgegenstehenden natürlichen Willen manifestiere, er aber nicht die Notwendigkeit der Unterbringung einsehe. Die Vorschrift könne daher sinnvoll nur dahin ausgelegt werden, dass der Betroffene die notwendigen medizinischen Maßnahmen, in die der Betreuer zu seinem Wohl eingewilligt habe und derentwegen der Betroffene untergebracht werden dürfe, unabhängig von seinem möglicherweise entgegenstehenden natürlichen Willen während der Unterbringung zu dulden habe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 152 = FamRZ 2006, 615, 618). Allerdings müsse in der Genehmigung einer Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB die von dem Betroffenen zu duldende Behandlung so präzise wie möglich angegeben werden, weil sich nur aus diesen Angaben der Unterbringungszweck sowie Inhalt, Gegenstand und Ausmaß der vom Betroffenen zu duldenden Behandlung hinreichend konkret und bestimmbar ergäben; dazu gehörten bei einer Behandlung durch Verabfolgung von Medikamenten in der Regel auch die möglichst genaue Angabe des Arzneimittels oder des Wirkstoffs und deren (Höchst-)Dosierung sowie Verabreichungshäufigkeit (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 f. = FamRZ 2006, 615, 618).
16
Aus dem Umstand, dass die Erzwingung medizinischer Maßnahmen gegen den Widerstand des Betroffenen nur im Rahmen einer vom Betreuungsgericht nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigten freiheitsentziehenden Unterbringung zulässig sei, dürfe freilich nicht gefolgert werden, dass eine freiheitsentziehende Unterbringung immer schon dann vom Betreuer veranlasst werden dürfe, wenn eine medizinische Maßnahme notwendig sei, aber nur gegen den Widerstand des Betroffenen durchgeführt werden könne. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB verlange nicht nur, dass die medizinische Maßnahme als solche notwendig sei. Die freiheitsentziehende Unterbringung müsse vielmehr auch ihrerseits erforderlich sein, damit die medizinische Maßnahme durchgeführt werden könne. Sie sei in diesem Sinne erforderlich, wenn zu erwarten sei, dass der Betroffene sich ohne die freiheitsentziehende Unterbringung der erforderlichen medizinischen Maßnahme räumlich, also etwa durch Fernbleiben oder "Weglaufen" , entziehe. Umgekehrt begründe die Erforderlichkeit der medizinischen Maßnahme ebenso wie die Erforderlichkeit, den dieser Maßnahme entgegenstehenden Willen des Betroffenen zu überwinden, für sich genommen noch keine Notwendigkeit, den Betroffenen freiheitsentziehend unterzubringen, also etwa auch dann, wenn der Betroffene sich der Maßnahme zwar physisch widersetze , sich ihr aber nicht räumlich entziehe (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 Rn. 23).
17
Der Senat hat ferner entschieden, dass die Genehmigung nur zulässig sei, wenn die Zwangsmedikation erforderlich und angemessen sei. Ob dies der Fall sei, bedürfe im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs einer besonders sorgfältigen Prüfung (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 8). Es liege auf der Hand, dass ein noch strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen sei, wenn die Freiheitsentziehung mit einer Zwangsbehandlung des Betroffenen - deren Zulässigkeit vorausgesetzt - verbunden werden solle. Dies folge schon daraus, dass in diesem Falle nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen seien. Bei der Prüfung, ob eine - insbesondere längerfristige - Behandlung eines untergebrachten Betroffenen unter Zwang dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch entspreche, seien an die Gewichtigkeit des ohne Behandlung drohenden Gesundheitsschadens, aber auch an die Heilungs- bzw. Besserungsprognose strengere Anforderungen zu stellen. Dies lege gerade bei der Behandlung psychischer Erkrankungen eine besonders kritische Prüfung des therapeutischen Nutzens einer nur unter Zwang durchgeführten Medikation nahe (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 146 f. = FamRZ 2006, 615, 616).
18
Schließlich sei ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
19
b) Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr in zwei grundlegenden Beschlüssen aus dem Jahr 2011 entschieden, dass die Zwangsbehandlung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten nur auf der Grundlage eines Gesetzes zulässig sei, das die Voraussetzung für die Zulässigkeit des Eingriffs be- stimme (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72 und 2011, 1927 Rn. 38). Dies gelte nicht nur für die materiellen, sondern auch für die formellen Eingriffsvoraussetzungen. Die in verfahrensrechtlicher wie in materieller Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen bedürften gesetzlicher Regelungen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72). Der Gesetzgeber sei gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich sei. Die notwendige Bestimmtheit fehle zwar nicht schon deshalb, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Die Betroffenen müssten jedoch die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können, und die gesetzesausführende Verwaltung müsse für ihr Verhalten steuernde und begrenzende Handlungsmaßstäbe vorfinden. Zur notwendigen Erkennbarkeit des Norminhalts gehöre die Klarheit und, als deren Bestandteil, die Widerspruchsfreiheit der Norm. Die Anforderung an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit seien umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff sei, den eine Norm vorsehe. Dabei könne auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung sein (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73).
20
Dem Eingriffscharakter einer Zwangsbehandlung stehe nicht entgegen, dass sie zum Zweck der Heilung vorgenommen werde (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 40). Krankheitsbedingte Einsichtsunfähigkeit eines Untergebrachten ändere ebenfalls nichts daran, dass eine gegen seinen natürlichen Willen erfolgende Behandlung, die seine körperliche Integrität berühre, einen Eingriff in den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG darstelle. Sie könne im Gegenteil dazu führen, dass der Eingriff von dem Betroffenen als besonders bedrohlich erlebt werde. Selbst die Einwilligung des Betreuers nehme daher der Maßnahme nicht den Eingriffscharakter (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42), zumal der Eingriff für den Betroffenen nicht dadurch weniger belastend sei, dass gerade ein Betreuer ihr zugestimmt habe (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
21
Der Gesetzgeber sei (allerdings) berechtigt, unter engen Voraussetzungen Behandlungsmaßnahmen gegen den natürlichen Willen des Grundrechtsträgers ausnahmsweise zu ermöglichen, wenn dieser zur Einsicht in die Schwere seiner Krankheit und die Notwendigkeit von Behandlungsmaßnahmen oder zum Handeln gemäß solcher Einsicht krankheitsbedingt nicht fähig sei (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 49).
22
In materieller Hinsicht folge aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zunächst, dass Maßnahmen der Zwangsbehandlung nur eingesetzt werden dürften, wenn sie im Hinblick auf das Behandlungsziel, das ihren Einsatz rechtfertige , Erfolg versprächen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 57). Zwangsmaßnahmen dürften ferner nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn mildere Mittel keinen Erfolg versprächen. Zudem müsse der Zwangsbehandlung, soweit der Betroffene gesprächsfähig sei, der ernsthafte, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung von unzulässigem Druck unternommene Versuch vorausgegangen sein, seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58).
23
Grundsätzlich sei eine Ankündigung erforderlich, die dem Betroffenen die Möglichkeit eröffne, vor Schaffung vollendeter Tatsachen eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen, auch wenn die Einwilligung eines gesetzlichen Vertreters vorliege (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 63). Allerdings dürfe die Flexibilität der fachgerechten ärztlichen Reaktion auf individuelle Unterschiede nicht über Gebühr beeinträchtigt werden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 64), wobei die Anordnung und Überwachung einer medikamentösen Zwangsbehandlung durch einen Arzt unabdingbar seien. Es sei notwendig, die Zwangsbehandlung zu dokumentieren. Art. 2 Abs. 2 GG fordere darüber hinaus spezielle verfahrensmäßige Sicherungen gegen die besonderen situationsbedingten Grundrechtsgefährdungen , die sich ergäben, wenn über die Anordnung einer Zwangsbehandlung außerhalb akuter Notfälle allein die jeweilige Unterbringungseinrichtung entscheide (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 68). Die weitreichenden Befugnisse der Unterbringungseinrichtung und die dadurch eingeschränkten Möglichkeiten der Unterstützung und Begleitung durch Außenstehende versetzten den Untergebrachten in eine Situation außerordentlicher Abhängigkeit , in der er besonderen Schutz dagegen bedürfe, dass seine grundrechtlich geschützten Belange etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt würden (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 69). Es seien keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, derentwegen eine Betreuerlösung von Verfassungs wegen vorzugswürdiger wäre beispielsweise gegenüber einem Richtervorbehalt oder gegenüber der Beteiligung einer anderen neutralen Stelle. Die Ausgestaltung der Art und Weise , in der sichergestellt werde, dass vor Durchführung einer Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinde, sei Sache des jeweils zuständigen Gesetzgebers (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71).
24
c) Nach überwiegender Auffassung in der - nach Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. März 2011 (FamRZ 2011, 1128) veröffentlichten - Rechtsprechung und Literatur fehlt es an einer den vorgenannten verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprechenden Ermächtigungsgrundlage für eine betreuungsrechtliche Genehmigung der Zwangsbehandlung (LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris; LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris; AG Ludwigsburg Beschluss vom 18. Mai 2011 - 8 VII 257/11 - juris und FamRZ 2012, 739; AG Bremen BtPrax 2012, 85 und NJW 2012, 1090; AG Frankfurt a.M. Beschluss vom 29. Februar 2012 - 49 XVII HOF 399/12 - juris; Bienwald FPR 2012, 4, 8; Moll-Vogel FamRB 2011, 249, 250; Marschner R&P 2011, 160, 163; aA LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris; Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 236 ff., 238).
25
d) Der Senat teilt im Ergebnis diese Auffassung und gibt damit seine Rechtsprechung auf, wonach Zwangsbehandlungen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB grundsätzlich genehmigungsfähig sind (Senatsbeschlüsse BGHZ 166, 141 = FamRZ 2006, 615; vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866 und vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976).
26
Nach Auffassung des Senats sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Zwangsbehandlung im Maßregelvollzug im Wesentlichen auf die Zwangsbehandlung im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung zu übertragen. Die materiellen Vorschriften des Betreuungsrechts und die Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586 - FamFG) werden den Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht für die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat, nicht gerecht.
27
aa) Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung (vgl. Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 mwN; s. auch LG Berlin Beschluss vom 21. Mai 2012 - 83 T 163/12 - juris Rn. 19) finden die Grundrechte auch bei der im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung stattfindenden Zwangsbehandlung unmittelbar Anwendung. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2006 (BGHZ 166, 141, 148 = FamRZ 2006, 615, 616 f.) ausgeführt hat, gilt im Verhältnis des Betreuers zum Betroffenen nichts anderes als in dem Verhältnis zwischen Vormund und Mündel. Hierzu hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass der Vormund im Rahmen der Fürsorge eine öffentliche Funktion wahrnimmt und sich daher der Mündel auch gegenüber Handlungen des Vormunds auf seine Grundrechte berufen kann. Es verbiete sich, die Unterbringung volljähriger Geisteskranker durch den Vormund rechtlich so zu würdigen, als ob sich die Freiheitsentziehung im Rahmen privatrechtlicher Beziehung zwischen Staatsbürgern abspielte. Der Staat könne sich von der Grundrechtsbindung nicht dadurch befreien, dass er eine Privatperson zur Wahrung einer öffentlichen Aufgabe bestelle und ihm die Entscheidung über den Einsatz staatlicher Machtmittel überlasse (vgl. BVerfGE 10, 302, 327).
28
Richtig ist allerdings, dass das Genehmigungserfordernis des § 1906 BGB die sich aus §§ 1901, 1902 BGB ergebende Rechtsmacht des Betreuers, nicht jedoch die Freiheit des Betroffenen einschränkt (Lipp JZ 2006, 661, 663 f.). § 1906 BGB regelt also nicht den Eingriff in die Rechte des Betroffenen, sondern die Kontrolle des Betreuers wegen seiner dem Grunde nach bestehenden unbeschränkten Vertretungsmacht (vgl. BT-Drucks. 11/4528 S. 83; vgl. zum Vormund BVerfGE 10, 302, 310; zum Bevollmächtigten BVerfG FamRZ 2009, 945, 947). Die sich hieran anschließende Frage, ob sich die Kontrolle des von staatlichen Gerichten bestellten Betreuers hinsichtlich der grundrechtsrelevanten Eingriffe an denselben Maßstäben messen lassen muss, die gelten, wenn der Staat die Maßnahmen, in die der Betreuer einwilligen will, selbst angeordnet hätte, ist nach Auffassung des Senats zu bejahen.
29
Das Bundesverfassungsgericht geht auch bei der Genehmigung einer - von dem Betreuer veranlassten - Unterbringung von "einem staatlichen Eingriff" aus (BVerfG FamRZ 1998, 895, 896). Zudem hat es ausgeführt, dass selbst die Einwilligung des Betreuers der (Zwangs-) Maßnahme nicht den Eingriffscharakter nehme (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 42). Auch wenn sich seine Handlungsbefugnisse nach der Dogmatik des Betreuungsrechts unmittelbar aus §§ 1901, 1902 BGB ergeben (vgl. Lipp JZ 2006, 661, 663 f.), muss die gebotene staatliche Kontrolle inhaltlich den Anforderungen genügen, die das Bundesverfassungsgericht für eine an den Staat adressierte Ermächtigungsgrundlage fordert. Dass die Betreuung im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt ist, die Betreuung die mit der Menschenwürde garantierte Selbstbestimmung des Einzelnen verwirklichen soll und der Betreuer die Rechte des Betroffenen auch gegenüber dem Staat wahrzunehmen hat (Lipp JZ 2006, 661, 663), ändert nichts daran, dass jener bei fehlender Einsichtsfähigkeit des Betroffenen neben der zivilrechtlichen Vertretung auch öffentliche Fürsorge ausübt.
30
bb) Die Vorschriften des Betreuungsrechts genügen den Anforderungen nicht, die das Bundesverfassungsgericht für die gesetzliche Regelung einer Zwangsbehandlung aufgestellt hat und die für die staatliche Kontrolle des darauf bezogenen Betreuerhandelns gleichermaßen gelten müssen. Ebenso wenig enthalten die §§ 1896 ff. BGB ein geschlossenes Regelungssystem zur betreuungsrechtlichen Genehmigung einer Zwangsbehandlung, dessen Schutzniveau den nunmehr vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (aA Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237 f.).
31
(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts muss die Vorschrift so bestimmt gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73). Dem aktuell oder potentiell betroffenen Untergebrachten sowie den zur Normanwendung in erster Linie berufenen Entscheidungsträgern , dem Betreuer, der Unterbringungseinrichtung und den behandelnden Ärzten, müssen die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz erkennbar sein (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 74).
32
Weder § 1906 BGB noch die übrigen betreuungsrechtlichen materiellen und verfahrensrechtlichen Vorschriften verhalten sich zur Frage der Zwangsbehandlung. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass die notwendige Bestimmtheit nicht schon deshalb fehle, weil eine Norm auslegungsbedürftig sei. Demgemäß hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zu § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB darauf abgestellt, dass die Norm im Wesentlichen sinnlos wäre, wenn die von ihr vorausgesetzte Heilbehandlung nicht durchsetzbar wäre. Das ändert indes nichts daran, dass für die aktuell bzw. potentiell betroffenen Untergebrachten die wesentlichen Voraussetzungen für eine Zwangsbehandlung aus dem Gesetz selbst nicht erkennbar sind.
33
Hinzu kommt, dass § 1906 BGB seinem Wortlaut nach unmittelbar nur die Kontrolle eines Eingriffs in die von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG geschützte Freiheit der Person gewährleistet, sich aber nicht zu dem in besonders intensiver Weise tangierten, von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG mit geschützten Recht auf Selbstbestimmung des Betroffenen hinsichtlich seiner körperlichen Integrität (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 44) verhält.
34
(2) Der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung zwar entsprochen (so zutreffend Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 237). Danach waren nicht nur die Unterbringung und ihre Dauer, sondern auch der mit der Zwangsbehandlung verbundene Eingriff und dessen Folgen in die gebotene Güterabwägung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einzubeziehen (BGHZ 166, 141, 146 = FamRZ 2006, 615, 616). Auch wenn sich Ausprägungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in § 1906 BGB selbst finden, weil die Unterbringung nur zulässig ist, "solange sie zum Wohl des Betroffenen erforderlich ist", kann das allerdings im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht darüber hinweghelfen, dass das Gesetz selbst keine Ausführungen zur Zwangsbehandlung, namentlich zur Auswahl der konkret anzuwendenden Maßnahmen nach Art und Dauer - einschließlich der Auswahl und Dosierung einzusetzender Medikamente und begleitender Kontrollen - enthält. Ebenso fehlen Regelungen dazu, dass die Zwangsbehandlung nicht mit Belastungen verbunden sein darf, die außer Verhältnis zu dem erwartbaren Nutzen stehen und dass die Zwangsbehandlung nur das letzte Mittel darstellen darf, also eine weniger eingreifende Behandlung aussichtslos sein muss (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58). Soweit der Senat hierzu bereits Leitsätze aufgestellt hat, handelt es sich um Richterrecht. Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kann das indes nicht genügen. Danach sind die Anforderungen an den Grad der Klarheit und Bestimmtheit umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist, den eine Norm vorsieht. Für die näheren Anforderungen ist auch der jeweilige Kreis der Normanwender und Normbetroffenen von Bedeutung (vgl. BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 73 - s. auch LG Stuttgart Beschluss vom 16. Februar 2012 - 2 T 35/12 - juris Rn. 13).
35
(3) Schließlich sind auch die in verfahrensrechtlicher Hinsicht für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlichen Fragen zur Zwangsbehandlung (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 72) gesetzlich nicht geregelt.
36
(a) Allerdings dürfte die Forderung des Bundesverfassungsgerichts, dass vor Durchführung der Zwangsbehandlung eine - sich nicht in bloßer Schreibtischroutine erschöpfende - Prüfung in gesicherter Unabhängigkeit von der Unterbringungseinrichtung stattfinden muss (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 71), erfüllt sein.
37
Denn zum einen ist in den Fällen der betreuungsrechtlichen Zwangsbehandlung der Betreuer eingeschaltet; grundsätzlich ist nur er befugt, die Behandlung zu veranlassen. Hinzu kommt nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats für den Fall der bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Unterbringung bekannten Notwendigkeit einer Zwangsbehandlung, dass sich der genehmigende Beschluss nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB auch auf die Zwangsbehandlung zu erstrecken hat (Senatsbeschluss BGHZ 166, 141, 153 = FamRZ 2006, 615, 618).
38
Gleiches dürfte für den Fall gelten, dass sich die Erforderlichkeit einer Zwangsmedikation bei einem bereits nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB untergebrachten Betroffenen erst im Nachhinein herausstellt. Denn der Senat hat bereits entschieden, dass ein Vorratsbeschluss für den Fall, dass der Betroffene sich gegen die Verabreichung von Medikamenten durch Spritzen wehren werde , im Hinblick auf die Schwere des Eingriffs unzulässig ist (Senatsbeschluss vom 22. September 2010 - XII ZB 135/10 - FamRZ 2010, 1976 Rn. 11).
39
(b) Demgegenüber vermögen die im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthaltenen Verfahrensvorschriften den von dem Bundesverfassungsgericht gestellten Anforderungen an die gesetzliche Regelung der Zwangsbehandlung nicht gerecht zu werden. Sie beziehen sich jeweils nur auf die Unterbringung, nicht aber auf eine Zwangsbehandlung. In § 321 FamFG ist beispielsweise geregelt, dass vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden hat. Demgegenüber genügt gemäß § 321 Abs. 2 FamFG für eine Maßnahme nach § 312 Nr. 2 FamFG (die Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB) eine ärztliche Stellungnahme. Ob vor der Genehmigung einer Zwangsbehandlung ein Sachverständigengutachten einzuholen ist, oder ob insoweit auch eine ärztliche Stellungnahme ausreicht , ist gesetzlich nicht geregelt. Zwar dürfte ein Sachverständigengutachten notwendig sein, wenn die Genehmigung der Zwangsbehandlung mit der Unter- bringung einhergeht. Welche Anforderungen aber bestehen, wenn eine gesonderte Genehmigung der Zwangsbehandlung erforderlich wird, kann dem Gesetz nicht entnommen werden.
40
(c) Ferner finden sich im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit weder Vorschriften, die - wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert (BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 67, 79) - zur Dokumentation der Maßnahme verpflichten, noch enthält es Bestimmungen, wonach die Maßnahme nur auf Anordnung und unter der Leitung eines Arztes durchgeführt werden darf (vgl. dazu BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 79). Dass die behandelnde Klinik beide Aspekte regelmäßig aus eigenem Interesse beachten und der Arzt - berufsrechtlich - zur Dokumentation verpflichtet sein wird (so Olzen/Metzmacher BtPrax 2011, 233, 238), genügt nicht, um den vom Bundesverfassungsgericht herausgestellten verfahrensrechtlichen Anforderungen zu genügen.
41
(d) Ebenso fehlen konkrete Regelungen darüber, welche Behandlungsdauer eine gerichtliche Genehmigung umfassen kann und wie konkret die Genehmigung erfolgen muss. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedürfen auch diese wesentlichen Fragen einer gesetzlichen Regelung.
42
e) Gemessen an den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die gesetzliche Regelung vermag § 1906 Abs. 4 BGB ebenso wenig die Genehmigung der Anordnung einer Zwangsbehandlung durch den Betreuer zu rechtfertigen. Wie § 1906 Abs. 1 BGB regelt auch § 1906 Abs. 4 BGB den Eingriff in die körperliche Bewegungsfreiheit und die Entschließungsfreiheit zur Fortbewegung im Sinne der Aufenthaltsfreiheit (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 145, 297, 301 f. = FamRZ 2001, 149, 150). Die Regelungsmaterie geht also nicht über den in § 1906 Abs. 1 BGB geregelten Bereich hinaus. Vielmehr hat der Gesetzgeber Absatz 4 ersichtlich als geringeren Eingriff angesehen, weil es für eine Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB gemäß § 321 Abs. 2 iVm § 312 Nr. 2 FamFG lediglich der Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses bedarf.
43
f) Nach alledem fehlt es gegenwärtig an einer den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügenden gesetzlichen Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Deshalb darf ein Betreuer derzeit auch im Rahmen einer geschlossenen Unterbringung keine Zwangsbehandlung veranlassen.
44
3. Entgegen dem Antrag der Betreuerin kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG nicht in Betracht (aA LG Bremen Beschluss vom 10. Mai 2012 - 5 T 101/12 - juris).
45
Voraussetzung hierfür ist, dass das vorlegende Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält. Das ist hier nicht der Fall.
46
Unter Beachtung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts enthalten die Vorschriften des Betreuungsrechts, insbesondere § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, keine ausreichende gesetzliche Grundlage für eine betreuungsrechtliche Zwangsbehandlung. Eine Auslegung des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB in Gestalt der bisherigen Senatsrechtsprechung kommt nicht mehr in Betracht. Deshalb kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.
47
Ob der Staat im Rahmen seiner ihm nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG obliegenden Schutzpflicht (vgl. dazu BVerfG NVwZ 2011, 991 Rn. 37) verpflichtet ist, zum Wohle der Betroffenen die betreuungsgerichtliche Genehmigung einer Zwangsbehandlung gesetzlich zu regeln, kann dahinstehen. Art. 100 Abs. 1 GG enthält nach seinem Wortlaut nicht die Verpflichtung des Gerichts, ein Unterlassen des Gesetzgebers als Verfassungsverstoß zur Prüfung zu stellen. Dass Art. 100 Abs. 1 GG entsprechend auszulegen wäre, hat das Bundesverfassungsgericht jedenfalls bislang nicht entschieden (offengelassen in BVerfG Beschluss vom 9. Mai 2006 - 2 BvL 4/02 - juris Rn. 22; NJW 1994, 2750, 2751; NVwZ 1984, 365 und NJW 1964, 1411).
48
4. Der Senat verkennt nicht, dass das Fehlen von Zwangsbefugnissen zur Durchsetzung notwendiger medizinischer Maßnahmen dazu führen kann, dass ein Betroffener ohne eine solche Behandlung einen erheblichen Schaden nimmt. Der Senat hat bereits hinsichtlich der Problematik einer ambulanten Zwangsbehandlung wiederholt darauf hingewiesen (Senatsbeschlüsse BGHZ 145, 297, 310 = FamRZ 2001, 149, 152 und vom 23. Januar 2008 - XII ZB 185/07 - FamRZ 2008, 866, 868). Dose Klinkhammer Schilling Günter Botur
Vorinstanzen:
AG Ludwigsburg, Entscheidung vom 26.01.2012 - 8 XVII 58/12 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 16.02.2012 - 2 T 35/12 -

Unterbringungssachen sind Verfahren, die die Genehmigung oder Anordnung einer

1.
freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1831 Absatz 1 und 2 auch in Verbindung mit Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1831 Absatz 4 auch in Verbindung mit Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
ärztlichen Zwangsmaßnahme, auch einschließlich einer Verbringung zu einem stationären Aufenthalt, nach § 1832 Absatz 1, 2 und 4 auch in Verbindung mit Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
4.
freiheitsentziehenden Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahme oder ärztlichen Zwangsmaßnahme bei Volljährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker
betreffen (Unterbringungsmaßnahme).

(1) Die Beschlussformel enthält im Fall der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme auch

1.
die nähere Bezeichnung der Unterbringungsmaßnahme sowie
2.
den Zeitpunkt, zu dem die Unterbringungsmaßnahme endet.

(2) Die Beschlussformel enthält bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung auch Angaben zur Durchführung und Dokumentation dieser Maßnahme in der Verantwortung eines Arztes.

(1) Die Unterbringungsmaßnahme endet spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten, wenn sie nicht vorher verlängert wird.

(2) Für die Verlängerung der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gelten die Vorschriften für die erstmalige Anordnung oder Genehmigung entsprechend. Bei Unterbringungen mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist.

(3) Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung mit einer Gesamtdauer von mehr als zwölf Wochen soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist.

(1) Die einstweilige Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten. Reicht dieser Zeitraum nicht aus, kann sie nach Anhörung eines Sachverständigen durch eine weitere einstweilige Anordnung verlängert werden. Die mehrfache Verlängerung ist unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zulässig. Sie darf die Gesamtdauer von drei Monaten nicht überschreiten. Eine Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens (§ 322) ist in diese Gesamtdauer einzubeziehen.

(2) Die einstweilige Anordnung darf bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung die Dauer von zwei Wochen nicht überschreiten. Bei mehrfacher Verlängerung darf die Gesamtdauer sechs Wochen nicht überschreiten.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die einstweilige Anordnung wird nur auf Antrag erlassen, wenn ein entsprechendes Hauptsacheverfahren nur auf Antrag eingeleitet werden kann. Der Antragsteller hat den Antrag zu begründen und die Voraussetzungen für die Anordnung glaubhaft zu machen.

(2) Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, die für eine entsprechende Hauptsache gelten, soweit sich nicht aus den Besonderheiten des einstweiligen Rechtsschutzes etwas anderes ergibt. Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Eine Versäumnisentscheidung ist ausgeschlossen.

(3) Das Verfahren der einstweiligen Anordnung ist ein selbständiges Verfahren, auch wenn eine Hauptsache anhängig ist. Das Gericht kann von einzelnen Verfahrenshandlungen im Hauptsacheverfahren absehen, wenn diese bereits im Verfahren der einstweiligen Anordnung vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

(4) Für die Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung gelten die allgemeinen Vorschriften.

(1) Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen. Ist der Patient einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung nach § 1827 Absatz 1 Satz 1 die Maßnahme gestattet oder untersagt. Weitergehende Anforderungen an die Einwilligung aus anderen Vorschriften bleiben unberührt. Kann eine Einwilligung für eine unaufschiebbare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf sie ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.

(2) Die Wirksamkeit der Einwilligung setzt voraus, dass der Patient oder im Fall des Absatzes 1 Satz 2 der zur Einwilligung Berechtigte vor der Einwilligung nach Maßgabe von § 630e Absatz 1 bis 4 aufgeklärt worden ist.

(3) Die Einwilligung kann jederzeit und ohne Angabe von Gründen formlos widerrufen werden.

15
Die Zulässigkeit einer zwangsweisen Behandlung setzt gemäß § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB voraus, dass vor der Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme versucht wurde, den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen. Dieser Versuch muss ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks durch eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen worden sein, was das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darzulegen hat (Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - juris Rn. 15).
15
(4) Schließlich setzt die Zulässigkeit einer zwangsweisen Behandlung gemäß § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB voraus, dass vor der Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme versucht wurde, den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen. Dieser Versuch muss ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks (BT-Drucks. 17/12086 S. 1, 11; vgl. auch BVerfG FamRZ 2011, 1128 Rn. 58) durch eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen worden sein, was das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darzulegen hat.

Unterbringungssachen sind Verfahren, die die Genehmigung oder Anordnung einer

1.
freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1831 Absatz 1 und 2 auch in Verbindung mit Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1831 Absatz 4 auch in Verbindung mit Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
ärztlichen Zwangsmaßnahme, auch einschließlich einer Verbringung zu einem stationären Aufenthalt, nach § 1832 Absatz 1, 2 und 4 auch in Verbindung mit Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
4.
freiheitsentziehenden Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahme oder ärztlichen Zwangsmaßnahme bei Volljährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker
betreffen (Unterbringungsmaßnahme).

Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme anordnen oder genehmigen, wenn

1.
dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht,
2.
ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen und über die Notwendigkeit der Maßnahme vorliegt; der Arzt, der das ärztliche Zeugnis ausstellt, soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie haben; dies gilt nicht für freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 312 Nummer 2 und 4,
3.
im Fall des § 317 ein Verfahrenspfleger bestellt und angehört worden ist und
4.
der Betroffene persönlich angehört worden ist.
Eine Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe ist abweichend von § 319 Abs. 4 zulässig.

Unterbringungssachen sind Verfahren, die die Genehmigung oder Anordnung einer

1.
freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1831 Absatz 1 und 2 auch in Verbindung mit Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
2.
freiheitsentziehenden Maßnahme nach § 1831 Absatz 4 auch in Verbindung mit Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs,
3.
ärztlichen Zwangsmaßnahme, auch einschließlich einer Verbringung zu einem stationären Aufenthalt, nach § 1832 Absatz 1, 2 und 4 auch in Verbindung mit Absatz 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder
4.
freiheitsentziehenden Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahme oder ärztlichen Zwangsmaßnahme bei Volljährigen nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker
betreffen (Unterbringungsmaßnahme).

(1) Vor einer Unterbringungsmaßnahme hat eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Der Sachverständige hat den Betroffenen vor der Erstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen. Das Gutachten soll sich auch auf die voraussichtliche Dauer der Unterbringungsmaßnahme erstrecken. Der Sachverständige soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Arzt mit Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie sein. Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung soll der Sachverständige nicht der zwangsbehandelnde Arzt sein.

(2) Für eine freiheitsentziehende Maßnahme nach § 312 Nummer 2 oder 4 genügt ein ärztliches Zeugnis.

Das Gericht kann durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Unterbringungsmaßnahme anordnen oder genehmigen, wenn

1.
dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gegeben sind und ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden besteht,
2.
ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen und über die Notwendigkeit der Maßnahme vorliegt; der Arzt, der das ärztliche Zeugnis ausstellt, soll Arzt für Psychiatrie sein; er muss Erfahrung auf dem Gebiet der Psychiatrie haben; dies gilt nicht für freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 312 Nummer 2 und 4,
3.
im Fall des § 317 ein Verfahrenspfleger bestellt und angehört worden ist und
4.
der Betroffene persönlich angehört worden ist.
Eine Anhörung des Betroffenen im Wege der Rechtshilfe ist abweichend von § 319 Abs. 4 zulässig.

(1) Die einstweilige Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten. Reicht dieser Zeitraum nicht aus, kann sie nach Anhörung eines Sachverständigen durch eine weitere einstweilige Anordnung verlängert werden. Die mehrfache Verlängerung ist unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zulässig. Sie darf die Gesamtdauer von drei Monaten nicht überschreiten. Eine Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens (§ 322) ist in diese Gesamtdauer einzubeziehen.

(2) Die einstweilige Anordnung darf bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung die Dauer von zwei Wochen nicht überschreiten. Bei mehrfacher Verlängerung darf die Gesamtdauer sechs Wochen nicht überschreiten.

(1) Die Unterbringungsmaßnahme endet spätestens mit Ablauf eines Jahres, bei offensichtlich langer Unterbringungsbedürftigkeit spätestens mit Ablauf von zwei Jahren, wenn sie nicht vorher verlängert wird. Die Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten, wenn sie nicht vorher verlängert wird.

(2) Für die Verlängerung der Genehmigung oder Anordnung einer Unterbringungsmaßnahme gelten die Vorschriften für die erstmalige Anordnung oder Genehmigung entsprechend. Bei Unterbringungen mit einer Gesamtdauer von mehr als vier Jahren soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist.

(3) Bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung mit einer Gesamtdauer von mehr als zwölf Wochen soll das Gericht keinen Sachverständigen bestellen, der den Betroffenen bisher behandelt oder begutachtet hat oder in der Einrichtung tätig ist, in der der Betroffene untergebracht ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

15
Die Zulässigkeit einer zwangsweisen Behandlung setzt gemäß § 1906 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB voraus, dass vor der Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme versucht wurde, den Betroffenen von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen und seine auf Vertrauen gegründete Zustimmung zu erreichen. Dieser Versuch muss ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks durch eine überzeugungsfähige und -bereite Person unternommen worden sein, was das Gericht in jedem Einzelfall festzustellen und in seiner Entscheidung in nachprüfbarer Weise darzulegen hat (Senatsbeschluss vom 4. Juni 2014 - XII ZB 121/14 - juris Rn. 15).

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die einstweilige Anordnung darf die Dauer von sechs Wochen nicht überschreiten. Reicht dieser Zeitraum nicht aus, kann sie nach Anhörung eines Sachverständigen durch eine weitere einstweilige Anordnung verlängert werden. Die mehrfache Verlängerung ist unter den Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 zulässig. Sie darf die Gesamtdauer von drei Monaten nicht überschreiten. Eine Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens (§ 322) ist in diese Gesamtdauer einzubeziehen.

(2) Die einstweilige Anordnung darf bei der Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder deren Anordnung die Dauer von zwei Wochen nicht überschreiten. Bei mehrfacher Verlängerung darf die Gesamtdauer sechs Wochen nicht überschreiten.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Wird der Verfassungsbeschwerde stattgegeben, so ist in der Entscheidung festzustellen, welche Vorschrift des Grundgesetzes und durch welche Handlung oder Unterlassung sie verletzt wurde. Das Bundesverfassungsgericht kann zugleich aussprechen, daß auch jede Wiederholung der beanstandeten Maßnahme das Grundgesetz verletzt.

(2) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung stattgegeben, so hebt das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung auf, in den Fällen des § 90 Abs. 2 Satz 1 verweist es die Sache an ein zuständiges Gericht zurück.

(3) Wird der Verfassungsbeschwerde gegen ein Gesetz stattgegeben, so ist das Gesetz für nichtig zu erklären. Das gleiche gilt, wenn der Verfassungsbeschwerde gemäß Absatz 2 stattgegeben wird, weil die aufgehobene Entscheidung auf einem verfassungswidrigen Gesetz beruht. Die Vorschrift des § 79 gilt entsprechend.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.