Bundesverfassungsgericht Stattgebender Kammerbeschluss, 07. Dez. 2010 - 1 BvR 2157/10

bei uns veröffentlicht am07.12.2010

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 16. Juli 2010 - 707 XVII 4192/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes. Der Beschluss wird aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht München zurückverwiesen.

2. ...

3. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Verfassungsbeschwerdeverfahren wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Beschwerdeführer wendet sich gegen einen Beschluss, mit dem ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens über ihn im Rahmen eines Betreuungsverfahrens beauftragt wurde.

2

1. a) Der 1938 geborene Beschwerdeführer wurde mit Anordnung der Kreisverwaltungsbehörde der Stadt M. vom 29. April 2010 gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 in Verbindung mit Art. 10 Abs. 1 Satz 1 UnterbrG vorläufig gegen seinen Willen in der geschlossenen psychiatrischen Abteilung eines Klinikums untergebracht.

3

Zur Begründung wurde angeführt, der Beschwerdeführer habe in den letzten Monaten gehäuft mitgeteilt, in seiner Wohnung seien fremde Personen. Aus diesen und weiteren Umständen sei zu schließen, dass der Beschwerdeführer eine psychische Krankheit entwickelt habe, die ihn daran hindere, die Realität angemessen wahrzunehmen. Die zuständige Ärztin im Klinikum habe ausgeführt, bei der Untersuchung am 29. April 2010 sei der Beschwerdeführer laut und aufgebracht und weder zu Ort, Zeit noch Person orientiert gewesen. Die Ärztin diagnostizierte eine Demenz mit psychotischem Erleben bei völliger Krankheitsuneinsichtigkeit. Es bestehe erhebliche Selbst- und Fremdgefahr, weshalb die sofortige Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik zwingend erforderlich sei. Diesem Bericht schloss sich die Kreisverwaltungsbehörde an und ordnete die Unterbringung des Beschwerdeführers an.

4

Am 30. April 2010 wurde der Beschwerdeführer in der nichtöffentlichen Anhörung in Gegenwart eines Richters am Amtsgericht, eines Sachverständigen, seiner Ehefrau und seines Verfahrensbevollmächtigten angehört. Bei der Anhörung konnte der Beschwerdeführer weder das Datum noch sein Alter korrekt angeben, war sich jedoch bewusst, sich in einer Anstalt zu befinden. Die Ehefrau des Beschwerdeführers erklärte, die Unterbringung sei willkürlich erfolgt. Der Beschwerdeführer erklärte, er besitze rechtmäßigerweise eine Gaspistole. Er befinde sich nicht in Behandlung. Die Behauptung, dass fremde Personen in seine Wohnung eindringen würden, sei "Quatsch". Der Richter und der Sachverständige waren sich nach ausführlicher Diskussion einig, dass keine akute Selbst- und Fremdgefahr vorliege. Eine Behandlung des Beschwerdeführers sei allerdings sinnvoll. Der Beschwerdeführer verlasse die Klinik gegen ärztlichen Rat.

5

b) Mit einem Schreiben des Sozialreferats - Betreuungssachbearbeitung - vom 9. Juli 2010 wurde beim Amtsgericht München angeregt, ein Betreuungsverfahren einzuleiten. Der Beschwerdeführer sei zu zwei Terminen zu einem Gespräch bei der Betreuungsstelle nicht erschienen. Ein Telefonat mit der Tochter des Beschwerdeführers habe ergeben, dass dieser sich vor einigen Wochen hilfesuchend an sie gewandt habe, weil es Probleme mit dem Besitz seiner Waffen gegeben habe. Sie habe ihm anschließend geholfen, seine Waffen abzugeben. Für Juni 2010 sei ein Gerichtstermin wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz anberaumt. Die Tochter meinte, ihr Vater sei ein sehr aggressiver Mensch, der schon immer Gewalt gegenüber anderen, auch innerhalb der Familie, angewendet habe. Er sei "unberechenbar". Zunehmend leide ihr Vater an Wahnvorstellungen, sehe Personen, die nicht vorhanden seien. Wiederholt habe sie Anzeichen für Demenz an ihm bemerkt. Einen Betreuer würde er mit Sicherheit ablehnen, vermutete die Tochter, da er in keiner Weise krankheitseinsichtig sei.

6

Ein Mitarbeiter des Bezirkssozialamts habe angegeben, die Behörde sei durch eine Polizeimeldung über Probleme des Beschwerdeführers aufmerksam geworden. Der sozialpsychiatrische Dienst habe versucht, mit ihm in Kontakt zu treten, dies sei jedoch trotz mehrerer Versuche nicht gelungen. Ein Telefonat mit der örtlichen Polizeiinspektion habe ergeben, dass es seit der Unterbringung Ende April 2010 zu keinen weiteren Vorfällen mit dem Beschwerdeführer gekommen sei.

7

Das Schreiben der Behörde endete mit dem Fazit, dass der Beschwerdeführer wohl eine Betreuung ablehne und extrem aggressiv sei. Die Einrichtung einer Betreuung erschiene vor diesem Hintergrund kaum als möglich und sinnvoll. Eine Abklärung der medizinisch-psychiatrischen Seite sei jedoch erforderlich. Es sei zu erwarten, dass der Beschwerdeführer nicht freiwillig zu einem Anhörungstermin erscheinen würde, so dass eine Zwangsvorführung überlegt werden müsse.

8

c) Mit richterlicher Verfügung vom 14. Juli 2010 wurde das Betreuungsverfahren eingeleitet. Eine Information an den Beschwerdeführer mit einer Aufforderung zur Stellungnahme erging vor dem Beschluss vom 16. Juli 2010 nicht.

9

d) Am 16. Juli 2010, eingegangen am 28. Juli 2010, fasste das Amtsgericht München einen Beschluss (707 XVII 4192/10), in dem ein Sachverständiger mit der Erstellung eines Gutachtens zu den medizinischen Voraussetzungen der Anordnung der Betreuung des Beschwerdeführers beauftragt wurde. In der angefügten Rechtsmittelbelehrung wurde darauf hingewiesen, dass der Beschluss nicht anfechtbar sei.

10

Unter dem 30. Juli 2010 erhob der Beschwerdeführer mit anwaltlichem Schriftsatz Beschwerde. Sein Recht auf rechtliches Gehör sei verletzt worden. Das Gericht hätte vor Erteilung des Gutachtenauftrags dem Beschwerdeführer beziehungsweise seinem Verfahrensbevollmächtigten Gelegenheit geben müssen, sich zum Akteninhalt zu äußern. Daher beantrage er erneut Akteneinsicht. Ein vorheriger Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht sei erfolglos geblieben, weil die Akten bereits an den Gutachter versandt worden seien.

11

Mit Schreiben des Sachverständigen vom 28. Juli 2010 wurde der Beschwerdeführer gebeten, ihn am 10. August 2010 zur Untersuchung in seiner Praxis aufzusuchen. Unter dem 10. August 2010 wurde ein neuer Termin für den 6. September 2010 bestimmt.

12

Unter dem 11. August 2010 teilte die Geschäftsstelle des Amtsgerichts München in richterlichem Auftrag mit, dass die Beschwerde nicht statthaft sei und damit auch keine Abhilfeentscheidung ergehen könne. Akteneinsicht werde nach Rückruf der Akte vom Sachverständigen gewährt.

13

2. Mit Schreiben vom 19. August 2010, eingegangen am 20. August 2010, erhebt der Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde und rügt eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 GG.

14

Dem Beschwerdeführer sei vor der Zustellung des Beschlusses vom 16. Juli 2010 keine Gelegenheit zur Stellungnahme zu einem Antrag auf Einrichtung einer Betreuung und zur Beauftragung eines Gutachters gegeben worden. Nach der Entlassung aus der Klinik sei der Beschwerdeführer davon ausgegangen, dass die Angelegenheit abgeschlossen gewesen sei. Er lebe mit seiner juristisch vorgebildeten Ehefrau zusammen, die ihn bei der Erledigung seiner täglichen Aufgaben und Besorgungen unterstütze. Die Einrichtung einer Betreuung sei daher keineswegs erforderlich. Die Anhörung habe auch nicht deshalb unterbleiben dürfen, weil eine Anhörung im April 2010 stattgefunden habe. Bei dieser Anhörung sei die Zwangsunterbringung des Beschwerdeführers Gegenstand des Verfahrens gewesen. Das Betreuungsverfahren stelle demgegenüber ein neues Verfahren dar. Beide Verfahren wiesen auch eine unterschiedliche Zielsetzung auf. Während im Unterbringungsverfahren zu entscheiden sei, ob eine akute Selbst- oder Fremdgefährdung vorliege, sei es Zweck des Betreuungsverfahrens festzustellen, ob der Beschwerdeführer zur Wahrnehmung seiner Angelegenheiten in der Lage sei. Damit seien sein Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, sein Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG und sein Recht auf allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG verletzt.

15

3. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 17. September 2010 eine einstweilige Anordnung erlassen. Darin wurde die Wirksamkeit des Beschlusses des Amtsgerichts München vom 16. Juli 2010 - 707 XVII 4192/10 - einstweilen bis zur Entscheidung der Hauptsache, längstens für sechs Monate ausgesetzt.

16

4. Dem Bundesverfassungsgericht haben die Akten des Ausgangsverfahrens vorgelegen. Die Regierung des Freistaates Bayern hatte Gelegenheit zur Stellungnahme, hat aber von einer Stellungnahme abgesehen.

II.

17

1. Die Verfassungsbeschwerde ist zur Entscheidung anzunehmen, weil dies zur Durchsetzung der Grundrechte des Beschwerdeführers geboten ist, § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer berufen, weil die maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden sind und die zulässige Verfassungsbeschwerde offensichtlich begründet ist, § 93c Abs. 1 BVerfGG.

18

Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts München vom 16. Juli 2010 - 707 XVII 4192/10 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 103 Abs. 1 GG.

19

2. Die Verfassungsbeschwerde ist teilweise zulässig.

20

a) Soweit der Beschwerdeführer sinngemäß eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG geltend macht, ist die Verfassungsbeschwerde jedoch nicht in der gebotenen Weise substantiiert begründet worden.

21

Das Begründungserfordernis verlangt neben der Bezeichnung des angeblich verletzten Grundrechts auch die substantiierte Darlegung des die Verletzung enthaltenen Vorgangs (vgl. BVerfGE 81, 208 <214>). Es reicht nicht aus, die Verletzung von Grundrechten nur pauschal zu rügen (vgl. BVerfGE 79, 203 <209>). Der Beschwerdeführer muss insbesondere vortragen, weshalb die angegriffene Entscheidung die Verfassung missachtet und in diesem Zusammenhang auf die Entscheidungsgründe eingehen (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Dezember 2009 - 1 BvR 2797/09 -, FamRZ 2010, S. 186 <187>).

22

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Beschwerdeführers im Hinblick auf die Rüge von Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG nicht. Soweit der Beschwerdeführer rügt, dass man ihm die Möglichkeit hätte geben müssen, Stellung zu nehmen, bevor ein Gutachten in Auftrag gegeben wurde, stellt Art. 103 Abs. 1 GG das speziellere und daher vorrangig zu prüfende Grundrecht dar. Inwiefern neben einer Verletzung des rechtlichen Gehörs noch eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz und der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommen sollte, hat der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer nicht dargelegt. Er behauptet lediglich, dass eine solche Grundrechtsverletzung vorliegt, ohne beispielsweise die Rüge zu erheben, dass der Ausschluss des Beschwerderechts eine Verletzung des Rechts auf effektiven Rechtsschutz darstellt.

23

b) Hinsichtlich der Rüge des Rechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG hat der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde jedoch hinreichend substantiiert.

24

c) Der Beschwerdeführer hat auch den Rechtsweg gemäß § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG erschöpft.

25

aa) Zunächst muss der Bürger die behauptete Grundrechtsverletzung durch das Einlegen von Rechtsbehelfen vor den Fachgerichten abzuwenden versuchen (BVerfGE 68, 376 <380>; 70, 180 <186>), wie es der Beschwerdeführer durch Einlegung einer Beschwerde auch angestrebt hat. Die Anordnung der Untersuchung ist als nicht instanzabschließende Zwischenentscheidung jedoch gemäß § 58 Abs. 1 FamFG nicht anfechtbar.

26

bb) Die Verfassungsbeschwerde ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht ausdrücklich eine Anhörungsrüge gemäß § 44 FamFG erhoben hat. Es kann hier dahinstehen, ob es sich bei der Beauftragung eines Gutachters um eine - bei verfassungskonformer Auslegung von § 44 Abs. 1 Satz 2 FamFG - einer Anhörungsrüge zugängliche Zwischenentscheidung handelt. Denn der Verfahrensbevollmächtigte des Beschwerdeführers hat sinngemäß eine Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, über die zu entscheiden das Amtsgericht abgelehnt hat. Damit ist der Intention des Gesetzgebers bei Aufnahme von § 44 FamFG entsprochen worden, dass bei unanfechtbaren Entscheidungen das die Entscheidung erlassende Gericht über eine etwaige Verletzung des rechtlichen Gehörs befinden soll.

27

3. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie auch begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts verletzt den Beschwerdeführer in seinem Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

28

a) Für das Gericht erwächst aus Art. 103 Abs. 1 GG die Pflicht, vor dem Erlass einer Entscheidung zu prüfen, ob den Verfahrensbeteiligten rechtliches Gehör gewährt wurde (BVerfGE 36, 85 <88>). Der Anspruch auf rechtliches Gehör fordert, dass das erkennende Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht (vgl. BVerfGE 83, 24 <35>; 96, 205 <216>; stRspr). Maßgebend für diese Pflichten des Gerichts ist der Gedanke, dass der Verfahrensbeteiligte Gelegenheit haben muss, die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 2. Dezember 2009 - 1 BvR 2797/09 -, FamRZ 2010, S. 186 <187>).

29

b) Diesen Voraussetzungen genügt der Beschluss vom 16. Juli 2010 nicht. Ausweislich der Verfügungen vom 14. und 16. Juli 2010 wurde der Beschwerdeführer weder schriftlich noch mündlich von der beabsichtigten Prüfung der Einrichtung einer Betreuung informiert. Er konnte sich dementsprechend nicht äußern, bevor der Gutachter beauftragt wurde.

30

Dagegen spricht auch nicht, dass in dem Beschluss noch keine zwangsweise Untersuchung und Vorführung des Beschwerdeführers angeordnet worden ist. Der Bundesgerichtshof hat zwar zu §§ 19, 68b FGG a.F. ausgeführt, dass ein Beschluss, der sich darauf beschränkt, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens über die Betreuungsbedürftigkeit eines Betroffenen zu beauftragen, den Betroffenen jedoch nicht verpflichtet, sich zum Zwecke der Begutachtung untersuchen zu lassen, nicht anfechtbar ist, weil es sich nicht um eine Endentscheidung handele, die in die Rechte des Betroffenen eingreife. Zwar setze ein solcher Beschluss eine Untersuchung voraus, das bedeute jedoch nicht, dass der Betroffene zur Mitwirkung verpflichtet werde (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 209/06 -, FamRZ 2008, S. 774 <775 f.>).

31

Aus dem Beschluss des Amtsgerichts München ergibt sich jedoch nicht, dass die Mitwirkung an der Erstellung des Gutachtens für den Beschwerdeführer eine freiwillige ist. Ein rechtsunkundiger Bürger wird, wenn eine solche Beauftragung im Wege des Beschlusses erfolgt, davon ausgehen, dass er zu einer Mitwirkung bei der Untersuchung verpflichtet ist. Bei einer Verweigerung der freiwilligen Untersuchung muss der Betroffene auch damit rechnen, aufgrund eines erneuten Beschlusses zwangsweise vorgeführt und untersucht zu werden. Im Übrigen hat bereits die Beauftragung eines Gutachters zur Prüfung einer möglichen Betreuungsbedürftigkeit eine stigmatisierende Wirkung, wenn Dritte von ihr Kenntnis erlangen. Nach geltendem Recht, das vorliegend verfassungsrechtlich nicht zu prüfen ist, ist ein Rechtsmittel gegen die Beauftragung des Gutachters nicht vorgesehen. Insofern erhält die vor der Beauftragung zu erfolgende Anhörung des Betroffenen zum Schutz seiner Rechte besondere Bedeutung.

32

c) Die unterbliebene Anhörung wurde auch nicht durch ein späteres Handeln des Gerichts geheilt. Zwar hat der Beschwerdeführer sich über seinen Rechtsanwalt über den Beschluss und insbesondere die unterlassene Anhörung geäußert. Das Amtsgericht ist darauf aber nicht eingegangen, sondern hat mitteilen lassen, sich nicht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, und erklärt, auch Akteneinsicht werde erst nach der Erstattung des Gutachtens gewährt.

33

d) Der Beschluss des Amtsgerichts München beruht auch auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer trägt vor, seine Ehefrau sei juristisch versiert und würde ihn in allen Angelegenheiten unterstützen. Er sei davon ausgegangen, nach der Entlassung aus der Klinik, bei der eine Eigen- und Fremdgefährdung verneint wurde, komme auch die Einrichtung einer Betreuung nicht mehr in Frage. Eine Mitteilung an den Beschwerdeführer über die angeregte Betreuung und beabsichtigte Begutachtung mit der ihm Gelegenheit zur Stellungnahme hätte eingeräumt werden können, war deshalb angebracht. Zudem war die Betreuungsbehörde selbst davon ausgegangen, dass die Einrichtung einer Betreuung wahrscheinlich weder sinnvoll noch möglich sei. Insofern hätte nahegelegen, vorab zu prüfen, ob die Einrichtung einer Betreuung überhaupt ein probates Mittel ist, der Aggressivität des Beschwerdeführers, die allerdings seit seinem Klinikaufenthalt nicht mehr zu Auffälligkeiten geführt zu haben scheint, zu begegnen.

34

4. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


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(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. (2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. (3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafge

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 19


(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 20


(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der

Gesetz über das Bundesverfassungsgericht


Bundesverfassungsgerichtsgesetz - BVerfGG

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Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Jan. 2008 - XII ZB 209/06

bei uns veröffentlicht am 23.01.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS XII ZB 209/06 vom 23. Januar 2008 in der Betreuungssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja FGG §§ 19, 68 b Ein Beschluss, der sich darauf beschränkt, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines medizi

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(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.

(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.

(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.

(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Liegen die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 Buchstabe b vor und ist die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgebliche verfassungsrechtliche Frage durch das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden, kann die Kammer der Verfassungsbeschwerde stattgeben, wenn sie offensichtlich begründet ist. Der Beschluß steht einer Entscheidung des Senats gleich. Eine Entscheidung, die mit der Wirkung des § 31 Abs. 2 ausspricht, daß ein Gesetz mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar oder nichtig ist, bleibt dem Senat vorbehalten.

(2) Auf das Verfahren finden § 94 Abs. 2 und 3 und § 95 Abs. 1 und 2 Anwendung.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Jedermann kann mit der Behauptung, durch die öffentliche Gewalt in einem seiner Grundrechte oder in einem seiner in Artikel 20 Abs. 4, Artikel 33, 38, 101, 103 und 104 des Grundgesetzes enthaltenen Rechte verletzt zu sein, die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht erheben.

(2) Ist gegen die Verletzung der Rechtsweg zulässig, so kann die Verfassungsbeschwerde erst nach Erschöpfung des Rechtswegs erhoben werden. Das Bundesverfassungsgericht kann jedoch über eine vor Erschöpfung des Rechtswegs eingelegte Verfassungsbeschwerde sofort entscheiden, wenn sie von allgemeiner Bedeutung ist oder wenn dem Beschwerdeführer ein schwerer und unabwendbarer Nachteil entstünde, falls er zunächst auf den Rechtsweg verwiesen würde.

(3) Das Recht, eine Verfassungsbeschwerde an das Landesverfassungsgericht nach dem Recht der Landesverfassung zu erheben, bleibt unberührt.

(1) Auf die Rüge eines durch eine Entscheidung beschwerten Beteiligten ist das Verfahren fortzuführen, wenn

1.
ein Rechtsmittel oder ein Rechtsbehelf gegen die Entscheidung oder eine andere Abänderungsmöglichkeit nicht gegeben ist und
2.
das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung findet die Rüge nicht statt.

(2) Die Rüge ist innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit der Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung an diesen Beteiligten kann die Rüge nicht mehr erhoben werden. Die Rüge ist schriftlich oder zur Niederschrift bei dem Gericht zu erheben, dessen Entscheidung angegriffen wird. Die Rüge muss die angegriffene Entscheidung bezeichnen und das Vorliegen der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 genannten Voraussetzungen darlegen.

(3) Den übrigen Beteiligten ist, soweit erforderlich, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(4) Ist die Rüge nicht in der gesetzlichen Form oder Frist erhoben, ist sie als unzulässig zu verwerfen. Ist die Rüge unbegründet, weist das Gericht sie zurück. Die Entscheidung ergeht durch nicht anfechtbaren Beschluss. Der Beschluss soll kurz begründet werden.

(5) Ist die Rüge begründet, hilft ihr das Gericht ab, indem es das Verfahren fortführt, soweit dies auf Grund der Rüge geboten ist.

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 209/06
vom
23. Januar 2008
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
FGG §§ 19, 68 b
Ein Beschluss, der sich darauf beschränkt, einen Sachverständigen mit der Erstellung
eines medizinischen Gutachtens über die Betreuungsbedürftigkeit eines
Betroffenen zu beauftragen, den Betroffenen aber nicht verpflichtet, sich
zum Zwecke der Begutachtung untersuchen zu lassen, ist nicht anfechtbar.
BGH, Beschluss vom 23. Januar 2008 - XII ZB 209/06 - OLG Hamm
LG Bielefeld
AG Herford
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Januar 2008 durch den
Richter Sprick, die Richterin Weber-Monecke, den Richter Prof. Dr. Wagenitz,
die Richterin Dr. Vézina und den Richter Dose

beschlossen:
Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 14. Juli 2006 wird auf Kosten der Betroffenen zurückgewiesen. Wert: 3.000 €

Gründe:

1
Die Betroffene wendet sich gegen die vom Gericht angeordnete Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Prüfung ihrer Betreuungsbedürftigkeit.
2
Hintergrund ist eine beim Amtsgericht anhängige Klage gegen die Betroffene (geboren am 14. Oktober 1945) auf Zahlung von Werklohn in Höhe von 130,92 €. Die Betroffene, die anwaltlich nicht vertreten war und deren Schriftsätze keine besonderen Auffälligkeiten aufwiesen, beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 13. April 2006, die Klage abzuweisen. Am Schluss der Sitzung erging in Abwesenheit der Parteien folgender Beschluss: "Es soll zunächst geprüft werden, ob für die Beklagte die Bestellung eines Betreuers in Betracht kommt." Mit diesem Beschluss legte die Amtsrichterin, die zugleich die zustän- dige Vormundschaftsrichterin ist, die Akte der Vormundschaftsabteilung des Amtsgerichts "mit der Bitte um Einleitung eines Betreuungsverfahrens" vor.
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Die Geschäftsstelle der Vormundschaftsabteilung legte auf Weisung der Vormundschaftsrichterin eine Betreuungsakte mit der Abschrift des Verhandlungsprotokolls vom 13. April 2006 an, das im wesentlichen nur die Stellung der Anträge und den am Schluss der Sitzung ergangenen Beschluss wiedergibt. Am 24. Mai 2006 erließ die Vormundschaftsrichterin folgenden Beschluss: "In dem Betreuungsverfahren … soll geprüft werden, ob und in welchen Angelegenheiten für Frau Doris B. wegen einer Krankheit oder Behinderung Hilfen durch die Bestellung eines Betreuers erforderlich sind. Dazu soll ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Mit der Erstattung des Gutachtens wird der Sachverständige Herr Dr. K.-H. H. … beauftragt. Um die Berichterstattung zu den persönlichen Verhältnissen wird die Betreuungsbehörde Kreis H. ... ersucht."
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Der Sachverständige teilte am 8. Juni 2006 mit, dass er die Betroffene auf ihrem Hausgrundstück aufgesucht habe, die Betroffene aber eine Untersuchung verweigert habe. Eine gutachterliche Stellungnahme "bezüglich des seelischen Befundes" könne aufgrund des abgewehrten Kontaktes nicht erfolgen. Die Betreuungsbehörde teilte am 28. Juni 2006 mit, dass die Betroffene ein Gespräch abgelehnt habe.
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Die Betroffene hat gegen den Beschluss vom 24. Mai 2006 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Betroffenen.
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Das Oberlandesgericht möchte die weitere Beschwerde zurückweisen, weil die Einleitung eines Betreuungsverfahrens und die Anordnung, die Betroffene durch einen Sachverständigen zu begutachten, nicht anfechtbar seien. Das Oberlandesgericht sieht sich an einer solchen Entscheidung allerdings durch den Beschluss des Kammergerichts vom 11. Februar 2001 (FamRZ 2002, 970) gehindert. Danach ist bereits die Entscheidung, im Betreuungsverfahren ein Gutachten darüber einzuholen, ob der Betroffene an einer psychischen Krankheit leidet, für den damit nicht einverstandenen Betroffenen mit der Beschwerde anfechtbar.

II.

7
Die Vorlage ist zulässig.
8
Zu den Voraussetzungen einer zulässigen Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG gehört, dass das vorlegende Oberlandesgericht von einer auf weitere Beschwerde ergangenen Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen will. Die Abweichung muss dieselbe Rechtsfrage betreffen und die Beantwortung dieser Rechtsfrage muss für beide Entscheidungen erheblich sein (vgl. etwa Senatsbeschlüsse BGHZ 82, 34, 36 = FamRZ 1982, 44 und vom 11. Oktober 2000 - XII ZB 69/00 - FamRZ 2001, 149). Das ist hier der Fall.
9
Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts erschöpft sich, wovon auch das vorlegende Oberlandesgericht ausgeht, in der Anordnung, ein nervenärztliches Gutachten über die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen einzuholen. Die Betroffene wird durch diese Beweisanordnung aber noch nicht verpflichtet, die in dem Beschluss in Auftrag gegebene Begutachtung auch gegen ihren Willen zu dulden. Das ergibt sich aus dem unmissverständlichen Wortlaut des Beschlusses, der eine bloße Beweiserhebung anordnet und hierzu einen Sachverständigen auswählt und beauftragt, aber für die Betroffene keinerlei Mitwirkungspflichten an der beschlossenen Begutachtung ausspricht.
10
Die Frage, ob ein solcher Beschluss des Vormundschaftsgerichts, durch den lediglich die Einholung eines Gutachtens angeordnet, aber keine Pflicht des Betroffenen zur Duldung einer entsprechenden Untersuchung begründet wird, mit der Beschwerde anfechtbar ist, wird vom vorlegenden Oberlandesgericht verneint, vom Kammergericht jedoch bejaht. Für die Entscheidung beider Gerichte ist diese Frage erheblich:
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Sieht man mit dem vorlegenden Oberlandesgericht die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts mangels einer Begründung von Duldungspflichten als unstatthaft an, so hat das Landgericht die Beschwerde zu Recht verworfen; die weitere Beschwerde ist dann als unbegründet zurückzuweisen. Folgt man dagegen der Auffassung des Kammergerichts, so ist die Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung statthaft und die Entscheidung des Landgerichts, das die Beschwerde als unstatthaft verworfen hat, aufzuheben. Offen bleiben kann in diesem Fall, ob auf die Beschwerde auch der Beschluss des Vormundschaftsgerichts mangels jeglicher aus der Akte ersichtlicher Anhaltspunkte für eine etwaige Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen aufzuheben oder - wie vom vorlegenden Oberlandesgericht erwogen - die Sache zur Feststellung etwaiger Anhaltspunkte an das Landgericht zurückzuverweisen ist.
12
Auch für die Entscheidung des Kammergerichts war die Frage der Statthaftigkeit der Beschwerde erheblich: Hätte das Kammergericht - wie zuvor das Landgericht - die Beschwerde gegen den Beweisbeschluss des Amtsgerichts für unstatthaft erachtet, hätte es die weitere Beschwerde ohne weitere Sachprüfung als unbegründet zurückweisen müssen. Das Kammergericht hat die Beschwerde jedoch für statthaft angesehen. Deshalb konnte es die weitere Beschwerde gegen die landgerichtliche Entscheidung - wie auch geschehen - nur dann zurückweisen, wenn sich aufgrund des bereits tatrichterlich festgestellten Sachverhalts Anhaltspunkte für eine Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen ergaben. Diese Voraussetzung hat das Kammergericht im von ihm zu entscheidenden Fall bejaht. Damit waren der Beschluss des Amtsgerichts über die Einholung eines Gutachtens rechtsfehlerfrei und die Beschwerde hiergegen nicht - wie vom Landgericht erkannt - als unzulässig zu verwerfen, sondern als unbegründet zurückzuweisen. Die Entscheidung der Vorlagefrage war damit zwar nicht für den Ausspruch des Kammergerichts (Unbegründetheit der weiteren Beschwerde) von Bedeutung, wohl aber für den Umfang der Sachprüfung (Unstatthaftigkeit oder Unbegründetheit der Beschwerde), die zu diesem Ausspruch geführt hat. Dies genügt, um die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage auch für den vom Kammergericht entschiedenen Fall zu bejahen.
13
Damit sind die Voraussetzungen für eine zulässige Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG - Abweichung und Erheblichkeit - erfüllt.

III.

14
Aufgrund der zulässigen Vorlage hat der Senat anstelle des vorlegenden Oberlandesgerichts über die weitere Beschwerde zu entscheiden. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
15
1. Die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen die Entscheidung des Landgerichts ist zulässig (vgl. Keidel/Meyer-Holz Freiwillige Gerichtsbarkeit 15. Aufl. § 27 Rdn. 2; Jansen/Briesemeister FGG 3. Aufl. § 27 Rdn. 5).
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2. Das Rechtsmittel ist aber nicht begründet. Der Beschluss des Amtsgerichts ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betroffenen deshalb zu Recht als unstatthaft verworfen.
17
Der angefochtene Beschluss beschränkt sich - wie dargelegt - darauf, einen Sachverständigen mit der Erstellung eines medizinischen Gutachtens über die Betreuungsbedürftigkeit der Betroffenen zu beauftragen. Zwar setzt eine solche Begutachtung eine Untersuchung der Betroffenen voraus; das bedeutet jedoch nicht, dass die Betroffene bereits durch diesen Beschluss verpflichtet wird, sich zum Zwecke der Begutachtung untersuchen zu lassen. Zwar kann das Vormundschaftsgericht, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Betreuungsbedürftigkeit eines Betroffenen sprechen, nicht nur - wie von § 68 b Abs. 1 FGG vorgeschrieben - ein Sachverständigengutachten einholen. Es kann nach § 68 b Abs. 3 Satz 1 FGG vielmehr auch eine Untersuchung des Betroffenen gegen dessen Willen sowie die Vorführung des Betroffenen zum Zwecke dieser Untersuchung anordnen. Eine solche Maßnahme wird allerdings regelmäßig erst dann in Betracht kommen, wenn der Betroffene sich der notwendigen Untersuchung verweigert oder eine solche Verweigerung von vornherein absehbar oder Gefahr im Verzug ist. Eine solche Anordnung liegt hier indes - schon nach dem Wortlaut des Beschlusses - nicht vor.
18
Vielmehr handelt es sich um eine sogenannte Zwischenverfügung, die nicht notwendig im Beschlusswege ergehen muss und die lediglich dazu dient, eine Grundlage für die spätere Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers zu schaffen. Derartige, die endgültige Sachentscheidung lediglich vorberei- tende Maßnahmen unterliegen grundsätzlich nicht der Beschwerde nach § 19 FGG, weil Rechte der Beteiligten durch sie in der Regel nicht berührt werden und der Fortgang des Verfahrens nicht durch Beschwerden gegen Zwischenentscheidungen verzögert werden soll. Ausreichenden Rechtsschutz erhält ein Beteiligter hier grundsätzlich durch die Möglichkeit, die Endentscheidung anzufechten und damit durch das Rechtsmittelgericht auch überprüfen zu lassen, ob die Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen durch eine Zwischenentscheidung rechtens war (vgl. etwa BayObLG FamRZ 2001, 707; 2000, 249 f. und FGPrax 1996, 58; OLG Hamm FamRZ 1989, 542, 543). Zwar sieht die Rechtsprechung die Beschwerde nach § 19 FGG auch gegen bloße Beweisanordnungen dann für statthaft an, wenn die angefochtene Anordnung unmittelbar und in erheblichem Maße in die Rechte Beteiligter eingreift (vgl. etwa BayObLG NJWE-FER 1998, 43 m.w.N.). Das ist hier jedoch (noch) nicht der Fall.
19
Die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, der sich auf die Bestellung eines Sachverständigen zur Begutachtung des Betroffenen beschränkt, lässt sich auch nicht mit § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG begründen. Zwar ist nach dieser Vorschrift auch die Anordnung des Vormundschaftsgerichts, einen Betroffenen zur Vorbereitung des Gutachtens über seine Betreuungsbedürftigkeit zu untersuchen und erforderlichenfalls vorzuführen, unanfechtbar. Daraus lässt sich jedoch nicht - mit dem Kammergericht - der Schluss ziehen, dann müsse im Interesse der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes zumindest die der späteren - unanfechtbaren - Untersuchungs- und Vorführungsanordnung vorausgehende Verfügung des Gerichts, ein Gutachten über die Betreuungsbedürftigkeit einzuholen, mit der Beschwerde angreifbar sein (KG FamRZ 2002, 970, 971; vgl. auch KG FamRZ 2001, 311, 312).
20
Zum einen schließt § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, durch den der Betroffene nach § 68 b Abs. 3 Satz 1 FGG zur Dul- dung seiner Untersuchung verpflichtet und erforderlichenfalls seine Vorführung angeordnet wird, nicht ausnahmslos aus. Vielmehr hat der Senat die Beschwerde gegen eine solche Anordnung des Vormundschaftsgerichts dann für ausnahmsweise statthaft erklärt, wenn diese objektiv willkürlich, d.h. in so krassem Maße rechtsfehlerhaft ist, dass sie unter Berücksichtigung des Schutzzwecks von Art. 3 Abs. 1 (und - im entschiedenen Fall - auch des Art. 103 Abs. 1) GG nicht mehr vertretbar erscheint (Senatsbeschluss BGHZ 171, 326 = FamRZ 2007, 1002). Anders als die bloße Beauftragung eines Gutachters stelle eine solche Anordnung bereits für sich genommen einen schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar; zudem sei er zugleich Grundlage für die - nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit anzuordnende - Vorführung und die damit möglicherweise verbundenen Zwangsmittel.
21
Zum andern rechtfertigt der Grundsatz effektiven Rechtsschutzes keine Vorverlagerung der Beschwerdemöglichkeit auf gerichtliche Anordnungen, mit denen - wie hier - noch kein Eingriff in die Rechte des Betroffenen verbunden ist. Der Senat verkennt dabei nicht die Probleme, die sich aus dem grundsätzlichen Ausschluss der Anfechtbarkeit von Entscheidungen nach § 68 b Abs. 3 Satz 1 FGG ergeben können. Der Betroffene wird durch eine solche Entscheidung verpflichtet, eine Untersuchung seiner Betreuungsbedürftigkeit - und das heißt: die etwaige Feststellung einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung - zu dulden und an ihr mitzuwirken. Die Beeinträchtigung , die in dieser ihm aufgegebenen Duldungspflicht liegt, wird von § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG als für den Betroffenen grundsätzlich hinnehmbar angesehen. Eine Beschwerde wird dem Betroffenen verwehrt; er wird darauf verwiesen, bis zum Abschluss des Betreuungsverfahrens zuzuwarten und sich gegebenenfalls erst gegen eine vom Gericht - aufgrund des erstellten Gutachtens - verfügte Bestellung eines Betreuers zu wenden. Dieser generelle Ausschluss der Anfechtbarkeit erscheint, wie der Senat dargelegt hat (BGHZ 171, 326 = FamRZ 2007, 1002, 1004), schon deshalb verfassungsrechtlich bedenklich , weil er dem Betroffenen die Möglichkeit nimmt, sich rechtzeitig und nicht erst nach der abschließenden Entscheidung über die Einrichtung einer Betreuung gegen die ihm aufgegebene und mit Zwangsmitteln durchsetzbare Pflicht zur Duldung der Untersuchung zu wenden; ein effektiver Grundrechtsschutz wird dadurch gefährdet. Zwar ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob und inwieweit Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen statthaft sein sollen. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet den Schutz durch den Richter, aber nicht vor dem Richter (BVerfGE 76, 93, 98; 87, 48, 61 und 107, 395, 402); deshalb begründet die Verfassung grundsätzlich keinen Anspruch auf Überprüfung jeder richterlichen Entscheidung durch eine höhere Instanz. Fraglich ist indes, ob dies auch den generellen Ausschluss eines - an sich gegebenen - Rechtsmittels in Fällen rechtfertigt, in denen - wie bei der Anordnung, sich psychiatrisch untersuchen zu lassen - in einen höchstpersönlichen und den Betroffenen unter Umständen existentiell berührenden Bereich eingegriffen wird und eine auf die Fälle der Gefahrenabwehr begrenzte Unanfechtbarkeit ebenso ausreichend wie sachgerecht wäre.
22
Die Frage kann hier dahinstehen. Auch wenn man sie verneint, so könnte dies nur die Verfassungsmäßigkeit des § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG in Zweifel ziehen. Dies könnte jedoch nicht den Schluss rechtfertigen, dass der vom Gesetzgeber gewollte Ausschluss eines Rechtsmittels gegen eine in die Rechte des Betroffenen gravierend eingreifende gerichtliche Maßnahme von Verfassungs wegen dadurch aufzufangen ist, dass eine - zudem nur in der Regel, aber keineswegs notwendig - vorangehende gerichtliche Maßnahme, die (noch) nicht in die Rechte des Betroffenen eingreift, der obergerichtlichen Nachprüfung unterstellt wird. Mit einer solchen Folgerung würde nicht nur der Sinn des § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG verkannt, sondern dessen auf die Anordnungen nach § 68 b Abs. 3 Satz 1 FGG beschränkte Regelung durch Ausweitung der Anfechtbarkeit über den Rahmen der Maßnahmen nach § 68 b Abs. 1 Satz 1 FGG hinaus in ihr Gegenteil verkehrt.
23
Schließlich ist die Beschwerde auch nicht als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit zulässig. Wie der Senat klargestellt hat (vgl. Beschluss vom 23. Mai 2007 - XII ZB 92/06 - FamRZ 2007, 1315), ist auch in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit für ein solches außerordentliches Rechtsmittel kein Raum; es widerspräche dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtsmittelklarheit. Auch die vom Senat in seiner Entscheidung vom 14. März 2007 (BGHZ 171, 326 = FamRZ 2007, 1002) für Fälle der Willkür als statthaft erachtete Beschwerde eröffnet ein solches Rechtsmittel nicht. Die Beschwerdemöglichkeit ist hier vielmehr durch §§ 19, 20 FGG eröffnet. Die Statthaftigkeit dieses - an sich gegebenen - Rechtsmittels wird durch die Regelung des § 68 b Abs. 3 Satz 2 FGG ausgeschlossen; nur dieser Ausschluss bedarf nach der genannten Senatsentscheidung - auch unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes - gegebenenfalls seinerseits der Einschränkung.

IV.

24
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass - unbeschadet der Frage der Statthaftigkeit einer Beschwerde - eine auf § 68 b Abs. 3 Satz 1 FGG gestützte Anordnung gegen die Beklagte jedenfalls nur dann rechtmäßig ist, wenn Anhaltspunkte für deren Betreuungsbedürftigkeit sprechen und, falls nicht Gefahr im Verzug besteht, der Betroffenen Gelegenheit zu rechtlichem Gehör gegeben worden ist. Dies muss aus den Akten erkennbar sein, und zwar auch (und gerade) dann, wenn sich solche Anhaltspunkte in einem zivilprozessualen Rechtstreit ergeben haben und der Prozess- richter mit dem Vormundschaftsrichter personengleich ist. An der Darlegung solcher Anhaltspunkte fehlt es, worauf das Oberlandesgericht mit Recht hinweist , im vorliegenden Fall völlig; sie erschließen sich auch nicht aus den Akten.
Sprick Weber-Monecke Wagenitz Vézina Dose

Vorinstanzen:
AG Herford, Entscheidung vom 24.05.2006 - 6 XVII B 668 -
LG Bielefeld, Entscheidung vom 14.07.2006 - 25 T 121/06 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 09.11.2006 - 15 W 268/06 -

(1) Vor Gericht hat jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör.

(2) Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

(3) Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden.

(1) Erweist sich der Antrag auf Verwirkung der Grundrechte (§ 13 Nr. 1), die Anklage gegen den Bundespräsidenten (§ 13 Nr. 4) oder einen Richter (§ 13 Nr. 9) als unbegründet, so sind dem Antragsgegner oder dem Angeklagten die notwendigen Auslagen einschließlich der Kosten der Verteidigung zu ersetzen.

(2) Erweist sich eine Verfassungsbeschwerde als begründet, so sind dem Beschwerdeführer die notwendigen Auslagen ganz oder teilweise zu erstatten.

(3) In den übrigen Fällen kann das Bundesverfassungsgericht volle oder teilweise Erstattung der Auslagen anordnen.