Sozialgericht München Urteil, 06. Juni 2018 - S 21 KA 5040/17

bei uns veröffentlicht am06.06.2018

Gericht

Sozialgericht München

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren.

Tatbestand

Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klagen waren die Bescheide der Beklagten aus der Sitzung vom 18.01.2017 und aus der Sitzung vom 21.06.2017.

In Anwendung der statistischen Prüfmethode wurden die Leistungen nach der GOÄ 2381 (einfache Hautlappenplastik) überprüft und Vergütungsberichtigungen in Höhe von 80% der Leistungen bzw. 75% der Leistungen (= € 3.077,06 bzw. € 2.800,95) ausgesprochen. Der Kläger wurde im Hinblick auf seine ausschließlich oralchirurgische Ausrichtung (Tätigwerden aufgrund der Überweisungen durch andere Zahnärzte) mit der Gruppe der Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen (im Folgenden: MKG-Chirurgen) verglichen. Der Beklagte ist der Auffassung, die Überschreitungen (Ausgangsüberschreitung im Quartal 3/13: 1.179%; Ausgangsüberschreitung im Quartal 4/13: 1.570%) seien nicht nachvollziehbar. Nach Vergütungsberichtigungen wurden dem Kläger Restüberschreitungen in Höhe von 146% bzw. 178% (im Vergleich zu den im MKG-Chirurgen) belassen. Aus den in den Bescheiden des Beklagten enthaltenen Statistiken ergibt sich, dass die klägerische Praxis beim Fallwert um +151%, bei der Fallzahl um +34% (Quartal 3/2013) bzw. um 190% und 8% (Quartal 4/2013) abweicht.

Dagegen ließ der Kläger Klage zum Sozialgericht München einlegen. Der Prozessbevollmächtigte vertrat die Auffassung, die Bescheide des Beklagten seien aus mehreren Gründen rechtswidrig und daher aufzuheben. Der Beklagte gehe offenbar davon aus, dass die Wundversorgung Bestandteil anderer Leistungsziffern (zum Beispiel der Bema-Nrn. 43, 48 ff.) sei. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass es sich nicht um eine primäre Wundversorgung handle. Denn die Wundversorgung stehe häufig im Zusammenhang mit Osteotomien. In der klägerischen Praxis würden aufgrund von Überweisungen auch häufig Patienten mit Knochennekrosen, Tumorpatienten, Diabetes-Patienten und Patienten mit Blutgerinnungsstörungen behandelt.

Zu beanstanden sei vor allem, dass der Beklagte den Kläger, der ausschließlich oralchirurgisch auf Überweisung durch andere Zahnärzte tätig sei, mit einer falschen Vergleichsgruppe verglichen habe.

Letztendlich werde die Einrede der Verjährung erhoben. Die Vergütungsberichtigungen würden nämlich der Verjährung unterliegen.

Insgesamt stellten die Kürzungen schwere Eingriffe in die Berufsausübung des Klägers dar.

Nach Auffassung der Beigeladenen zu 1 ist der Vergleich des Klägers mit der Gruppe der MKG-Chirurgen nicht zu beanstanden. Denn das Leistungsspektrum der Oralchirurgen und das der MKG-Chirurgen sei im Wesentlichen identisch. Außerdem sei darauf hinzuweisen, dass eine Leistung nur dann abrechnungsfähig sei, wenn deren Leistungsinhalt erfüllt sei. Übertragen auf die Leistung nach der GOÄ 2381 bedeute dies, dass diese nur dann abrechnungsfähig sei, wenn der hierfür erforderliche chirurgische Aufwand erfüllt sei. Was die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angesprochene Verjährung etwaiger Rückforderungsansprüche betreffe, sei eine solche nicht erkennbar.

In der mündlichen Verhandlung am 06.06.2018 wurde seitens des Prozessbevollmächtigten des Klägers die bereits schriftsätzlich dargestellte Auffassung zur Rechtswidrigkeit der Vergütungsberichtigungen wiederholt. Es wurde u.a. ergänzend ausgeführt, die klägerische Praxis habe ein anderes Leistungsspektrum als die Gruppe der MKG-Chirurgen, aber auch ein anderes Leistungsspektrum als andere Oralchirurgen. Die klägerische Praxis sei anderen Zahnärzten bekannt dafür, dass dort auch schwere Fälle aufgrund des besonderen „Handlings“ ambulant behandelt werden. Insofern könnten auch stationäre Aufnahmen vermieden werden.

In der mündlichen Verhandlung am 06.06.2018 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Anträge aus den Schriftsätzen vom 25.04.2017 (Aktenzeichen S 21 KA 5040/17) und vom 30.08.2017 (Aktenzeichen S 21 KA 5103/17).

Die Vertreterin der Beigeladenen zu 1 stellte keinen Antrag.

Die Vertreter der Beigeladenen zu 2 und 4 beantragten, die Klage abzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Beklagtenakten. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 06.06.2018 verwiesen.

Gründe

Die zum Sozialgericht München eingelegten Klagen, die in der mündlichen Verhandlung am 06.06.2018 verbunden wurden, sind zulässig, jedoch unbegründet.

Üblicherweise handelt es sich bei Klagen gegen Entscheidungen der Wirtschaftlichkeitsgremien um kombinierte Anfechtungs- und Verbescheidungsklagen nach § 54 SGG. In den streitgegenständlichen Verfahren wurde zwar jeweils nur ein sog. „Anfechtungsantrag“ (Aufhebung der Bescheide) gestellt. Eine solche Antragstellung kommt jedoch lediglich dann in Frage, wenn außer einer Aufhebung der Bescheide eine andere Entscheidung auszuschließen ist. Dies wäre dann der Fall, wenn überhaupt kein Beurteilungsspielraum der Prüfungsgremien bestehen würde, so zum Beispiel in dem Fall, in dem Rückforderungsansprüche verjährt wären. Auch wenn der Prozessbevollmächtigte den Einwand der Verjährung erhebt, ergeben sich, wie später noch aufzuzeigen ist, hierfür keinerlei Anhaltspunkte. Letztendlich kommt es jedoch darf nicht an.

Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nach Auffassung des Gerichts nicht in seinen Rechten.

Rechtsgrundlage für die durchgeführte statistische Durchschnittsprüfung ist § 106 Abs. 2 S. 2 SGB V in Verbindung mit §§ 18, 20 der Anlage 4a zum GV-Z. Bis zum 31.12.2003 sah der Gesetzgeber in § 106 Abs. 2 Ziff. 1 SGB V die Durchschnittsprüfung als Regelprüfung vor. Mit Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) zum 01.01.2004 wird diese Prüfmethode in § 106 Abs. 1 SGB V nicht mehr als Prüfmethode vorgesehen. Hintergrund hierfür war die Skepsis des Gesetzgebers, was die qualitative Wertigkeit dieser Prüfmethode betrifft (vgl. LSG Bayern, Urteil vom 14.01.2015, Az. L 12 KA 43/13; SG Hannover, Urteil vom 19.10.2016, Az. S 78 KA 191/14). Allerdings sieht § 106 Abs. 2 S. 4 SGB V vor, dass die Landesverbände der Krankenkassenverbände und der Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen hinaus auch Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten vereinbaren können. Von dieser Ermächtigung wurde Gebrauch gemacht. So wird in § 18 Abs. 2c der Anlage 4a zum GV-Z die Durchschnittsprüfung als Prüfmethode genannt. In § 20 der Anlage 4a zum GV-Z werden die Voraussetzungen aufgeführt. Danach wird die Prüfung nach Durchschnittswerten auf der Grundlage einer Gegenüberstellung der Einzelleistungswerte bzw. der durchschnittlichen Fallkosten des geprüften Vertragszahnarztes einerseits, und aller Vertragszahnärzte andererseits auf der Grundlage der von der KZVB gemäß Abs. 1 erstellten Statistiken durchgeführt (§ 20 Abs. 5 der Anlage 4a zum GV-Z). Nach § 27 Abs. 2 der Anlage 4a zum GV-Z findet für alle Wirtschaftlichkeitsprüfungen ab dem 01.07.2009 unabhängig vom Zeitpunkt des Abrechnungsquartals und der Antragstellung diese Prüfvereinbarung Anwendung.

Die Wirtschaftlichkeitsprüfungen in den Quartalen 3/13 und 4/13 bezogen sich auf die Leistungen der GOÄ 2381 (einfache Hautlappenplastik). Geprüft wurde entsprechend der Prüfvereinbarung statistisch nach Durchschnittswerten. Diese Prüfmethode ist in der Prüfvereinbarung vorgesehen und grundsätzlich nicht zu beanstanden. Es findet dabei eine Vergleichsprüfung statt, indem der geprüfte Zahnarzt/Arzt grundsätzlich mit der Gruppe von Ärzten verglichen wird, der er angehört. Anders als beispielsweise bei manchen Arztgruppen im vertragsärztlichen Bereich ist die Gruppe der Zahnärzte relativ homogen, d.h. die Leistungsspektren sind in der Regel nahezu identisch und deshalb vergleichbar. Der Kläger ist allerdings Fachzahnarzt für Oralchirurgie und - wie ausgeführt - ausschließlich chirurgisch auf Überweisung durch andere Zahnärzte tätig. Aufgrund seines Leistungsspektrums und der damit verbundenen A-Typik kann er daher mit der Gruppe der Vertragszahnärzte nicht verglichen werden. Dem hat der Beklagte auch Rechnung getragen, indem er von einer solchen Gegenüberstellung abgesehen hat. Vielmehr hat er den Kläger mit der Gruppe der MKG-Chirurgen verglichen. Dies ist nach Auffassung des Gerichts rechtlich nicht zu beanstanden.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine vollkommene Identität von Leistungsspektren unterschiedlicher Praxen in der Realität nie vorkommt. Würde man solches fordern, wäre eine Wirtschaftlichkeitsprüfung auf der Grundlage der statistischen Prüfmethode nicht durchführbar. Vielmehr muss genügen, dass die A-Typik der verglichenen Praxen nicht ein Maß erreicht, die einer Vergleichbarkeit entgegensteht. Grundsätzlich gibt es daher keinen Anspruch auf die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe. Einer A-Typik kann durch Anerkennung als Praxisbesonderheit angemessen Rechnung getragen werden.

Zunächst wäre hier zu erwägen gewesen, eine verfeinerte Vergleichsgruppe zu bilden und den Kläger mit den Fachzahnärzten für „Oralchirurgie“ zu vergleichen. Hierzu sind die Prüfgremien aber nach Auffassung des Bundessozialgerichts nicht verpflichtet. Insgesamt sei es Sache der Prüfgremien, ob sogenannte spezielle bzw. verfeinerte Vergleichsgruppen gebildet werden (BSG, Urteil vom 27.04.2005, Az. B 6 KA 39/04 R). Die Prüfgremien hätten hier einen Entscheidungsspielraum, es sei denn, die Tätigkeiten sind zu verschieden, dass von vornherein keine verwertbaren Aussagen über die Wirtschaftlichkeit oder Unwirtschaftlichkeit gemacht werden könnten. Ärzte, die eine Gebietsbezeichnung führten, könnten grundsätzlich nur mit Ärzten verglichen werden, die ebenfalls diese Gebietsbezeichnung führten. Für Nordrhein-Westfalen kam das Bundessozialgericht zu dem Ergebnis, das Führen einer Gebietsbezeichnung entspreche hinsichtlich der normativen Wirkungen derjenigen einer Zusatzbezeichnung im ärztlichen Bereich. Dies wurde damit begründet, § 51 HeilBerG NRW gelte nicht für Zahnärzte. Zahnärzte mit der Gebietsbezeichnung „Oralchirurgie“ müssten sich nicht auf oralchirurgische Behandlungen beschränken und seien nicht einmal verpflichtet, solche Behandlungen anzubieten, sondern könnten ausschließlich oder in großem Umfang allgemeinzahnärztlich tätig sein. In Bayern darf nach Art. 34 Abs. 1. Heilberufekammergesetz (HKaG) ebenfalls grundsätzlich nur in dem Gebiet tätig sein, wer die Gebietsbezeichnung führt. Diese Vorschrift gilt auch für Zahnärzte, es sei denn die Weiterbildungsordnung für die Bayerischen Zahnärzte sieht etwas Anderes vor (Art. 45 Abs. 2 S. 3 HKaG). Dies ist der Fall. Denn nach der Weiterbildungsordnung für die Bayerischen Zahnärzte braucht ein Fachzahnarzt für Oralchirurgie seine Tätigkeit nicht auf das Gebiet der zahnärztlichen Chirurgie beschränken (§ 23 Abs. 6 der Weiterbildungsordnung für die Bayerischen Zahnärzte vom 22.01.1985, zuletzt geändert durch Satzung vom 12.12.2015).

In Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich nicht zwingend, einen Fachzahnarzt für „Oralchirurgie“ mit der Gruppe der Fachzahnärzte für „Oralchirurgie“ vergleichen zu müssen. Denn - wie ausgeführt - werden von nicht wenigen Fachärzten für „Oralchirurgie“ nicht nur chirurgische Leistungen erbracht. Es kommt immer auf die einzelne Praxis und deren Ausrichtung an.

Nachdem der Kläger ausschließlich chirurgische Leistungen auf Überweisung erbringt, drängt sich ein Vergleich mit der Gruppe von Fachzahnärzten für „Oralchirurgie“ nicht zwingend auf. Dies deckt sich auch mit der Auffassung des Klägers, er sei wegen einem anderen Leistungsspektrum mit der Gruppe der Fachzahnärzte für „Oralchirurgie“ nicht vergleichbar. Abgesehen davon, ist ein solcher Vergleich auch deshalb nicht möglich, weil offensichtlich Statistiken über das Abrechnungsverhalten von Fachzahnärzten für „Oralchirurgie“ nicht vorhanden sind.

Somit ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte davon Abstand genommen hat, den Kläger mit der Gruppe der Vertragszahnärzte zu vergleichen bzw. eine verfeinerte Vergleichsgruppe der Fachzahnärzte für „Oralchirurgie“ zu bilden und auf dieser Basis einen Vergleich anzustellen.

Vielmehr ist das Leistungsspektrum des Klägers im Wesentlichen mit dem der MKG-Chirurgen identisch, weshalb der Kläger zutreffend mit dieser Gruppe verglichen wurde. Auch wenn diese in der Regel über eine Doppelzulassung als Vertragsärzte und Vertragszahnärzte verfügen, besteht bei ihnen ein chirurgischer Tätigkeitsschwerpunkt in der Form, dass dort wie beim Kläger ganz oder vorwiegend Patienten zur Vornahme schwieriger chirurgischer Eingriffe nach Überweisung durch Zahnärzte behandelt werden.

Dagegen kann nicht eingewandt werden, MKG-Chirurgen könnten aufgrund ihrer Doppelzulassung sowohl gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, als auch gegenüber der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Bayerns abrechnen. Zwar ist einzuräumen, dass dies der Fall ist, die Abrechnungsdaten nicht zusammengeführt werden und deshalb ein einheitliches „Abrechnungsbild“, was mitunter wünschenswert wäre, bei MKG-Chirurgen nicht existiert. Da aber ein einheitlicher Behandlungsfall nicht gesplittet werden darf (zum Splitting-Verbot vgl. Hess. Landessozialgericht, Urteil vom 02.04.2014, Az. L 4 KA 30/14), d.h. Unzulässigkeit der Abrechnung von bestimmten Leistungen in einem Behandlungsfall gegenüber der KVB, von anderen Leistungen im selben Behandlungsfall gegenüber der KzVB, und zum Großteil die Behandlungsfälle von MKG-Chirurgen bei der KzVB aufgrund der Honorarstruktur abgerechnet werden, führt die Doppelzulassung bei MKG-Chirurgen, verbunden mit der Eröffnung zweier Abrechnungswege nicht dazu, diese als Vergleichsgruppe für nur im vertragszahnärztlichen Bereich zugelassene Zahnärzte auszuschließen.

Auch die Tätigkeit des Klägers aufgrund von Überweisungen durch andere Zahnärzte schließt nicht aus, den Kläger einer Wirtschaftlichkeitsprüfung zu unterziehen. Zwar unterliegen Leistungen aufgrund von Überweisungen zu einer nach Art und Umfang festgelegten Behandlung nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung, soweit der Vertragszahnarzt den Inhalt der Überweisung nachweist (§ 20 der Anlage 4a zum GV-Z). Ein entsprechender Nachweis, dass der Überweisungsauftrag durch die überweisenden Zahnärzte eine einfache Hautlappenplastik nach der GOÄ 2381 enthielt, wurde nicht geführt und ist auch unüblich sowie unwahrscheinlich.

Wird der Kläger zutreffend - wie geschehen - mit der Gruppe von MKG-Chirurgen verglichen, ergibt sich, dass in den Quartalen 3/2013 und 4/2013 bei den Leistungen der GOÄ 2381 Überschreitungen in Höhe von 1.179% bzw. 1.013% festzustellen sind. Das bedeutet, er erbringt die „einfache Hautlappenplastik“ nach der GOÄ 2381 weit mehr als 10- mal so häufig, wie die Vergleichsgruppe der MKG-Chirurgen, obwohl diese auch wie er schwerpunktmäßig chirurgisch tätig sind.

Die gefestigte Rechtsprechung der Sozialgerichte nimmt bei Einzelleistungen eine Unwirtschaftlichkeit und eine Überschreitung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis i.d.R. bei Überschreitungswerten ab 100%, teilweise auch darunter an (BSG, Urteil vom 30.11.2016, Az. B 6 KA 29/15 R). Vor diesem Hintergrund liegen die Ausgangsüberschreitungen in Höhe von 1.179% bzw. 1.013% eindeutig im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses.

Diese hohen Überschreitungen sind auch nicht durch Praxisbesonderheiten gerechtfertigt. Praxisbesonderheiten sind aus der Zusammensetzung der Patienten herrührende Umstände, die sich auf das Behandlungsverhalten des Arztes auswirken und in den Praxen der Vergleichsgruppe nicht in entsprechender Weise anzutreffen sind (vgl. BSG, Urteil vom 06.09.2000, Az. B 6 KA 24/99 R). Dem Kläger obliegt hier bezüglich seiner Praxisbesonderheiten/kausalen Einsparungen grundsätzlich eine Darlegungs- und Feststellungspflicht und zwar nicht erst im gerichtlichen Verfahren. Darin konkretisiert sich die grundsätzliche Mitwirkungspflicht (§ 21 Abs. 2 SGB X), aber auch die besondere Mitwirkungspflicht des Arztes, die für ihn günstigen Umstände, die nur ihm bekannt sind, aufzuzeigen (BSG, Urteil vom 11.12.2002, B 6 KA 1/02R; LSG NRW, Urteil vom 09.02.2011, L 22 KA 38/09). Würde es zugelassen, die Geltendmachung von Praxisbesonderheiten/kausalen Einsparungen erst im Rahmen eines Gerichtsverfahrens vorzunehmen, würde die Wirtschaftlichkeitsprüfung in das Klageverfahren verlagert, womit letztendlich den Prüfungsgremien die umfassende Prüfungsmöglichkeit genommen würde (BSG, Urteil vom 21.03.2012, B 6 KA 17/11 R). Für das Vorliegen von Praxisbesonderheiten ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte. Auch das Vorbringen des Klägers lässt ein ausreichend substantiiertes Vorbringen hierzu vermissen, so dass etwaige Praxisbesonderheiten nicht zu berücksichtigen sind.

Des Weiteren sind auch die prozentualen Kürzungshöhen (Quartal 3/2013: 80% der Leistungen der GOÄ 2381; Quartal 4/2013: 75% der Leistungen der GOÄ 2381) ermessensfehlerfrei und rechtlich nicht zu beanstanden. Denn dem Kläger wurden Restüberschreitungen von 156% bzw. 178% gegenüber dem Landesdurchschnitt der MKG-Chirurgen belassen. Diese Werte liegen nach wie vor weit über 100% und damit im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Bei dieser Konstellation dürfen die Prüfgremien auf eine ausdrückliche Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis verzichten (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2012, B 6 KA 18/11 R). Hinzu kommt, dass selbst unter „Mitreflektieren“ des Gesamtfallwertes des Klägers die Kürzungshöhe ermessensfehlerfrei erscheint. Denn der Fallwert des Klägers liegt jeweils nicht nur über dem Fallwert der Vertragszahnärzte, sondern sogar über dem höheren der MKG-Chirurgen (Quartal 3/2013: Fallwert Kläger = 251.-€; Fallwert MKG = 166.-€).

Schließlich vermag die Klägerseite auch nicht mit ihrem Einwand durchdringen, die von dem Beklagten geltend gemachten Ansprüche aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen seien verjährt. Nachdem bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen eine 4-jährige Ausschlussfrist gilt (Ausschlussfrist in Anlehnung an die Verjährungsvorschrift des § 45 Abs. 1 SGB I; vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2010, Az. B 6 KA 5/09 R; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25.10.2017, Az. L 5 KA 1619/16), ist eine solche Verjährung nicht eingetreten. Soweit Antragsfristen nicht eingehalten worden sein sollten, ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um reine Ordnungsfristen handelt, die eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht ausschließen (BSG, Urteil vom 23.03.2016, Az. B 6 KA 14/16 R).

Aus den genannten Gründen war zu entscheiden, wie geschehen.

Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

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(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

I.

Die Berufungen des Beklagten und der Beigeladenen zu 2) gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 12. März 2013 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte über die Widersprüche des Klägers erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden hat.

II.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 2) tragen die Kosten der Berufungsverfahren einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) je zur Hälfte. Die Kosten der übrigen Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit von Heilmittelregressen betreffend die Quartale 1/06, 1/07 - 4/07 und 2/08.

Der Kläger ist als hausärztlich tätiger Internist in A-Stadt zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Wegen Überschreitung der Fachgruppe zwischen 101,95% (1/06) und 201,1% (2/08) bezogen auf die Verordnung von physikalisch-medizinischen Leistungen stellten die Krankenkassen und die KVB einen gemeinsamen Prüfantrag nach § 5 in Verbindung mit § 15 der zum damaligen Zeitpunkt gültigen Prüfvereinbarung. Daraufhin stellte der Prüfungsausschuss, bestätigt durch den Beklagten, Regresse zwischen 5 und 30% (zwischen 628,35 € und 7001,68 €) fest. Der Beklagte führte in den streitgegenständlichen Bescheiden vom 22.8.2012 eine Durchschnittsprüfung der Verordnungsweise physikalisch-medizinischer Leistungen mit ergänzender beispielhafter Einzelfallprüfung durch und vertrat dabei die Auffassung, eine repräsentative Einzelfallprüfung nach § 15 Abs. 4 der Prüfvereinbarung sei aus verschiedenen Gründen „zu verwerfen“. Die Prüfmethode der repräsentativen Einzelfallprüfung unterstelle nämlich, dass sämtliche Verordnungen, welche innerhalb des Regelfalles und somit heilmittelkatalogkonform erbracht würden, grundsätzlich wirtschaftlich seien. Diese Grundüberlegung werde bestritten. Der Katalog definiere die Indikation für eine bestimmte Anwendungsart und sichere damit die Plausibilität der Verordnung. Indem er pro Indikation eine pauschale Mengenobergrenze vorhalte, erfülle er keineswegs die Anforderungen an eine sachgerechte Wirtschaftlichkeitsbeurteilung. Es fehle insbesondere die Auseinandersetzung mit der konkreten Ausprägung der Erkrankung. In jedem Fall sei zu hinterfragen, ob diese überhaupt ein Heilmittel notwendig mache und ob der Patient durch Eigeninitiative die Symptome beheben könne. Weiterhin brauche nicht jedes Krankheitsbild die maximal denkbare Menge sowie Breite der Anwendungen. Eine Wirtschaftlichkeit könne einzelfallbezogen und im Nachhinein nicht erkannt werden, da nur der Arzt den aktuellen Zustand des Patienten und die konkrete Ausprägung der Symptome abschätzen könne. Die nachträgliche Wirtschaftlichkeitsbeurteilung anhand von Diagnosen sei nicht zielführend. Sie werde weder dem Prüfauftrag noch dem überprüften Arzt gerecht. Es werde deshalb davon ausgegangen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten wegen ihres hohen Erkenntniswertes bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand auch im Heilmittelbereich eine angemessene Methode darstelle. Bei der Auswahl ihrer Prüfmethode seien nach herrschender Rechtsmeinung die Prüfgremien weitgehend frei. Nach gängiger Rechtsprechung hätten die Prüfgremien eine so genannte „intellektuelle Prüfung“ vorzunehmen, die generell auf zwei Stufen stattzufinden habe. Auf der ersten Stufe seien Praxisbesonderheiten und kausale Einsparungen zu berücksichtigen, erst danach sei die Frage nach dem offensichtlichen Missverhältnis und nach der Vermutung der Unwirtschaftlichkeit zu stellen und zu beantworten. Auf der sich anschließenden zweiten Stufe sei dann der Kürzungs- und Regressbetrag festzusetzen, wobei dem Beschwerdeausschuss ein Ermessensspielraum zustehe. Zunächst wurden dann in allen Quartalen eine hohe Ausgangsüberschreitung zwischen 102,0% und 201,1% festgestellt. Was die Altersstruktur in der Praxis betreffe, so zeige die Statistik zwar einen höheren Rentneranteil, der mittels der Gewichtung der Prüfgruppenwerte Berücksichtigung finde. Heimpatienten könnten anhand der Gebührenordnungspositionen kaum erfasst werden. Es sei aber ein höherer Anteil chronisch Erkrankter festzustellen. Bezüglich des geltend gemachten orthopädischen Krankengutes sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger im üblichen Rahmen der hausärztlichen Versorgung liege.

Bei der ergänzenden Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung wurden vom Beklagten auf der zweiten Stufe im Wesentlichen Verordnungen der Patienten der AOK Bayern ausgewertet und zwar bezogen auf fünf Indikationsbereiche. Im Bereich WS (Wirbelsäulenrezepte) gebe es ein Einsparpotential, insbesondere sei hier mehr auf die Eigeninitiative der Patienten abzustellen. Der Beklagte stellte im Bereich der WS den Gesamtfallwert sowie den Kostenanteil der WS-Rezepte jeweils der Praxis und der Prüfgruppe gegenüber und regressierte dann anhand des errechneten Überhangs abzüglich eines Sicherheitsabschlag von 20%. Auch bezogen auf den Indikationsbereich der Massagen führte der Beklagte jeweils Durchschnittsprüfungen durch, die jedoch nur in den Quartalen 4/07 und 2/08 zu einem Regress in Höhe von 1,2% bzw. 1,0% führten, wobei aber im Quartal 2/08 dieser wiederum pauschal bei der Unwirtschaftlichkeit der Kosten WS abgegolten sei. Bei den ergänzenden Heilmitteln führte der Beklagte ebenfalls Durchschnittprüfungen durch, die in den Quartalen 2/07 und 3/07 zu Regressen in Höhe von 1,5% bzw. 1,2% führten, in den Quartalen 4/07 und 2/08 wie bereits bei den Massagen allgemein als abgegolten im Zusammenhang mit den WS-Verordnungen galten. Eine Prüfung von Einzelverordnungen wurde nur in den Quartalen 1/07 und 2/07 durchgeführt, wobei lediglich im Quartal 1/07 ein unwirtschaftlicher Anteil von 7,5% festgestellt wurde. Im Quartal 2/07 machte der Beklagte diesbezüglich nur allgemeine Ausführungen zu der häufigen Verordnung von ergänzenden Heilmitteln. Der Heilmittelkatalogabgleich führte nur die Quartalen 1/06 und 1/07 zur Festsetzung eines Regresses in Höhe von 3,14 bzw. 1,4%, in den anderen Quartale seien diese festgestellten Unwirtschaftlichkeiten aber mit der Unwirtschaftlichkeit der Kosten bei WS-Verordnungen abgegolten.

Insgesamt stellte der Beklagte zum einen fest, es gäbe konkrete Einsparmöglichkeiten, zum anderen habe der Kläger keine Praxisbesonderheiten nachgewiesen, welche die hohen Ausgangsüberschreitungen gegenüber der Prüfgruppe rechtfertigten. Dem Kläger wurden bis auf die Quartale 2/07 (Restüberschreitung 81%) und 3/07 (Restüberschreitung 74,6%) Restüberschreitungen von jeweils über 100% belassen.

Gegen die Bescheide vom 22.8.2012 ließ der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigten jeweils Klage zum Sozialgericht München einlegen. Zunächst wurde wie schon im Widerspruchsverfahren die formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide gerügt. Der Beklagte verstoße gegen § 15 Abs. 4 der Prüfvereinbarung Bayern, denn dort sei lediglich die Prüfmethode „repräsentative Einzelfallprüfung“ geregelt. Bei der Prüfvereinbarung handle es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, dem Rechtsnormcharakter zukomme. Die Vorschriften seien von den Prüfgremien zwingend anzuwenden, zumal die Feststellung der Unwirtschaftlichkeit einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Klägers darstelle. Wenn sich der Beklagte bei der Wahl der Prüfmethode „Durchschnittsprüfung“ von Zweckmäßigkeitserwägungen leiten lasse, verstoße er damit gegen Recht und Gesetz und gegen den Rechtsstaatlichkeitsgrundsatz. In diesem Zusammenhang sei auf § 106 Abs. 2 S. 4 SGB V hinzuweisen, wonach eine Durchschnittsprüfung nur dann gestattet sei, soweit diese Prüfmethode in der Prüfvereinbarung ausdrücklich vereinbart wurde. Der Gesetzgeber habe die Durchschnittsprüfung aufgrund ihrer Schwächen zum 01.01.2004 aus dem SGB V „gestrichen“. § 15 Abs. 4 der Prüfvereinbarung gebe für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnung von Heilmitteln zwingend die repräsentative Einzelfallprüfung vor. Zudem habe der Kläger im Rahmen der mündlichen Anhörung vor dem Beschwerdeausschuss seine Praxisbesonderheiten substantiiert dargetan. Die Bescheide seien aber auch materiell rechtswidrig. Beim Kläger hätten als Praxisbesonderheit ein erhöhter Rentneranteil und die vermehrte Betreuung von Heimpatienten berücksichtigt werden müssen. Er betreue Heimpatienten im Wohnstift A., die teilweise jenseits der 90 Jahre alt seien. Diese Patienten könnten nicht mehr durch Sport oder andere Übungen Beschwerden am Bewegungsapparat beseitigen. Auch die Einteilung in drei Gruppen, nämlich Familienangehörige, Mitglieder und Rentner sei zu grob und führe zu unsachgemäßen Ergebnissen.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, § 15 Abs. 4 der Prüfvereinbarung bestimme, dass die Prüfung der Verordnungsweise von Heilmitteln in der Form der repräsentativen Einzelfallprüfung stattzufinden habe. Die Regelungen des § 15 Abs. 1 und 2 Prüfvereinbarung behandelten jedoch die Durchschnittsprüfung allgemein, die sich auch auf die Prüfung von Heilmittelverordnungen beziehe. Die Beschränkung der Prüfmethode auf die Einzelfallprüfung bedeute, dass lediglich eine Prüfung nach dem Heilmittelkatalog zu erfolgen habe. Dies führe dazu, dass eigentlich eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Bereich der Heilmittelversorgungen nicht mehr möglich wäre. Klägerseits seien die behaupteten Praxisbesonderheiten nur unsubstantiiert dargelegt worden. Im Übrigen sei dem Kläger eine sehr hohe Restüberschreitung gelassen worden, so dass auf diese Weise die festgestellten vermehrten Hausbesuche und die Betreuung chronisch Erkrankter berücksichtigt worden seien.

Das SG hat die Klagen in der mündlichen Verhandlung vom 12.3.2013 unter dem führenden Az.: S 38 KA 1305/12 verbundenen. Mit Urteil vom gleichen Tag hat es die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufgehoben und den Beklagten zur Neuverbescheidung verpflichtet. Für die von dem Beklagten durchgeführten Durchschnittsprüfungen der Verordnungsweise physikalisch-medizinischer Leistungen mit ergänzender Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung gäbe es keine Rechtsgrundlage. Bis zum Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes habe die Durchschnittsprüfung als Regelprüfmethode gegolten, § 106 SGB V in der Fassung des GMG sehe anders als die vorherige Fassung eine Durchschnittsprüfung aber nicht mehr vor. In § 106 Abs. 2 SGB V sei lediglich unter 1. die Auffälligkeitsprüfung und unter 2. die Zufälligkeitsprüfung genannt. §106 Abs. 2 Satz 4 SGB V gestattet zwar, dass die Landesverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen weitere Prüfmethoden vereinbaren könnten. In anderen KVen sei nach wie vor in den entsprechenden Prüfvereinbarungen die Durchschnittsprüfung der Verordnungsweise im Bereich der Heilmittel vorgesehen, so zum Beispiel im Zuständigkeitsbereich der KV Sachsen und der KV Niedersachsen. Von der Möglichkeit, im Rahmen der Prüfvereinbarung die Durchschnittsprüfung zu regeln, sei jedoch im Zuständigkeitsbereich der KV Bayern kein Gebrauch gemacht worden. In § 9 Abs. 1 Ziffer 11.2 sei zwar grundsätzlich eine Durchschnittsprüfung vorgesehen, auch § 12 Abs. 1 der PV sehe eine Durchschnittsprüfung im Bereich der ärztlichen Behandlungsweise vor. Die Regelung in § 15 der PV stehe unter der Überschrift „Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise nach Durchschnittswerten“. § 15 Abs. 2 der Prüfvereinbarung bestimme, dass die Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise nach gewichteten Durchschnittswerten erfolge. Dies könne auch implizieren, dass auch die Prüfung der Verordnungsweise von Heilmitteln nach Durchschnittswerten zu erfolgen habe. Allerdings sei in § 15 Abs. 4 Satz 1 der Prüfvereinbarung für die Verordnungsweise von Heilmitteln die Form einer repräsentativen Einzelfallprüfung vorgesehen. § 15 Abs. 4 der PV stelle im Vergleich zu den allgemeinen Regelungen der §§ 9, 15 Abs. 2 der Prüfvereinbarung die speziellere Vorschrift dar. Zusammenfassend bedeute dies, dass im Bereich der Prüfung von Heilmitteln weder in § 106 SGB V noch in der Prüfvereinbarung eine Durchschnittsprüfung vorgesehen sei. Zwar stehe den Prüfgremien grundsätzlich ein Entscheidungsspielraum bei der Auswahl der Prüfmethode zu, sie seien jedoch nicht befugt, andere Prüfmethoden als die vorgesehenen anzuwenden. Zwar teile das Gericht die Bedenken des Beklagten, dass eine Beschränkung der Prüfmethode auf die Einzelfallprüfung im Prinzip eine Wirtschaftlichkeitsprüfung im Bereich der Heilmittelversorgungen ausschließen würde, da beispielsweise Mehrfachverordnungen bei gleicher Diagnose und/oder Kosten nicht berücksichtigt werden könnten. Die Beschränkung auf die gesetzlich und vertraglich vorgesehenen Prüfungsmethoden gelte nach Auffassung des Gerichts aber auch dann, wenn diese Prüfmethode nicht aussagekräftig und/oder nicht durchführbar sei. Zwar sei von BSG entschieden worden, dass die Prüfgremien berechtigt und verpflichtet seien, ausnahmsweise auch andere Prüfmethoden anzuwenden bzw. zu entwickeln, wenn sich im Einzelfall die Prüfung nach Durchschnittswerten „als nicht aussagekräftig oder nicht durchführbar“ erweise. Diese Rechtsgedanken ließen sich aber auf die streitgegenständlichen Fälle nicht übertragen, da in den von BSG entschiedenen Verfahren die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise und nicht die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise im Bereich der Heilmittel streitgegenständlich gewesen sei. Ferner sei es bei diesen Entscheidung darum gegangen, dass sich die Durchschnittsprüfung als mehr oder weniger ungeeignet erwiesen habe, weshalb sich die Frage gestellt habe, ob es den Prüfgremien erlaubt gewesen sei, andere Prüfungsmethoden anzuwenden. In den streitgegenständlichen Verfahren sei dagegen zu klären, ob statt der vorgesehenen repräsentativen Einzelfallprüfung eine Durchschnittsprüfung durchgeführt werden könne. Hinzu komme, dass den Verbänden der Krankenkassen und Ersatzkassen sowie den Kassenärztlichen Vereinigungen die Möglichkeit im Vereinbarungswege durch §106 Abs. 2 Satz 4 SGB V eröffnet worden sei, die Durchschnittsprüfung als Prüfmethode in der Prüfvereinbarung zu verankern, der Gesetzgeber aber selber mit Inkrafttreten des GKV-Modernisierungsgesetzes zum 1.1.2004 in § 106 SGB V als „qualitativ minderwertiges Prüfverfahren“ und wegen „Nachrangigkeit“ keine Durchschnittsprüfung mehr vorgesehen habe. Die Abschaffung der Pflicht zur Durchführung der Durchschnittsprüfungen solle zudem „der Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen einen Impuls geben, den gesetzlich vorgegebenen Übergang zu anderen Prüfungsform, insbesondere zu den qualitätsorientierten Wirtschaftlichkeitsprüfungen ... ohne weitere Verzögerung durchzuführen“. Eine selbstverständliche Überantwortung der „Entwicklung“, Festlegung und Anwendung von Prüfmethoden auf die Prüfgremien ohne Rechtsgrundlagen der Prüfvereinbarung würde somit eindeutig auch gegen den gesetzgeberischen Willen verstoßen. Das BSG halte auch eine entsprechende Rechtsgrundlage für erforderlich, zumal eine Wirtschaftlichkeitsprüfung mit der möglichen Folge von Regressen/Kürzungen ein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG darstelle, die nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden könne.

Hiergegen haben sowohl der Beklagte als auch die Beigeladene zu 2) Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Die vom Beklagten angewandte Prüfmethode der Prüfung nach Durchschnittswerten habe auch nach Inkrafttreten des GMG im Jahre 2004 immer noch einen gesetzlichen Anwendungsbereich in den Fällen, in denen eine Richtgrößenprüfung nicht durchgeführt werden könne. Da in Bayern die Vertragspartner keine Richtgröße für Heilmittel vereinbart hätten und die Vertragspartner in § 15 Abs. 1 der Prüfungsvereinbarung eine Prüfung nach Durchschnittswerten festgelegt hätten, gelte dies auch für die Verordnung von Heilmitteln. Die vom SG vorgenommene Auslegung des § 15 der Prüfungsvereinbarung verstoße gegen höherrangiges Recht, nämlich die Verpflichtung zu einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die ausschließliche Prüfung von Regelfallüberschreitungen tauge zu einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung deshalb nicht, weil der Prüfansatz strukturell den Zugriff auf gewichtige Unwirtschaftlichkeiten verstelle. Nicht jede Funktionsstörung oder Verspannung der Wirbelsäule wirke derart einschränkend, dass nicht der Patient selbst durch eigenes Zutun die Beschwerden in den Griff bekommen könne. Insoweit seien in einer anspruchsvollen Wirtschaftlichkeitsprüfung auch die allgemein formulierten Bestimmungen der Heilmittelrichtlinien zu beachten. Der dargestellte Mangel, welcher mit der ausschließlichen Bewertung des Heilmittelkataloges einhergehe, lasse sich auch nicht dadurch heilen, dass die Prüfgremien im Nachhinein und einzelfallbezogen unwirtschaftliches Verschreiben erkennen sollten. Dies könne allein der behandelnde Arzt beurteilen. Er sehe den aktuellen Zustand des Patienten und könne die konkrete Ausprägung der Symptome abschätzen. Störanfällig sei die Orientierungshilfe Heilmittelkatalog vor allem bei Anwendungen, die auch dem Bereich Wellness zugeordnet werden könnten („Praxismarketing“). Aber nicht nur an der Mengensteuerung der Heilmittelanwendungen mangle es, sondern auch an der Preissteuerung. Der Regelfall gestatte eine beachtliche Auswahl von verschieden teuren Anwendungsvarianten. Der Heilmittelkatalog gebe auch bei der Auswahl ergänzender Heilmittel keine Hilfestellung, somit sei der Berufungskläger nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, eine statistische Prüfung nach Durchschnittswerten als geeignete Prüfungsmethode anzuwenden. Um deutlich häufigere Verordnungsentscheidungen herauszustellen, sei es unumgänglich, auf die Kosten pro Patient im Vergleich zur Prüfungsgruppe abzustellen. Insbesondere die Prüfungsbereiche wie Massage oder Fango würden enorme Einsparpotenziale in sich bergen. Demgegenüber seien Einsparreserven im Bereich Heilmittelkatalogeinhaltung und unwirtschaftliche Einzelverordnung eher marginal. Die vom Beklagten gewählte Prüfungsmethode „Durchschnittsprüfung mit ergänzender beispielhafter Einzelfallprüfung“ sichere dagegen eine effektive Wirtschaftlichkeitsprüfung und verhindere zugleich ungerechtfertigte Pauschalregresse. Zumindest für dem Zeitraum ab 1.1.2008 seien die Prüfgremien gesetzlich verpflichtet, eine Prüfung nach Durchschnittswerten durchzuführen, da von den Vertragspartnern keine Heilmittel-Richtgrößen vereinbart worden seien und deswegen keine Richtgrößenprüfung habe durchgeführt werden können.

Der Beklagte stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 12.3.2013, Az. S 38 KA 1305/12 bis S 38 KA 1310/12 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Beigeladene zu 2) stellt den Antrag,

die Urteile des Sozialgerichts München vom 12.3.2013, Az. S 38 KA 1305/12 bis S 38 KA 1310/12 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Die Beigeladene zu 2) vertieft zudem den Hinweis darauf, dass die Durchschnittsprüfung auch ab dem 1.1.2004 nicht habe abrupt beendet werden sollen. Zudem könne den Prüfgremien auch nach der Rechtsprechung des BSG die gewählte Prüfmethode nicht mit dem Argument verwehrt werden, dass es den Vertragspartnern der Prüfvereinbarung freigestanden hätte, auch für den Bereich der Heil- und Hilfsmittelverordnungen eigens eine Durchschnittswertprüfung vorzusehen. Fehle im konkret zu beurteilenden Fall eine geeignete Prüfmethode, müssten die Prüfgremien notfalls eine andere Prüfungsmethode heranziehen bzw. eine neue Prüfmethode entwickeln. Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung dürfe unter keinen Umständen ausgeschlossen sein. Vielmehr seien auch die Prüfgremien gefordert, die zwingend eine effektive Prüfung vorzunehmen hätten.

Der Kläger beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und vertieft hierzu die bereits vorgebrachten Argumente. Insbesondere habe das Gericht § 15 der Prüfvereinbarung korrekt ausgelegt, zudem ergebe sich aus der ausdrücklichen Formulierung in § 15 Abs. 4 PV „muss“, dass die Prüfgremien keinen Ermessensspielraum bei der Auswahl der Prüfungsmethode gehabt hätten. Die zitierten Urteile des Bundessozialgerichts seien zur alten Rechtslage ergangen, als die Durchschnittsprüfung noch Regelprüfmethode gewesen sei. Zudem habe das BSG in den genannten Fällen entschieden, dass im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung plausible Gründe vorliegen müssten, um von den vorgeschriebenen Prüfmethoden abzuweichen. Das BSG habe zudem klargestellt, dass generell Bedenken der Prüfgremien an der Geeignetheit einer Prüfmethode keine Rechtfertigung dafür sein könnten, zu einer anderen Prüfmethode überzugehen. Damit bestätige das zitierte Urteil des BSG vielmehr die Rechtsauffassung des Klägers und des Sozialgerichts. Zwar hätten die Prüfgremien ihre auf der zweiten Stufe durchgeführte Prüfmethode als Durchschnittsprüfung mit ergänzender beispielhafter Einzelfallprüfung bezeichnet, die beispielhafte Einzelfallprüfung sei aber wiederum anhand von statistischen Erwägungen erfolgt. Demgegenüber hätten die Verstöße gegen den Heilmittelkatalog, die auf der zweiten Stufe auch untersucht worden seien, sich im geringfügigen Bereich bewegt, so dass im Ergebnis nur ein minimaler Regress festzusetzen gewesen wäre. Dies habe der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht München selbst eingeräumt. Die Prüfgremien seien als Körperschaften des öffentlichen Rechts an die Prüfungsvereinbarung gebunden. Wären die Prüfgremien berechtigt, die Durchschnittswertprüfung anzuwenden, ohne dass dies in der Prüfvereinbarung vorgesehen sei, wäre § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V überflüssig. Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Prüfungsvereinbarung seien auch von den Berufungsklägern nicht vorgetragen worden.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Sie hält ebenso wie der Kläger das Urteil des SG für zutreffend und verweist auf den insoweit eindeutigen Wortlaut der Prüfungsvereinbarung in § 15 Abs. 4. Die vom Beklagten zitierte Änderung des § 106 SGB V, wonach für den Fall, dass eine Richtgrößenprüfungen nicht durchgeführt werden könne, eine Prüfung nach Durchschnittswerten mit ansonsten denselben Voraussetzungen erfolgen solle, sei erst mit Wirkung zum 1.1.2008 eingefügt worden. Aber auch im hier streitgegenständlichen Quartal 2/08 könne sich der Berufungskläger nicht auf die Änderung berufen, denn es sei gerade keine Durchschnittsprüfung mit ansonsten den gleichen Vorgaben, wie vom Gesetzgeber gefordert, durchgeführt worden. Bezüglich des Quartals 2/08 hätte bei richtiger Umsetzung der Vorgaben des Gesetzgebers eine individuelle Beratung im Sinne des § 106 Abs. 5e SGB V stattfinden müssen.

§ 15 Abs. 4 PV sei im Verhältnis zu § 15 Abs. 1 PV lex specialis. Die Elemente der Durchschnittsprüfung seien lediglich als Einstieg für die repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung heranzuziehen. Für die Festsetzung von Regressen solle nach dem Willen der Vertragspartner jedoch allein die repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung als zweite Stufe der Prüfung maßgeblich sein. Es mangele daher an einer Rechtsgrundlage für die vom Beklagten durchgeführten Durchschnittsprüfungen im Bereich Heilmittel. Auch Vertrauensschutzgesichtspunkte sprächen gegen die Durchführung einer Durchschnittsprüfung. Denn die Ärzte dürften laut Prüfungsvereinbarung davon ausgehen, dass Verordnungen innerhalb der Grenzen des Heilmittelkataloges im Regelfall als wirtschaftlich gelten würden. Etwaige Unwirtschaftlichkeiten bei Verordnung innerhalb der Grenzen des Heilmittelkataloges erforderten nach Sinn und Zweck der Norm einen erhöhten Begründungsaufwand der Prüfungseinrichtungen. Wenn nach der Entscheidung des BSG (B 6 KA 72/03 R) schon nicht von der allgemeineren Prüfung nach Durchschnittswerten auf die speziellere repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung umgestellt werden dürfe, gelte dies im Umkehrschluss erst recht nicht von der genauen Einzelfallprüfung auf die pauschale Durchschnittsprüfung. Die Ärzte dürften nicht aufgrund pauschaler, rein statistische Auffälligkeiten mit Rückforderungen belastet werden. Die Vertragspartner hätten die Effektivität der Prüfung nach Durchschnittswerten verneint.

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und des Prüfungsausschusses sowie die gerichtlichen Akten beider Instanzen (S 38 KA 1305/12 bis S 38 KA 1310/12 und L 12 KA 43/13 sowie L 12 KA 77/13 bis L 12 KA 81/13) Bezug genommen, die vorgelegen haben und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden.

Gründe

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaften und gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen sind zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil des SG erging zu Recht. Die angefochtenen Bescheide waren aufzuheben, weil der Beklagte eine Durchschnittsprüfung der Verordnungsweise physikalisch-medizinischer Leistungen mit ergänzender Einzelfallprüfung durchgeführt hat, während in der einschlägigen Prüfungsvereinbarung in § 15 Abs. 4 festgelegt ist, dass die Prüfung der Verordnungsweise von Heilmitteln in Form einer repräsentativen Einzelfallprüfung durchzuführen ist.

Seit dem 1.1.2004 hat der Gesetzgeber im Zuge des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) die Prüfung nach Durchschnittswerten aufgrund ihrer qualitativen Minderwertigkeit nicht mehr als Regelprüfmethode in § 106 SGB V vorgesehen. Der Passus, in dem ergänzt wird, dass für den Fall, dass eine Richtgrößenprüfung nicht durchgeführt werden kann, eine Prüfung nach Durchschnittswerten mit ansonsten denselben Voraussetzungen erfolgen solle, ist durch den Gesetzgeber am 26. März 2007 eingefügt worden und entfaltet seine Wirkung erst ab dem 1.1.2008, also nach den hier streitgegenständlichen Quartalen 1/06 und 2 - 4/07. Aber auch für das Quartal 2/08 durfte der Beklagte eine Durchschnittsprüfung in der von ihm gewählten Form nicht durchführen.

Die ab dem 1. Quartal 2006 geltende Prüfungsvereinbarung sieht in § 15 unter der Überschrift „Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise nach Durchschnittswerten“ in Abs. 1 vor, dass Prüfungsgegenstand die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise bei der Einzelverordnung unter anderem von Heilmitteln sei; in Abs. 2 ist vorgesehen, dass die Prüfung der ärztlichen Verordnungsweise nach gewichteten Durchschnittswerten (bei PC-Bedarf ungewichtet) auf der Grundlage der nach den gesetzlichen Vorschriften zur Verfügung gestellten Daten erfolge. Sodann wird ausgeführt, wie die Werte der Vergleichsgruppe ermittelt werden. Abs. 3 bestimmt die Antragsfrist für die Prüfung der Verordnungsweise nach Durchschnittswerten. Abs. 4 schließlich sieht vor, dass die Prüfung der Verordnungsweise von Heilmitteln in Form einer repräsentativen Einzelfallprüfung durchzuführen ist. Für jede zu prüfende Praxis sind von jeder Kassenart alle Verordnungen oder Datensätze mit entsprechendem Inhalt für mindestens 20% der Patienten, jedoch höchstens 100 Patienten, die mit Heilmitteln versorgt worden sind, nach Versichertennummer je Krankenkasse sortiert vorzulegen. Stellt der Prüfungsausschuss fest, dass der Vertragsarzt in diesen Einzelfällen Art und Umfang der Anwendungen bezogen auf die Indikation nach dem Heilmittelkatalog (Regelfall) nicht überschreitet, ist in der Regel von einer wirtschaftlichen Verordnungsweise auszugehen.

In § 106 Abs. 2 Satz 4 SGB V ist zwar vorgesehen, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit den Kassenärztlichen Vereinigungen über die in Satz 1 vorgesehenen Prüfungen (= Auffälligkeitsprüfung und Zufälligkeitsprüfung) hinaus Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder anderen arztbezogenen Prüfungsarten vereinbaren können. Dies ist aber für die hier streitgegenständlichen Quartale in der jeweils geltenden Prüfvereinbarung nicht geschehen.

Auch aus der Überschrift des § 15 PV bzw. der Erwähnung der Heilmittel in § 15 Abs. 1 PV ergibt sich keine grundsätzliche Zulässigkeit der Durchschnittsprüfung im Bereich der Heilmittel. Denn § 15 Abs. 4 PV ist im Verhältnis zu § 15 Abs. 1 PV lex specialis und verdrängt somit die allgemeinen Regelungen des § 15 Abs. 1 PV. Während § 15 Abs. 1 PV den Prüfungsgegenstand für mehrere Prüfbereiche (Arznei-, Verbands- und Heilmittel sowie Sprechstundenbedarf) regelt, gilt § 15 Abs. 4 PV ausschließlich für die Prüfung der Verordnungsweise von Heilmitteln. Statistische Auffälligkeiten bei Heilmitteln im offensichtlichen Missverhältnis nach Abzug der Praxisbesonderheiten sowie kausaler Einsparungen dienen lediglich dem Einstieg zur Durchführung der Prüfung, die Festsetzung des Regresses ist jedoch grundsätzlich der repräsentativen Einzelfallprüfung vorbehalten. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Prüfgremien bei der Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung grundsätzlich an die Bestimmungen der Prüfvereinbarung wegen des Charakters der Prüfvereinbarung als Normvertrag gebunden sind (BSGE, SozR

4-2500 § 106 Nr. 8, Seite 61, 68). Die Prüfgremien haben grundsätzlich keine Verwerfungskompetenz in Bezug auf die durch die Prüfvereinbarung zwingend vorgegebene Prüfmethode. Weder Regressmaximierung noch geringer Verwaltungsaufwand rechtfertigen ein Abweichen von einer vom Normgeber vorgegebenen Prüfmethode. Nur soweit die Vorschriften in der Prüfvereinbarung gegen höherrangiges Recht verstoßen, insbesondere mit den bundesrechtlichen Vorgaben zur effektiven Überwachung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Leistungserbringer nicht vereinbar sind, sind sie nach den allgemeinen Regeln der Normenhierarchie nichtig und damit auch für den Beklagten nicht maßgeblich. Dabei ist zu beachten, dass die Partner der Prüfvereinbarung nicht berechtigt sind, den Prüfungs- und Entscheidungsspielraum der Prüfgremien durch generelle Regelungen einzuengen. Die Vorschrift des § 15 Abs. 4 der ab dem 1. Quartal 2006 geltenden Prüfvereinbarung ist im Hinblick auf dessen Satz 3 zunächst problematisch, kann aber im Hinblick auf Satz 1 rechtskonform ausgelegt werden. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 3 (ab 1/07 Satz 5 des § 15 Abs. 4 PV) wird dem Prüfungsausschuss vorgegeben, dass in der Regel von einer wirtschaftlichen Verordnungsweise auszugehen ist, wenn der Vertragsarzt in den geprüften Einzelfällen Art und Umfang der Anwendungen bezogen auf die Indikation nach dem Heilmittelkataloges (Regelfall) nicht überschreitet. Diese Vorgabe engt den Beurteilungsspielraum des Beschwerdeausschusses abstrakt generell ein, auch wenn dies nur in der Regel gelten soll und gemäß Satz 4 der Prüfungsausschuss andernfalls den Anteil unwirtschaftlicher Verordnungen festlegt. Der Senat legt die in Satz 1 enthaltene Vorgabe der Prüfung in Form einer repräsentativen Einzelfallprüfung jedoch dergestalt aus, dass bei Scheitern einer repräsentativen Einzelfallprüfung der Übergang zu einer anderen Prüfmethode nicht ausgeschlossen ist. D. h., sollte eine effektive Wirtschaftlichkeitsprüfung aufgrund der konkreten, bezogen auf den Einzelfall dargelegten Umstände nicht möglich sein, kann von der Prüfungsvereinbarung mit der verpflichtenden Einzelfallprüfung bei Heilmitteln abgewichen und die Prüfmethode verfeinert werden, ggf. auch durch eine Durchschnittsprüfung. Dies bedeutet, dass die Prüfgremien zunächst eine Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand der in § 15 Abs. 4 PV verpflichtend vorgeschriebene Einzelfallprüfung durchführen müssen und erst dann, wenn eine solche im Einzelfall nicht möglich ist, auf eine andere Prüfmethode ausweichen dürfen. Vorliegend wäre der Beklagte daher bei Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf Grundlage des statistischen Fallkostenvergleiches verpflichtet gewesen, im Einzelnen darzulegen, wieso beim Kläger die Prüfung der Wirtschaftlichkeit in Form einer repräsentativen Einzelfallprüfung nicht möglich war. Tatsächlich hat der Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden aber die in § 15 Abs. 4 PV verpflichtend vorgeschriebene Methode der „repräsentativen Einzelfallprüfung“ aus verschiedenen Gründen für den Bereich der Heilmittelverordnung generell verworfen. Er hat die sich aus § 15 Abs. 4 Satz 3 bzw. 5 PV ergebende Grundüberlegung des Normgebers, dass Verordnungen, die innerhalb des Regelfalls und somit heilmittelkatalogkonform erbracht werden, grundsätzlich wirtschaftlich sind, verworfen, ohne zunächst eine repräsentative Einzelfallprüfung durchgeführt zu haben.

Der Beklagte hat in den streitgegenständlichen Bescheiden auf der zweiten Stufe den statistischen Fallkostenvergleich zwar im Rahmen einer ergänzender Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung basierend auf (einer unbekannten Anzahl von) Verordnungen der Beigeladenen zu 2) sowie zum Teil der Beigeladenen zu 4) und 6) ergänzt. Aber auch hierbei hat er sich bei WS, Massagen und Ergänzenden Heilmitteln des statistischen Vergleichs der Praxis mit der Prüfgruppe bedient. Er hat lediglich zusätzlich Einzelfallprüfungen anhand des Heilmittelkataloges im Rahmen der Betrachtung der unwirtschaftlicher Einzelfälle vorgenommen, diese festgestellten Unwirtschaftlichkeiten aber bis auf die Quartale 1/06 und 1/07 nicht beziffert, sondern als in der allgemeinen Unwirtschaftlichkeit bei den Kosten als „pauschal mit abgegolten“ bezeichnet. Der Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden damit auch auf der zweiten Stufe keine in § 15 Abs. 4 PV geforderte repräsentative Einzelfallprüfung durchgeführt. Das Belassen einer hohen Restüberschreitung im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses ist nicht ausreichend.

Gleiches gilt für das Quartal 2/08. Ab dem Quartal 1/08 gilt die Prüfungsvereinbarung vom 10.12.2007. Deren § 15 Abs. 4 entspricht den Vorgängerfassungen. Allerdings wurde aufgrund der Neuregelung in § 106 Abs. 2 Satz 5 HS 3 SGB V seit dem 1.1.2008 eine Prüfung nach Durchschnittswerten als verpflichtende Ersatzprüfmethode zu einer Richtgrößenprüfung eingeführt. Die gesetzliche Vorgabe des § 106 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 3 SGB V zur Durchführung der so genannten „Ersatzrichtgrößenprüfung“, d. h. einer Prüfung auf Grundlage des Fachgruppendurchschnitts mit ansonsten gleichen gesetzlichen Vorgaben wie bei der Richtgrößenprüfung, wurden jedoch nicht eingehalten. Dass der Berufungskläger eine Durchschnittsprüfung nach § 15 Abs. 1 der Prüfungsvereinbarung und gerade keine Ersatzrichtgrößenprüfung nach § 14 Abs. 7 PV durchführen wollte, ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der angefochtenen Bescheide (Seite 1 der Bescheide, „GKV-Prüfung nach Durchschnittswerten, § 15 der Prüfvereinbarung“). Zudem hätte für das Quartal 2/08 zunächst eine Beratung ausgesprochen werden müssen. Denn nach der zum 26.10.2012 eingeführten Neuregelung des § 106 Absatz 5e SGB V hätte bei erstmaliger Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25% eine individuelle Beratung nach §106 Abs. 5a Satz 1 SGB V ausgesprochen werden müssen. Nach § 106

Abs. 7 gilt § 106 Abs. 5e auch für Verfahren, die am 31. Dezember 2011 noch nicht abgeschlossen waren. Der Widerspruchsbescheid des Beklagten datiert vom 22.8.2012, damit war das Verfahren am 31.12.2011 noch nicht abgeschlossen.

Nach alldem hat das SG die Bescheide zutreffend aufgehoben und den Beklagten zur nochmaligen Entscheidung verurteilt. Der Beklagte hat aber bei seiner nochmaligen Entscheidung die Auffassung des Senats zugrunde zulegen, da der Senat - wie ausgeführt - die Durchführung einer Durchschnittsprüfung im Einzelfall abweichend von § 15 Abs. 4 PV dann für zulässig hält, wenn ansonsten eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgeschlossen ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 VwGO und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

(1) Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen überwachen die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch Beratungen und Prüfungen. Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich und die Kassenärztlichen Vereinigungen vereinbaren Inhalt und Durchführung der Beratungen und Prüfungen nach Absatz 2 sowie die Voraussetzungen für Einzelfallprüfungen. Die Vertragspartner können die Prüfungsstelle mit der Prüfung ärztlich verordneter Leistungen in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung beauftragen und tragen die Kosten. Die Krankenkassen übermitteln der Prüfungsstelle die Daten der in der ambulanten Versorgung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung verordneten Leistungen; dabei sind zusätzlich die Zahl der Behandlungsfälle und eine Zuordnung der verordneten Leistungen zum Datum der Behandlung zu übermitteln. Die §§ 296 und 297 gelten entsprechend.

(2) Die Wirtschaftlichkeit der Versorgung wird von der Prüfungsstelle nach § 106c geprüft durch

1.
arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach § 106a,
2.
arztbezogene Prüfungen ärztlich verordneter Leistungen nach § 106b.
Die Prüfungen werden auf der Grundlage der Daten durchgeführt, die der Prüfungsstelle nach § 106c gemäß § 296 Absatz 1, 2 und 4 sowie § 297 Absatz 2 übermittelt werden. Hat die Prüfungsstelle Zweifel an der Richtigkeit der übermittelten Daten, ermittelt sie die Datengrundlagen für die Prüfung aus einer Stichprobe der abgerechneten Behandlungsfälle des Arztes und rechnet die so ermittelten Teildaten nach einem statistisch zulässigen Verfahren auf die Grundgesamtheit der Arztpraxis hoch.

(3) Die Prüfungsstelle nach § 106c bereitet die für die Prüfungen nach Absatz 2 erforderlichen Daten und sonstigen Unterlagen auf, trifft Feststellungen zu den für die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit wesentlichen Sachverhalten und entscheidet unter Beachtung der Vereinbarungen nach den §§ 106a und 106b, ob der Vertragsarzt, der ermächtigte Arzt oder die ermächtigte Einrichtung gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat und welche Maßnahmen zu treffen sind. Eine Maßnahme kann insbesondere auch die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung sein. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung auf Grund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, die von Amts wegen durchzuführen ist, muss für ärztliche Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab Erlass des Honorarbescheides und für ärztlich verordnete Leistungen innerhalb von zwei Jahren ab dem Schluss des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, erfolgen; § 45 Absatz 2 des Ersten Buches gilt entsprechend. Für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, die auf Grund eines Antrags erfolgen, ist der Antrag für die Prüfung ärztlicher Leistungen spätestens 18 Monate nach Erlass des Honorarbescheides und für die Prüfung ärztlich verordneter Leistungen spätestens 18 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Leistungen verordnet worden sind, bei der Prüfungsstelle nach § 106c einzureichen. Die Festsetzung einer Nachforderung oder einer Kürzung muss innerhalb weiterer zwölf Monate nach Ablauf der in Satz 4 genannten Frist erfolgen; die Regelung des § 45 Absatz 2 des Ersten Buches findet keine entsprechende Anwendung. Gezielte Beratungen sollen weiteren Maßnahmen in der Regel vorangehen. Die Prüfungsstelle berät die Vertragsärzte auf der Grundlage von Übersichten über die von ihnen im Zeitraum eines Jahres oder in einem kürzeren Zeitraum erbrachten, verordneten oder veranlassten Leistungen über Fragen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Versorgung.

(4) Werden Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen für eine ordnungsgemäße Umsetzung. Können Wirtschaftlichkeitsprüfungen nicht in dem vorgesehenen Umfang oder nicht entsprechend den für ihre Durchführung geltenden Vorgaben durchgeführt werden, weil die erforderlichen Daten nach den §§ 296 und 297 nicht oder nicht im vorgesehenen Umfang oder nicht fristgerecht übermittelt worden sind, haften die zuständigen Vorstandsmitglieder der Krankenkassen oder der Kassenärztlichen Vereinigungen. Die zuständige Aufsichtsbehörde hat nach Anhörung der Vorstandsmitglieder und der jeweils entsandten Vertreter im Ausschuss den Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat oder die Vertreterversammlung das Regressverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten auch für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der im Krankenhaus erbrachten ambulanten ärztlichen und belegärztlichen Leistungen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2014 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 3. April 2013 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des erkennenden Senats zu beachten hat.

Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sowie die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Rechtmäßigkeit von Honorarkürzungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Behandlungsweise in den Quartalen III/2005, IV/2005 und IV/2006 in Höhe von insgesamt 3263,75 Euro.

2

Die zu 1. beigeladene Fachärztin für Allgemeinmedizin nimmt seit dem 1.7.1997 im Bezirk der klagenden KÄV an der vertragsärztlichen Versorgung teil; sie führt die Zusatzbezeichnung Diabetologie. Mit Bescheid vom 19.10.2009 setzte die Prüfungsstelle nach Durchführung einer - auf einzelne Gebührenordnungspositionen (GOP) des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä, hier in der Fassung des bis Ende 2007 geltenden "EBM 2000 plus") bezogenen - statistischen Vergleichsprüfung Honorarkürzungen für die Quartale III/2005 und IV/2005 fest: Bei Leistungen nach der Nr 03311 EBM-Ä ("Ganzkörperstatus") sowie der Nr 03320 EBM-Ä ("Elektrokardiographische Untersuchung") erfolgte eine Kürzung auf das Doppelte des gewichteten Vergleichsgruppendurchschnitts (+ 100 %). Hiergegen legte die Beigeladene zu 1. Widerspruch ein. Mit weiterem Bescheid vom 23.8.2010 setzte die Prüfungsstelle Honorarkürzungen bezüglich des Quartals IV/2006 fest: Leistungen nach Nr 03120 EBM-Ä ("Beratung, Erörterung und/oder Abklärung") wurden bis auf eine Überschreitung des gewichteten Vergleichsgruppendurchschnitts um + 60 % (einschließlich eines Bonus von 10 % für Praxisbesonderheiten) gekürzt. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch.

3

Mit Widerspruchsbescheid vom 30.8.2011 (aus der Sitzung vom 4.5.2011) gab der beklagte Beschwerdeausschuss dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.10.2009 (Quartale III/2005 und IV/2005) - unter Zurückweisung im Übrigen - teilweise statt. Der Beklagte bestätigte die Kürzungen bei den GOP Nr 03320 und 03311 EBM-Ä auf die - beim Doppelten des Vergleichsgruppendurchschnitts angenommene - Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis, bereinigte allerdings bei der GOP Nr 03311 EBM-Ä vorab die Überschreitungswerte um einen als Praxisbesonderheit anerkannten Mehraufwand für Kinder bis fünf Jahren. Bezüglich der Nr 03120 EBM-Ä bestätigte der Beklagte die Entscheidung der Prüfungsstelle, insoweit das "offensichtliche Missverhältnis" bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % anzusetzen, ebenso deren Entscheidung, für die Quartale III und IV/2005 "das Kürzungsmaß" wegen der Einführung des neuen EBM-Ä um einen "Bonus" von 50 % anzuheben. Zugleich wies der Beklagte (im Ergebnis) den Widerspruch gegen den Bescheid vom 23.8.2010 (Quartal IV/2006) zurück und bestätigte die Kürzung bei der GOP Nr 03120 EBM-Ä auf eine Überschreitung um 50 %; allerdings erkannte er vorab in jedem "Diabetikerfall", in dem keine internistische "Chronikerziffer" (3210) abgerechnet wurde, je ein Gespräch nach der Nr 03120 EBM-Ä zu.

4

Auf die Klage der KÄV hat das SG den Bescheid des Beklagten aufgehoben und diesen verurteilt, erneut über die gegen die Bescheide der Prüfungsstelle erhobenen Widersprüche der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. zu entscheiden (Urteil vom 3.4.2013). Der Bescheid vom 30.8.2011 enthalte keine ausreichende Begründung dazu, weshalb der Beklagte bei den von ihm beanstandeten GOP unterschiedliche Grenzen zum Vorliegen eines offensichtlichen Missverhältnisses angesetzt und entsprechende Kürzungen vorgenommen habe. Die - von der Klägerin in Zweifel gezogene - statistische Vergleichbarkeit der Nr 03311 EBM-Ä sei hingegen gegeben, weil entscheidend sei, dass der obligate Leistungsinhalt erbracht werde; allein hieraus entstehe bereits eine Aussagekraft hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung.

5

Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG geändert, die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung der Beigeladenen zu 1. zurückgewiesen (Urteil vom 18.12.2014). Zur Begründung hat das LSG - unter teilweiser Inbezugnahme der erstinstanzlichen Entscheidung - ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG seien die Prüfgremien nicht verpflichtet, bei ihrer Entscheidung über die Grenze des offensichtlichen Missverhältnisses und über die Höhe des Regresses die Entscheidungen zu einzelnen GOP zueinander in Beziehung zu setzen und Unterschiede zu begründen, weil die Entscheidungen zur Wirtschaftlichkeit hinsichtlich einzelner GOP nicht von der Entscheidung zu anderen GOP abhingen. Einer zusätzlichen Begründung im angefochtenen Bescheid habe es auch ansonsten nicht bedurft. Der Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass ein Mehraufwand hinsichtlich der GOP Nr 03120 EBM-Ä durch die Betreuung von Heimpatienten nicht begründbar sei, da die von der Beigeladenen zu 1. abgerechnete GOP Nr 03002 EBM-Ä eine kontinuierliche Betreuung beinhalte; hinsichtlich der GOP Nr 03311 EBM-Ä habe der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass der routinemäßige Ansatz unwirtschaftlich gewesen sei.

6

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Wenn nach der Rechtsprechung des BSG bei unterschiedlichen Voraussetzungen Kürzungen in gleicher Höhe eine weitergehende Begründung erforderten, um die Korrektheit der durchgeführten Ermessensentscheidung überprüfen zu können, bedürfe eine unterschiedliche Festsetzung des "offensichtlichen Missverhältnisses" bei identischen Voraussetzungen ebenfalls einer weitergehenden Begründung. Mit Recht habe das SG entschieden, dass hier auch für den sachkundigen Adressaten nicht erkennbar sei, warum der Beklagte das offensichtliche Missverhältnis in unterschiedlicher Höhe festgesetzt habe. Es liege daher ein Begründungsmangel vor.

7

Bei seiner erneuten Entscheidung werde der Beklagte auch seine Entscheidung zur Kürzung der Nr 03311 EBM-Ä korrigieren müssen, da insoweit die Voraussetzungen für eine statistische Vergleichsprüfung nicht vorlägen. Aus der Abrechnung der Nr 03311 EBM-Ä ergebe sich kein eindeutiger Leistungsinhalt, weil die GOP neben einem obligaten noch einen fakultativen Leistungsinhalt habe. Solange nicht klar sei, in welchem Umfang der geprüfte Arzt auf der einen und die zum Vergleich herangezogenen Kollegen auf der anderen Seite tatsächlich auch die fakultative Leistungsalternative erbracht hätten, sei der Schluss von der Überschreitung des Durchschnitts der Fallwerte auf eine Unwirtschaftlichkeit logisch nicht nachvollziehbar, da die wesentlichen Bedingungen der abgerechneten GOP möglicherweise nicht identisch seien. Betreue ein Arzt - wie die Beigeladene zu 1. - einen überdurchschnittlichen Anteil von Patienten in beschützenden Wohnheimen oder Pflege- und Altenheimen, sei nachvollziehbar, dass bei der Betreuung eines in seiner Kommunikationsfähigkeit eingeschränkten Personenkreises häufiger "eingehende Untersuchungen" erforderlich sein könnten. Die fakultative Leistungsalternative werde dabei weniger zum Einsatz kommen als bei Patienten, die dem Arzt bisher nicht bekannt seien. In der gleichen Zeit könne ein Arzt mehr Leistungen (allein mit dem obligaten Leistungsinhalt) erbringen als die Vergleichsgruppe.

8

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 18.12.2014 aufzuheben und das Urteil des SG Mainz vom 3.4.2013 mit der Maßgabe abzuändern, dass der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung die Rechtsauffassung des BSG zu beachten hat.

9

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Bereits aus dem Tenor der angefochtenen Verwaltungsentscheidung gehe ausreichend hervor, warum er - der Beklagte - unterschiedliche Grenzen zum offensichtlichen Missverhältnis bei den verschiedenen Einzelleistungen gezogen habe, da er dort auf die Berücksichtigung der Einführung eines neuen EBM-Ä sowie eines Mehranteils für Kinder hingewiesen habe. Zudem hätten sämtliche Kürzungen über der von der Rechtsprechung des BSG als vertretbar angesehenen Überschreitungstoleranz von 40 % gelegen. Die Entscheidung der Prüfgremien zur Wirtschaftlichkeit einzelner GOP hänge nicht von der Entscheidung zu anderen GOP ab, da bereits die Leistungslegenden der einzelnen GOP grundsätzlich unterschiedlich und schon deshalb nicht miteinander vergleichbar seien. Auch bezüglich der GOP Nr 03311 EBM-Ä sei die Entscheidung nicht zu beanstanden: Ob eine GOP einen obligaten und fakultativen Leistungsinhalt aufweise, habe keine Auswirkung auf die statistische Aussagekraft einer Vergleichsprüfung.

11

Die Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich sonst geäußert.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der KÄV ist zulässig (stRspr des BSG zur Rechtsmittelbefugnis und Aktivlegitimation der KÄVen in Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung, vgl zB BSGE 92, 283, 289 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 21; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 12 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 17; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 16) und auch begründet. Der angefochtene Bescheid des beklagten Beschwerdeausschusses, der alleiniger Gegenstand des Verfahrens ist (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 29 RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 11 mwN), ist nicht rechtmäßig. Der Beklagte wird daher erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats über die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide der Prüfungsstelle vom 19.10.2009 und vom 23.8.2010 zu entscheiden haben.

13

1. Rechtsgrundlage der Honorarkürzung wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003, BGBl I 2190, 2214, die in den Quartalen III/2005 bis IV/2006 galt; zur Maßgeblichkeit des im jeweiligen Prüfzeitraum geltenden Rechts siehe BSGE 117, 149 = SozR 4-2500 § 106 Nr 48, RdNr 37 ff). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2) geprüft. Über diese in Satz 1 aaO vorgesehenen Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V Prüfungen ärztlicher oder ärztlich verordneter Leistungen nach Durchschnittswerten oder andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren. Nach den Feststellungen des SG waren nach § 10 Abs 1 Nr 3 der hier einschlägigen Prüfvereinbarung arztbezogene Prüfungen ärztlicher Leistungen nach Durchschnittswerten vorgesehen.

14

Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 303; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14, 15; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 17). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 17).

15

2. Es ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise im Wege einer auf Einzelleistungen bezogenen Prüfung nach Durchschnittswerten untersucht hat.

16

a. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten auch auf Einzelleistungswerte - also auf einzelne GOP des EBM-Ä - bezogen werden (vgl zB BSGE 76, 53, 57 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 148 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13). Eine derartige, auf Teilbereiche der ärztlichen Tätigkeit beschränkte Gegenüberstellung von Fallkosten ist unter der Voraussetzung einer hinreichenden Vergleichbarkeit zulässig, da der Vertragsarzt verpflichtet ist, in dem Sinne umfassend wirtschaftlich zu behandeln, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot auch in jedem Teilbereich seiner Tätigkeit gewahrt ist (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 15). Voraussetzung eines Einzelleistungsvergleichs ist es, dass es sich bei der geprüften GOP um eine fachgruppentypische Leistung handelt, also um eine solche, die für die Vergleichsgruppe prägend ist und zumindest von einem größeren Teil der Fach- bzw Vergleichsgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht wird (stRspr, vgl zB BSGE 76, 53, 57 = SozR 3-2500 § 106 Nr 26 S 148 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 9 mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 24). Eine fachgruppentypische Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn sie von über 50 % der Mitglieder der Fach- bzw Vergleichsgruppe erbracht wird (BSGE 74, 70, 76 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 130; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 24). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nach den - nicht von den Beteiligten angegriffenen - Feststellungen des SG erfüllt.

17

b. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine hinreichende Vergleichbarkeit auch in Bezug auf die GOP Nr 03311 EBM-Ä ("Ganzkörperstatus") gegeben, auch wenn diese sowohl einen obligatorischen als auch einen fakultativen Leistungsinhalt hat.

18

Obligater Leistungsinhalt der GOP ist die Erhebung des Ganzkörperstatus (dh eine Untersuchung "von Kopf bis Fuß" - vgl Kölner Kommentar zum EBM, Stand 1.4.2016, zu Nr 27310 EBM-Ä nF); fakultativer Inhalt ist die Leistung nach der Nr 03312 EBM-Ä, dh die "klinisch-neurologische Basisdiagnostik", wobei die Nr 03312 EBM-Ä ihrerseits "obligate" Leistungsinhalte - Erhebung des Reflexstatus sowie Prüfung der Motorik und der Sensibilität - und fakultative Leistungsinhalte hat. Die Nr 03312 EBM-Ä ist nicht neben der Nr 03311 EBM-Ä berechnungsfähig. Eine GOP ist nach Nr 2.1 Abs 1 der Allgemeinen Bestimmungen zum EBM-Ä nur dann berechnungsfähig, wenn der Leistungsinhalt vollständig erbracht worden ist. Die Vollständigkeit der Leistungserbringung ist nach Abs 2 aaO gegeben, wenn die "obligaten" Leistungsinhalte erbracht worden sind. Der "fakultative" Leistungsinhalt tritt daher nicht - quasi als "aliud" - an die Stelle des obligatorischen, sondern vielmehr hinzu. Erbringt ein Arzt neben dem Ganzkörperstatus auch die klinisch-neurologische Basisdiagnostik, erhält er diese - isoliert mit 175 Punkten bewertete - Leistung nicht gesondert vergütet, sondern nur insgesamt 300 Punkte für die Nr 03311 EBM-Ä.

19

Dass eine GOP auch fakultative Leistungsbestandteile hat, steht einer statistischen Vergleichsprüfung nicht entgegen. Maßgeblich ist allein, dass es sich um eine fachgruppentypische Leistung handelt, die von der großen Mehrzahl der Ärzte der Fachgruppe regelmäßig erbracht wird. Wenn ein Arzt eine GOP signifikant häufiger erbringt und abrechnet als die Vergleichsgruppe, ohne dass dies durch Praxisbesonderheiten erklärbar ist, begründet allein dies die Annahme der Unwirtschaftlichkeit. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass entweder der geprüfte Arzt oder die Vergleichsgruppe in größerem oder geringerem Umfang zusätzlich fakultative Leistungsbestandteile erbringen.

20

Soweit die Klägerin vorträgt, dass ein Arzt, der lediglich den obligatorischen Teil der Leistung erbringe, gegenüber einem Arzt, der zusätzlich den fakultativen Leistungsbestandteil erbringe, einen Zeitvorteil besitze, also insgesamt mehr Leistungen erbringen könne, ohne dass dies unwirtschaftlich sei, legt sie nicht schlüssig dar, wieso dies auch in Bezug auf die Beigeladene zu 1. gelten soll. So wird zum einen vorgetragen, dass diese wegen der Betreuung von Heimbewohnern weniger fakultative Leistungsbestandteile als der Durchschnitt der Vergleichsgruppe erbringe, weil die Patienten bekannt seien, zum anderen, dass gerade die Betreuung von Demenzkranken vermehrt Leistungen nach der Nr 03311 EBM-Ä erforderten, weil sich diese nur eingeschränkt artikulieren könnten. Dabei bleibt zum einen offen, wieso sich der Umstand, dass die Patienten dem Arzt bekannt sind, allein auf die Erbringung der fakultativen Leistungsteile und nicht auch auf deren obligatorischen Leistungsinhalt auswirken soll. Zum anderen läge es in Bezug auf kommunikationsgestörte Patienten nahe, dass dann, wenn dieser Umstand dem Grunde nach zu einem erhöhten Untersuchungsbedarf führte, sowohl von einem erhöhten Bedarf nach einer (obligatorischen) Erhebung des Ganzkörperstatus als auch nach einer (fakultativen) klinisch-neurologischen Basisdiagnostik auszugehen wäre.

21

Unabhängig davon verdeutlicht die Argumentation, dass etwaige Unterschiede in Bezug auf die Leistungserbringung bei derartigen Leistungen ggf bei der Prüfung von Praxisbesonderheiten zu berücksichtigen wären - sowie möglicherweise im Rahmen von Plausibilitätsprüfungen nach § 106a SGB V -, dies jedoch die Vergleichbarkeit der Leistungserbringung nicht dem Grunde nach infrage stellt.

22

3. Es ist auch - im Grundsatz - nicht beanstanden, wenn Prüfgremien im Rahmen einer Einzelleistungsprüfung die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis teilweise bei einer Überschreitung des Durchschnitts der Vergleichsgruppe um 100 %, teilweise hingegen bereits bei einer Überschreitung von zB 50 % festsetzen.

23

Die Prüfgremien sind zum einen nicht gehalten, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei allen geprüften GOP einheitlich festzusetzen. So steht ihnen bei der Festlegung des für das offensichtliche Missverhältnis maßgeblichen Grenzwertes ein - gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer - Beurteilungsspielraum zu (stRspr, zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 34 RdNr 41-42; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 35 RdNr 36), weil die Festlegung auch bei Berücksichtigung aller relevanten Umstände eine wertende Entscheidung erfordert (BSGE 74, 70, 71 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Schon damit ist die Annahme nicht vereinbar, dass zwischen einzelnen GOP nicht aus Sachgründen differenziert werden dürfe. Zudem hängt die Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis von einer Vielzahl von Faktoren - etwa von der Homogenität und der Streubreite - ab, die es geradezu bedingen, dass die Grenzwerte je nach GOP unterschiedlich hoch angesetzt werden.

24

Die Prüfgremien sind zum anderen auch bei einer Einzelleistungsprüfung grundsätzlich berechtigt, Grenzwerte festzulegen, die das Doppelte des Vergleichsgruppendurchschnitts unterschreiten. Zwar liegt es bei einem Einzelleistungsvergleich grundsätzlich nahe, bei der Festlegung der Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis höhere Grenzwerte als bei einem Gesamtvergleich in Betracht zu ziehen, weil die Aussagekraft des Vergleichs tendenziell geringer und die Gefahr von Fehlinterpretationen größer ist, da sich unterschiedliche Diagnose- und Behandlungsmethoden der Ärzte hier naturgemäß stärker auswirken (stRspr, vgl BSGE 62, 24, 30 = SozR 2200 § 368n Nr 48 S 162; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 57 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 24). Daher hat der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass bei einer Einzelleistungsprüfung ein "offensichtliches Missverhältnis" - typisierend - jedenfalls dann angenommen werden kann, wenn der entsprechende Wert der Vergleichsgruppe um mehr als 100 % überschritten wird (siehe zB BSGE 74, 70, 76 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 130; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 16), um die verbleibenden Unwägbarkeiten einer statistischen Vergleichsprüfung zu erfassen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12).

25

Dieser Wert stellt allerdings keine absolute Untergrenze dar (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17), sondern kann unterschritten werden. Nach der Senatsrechtsprechung kommt ein niedrigerer Grenzwert in besonderen Fällen in Betracht, etwa bei Einzelleistungen mit einer sehr homogenen Kostenverteilung und nur geringer Streuung (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 11 S 58), bei einer homogenen Vergleichsgruppenzusammensetzung und vergleichsgruppentypischen Leistungen (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 12; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 79/03 R - RdNr 22, Juris = ArztR 2005, 291, 293), bei Arztgruppen mit einem engen Leistungsspektrum (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 16)und bei genau umrissenen, nicht anders ersetzbaren Einzelleistungen innerhalb einer hinreichend homogenen Vergleichsgruppe (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 16; BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 79/03 R - RdNr 22, Juris = ArztR 2005, 291, 293). Dies gilt insbesondere für typische Grundleistungen, die nur in bestimmten, genau umschriebenen Krankheitszuständen zum Einsatz kommen (BSGE 74, 70, 74 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 128). Es müssen also Besonderheiten vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, dass nur geringe Unsicherheiten in Bezug auf den durch den statistischen Vergleich begründeten Anscheinsbeweis der Unwirtschaftlichkeit bestehen.

26

Soweit sich in einigen Entscheidungen des Senats im Anschluss an die vorstehend genannten Umstände die Wendung findet, dass selbst gegen Grenzwerte von unter 40 % keine Bedenken bestünden, wenn die Prüfgremien Besonderheiten der Praxis von vornherein mitberücksichtigt haben, es also um eine Grenzwertfestlegung geht, die erfolgt, nachdem der statistische Vergleich bereits um anerkennenswerte individuelle Umstände des Arztes bereinigt worden ist (so BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 3 RdNr 17; BSG ArztR 2005, 291, 293), stellt der Senat klar, dass diese Aussage nicht in dem Sinne zu verstehen ist, dass bei einem Vergleich derart bereinigter Werte auch bei einer Einzelleistungsprüfung ohne Weiteres niedrigere Grenzwerte zulässig sind. Dies würde eine Gleichstellung der Einzelleistungsprüfung mit einem Gesamtfallwertvergleich bedeuten, die angesichts der bereits dargelegten Besonderheiten einer auf einzelne GOP beschränkten Prüfung nicht gerechtfertigt wäre. Der Senat hält daran fest, dass ein das Doppelte des Vergleichsgruppendurchschnitts unterschreitender Grenzwert nur dann in Betracht kommt, wenn einer der genannten besonderen Umstände vorliegt.

27

4. Ob der Beklagte nach diesen Maßstäben berechtigt war, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei der GOP Nr 03120 EBM-Ä ("Beratung, Erörterung und/oder Abklärung") unterhalb des Doppelten des Vergleichsgruppendurchschnitts festzusetzen, vermag der Senat nicht abschließend zu beurteilen, weil sich der Begründung des Bescheides nicht entnehmen lässt, aufgrund welcher besonderen Umstände sich der Beklagte dazu berechtigt gesehen hat, den Grenzwert bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % anzusetzen. Die Entscheidung des Beklagten leidet daher jedenfalls unter einem Begründungsmangel. Auf diesem Begründungsmangel beruht der Bescheid, sodass er keinen Bestand haben kann.

28

a. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats müssen die Prüfgremien ihre Ausführungen zum Vorliegen der Voraussetzungen für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung derart verdeutlichen, dass im Rahmen der - infolge von Beurteilungs- und Ermessensspielräumen eingeschränkten - gerichtlichen Überprüfung zumindest die zutreffende Anwendung der einschlägigen Beurteilungsmaßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11 - jeweils unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 58, 61). Die Begründungspflicht des § 35 Abs 1 SGB X dient als Korrektiv zu den weitgehenden Spielräumen und der nur eingeschränkt möglichen Überprüfung der Prüfbescheide durch die Gerichte(BSGE 69, 138, 142 = SozR 3-2500 § 106 Nr 6 S 25) und damit dem Interesse eines effektiven Rechtsschutzes (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 58; zur Bedeutung der Begründungsanforderungen im Hinblick auf Art 19 Abs 4 GG vgl auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 56 RdNr 21). Durch entsprechende Begründungsanforderungen wird daher die Überprüfbarkeit der Prüfbescheide gewährleistet (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 58).

29

Diese Anforderungen dürfen zwar nicht überspannt werden, da sich gerade Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung regelmäßig an einen sachkundigen Personenkreis richten, sodass sich die Begründung auf die Angabe der maßgebend tragenden Erwägungen beschränken kann (vgl BSGE 74, 70, 75 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 129; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11); jedoch müssen die Ausführungen erkennen lassen, wie das Behandlungsverhalten des Arztes bewertet wurde und auf welchen Erwägungen die betroffene Kürzungsmaßnahme beruht (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 49 RdNr 61; siehe schon BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 41 S 225).

30

Damit sie auf ihre sachliche Richtigkeit und Plausibilität hin überprüft werden können, müssen grundsätzlich auch die zur Festlegung des offensichtlichen Missverhältnisses und des entsprechenden Grenzwerts angestellten Erwägungen im Bescheid genannt werden oder zumindest für die Beteiligten und das Gericht erkennbar sein (BSGE 74, 70, 71 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 25 S 139). Soweit Prüfgremien die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis "typisierend" bei 100 % festlegen, bedarf es keiner vertieften Begründung (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 14). Setzen sie die Grenze hingegen bei einem Einzelleistungsvergleich niedriger an, ist es geboten, dass sie die hierfür maßgeblichen Gründe im Bescheid verdeutlichen, weil sich damit die Rechtfertigung der Grenzziehung nicht mehr aus der vom Senat gebilligten "Typisierung" ergibt. Zumindest für den fachkundigen Arzt muss erkennbar sein, warum die Prüfgremien sich dazu entschlossen haben, den Grenzwert niedriger festzusetzen.

31

b. Dem Bescheid des Beklagten lässt sich nicht entnehmen, aus welchem Grund dieser sich dazu berechtigt gesehen hat, bei der GOP Nr 03120 EBM-Ä die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei lediglich 50 % anzusetzen. Auf Seite 12 der Bescheidbegründung wird diesbezüglich allein darauf verwiesen, dass diese Gesprächsleistung von fast allen Praxen der Fachgruppe in großem Umfang ebenfalls erbracht werde, sodass es sich hierbei um eine absolut fachgruppentypische Leistung handele. Auf Seite 14 des Bescheides heißt es sodann: "Das offensichtliche Missverhältnis wird bei dieser fachgruppentypischen GOP beim gewichteten Vergleichsgruppendurchschnitt + 50 % angesiedelt."

32

Vergleicht man die im Bescheid des Beklagten verwendete Formulierung mit den vom Senat aufgestellten Anforderungen an einen Einzelleistungsvergleich ("fachgruppentypische Leistung, die zumindest von einem größeren Teil der Fachgruppenmitglieder regelmäßig in nennenswerter Zahl erbracht wird"), verbleibt nichts an eigenständiger Aussage, um die niedrigere Grenzwertfestsetzung zu erklären. Zudem verwendet der Beklagte die Begründung "fachgruppentypische GOP" zB auch bei der Nr 03311 EBM-Ä, bei der er jedoch die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei + 100 % ansetzt. Eine weitergehende Begründung für die deutliche Differenzierung zwischen den geprüften GOP enthält der Bescheid nicht.

33

Soweit der Beklagte darauf verweist, dass bereits aus dem Tenor seiner Entscheidung ausreichend hervorgehe, warum er die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei den verschiedenen Einzelleistungen unterschiedlich bestimmt habe, ist diese Argumentation nicht nachvollziehbar. Dem dortigen Hinweis auf den wegen der Einführung des neuen EBM-Ä gewährten "Bonus" lässt sich nichts dafür entnehmen, warum der Beklagte die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts um 50 % angesetzt hat. Der Hinweis auf die Berücksichtigung eines "Mehranteils" für Kinder bis zu fünf Jahren bezieht sich auf die GOP Nr 03311 EBM-Ä, bei der die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis ohnehin (typisierend) bei 100 % angesetzt wurde.

34

Nach alledem wird der Beklagte bei seiner erneuten Entscheidung näher darzulegen haben, welche bei der Erbringung und Abrechnung der GOP Nr 03120 EBM-Ä bestehenden Besonderheiten es rechtfertigen, die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis bei dieser GOP bei einer Überschreitung des Vergleichsgruppendurchschnitts von 50 % anzunehmen.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO.

36

Danach hat der Beklagte die Kosten des Revisionsverfahrens sowie des Berufungsverfahrens zu tragen, da er unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen im Revisionsverfahren bzw der Beigeladenen zu 2. bis 6. im Berufungsverfahren ist nicht veranlasst.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

Tenor

Die Revisionen der Klägerin sowie der Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 2010 werden zurückgewiesen.

Die Klägerin und die Beigeladene zu 1. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6.

Tatbestand

1

Im Streit stehen noch Heilmittelregresse für die Quartale I/2002 bis IV/2003.

2

Die Klägerin ist eine im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft), die aus einer Ärztin für Allgemeinmedizin und einem Praktischen Arzt mit der Gebietsarztanerkennung als Chirurg besteht.

3

Der Prüfungsausschuss setzte nach Durchführung einer statistischen Vergleichsprüfung mit Bescheiden vom 20.2.2006 (Quartale IV/2001 bis IV/2002) und vom 8.12.2006 (Quartale I/2003 bis IV/2003) Regresse bei veranlassten Leistungen der physikalischen Therapie (seit dem 1.4.2005 als "physikalisch-therapeutische Leistungen" bezeichnet) fest, soweit der gewichtete Fachgruppendurchschnitt um mehr als 80 % überschritten wurde. Die von der Klägerin hiergegen erhobenen Widersprüche waren nur insoweit erfolgreich, als der beklagte Beschwerdeausschuss die Verordnungskosten in zwei (Quartale I und II/2002) bzw drei besonders kostenintensiven Fällen (Quartale III/2002 bis IV/2003) wegen der Annahme von insoweit bestehenden Praxisbesonderheiten außer Betracht ließ und den Regress auf eine Überschreitung des gewichteten Fachgruppendurchschnitts um mehr als 100 % beschränkte; im Übrigen wies er die Widersprüche zurück (Bescheid des Beklagten vom 2.7.2007).

4

Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Klägerin habe bei veranlassten Leistungen der physikalischen Therapie den - nach dem Rentneranteil gewichteten - Durchschnitt der Fachgruppe - die allgemeinärztlichen Praxen in der früheren KÄV Pfalz - in den geprüften Quartalen um Werte zwischen 143 % und 228 % überschritten. In der Praxis der Klägerin seien Erkrankungsbilder behandelt worden, wie sie in der maßgeblichen Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte typischerweise zu therapieren seien. Gegen einen ausgeprägten orthopädisch-chirurgischen Praxisschwerpunkt sprächen die regelmäßig gegenüber der Vergleichsgruppe erheblich überdurchschnittlichen Arzneimittelkosten, da die Fachgruppen der Orthopäden und der Chirurgen mit einem Bruchteil der Arzneimittelkosten der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte auskämen, sowie die regelmäßig überdurchschnittliche Abrechnung hausärztlicher Gesprächsleistungen. Besonders bemerkenswert sei, dass die Klägerin mit den Fallkosten für verordnete physikalische Therapie noch über den Durchschnittswerten der Orthopäden sowie der Chirurgen liege. Als Besonderheiten seien angesichts der unterdurchschnittlichen Fallzahl zwei bzw drei kostenintensive Patienten herauszurechnen. Nach Berücksichtigung der hieraus resultierenden Kosten verblieben folgende gewichtete Abweichungen: Quartal I/2002: + 198 %, Quartal II/2002: + 143 %, Quartal III/2002: + 118 %, Quartal IV/2002: + 168 %, Quartal I/2003: + 188 %, Quartal II/2003: + 135 %, Quartal III/2003: + 163 %, Quartal IV/2003: + 168 %. Die verbleibenden Überhöhungen seien zu einem wesentlichen Teil auf Unwirtschaftlichkeiten zurückzuführen. Es fänden sich insgesamt zu lange und intensive Behandlungsserien; weiterhin sei der hohe Anteil an passiver Therapie zu beanstanden. Es zeigten sich keine Hinweise auf kompensierende Einsparungen.

5

Die gegen die verbliebene Regressfestsetzung in Höhe von (seinerzeit) insgesamt 31 521,12 Euro erhobene Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 30.9.2009). Das SG hat ausgeführt, die vom Beklagten gewählte Vergleichsgruppe sei weder zu klein noch zu inhomogen. Die zum Vergleich herangezogenen Praxen behandelten im Wesentlichen Patienten mit ähnlichen fachgruppentypischen Krankheitsbildern, und ihr an den Gebührenordnungsnummern erkennbares Leistungsspektrum sei vergleichbar. Der Beklagte habe nachvollziehbar festgestellt, dass auch die Klägerin im Wesentlichen einen mit dem Durchschnitt der Fachgruppe vergleichbaren Patientenstamm mit für allgemeinärztliche Praxen typischen Erkrankungen behandele. Die Überschreitung der durchschnittlichen Heilmittel-Verordnungskosten der Vergleichsgruppe nach Gewichtung des Rentneranteils um 143 % bis 228 % bewege sich im Bereich eines offensichtlichen Missverhältnisses. Deshalb sei der Umfang der Ermittlungen der Prüfgremien auf solche Umstände beschränkt, die für sie ohne Weiteres erkennbar seien oder vom betroffenen Arzt substantiiert dargelegt würden. Der Beklagte habe - abgesehen von den herausgenommenen Behandlungsfällen - keine Besonderheiten gefunden, die die überhöhten Verordnungskosten erklären könnten. Die von der Klägerin angeführten Behandlungsfälle mit hohem Heilmittelbedarf kämen in allen Allgemeinpraxen in vergleichbaren Anteilen vor und beeinflussten demnach die Durchschnittswerte aller Praxen.

6

Im Laufe des nachfolgenden Berufungsverfahrens hat der Beklagte seinen Bescheid aufgehoben, soweit dieser das Quartal IV/2001 betrifft; die Beteiligten haben den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt. Das LSG hat die verbliebene Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 31.8.2010). Zur Begründung hat es hat auf die Entscheidungsgründe des SG Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, bei der Bildung der Vergleichsgruppe die unterdurchschnittliche Fallzahl der Klägerin zu berücksichtigen. Dieser Gesichtspunkt könne allenfalls im Rahmen der Prüfung kompensierender Einsparungen von Bedeutung sein. Die unterdurchschnittliche Fallzahl stehe auch nicht der statischen Vergleichbarkeit entgegen. Die von der Beigeladenen zu 1. zum Umfang der Überschreitungen angestellten Berechnungen seien nicht nachvollziehbar, da sie im Ergebnis die Heilmittelkosten, die bezogen auf einen Fall verursacht würden, nicht berücksichtigten.

7

Praxisbesonderheiten - außerhalb der vom Beklagten bereits herausgerechneten besonders kostenintensiven Fälle - lägen nicht vor. Eine chirurgisch-orthopädische und rheumatologische Ausrichtung der Praxis habe sich nicht bestätigt. Die Zusammensetzung der Patienten und die schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen unterschieden sich nicht wesentlich vom typischen Zuschnitt einer allgemeinärztlichen Praxis. Die unterdurchschnittliche Fallzahl der Praxis der Klägerin könne vielfältige Gründe haben. Kompensierende Einsparungen seien nicht belegt. Dem Einwand der Klägerin, dass die Erbringung physikalisch-medizinischer Leistungen durch die Ärzte selbst bzw Mitarbeiter nicht berücksichtigt worden sei, sei entgegenzuhalten, dass in ihrer Praxis auch der Umfang der selbst erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen über dem Durchschnitt der Fachgruppe liege. Unabhängig hiervon hätte die Klägerin diesen Gesichtspunkt bereits im Prüfverfahren substantiiert geltend machen müssen. Der Vorwurf, der Beklagte habe eine intellektuelle Prüfung unterlassen, sei nicht nachvollziehbar, da diese durchgeführt worden sei.

8

Gegen dieses Urteil haben die Klägerin sowie die Beigeladene zu 1. Revision eingelegt. Die Klägerin rügt die Verletzung von Bundesrecht. Sie habe wegen der besonderen Qualifikation des einen Partners als Facharzt für Chirurgie und Unfallmedizin eine besondere Patientenklientel mit weit unterdurchschnittlicher Fallzahl, fehlenden "Verdünnerfällen", bedeutend erhöhtem Rentneranteil und einem überdurchschnittlichen Anteil chronisch kranker Patienten mit Erkrankungen des Bewegungsapparates. Der Beklagte habe sich nicht hinreichend damit befasst, ob und mit welcher Konsequenz einer unterdurchschnittlichen Behandlungsfallzahl eine auch materiell-rechtliche Bedeutung beizumessen sei. Im Rahmen der medizinisch-intellektuellen Wertung seien bereits auf der ersten Stufe von Amts wegen insbesondere das Behandlungsverhalten und die unterschiedlichen Behandlungsweisen innerhalb der Arztgruppe und die bei dem geprüften Arzt vorhandenen Praxisbesonderheiten in Rechnung zu stellen. Grundvoraussetzung für eine Vergleichbarkeit der Fallkosten sei die Vergleichbarkeit der diesen Fallkosten zugrunde liegenden Behandlungsfälle. Eine unterdurchschnittliche Behandlungsfallzahl stelle die Vergleichbarkeit in Frage.

9

Wäre der Beklagte seinen Ermittlungspflichten nachgekommen, hätte er die Besonderheiten in der Behandlungsausrichtung und damit zugleich einen besonderen Bedarf an physikalisch-medizinischen Leistungen festgestellt. Der Beklagte hätte ergänzend Statistiken aus späteren Quartalen heranziehen müssen, aus denen sich die Zahl der chronisch kranken Patienten ergebe; dann hätte er erkennen können, dass zu den chronisch kranken Patienten der Klägerin mit Erkrankungen des Bewegungsapparates auch chronisch kranke Rheumapatienten zählten, die neben einem besonders hohen Aufwand an physikalisch-medizinischen Leistungen zugleich einen hohen Bedarf an Arzneimitteln verursachten. Der Beklagte habe die Unterschiede von Praxisbesonderheiten, die von Amts wegen festzustellen seien, und kompensierenden Einsparungen verkannt. Es müsse darauf Rücksicht genommen werden, dass physikalisch-medizinische Leistungen teils in der Praxis des Vertragsarztes, teils von nichtärztlichen Einrichtungen erbracht würden, weil hierdurch der Fachgruppendurchschnitt verändert werde. In eigener Praxis erbrachte physikalisch-medizinische Leistungen dürften nicht (erst) als kompensatorische Einsparungen Berücksichtigung finden, sondern seien bereits im ersten Prüfungsschritt zu würdigen. Ohne eine nähere - vom LSG unterlassene - Ausermittlung dieser Umstände fehle es an einer Vergleichbarkeit.

10

Die Beigeladene zu 1. führt aus, der Beklagte hätte der sehr niedrigen Fallzahl nachgehen müssen, weil die Leistungen von zwei Ärzten erbracht würden und sich auch die statistisch ausgewiesene Fallzahl dementsprechend auf zwei Ärzte verteile. Breche man die Fallzahlen der Vergleichsgruppe wie der Klägerin jeweils auf die einzelnen Ärzte herunter, lägen die klägerischen Fallzahlen noch weit deutlicher unterhalb der Werte der Vergleichsgruppe. Dies gebe Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob überhaupt eine vergleichbare Versichertenklientel vorgelegen habe. Multipliziere man die arztbezogene Fallzahl der Klägerin mit deren Heilmittelfallwert, ergäben sich nur bis zu 25 % höhere, zum Teil auch niedrigere Kosten als in der Vergleichsgruppe. Statistisch auffällig würden die Ärzte der Klägerin nur, weil die von ihnen versorgte Zahl der Versicherten wesentlich geringer sei als die Zahl der von den Kollegen der Vergleichsgruppe versorgten Versicherten. Daher komme vorliegend der Frage maßgebliche Bedeutung zu, warum die Ärzte der Klägerin jeweils nur ein gutes Drittel der Versichertenzahl der Vergleichsgruppe behandelten.

11

Die Revisionskläger beantragen übereinstimmend,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31.8.2010 sowie das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 30.9.2009 und den Bescheid des Beklagten vom 2.7.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Widersprüche der Klägerin zu entscheiden.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

13

Die Klägerin liege ungeachtet ihrer unterdurchschnittlichen Fallzahl über der Grenze von 20 % des Fallzahlendurchschnitts der Vergleichsgruppe, deren Unterschreitung eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten ausschließe. Er - der Beklagte - habe der unterdurchschnittlichen Fallzahl dadurch Rechnung getragen, dass er die im Bescheid näher bezeichneten Patienten als Besonderheit herausgerechnet habe. Eine geringere Fallzahl könne keinen höheren Behandlungsbedarf begründen. Bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten sei es nicht sachgerecht, bei einer Gemeinschaftspraxis die Fallzahl auf die Anzahl der behandelnden Ärzte in der Gemeinschaftspraxis zu beziehen, da diese als Einheit geprüft werde. Der angefochtene Bescheid verstoße auch im Hinblick auf die Prüfungsfolge nicht gegen die Rechtsprechung des BSG. Dass sich keine Besonderheiten ergeben hätten, sei nicht auf eine "verkürzte Informationsgewinnung" des Beklagten zurückzuführen, sondern auf den tatsächlichen Gegebenheiten in der Praxis der Klägerin. Diese weise sowohl bei den in eigener Praxis erbrachten als auch bei den veranlassten physikalisch-medizinischen Leistungen Überschreitungen auf. Hinzu komme, dass die in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen aufgrund ihrer Art, Intensität und Kosten nur sehr bedingt mit den fremd veranlassten Heilmitteln im Zusammenhang stünden. Im Übrigen habe die Klägerin hierzu im Verwaltungsverfahren nichts vorgetragen; ein im Verwaltungsverfahren unterbliebener Sachvortrag könne jedoch wegen des eingeschränkten Prüfungsumfangs nicht im Verfahren vor den Sozialgerichten nachgeholt werden.

14

Die zu 2. beigeladene AOK führt - ohne einen Antrag zu stellen - ergänzend aus, der Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, Ermittlungen zu den Ursachen der geringen Fallzahl anzustellen; vielmehr sei es Aufgabe des geprüften Arztes, im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht Gründe für die unterdurchschnittlichen Fallzahlen vorzubringen. Diese müsse er bereits im Verwaltungsverfahren substantiiert darlegen. Dies gelte auch für das Vorbringen, durch welche veranlassten Leistungen die Klägerin welche Einsparungen bei den in der Praxis erbrachten Leistungen erzielt habe.

15

Die übrigen Beigeladenen haben sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

16

Die Revisionen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1. sind zulässig (zur Rechtsmittelbefugnis und Aktivlegitimation der KÄVen in Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 12 mwN; dem vergleichbar in Zulassungsangelegenheiten: BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 23/11 R - SozR 4-2500 § 103 Nr 8 RdNr 13, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Die Revisionen sind aber unbegründet. Das LSG hat die angefochtenen Regressbescheide im Ergebnis zu Recht nicht beanstandet. Diese Bescheide, die alleiniger Gegenstand des Verfahrens sind (vgl hierzu stRspr des BSG, zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN; Nr 29 RdNr 14; zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 11 mwN), sind rechtmäßig.

17

1. Rechtsgrundlage der Verordnungsregresse ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen in der Fassung des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, mit weiteren - aber für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevanten - Änderungen, für das Jahr 2002 zuletzt noch Änderung vom 19.12.2001, BGBl I 3773). Danach wurde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Nach dieser Gesetzeslage war davon auszugehen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten wegen ihres hohen Erkenntniswerts bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand die Regelprüfmethode darstellte (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13; ebenso BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; vgl zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 19, 27). Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 303; Nr 55 S 307 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14, 15; Nr 3 RdNr 14; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 29 RdNr 30 mwN). Die Prüfgremien sind allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind (vgl hierzu - betr in eigener Praxis oder verordneter physikalisch-medizinischer Leistungen - BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 = USK 85190 S 1014 f; vgl zB auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; Nr 53 S 295 oben). Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, sodass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf beanstandet werden können (zu Entscheidungsspielräumen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung s BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 22; BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 16, 17, 19).

18

Bei Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe und der gerichtlich nur begrenzt zulässigen Überprüfung sind die angefochtenen Regressbescheide nicht zu beanstanden.

19

2. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen der Klägerin durfte im Wege des Vergleichs mit den Durchschnittswerten der Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte erfolgen.

20

a) Die Fallzahl der Klägerin reichte als Grundlage für eine Vergleichsprüfung anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe aus.

21

Die Eignung für einen solchen Vergleich ist erst dann zu verneinen, wenn die Fallzahlen des geprüften Arztes so weit unterhalb der Durchschnittswerte der Fachgruppe liegen, dass ein Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Für einen aussagekräftigen Vergleich hat der Senat auf eine Fallzahl des geprüften Arztes von mindestens 20 % der Vergleichsgruppe und dabei mindestens 100 Behandlungsfälle abgestellt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 244 ff; vgl auch zB BSG SozR 2200 § 368n Nr 44 S 149 f und Nr 50 S 171).

22

Dieses Mindestmaß hat die Klägerin nicht unterschritten. Nach den Feststellungen des Beklagten wie des LSG lagen ihre Fallzahlen um 33 % bis 39 % unter der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe. Die Mindestfallquote wird im Fall der Klägerin aber auch dann erreicht, wenn man den Einwand der Beigeladenen zu 1. berücksichtigt, dass die Fallzahl bei Gemeinschaftspraxen (Berufsausübungsgemeinschaften) nicht auf die Praxis, sondern auf die in ihr tätigen Ärzte zu beziehen ist. Denn auch nach den auf dieser Basis vorgenommenen Berechnungen der Beigeladenen zu 1. unterschritten die Fallzahlen der Klägerin in den streitgegenständlichen Quartalen die durchschnittlichen Fallzahlen "nur" um die 60 % und lagen damit noch deutlich über dem vom Senat als erforderlich angesehenen Mindestwert.

23

Ungeachtet dessen spricht aber einiges dafür, dass die Prüfgremien die für Einzelpraxen entwickelte Rechtsprechung des Senats zur prozentualen und absoluten Mindestfallzahl in der zu überprüfenden Praxis nicht undifferenziert auf alle Gemeinschaftspraxen (Berufsausübungsgemeinschaften) übertragen dürfen. Bei fachgebietsverschiedenen Praxen ist das ohnehin ausgeschlossen, weil insoweit ganz unterschiedliche Vergleichswerte je nach dem in der Gemeinschaftspraxis vertretenen Fachgebiet herangezogen und dem Behandlungsaufwand der zu prüfenden Gemeinschaftspraxis auf diesem Fachgebiet gegenübergestellt werden. Aber auch bei einer fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxis kann bei besonders niedrigen Fallzahlen für die Prüfgremien Anlass zur Klärung bestehen, ob die Vergleichbarkeit mit dem Durchschnitt noch besteht.

24

Allerdings hat der Beklagte Recht mit seiner Auffassung, dass bei einem Fallwertvergleich grundsätzlich eine fachgebietsgleiche Gemeinschaftspraxis mit einer Einzelpraxis verglichen werden kann, weil die Gemeinschaftspraxis den Patienten im rechtlichen Sinne als Einheit behandelt. Speziell hinsichtlich der Mindestfallzahl als Voraussetzung einer statistischen Vergleichsprüfung ist aber dann, wenn die Grenze von 20 % nur bezogen auf die Gemeinschaftspraxis als Einheit und nicht (mehr) bezogen auf Zahl der dort tätigen Ärzte erreicht wird, eine eingehende Prüfung der Vergleichbarkeit geboten. Die Prüfgremien müssen der Gemeinschaftspraxis zumindest Gelegenheit geben, zu verdeutlichen, worauf diese je Arzt unter Umständen quantitativ kaum noch nennenswerte Mitwirkung an der vertragsärztlichen Versorgung beruht und/oder ob sich ein Arzt oder mehrere Ärzte auf ein ganz kleines Behandlungssegment beschränken. Es muss jedenfalls sichergestellt sein, dass bei der Prüfung von Gemeinschaftspraxen, bei denen die Mindestfallzahlgrenze je Arzt rechnerisch nicht erreicht wird, der Zweck dieser Quote gewährleistet wird, nämlich unterschiedlichen Behandlungsaufwand bei einzelnen Behandlungsformen auszugleichen.

25

b) Die Prüfgremien sind nicht verpflichtet, den Gründen für unterdurchschnittliche Fallzahlen einer Praxis nachzugehen, soweit der Grenzwert von 20 % erreicht oder überschritten ist. Dies ist nicht Gegenstand der sog intellektuellen Betrachtung, die medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte mitberücksichtigt (zur medizinisch-intellektuellen Prüfung vgl zB BSGE 74, 70, 72 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19). Eine geringe Fallzahl kann vielfältige Ursachen haben; sie kann zB auf einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Arztes beruhen oder Folge einer für die Patienten geringeren Attraktivität bzw Überzeugungskraft des Arztes und/oder seiner Praxis sein. Eine geringe Fallzahl kann dazu führen, dass der Arzt, der dadurch evtl viel Zeit für seine wenigen Patienten hat, geneigt ist, für diese besonders viele Leistungen zu erbringen, womit er uU zugleich trotz seiner geringen Patientenzahl ein auskömmliches Einkommen anstrebt (zu diesen Zusammenhängen vgl Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 64; zur allgemeinen Problematik anbieterinduzierter Nachfrage gerade bei Praxen mit geringer Patientenzahl s zB BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 17 am Ende mit weiteren BSG-Angaben). Die Vielfalt möglicher Ursachen für eine geringe Fallzahl - für die auch nicht-medizinische Ursachen in Betracht kommen können, die keinen Bezug zum eigentlichen Aufgabenbereich der Prüfgremien haben - spricht gegen die Annahme einer Verpflichtung der Prüfgremien, nach deren Ursache im Rahmen der ihnen obliegenden medizinisch-intellektuellen Prüfung zu forschen. Auch erfordert die Praktikabilität - im Sinne des Gebots, effektive Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen (vgl hierzu BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 20 mwN) -, dass die Prüfgremien bei Fallzahlen von wenigstens 20 % des Fachgruppendurchschnitts im Regelfall die Vergleichbarkeit als gegeben annehmen dürfen.

26

c) Ebenso wenig sind die Prüfgremien verpflichtet, bereits im Rahmen der medizinisch-intellektuellen Prüfung - also bei der Ermittlung der richtigen Vergleichsbasis - den Umstand zu berücksichtigen, dass physikalisch-medizinischen Leistungen auch in der geprüften Praxis selbst erbracht werden. Auf der ersten Stufe der Prüfung der Grundlagen der Vergleichbarkeit - noch vor dem Einstieg in die weiteren Prüfungsschritte wie Praxisbesonderheiten, kompensierende Einsparungen, offensichtliches Missverhältnis, unwirtschaftlicher Mehraufwand (zu den Prüfungsschritten vgl zB Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2012, § 106 RdNr 290-387, und - zusammengefasst - Clemens in Laufs/Kern, aaO, § 36 RdNr 44-82) - mögen atypische Praxisprägungen in die Betrachtung einzubeziehen sein; diese können sich uU aus Praxisbesonderheiten ergeben. Kompensierende Einsparungen hingegen begründen im Regelfall keine abweichende Praxisprägung: Ihr Wesen besteht darin - das ist die Voraussetzung für die Anerkennung einer "Kompensation" -, dass der vom geprüften Arzt verursachte Mehraufwand und der bei ihm gegebene Minderaufwand medizinisch gleichwertig sind; dies zugrunde gelegt, wird durch kompensatorische Einsparungen - jedenfalls im Regelfall - nur die individuelle Art der Leistungserbringung und das Spektrum der erbrachten Leistungen, nicht aber die Praxisprägung berührt. Dementsprechend erörtert der Senat den unterdurchschnittlichen Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen erst unter dem Gesichtspunkt kompensierender Einsparungen (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 325; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f; ebenso BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 iVm 25 = USK 85190 S 1014 f iVm 1016 mit erst nachrangiger Berücksichtigung; ebenso BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238/239).

27

Im Übrigen ist die Abfolge der Prüfungsschritte in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten nicht zwingend; auf welcher Stufe Abweichungen von der Typik der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden, ist nicht strikt vorgegeben; unbedenklich können sie auch erst auf einer nachrangigen Stufe wie zB durch Belassung großzügiger Durchschnittsüberschreitungen berücksichtigt werden, wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat (betr Bildung einer engeren Vergleichsgruppe vgl zB BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30; betr kompensierende Einsparungen und Praxisbesonderheiten vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f).

28

d) Die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gebotene ergänzende intellektuelle Prüfung unter medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkten ist, wie sich aus dem Bescheid des Beklagten ergibt, durchgeführt worden. Diese Prüfung muss nicht explizit erfolgen; vielmehr reicht es aus, dass sich eine hinreichende Berücksichtigung der relevanten Gesichtspunkte aus dem Gesamtzuschnitt der Bescheide ergibt, wie das hier der Fall ist (sinngemäß ebenso zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 266; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 323 unten).

29

3. Der Beklagte durfte das Verordnungsvolumen der Klägerin mit demjenigen der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte im Bezirk der früheren KÄV Pfalz (einer der Rechtsvorgängerinnen der zu 1. beigeladenen KÄV) vergleichen. Die Bildung einer engeren - verfeinerten - Vergleichsgruppe war nicht geboten.

30

Deren Bildung bedarf es nur bzw allenfalls dann, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant abweicht (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 264; Nr 57 S 319 ff, 322 ff; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; Nr 12 RdNr 16-23). Dies kann der Fall sein, wenn ein Arzt eine Zusatz- bzw Schwerpunktbezeichnung führt, sofern diese Niederschlag im Leistungsspektrum oder in der Ausrichtung der Praxis findet (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319-322; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 17 ff; ebenso BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 55/11 B - RdNr 8). Die Prüfgremien dürfen solche Abweichungen von der Durchschnittspraxis aber auch - statt durch Bildung einer engeren Vergleichsgruppe - im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheit oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts berücksichtigen (BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30).

31

Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass die Prüfgremien sich nicht veranlasst gesehen haben, eine engere Vergleichsgruppe zu bilden. Veranlassung hierzu gibt weder der Umstand, dass ein Mitglied der Klägerin eine Gebietsarztanerkennung als Chirurg besitzt noch der Gesichtspunkt, dass die Klägerin physikalisch-medizinische Leistungen (auch) in eigener Praxis erbringt.

32

4. Die angefochtenen Bescheide lassen auch im Übrigen Fehler nicht erkennen.

33

a) Der Beklagte hat es ohne Rechtsverstoß abgelehnt, über einige als solche berücksichtigten besonders kostenintensiven Fälle hinaus Praxisbesonderheiten bei der Klägerin anzuerkennen. Er hat ausgeführt, in der Praxis der Klägerin seien Erkrankungsbilder behandelt worden, wie sie in der maßgeblichen Fachgruppe der Allgemeinärzte/Praktischen Ärzte typischerweise zu therapieren seien, und Gründe dargelegt, die gegen einen ausgeprägten orthopädisch-chirurgischen Praxisschwerpunkt sprechen. Mit diesen Ausführungen hat der Beklagte die Anerkennung von Praxisbesonderheiten ohne Überschreitung des ihm insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums - und mit ausreichender Begründung in den Bescheiden - versagt (zu den Entscheidungsspielräumen vgl oben RdNr 17 am Ende mit BSG-Angaben).

34

Das LSG hat festgestellt, dass die Zusammensetzung der Patienten und der schwerpunktmäßig zu behandelnden Gesundheitsstörungen sich nicht wesentlich vom typischen Zuschnitt einer Praxis der Fachgruppe unterscheidet. An diese Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden; keiner der Revisionsführer hat dagegen eine Verfahrensrüge entsprechend den dafür bestehenden Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG erhoben(vgl § 163 Halbsatz 2 SGG). Die Prüfgremien sind nicht gehalten, allein aus dem Umstand, dass die Fallzahl der Praxis weit unter dem Durchschnitt liegt, eine Praxisbesonderheit herzuleiten, weil die Behandlung von weniger Fällen nicht zwangsläufig mehr ärztliche Leistungen rechtfertigt (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2012, § 106 RdNr 363 unter Hinweis auf Bayerisches LSG Urteil vom 26.11.1997 - L 12 KA 22/96 - juris RdNr 36; vgl auch oben 2.b ).

35

Soweit der Senat in seinem Urteil vom 26.4.1978 (BSGE 46, 145, 151 = SozR 5550 § 14 Nr 2 S 7) eine außergewöhnlich niedrige Fallzahl als mögliche Praxisbesonderheit angesehen hat, hat er diese Auffassung bereits mit Urteil vom 2.9.1987 (SozR 2200 § 368n Nr 50)aufgegeben. Dort (aaO S 171) hatte der Senat ausgeführt: "Da beim statistischen Wirtschaftlichkeitsbeweis … (nur) … die sogenannten Fallkostendifferenz maßgeblich ist, hat als Vergleichsumstand all das (als unschlüssig) auszuscheiden, was nur die Patientenzahl betrifft. Eine zu niedrige Fallzahl kann daher … nur insoweit von Bedeutung sein, als damit möglicherweise (Fall-)Zahlbereiche unterschritten werden, unterhalb derer ein statistischer Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist". Dies ist hier nicht der Fall, wie oben dargelegt worden ist.

36

b) Die Regressbescheide sind auch in Bezug auf die Annahme eines offensichtlichen Missverhältnisses nicht zu beanstanden. Auch bei der Festlegung des offensichtlichen Missverhältnisses haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum (BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN); die Festlegungen können je nach der Art der Vergleichsprüfung und dem Maß der Homogenität auf Überschreitungen ab 30 % bis 60 % erfolgen (vgl zB BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN und BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 50 mwN). Liegt im konkreten Fall der nicht durch Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen erklärbare Mehraufwand in jedem Fall deutlich erkennbar im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, so dürfen die Prüfgremien auf eine ausdrückliche Festlegung verzichten (vgl BSG aaO RdNr 50). Dies war hier im Hinblick auf die Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um ca 143 % bis 228 % der Fall, sodass die Regressbescheide auch insoweit nicht zu beanstanden sind.

37

Soweit die Beigeladene zu 1. geltend macht, der Beklagte habe bei der Gegenüberstellung der Heilmittel-Werte der geprüften Praxis und denen der Vergleichsgruppe den Umstand außer Betracht gelassen, dass es sich bei der Klägerin um eine aus zwei Ärzten bestehende Gemeinschaftspraxis handelt, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Da bei der statistischen Vergleichsprüfung die Abrechnungs- bzw Verordnungs-Werte je (Behandlungs-)Fall einander gegenübergestellt werden, ist nicht erkennbar, inwiefern sich die Zahl der in der Praxis tätigen Ärzte auf den Umfang der erbrachten Leistungen je Fall auswirken kann. Auf der Hand liegt dies jedenfalls nicht, da in einer fachgebietsgleichen Gemeinschaftspraxis typischerweise nicht beide Ärzte gleichzeitig Verordnungen für denselben Patienten ausstellen werden.

38

c) Es liegen schließlich auch keine kompensierenden Einsparungen vor, die der Beklagte hätte berücksichtigen müssen. Da die Klägerin nach Feststellung des Beklagten auch bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen den Fachgruppendurchschnitt überschreitet - das hat die Klägerin nicht beanstandet -, stellt sich die Frage nicht, ob derartige Leistungen überhaupt geeignet sind, Überschreitungen bei den veranlassten physikalisch-medizinischen Leistungen zu kompensieren. Aus diesem Grunde bedurfte es hierzu auch keiner näheren Ausführungen im Bescheid des Beklagten.

39

5. Sind die angefochtenen Entscheidungen somit im Ergebnis nicht zu beanstanden, weist der Senat zur Vermeidung von Missverständnissen darauf hin, dass er nicht die Auffassung des LSG teilt, der Hinweis der Klägerin auf die in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen sei schon deshalb nicht beachtlich gewesen, weil er erstmals im Klageverfahren vorgebracht worden sei.

40

In der Wirtschaftlichkeitsprüfung besteht schon immer ein gewisses Spannungsfeld zwischen der nach § 20 Abs 1 SGB X bestehenden Verpflichtung der Prüfgremien, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, und der besonderen Mitwirkungspflicht des geprüften Arztes, die über die allgemeinen Mitwirkungspflichten nach § 21 Abs 2 SGB X hinausgeht(BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSG Urteil vom 9.3.1994 - 6 RKa 16/92 = USK 94131; BSG Urteil vom 15.11.1995 - 6 RKa 58/94 - USK 95137, S 738, insoweit in SozR 3-1300 § 16 Nr 1 nicht abgedruckt). Diese Mitwirkungspflicht ergibt sich daraus, dass dem Arzt ein Vergütungsanspruch nur dann zusteht, wenn er die Leistung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung erbringen durfte; es ist daher seine Angelegenheit, die zur Begründung seines Anspruchs dienenden Tatsachen so genau wie möglich anzugeben und zu belegen, vor allem, wenn er sich auf für ihn günstige Tatsachen berufen will, die allein ihm bekannt sind oder nur durch seine Mithilfe aufgeklärt werden können (BSG SozR 2200 § 368n Nr 31 S 101; BSG Urteil vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - USK 85190 S 1015 f; vgl auch BSGE 59, 211, 215 = SozR 2200 § 368n Nr 40 S 133 und BSG SozR 2200 § 368n Nr 57 S 198).

41

Einwände, die der Arzt erst im gerichtlichen Verfahren vorbringt, obwohl es ihm oblegen hätte, diese schon den Prüfgremien gegenüber zu erheben, können unberücksichtigt bleiben, weil der Arzt nicht berechtigt ist, das Prüfverfahren zu unterlaufen und die den Prüfgremien vorbehaltene Prüfung in das gerichtliche Verfahren zu verlagern (BSG SozR 2200 § 368n Nr 57 S 197/198 - S 198 auch zu Hinweispflichten der Prüfgremien; vgl auch BSG Urteil vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - USK 85190 S 1015 f). Diese Rechtsfolge gebietet jedoch eine differenzierte Beurteilung des Umfangs der Darlegungsobliegenheiten des Arztes im Prüfungsverfahren.

42

Der Arzt ist jedenfalls gehalten, solche Umstände im Prüfungsverfahren, also spätestens gegenüber dem Beschwerdeausschuss, geltend zu machen, die sich aus der Atypik seiner Praxis ergeben, aus seiner Sicht auf der Hand liegen und den Prüfgremien nicht ohne Weiteres an Hand der Verordnungsdaten und der Honorarabrechnung bekannt sind oder sein müssen. Auch ein im Prüfungsverfahren nicht anwaltlich vertretener Arzt ist nicht überfordert, auf derartige Umstände - etwa die Betreuung von Versicherten in Altenheimen - hinzuweisen, wenn sich daraus aus seiner Sicht Auswirkungen auf die Beurteilung der Wirtschaftlichkeit seiner Behandlungs- oder Verordnungsweise ergeben. Unterlässt er diesen gebotenen Vortrag, kann er mit seinem verspäteten Vorbringen ausgeschlossen werden.

43

Nicht gefordert werden können von einem Arzt hingegen Einwände, die das Prüfungsverfahren selbst betreffen, also etwa Bedenken gegen die Größe und richtige Zusammensetzung der Vergleichsgruppe. Dieser Einwand ist nicht mit einer - grundsätzlich den Prüfgremien vorbehaltenen - Beiziehung von Unterlagen (so zuletzt BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 24) vergleichbar. Dasselbe gilt für Aspekte, die auf der Basis der im Prüfverfahren vorliegenden Unterlagen so offenkundig sind, dass die Gremien dem schon von Amts wegen nachgehen müssen (s Clemens in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 106 RdNr 151 unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295), bzw die anhand der bei der KÄV vorhandenen Unterlagen oder den Angaben des Arztes zumindest erkennbar sind (s Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2012, § 106 RdNr 543 unter Hinweis auf BSGE 74, 70, 73 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 126 sowie BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; zur Begrenzung der Mitwirkungspflicht bei "offenkundigen" Anhaltspunkten s auch Engelhard aaO RdNr 548 unter Hinweis auf BSG SozR 2200 § 368n Nr 50 S 172 und BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 53 S 295). Das kann sich etwa für den hier betroffenen Gesichtspunkt selbst erbrachter physikalisch-medizinischer Leistungen ergeben. Da seit Jahren bekannt und auch in der Rechtsprechung erörtert worden ist, dass vergleichbare Leistungen in Praxen selbst erbracht oder veranlasst werden (s hierzu BSG USK 85190 S 1014 ff), ist bei der Prüfung der Wirtschaftlichkeit solcher Verordnungen dem von Amts wegen nachzugehen; der Arzt muss nicht um den Preis einer Präklusion von sich aus darauf hinweisen, wenn in seiner Praxis physikalisch-medizinische Leistungen nicht oder nur unterdurchschnittlich erbracht werden.

44

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach haben die Klägerin und die Beigeladene zu 1. die Kosten des Revisionsverfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, da sie mit ihren Rechtsmitteln erfolglos geblieben sind (§ 154 Abs 2 iVm § 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6. ist nicht veranlasst, da diese keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

Tenor

Die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 1. gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 2010 werden zurückgewiesen.

Der Kläger und die Beigeladene zu 1. tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6.

Tatbestand

1

Umstritten sind Regresse wegen überdurchschnittlicher Kosten durch Verordnungen physikalisch-medizinischer Behandlungen.

2

Der Kläger, ein Orthopäde mit den Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie, der seit dem Quartal IV/1997 im Bezirk der zu 1. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) vertragsärztlich tätig ist und seit dem Quartal IV/1999 eine Einzelpraxis betreibt, überschritt in den Quartalen II/2000 bis IV/2002 mit seinem durch Verordnungen veranlassten Heilmittelaufwand (physikalisch-medizinische Leistungen - seit dem 1.4.2005 als physikalisch-therapeutisch bezeichnet) um Werte zwischen 128 % und 177 % den Durchschnitt der Fachgruppe der Orthopäden. Demgegenüber lagen seine Fallzahlen, seine Gesamthonoraranforderungen, sein Rentneranteil, der Umfang der Überweisungs- und Auftragsleistungen sowie sein Arzneikostenaufwand und auch der Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen jeweils unter dem Durchschnitt.

3

Der Prüfungsausschuss erließ Regressbescheide mit Belassung von Überschreitungen um 125 % bzw um 100 % über dem durchschnittlichen Heilmittelverordnungsvolumen der Fachgruppe (125 % betr Quartale II/2000 bis IV/2001 und 100 % betr Quartale I/2002 bis IV/2002). Der beklagte Beschwerdeausschuss gab den Widersprüchen des Klägers hinsichtlich der Quartale II/2000 bis IV/2001 teilweise statt, indem er die zu belassenden Überschreitungen von 125 % auf 140 % erhöhte (Bescheid vom 9.7.2004, Regressbetrag 18 932,02 Euro) . Die Widersprüche des Klägers hinsichtlich der Quartale I bis IV/2002 - belassene Überschreitungen 100 % - wies der Beklagte zurück (Bescheid vom 22.7.2005, Regressbetrag 37 879,42 Euro; - somit Gesamtregresssumme 56 811,44 Euro).

4

In den Bescheiden des Beklagten, die in ihren Grundzügen übereinstimmen, ist ausgeführt, dass mit der Belassung größerer Überschreitungen in den Quartalen der Jahre 2000 und 2001 zusätzlich berücksichtigt worden sei, dass statistisches Zahlenmaterial im Heilmittelbereich erst seit Ende 1999 verfügbar sei. Praxisbesonderheiten hätten beim Kläger weder aufgrund seiner Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie noch aufgrund seines überdurchschnittlichen Operationsspektrums noch aufgrund des Zuschnitts seiner Patientenschaft mit schwer Erkrankten oder Kindern mit Missbildungen anerkannt werden können. Die Durchsicht der (Behandlungs-)Unterlagen habe nur eine leicht überdurchschnittliche Zahl an Operationsfällen - insbesondere Arthroskopien - und keine signifikante Zahl von Patienten mit schweren Erkrankungen und/oder von Kindern mit Missbildungen ergeben. Nach alledem sei von einer Vergleichbarkeit des Zuschnitts seiner Praxisklientel und der daraus erwachsenden Behandlungserfordernisse mit denen des Durchschnitts der Fachgruppe auszugehen. Da das Diagnose- und Leistungsspektrum nicht signifikant von demjenigen der Vergleichsgruppe abweiche, sei die Bildung einer engeren Vergleichsgruppe nicht notwendig; eine signifikante Abweichung ergebe sich auch nicht aus dem unterdurchschnittlichen Umfang seiner in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen und chirotherapeutischen Leistungen. Die Frage eines Ausgleichs zwischen verschiedenen Behandlungsformen sei vielmehr unter dem Gesichtspunkt kompensierende Einsparungen zu prüfen. Seine Überschreitungen des durchschnittlichen Heilmittelverordnungsvolumens der Fachgruppe um Werte zwischen 128 % und 177 % lägen im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses. Während die Fachgruppe durchschnittlich bei etwa jedem vierten Patienten eine Heilmittelverordnung ausstelle, habe der Kläger dies bei etwa jedem zweiten Patienten getan; sein Verordnungsvolumen sei mehr als doppelt so hoch wie das des Durchschnitts der Fachgruppe. Auch falle die deutlich überdurchschnittliche Zahl an Wiederholungsrezepturen und an Kombinationen von Krankengymnastik und Massagen mit Kälteanwendungen oder Wärmetherapie auf. Kompensierende Einsparungen könnten weder wegen unterdurchschnittlicher Krankenhauseinweisungen noch wegen unterdurchschnittlicher Gesamthonoraranforderungen anerkannt werden. Ein kausaler Zusammenhang sei auch nicht zwischen dem Mehraufwand des Klägers bei den verordneten physikalisch-medizinischen Behandlungen und dem unterdurchschnittlichen Umfang seiner Arzneiverordnungen feststellbar; sein Vorbringen, er halte sich bei der Rezeptur von Arzneimitteln bewusst zugunsten von Heilmittelverordnungen zurück, genüge nicht; die Therapieansätze bei Arznei- und bei Heilmittelverordnungen seien unterschiedlich. Ein Kausalzusammenhang sei auch nicht ohne Weiteres zwischen dem Mehraufwand bei den verordneten und dem Minderaufwand bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen erkennbar; hiergegen spreche, dass die in eigener Praxis erbrachten und die von selbstständigen nicht-ärztlichen Leistungserbringern erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen nicht deckungsgleich seien. Zudem sei der Einspareffekt nur sehr klein: Der Minderaufwand betrage je Fall bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen nur einen Bruchteil des Mehraufwands durch verordnete physikalisch-medizinische Behandlungen. Fraglich sei auch ein Kausalzusammenhang zwischen dem Mehraufwand des Klägers bei den Heilmittelverordnungen und seinen Einsparungen bei chirotherapeutischen Leistungen, die er auf seine spezielle Behandlungsart mit "sanfter Technik" zurückführe. Ungeachtet aller Zweifel würden Einsparungen bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen und bei seinen chirotherapeutischen Leistungen aufgrund einer Gesamtschau im Rahmen der Belassung von Überschreitungen berücksichtigt, die auf 140 % (Quartale II/2000 bis IV/2001) bzw 100 % (Quartale I bis IV/2002) bemessen würden.

5

Die vom SG verbundenen Klagen und die Berufung des Klägers zum LSG sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 22.10.2008 und des LSG vom 31.8.2010). Das LSG hat - mit weitgehender Bezugnahme auf das Urteil des SG - ausgeführt: Die Auswahl der Vergleichsgruppe sei nicht zu beanstanden. Die Bildung einer verfeinerten Vergleichsgruppe sei nicht etwa unter dem Gesichtspunkt veranlasst, dass der Kläger keine bzw kaum physikalisch-medizinische Leistungen in eigener Praxis erbringe. Dieser Gesichtspunkt könne allenfalls bei der Prüfung kompensierender Einsparungen von Bedeutung sein. Die Vergleichbarkeit mit der Fachgruppe werde nicht durch die geringere Fallzahl des Klägers in Frage gestellt. Der Beklagte habe beanstandungsfrei Praxisbesonderheiten verneint. Für deren Anerkennung genüge weder der Umfang der operativen Leistungen des Klägers noch der von ihm geltend gemachte Mehrbedarf, den er im Vergleich zur Fachgruppe aufgrund von Skoliosepatienten, multimorbiden Patienten und Kindern mit Fehlbildungen der Gliedmaßen habe. Kompensierende Einsparungen habe der Beklagte in ausreichendem Maße - pauschal - berücksichtigt. Dies betreffe die unterdurchschnittliche Erbringung eigener physikalisch-medizinischer und chirotherapeutischer Leistungen. Die Überschreitungswerte zwischen 128 % und 177 % begründeten ein offensichtliches Missverhältnis. Der Einwand des Klägers, er habe die in den Heilmittel-Richtlinien(-RL) enthaltenen Frequenzvorgaben je Patient eingehalten, schütze ihn nicht vor dem Vorhalt, in der Gesamtsumme aller Patienten zu viele Verordnungen - nämlich bei zu vielen Patienten - getätigt zu haben.

6

Sowohl der Kläger als auch die zu 1. beigeladene KÄV haben Revision eingelegt.

7

Der Kläger macht geltend, das Verfahren der Prüfgremien sowie Begründung und Inhalt der Bescheide widersprächen rechtsstaatlichen Anforderungen. Der durchgeführten Vergleichsprüfung stehe entgegen, dass seine Fallzahl und sein Honoraraufkommen erheblich unter dem Durchschnitt lägen. Die erst im Quartal IV/1999 eröffnete Einzelpraxis habe sich noch in der Aufbauphase befunden. Durch die Nähe zum dortigen Diakonissenkrankenhaus habe er viele Operationspatienten und viele Patienten mit schweren Erkrankungen sowie - wegen der Nähe zu der Geburtshilfeabteilung des Krankenhauses - viele Kinder mit Missbildungen, die chirurgischer und/oder orthopädischer Behandlung bedürften. Ein Vergleich nur mit solchen Orthopäden, die ebenfalls umfangreich operierten und - wie er - keine physikalische Therapie in eigener Praxis anböten, wäre angemessen. Gegenüber seinem hohen Aufwand bei verordneten physikalisch-medizinischen Leistungen hätte der Beklagte eine Kompensation durch seine unterdurchschnittlichen physikalisch-medizinischen Leistungen in eigener Praxis und sein unterdurchschnittliches Gesamthonorar sowie seine unterdurchschnittlichen Arzneikosten anerkennen müssen. Er hätte zu dem von ihm - dem Kläger - geltend gemachten Anteil an Patienten mit schweren Erkrankungen und dem hohen Anteil an Kindern mit Missbildungen nicht lediglich ausführen dürfen, Besonderheiten hätten sich insoweit nicht bestätigt. Der Beklagte hätte die unterdurchschnittliche Fallzahl zum Anlass nehmen müssen, das statistische Material näher zu überprüfen und dessen Aussagen ggf zu korrigieren. In Verbindung mit dem unterdurchschnittlichen Honoraraufkommen hätte sich dann der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit als nicht tragfähig herausgestellt. Der unterdurchschnittliche Umfang der von ihm in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen hätte schon auf der ersten Stufe einer medizinisch-intellektuellen Prüfung daraufhin unterzogen werden müssen, ob bei ihm und in der Arztgruppe die wesentlichen Leistungsbedingungen überhaupt im Sinne einer übereinstimmenden Leistungserbringungstypik vergleichbar seien. Für diese Überprüfung hätte der Beklagte die Heilmittelstatistiken beschaffen und diese arztindividuell und fachgruppenbezogen auswerten müssen, was zu entsprechender Bereinigung des zum Vergleich herangezogenen Fachgruppendurchschnitts und/oder zur Zubilligung von Mehraufwand bei ihm - dem Kläger - durch Anerkennung kompensierender Einsparungen bzw einer Praxisbesonderheit geführt haben würde. Die zugrunde gelegten Statistiken der Beigeladenen zu 1. könnten für einen fundierten Vergleich der Leistungsbedingungen der Fachgruppe mit denen des Klägers nicht ausreichen. Es spreche viel dafür, dass bei ausreichender Ermittlung schon die Grundvoraussetzung vergleichbare Leistungsbedingungen zwischen der Fachgruppe und ihm zu verneinen wäre bzw jedenfalls kein Mehraufwand im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses angenommen werden könne. Hierzu habe der Beklagte in seinen Bescheiden nichts ausgeführt, sodass den Regressbescheiden insoweit jedenfalls ein Begründungsdefizit anhafte.

8

Auch dem LSG seien in verschiedener Hinsicht Ermittlungsmängel anzulasten. Es stütze sich bei der Frage kompensierender Einsparungen ebenfalls nur auf die Heilmittelstatistik der Beigeladenen zu 1., ohne den Diskrepanzen zwischen den unterschiedlichen Statistiken und deren Berechnungen nachzugehen. Aufgrund dieses Defizits fehle es nicht nur an ausreichenden Feststellungen zur Vergleichbarkeit der Leistungsbedingungen, sondern auch an einer ausreichenden Grundlage für eine tragfähige Prüfung von Praxisbesonderheiten.

9

Schließlich sei auch unberücksichtigt geblieben, dass er - der Kläger - bei der Verordnung von Hilfsmitteln in jedem Einzelfall die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL eingehalten habe. Der Schutz durch die Frequenzvorgaben, den das BSG im Urteil vom 29.11.2006 herausgestellt habe (B 6 KA 7/06 R - SozR 4-2500 § 125 Nr 3) , müsse auch für die Gesamtheit seiner RL-konformen Verordnungen gelten. Diese RL seien ausgerichtet auf verbindliche äußere Rahmenbedingungen im Interesse der Vertragsärzte und ihrer Patienten. Es handele sich um leges speciales gegenüber den Grundsätzen des § 106 SGB V; sie ließen keinen Raum für ergänzende Prüfungen nach lediglich quantitativen, rein statistischen Durchschnittswerten. Andernfalls ergebe sich auch ein Widerspruch zwischen der Bewertung einer Verordnung als im Einzelfall korrekt und bei Gesamtbetrachtung aller Verordnungen als inkorrekt.

10

Die Beigeladene zu 1. macht geltend, die Fallzahlen des Klägers hätten in einigen Quartalen (I/2002 bis IV/2002) um bis zu 37 % unter dem Durchschnitt gelegen. Auch wenn eine solche Unterschreitung nicht der Durchschnittsprüfung die Grundlage entziehe - weil hierfür schon Fallzahlen von nur einem Fünftel des Durchschnitts der Vergleichsgruppe ausreichten -, so seien so große Unterschreitungen aber doch im Rahmen der sog medizinisch-intellektuellen Prüfung auf ihre Ursache hin zu überprüfen. Der Beklagte und das LSG hätten zudem die unterdurchschnittlichen Honorarwerte des Klägers bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen nicht zutreffend gewürdigt. Sie hätten "nur sehr bedingt" einen Zusammenhang mit dem ihm angelasteten Mehraufwand anerkannt, weil - wie das LSG ausgeführt habe - in eigener Praxis vorwiegend Thermo- und Elektrotherapie, bei externer Verordnung hauptsächlich Krankengymnastik, Massagen und Wärmetherapie mittels Packung usw erbracht würden und sich deshalb nur in relativ geringfügigem Ausmaß Überschneidungen ergäben. Sie hätten insoweit im Rahmen kompensierender Einsparungen eine pauschale Berücksichtigung durch den Beklagten ausreichen lassen und die Unzulänglichkeiten des zugrunde liegenden Datenvergleichs nicht gewürdigt (Heilmittelstatistik einerseits und Anzahlstatistiken Praxis und Fachgruppe andererseits; keine angemessene Berücksichtigung des bei einigen Leistungen anzutreffenden Phänomens der sog Nullabrechner; Begrenzung der Zahl der einbezogenen Leistungserbringer, aber keine entsprechende Eingrenzung bei der Errechnung des Fallzahlendurchschnitts; Nichteinbeziehung einiger Leistungen auf Seiten der Fachgruppe; unzulängliche Beachtung dessen, dass der Kläger nur die zwei Leistungspositionen Nr 505 und 524 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen erbracht habe).

11

Schließlich hätte das LSG berücksichtigen müssen, dass der Kläger bei der Verordnung von Hilfsmitteln in jedem Einzelfall die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL eingehalten habe. Durch diese erfolge eine qualitätsorientierte Überprüfung unter Zurückdrängung rein quantitativer Betrachtung in einer Durchschnittswertprüfung; dies ergebe sich aus den RL und sei durch die Änderung des § 106 SGB V zum 1.1.2004 mit der Abschaffung der Durchschnittswertprüfung als Regelprüfmethode flankiert und so auch im BSG-Urteil vom 29.11.2006 zugrunde gelegt worden. Folgerichtig dürften Aufwand und Menge von Heilmittelverordnungen ausschließlich Einzelfallprüfungen unterzogen werden.

12

Der Kläger und die Beigeladene zu 1. beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31.8.2010 und des Sozialgerichts Mainz vom 22.10.2008 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seiner Bescheide vom 9.7.2004 und vom 22.7.2005 zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Widersprüche des Klägers zu entscheiden.

13

Der Beklagte beantragt,
die Revisionen zurückzuweisen.

14

Er verteidigt das Urteil des LSG. Dieses und das SG hätten zu Recht die angefochtenen Regressbescheide als rechtmäßig angesehen. Die Fallzahlen des Klägers reichten für die Tragfähigkeit eines Vergleichs der Fallkosten des Arztes mit den durchschnittlichen der Fachgruppe aus. Die Bewertung, dass die in eigener Praxis erbrachten und die verordneten physikalisch-medizinischen Leistungen nicht deckungsgleich seien, sich vielmehr hinsichtlich ihrer Art, Intensität und Kosten unterschieden, und die Schätzung des Kompensationsbetrags einschließlich der Berücksichtigung durch Belassung einer sog Restüberschreitung seien nicht zu beanstanden. Den Bescheiden hafte auch kein Begründungsmangel an. Die Einwendungen der Beigeladenen zu 1. gegen die den Prüfergebnissen zugrunde liegenden Werte seien überraschend, da sie selbst die Statistiken erstellt und vorgelegt habe. Auch das Vorbringen des Klägers, er habe in jedem Einzelfall die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL eingehalten, greife nicht durch. Deren Einhaltung schütze nur vor dem Vorhalt eines Verordnungsübermaßes bezogen auf den einzelnen Patienten, aber nicht vor dem Vorhalt, durch Verordnungen bei zu vielen Patienten unwirtschaftlich gehandelt zu haben.

15

Die zu 2. beigeladene AOK verteidigt ebenfalls - ohne einen Antrag zu stellen - das angefochtene Urteil des LSG und die Bescheide des Beklagten. Die Vergleichsprüfung sei nicht zu beanstanden. Die Mindestquote von 20 % der durchschnittlichen Fallzahl der Fachkollegen sei beim Kläger erfüllt. Der Beklagte und das LSG hätten den Ursachen weder bei der unterdurchschnittlichen Fallzahl noch bei dem Verordnungsmehraufwand weiter nachgehen müssen. Den unterdurchschnittlichen Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen habe der Beklagte ausreichend berücksichtigt.

16

Die übrigen Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.

Entscheidungsgründe

17

Die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen zu 1. sind zulässig (zur Rechtsmittelbefugnis und Aktivlegitimation der KÄVen in Angelegenheiten der Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 28 RdNr 12 mwN; dem vergleichbar in Zulassungsangelegenheiten: BSG vom 19.10.2011, SozR 4-2500 § 103 Nr 8 RdNr 13, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen) . Die Revisionen sind aber unbegründet. Das LSG hat die angefochtenen Regressbescheide zu Recht nicht beanstandet. Diese Bescheide, die alleiniger Gegenstand des Verfahrens sind (vgl hierzu stRspr des BSG, zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 26 RdNr 15 mwN; Nr 29 RdNr 14; zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 11 mwN), sind rechtmäßig.

18

1. Rechtsgrundlage der Verordnungsregresse ist § 106 Abs 2 SGB V(hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, mit weiteren - aber für den vorliegenden Rechtsstreit nicht relevanten - Änderungen, für das Jahr 2002 zuletzt noch Änderung vom 19.12.2001, BGBl I 3773). Danach wurde die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen, entweder nach Durchschnittswerten oder am Maßstab von Richtgrößenvolumina (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) und/oder anhand von Stichproben (aaO Satz 1 Nr 2), geprüft. Nach dieser Gesetzeslage war davon auszugehen, dass die Prüfung nach Durchschnittswerten wegen ihres hohen Erkenntniswerts bei verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand die Regelprüfmethode darstellte (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 13; ebenso BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; vgl zuletzt BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 19, 27). Bei dieser Prüfmethode wird der Aufwand des geprüften Arztes je Fall mit dem durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe - im Regelfall der Arztgruppe, der der Arzt angehört - verglichen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Vergleichsgruppe im Durchschnitt insgesamt wirtschaftlich handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 303; Nr 55 S 307 f; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 2 RdNr 14, 15; Nr 3 RdNr 14; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13). Ergibt die Prüfung, dass der Behandlungs- oder Verordnungsaufwand des geprüften Arztes - beim Gesamtfallwert, bei Sparten- oder bei Einzelleistungswerten - in offensichtlichem Missverhältnis zum durchschnittlichen Aufwand der Vergleichsgruppe steht, diesen nämlich in einem Ausmaß überschreitet, das sich nicht mehr durch Unterschiede in der Praxisstruktur wie Praxisbesonderheiten und/oder sog kompensierende Einsparungen erklären lässt, so ist die Folgerung der Unwirtschaftlichkeit gerechtfertigt (stRspr, s dazu zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13 ). Dabei obliegt die Darlegungs- und Feststellungslast für besondere, einen höheren Behandlungsaufwand rechtfertigende atypische Umstände wie Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen dem Arzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 54 S 298 f mwN; Nr 57 S 325; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 14; Nr 23 RdNr 13; Nr 29 RdNr 30 mwN). Die Prüfgremien sind allerdings zu Ermittlungen von Amts wegen hinsichtlich solcher Umstände verpflichtet, die typischerweise innerhalb der Fachgruppe unterschiedlich und daher augenfällig sind (vgl hierzu - betr in eigener Praxis oder verordneter physikalisch-medizinischer Leistungen - BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 = USK 85190 S 1014 f; vgl zB auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 51 S 277; Nr 53 S 295 oben). Bei den erforderlichen Bewertungen haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum, sodass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf beanstandet werden können (zu Entscheidungsspielräumen im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung s BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 36 mwN; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 20; BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19 RdNr 22; BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 16, 17, 19) .

19

Bei Zugrundelegung dieser rechtlichen Maßstäbe und der gerichtlich nur begrenzt zulässigen Überprüfung sind die angefochtenen Regressbescheide nicht zu beanstanden.

20

2. Die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Verordnungen des Klägers durfte im Wege des Vergleichs mit den Durchschnittswerten der Fachgruppe der Orthopäden erfolgen.

21

a) Die Fallzahl des Klägers reichte als Grundlage für eine Vergleichsprüfung anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe aus. Die Eignung für einen solchen Vergleich ist erst dann zu verneinen, wenn die Fallzahlen des geprüften Arztes so weit unterhalb der Durchschnittswerte der Fachgruppe liegen, dass ein Vergleich nicht mehr aussagekräftig ist. Für einen aussagekräftigen Vergleich hat der Senat auf eine Fallzahl des geprüften Arztes von mindestens 20 % der Vergleichsgruppe und dabei mindestens 100 Behandlungsfälle abgestellt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 45 S 244 ff; vgl auch zB BSG SozR 2200 § 368n Nr 44 S 149 f und Nr 50 S 171). Dieses Mindestmaß hat der Kläger nicht unterschritten. Seine Fallzahlen lagen in den kritischsten der hier streitgegenständlichen Quartale um maximal 40 % unter der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe, dh sie beliefen sich stets auf mehr als 60 % der Vergleichsgruppe.

22

Sein Einwand, das LSG habe das Ausmaß der Durchschnittsüberschreitung nicht richtig erfasst, kann seiner Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Dieser betrifft nicht die Bescheide des Beklagten, die Gegenstand der Überprüfung sind, sondern - lediglich - das Urteil des LSG. In diesem heißt es, dass "die Unterschreitung der Fallzahl, die deutlich weniger als 20 % beträgt, nicht die … Vergleichbarkeit" beeinträchtigt (LSG-Urteil S 16) . Demgegenüber ist der Beklagte zutreffend davon ausgegangen, dass die "Gesamtfallzahlen … mit bis zu -37 % deutlich unter dem Durchschnitt der Fachgruppe" liegen (Bescheidbegründung vom 22.7.2005 S 2). Dies allein ist maßgeblich, denn entscheidend ist die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Regressbescheide. Eine inhaltliche Fehlbeurteilung des LSG allein kann nicht einen Erfolg der Revision begründen, es sei denn, insoweit läge zugleich ein Mangel des verfahrensmäßigen Vorgehens des LSG vor und dies würde vom Kläger entsprechend den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG gerügt. Im Übrigen spricht nichts dafür, dass das Urteil des LSG auf der Annahme einer Durchschnittsunterschreitung von weniger als 20 % "beruhen" könnte (sog tragende Gründe, vgl zB BSG SozR 4-1500 § 158 Nr 1 RdNr 4 mwN). Diese Formulierung bezieht die Angabe zum Gesamthonorar im Regressbescheid betr die Quartale II/2000 bis IV/2001 (Bescheid vom 9.7.2004, Begründung S 2 unten) versehentlich auf die Fallzahlen und insoweit auf alle Quartale. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Irrtum das Urteilsergebnis beeinflusst haben könnte, sind nicht ersichtlich; Unterschreitungen um 20 % können ebenso wie solche um bis zu 37 % gleichermaßen die Eignung einer Vergleichsprüfung anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe nicht in Frage stellen, weil Fallzahlen ab 20 % der Vergleichsgruppe - wie ausgeführt - für die Vergleichbarkeit ausreichen.

23

b) Die Prüfgremien sind nicht verpflichtet, den Gründen für unterdurchschnittliche Fallzahlen einer Praxis nachzugehen, soweit der Grenzwert von 20 % erreicht oder überschritten ist. Dies ist nicht Gegenstand der sog intellektuellen Betrachtung, die medizinisch-ärztliche Gesichtspunkte mitberücksichtigt (zur medizinisch-intellektuellen Prüfung vgl zB BSGE 74, 70, 72 = SozR 3-2500 § 106 Nr 23 S 125; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 13; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 19). Eine geringe Fallzahl kann vielfältige Ursachen haben; sie kann zB auf einer Minderung der Leistungsfähigkeit des Arztes beruhen oder Folge einer für die Patienten geringeren Attraktivität bzw Überzeugungskraft des Arztes und/oder seiner Praxis sein. Eine geringe Fallzahl kann dazu führen, dass der Arzt, der dadurch evtl viel Zeit für seine wenigen Patienten hat, geneigt ist, für diese besonders viele Leistungen zu erbringen, womit er uU zugleich trotz seiner geringen Patientenzahl ein auskömmliches Einkommen anstrebt (zu diesen Zusammenhängen vgl Clemens in Laufs/Kern, Handbuch des Arztrechts, 4. Aufl 2010, § 36 RdNr 64; zur allgemeinen Problematik anbieterinduzierter Nachfrage gerade bei Praxen mit geringer Patientenzahl siehe zB BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 12 RdNr 17 am Ende mit weiteren BSG-Angaben). Die Vielfalt möglicher Ursachen für eine geringe Fallzahl - für die auch nicht-medizinische Ursachen in Betracht kommen können, die keinen Bezug zum eigentlichen Aufgabenbereich der Prüfgremien haben - spricht gegen die Annahme einer Verpflichtung der Prüfgremien, nach deren Ursache im Rahmen der ihnen obliegenden medizinisch-intellektuellen Prüfung zu forschen. Auch erfordert die Praktikabilität - im Sinne des Gebots, effektive Wirtschaftlichkeitsprüfungen durchzuführen (vgl hierzu BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 20 mwN) -, dass die Prüfgremien bei Fallzahlen von wenigstens 20 % des Fachgruppendurchschnitts im Regelfall die Vergleichbarkeit als gegeben annehmen dürfen.

24

c) Ebenso wenig sind die Prüfgremien verpflichtet, bereits im Rahmen der medizinisch-intellektuellen Prüfung - also bei der Ermittlung der richtigen Vergleichsbasis - den unterdurchschnittlichen Umfang der vom Arzt in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen zu berücksichtigen. Auf der ersten Stufe der Prüfung der Grundlagen der Vergleichbarkeit - noch vor dem Einstieg in die weiteren Prüfungsschritte wie Praxisbesonderheiten, kompensierende Einsparungen, offensichtliches Missverhältnis, unwirtschaftlicher Mehraufwand (zu den Prüfungsschritten vgl zB Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, Stand März 2012, § 106 RdNr 290-387, und - zusammengefasst - Clemens in Laufs/Kern aaO, § 36 RdNr 44-82) - mögen atypische Praxisprägungen in die Betrachtung einzubeziehen sein; diese können sich uU aus Praxisbesonderheiten ergeben. Kompensierende Einsparungen hingegen begründen im Regelfall keine abweichende Praxisprägung: Ihr Wesen besteht darin - das ist die Voraussetzung für die Anerkennung einer "Kompensation" -, dass der vom geprüften Arzt verursachte Mehraufwand und der bei ihm gegebene Minderaufwand medizinisch gleichwertig sind; dies zugrunde gelegt, wird durch kompensierende Einsparungen - jedenfalls im Regelfall - nur die individuelle Art der Leistungserbringung und das Spektrum der erbrachten Leistungen, nicht aber die Praxisprägung berührt. Dementsprechend erörtert der Senat den unterdurchschnittlichen Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen erst unter dem Gesichtspunkt kompensierender Einsparungen (vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 325; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f; ebenso BSG vom 8.5.1985 - 6 RKa 24/83 - Juris RdNr 21 iVm 25 = USK 85190 S 1014 f iVm 1016 mit erst nachrangiger Berücksichtigung; ebenso BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238/239).

25

d) Die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung gebotene ergänzende intellektuelle Prüfung unter medizinisch-ärztlichen Gesichtspunkten wird im Bescheid vom 9.7.2004 (S 7) ausdrücklich erwähnt. Im Übrigen muss diese Prüfung auch nicht explizit erfolgen; vielmehr reicht es aus, dass sich eine hinreichende Berücksichtigung der relevanten Gesichtspunkte aus dem Gesamtzuschnitt der Bescheide ergibt, wie das hier der Fall ist (sinngemäß ebenso zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 266; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 323 unten).

26

3. Der Beklagte durfte das Verordnungsvolumen des Klägers mit demjenigen der Orthopäden im selben KÄV-Bezirk vergleichen. Die Bildung einer engeren - verfeinerten - Vergleichsgruppe war nicht geboten.

27

Deren Bildung bedarf es nur bzw allenfalls dann, wenn die Struktur der Praxis des geprüften Arztes sowohl hinsichtlich der Zusammensetzung des Patientenklientels als auch hinsichtlich des ärztlichen Diagnose- und Behandlungsangebots von der Typik beim Durchschnitt der Fachgruppe signifikant abweicht (vgl dazu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50 S 264; Nr 57 S 319 ff, 322 ff; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 1 RdNr 11; Nr 12 RdNr 16-23) . Dies kann der Fall sein, wenn ein Arzt eine Zusatz- bzw Schwerpunktbezeichnung führt, sofern diese Niederschlag im Leistungsspektrum oder in der Ausrichtung der Praxis findet (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 57 S 319-322; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 12 RdNr 17 ff; ebenso BSG vom 21.3.2012 - B 6 KA 55/11 B - RdNr 8) . Die Prüfgremien dürfen solche Abweichungen von der Durchschnittspraxis aber auch - statt durch Bildung einer engeren Vergleichsgruppe - im Rahmen eines späteren Prüfungsschritts als Praxisbesonderheit oder durch Belassung einer größeren Überschreitung des Fachgruppendurchschnitts berücksichtigen (BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30).

28

Nach diesen Grundsätzen ist es nicht zu beanstanden, dass die Prüfgremien sich weder durch die vom Kläger geführten Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie noch durch den unterdurchschnittlichen Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen veranlasst gesehen haben, eine engere Vergleichsgruppe zu bilden. Der Beklagte musste erst recht nicht in Betracht ziehen, eine noch engere Vergleichsgruppe aus solchen Orthopäden zu bilden, die sowohl in vergleichbarem Ausmaß wie der Kläger operieren als auch keine physikalische Therapie in ihrer eigenen Praxis anbieten (zur Frage von Praxisbesonderheiten vgl noch RdNr 39 f).

29

4. Die angefochtenen Bescheide lassen auch im Übrigen Fehler nicht erkennen.

30

a) Eine Unwirtschaftlichkeit kann auch dann gegeben sein, wenn ein Arzt - wie der Kläger geltend macht - bei jeder einzelnen Verordnung die Frequenzzahlen der Heilmittel-RL beachtet. Zu unterscheiden ist nämlich zwischen einerseits Einzelfallprüfungen, auf die die Heilmittel-RL ausgerichtet sind und vor denen diese den Arzt in gewissem Umfang schützen können, und andererseits Durchschnitts- und Richtgrößen-Prüfungen.

31

aa) In den Heilmittel-RL kann der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), wie der Senat in seinem Urteil vom 29.11.2006 ausgeführt hat, nähere Vorgaben zum Vorgehen des Therapeuten formulieren (BSG SozR 4-2500 § 125 Nr 3 RdNr 18 ff). Er kann die Frequenz vorgeben, mit der die einzelnen Heilmittel bei den in Betracht kommenden Indikationen angewendet werden sollen, indem er die Verordnungsmenge für den Regelfall festlegt (BSG aaO RdNr 18-20). Dies gehört zum Kernbereich von Regelungen zur Gewährleistung einer wirtschaftlichen Versorgung bei Heilmittelanwendungen (BSG aaO RdNr 20). Gerade bei Heilmittelverordnungen kann die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht ohne klare untergesetzliche Maßgaben allein über die auf den einzelnen Arzt ausgerichtete Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V realisiert werden; Vergleichsprüfungen sind hier vielfach nur schwer durchführbar. Umso wichtiger sind eindeutige Vorgaben für die im Regelfall als wirtschaftlich angesehenen Verordnungsmengen sowohl bei Erst- als auch bei Wiederholungsverordnungen (BSG aaO RdNr 22).

32

bb) Mit diesen Ausführungen hat der Senat den hohen Stellenwert von Frequenzvorgaben für die Verordnung von Heilmitteln im Einzelfall hervorgehoben, ohne aber Vergleichsprüfungen anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe auszuschließen. Zu den Vergleichsprüfungen hat der Senat ausgeführt, dass sie im Heilmittelbereich "vielfach nur schwer durchführbar" sind und - so der vorangehende Satz - dass "die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nicht ohne klare untergesetzliche Maßgaben allein über die auf den einzelnen Arzt ausgerichtete Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V realisiert werden" kann(BSG aaO RdNr 22). Aus diesen Formulierungen wird deutlich, dass Durchschnittsprüfungen nicht ausgeschlossen sind, sondern die untergesetzlichen Vorgaben (vgl heute § 7 Abs 10 iVm §§ 17 ff der Heilmittel-RL vom 20.1./19.5.2011 zur physikalischen Therapie, BAnz Nr 96 S 2247 vom 30.6.2011 = DÄ 2011, A 1500 mit Verweisung auf Internetseite) und die Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V nebeneinander stehen: Für die vom Arzt im Einzelfall verordnete Leistungsmenge sind die untergesetzlichen Frequenzvorgaben maßgebend; beachtet der Arzt diese Vorgaben, kann ihm in der Regel nicht vorgehalten werden, er hätte in einem einzelnen Behandlungsfall Heilmittel nur mit geringerer Frequenz verordnen dürfen. Vergleichsprüfungen anhand von Durchschnittswerten der Fachgruppe bleiben aber möglich, soweit sie klären sollen, ob der Arzt in der Gesamtzahl seiner Patienten in zu vielen Fällen Anlass zur Verordnung der Heilmittel sah. So stellt der Beklagte beim Kläger nicht in Frage, dass er in allen einzelnen Behandlungsfällen jeweils die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL einhielt; die von ihm durchgeführte Prüfung hat er vielmehr darauf gegründet, dass die Anzahl der Behandlungsfälle, in denen der Kläger physikalisch-medizinische Leistungen verordnete, weit über dem Durchschnitt der Fachgruppe lag - in jedem zweiten Behandlungsfall, daher ungefähr doppelt so häufig wie die Fachgruppe - und dass dafür keine Rechtfertigung aufgrund besonderen Praxiszuschnitts erkennbar sei.

33

cc) Mit einer solchen Vergleichsprüfung wird - entgegen der Ansicht des Klägers und der Beigeladenen zu 1. - nicht die Schutzwirkung der Heilmittel-RL unterlaufen, wie auch der Senat sie im Urteil vom 29.11.2006 anerkannt hat (BSG SozR 4-2500 § 125 Nr 3 RdNr 18 ff, 22; vgl auch BSG vom 13.9.2011 - B 1 KR 23/10 R - BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 11 und 13). Die Frequenzvorgaben der Heilmittel-RL (zur physikalischen Therapie vgl die Heilmittel-RL aaO mit § 7 Abs 10: "maximale Verordnungsmenge … bis zum Erreichen der Gesamtverordnungsmenge jedes Regelfalls in der Physikalischen Therapie bis zu sechs Einheiten") sind darauf zugeschnitten, wie viele Einheiten physikalischer Therapie im einzelnen Behandlungsfall als im Regelfall sachgerecht anzusehen sind. Dabei wird vorausgesetzt, dass es sich um einen Behandlungsfall handelt, in dem überhaupt Anlass zur Verordnung physikalisch-medizinischer Leistungen besteht. Zur Frage, in welcher Art von Behandlungsfällen ein solcher Anlass überhaupt als gegeben angesehen werden kann, sagt die Heilmittel-RL nichts aus; medizinische Beurteilungskriterien hierfür sind darin nicht zu finden (vgl dazu BT-Drucks 14/6309 S 10: "mit der Umsetzung der Heilmittel-Richtlinien allein die Wirtschaftlichkeit … nicht sichergestellt werden"). Deshalb kann gegründet auf den Vorhalt, physikalisch-medizinische Leistungen in einer nicht mehr vertretbaren, zu großen Anzahl von Behandlungsfällen - ohne dass sich dies durch seinen Praxiszuschnitt rechtfertigen lasse - verordnet zu haben, das Verordnungsvolumen eines Arztes sowohl im Wege des Vergleichs mit den Durchschnittswerten der Fachgruppe als auch anhand von Richtgrößen überprüft werden (zu letzterem vgl § 84 Abs 8 iVm § 106 Abs 5a ff SGB V).

34

Die Anwendbarkeit der Durchschnitts- und Richtgrößen-Prüfungen entspricht im Übrigen auch dem umfassenden Geltungsanspruch des Wirtschaftlichkeitsgebots, wonach der Arzt nicht nur im konkreten Einzelfall, sondern unter jedem Aspekt - und deshalb auch bezogen auf die Anzahl seiner Behandlungsfälle mit Heilmittelverordnungen - wirtschaftlich handeln muss (vgl hierzu zuletzt BSG vom 19.10.2011, SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 21 mwN).

35

b) Ohne Rechtsverstoß hat sich der Beklagte auch mit dem Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen auseinandergesetzt. Zumindest missverständlich ist allerdings die Formulierung des LSG, die beim Kläger unterdurchschnittliche Zahl der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen könne "allenfalls" bei der Prüfung kompensierender Einsparungen von Bedeutung sein (LSG-Urteil S 16). Dies trifft so nicht zu: Die Abfolge der Prüfungsschritte in der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten ist nicht zwingend; auf welcher Stufe Abweichungen von der Typik der Vergleichsgruppe berücksichtigt werden, ist nicht strikt vorgegeben; unbedenklich können sie auch erst auf einer nachrangigen Stufe wie zB durch Belassung großzügiger Durchschnittsüberschreitungen berücksichtigt werden, wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat (betr Bildung einer engeren Vergleichsgruppe vgl zB BSGE 50, 84, 87 = SozR 2200 § 368e Nr 4 S 9 f; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 36 S 202 f; BSG vom 11.12.2002 - B 6 KA 21/02 B - Juris RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 141 Nr 1 RdNr 30; betr kompensierende Einsparungen und Praxisbesonderheiten vgl BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 43 S 238 f mwN; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 29 f). Ob das LSG davon hat abweichen oder nur darlegen wollen, wo typischerweise bei einem Verordnungsregress die unterdurchschnittliche Höhe des Honorars für in eigener Praxis erbrachte physikalisch-medizinische Leistungen geprüft wird, kann offenbleiben. Für die abschließende inhaltliche Bewertung kommt es nur darauf an, ob die zugrunde liegenden Bescheide des Beklagten rechtmäßig sind: Diese enthalten ausreichende Ausführungen dazu, wie der gegenüber dem Fachgruppendurchschnitt mindere Aufwand des Klägers bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen zu bewerten ist (hierzu s nachfolgend c).

36

c) Entgegen der Ansicht der Revisionsführer hat der Beklagte inhaltlich in genügender Weise den Minderaufwand des Klägers bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen berücksichtigt.

37

Der Beklagte hat erwogen, ob insoweit sog kompensierende Einsparungen anzuerkennen seien, dies allerdings nicht abschließend entschieden: Ein Kausalzusammenhang zwischen dem Mehraufwand bei den verordneten und dem Minderaufwand bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen erscheine zweifelhaft, weil die in eigener Praxis erbrachten und die von selbstständigen nicht-ärztlichen Leistungserbringern erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen nicht deckungsgleich seien. Zudem sei der Ersparniswert gering; der Minderaufwand des Klägers bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen betrage je Fall nur einen Bruchteil des Mehraufwands durch verordnete physikalisch-medizinische Leistungen (insoweit werden Beträge einerseits bis 7 Euro und andererseits ab 20 Euro genannt). Ungeachtet solcher Zweifel am Kausalzusammenhang und an bedeutsamer Ersparnis würden Einsparungen bei den in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen berücksichtigt: Sie seien mitbestimmend für die Belassung von Überschreitungen über das durchschnittliche Heilmittelverordnungsvolumen der Fachgruppe hinaus im Umfang von 140 % (Quartale II/2000 bis IV/2001) bzw 100 % (Quartale I/2002 bis IV/2002).

38

Diese Ausführungen des Beklagten genügen den rechtlichen Anforderungen. Wie ausgeführt, müssen die Prüfgremien Umstände, die von ihrer Struktur her an sich der Kategorie kompensierende Einsparungen zuzuordnen sind (so bei unterdurchschnittlichem Umfang der in eigener Praxis erbrachten physikalisch-medizinischen Leistungen: s die BSG-Angaben oben RdNr 24 am Ende), nicht notwendigerweise im Rahmen dieses Prüfungsschritts berücksichtigen. Es reicht vielmehr aus, sie in die Berechnung oder Schätzung der zu belassenden Durchschnittsüberschreitungen einzubeziehen (vgl oben RdNr 27 und RdNr 35, jeweils mit Rspr-Angaben). Bei der Quantifizierung dürfen sie sich mit pauschalierenden Schätzungen begnügen (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 23 RdNr 30 iVm 33 mwN); dies gilt zumal dann, wenn schon dem Grunde nach - das durften die Prüfgremien offenlassen - nicht ohne Weiteres von einem Kausalzusammenhang zwischen Mehr- und Minderaufwand und zudem nur von einer relativ geringen kostenmäßigen Kompensation ausgegangen werden kann. Das Ausmaß der Berücksichtigung ist hier - auch bei Einberechnung eines weiteren Anteils für unterdurchschnittlichen Aufwand bei chirotherapeutischen Leistungen - angesichts der Belassung hoher Überschreitungen über das durchschnittliche Heilmittelverordnungsvolumen der Fachgruppe hinaus - im Umfang von 140 % (Quartale II/2000 bis IV/2001) bzw 100 % (Quartale I/2002 bis IV/2002) - jedenfalls ausreichend.

39

d) Schließlich sind die Regressbescheide auch weder hinsichtlich ihrer Ausführungen zum offensichtlichen Missverhältnis noch hinsichtlich der Verneinung von Praxisbesonderheiten zu beanstanden.

40

Der Beklagte hat ohne Rechtsverstoß die Anerkennung von Praxisbesonderheiten beim Kläger abgelehnt. Er hat ausgeführt, Praxisbesonderheiten hätten weder aufgrund der Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Chirotherapie noch aufgrund eines überdurchschnittlichen Operationsspektrums noch aufgrund des Zuschnitts der Patientenschaft mit schwer Erkrankten oder Kindern mit Missbildungen anerkannt werden können: Die Durchsicht der (Behandlungs-)Unterlagen habe nur eine leicht überdurchschnittliche Zahl an Operationsfällen - insbesondere Arthroskopien - und keine signifikante Zahl von Patienten mit schweren Erkrankungen und/oder von Kindern mit Missbildungen ergeben. Mit diesen Ausführungen hat der Beklagte die Anerkennung von Praxisbesonderheiten ohne Überschreitung des ihm insoweit eingeräumten Beurteilungsspielraums - und mit ausreichender Begründung in den Bescheiden - versagt (zu den Entscheidungsspielräumen vgl oben RdNr 18 am Ende mit BSG-Angaben). Das LSG hat sich unter Bezugnahme auf die Ausführungen des SG die Feststellung zu eigen gemacht, dass weder der Umfang der operativen Leistungen des Klägers noch der von ihm geltend gemachte Mehrbedarf im Vergleich zur Fachgruppe bei Skoliose- und multimorbiden Patienten noch bei Kindern mit Fehlbildungen der Gliedmaßen dem Umfang nach deutlich von der Typik der Fachgruppe abweicht. An diese Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden; keiner der Revisionsführer hat dagegen eine Verfahrensrüge entsprechend den dafür bestehenden Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 SGG erhoben(vgl § 163 Halbsatz 2 SGG). Soweit die Revisionsführer die Berechnungen als fehlerhaft gerügt haben, handelt es sich nicht um Verfahrens-, sondern um inhaltliche Rügen; diese können ebenso wenig wie das sonstige Vorbringen, mit dem sie Feststellungen des LSG als unzutreffend beanstanden, die gemäß § 163 SGG bestehende Bindung des Revisionsgerichts aufheben.

41

Auch bei der Festlegung des offensichtlichen Missverhältnisses haben die Prüfgremien einen Beurteilungsspielraum (BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN); die Festlegungen können je nach der Art der Vergleichsprüfung und dem Maß der Homogenität auf Überschreitungen ab 30 % bis 60 % erfolgen (vgl zB BSG vom 19.10.2011 - B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33 RdNr 13 mwN und BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 50 mwN) . Liegt im konkreten Fall der nicht durch Praxisbesonderheiten und kompensierende Einsparungen erklärbare Mehraufwand in jedem Fall deutlich erkennbar im Bereich des offensichtlichen Missverhältnisses, so dürfen die Prüfgremien auf eine ausdrückliche Festlegung verzichten (vgl BSG aaO RdNr 50). Dies war hier im Hinblick auf die Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts um ca 130 % bis 180 % der Fall, sodass die Regressbescheide auch insoweit nicht zu beanstanden sind.

42

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Der Kläger und die Beigeladene zu 1. tragen, da sie mit ihren Rechtsmitteln erfolglos geblieben sind, die Kosten des Revisionsverfahrens zu gleichen Teilen (§ 154 Abs 2 iVm § 159 Satz 1 VwGO). Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 6. ist nicht veranlasst; sie haben keine Anträge gestellt (§ 162 Abs 3 VwGO, vgl dazu BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.

(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.

(3) Die Verjährung wird auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt. Die Hemmung endet sechs Monate nach Bekanntgabe der Entscheidung über den Antrag oder den Widerspruch.

(4) (weggefallen)

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Regress wegen der Verordnung eines Arzneimittels.

2

Der Beigeladene zu 1. ist Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde des Kreiskrankenhauses H. und war im fraglichen Zeitraum zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt. Am 18.12.2000 verordnete er zugunsten eines bei der Beigeladenen zu 8. versicherten Patienten Wobe Mugos E-Tabletten. Am 22.10.2001 stellte die Beigeladene zu 8. bei der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) einen Antrag auf Prüfung dieser Verordnung und Festsetzung eines Regresses in Höhe von 260,27 DM (= 133,07 Euro). Mit Schreiben vom 27.12.2001 setzte die Bezirksstelle Hannover der Klägerin den Beigeladenen zu 1. über den Prüfantrag in Kenntnis. Zugleich teilte sie diesem sowie der Beigeladenen zu 8. mit, dass sie den Antrag bis zur Klärung der Rechtslage ruhen lassen werde; die Verordnungsfähigkeit des Präparats sei unsicher, da für Wobe Mugos E-Tabletten nur eine fiktive Zulassung vorliege.

3

Nachdem das BSG mit Urteil vom 27.9.2005 (B 1 KR 6/04 R - BSGE 95, 132 = SozR 4-2500 § 31 Nr 3)entschieden hatte, dass Wobe Mugos E-Tabletten nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können, setzte der Prüfungsausschuss mit Bescheid vom 10.8.2006 gegen den Beigeladenen zu 1. einen Regress in Höhe von 133,07 Euro fest. Der vom Beigeladenen zu 1. unter Hinweis auf zwischenzeitlich eingetretene Verjährung eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Der Beklagte vertrat die Auffassung, der Ablauf der hier maßgeblichen Verjährungsfrist von vier Jahren sei dadurch unterbrochen (bzw gehemmt) worden, dass der betroffene Vertragsarzt von der Prüfungseinrichtung über die Antragstellung der Krankenkasse informiert und ihm rechtliches Gehör eingeräumt worden sei.

4

Auch die hiergegen von der Klägerin erhobene Klage ist ohne Erfolg geblieben. Das SG hat die Auffassung vertreten, die vierjährige Ausschlussfrist sei im Rahmen der richterlichen Rechtsfortbildung für Honorarkürzungen entwickelt worden; durch die hier festgesetzten Regresse werde jedoch unmittelbar keine Honorarkürzung bewirkt. Eine Ausschlussfrist sei auch nicht zur Wahrung der Rechtssicherheit erforderlich, weil die Prüfvereinbarung vorsehe, dass Krankenkassen Anträge auf Festsetzung eines sonstigen Schadens innerhalb von vier Jahren nach der Pflichtverletzung stellen müssten. Die von der Klägerin erhobene Einrede der Verjährung sei ohne Rechtswirkung, weil das hier fragliche verfahrensrechtliche Gestaltungsrecht grundsätzlich nicht der Verjährung unterliegen könne (Urteil vom 10.10.2007).

5

Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG sowie den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, zwar sei der Beigeladene zu 1. dem Grunde nach verpflichtet, der betroffenen Krankenkasse den Schaden zu ersetzen, der dieser durch die unzulässige Verordnung von Wobe Mugos E entstanden sei. Jedoch sei der Beklagte durch Fristablauf an der Festsetzung eines Regresses gehindert gewesen. Allerdings greife nicht die von der BSG-Rechtsprechung entwickelte Ausschlussfrist ein, denn für diese sei von vornherein kein Raum, wenn sich - wie hier - die Regressforderung aus einem Schadensersatzanspruch ergebe, bei dem die zeitliche Begrenzung bereits aus der Möglichkeit der Verjährung folge. Der Schadensersatzanspruch der Beigeladenen zu 8. sei verjährt, denn ausgehend von der Einlösung der umstrittenen Verordnung im Jahre 2001 sei der Lauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2005 - und damit vor Erlass des Bescheides des Prüfungsausschusses vom 10.8.2006 - vollendet gewesen. Die Verjährung sei auch nicht dadurch gehemmt worden, dass die Beigeladene zu 8. die Festsetzung des Schadensersatzanspruchs bei der Klägerin beantragt und die Klägerin dies dem Beigeladenen zu 1. mitgeteilt habe. § 45 Abs 3 SGB I sei nicht einschlägig, da die darin liegende Privilegierung des Anspruchsinhabers auf Sozialleistungen beschränkt sei(Urteil vom 28.1.2009).

6

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von Bundesrecht. Er teile zwar die Auffassung des Berufungsgerichts, dass bei einem Arzneimittelverordnungsregress im Einzelfall wegen der Nähe zum klassischen Schadensersatzrecht keine Ausschlussfrist eingreife, sondern Regressansprüche der Krankenkassen der Verjährung unterlägen, gehe jedoch von einer wirksamen Hemmung der Verjährungsfrist aus. Bei den gesetzlichen Verjährungsregelungen gehe es jeweils um ein Zweierverhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, während im komplizierten Kompetenzgeflecht im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung immer Verhältnisse mit mehr als zwei Beteiligten zu beurteilen seien. Zudem sei er - der Beklagte - nie Gläubiger der Regressforderung, die er festsetze. Als Konsequenz aus diesen Besonderheiten dürften etwaige Hemmungsvorschriften nur entsprechend und nicht direkt zur Anwendung kommen. In diesem Sinne seien "Verhandlungen" iS des § 203 BGB nF (in der seit dem 1.1.2002 gültigen Fassung) in Form der Rechtsverfolgung bzw eines alle Instanzen durchlaufenden Gerichtsverfahrens erfolgt. Auch eine Anwendung des § 206 BGB sei nicht ausgeschlossen, denn er - der Beklagte - habe die höchstrichterliche Entscheidung zu dem Problemkomplex um das Präparat Wobe Mugos E abwarten müssen, um ggf nicht sehenden Auges rechtswidrige Bescheide zu erlassen. Die vom LSG angeführte Entscheidung des BVerwG sei auf den vorliegenden Fall mangels Vergleichbarkeit nicht übertragbar; sie benachteilige auch diejenigen, die auf ein zweistufiges Verwaltungsverfahren verwiesen würden. Schließlich sei der Grundsatz nicht beachtet worden, dass die Verjährung nicht gegen denjenigen laufe, welcher den Eintritt der Verjährung nicht - klageweise - verhindern könne. Die Beigeladene zu 8. habe keine Möglichkeit gehabt, das laufende Verfahren zu beeinflussen, sondern sei zur Untätigkeit gezwungen gewesen. Nach der Entscheidung des erkennenden Senats vom 28.8.1996 sei eine Hemmung der Verjährungsfrist dann gegeben, wenn die Beteiligten über den Hemmungsgrund "offiziell" Kenntnis erlangt hätten, dieser Hemmungsgrund zweckmäßig sei und nicht eine sittenwidrige Verzögerung bedinge, und der Hemmungszeitraum angemessen sei und nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt.

7

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 10. Oktober 2007 zurückzuweisen,

hilfsweise, das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 28. Januar 2009 aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

8

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Die Prüfbefugnis der Gremien nach § 106 SGB V unterliege als verfahrensrechtliches Gestaltungsrecht allein einer vierjährigen Ausschlussfrist. Die Prüfgremien seien in jedem Einzelfall verpflichtet, zunächst von Amts wegen zu prüfen, ob die Prüfbefugnis gegeben oder aufgrund des Ablaufs der Ausschlussfrist entfallen sei. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit dürften die Verfahren hinsichtlich der Fristenregelung nicht unterschiedlich beurteilt werden. Es müsse den Prüfgremien von vornherein klar sein, ob Fristenregelungen von Amts wegen vor Beginn der Prüfung (Ausschlussfrist) oder erst im Rahmen der Durchführung der materiellen rechtlichen Prüfung auf Einrede (Verjährung) zu beachten seien. Im vorliegenden Fall sei die Ausschlussfrist nicht wirksam gehemmt worden. Dies erfordere zwingend den Erlass eines Verwaltungsaktes gegenüber dem Betroffenen; die bloße Kenntnisnahme einer solchen Möglichkeit vor Ablauf der Ausschlussfrist genüge nicht. Bei dem Schreiben ihrer Bezirksstelle vom 27.12.2001 handele es sich nicht um einen Verwaltungsakt, sondern um eine bloße Information. Eine Hemmung durch Rechtshandlungen der antragstellenden Krankenkasse komme nur in Ausnahmefällen in Betracht, nämlich dann, wenn es darum gehe, einer Vereitelung der Wirtschaftlichkeitsprüfung durch die Prüfgremien entgegenzutreten. Der Beigeladenen zu 8. habe die Möglichkeit offengestanden, eine Hemmung der Frist durch Erhebung der Untätigkeitsklage nach § 88 SGG zu bewirken. Es hätten weder Verhandlungen in Form der Rechtsverfolgung stattgefunden, noch stelle das Zuwarten auf eine höchstrichterliche Entscheidung höhere Gewalt dar, die eine Rechtsverfolgung verhindert habe.

10

Die Beigeladenen zu 6. und zu 8. haben sich - ohne Anträge zu stellen - den Ausführungen des Beklagten angeschlossen. Die übrigen Beigeladenen haben weder Anträge gestellt noch sich geäußert.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das LSG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Anspruch der Beigeladenen zu 8. auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses verjährt ist. Er ist auch nicht aus anderen Gründen ausgeschlossen.

12

1. Die KÄV ist durch den Bescheid, mit dem der Beklagte einen Arzneikostenregress gegen den Beigeladenen zu 1. festgesetzt hat, rechtlich beschwert (BSGE 79, 97, 99 f = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 3 f; BSGE 92, 283 = SozR 4-2500 § 106 Nr 5, RdNr 21). Eine Betroffenheit der KÄV in eigenen Rechten hat der Senat aus der Gesamtverantwortung der KÄVen für eine den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entsprechende Durchführung der vertragsärztlichen Versorgung (§ 75 Abs 1 SGB V)abgeleitet, in die durch die Entscheidung der Prüfgremien eingegriffen wird (BSGE 79 aaO S 99 f = SozR aaO S 4; BSGE 92 aaO = SozR aaO, RdNr 22). Hieraus folgt ihre Befugnis, die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung unabhängig vom Nachweis eines darüber hinausgehenden konkreten rechtlichen Interesses im Einzelfall geltend zu machen (BSGE 79 aaO S 100 = SozR aaO S 4 mwN).

13

2. Für die vom Beigeladenen zu 1. im Quartal IV/2000 vorgenommene Verordnung von Wobe Mugos E haben die Prüfgremien zu Recht einen Regress festgesetzt. Dieser ist - wie auch nicht im Streit steht - in der Sache nicht zu beanstanden. Der Festsetzung eines Regresses stehen auch weder ein Verjährungseintritt noch ein Verstreichen der Ausschlussfrist von vier Jahren entgegen.

14

a) Rechtsgrundlage des Arzneikostenregresses ist § 106 Abs 2 SGB V (hier zugrunde zu legen idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22.12.1999, BGBl I 2626, die im Quartal IV/2000 galt; - zur Zugrundelegung des § 106 Abs 2 SGB V vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 und BSGE 101, 130 = SozR 4-2500 § 106 Nr 19, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 14). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung unter anderem durch arztbezogene Prüfungen ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen, und zwar entweder nach Durchschnittswerten oder bei Überschreitung von Richtgrößen nach § 84 SGB V106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V) und/oder auf der Grundlage von Stichproben (§ 106 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB V) geprüft. Über diese Prüfungsarten hinaus können die Landesverbände der Krankenkassen mit den KÄVen gemäß § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V andere arztbezogene Prüfungsarten vereinbaren; diese Prüfvereinbarungen ermächtigen regelmäßig auch zu Einzelfallprüfungen (s zusammenfassend BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 bis 14 mwN). Diese waren auch in der hier einschlägigen Prüfvereinbarung vom 24.6.1996 vorgesehen, wie sich aus dem Urteil des SG ergibt, das für die Feststellung und Auslegung von Landesrecht (auch) zuständig ist (s § 162 SGG und dazu zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 12 mwN). Einzelfallprüfungen sind insbesondere dann sachgerecht - und ihre Auswahl daher rechtmäßig - wenn das individuelle Vorgehen eines Arztes in einem bestimmten Behandlungsfall hinsichtlich des Behandlungs- und Verordnungsumfangs am Maßstab des Wirtschaftlichkeitsgebots überprüft werden soll (s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17 RdNr 16; BSG SozR § 106 Nr 21 RdNr 14). Dem Beschluss des Beklagten ist auch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass er eine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit durchgeführt hat.

15

b) Die im vorliegenden Fall aufgrund vorgenannter Rechtsgrundlage durchgeführte Einzelfallprüfung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Die Annahme der Unwirtschaftlichkeit wie auch die Höhe des festgesetzten Regresses sind nicht zu beanstanden.

16

Wie der Senat bereits mit Urteilen vom 5.11.2008 (B 6 KA 63/07 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 21 und B 6 KA 64/07 R) sowie vom 6.5.2009 (B 6 KA 3/08 R = USK 2009-14 = MedR 2010, 276) entschieden hat, war die vom Beigeladenen zu 1. vorgenommene Verordnung von Wobe Mugos E im Quartal IV/2000 nicht zulässig. Denn dieses Arzneimittel durfte nicht im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnet werden; insoweit bestand weder eine Leistungspflicht der Krankenkassen noch ein Versorgungsanspruch der Versicherten. Jedenfalls seit der Ablehnung der Zulassungsverlängerung durch den Bescheid des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 9.6.1998 war Wobe Mugos E nicht mehr verordnungsfähig im Sinne des SGB V (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 21 RdNr 25). Fehlte die Verordnungsfähigkeit, so ist Unwirtschaftlichkeit gegeben (BSG aaO unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 281 f und BSG MedR 2007, 557).

17

c) Die Festsetzung des Regresses ist auch nicht wegen Zeitablaufs ausgeschlossen.

18

aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unterliegt das Recht der Prüfgremien auf Erlass von Prüfbescheiden nicht der Verjährung. Dies hat das BSG - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 16.1.1991 - BSGE 68, 97 = SozR 3-2500 § 106 Nr 4, und vom 31.7.1991 - BSGE 69, 147 = SozR 3-2500 § 106 Nr 7) bereits mit Urteil vom 16.6.1993 (14a/6 RKa 37/91- BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19; bestätigt durch BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 16; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 20)entschieden.

19

(1) Wie der Senat dargelegt hat, unterliegt nach § 194 Abs 1 BGB der Verjährung nur das Recht, von einem Anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch); Rechte, die keine Ansprüche sind, unterliegen nicht der Verjährung (BSGE 72, 271, 273 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 107). Das gilt insbesondere für Gestaltungsrechte (BSGE aaO = SozR aaO mwN; s auch Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 194 RdNr 3). Das Prüfverfahren ist nach dem Gesetz auf die endgültige Feststellung des Honoraranspruchs in Ersetzung des Honorarbescheides und auf die Festsetzung eines etwaigen Regresses wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise ausgerichtet (BSG aaO). Das Recht des Prüfungsausschusses, den Honoraranspruch endgültig und entsprechend dem Prüfergebnis anders als im Honorarbescheid festzusetzen, ist nicht auf ein Tun oder Unterlassen des Vertragsarztes gerichtet (BSG aaO). Es ist jedenfalls kein Anspruch, sondern einem Gestaltungsrecht vergleichbar (BSG aaO; s auch BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4).

20

(2) Etwas anderes gilt lediglich für das Verfahren auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" (s BSGE 79, 97, 100 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 4). Zur Begründung hat der Senat (aaO) auf die Unterschiede verwiesen, die zwischen der Überprüfung des dem Vertragsarzt gegen die KÄV zustehenden Honoraranspruchs unter den Gesichtspunkten der sachlich-rechnerischen Richtigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung auf der einen und der Feststellung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs auf der anderen Seite bestehen. Anders als die auf Prüfung und ggf Kürzung der eingereichten Honorarforderung gerichtete Prüfungsbefugnis der Prüfgremien, die - wie dargelegt - als verfahrensrechtliches Gestaltungsrecht nicht der Verjährung unterliegt, bildet das Verfahren auf Feststellung eines "sonstigen Schadens" nach bundesmantelvertraglichen Vorschriften (jetzt § 48 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/§ 44 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen sowie § 23 Abs 1 Satz 2 Bundesmangelvertrag-Zahnärzte) die Grundlage für die Geltendmachung eines gegen den Vertragsarzt gerichteten Schadensersatzanspruchs, der wie jeder Anspruch verjähren kann (BSG aaO). In diesem Fall wird dem Interesse des betroffenen Vertragsarztes, nicht zeitlich unbegrenzt Ersatzansprüchen aus einer abgeschlossenen Behandlung ausgesetzt zu sein, bereits durch die Verjährungsvorschriften Rechnung getragen.

21

(3) Bei Arzneikostenregressen, die auf der Verordnung eines nicht zu Lasten der GKV verordnungsfähigen Arzneimittels beruhen, handelt es sich jedoch nicht um einen Fall des "sonstigen Schadens" im Sinne der BSG-Rechtsprechung. Der gegenteiligen Auffassung des LSG kann nicht gefolgt werden.

22

Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl BSG, Urteile vom 14.3.2001 = SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 sowie B 6 KA 18/00 R, vom 30.1.2002, B 6 KA 9/01 R = USK 2002-110 sowie vom 20.10.2004 = SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12)sind Schadens- und Verordnungsregresse wegen eines Verstoßes gegen die Arzneimittelrichtlinien bzw generell wegen der Verordnung nicht verordnungsfähiger Arzneimittel nicht als Fall der Festsetzung eines "sonstigen Schadens" im Sinne der bundesmantelvertraglichen Vorschriften anzusehen. Der durch fehlerhaftes Verordnungsverhalten des Arztes einer Krankenkasse entstandene Schaden unterscheidet sich grundlegend von dem - verschuldensabhängigen (s hierzu BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 283 und BSG USK 2002-110) - "sonstigen Schaden".

23

Bei Verordnungsregressen besteht der zu ersetzende Schaden der Krankenkasse darin, dass sie an Apotheken Geldbeträge für Arzneien gezahlt hat, welche dem Versicherten gegen Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung ausgehändigt wurden und ausgehändigt werden durften (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12). Die Krankenkasse hat mithin Kosten aufgewandt, die sie prinzipiell aufwenden muss, die aber im konkreten Fall nicht angefallen wären, wenn der Vertragsarzt den normativen Vorgaben entsprochen hätte (Wenner, Das Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 28 RdNr 3). Der "Schaden", der durch einen Verordnungsregress auszugleichen ist, entspricht somit demjenigen, der durch eine unwirtschaftliche Verordnungsweise im Sinne von § 106 Abs 2 Satz 1 SGB V verursacht worden ist(BSG aaO).

24

Der typische Schadensregress außerhalb des Verordnungsverhaltens ist hingegen dadurch gekennzeichnet, dass das Verhalten des Arztes (zB ein Behandlungsfehler oder eine falsche Bescheinigung) Folgekosten der Krankenkasse in anderen Leistungsbereichen ausgelöst hat (zB notwendige Nachbehandlung, Leistungen wegen Mutterschaft). Der dann zu ersetzende Schaden ist der Struktur nach einem Mangelfolgeschaden nach bürgerlichem Recht vergleichbar (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 52 S 284; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7 RdNr 12; in diesem Sinne auch Wenner aaO RdNr 3; vgl ferner BSGE 55, 144 = SozR 2200 § 368n Nr 26).

25

Aber auch außerhalb dieser typischen Konstellationen kann es Verordnungsregresse geben, die dem Schadensregress nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften zuzuordnen sind. Hierfür kommen insbesondere Fallgestaltungen in Betracht, bei denen Fehler in Frage stehen, die nicht speziell der Verordnung selbst anhaften, sondern sich aus der Art und Weise der Ausstellung der Verordnung ergeben. Dies kann zB in Betracht kommen, wenn ein Vertragsarzt für einen Patienten eine Verordnung ausstellt, obgleich er ihn nicht selbst in Behandlung hat, dieser sich zur Zeit der Ausstellung der Verordnung in der Behandlung eines Krankenhauses befindet, in dem umfassend Therapien einschließlich aller Arzneimittel zu gewähren sind. Gleiches gilt, wenn ein ermächtigter Krankenhausarzt Arzneiverordnungen im Rahmen seiner Ermächtigungstätigkeit durch einen insoweit nicht vertretungsbefugten anderen Krankenhausarzt unterzeichnen lässt. In solchen Fällen ist im Wege des Schadensregresses vorzugehen, dessen Rechtmäßigkeit ein Verschulden und die Einhaltung der vierjährigen Verjährungsfrist voraussetzt.

26

Kein Schadensregress nach den bundesmantelvertraglichen Vorschriften, sondern ein Fall der Wirtschaftlichkeitsprüfung gemäß § 106 SGB V liegt indessen zB dann vor, wenn eine Krankenkasse gegenüber einem Vertragsarzt geltend macht, dieser habe die Verteilung des Sprechstundenbedarfs zwischen Primär- und Ersatzkassen fehlerhaft vorgenommen(s BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 7). Ein Fall des § 106 SGB V ist auch dann gegeben, wenn ein Regress deshalb erfolgt, weil die Grenzen der gesetzlichen Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eingehalten wurden. Auch dieser Regress entspricht der systematischen Struktur nach einem Arzneikostenregress wegen unzureichender Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots oder einer Kürzung vertragsärztlichen Honorars wegen unwirtschaftlicher Leistungserbringung. Diese Maßnahmen knüpfen an die inhaltliche Ausrichtung der Verordnung an, die sich als unzulässig bzw unwirtschaftlich darstellt. Diese Zuordnung wird durch § 106 Abs 5b SGB V bekräftigt, der klarstellt, dass im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Einhaltung der Arzneimittel-Richtlinien zu prüfen ist. In solchen Fällen kommt es auf ein Verschulden nicht an.

27

bb) Dass ein Prüfanspruch nicht der Verjährung unterliegt, bedeutet jedoch nicht, dass ein Regressbescheid wegen unzulässiger - und damit unwirtschaftlicher - Arzneiverordnungen zeitlich unbegrenzt ergehen könnte.

28

(1) Wie das BSG bereits mit Urteil vom 16.6.1993 (14a/6 RKa 37/91 - BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19)entschieden hat, ergibt sich die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung des Prüfverfahrens bereits aus dem rechtsstaatlichen Gebot der Rechtssicherheit (Art 20 Abs 3 GG); greifen die Verjährungsvorschriften nicht ein, so muss der Gefahr eines "ewigen Prüfverfahrens" auf andere Weise Rechnung getragen werden (BSGE aaO S 275 = SozR aaO S 109 f). Daher hat es das BSG als sachgerecht angesehen, die in den Büchern des SGB für die Verjährung einheitlich festgesetzte Frist von vier Jahren im Sinne einer zeitlichen Höchstgrenze als Ausschlussfrist auch auf das Verfahren zur endgültigen Festsetzung der vertragsärztlichen Honorare zu übertragen (BSGE aaO S 277 = SozR aaO S 112). Diese Ausschlussfrist, innerhalb derer der Bescheid ergehen muss, gilt für sachlich-rechnerische Richtigstellungen (s hierzu BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 22 RdNr 14; BSGE 89, 90, 103 = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 16)und für Bescheide zur Umsetzung degressionsbedingter Honorarminderungen (BSG MedR 2008, 100 RdNr 15 ff, und BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 15 ff)gleichermaßen wie für Wirtschaftlichkeitsprüfungen (s hierzu BSGE 72, 271, 277 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 111 f; BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62).

29

(2) Diese Ausschlussfrist gilt auch für Regresse wegen solcher Verordnungen, die die Grenzen der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht eingehalten haben, da sie - wie dargelegt - der systematischen Struktur nach einem Arzneikostenregress wegen unzureichender Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots entsprechen. Soweit das LSG die Auffassung vertritt, dass für eine Ausschlussfrist von vornherein dann kein Raum sei, wenn sich die Regressforderung aus einem Schadensersatzanspruch ergebe, bei dem die zeitliche Begrenzung bereits aus der Möglichkeit der Verjährung erfolge, trägt es der Argumentation des 14a Senats zur Ausschlussfrist nicht hinreichend Rechnung. Dieser hat seine Entscheidung, dass das Recht der Prüfgremien auf Erlass von Honorarkürzungsbescheiden nicht der Verjährung unterliegt, damit begründet, dass dieses Recht keinen Anspruch im Sinne des § 194 BGB darstellt, sondern vielmehr einem Gestaltungsrecht vergleichbar ist. Zwar unterliegen Rückzahlungs- und Schadensersatzansprüche als solche der Verjährung; damit kann aber eine Verjährung des Prüfrechts nicht begründet werden (BSGE 72, 271, 274 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19 S 108 f).

30

cc) Der Bescheid vom 10.8.2006 ist allerdings nicht innerhalb der hier maßgeblichen Ausschlussfrist von vier Jahren ergangen.

31

Der die Wirtschaftlichkeitsprüfung bzw die Prüfung der sachlich-rechnerischen Berichtigung abschließende Bescheid muss nach der zitierten Senatsrechtsprechung innerhalb der Ausschlussfrist von vier Jahren ergehen. Dabei kann offen bleiben, wann diese Ausschlussfrist in den Fällen zu laufen beginnt, in denen - wie hier - ein Regress wegen einzelner Arzneimittelverordnungen im Streit steht. Wie der Senat mit Urteil vom 28.3.2007 (B 6 KA 22/06 R - BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35; ebenso die weiteren Urteile vom 28.3.2007, MedR 2008, 100 und B 6 KA 28/06 R) entschieden hat, beginnt die Ausschlussfrist "in allen Fällen der Berichtigung von Honorarbescheiden" mit dem Tag nach der Bekanntgabe des für den Abrechnungszeitraum maßgeblichen Honorarbescheids zu laufen (BSGE aaO = SozR aaO, RdNr 18). Ob dies - im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung - auch bei Arzneikostenregressen entsprechend gilt (zu weiteren möglichen Anknüpfungspunkten s SG Berlin, Urteil vom 27.8.2008 - S 83 KA 653/07, juris), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn unabhängig davon, ob die Ausschlussfrist noch im Laufe des Jahres 2000 oder - äußerstenfalls - mit Ablauf des Jahres 2001 zu laufen begonnen hatte, war sie spätestens mit Ende des Jahres 2005, also vor Erlass des Regressbescheides, abgelaufen.

32

Später ergehende Kürzungs- bzw Rückforderungsbescheide können regelmäßig nur noch dann Rechtswirkungen entfalten, wenn die Vertrauensschutzausschlusstatbestände des § 45 SGB X(Abs 2 iVm Abs 4 Satz 1) vorliegen (BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 16; BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 12). Deren Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt, denn es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beigeladene zu 1. "bösgläubig" im Sinne des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X war.

33

dd) Der Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist ist jedoch unbeachtlich, weil die Ausschlussfrist vorliegend unterbrochen bzw gehemmt worden ist.

34

(1) Die Möglichkeit einer Unterbrechung bzw Hemmung der Ausschlussfrist für den Erlass von Prüf- und Richtigstellungsbescheiden folgt aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des § 45 SGB I über die Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung(s hierzu BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14; s auch BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28, und BSG, Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 10 f; vgl auch BSGE 95, 199 = SozR 4-2500 § 106 Nr 11, RdNr 62). Die Anwendung einzelner Verjährungsvorschriften, insbesondere der über die Unterbrechung bzw Hemmung der Verjährung, auf Ausschlussfristen ist trotz der Unterschiede zwischen Verjährung und Ausschlussfrist nicht ausgeschlossen und auch im bürgerlichen Recht anerkannt (BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 15 mwN).

35

Dabei sind die Änderungen des § 45 SGB I wie auch der entsprechend anwendbaren BGB-Vorschriften durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz im Ergebnis ohne Bedeutung. Insbesondere für die ohnehin nur entsprechende Heranziehung der Hemmungs- bzw Unterbrechungstatbestände des BGB auf die Ausschlussfrist kommt es nicht darauf an, in welcher Weise sich die zum 1.1.2002 in Kraft getretenen Neuregelungen des BGB auf bereits laufende Verjährungsvorschriften auswirkten. Denn für die Wahrung der genannten Ausschlussfrist ist es ohne Belang, ob die Frist vor dem 1.1.2002 unterbrochen, die Unterbrechungswirkung danach fortdauerte oder ob sie nach diesem Zeitpunkt gehemmt wurde. Für § 45 SGB I gilt nichts anderes. Die Rechtswirkungen von Unterbrechung und Hemmung bleiben insoweit gleich (s schon BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14). Nach § 205 BGB aF wie nach § 209 BGB nF bewirkt die Hemmung, dass der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet wird; die Unterbrechung der Verjährung bewirkte nach § 217 BGB aF, dass die bis zur Unterbrechung verstrichene Zeit nicht in Betracht kommt.

36

(2) Eine Hemmung der Verjährung bzw des Ablaufs der Ausschlussfrist bei höherer Gewalt nach § 206 BGB nF bzw § 203 BGB aF kommt hier entgegen der Auffassung des Beklagten allerdings nicht in Betracht. Dem steht entgegen, dass höhere Gewalt - zu der auch der Stillstand der Rechtspflege gehört (s Ellenberger in Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 206 RdNr 1; vgl § 203 Abs 1 BGB aF) - nur dann vorliegt, wenn der Berechtigte auch bei äußerster, nach den Umständen vernünftigerweise zu erwartender Sorgfalt an der Rechtsverfolgung gehindert ist (Lakkis in: JurisPK-BGB, 4. Aufl 2008, § 206 RdNr 2; vgl auch BSGE 101, 235 = SozR 4-1300 § 44 Nr 17, RdNr 31). Die Beigeladene zu 8. war aber nicht in diesem Sinne an der Rechtsverfolgung gehindert, denn ihr stand die rechtliche Möglichkeit offen, im Wege der Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG eine Entscheidung der Prüfgremien herbeizuführen.

37

Der Senat hat wiederholt auf die Möglichkeit verwiesen, zur Unterbrechung bzw Hemmung der Ausschlussfrist Untätigkeitsklage gegen das zuständige Prüfgremium zu erheben. Bereits mit Urteil vom 8.12.1993 (BSGE 73, 244 = SozR 3-1500 § 88 Nr 1)hatte der 14a Senat betont, dass Antragsteller gegenüber den Prüfgremien einen Rechtsanspruch auf Erlass eines Prüfbescheides haben und ihre Interessen nicht nur durch den Inhalt der Entscheidungen der Prüfgremien berührt werden, sondern auch durch ihren Zeitpunkt (BSGE aaO = SozR aaO S 5). Diesen Anspruch können sie ggf mit der Untätigkeitsklage durchsetzen (BSGE aaO = SozR aaO; s hierzu auch BSG, Urteil vom 20.9.1995 - BSGE 76, 285, 287 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 167, 168; BSG, Urteil vom 14.5.1997 - SozR 3-2500 § 106 Nr 39 S 215; zuletzt Urteil vom 6.9.2006 - BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17). Deren Erhebung unterbricht bzw hemmt auch - in entsprechender Anwendung des § 209 Abs 1 BGB aF (in der bis zum 31.12.2001 gültigen Fassung) bzw § 204 BGB nF - die vierjährige Ausschlussfrist(BSGE 76, 285, 289 f = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 170; s auch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 39 S 215). Ungeachtet des Umstandes, dass eine Verjährungsunterbrechung bzw -hemmung im Regelfall nur eintritt, wenn die Klage gegen den Schuldner gerichtet wird (s BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7), wird eine analoge Anwendung jedenfalls dann bejaht, wenn dem betroffenen Vertragsarzt vor Ablauf der Frist der Beschluss über seine Beiladung zu diesem Verfahren zugestellt wird und er damit förmlich Kenntnis nimmt (BSGE 76, 285, 293 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 170; BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17).

38

Sofern die Ausführungen des 14a Senats in seiner Entscheidung vom 16.6.1993 (BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19), die Deutung des Prüfungsrechts als ein der Verjährung unterliegender Anspruch sei auch deshalb abzulehnen, weil diejenigen Beteiligten, die die Folgen der Verjährung letztlich wirtschaftlich träfe, nämlich Krankenkassen und KÄVen, nicht in der Lage seien, "den Eintritt der Verjährung zu verhindern" (BSGE aaO S 274 = SozR aaO S 109), im gegenteiligen Sinne verstanden werden könnten, wird hieran nicht festgehalten.

39

(3) Zu Recht hat das LSG auch eine Ablaufhemmung in entsprechender Anwendung des § 203 BGB nF(bzw § 852 Abs 2 BGB aF analog) verneint, denn es fanden gerade keine Verhandlungen zwischen dem Schuldner - also dem Beigeladenen zu 1. - und dem Gläubiger - der Beigeladenen zu 8. - statt. Abgesehen davon, dass ein dem Vertragsarzt "aufgezwungenes" Verfahren vor den Prüfgremien schon wegen fehlender Freiwilligkeit nicht einer Verhandlung im Sinne des § 203 BGB nF gleichgestellt werden kann, beschränkten sich die Handlungen der Beteiligten des Verwaltungsverfahrens bis zu dessen Wiederaufnahme auf die Geltendmachung einer entsprechenden (Regress-)Forderung auf der einen und deren Zurückweisung auf der anderen Seite.

40

(4) Eine Unterbrechung bzw Hemmung des Ablaufs der Ausschlussfrist ist jedoch durch die Stellung des Prüfantrages seitens der Beigeladenen zu 8. eingetreten. Diese Wirkung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 Halbs 1 BGB nF(bzw § 210 Satz 1 BGB aF)wie auch des § 45 Abs 3 SGB I.

41

(a) Nach § 204 Abs 1 Nr 12 Halbs 1 BGB nF(bzw § 210 Satz 1 BGB aF) wird die Verjährung durch die Einreichung des Antrags bei einer Behörde gehemmt, wenn die Zulässigkeit der Klage von der Vorentscheidung dieser Behörde abhängt und innerhalb von drei Monaten nach Erledigung des Gesuchs die Klage erhoben wird. Eine "Vorabentscheidung" einer Behörde stellen auch die Entscheidungen der Prüfstellen (bzw der früheren Prüfungsausschüsse) nach § 106 SGB V dar.

42

Dem steht nicht entgegen, dass nach ganz herrschender Auffassung in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nur diejenigen Anträge verjährungshemmende Wirkung haben, die unmittelbar, also ohne weitere Verfahrensschritte, Voraussetzung für die Klageerhebung sind (so grundlegend BVerwGE 57, 306, 309 f; bestätigt durch BVerwGE 102, 33; ohne nähere Begründung auch BVerwG, Urteile vom 15.6.2006 - 2 C 17/05 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr 13 und - 2 C 15/05 - IÖD 2007, 7; die verwaltungsgerichtliche Instanzrechtsprechung ist dem gefolgt: vgl Verwaltungsgericht Kassel, Urteil vom 19.6.2007 - 1 E 520/05 - juris RdNr 7; VG Magdeburg, Urteil vom 21.3.2006 - 5 A 104/05 - juris RdNr 15; Thüringer Oberverwaltungsgericht , Urteil vom 29.10.2009 - 2 KO 893/07 - juris RdNr 40). Zur Begründung wird darauf verwiesen (BVerwGE 57, 306, 309 f), aus der Gleichstellung des Gesuchs an eine Behörde mit den Wirkungen einer die Verjährung unterbrechenden Klageerhebung ergebe sich, dass nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur solche Schritte als ausreichend anzusehen seien, die den eindeutigen Willen zur gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs gegenüber dem Schuldner erkennen ließen. Diesem Zweck diene die erstmalige Geltendmachung eines Anspruchs noch nicht, sondern zunächst nur der Konkretisierung eines sich aus dem Gesetz lediglich abstrakt ergebenden Anspruchs. Es sei dem Betroffenen zuzumuten, seinen Anspruch so rechtzeitig bei der Behörde einzureichen, dass gegen den daraufhin erlassenen Verwaltungsakt noch vor Ablauf der Verjährungsfrist Widerspruch eingelegt werden könne.

43

Diese einschränkende Auslegung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB kann jedoch auf die lediglich entsprechende Anwendung der Norm im Vertragsarztrecht wegen der dort bestehenden Besonderheiten nicht übertragen werden. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 28.8.1996 (BSGE 79, 97 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1) dargelegt, dass ein Antrag auf Schadensfeststellung im Prinzip geeignet ist, eine Verjährungsunterbrechung zu bewirken, und eine Anwendung des § 210 BGB (aF) in Betracht käme (BSGE aaO S 101 f = SozR aaO S 6). Es hat ausgeführt, dass diese Norm den Interessen des Anspruchstellers Rechnung tragen solle, der seine Forderung nicht unmittelbar durch Klageerhebung geltend machen könne, weil das Gesetz die Zulässigkeit der Klage von einer vorherigen Überprüfung des Anspruchs in einem Verwaltungsverfahren abhängig mache. Der Rechtsgedanke des § 210 BGB (aF) sei grundsätzlich auf sozialrechtliche Ansprüche übertragbar.

44

Diesen Gedanken fortführend hält der Senat eine Anwendung des § 204 Abs 1 Nr 12 BGB nF im Vertragsarztrecht deswegen für geboten, weil nur so den hier bestehenden Besonderheiten Rechnung getragen werden kann. Im Verwaltungsrecht stehen sich üblicherweise Gläubiger und Schuldner in Zweierbeziehungen unmittelbar gegenüber. So lag der oben angeführten Entscheidung des BVerwG ein Antrag eines Beamten gegen seinen Dienstherrn auf Gewährung beamtenrechtlicher Besoldungszahlungen zugrunde. Demgegenüber bestehen im Vertragsarztrecht wegen der hier maßgeblichen Trennung der Rechtskreise keine unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem "Gläubiger" (der Krankenkasse) und dem "Schuldner" (dem Vertragsarzt). Die Krankenkasse hat im Regelfall keine Möglichkeit, den Vertragsarzt unmittelbar "in Regress" zu nehmen. Vielmehr ist nach den gesetzlichen Vorgaben die Festsetzung eines Regresses ausschließlich den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen zugewiesen (vgl § 106 Abs 4 Satz 1 iVm Abs 5 Satz 1 SGB V). Eine Krankenkasse, die einen Regressanspruch gegen einen Vertragsarzt durchsetzen möchte, ist daher auf ein Tätigwerden der Prüfgremien angewiesen.

45

Dem steht auch nicht die Überlegung entgegen, dass die Beigeladene zu 8. die Möglichkeit gehabt hätte, eine Untätigkeitsklage nach § 88 Abs 1 SGG zu erheben. Zum einen wäre die rechtliche Wirkung einer derartigen Klage nicht sicher zu beurteilen, da die „verjährungsunterbrechende“ Wirkung der Untätigkeitsklage von einer (einfachen) Beiladung des betroffenen Vertragsarztes abhängig ist (vgl BSGE 76, 285, 293 = SozR 3-2500 § 106 Nr 30 S 174; BSGE 79, 97, 103 = SozR 3-5545 § 23 Nr 1 S 7 f; s auch BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 17), die wiederum im Ermessen des Gerichts steht. Zum anderen entspricht das Vorgehen, bei einer strittigen und schwierig zu beurteilenden Frage wie der Verordnungsfähigkeit von Wobe Mugos E eine höchstrichterliche Klärung abzuwarten, dem gesetzlich angelegten partnerschaftlichen System der gemeinsamen Selbstverwaltung von Vertragsärzten und Krankenkassen. Dieses würde empfindlich gestört, wenn Krankenkassen wegen des Fehlens einer den Ablauf der Ausschlussfrist hemmenden Wirkung ihres Prüfantrages gezwungen wären, die Prüfungsstellen regelhaft durch Erhebung von Untätigkeitsklagen zu einer vorzeitigen Entscheidung zu nötigen.

46

Somit reicht es im Vertragsarztrecht aus, dass die vom Tätigwerden eines Dritten abhängige Krankenkasse ihr Recht geltend macht. Um allerdings die Rechte des ebenfalls von einer Entscheidung der Prüfgremien abhängigen Vertragsarztes zu wahren, ist der Eintritt einer die Ausschlussfrist unterbrechenden bzw hemmenden Wirkung des Prüfantrags zudem davon abhängig, dass der Anspruchsgegner - der Vertragsarzt - von der Stellung des Prüfantrages Kenntnis erlangt. Dies war vorliegend der Fall. Darüber hinaus war der Beigeladene zu 1. auch über die Gründe informiert, die einer zügigen Entscheidung über den von der Krankenkasse gestellten Prüfantrag entgegenstanden, so dass sich bei ihm kein Vertrauen dahingehend bilden konnte, dass sich der Antrag zwischenzeitlich erledigt haben könnte.

47

(b) Zum selben Ergebnis führt eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs 3 SGB I. Danach wird die Verjährung neben den im BGB genannten - nach § 45 Abs 2 SGB I entsprechend anwendbaren - Fällen auch durch schriftlichen Antrag auf die Sozialleistung oder durch Erhebung eines Widerspruchs gehemmt(in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung: "unterbrochen"). Dementsprechend hat der Antrag der Beigeladenen zu 8. auf Festsetzung eines Arzneikostenregresses den Ablauf der Ausschlussfrist bis zu der Entscheidung der Prüfungsstelle gehemmt.

48

§ 45 SGB I gilt zwar unmittelbar nur für Sozialleistungen, findet aber nach der Rechtsprechung des Senats bezüglich der im Vertragsarztrecht geltenden Ausschlussfristen entsprechende Anwendung(BSGE 97, 84 = SozR 4-2500 § 106 Nr 15, RdNr 14; BSGE 98, 169 = SozR 4-2500 § 85 Nr 35, RdNr 28; BSG, Beschluss vom 27.4.2005 - B 6 KA 46/04 B - juris RdNr 10 f). Auch wenn sich die genannten Entscheidungen des Senats allein auf § 45 Abs 2 SGB I beziehen, ist eine entsprechende Anwendung des § 45 Abs 3 SGB I jedenfalls in den Fällen zu bejahen, in denen der Arzt - wie hier - von dem Prüfantrag der Krankenkasse unterrichtet ist und über den Grund informiert wird, weshalb mit einer zügigen Entscheidung nicht gerechnet werden kann.

49

(c) Die das Verstreichen der Ausschlussfrist unterbrechende bzw hemmende Wirkung des Prüfantrags ist schließlich nicht dadurch entfallen, dass das Verfahren infolge des angeordneten "Ruhens" nicht "betrieben" wurde. Nach § 204 Abs 2 BGB nF endet die Hemmung nach Absatz 1 der Norm ("Hemmung durch Rechtsverfolgung") sechs Monate nach der rechtskräftigen Entscheidung oder anderweitigen Beendigung des eingeleiteten Verfahrens(Satz 1). Gerät das Verfahren dadurch in Stillstand, dass die Parteien es nicht betreiben, so tritt an die Stelle der Beendigung des Verfahrens die letzte Verfahrenshandlung der Parteien, des Gerichts oder der sonst mit dem Verfahren befassten Stelle (§ 204 Abs 2 Satz 2 BGB nF, § 211 Abs 2 Satz 1 BGB aF). Die letzte Verfahrenshandlung in diesem Sinne wäre die Mitteilung des Ruhens durch die KÄV gewesen.

50

Es entspricht jedoch herrschender Auffassung, dass § 204 Abs 2 Satz 2 BGB nF bzw § 211 Abs 2 BGB aF in dem vom Amtsermittlungsgrundsatz beherrschten sozialrechtlichen Verwaltungsverfahren nicht entsprechend anzuwenden ist(BSGE 92, 159 = SozR 4-6580 Art 19 Nr 1, RdNr 12; LSG Hamburg, Urteil vom 24.2.2005 - L 6 RJ 122/03 - juris RdNr 27; Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, § 45 RdNr 26 mwN; aA noch Kretschmer in: GK-SGB I, 3. Aufl 1996, § 45 RdNr 24). Denn das "Betreiben" ist ein spezifisches Erfordernis des vom Beibringungsgrundsatz beherrschten zivilrechtlichen Verfahrens; die Vorschrift passt daher nicht auf das sozialrechtliche Verfahren (BSGE aaO = SozR aaO, RdNr 13; LSG Hamburg aaO).

51

Auch außerhalb des Sozialrechts führt eine Untätigkeit des Gläubigers nicht zur Beendigung der Unterbrechung bzw Hemmung, wenn die Behörde von Amts wegen für den Fortgang des Verfahrens zu sorgen hat (BGH VersR 77, 647; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.12.2008 - 4 N 77.07 - juris RdNr 9; Ellenberger in: Palandt, BGB, 69. Aufl 2010, § 204 RdNr 27; Peters/Jacoby in: Staudinger, BGB, 2009, § 204 RdNr 125, 140; Mansel/Budzikiewicz in: Anwaltkommentar BGB, Band 1, 2005, § 204 RdNr 125; Kesseler in: Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 4. Aufl 2009, § 204 RdNr 19, 21). Diese Voraussetzungen sind angesichts des Umstandes, dass die Beigeladene zu 8. - abgesehen von der "irregulären" Option einer Untätigkeitsklage - keine Möglichkeit hatte, auf den Fortgang des Verfahrens Einfluss zu nehmen, auch in diesem Fall gegeben.

52

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbs 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens zu tragen, da sie unterlegen ist (§ 154 Abs 1 VwGO). Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil diese im Verfahren keine Anträge gestellt haben (§ 162 Abs 3 VwGO; vgl BSGE 96, 257 = SozR 4-1300 § 63 Nr 3, RdNr 16).

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.