Bundessozialgericht Beschluss, 17. Aug. 2017 - B 5 R 248/16 B

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:170817BB5R24816B0
17.08.2017

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 12. Juli 2016 hinsichtlich der Zeit ab dem 1.12.2018 aufgehoben und die Sache insofern zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig verworfen.

Gründe

1

Mit Urteil vom 12.7.2016 hat das LSG Baden-Württemberg ohne mündliche Verhandlung die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Freiburg vom 5.1.2016, der einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 30.11.2015 hinaus auf Dauer abgelehnt hatte, abgewiesen. Die Klage sei mit Erlass des weiteren Bescheides vom 15.10.2015, mit dem die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung wiederum auf Zeit bis 30.11.2018 verfügt habe, unzulässig geworden. Dieser Bescheid sei nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden, weil er die zuvor ausgesprochene, zeitlich befristete Entscheidung über eine Zeitrentengewährung weder ganz noch teilweise aufgehoben und durch eine neue Regelung ersetzt, sondern vielmehr - bezogen auf einen späteren Zeitpunkt - bestätigt habe. Eine Änderung oder Ersetzung folge auch nicht daraus, dass auch der Bescheid vom 15.10.2015 die Gewährung einer Dauerrente abgelehnt habe. Eine analoge Anwendung von § 96 SGG komme seit der Neufassung der Vorschrift zum 1.1.2008 nicht mehr in Betracht. Eine Einbeziehung aufgrund einer Klageänderung nach § 99 SGG liege nicht vor. Die Weiterbewilligung für die Zeit vom 1.12.2015 bis 30.11.2018 habe jedoch dazu geführt, dass der Kläger nicht mehr behaupten könne, durch die Ablehnung für die Zeit nach dem 30.11.2015 beschwert zu sein. Der entsprechende Verfügungssatz im Bescheid vom 6.12.2013 habe sich mit der Weiterbewilligung bis 30.11.2018 erledigt und entfalte keine Rechtswirkungen mehr. Im Ergebnis habe das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer bestehe unabhängig hiervon nicht, wie die Beklagte und das SG zutreffend entschieden hätten.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensfehler und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

3

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist überwiegend zulässig und wegen eines Verfahrensfehlers (§ 160a Abs 2 Nr 3 SGG) begründet. Der Senat macht insofern von § 160a Abs 5 SGG Gebrauch.

4

Das Begehren des Klägers (§ 123 SGG) ist, wovon das angegriffene Urteil zutreffend ausgeht, auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung über den 30.11.2015 hinaus auf Dauer gerichtet. Durch die Weiterbewilligung für die Zeit vom 1.12.2015 bis 30.11.2018 ist das Rechtsschutzbedürfnis insofern entfallen. Die Nichtzulassungsbeschwerde geht nicht darauf ein, dass dies unabhängig davon gilt, ob man der von ihr vertretenen Auffassung zur Anwendung von § 96 SGG folgt und das Vorliegen eines entsprechenden Verfahrensfehlers daher hinsichtlich des genannten Zeitraums keinesfalls zu einem ihr günstigeren Ergebnis führen könnte. Dagegen führt die gerügte Nichteinbeziehung des weiteren Verwaltungsakts im Bescheid vom 15.10.2015 über die Ablehnung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit ab dem 1.12.2018 zu einer potenziell ergebnisrelevanten Verkennung des Streitgegenstandes.

5

Die Beklagte hat mit dem Bescheid vom 6.12.2013 (Verwaltungsakte)

        

1.    

über die befristete (Weiter-)Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.4.2014 bis 30.11.2015 und

        

2.    

die Ablehnung einer über diesen Zeitraum hinausgehenden zeitlich nicht beschränkten Rente

6

verlautbart (vgl zu den Verfügungssätzen einer Zeitrentenbewilligung BSG vom 24.10.1996 - 4 RA 31/96 - SozR 3-2600 § 300 Nr 8).

7

Der Kläger hat sich mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 Regelung 1 SGG) ursprünglich nur gegen den ihn allein belastenden 2. Verwaltungsakt gewandt und nach seinen ausdrücklichen Anträgen im Wege der hiermit kombinierten Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG) die Zuerkennung einer Dauerrente begehrt. Für dieses Leistungsbegehren ist das Rechtsschutzbedürfnis entgegen der Auffassung des LSG nicht etwa mit dem während des Klageverfahrens ergangenen weiteren Bescheid vom 15.10.2015 vollständig entfallen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der Anspruch auf "Zeitrente" wegen voller Erwerbsminderung ein "eigenständiger Anspruch" wäre, sodass sich beide Ansprüche gegenseitig ausschlössen. Diese Argumentation geht bereits deshalb fehl, weil es nach § 33 Abs 3 Nr 2, § 89 Abs 1 S 2 Nr 7 SGB VI nur eine "Rente wegen voller Erwerbsminderung" gibt. Diese ist vom Rentenversicherungsträger nach § 102 Abs 2 S 1 und 5 SGB VI lediglich (grundsätzlich) zunächst für einen begrenzten Zeitraum als befristete Rente ("auf Zeit") zu leisten(s zum Beginn und Ende befristeter Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit § 101 Abs 1, § 102 Abs 1, Abs 2 S 2 bis 4 SGB VI). Hieraus ergibt sich im Rechtsstreit um eine Dauerrente ohne Weiteres die Teilbarkeit des Streitgegenstandes mit der Notwendigkeit einer gesonderten Fortführung im Übrigen (vgl zur Möglichkeit der Zuerkennung einer befristeten Rente durch Teilanerkenntnis, BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 13 R 16/09 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 19).

8

Das Leistungsbegehren des Klägers scheitert auch nicht daran, dass sich die ursprüngliche Rentenablehnung im Bescheid vom 15.10.2015 während des Verfahrens erledigt hat.

9

Wird während des Klageverfahrens auf einen weiteren Antrag Rente wegen voller Erwerbsminderung erneut abgelehnt oder - wie hier - für einen Teil des streitigen Zeitraums bewilligt und im Übrigen weiter abgelehnt, liegen damit iS von § 96 S 1 SGG die bisherige Ablehnung ersetzende Neuregelungen vor, über die entgegen der Auffassung des LSG in unmittelbarer Anwendung der Norm zu entscheiden ist. Den unverändert gebliebenen Teil des nach Ergehen des Bescheides vom 15.10.2015 lediglich um drei Jahre verkürzten Ablehnungszeitraums konnte der Kläger seither zulässig nur noch durch den Angriff auf die hierzu in diesem Bescheid verlautbarte Regelung - und folglich nicht mehr auf die erledigte Ablehnung im Bescheid vom 6.12.2013 - bekämpfen. Allein hierüber hatten das SG und das LSG (§ 157 S 1 SGG) dann noch in der Sache zu entscheiden. Dafür, dass auch nach Erlass des Bescheides vom 15.10.2015 hinsichtlich des Ablehnungszeitraums ab dem 1.12.2018 weiterhin die insofern identische Regelung im Bescheid vom 6.12.2013 hätte fortbestehen sollen, fehlt es an Anhaltspunkten. Damit ist zwar der ursprüngliche Gegenstand der Anfechtungsklage (iS von § 95 SGG) entfallen, doch fehlt es aufgrund der gesetzlichen Einbeziehung der ersetzenden Verwaltungsakte im Bescheid vom 15.10.2015 nicht etwa an der erforderlichen Vorbefassung der Verwaltung überhaupt mit dem Ergebnis, dass der Kläger nachträglich an der Erhebung der unechten Leistungsklage gehindert wäre.

10

Soweit die Rechtsprechung der Instanzgerichte teilweise dennoch die Anwendbarkeit von § 96 Abs 1 SGG mit dem Hinweis ablehnt, dass es sich bei der Leistungsablehnung nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt(exemplarisch LSG Sachsen-Anhalt vom 28.1.2016 - L 3 R 218/13 - Juris RdNr 62), verkennt sie, dass es in Fällen der vorliegenden Art nicht um die Wirkung einer in Bestandskraft erwachsenen (§ 77 SGG) Ablehnung geht, sondern der durch den unmittelbaren Angriff auf die Leistungsablehnung eröffnete Streitgegenstand in Frage steht. Insofern ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage grundsätzlich der letzte Verhandlungstermin vor dem Tatsachengericht (vgl BSG vom 17.2.2005 - B 13 RJ 31/04 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 3 - Juris RdNr 29). Soweit sich die Instanzgerichte zur Begründung ihrer Auffassung auf die Rechtsprechung des BSG zum SGB II und zum SGB XII berufen (vgl exemplarisch LSG Sachsen-Anhalt vom 4.6.2015 - L 1 R 136/13 - Juris RdNr 27), lassen sie unberücksichtigt, dass die dortige Rechtsprechung zu § 96 SGG ihre Begründung gerade in der spezifischen Ausgestaltung dieser Rechtsgebiete, insbesondere der gesetzlich vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung(§ 41 Abs 1 S 3 SGB II) und dem sich hieraus ergebenden Problem einer nur analogen Anwendung der Norm findet (vgl BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 14; Urteil vom 29.3.2007 - B 7b AS 4/06 R -; Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 59/0AS 59/06 R - Juris RdNr 13 und BSG Urteil vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R - SozR 4-3500 § 21 Nr 1 RdNr 8). Zudem führt das Urteil vom 7.11.2006 (B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30), auf das sich diese Entscheidungen teilweise stützen, noch ausdrücklich aus: "… Unter Berücksichtigung all dieser besonderen Umstände ist eine analoge Anwendung des § 96 Abs 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Wenn sich der Kläger allerdings gegen einen Bescheid wehrt, mit dem die Leistung ohne zeitliche Begrenzung abgelehnt worden ist, ist Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens - je nach Klageantrag - die gesamte bis zur Entscheidung verstrichene Zeit. Hat der Kläger zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gestellt und ist dieser Antrag wiederum abschlägig beschieden worden, ist diese (erneute) Ablehnung in unmittelbarer Anwendung des § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden; denn diese Ablehnung ersetzt für den späteren Zeitraum den früheren Ablehnungsbescheid."

11

Entgegen der Auffassung des LSG betrifft die Anwendung von § 96 SGG in Fällen der vorliegenden Art nicht etwa "die zuvor ausgesprochene zeitlich befristete Entscheidung über eine Rentengewährung", sondern vielmehr allein den streitigen Verwaltungsakt über die Ablehnung einer Rente für darüber hinausgehende Zeiträume, durch die allein der Kläger belastet sein kann. Im Ergebnis zutreffend lehnt das Berufungsgericht eine analoge Anwendung der Norm ab. Deren bedarf es vorliegend allerdings schon von vornherein deshalb nicht, weil eine Regelung über "Folgezeiträume", auf die § 96 SGG seit dem 1.4.2008 grundsätzlich keine Anwendung mehr findet (vgl die Nachweise bei Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Auflage 2017, § 96 RdNr 4), nicht vorliegt. Die Ablehnung der Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung auf Dauer eröffnet den Streit um entsprechende Rechte und Ansprüche grundsätzlich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (§ 43 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1 SGB VI). Die erneute Ablehnung nach gleichzeitiger Weitergewährung betrifft einen Teil des bereits streitigen Zeitraums und nicht etwa einen nachfolgenden Zeitraum, der wegen eines notwendigen Wechsels der Tatsachengrundlage prozessual gesondert zu betrachten wäre.

12

Der Kläger hat die kraft gesetzlicher Fiktion erhobene Klage gegen die Rentenablehnung im Bescheid vom 15.10.2015 auch nicht etwa zurückgenommen. Eine ausdrückliche oder sinngemäße Erklärung dieses Inhalts fehlt. Der vom Berufungsgericht "sachdienlich gefasste" Antrag gibt das maßgebliche Begehren (§ 123 SGG) des Klägers gerade nicht vollständig wieder. Zur Beseitigung etwaiger Zweifel hätte es im Übrigen nahe gelegen, den Kläger zu einer entsprechenden Klarstellung aufzufordern (§ 153 Abs 1, § 106 Abs 1 SGG). Hierzu wäre die mündliche Verhandlung der geeignete und vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Ort schon deshalb gewesen (§ 112 Abs 2 S 2 SGG), weil sich bereits das SG ohne jede Erwähnung des ihm offenbar vorliegenden Bescheides vom 15.10.2015 zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid ermächtigt gesehen hatte.

13

Das LSG hat nach alledem zu Unrecht nicht über die weitere Rentenablehnung im Bescheid vom 15.10.2015 entschieden. Die fehlende Berücksichtigung dieses Verwaltungsakts im Bescheid vom 15.10.2015 ist - ungeachtet der obiter dicta des LSG - jedenfalls hinsichtlich der Zeit ab dem 1.12.2018 potenziell ergebnisrelevant. Das Berufungsgericht lässt bei seinen Ausführungen zu den Erfolgsaussichten in der Sache, zu denen es nach eigener Rechtsauffassung zur Zulässigkeit der Klage nicht als gesetzlicher Richter berufen war, alle weiteren Erkenntnisse unberücksichtigt, auf denen die Weiterbewilligung der Rente für die Zeit vom 1.12.2015 bis 30.11.2018 durch die Beklagte beruht. Die abstrakten Ausführungen zu den Voraussetzungen der Zeitrentenbewilligung sind insofern ohne Erkenntniswert.

14

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

15

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des LSG vorbehalten.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160a


(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

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(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. (2) Eine Abschrift des neuen Ver

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(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änd

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 77


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

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Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

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Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

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(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlich

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(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht. (2) Berechnungen werd

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Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 102 Befristung und Tod


(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden. (2) Renten wegen vermind

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 33 Rentenarten


(1) Renten werden geleistet wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder wegen Todes. (2) Renten wegen Alters sind 1. Regelaltersrente,2. Altersrente für langjährig Versicherte,3. Altersrente für schwerbehinderte Menschen,3a. Altersrent

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 101 Beginn und Änderung in Sonderfällen


(1) Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. (1a) Befristete Renten wegen voller Erwerbsminderung, auf die Anspruch un

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 112


(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts. (2) Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Be

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(1) Bestehen für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung, wird nur die höchste Rente geleistet. Bei gleich hohen Renten ist folgende Rangfolge maßgebend: 1. Regelaltersrente,2. Altersrente für langjährig Versicherte,3

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(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Renten werden geleistet wegen Alters, wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder wegen Todes.

(2) Renten wegen Alters sind

1.
Regelaltersrente,
2.
Altersrente für langjährig Versicherte,
3.
Altersrente für schwerbehinderte Menschen,
3a.
Altersrente für besonders langjährig Versicherte,
4.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute
sowie nach den Vorschriften des Fünften Kapitels
5.
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit,
6.
Altersrente für Frauen.

(3) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sind

1.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung,
2.
Rente wegen voller Erwerbsminderung,
3.
Rente für Bergleute.

(4) Renten wegen Todes sind

1.
kleine Witwenrente oder Witwerrente,
2.
große Witwenrente oder Witwerrente,
3.
Erziehungsrente,
4.
Waisenrente.

(5) Renten nach den Vorschriften des Fünften Kapitels sind auch die Knappschaftsausgleichsleistung, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit und Witwenrente und Witwerrente an vor dem 1. Juli 1977 geschiedene Ehegatten.

(1) Bestehen für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung, wird nur die höchste Rente geleistet. Bei gleich hohen Renten ist folgende Rangfolge maßgebend:

1.
Regelaltersrente,
2.
Altersrente für langjährig Versicherte,
3.
Altersrente für schwerbehinderte Menschen,
3a.
Altersrente für besonders langjährig Versicherte,
4.
Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Fünftes Kapitel),
5.
Altersrente für Frauen (Fünftes Kapitel),
6.
Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute,
7.
Rente wegen voller Erwerbsminderung,
8.
(weggefallen)
9.
Erziehungsrente,
10.
(weggefallen)
11.
Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung,
12.
Rente für Bergleute.
Ist eine Rente gezahlt worden und wird für denselben Zeitraum eine höhere oder ranghöhere Rente bewilligt, ist der Bescheid über die niedrigere oder rangniedrigere Rente vom Beginn der laufenden Zahlung der höheren oder ranghöheren Rente an aufzuheben. Nicht anzuwenden sind die Vorschriften zur Anhörung Beteiligter (§ 24 des Zehnten Buches), zur Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes (§ 45 des Zehnten Buches) und zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse (§ 48 des Zehnten Buches). Für den Zeitraum des Zusammentreffens der Rentenansprüche bis zum Beginn der laufenden Zahlung nach Satz 3 gilt der Anspruch auf die höhere oder ranghöhere Rente nach Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger bis zur Höhe der gezahlten niedrigeren oder rangniedrigeren Rente als erfüllt. Ein unter Berücksichtigung von Erstattungsansprüchen anderer Leistungsträger verbleibender Nachzahlungsbetrag aus der höheren oder ranghöheren Rente ist nur auszuzahlen, soweit er die niedrigere oder rangniedrigere Rente übersteigt. Übersteigen die vom Rentenversicherungsträger anderen Leistungsträgern zu erstattenden Beträge zusammen mit der niedrigeren oder rangniedrigeren Rente den Betrag der höheren oder ranghöheren Rente, wird der übersteigende Betrag nicht von den Versicherten zurückgefordert.

(2) Für den Zeitraum, für den Anspruch auf große Witwenrente oder große Witwerrente besteht, wird eine kleine Witwenrente oder eine kleine Witwerrente nicht geleistet. Absatz 1 Satz 3 bis 7 gilt entsprechend.

(3) Besteht für denselben Zeitraum Anspruch auf mehrere Waisenrenten, wird nur die höchste Waisenrente geleistet. Bei gleich hohen Waisenrenten wird nur die zuerst beantragte Rente geleistet. Absatz 1 Satz 3 bis 7 gilt entsprechend.

(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.

(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.

(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.

(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.

(1) Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.

(1a) Befristete Renten wegen voller Erwerbsminderung, auf die Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet, wenn

1.
entweder
a)
die Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung zur Folge hat, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entfällt, oder
b)
nach Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung ein Anspruch auf Krankengeld nach § 48 des Fünften Buches oder auf Krankentagegeld von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen endet und
2.
der siebte Kalendermonat nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht erreicht ist.
In diesen Fällen werden die Renten von dem Tag an geleistet, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Krankentagegeld endet.

(2) Befristete große Witwenrenten oder befristete große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.

(3) Ist nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird die Rente der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach § 226 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abzustellen ist. § 30 des Versorgungsausgleichsgesetzes bleibt unberührt.

(3a) Hat das Familiengericht über eine Abänderung der Anpassung nach § 33 des Versorgungsausgleichsgesetzes rechtskräftig entschieden und mindert sich der Anpassungsbetrag, ist dieser in der Rente der leistungsberechtigten Person von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, der sich aus § 34 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes ergibt. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3b) Der Rentenbescheid der leistungsberechtigten Person ist aufzuheben

1.
in den Fällen des § 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt
a)
des Beginns einer Leistung an die ausgleichsberechtigte Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes),
b)
des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes) oder
c)
der vollständigen Einstellung der Unterhaltszahlungen der ausgleichspflichtigen Person (§ 34 Abs. 5 des Versorgungsausgleichsgesetzes),
2.
in den Fällen des § 35 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 36 Abs. 4 des Versorgungsausgleichsgesetzes) und
3.
in den Fällen des § 37 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Aufhebung der Kürzung des Anrechts (§ 37 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes).
Die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(4) Ist nach Beginn der Rente ein Rentensplitting durchgeführt, wird die Rente von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Entsprechendes gilt bei einer Abänderung des Rentensplittings.

(5) Ist nach Beginn einer Waisenrente ein Rentensplitting durchgeführt, durch das die Waise nicht begünstigt ist, wird die Rente erst zu dem Zeitpunkt um Abschläge oder Zuschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dem eine Rente aus der Versicherung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners, der durch das Rentensplitting begünstigt ist, beginnt. Der Rentenbescheid der Waise ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Entsprechendes gilt bei einer Abänderung des Rentensplittings.

(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.

(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.

(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.

(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. November 2007 und des Sozialgerichts Koblenz vom 24. Januar 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für alle Rechtszüge nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit streitig.

2

Im Rahmen eines Rechtsstreits auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung vor dem SG (S 1 RI 432/02) erklärte die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.6.2003 gegenüber dem Gericht: "… erkennen wir einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Leistungsfalls am 02.07.2002 (…) mit Rentenbeginn zum 01.02.2003 (…) auf Zeit bis zum 31.01.2005 an, soweit keine Rentenausschlussgründe vorliegen, wie Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld". Grundlage hierfür war ein orthopädisches Gutachten vom Mai 2003, das zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Klägerin wegen ihrer Dysplasie-Coxarthrose rechts nur noch in der Lage sei, maximal drei bis vier Stunden am Tag zu arbeiten. Nach einer für Sommer 2003 geplanten hüftendoprothetischen Versorgung des Gelenks werde sich die Erwerbsfähigkeit wieder bessern. Auf eine entsprechende Anfrage des SG nahm die Klägerin mit Schriftsatz vom 8.7.2003 "das Angebot der Beklagten vom 13.06.03 an" und erklärte den Rechtsstreit im Übrigen für erledigt. Daraufhin teilte das Gericht den Beteiligten mit, der Rechtsstreit sei "laut richterlicher Verfügung erledigt durch Anerkenntnis".

3

Mit Datum vom 24.7.2003 erließ die Beklagte "aufgrund des Anerkenntnisses vom 13.06.2003" einen Rentenbescheid und bewilligte eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1.2.2003 bis 31.1.2005 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 47,69 Euro.

4

Die im Juni 2003 durchgeführte Totalendoprothesenoperation des rechten Hüftgelenks und die bis 5.8.2003 durchgeführte Anschlussheilbehandlung verliefen komplikationslos. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 12.8.2003 war die Klägerin wieder imstande, leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel der Körperhaltungen, jedoch überwiegend im Sitzen, in einem Umfang von täglich mindestens sechs Stunden und mehr zu verrichten.

5

Nach Anhörung der Klägerin hob die Beklagte mit (am 1.12.2003 abgesandtem) Bescheid vom 24.11.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.4.2004 die Bewilligung der Rente wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Ablauf des 31.12.2003 auf. Es bestehe wieder ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen pro Tag für leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt; damit sei keine Erwerbsminderung mehr gegeben.

6

Im Klageverfahren hat die Beklagte neben der Abweisung der Klage hilfsweise im Wege der Widerklage beantragt, das angenommene Anerkenntnis aus dem Vorprozess zum 31.12.2003 aufzuheben. Das SG hat mit Urteil vom 24.1.2006 den Bescheid der Beklagten vom 24.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.4.2004 aufgehoben und die Widerklage abgewiesen.

7

Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Zur Begründung hat das LSG in seinem Urteil vom 12.11.2007 im Wesentlichen ausgeführt: Die Entziehung der Rente sei rechtswidrig, denn Grundlage für die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis 31.1.2005 sei die in dem Vorprozess vor dem SG zwischen den Beteiligten geschlossene Vereinbarung. Bei dieser handele es sich nicht um ein angenommenes Anerkenntnis iS des § 101 Abs 2 SGG, weil das als "Anerkenntnis" bezeichnete Angebot auf Bewilligung einer befristeten Rente hinter dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer unbefristeten Erwerbsminderungsrente zurückgeblieben sei. Vielmehr liege ein außergerichtlicher Vergleich vor, der als öffentlich-rechtlicher Vergleichsvertrag für die Beklagte bindend sei, denn er sei weder gemäß § 58 SGB X nichtig, noch komme eine Anpassung oder Kündigung wegen wesentlich geänderter Verhältnisse nach § 59 SGB X in Betracht. Eine Aufhebung des Ausführungsbescheids vom 24.7.2003 scheitere bereits daran, dass dieser kein Verwaltungsakt iS des § 31 Satz 1 SGB X sei, da er keine eigenständige Regelung hinsichtlich der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung enthalte. Auch mit der hilfsweise erhobenen Widerklage auf Abänderung des angenommenen Anerkenntnisses aus dem Vorprozess mit Wirkung ab 1.1.2004 könne die Beklagte nicht durchdringen.

8

Mit der vom BSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X, § 101 Abs 2 SGG und § 323 ZPO. Entgegen der Ansicht des LSG habe sie im Vorprozess ein Teilanerkenntnis abgegeben, denn sie habe mit ihrem Schriftsatz vom 13.6.2003 einen Anspruch der Klägerin auf eine nach Rentenart, Zahlungsbeginn und -ende konkretisierte Rente dem Grunde nach anerkannt. Hierin könne kein Angebot auf Abschluss eines Vergleichsvertrags gesehen werden, weil sie die Wirksamkeit ihrer dort getroffenen Feststellung eines Rentenanspruchs nicht von einem wie auch immer gearteten Nachgeben oder einer Annahme durch die Klägerin abhängig gemacht habe. Diese wäre durch die Annahme des Teilanerkenntnisses nicht darin gehindert gewesen, ihr Begehren auf Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung im Vorprozess weiterzuverfolgen.

9

Ihr Anerkenntnis vom 13.6.2003 über einen Teil des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs erfülle alle Tatbestandsmerkmale eines Verwaltungsakts. Entgegen der Rechtsmeinung des LSG sei daher die Frage, ob die anerkannte Rente auf Grund einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse entzogen werden könne, nicht auf der Grundlage des § 59 SGB X zu beantworten. Vielmehr habe die durch das Anerkenntnis dem Grunde nach festgestellte und durch den Bescheid vom 24.7.2003 der Höhe nach konkretisierte Rente nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung zum 31.12.2003 entzogen werden müssen. Doch selbst wenn man der Meinung des LSG folge, könnten wiederkehrende Sozialleistungen in entsprechender Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Kündigung des Vertrags nach § 59 SGB X entzogen werden. Soweit das LSG den im Wege der Widerklage hilfsweise verfolgten Anspruch auf Aufhebung des angenommenen Anerkenntnisses aus dem Vorprozess für die Zeit ab 1.1.2004 verneint habe, habe es die über § 202 SGG auf solche Vollstreckungstitel über wiederkehrende Sozialleistungen entsprechend anwendbare Bestimmung des § 323 Abs 4 ZPO verletzt, da eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS dieser Bestimmung eingetreten sei.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 12. November 2007 und das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 24. Januar 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise, das Anerkenntnis vom 13. Juni 2003 für die Zeit ab 1. Januar 2004 aufzuheben.

11

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

13

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Entscheidungen der Vorinstanzen können keinen Bestand haben; die Klage ist abzuweisen. Die in dem angefochtenen Bescheid vom 24.11.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.4.2004 verfügte Aufhebung der Rentenbewilligung mit Wirkung zum 31.12.2003 ist rechtmäßig. Denn die Voraussetzungen des hier anzuwendenden § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X sind erfüllt.

15

1. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der befristeten Bewilligung von Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Wirkung für die Zukunft ist § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm § 102 Abs 1 Satz 2 SGB VI. Gemäß § 102 Abs 1 Satz 2 SGB VI ist bei befristet bewilligten Renten vor Ablauf der Frist eine Änderung oder Beendigung aus anderen Gründen nicht ausgeschlossen. Solche "anderen Gründe" können darin liegen, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Rentenbewilligung - dh dem Erlass eines entsprechenden Verwaltungsakts mit Dauerwirkung - vorgelegen haben, nachträglich eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen iS von § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X eintritt; in diesem Fall ist der Verwaltungsakt jedenfalls mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Die Voraussetzungen der genannten Bestimmung sind erfüllt, wenn der Verwaltungsakt entsprechend den bei seinem Erlass vorliegenden tatsächlichen Verhältnissen und übereinstimmend mit der damals gegebenen Rechtslage ergangen war und erst nach diesem Zeitpunkt infolge einer Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse rechtswidrig geworden ist, so dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Umständen den Verwaltungsakt nicht oder nicht mit seinem ursprünglichen Inhalt hätte erlassen dürfen (BSG vom 6.11.1985 - BSGE 59, 111, 112 = SozR 1300 § 48 Nr 19 S 36; BSG vom 15.10.1987 - SozR 1300 § 45 Nr 32 S 101; BSG vom 19.2.2009 - B 10 KG 2/07 R - SozR 4-5870 § 1 Nr 2 RdNr 15).

16

2. Der Anwendung des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X steht hier nicht entgegen, dass der mit dem angefochtenen Bescheid vom 24.11.2003 aufgehobene Rentenbescheid vom 24.7.2003 seinerseits auf dem Ergebnis des vorangegangenen Klageverfahrens vor dem SG (S 1 RI 432/02) beruhte. Dabei kann offen bleiben, ob - wie das LSG dies angenommen hat - im Fall einer Rentengewährung auf der Grundlage eines gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichs eine nachträgliche Anpassung wegen geänderter Verhältnisse nur nach Maßgabe der Voraussetzungen des § 59 SGB X in Frage kommt, oder ob anzunehmen ist, dass in einem Vergleich über Rentenleistungen diese Norm regelmäßig zugunsten einer Anwendung des § 48 Abs 1 SGB X abbedungen wird(vgl zum Meinungsstand Steinwedel in Kasseler Komm, Stand April 2010, § 48 SGB X RdNr 12; Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, Vor §§ 44 bis 49 ff RdNr 7; s auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 101 RdNr 15a). Denn jedenfalls ist § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X auf einen zur Umsetzung eines gerichtlichen Anerkenntnisses erlassenen Rentenbescheid anwendbar (s nachfolgend unter b); auf einem solchen Anerkenntnis der Beklagten iS von § 101 Abs 2 SGG beruhte der Bescheid vom 24.7.2003 (sogleich unter a).

17

a) Die Beklagte hat mit ihrer Erklärung vom 13.6.2003, dass sie "einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Leistungsfalls am 02.07.2002 (…) mit Rentenbeginn zum 01.02.2003 (…) auf Zeit bis zum 31.01.2005" anerkenne, kein "Angebot" auf Abschluss eines (außergerichtlichen) Vergleichsvertrags abgegeben, sondern den von der Klägerin geltend gemachten (prozessualen) Anspruch teilweise anerkannt.

18

aa) Nach § 101 Abs 2 SGG erledigt das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs "insoweit" den Rechtsstreit in der Hauptsache. Bereits aus dieser Formulierung geht hervor, dass es auch ein Teilanerkenntnis geben kann, das den geltend gemachten Klageanspruch nicht vollständig umfasst. Voraussetzung ist allerdings, dass es sich insoweit um einen teilbaren (prozessualen) Anspruch (Streitgegenstand) handelt (stRspr, BSG vom 21.11.1961 - 9 RV 374/60 - SozR Nr 3 zu § 101 SGG; BSG vom 6.10.1964 - 10 RV 583/62 - KOV 1966, 17; BSG vom 13.5.2009 - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG vom 22.9.2009 - BSGE 104, 192 = SozR 4-4200 § 22 Nr 30, RdNr 10). Alternativ dazu können die Beteiligten gemäß § 101 Abs 1 SGG einen gerichtlich geltend gemachten Anspruch aber auch dadurch vollständig oder zum Teil (unstreitig) erledigen, dass sie einen Vergleich schließen.

19

Ein Anerkenntnis und kein Vergleichsangebot liegt vor, wenn der/die Beklagte einseitig und ohne Einschränkung erklärt, die vom Kläger begehrte Rechtsfolge werde "ohne Drehen und Wenden" zugegeben (vgl BSG vom 21.11.1961 - 9 RV 374/60 - SozR Nr 3 zu § 101 SGG; BSG vom 29.4.1969 - 10 RV 12/68 - Juris RdNr 20 f; BSG vom 27.1.1982 - 9a/9 RV 30/81 - Juris RdNr 13; BSG vom 21.9.1983 - 4 RJ 63/82 - Juris RdNr 30; BSG vom 22.6.1989 - BSGE 65, 160, 164 = SozR 1200 § 44 Nr 24 S 64; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 101 RdNr 20; Masuch/Blüggel, SGb 2005, 613 f); im begrifflichen Gegensatz dazu steht der (Prozess-)Vergleich, der unter beiderseitigem Nachgeben den Rechtsstreit beenden soll (BSG vom 21.9.1983 - 4 RJ 63/82 - Juris RdNr 30).

20

Welche der beiden Handlungsformen vorliegt, ist bei Zweifeln durch Auslegung der abgegebenen Erklärungen zu ermitteln (s bereits BSG vom 21.11.1961, aaO). Im Einzelfall kann ein Beteiligter ein Anerkenntnis iS des § 101 Abs 2 SGG auch ohne die Verwendung der entsprechenden Bezeichnung ("Anerkenntnis" bzw "anerkennen") abgeben. Die Erklärung muss aber stets gekennzeichnet sein durch den unbedingten Bindungswillen des Anerkennenden, und zwar auch für den Fall, dass das Anerkenntnis nicht angenommen wird. Erforderlich ist, dass sich ein darauf gerichteter Wille hinreichend deutlich aus dem gesamten Inhalt der Äußerung und aus dem Zusammenhang, in dem sie steht, ergibt (vgl BSG vom 27.1.1982 - 9a/9 RV 30/81 - Juris RdNr 14; BSG vom 21.9.1983 - 4 RJ 63/82 - Juris RdNr 30).

21

Ein Anerkenntnis ist gegenüber dem Gericht abzugeben; dies kann in einem Schriftsatz - wie vorliegend -, zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts (§ 122 SGG iVm § 160 Abs 3 Nr 1 ZPO) erfolgen. Nach § 101 Abs 2 SGG erledigt zwar nur das angenommene Anerkenntnis des mit der Klage geltend gemachten Anspruchs den Rechtsstreit in der Hauptsache. Ein nicht angenommenes Anerkenntnis bleibt aber gleichfalls eine Prozesserklärung, wenngleich ohne unmittelbare prozessuale Wirkung, dh es erledigt als solches den Rechtsstreit in der Hauptsache nicht. Dennoch bleibt auch ohne eine Annahme der Beteiligte, der die Erklärung abgegeben hat, an ihren materiell-rechtlichen Inhalt gebunden, weil es sich bei dem Anerkenntnis um eine einseitige, nicht zustimmungsbedürftige Erklärung handelt (vgl BSG vom 21.11.1961 - 9 RV 374/60 - SozR Nr 3 zu § 101 SGG; BSG vom 29.4.1969 - 10 RV 12/68 - Juris RdNr 21). Diese Bindung führt dazu, dass auch im sozialgerichtlichen Verfahren auf ein nicht angenommenes Anerkenntnis ein Anerkenntnisurteil (§ 202 SGG iVm § 307 ZPO)zu ergehen hat (stRspr, zB BSG vom 22.9.1977 - SozR 1750 § 307 Nr 1 S 2; BSG vom 12.12.1979 - SozR 1750 § 307 Nr 2 S 5; BSG vom 27.11.1980 - SozR 1500 § 101 Nr 6 S 6; BSG vom 24.7.2003 - B 4 RA 62/02 R - Juris RdNr 18).

22

bb) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt, dass die Beklagte im Vorprozess mit Schriftsatz vom 13.6.2003 ein Teilanerkenntnis abgegeben hat.

23

Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 13.6.2003 das Wort "Vergleichsangebot" nicht verwendet. Die Erklärung sollte auch nicht die Ungewissheit über das Ausmaß des verbliebenen Leistungsvermögens der Klägerin beseitigen. Vielmehr gab die Beklagte nach Auswertung des vom SG eingeholten orthopädischen Sachverständigengutachtens vom Mai 2003 "ohne Drehen und Wenden" zu, dass der Klageanspruch zumindest teilweise begründet ist. Bereits aus der Formulierung "erkennen wir einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf der Grundlage eines Leistungsfalls am 02.07.2002 (…) mit Rentenbeginn zum 01.02.2003 (…) auf Zeit bis zum 31.01.2005 an" lässt sich unschwer der Wille der Beklagten entnehmen, den von der Klägerin geltend gemachten Rentenanspruch (nur) teilweise, nämlich als Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit - aber insoweit ohne Einschränkungen - anzuerkennen. Die Einschränkung "soweit keine Rentenausschlussgründe vorliegen, wie Verletztengeld oder Versorgungskrankengeld" vermag an der beabsichtigten Bindungswirkung der Erklärung nichts zu ändern, sondern verdeutlicht, dass keine weiteren Vorbehalte bestehen. Dass die Beklagte ihre insoweit getroffenen materiell-rechtlichen Feststellungen hinsichtlich Art, Beginn und Dauer der Rente von einer "Annahme" dieser Erklärung durch die Klägerin abhängig gemacht hat, lässt sich dem Schriftsatz vom 13.6.2003 nicht entnehmen. Vielmehr hat sie im vorletzten Absatz nochmals ausdrücklich das Wort "Anerkenntnis" verwendet. Soweit die Beklagte ausführt, "wenn das Anerkenntnis angenommen wird, ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt", weist sie nur auf die sich aus § 101 Abs 2 SGG ergebenden Folgen hin.

24

Hiergegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, der Anspruch auf "Zeitrente" wegen voller Erwerbsminderung sei kein selbstständiger Teil des Anspruchs einer "Dauerrente" wegen voller Erwerbsminderung, sondern ein "eigenständiger Anspruch", so dass sich beide Ansprüche gegenseitig ausschlössen. Diese Argumentation geht bereits deshalb fehl, weil es nach § 33 Abs 3 Nr 2, § 89 Abs 1 Satz 2 Nr 7 SGB VI nur eine "Rente wegen voller Erwerbsminderung" gibt. Diese ist vom Rentenversicherungsträger nach § 102 Abs 2 Satz 1 und 5 SGB VI lediglich (grundsätzlich) zunächst für einen begrenzten Zeitraum als befristete Rente ("auf Zeit") zu leisten(s zum Beginn und Ende befristeter Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit § 101 Abs 1, § 102 Abs 1, Abs 2 Satz 2 bis 4 SGB VI); hieraus ergibt sich ohne weiteres die für ein Teilanerkenntnis erforderliche Teilbarkeit des Streitgegenstands.

25

Auf dieser Grundlage hat die damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schriftsatz vom 8.7.2003 das Teilanerkenntnis der Beklagten angenommen. Hierzu passt, dass sie gleichzeitig "im Übrigen (den) Rechtsstreit für erledigt erklärt" hat; denn wenn der Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs gewollt gewesen wäre, hätte die Klägerin den Rechtsstreit insgesamt für erledigt erklären müssen. Dies hat auch das damalige Prozessgericht so gesehen, das nach der richterlichen Verfügung vom 9.7.2003 von einer Verfahrenserledigung durch angenommenes Anerkenntnis ausgegangen ist und dies den Beteiligten mitgeteilt hat.

26

cc) Der Senat ist aufgrund der Regelung in § 163 SGG nicht daran gehindert, die im Vorprozess von der Beklagten im Schriftsatz vom 13.6.2003 abgegebene Erklärung abweichend vom Berufungsgericht selbst als Teilanerkenntnis auszulegen.

27

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob dies bereits daraus folgt, dass es sich bei ihr um eine Prozesserklärung handelt, zu deren Auslegung das Revisionsgericht stets befugt ist (vgl BSG vom 29.4.1969 - 10 RV 12/68 - Juris RdNr 19; BSG vom 21.9.1971 - 8 RV 269/70 - Juris RdNr 19; BSG vom 27.1.1982 - 9a/9 RV 30/81 - Juris RdNr 11; BSG vom 21.9.1983 - 4 RJ 63/82 - Juris RdNr 28; BSG vom 25.6.2002 - B 11 AL 23/02 R - Juris RdNr 21). Die Anwendung dieser Regel würde hier voraussetzen, dass sie auch für sämtliche Prozesserklärungen in anderen Gerichtsverfahren, jedenfalls aber für solche in einem "Vorprozess" wie im vorliegenden Fall gälte (vgl BAG vom 22.5.1985 - BAGE 48, 351, 359 f - und vom 20.4.1983 - BAGE 42, 244, 249, wonach ein vorprozessualer Prozessvergleich durch das Revisionsgericht unbeschränkt und selbstständig auslegbar ist; einschränkend BSG vom 24.11.1976 - BSGE 43, 37, 39 = SozR 2200 § 1265 Nr 24 S 75; BSG vom 27.9.1994 - BSGE 75, 92, 95 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10 S 46; BSG vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 66 - in Bezug auf den materiellen Teil eines gerichtlichen Vergleichs). Darauf kommt es vorliegend jedoch nicht an, weil auch bei Zugrundelegung der zuletzt genannten Rechtsmeinung hier keine Bindung des Revisionsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des LSG besteht (vgl § 163 Halbs 2 SGG). Denn die Auslegung des LSG beruht - wie die Beklagte zu Recht rügt - auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 162 SGG), nämlich des § 101 Abs 2 SGG. Das Berufungsgericht hat seine Auslegung der Erklärung der Beklagten vom 13.6.2003 als Vergleichsangebot nämlich maßgeblich darauf gestützt, dass es sich dabei "nicht um die Abgabe eines (vollen) Anerkenntnisses" gehandelt und deshalb das Angebot zur Gewährung lediglich einer befristeten Rente "ein gegenseitiges Nachgeben zur Beseitigung einer Ungewissheit" enthalten habe. Diese Begründung belegt, dass das LSG bei seiner Auslegung das - oben unter aa) näher dargestellte - entscheidende Kriterium zur Abgrenzung von (Teil-)Anerkenntnis und Vergleich nicht berücksichtigt hat.

28

b) Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit in Ausführung eines von der Beklagten abgegebenen und von der Klägerin angenommenen Teilanerkenntnisses (§ 101 Abs 2 SGG) und die dadurch erlangte verfahrensrechtliche Stellung der Klägerin (Erwirkung eines Vollstreckungstitels nach § 199 Abs 1 Nr 3 SGG) stehen einer späteren Aufhebung der Rentenbewilligung gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X nicht entgegen. Denn selbst die Bestätigung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung durch ein rechtskräftiges sozialgerichtliches Urteil würde dessen Aufhebung bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse iS von § 48 SGB X nicht hindern. Entsprechendes gilt für einen in Ausführung eines zusprechenden Urteils ergangenen (Ausführungs-)Bescheid mit Dauerwirkung (vgl zum früheren Recht BSG vom 10.10.1978 - SozR 4100 § 151 Nr 10 S 18 f; s auch Schütze in von Wulffen, aaO, Vor §§ 44 bis 49 ff RdNr 7; Waschull in Diering/Timme/Waschull, Lehr- und PraxisKomm, SGB X, 2. Aufl 2007, Vor §§ 44 bis 51 RdNr 22).

29

Aus den Ausführungen im Urteil des 4. Senats des BSG vom 26.10.2004 (SozR 4-8570 § 5 Nr 5 RdNr 7) lässt sich nichts Abweichendes herleiten; denn sie bezogen sich insoweit nicht auf ein angenommenes Teilanerkenntnis iS von § 101 Abs 2 SGG, sondern auf eine Vereinbarung der Prozessbeteiligten zum Vorliegen eines für den geltend gemachten prozessualen Anspruch (auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz) maßgeblichen Sachverhaltselements(zu solchen - gelegentlich unscharf ebenfalls als "Teilanerkenntnis" bezeichneten - Unstreitigstellungen des Vorliegens einzelner Tatbestandsmerkmale s zB BSG vom 7.11.2006 - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 22; BSG vom 13.5.2009 - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12 f). Gegenstand eines Anerkenntnisses iS von § 101 Abs 2 SGG kann aber nur - wie oben unter aa) bereits dargestellt - der prozessuale Anspruch oder ein abtrennbarer Teil des Anspruchs, also die Anerkennung einer Rechtsfolge aus dem vom Kläger behaupteten Tatbestand, nicht der Tatbestand selbst oder ein Tatbestandselement sein(BSG vom 22.6.1989 - BSGE 65, 160, 164 = SozR 1200 § 44 Nr 24 S 64).

30

Allerdings trifft zu, dass der Bescheid vom 24.7.2003 hinsichtlich Rentenart, Rentenbeginn und Rentendauer keine selbstständigen Regelungen iS des § 31 Satz 1 SGB X mehr enthält. Diese (Grund-)Entscheidungen waren nämlich schon in dem Teilanerkenntnis der Beklagten vom 13.6.2003 enthalten. Denn bereits darin hatte die Beklagte der Klägerin "ohne Drehen und Wenden" zugestanden, dass nach den zum damaligen Zeitpunkt vorliegenden tatsächlichen Umständen ihr Rentenanspruch für die Zeit vom 1.2.2003 bis 31.1.2005 dem Grunde nach besteht. Dementsprechend hat die Beklagte mit Bescheid vom 24.7.2003 "aufgrund des Anerkenntnisses vom 13.06.2003" eine Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1.2.2003 bis 31.1.2005 bewilligt und insoweit ihre bereits im Anerkenntnis getroffenen Entscheidungen deklaratorisch wiederholt. Der Bescheid vom 24.7.2003 enthielt jedoch eine selbstständige Regelung über die Rentenhöhe; hierzu war über das Anerkenntnis vom 13.6.2003 hinaus noch eine Konkretisierung durch eine Regelung im Ausführungsbescheid erforderlich (allgemein zum Verwaltungsaktcharakter von so genannten Ausführungsbescheiden Engelmann in von Wulffen, aaO, § 31 RdNr 30; vgl auch BSG vom 29.1.1992 - 9a RV 2/91 - Juris RdNr 13; BSG vom 2.7.1997 - SozR 3-3200 § 88 Nr 2 S 8; BSG vom 18.9.2003 - B 9 V 82/02 B - Juris RdNr 6).

31

3. Die Beklagte war verpflichtet, die in dem angenommenen Teilanerkenntnis und in dem zu dessen Ausführung erlassenen Rentenbescheid vom 24.7.2003 getroffenen Regelungen hinsichtlich Rentenart, Rentendauer und Rentenhöhe nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben; ein Ermessen stand ihr insoweit nicht zu (vgl BSG vom 17.4.1986 - 7 RAr 101/84 - Juris RdNr 14; BSG vom 21.10.1999 - BSGE 85, 92, 96 = SozR 3-1300 § 48 Nr 68 S 163).

32

Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X für die im angefochtenen Bescheid vom 24.11.2003 verfügte Aufhebung der Rentenbewilligung mit Wirkung vom 31.12.2003 sind erfüllt. Dabei umfasst die Aufhebungsentscheidung der Beklagen auch die bereits im Anerkenntnis vom 13.6.2003 getroffenen Regelungen über Rentenart und Rentendauer; denn diese waren im Ausführungsbescheid vom 24.7.2003 zur Regelung der Rentenhöhe wiederholt worden. In den tatsächlichen Verhältnissen, die bei Abgabe des Teilanerkenntnisses mit Schriftsatz vom 13.6.2003 - und auch noch bei Erlass des Ausführungsbescheids vom 24.7.2003 - vorlagen, war nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) eine wesentliche Änderung eingetreten. Nach der Totalendoprothesenoperation des rechten Hüftgelenks und der im Anschluss bis Anfang August 2003 durchgeführten Heilbehandlungsmaßnahme war die Klägerin wieder in der Lage, zumindest leichte körperliche Arbeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu verrichten, so dass sie wegen des Wegfalls der Erwerbsminderung keinen Anspruch auf Rente wegen (voller oder teilweiser) Erwerbsminderung mehr hatte (vgl § 43 SGB VI).

33

Die Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Zukunft (dh für einen Zeitpunkt nach Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids: BSG vom 4.7.1989 - BSGE 65, 185, 188 = SozR 1300 § 48 Nr 57 S 173) nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X war an keine Frist gebunden. Dass diese mit Ablauf des Monats wirksam werden sollte, in dem der am 1.12.2003 zur Post gegebene Aufhebungsbescheid vom 24.11.2003 der Klägerin bekanntgegeben worden war (vgl § 37 Abs 2 SGB X), hier somit zum 31.12.2003, und damit über vier Monate nach Abschluss der medizinischen Rehabilitationsmaßnahme und Wegfall der Erwerbsminderung im August 2003, ist auch unter Berücksichtigung der Vorgabe in § 100 Abs 3 Satz 2 SGB VI nicht zu beanstanden.

34

4. Da die Beklagte bereits mit ihrem Hauptantrag erfolgreich war, bedurfte es keiner Entscheidung über den Hilfsantrag.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs 1 und 4 SGG.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Das Landessozialgericht prüft den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht. Es hat auch neu vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel zu berücksichtigen.

Hat ein Vorverfahren stattgefunden, so ist Gegenstand der Klage der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.

2

Der 1963 geborene Kläger hat nach Abschluss der 10. Klasse im Jahr 1982 die Lehre zum Agrotechniker/Mechanisator absolviert. Nach Erlangung des Facharbeiterabschlusses war er in diesem Beruf auch tätig. Anschließend arbeitete er bis 1991 als Schlosser sowie Anlagenschlosser. Von 1991 bis 2006 war er als Autobauer/Karosseriebauer/Produktionsmitarbeiter bei VW W. tätig. Der Kläger hat angegeben, diese Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben zu haben. Seitdem ist er arbeitslos und bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II).

3

Mit Bescheid vom 5. Januar 2011 des Landesverwaltungsamts - Versorgungsamt -, wurde beim Kläger ab dem 26. März 2010 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt. Als maßgebende Funktionsbeeinträchtigungen werden die Bewegungseinschränkung beider Ellenbogen- und Handgelenke, eine Funktionsminderung beider Hüftgelenke, der Wirbelsäule und eine psychische Störung benannt.

4

Der Kläger beantragte bei der Beklagten am 4. Oktober 2007 die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er begründete diesen Antrag mit seinen körperlichen und psychischen Problemen. Er habe im September 2006 aus gesundheitlichen Gründen aufgehört, zu arbeiten. Der Beklagten lag das Gutachten der Medizinaldirektorin (MD) Dr. W. vom 26. März 2007 nach Untersuchung des Klägers vor, welches für die Bundesagentur für Arbeit M. erstellt worden war. Sie schätzte eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Klägers insbesondere aufgrund der angeborenen Veränderungen im Bereich beider Ellenbogengelenke ein. Der Kläger sei für ständig leichte körperliche Arbeiten noch vollschichtig leistungsfähig. Auszuschließen seien insbesondere Zeitdruck, anhaltende Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie häufiges Bücken oder Heben und Tragen ohne mechanische Mittel. Die Beklagte holte den Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Medizinalrat (MR) Dr. B. vom 9. Oktober 2007 ein, aus dem sich eine stetige Verschlechterung in den letzten zwölf Monaten ergab. Dr. B. teilte als Diagnosen multiple kartilaginäre Exostosen , ein chronisch-rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom , eine beginnende Gonarthrose sowie eine Sprunggelenksarthrose mit.

5

Die Beklagte holte das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. F. vom 4. April 2008 nach Untersuchung des Klägers am 3. April 2008 ein. Dr. F. stellte folgende Diagnosen:

6

Multiple Osteochondrome .

7

Arthrose beider Ellenbogengelenke.

8

Lumbalsyndrom.

9

Periarthritis humeroscapularis beidseits .

10

Aufgrund der multiplen Osteochondrome sei es zu Wachstumsstörungen im Bereich der Knie-, Sprung-, Hüft-, Schulter- sowie der Handgelenke gekommen. Die Belastbarkeit des Klägers sei deutlich eingeschränkt. Es bestünde nur noch eine Eignung für leichte Arbeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen. Die Tätigkeit als Karosseriebauer sei vollschichtig nicht mehr zumutbar.

11

Der Beklagten lag zudem das nach Untersuchung des Klägers für den MDK Sachsen-Anhalt e.V. erstellte sozialmedizinische Gutachten der MR Dipl.-Med. R. vom 29. Januar 2008 vor. Sie stellte fest, dass es sich beim Kläger um eine fortschreitende angeborene Osteochondrodysplasie mit vorwiegenden Funktionsstörungen und Deformierungen im Bereich der oberen Extremitäten und auch sichtbar im Knie- und Sprunggelenksbereich handele. Außerdem leide der Kläger unter einem chronisch-rezidivierenden Lumbalsyndrom. Sie empfahl Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Beklagte zog die arbeitsmedizinische Stellungnahme zur Abklärung der beruflichen Eignung vom Facharzt für Orthopädie Dr. R. vom Berufsförderungswerk Sachsen-Anhalt vom 10. Juli 2008 hinzu. Dieser schätzte ein, dass aus prognostischer Sicht künftig leichte, gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung vollschichtig ausführbar seien. Auszuschließen seien schweres Heben und Tragen sowie Arbeiten mit Absturzgefahr. Tätigkeiten in gebückter, kniender und gehockter Haltung sowie Überkopfarbeiten seien eingeschränkt möglich. Dr. R. befürwortete ebenfalls eine berufliche Bildungsmaßnahme für eine leidensgerechte Tätigkeit zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben. Der Beklagten lag des Weiteren das nach Untersuchung des Klägers für den MDK Sachsen-Anhalt e.V. erstellte sozialmedizinische Gutachten der Dipl.-Med. N. vom 18. August 2008 vor. Diese erkannte darüber hinaus eine Somatisierungsstörung beim Kläger. Krankheitsbegründend sei zum Zeitpunkt der Begutachtung die psychische Situation des Klägers. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien erst nach Stabilisierung und Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes möglich. Aus dem ärztlichen Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik D. H. GmbH & Co. KG, Abteilung Psychosomatik, vom 28. April 2009 anlässlich der von der Beklagten bewilligten und vom 4. März 2009 bis zum 8. April 2009 durchgeführten stationären Rehabilitationsmaßnahme ergab sich ein Leistungsvermögen des Klägers im Umfang von sechs Stunden und mehr für mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen. Im Entlassungsbericht wurden folgende Diagnosen genannt:

12

Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit paranoiden und anankastischen Anteilen und unterdurchschnittlicher Intelligenz.

13

Vegetative Symptomatik bei Agoraphobie mit psychosomatischer Beschwerdeverstärkung bei Stresserleben.

14

Sekundäre Anpassungsstörung mit leichter depressiver Beschwerdesymptomatik.

15

Entwicklung körperlicher Symptome aus psychischen Gründen.

16

Lokales cervicobrachiales vertebragenes Schmerzsyndrom bei muskulären Dysbalancen .

17

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben seien zwar indiziert, würden vom Kläger jedoch aufgrund des im Vordergrund stehenden Rentenbegehrens nicht gewünscht. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen ohne ständiges Heben und Tragen schwerer Lasten, Tätigkeiten in Zwangshaltung, Zeit- und Leistungsdruck sowie Arbeiten im Akkord einsetzbar. Arbeiten mit Publikumsverkehr sollten aus psychotherapeutischer Sicht wegen der Persönlichkeitsbesonderheiten vermieden werden. Ebenso sei das Umstellungs- und Anpassungsvermögen eingeschränkt.

18

Mit Bescheid vom 25. Mai 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erwerbsminderungsrente ab, da der Kläger noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne.

19

Am 15. Juni 2009 legte der Kläger bei der Beklagten Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Mai 2009 ein. Er führte aus, dass seine behandelnden Ärzte ihn aufgrund seines Krankheitsbildes als nicht vermittelbar einschätzten. Das Urteil der behandelnden Ärzte der Rehabilitationseinrichtung könne nicht maßgebend sein, da in dieser Rehabilitationsklinik aus seiner Sicht kein Interesse am Patienten bestanden habe.

20

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2009 als unbegründet zurück. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Es bestehe bei ihm ein Leistungsvermögen für sechs Stunden und mehr täglich für leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Nachtschicht, besonderen Zeitdruck, häufigen Publikumsverkehr, besondere Anforderungen an das Umstellungs- und Anpassungsvermögen. Häufiges Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, Bücken, Hocken und Knien sowie häufige Zwangshaltungen oder Überkopfarbeiten seien ebenso ausgeschlossen wie Arbeiten mit einer erhöhten Unfall- oder Absturzgefahr. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Voraussetzungen des § 240 Abs. 1 SGB VI lägen nicht vor, da der Kläger nach dem 1. Januar 1961 geboren sei.

21

Der Kläger hat am 5. Oktober 2009 Klage vor dem Sozialgericht Magdeburg erhoben. Aus der Akte ergebe sich bereits, dass er nicht mehr leistungsfähig sei. Außerdem hat der Kläger Bescheinigungen des Dipl.-Psych. K. vom 9. Juni 2011, des Facharztes für Orthopädie Dr. W. vom 10. Juni 2011 und der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. S. vom 17. Juni 2011, jeweils erstellt zur Vorlage beim Jobcenter B., eingereicht. Dipl.-Psych. K. hat ausgeführt, dass aufgrund der chronischen Leistungseinschränkungen und des "ungeklärten Sozialstatus im laufenden EU-Rentenverfahren" eine Arbeitsvermittlung des Klägers nur wenig sinnvoll erscheine. Dr. W. hat dem Kläger aufgrund von Schäden an mehreren Gelenken, der Wirbelsäule und der Somatisierungsstörung ein unter zweistündiges arbeitstägliches Leistungsvermögen attestiert. Dipl.-Med. S. hat mitgeteilt, dass es zu einer Chronifizierung der psychiatrischen Symptomatik gekommen sei. Bei der vorliegenden Persönlichkeitsstörung seien die Anpassungsstörungen wohl nicht mehr korrigierbar. Eine Arbeitsvermittlung sei daher nicht erfolgversprechend.

22

Das Sozialgericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt. In seinem Befundbericht vom 12. Juni 2012 hat MR Dr. B. ausgeführt, dass orthopädischerseits keine klinischen Behandlungen oder Untersuchungen stattgefunden haben. Als Diagnosen lägen multiple partilaginäre Exostosen , ein chronisch-rezidivierendes Cervicobrachialsyndrom , ein Zustand nach Abrissfraktur des Olecranon rechts, ein chronisch-rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom sowie eine initiale Gon- und Sprunggelenksarthrose beidseits vor. Die vom ihm erhobenen Befunde hätten sich erheblich verschlechtert. Der Kläger sei überhaupt nicht mehr in der Lage, leichte, mittelschwere oder schwere körperliche Arbeiten zu verrichten. Der Facharzt für Allgemeinmedizin L. hat in seinem Befundbericht vom 14. Juni 2012 ausgeführt, der Kläger leide unter einer Anpassungsstörung, einer Persönlichkeitsstörung, einer depressiven Störung und einer Somatisierungsstörung. Die von ihm erhobenen Befunde hätten sich weder verschlechtert noch verbessert; eine Veränderung im Gesundheitszustand sei nicht eingetreten. Er hat eingeschätzt, dass maximal leichte Tätigkeiten in Betracht kämen, wobei er den zeitlichen Umfang nicht beurteilen könne. Dipl.-Med. S. hat in ihrem Befundbericht vom 31. August 2012 ebenfalls mitgeteilt, dass keine Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten seien. Die erhobenen Befunde hätten sich weder verschlechtert noch verbessert noch seien neue hinzugekommen. Nach ihrer Einschätzung könne der Kläger noch leichte körperliche Arbeiten verrichten. Hinsichtlich der Konzentrations- und Merkfähigkeit, Ausdauer, Wendigkeit und Anpassungsfähigkeit seien jedoch erhebliche Einschränkungen festzustellen.

23

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 23. April 2013 die Klage abgewiesen. Der Kläger sei weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Sein Leistungsvermögen betrage für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch wenigstens sechs Stunden täglich. Dies ergebe sich aus den ärztlichen Unterlagen, insbesondere aus dem Gutachten für die Agentur für Arbeit vom 26. März 2007, dem orthopädischen Gutachten vom 4. April 2008 und dem psychiatrisch fundierten Entlassungsbericht vom 28. April 2009. Der orthopädische Befundbericht vom 12. Juni 2012 habe keine wesentlich abweichenden neuen Befunde geschildert. Einzelheiten zu einer etwaigen Verschlechterung der bereits vorliegenden Befunde seien nicht dargelegt gewesen.

24

Der Kläger hat gegen das ihm am 7. Mai 2013 zugestellte Urteil am 29. Mai 2013 beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Er führt aus, er leide vor allem unter Krankheiten bzw. Behinderungen auf orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet. In den Knie- und Sprunggelenken habe er Knochenwucherungen. Seine Unterarme seien verwachsen. Es gäbe Bewegungseinschränkungen beider Ellenbogen und der Handgelenke. Beide Hüftgelenke und die Wirbelsäule seien funktionsgemindert. Außerdem habe er erhebliche Schmerzen in allen Körperregionen. Der ihn behandelnde Orthopäde MR Dr. B. habe ausgeführt, dass ihm - dem Kläger - eine Arbeitsleistung nicht mehr zugemutet werden könne. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet sei ebenfalls keine Leistungsfähigkeit mehr gegeben. Er traue sich praktisch nicht mehr unter Leute und habe den Kontakt zur Familie und zu früheren Freunden komplett abgebrochen. Es bestehe eine ausgeprägte Vermeidenshaltung , die sich in den letzten vier Jahren deutlich verstärkt habe. Das Gericht könne sich deshalb auch nicht auf den vier Jahre alten Rehabilitationsentlassungsbericht stützen.

25

Der Kläger beantragt,

26

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. April 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Oktober 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

27

Die Beklagte beantragt,

28

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

29

Sie hält das angefochtene Urteil und ihren Bescheid für zutreffend.

30

Mit Schriftsatz vom 26. September 2013 hat die Beklagte mitgeteilt, der Kläger habe am 7. Mai 2013 einen neuen Antrag auf Bewilligung von Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI gestellt. Zur Begründung dieses Neuantrages habe er vorgetragen, unter sehr starken Konzentrationsschwächen zu leiden und bei jeder kleinen Anforderung mit Kopfschmerzen bzw. Magen- und Darmproblemen zu reagieren. Er habe sich total zurückgezogen und kaum noch Kontakt zu seiner Verwandtschaft, sei sehr leicht reizbar und reagiere oft aufbrausend. Gleichzeitig sei er total antriebslos, habe ein ständiges Herzrasen und ständige starke Schmerzen im Hüft- und Rückenbereich, in den Knie-, Arm- und Ellenbogengelenken, der Schulter und im Nackenbereich. Die Beklagte hat die ihr vorliegenden Befundberichte eingereicht. Dr. W. und MR Dr. B. haben darin die Krankheitsvorgeschichte als aus orthopädischer Sicht unauffällig bezeichnet. Der Kläger sei mit Krankengymnastik, Einlagen, Ibuprofen, Fango und nicht steroidalen Antirheumatika behandelt worden. Von der Norm abweichende Untersuchungsbefunde seien nicht bekannt. Es bestehe auch weder derzeit noch in den letzten zwei Jahren eine Arbeitsunfähigkeit. Die Befunde verschlechterten sich jedoch laufend. Dipl.-Med. S. beschrieb in ihrem Befundbericht zum Rentenantrag, dass der Kläger nur wenig belastbar und schnell gereizt sei, sich über alles aufrege, weder über Ausdauer noch über Konzentrationsvermögen verfüge und über Rücken- und Gelenkschmerzen klage. Dennoch sei er psychisch bewusstseinsklar, in allen Ebenen orientiert, mit herabgeminderter Stimmungslage. Die Befunde hätten sich in den letzten zwölf Monaten nicht verändert. Die Beklagte hat den Antrag mit Bescheid vom 22. November 2013 abgelehnt. Auf den Widerspruch des Klägers vom 10. Dezember 2013 wurde das Widerspruchsverfahren ruhend gestellt.

31

Der Senat hat durch Einholung von Befund- und Behandlungsberichten ermittelt. Dipl.-Psych. K. hat in seinem Befundbericht vom 13. Januar 2014 mitgeteilt, dass ein letzter Kurzkontakt am 26. September 2013 stattgefunden habe. Der Kläger habe im Jahr 2008 mit einer Kurzzeitbehandlung begonnen, die jedoch aufgrund des - im Vordergrund stehenden - laufenden Rentenverfahrens unterbrochen worden sei. Bei dem Kläger lägen eine langjährige Angst- und Somatisierungsstörung, ein Schmerzsyndrom, eine kombinierte Persönlichkeitsstörung, eine sekundäre Anpassungsstörung mit leichter depressiver Verstimmung und eine leichte Intelligenzminderung vor. Eine Befundverbesserung habe nicht erzielt werden können; vielmehr seien die Beschwerden chronifiziert . Aufgrund zusätzlicher Belastungen, wie dem zunehmend schlechteren Gesundheitszustand der Ehefrau seit 2012 und der massiven finanziellen Schwierigkeiten seit 2013, sei eine weitere Verschlechterung der Befunde eingetreten. MR Dr. B. hat in seinem Befundbericht vom 13. Januar 2014 mitgeteilt, dass der Kläger hauptsächlich unter Schmerzen im Halswirbelsäulenbereich leide, welche in den Schultergürtel und in beide Arme mit Herabsetzung der groben Kraft ausstrahle. Außerdem beklage er Lendenwirbelsäulenbeschwerden, die teilweise in die Beine einstrahlten. Es habe eine kontinuierliche Verschlechterung der Beschwerden als auch der klinischen Symptomatik stattgefunden. Dipl.-Med. S. hat in ihrem Befundbericht vom 19. Januar 2014 mitgeteilt, dass die letzte Behandlung des Klägers ihrerseits am 8. März 2012 stattgefunden habe. Die von ihr erhobenen Befunde hätten sich bis zum letzten Beobachtungszeitpunkt weder gebessert noch verschlechtert. Der Facharzt für Allgemeinmedizin L. hat in seinem Befundbericht vom 30. Januar 2014 mitgeteilt, dass der Kläger seit Februar 2013 nicht mehr bei ihm in Behandlung gewesen sei. Insofern könne die Frage, ob sich die Befunde verschlechtert hätten, nicht beantwortet werden.

32

Der Senat hat das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Ha. vom 8. Oktober 2014 nach Untersuchung des Klägers am 21. August 2014 eingeholt. Die Begutachtung sei zunächst in Anwesenheit der Lebensgefährtin durchgeführt worden. Im weiteren Verlauf sei es dann auch möglich gewesen, die Testdiagnostik und die Untersuchung allein mit dem Kläger durchzuführen. Zu seinem Tagesablauf habe der Kläger berichtet, dass er nach dem Frühstück Reha-Sport betreibe und dorthin mit dem Fahrrad fahre oder zu Fuß gehe. Die Fische im Teich und im Aquarium füttere er. Er benutze auch einen Computer, sei jedoch ungeduldig und würde schnell ausrasten, wenn etwas nicht gelinge. Er gehe gelegentlich angeln und schaue im Fernsehen viele Berichte über den Krieg. Die Gutachterin hat bei dem Kläger folgende Erkrankungen festgestellt:

33

Kombinierte Persönlichkeitsstörung mit impulsiven, paranoiden und anankastischen Anteilen.

34

Leichte Somatisierungsstörung.

35

Angststörung mit ausgeprägtem Vermeidungsverhalten und sekundärem Krankheitsgewinn.

36

Darüber hinaus lägen Diagnosen anderer Fachgebiete vor:

37

Multiple partilaginäre Exostosen .

38

Chronisch-rezidivierendes Cervicobrachialsyndrom .

39

Zustand nach Abrissfraktur des Olecranon (Zustand nach Operation) rechts.

40

Chronisch-rezidivierendes lumbales Pseudoradikulärsyndrom .

41

Initiale Gon- und SPG-Arthrose beidseits.

42

Aus den vorliegenden Gesundheitsstörungen ergäben sich Funktionseinschränkungen wie eine reduzierte Konflikt- und Teamfähigkeit, Stresstoleranz sowie psychische Belastbarkeit, und aufgrund der körperlich bedingten Schmerzsymptomatik auch eine reduzierte körperliche Belastbarkeit. Aufgrund der Erkrankungen könne der Kläger arbeitstäglich sechs Stunden und mehr nur noch körperlich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen sowie überwiegend im Sitzen verrichten. Arbeiten mit einseitigen körperlichen Belastungen oder in Zwangshaltungen könne der Kläger maximal gelegentlich ausüben. Er könne im Freien unter Witterungsschutz und in geschlossenen Räumen arbeiten, wobei starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe zu vermeiden seien. Die volle Gebrauchsfähigkeit der Hände sei gegeben. Seh- und Hörvermögen seien nicht beeinträchtigt und genügten durchschnittlichen Anforderungen. Geistig sei der Kläger einfachen bis mittelschwierigen Anforderungen gewachsen. Hinsichtlich Reaktionsfähigkeit, Übersicht und Aufmerksamkeit sei er nur geringen Anforderungen gewachsen, ebenso in Bezug auf Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit. Er sei psychisch wenig belastbar, leicht störbar und gefährdet, impulsiv zu reagieren. Der Kläger könne in Wechselschicht arbeiten, nicht jedoch in Nachtschicht, unter besonderem Zeitdruck oder mit häufigem Publikumsverkehr. Körperliche Verrichtungen wie Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen seien dem Kläger möglich. Die durch die Symptomatik der Persönlichkeitsstörung begründeten inhaltlichen Leistungseinschränkungen seien von der Arbeitszeit unabhängig. Die Schmerzsymptomatik erreiche kein solches Ausmaß, dass sie den Tagesablauf des Klägers dominieren würde und berechtige damit bei Beachtung der ihm zumutbaren Arbeiten nicht zu einer zeitlichen Leistungslimitierung. Zusätzliche Pausen oder abweichende Bedingungen seien nicht erforderlich. Ebenso könne er Fußwege von mehr als 500 m viermal täglich in 20 Minuten zurücklegen und auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen bzw. ein Kraftfahrzeug führen. Die Gutachterin hat den Kläger als leicht reizbar beschrieben. Dieser fühle sich schnell angegriffen und ungerecht behandelt. Auch könne er sich nur eingeschränkt in das Gegenüber oder den Konfliktpartner hineinversetzen. Die paranoiden Persönlichkeitsstörungsanteile erreichten jedoch kein psychotisches oder psychosenahes Ausmaß. Eine Angstsymptomatik habe die Gutachterin nicht wahrnehmen können. Nachvollziehbar und verständlich sei jedoch, dass der Kläger unter Existenz- und Verlustängsten, insbesondere in Bezug auf seine Lebensgefährtin, leide. Dr. Ha. hat eingeschätzt, dass es dem Kläger, der in den letzten Jahren den Fokus auf das Erkämpfen der Rente gelegt habe, aufgrund seiner Persönlichkeitsstörungsanteile schwer fallen werde, eine Ablehnung zu akzeptieren. Dies begründe jedoch aus gutachterlicher Sicht nicht die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

43

Auf Antrag des Klägers hat der Senat gemäß § 109 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie H. vom 8. März 2015 nach Untersuchung des Klägers am 7. März 2015 eingeholt. Während der gesamten Untersuchung war seine seit dem 15. Januar 2015 mit ihm verheiratete langjährige Partnerin anwesend. Herr H. hat folgende Diagnosen benannt:

44

Posttraumatische Belastungsstörung.

45

Schwere rezidivierende depressive Störungen.

46

Lumbales Pseudoradikulärsyndrom .

47

Zervikobrachialsyndrom .

48

Migräne.

49

Arterielle Hypertonie.

50

Hyperlipidämie .

51

Osteoporose.

52

Initiale Gonarthrose.

53

Sprunggelenksarthrose beidseits.

54

Multiple kartilaginäre Exostosen .

55

Rezidivierende Metatarsalgie .

56

Dysplasie beider Unterarme mit distalen Ulnadefekten .

57

Diese Diagnosen würden zu Ängsten, Stimmungslabilität, Kopf-, Rücken- und Schulterarmschmerzen sowie solchen im gesamten Stützapparat führen. Es ergäben sich hieraus eine Vielzahl von Funktionseinschränkungen, wie Fehlsteuerungen im Gedächtnis mit Konzentrationsstörungen, eingeengtem Denken mit Beschwerdefixierung, fehlender Stresstoleranz sowie körperlicher Schwäche mit subjektivem Krankheitsgefühl und zahlreichen weiteren Einschränkungen, die der Gutachter im Einzelnen unter der Frage 2 auf den Seiten 50 und 51 seines Gutachtens ausgeführt hat. Er hat eingeschätzt, dass die posttraumatische Belastungsstörung zu einer andauernden Persönlichkeitsstörung führe, die eine massive Beeinträchtigung im täglichen Leben des Klägers darstelle. Es handele sich auch weder um Zustände der Aggravation noch der Simulation. Die Störung sei von erheblichem Krankheitswert, chronifiziert und therapieresistent. Aufgrund der Vielzahl der psycho-physischen Beeinträchtigungen sei eine regelmäßige Erwerbstätigkeit voll ausgeschlossen. Das Leistungsvermögen des Klägers sei aufgehoben. Er könne keiner Arbeit mehr nachgehen, auch nicht einer Tätigkeit in Heimarbeit, sodass sich die Frage nach der Gehfähigkeit des Klägers erübrige. Eine Prüfung der Gehfähigkeit habe Herr H. aus ethischen Gründen unterlassen. Nach Angabe des Klägers könne dieser maximal 50 m bewältigen, so dass Herr H. die Gehfähigkeit als aufgehoben eingeschätzt hat. Öffentliche Verkehrsmittel könne der Kläger wegen seiner Phobie nur in Begleitung benutzen. Ob der Kläger aus medizinischen Gründen bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges eingeschränkt sei, hat Herr H. offen gelassen. Die Minderung der Leistungsfähigkeit bestehe nach seiner Einschätzung seit 2002, als der Kläger seine akut erkrankte Mutter in einer akuten Schlaganfallssituation aufgefunden habe. Damals sei der Kläger noch bemüht gewesen, seinen Arbeitsvertrag bei V. in W. zu erfüllen. Zu einer deutlichen Verschlechterung seines Befindens sei es mit dem Tod der Mutter im Jahr 2005 gekommen. Im Jahr 2006 habe er sein Arbeitsverhältnis kündigen müssen. Ab dem Zeitpunkt der Antragstellung im Jahr 2007 sei das Leistungsvermögen des Klägers jedenfalls derart stark herabgesunken, dass von einer Leistungsfähigkeit nicht mehr gesprochen werden könne. Festgestellte Einschränkungen der Leistungsfähigkeit bestünden auch auf Dauer. Sein - des Klägers - Leistungsvermögen sei erloschen. Die Vorgutachterin Dr. Ha. irre sich bei der Einschätzung der Leistungsfähigkeit des Klägers ebenso wie auch die Ärzte der Rehabilitationsklinik. Dies liege jedoch auch daran, dass erst durch ihn - Herrn H. - habe diagnostiziert werden können, dass der Kläger an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Darüber hinaus lege Dr. Ha. das Konzept des sekundären Krankheitsgewinns aus der psychoanalytischen Lehre von Siegmund Freud falsch aus, so dass es zu einer Fehlentscheidung gekommen sei. Einen sekundären Krankheitsgewinn gebe es nach seiner - Herrn H.s - Ansicht bei dem Kläger nicht.

58

Dr. Ha. hat in ihrer Stellungnahme vom 8. Mai 2015 zum Gutachten des Herrn H. ausgeführt, dass durch das Auffinden seiner akut erkrankten Mutter in einer akuten Schlaganfallsituation und ihren späteren Tod kein psychisches Trauma im Sinne einer Traumatisierung beim Kläger entstanden sei, so dass eine posttraumatische Belastungsstörung nicht erkannt werden könne. Eine posttraumatische Belastungsstörung, bei welcher der Betroffene das Trauma nicht selbst benennen könne, sondern es ausschließlich von einem Gutachter 13 Jahre später ermittelt worden sei, gebe es nicht. Sie hat nochmals bekräftigt, dass beim Kläger sehr wohl ein sekundärer Krankheitsgewinn zu erkennen gewesen sei. Der sekundäre Krankheitsgewinn sei zu definieren als "die äußeren Vorteile, die der kranke Mensch aus bestehenden Symptomen ziehen kann" (Lexikon Online für Psychologie und Pädagogik). Der Krankheitsgewinn beim Kläger sei z. B. dadurch begründet, dass er seine behandelnden Ärzte dazu veranlasst habe, Bescheinigungen zu schreiben, er sei zu den gutachterlichen Gesprächen nur in Begleitung seiner Ehefrau in der Lage, obwohl sich während der Begutachtung gezeigt habe, dass beim Kläger keinesfalls ein krankheitsbedingtes Unvermögen zur Gesprächsführung ohne seine Ehefrau vorliege und er sehr gut in der Lage sei, mit seiner Krankheit zu argumentieren sowie Vorteile daraus zu erlangen. Außerdem sei widersprüchlich, dass der Kläger bei Herrn H. angegeben habe, jahrelang nicht mehr zu angeln, währenddessen er bei ihr dies noch angegeben habe. Ebenso könne der Kläger auch noch Auto fahren und tue dies auch. Die psychische Symptomatik des Klägers habe die von Herrn H. geschilderte Dramatik nicht.

59

In seiner Stellungnahme vom 1. Juli 2015 hat Herr H. eingeschätzt, dass Dr. Ha. seinen neurologischen Ausführungen hinsichtlich der Dissoziationsvorgänge im Gehirn des Erkrankten nicht wirklich habe folgen können. Sie irre sich mit ihrer Diagnose einer leichten Somatisierungsstörung. Ebenso falsch sei die Beurteilung einer paranoiden Persönlichkeitsstörung. Der Kläger habe einen primären Krankheitsgewinn im Sinne eines subjektiven Vorteils, der im Kranksein und in der Patientenrolle selbst liege, da er hierdurch Beachtung und Pflege erhalte. Seiner Beurteilung nach habe Dr. Ha. mit ihrem Gutachten gezeigt, dass sie sich weder auf dem Gebiet der posttraumatischen Belastungsstörung noch im Sprachgebrauch der Psychoanalyse bzw. der Tiefenpsychologie ausreichend auskenne. Sie verdränge den massiven Mutterkomplex des Klägers. Das Trauma sei in seinem Gedächtnis dissoziiert gespeichert worden und bleibe für ihn als persönliche Geschichte nicht reproduzierbar.

60

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten, die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

61

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Er hat keinen Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung.

62

Streitgegenstand ist die - unbefristete - Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung ausgehend vom Rentenantrag des Klägers vom 4. Oktober 2007. Dies hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung beim Senat nochmals klargestellt. Das Ziel der Bewilligung dieser Rente hat der Kläger zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG verfolgt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist die letzte mündliche Verhandlung der Tatsacheninstanz, wenn Verwaltungsakte mit Dauerwirkung im Streit sind, die laufende Leistungen betreffen und somit auch bei Bescheiderteilung in der Zukunft liegende Bewilligungszeiträume erfassen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17. Februar 2005 - B 13 RJ 31/04 R, Rn. 29 - juris). In Rechtsstreitigkeiten, die nicht mit dem Ziel einer Rentengewährung geführt werden, wird angenommen, dass ein neuer Antrag eine Zäsur darstellt und den streitgegenständlichen Zeitraum dahingehend begrenzt, dass nur noch der Zeitraum bis zum Folgeantrag zu berücksichtigen ist. Der angefochtene und streitbefangene Vorbescheid habe sich für den vom Neuantrag erfassten Zeitraum gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) auf andere Weise erledigt; denn die Steuerungsfunktion, die ihm ursprünglich innegewohnt habe, sei nachträglich entfallen (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 12/06 R -; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12. Juli 2012 - L 15 AS 184/10 -; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Februar 2013 - L 6 VS 1920/09 -; vgl. zum Begriff der Erledigung: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. September 2008 - 7 C 5/08 -, jeweils juris). Dies wird vom 1. Senat des LSG Sachsen-Anhalt auch für Rechtsstreitigkeiten mit dem Ziel einer - dauerhaften - Rentengewährung so gesehen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Mai 2015 - L 1 R 79/13 B - juris; Urteil vom 4. Juni 2015 - L 1 R 136/13 - nicht veröffentlicht; Urteil vom 2. Juli 2015 - L 1 R 59/13 - juris). Diese Beurteilung teilt der erkennende Senat nicht (ebenso Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2015 - L 13 R 923/13 - juris, Rn. 40, wonach für einen neuen Rentenantrag das Rechtsschutzbedürfnis fehlt). Zwar ist der auf den Folgeantrag erlassene Verwaltungsakt nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG in das laufende Verfahren einzubeziehen. Diese Norm setzt voraus, dass der neue Verwaltungsakt den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Der ursprüngliche, ablehnende Verwaltungsakt kann jedoch mit Wirkung für die Zukunft weder abgeändert noch ersetzt werden (Beschluss des erkennenden Senats vom 29. Januar 2014 - L 3 R 347/13 B - juris, Rn. 7; Bayerisches LSG, Urteil vom 26. Oktober 2015, a.a.O.). Denn die Ablehnung der Leistung ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Gegen den auf einen weiteren Rentenantrag ergehenden ablehnenden Folgebescheid kann abermals Widerspruch und Klage mit dem Ziel einer Rentengewährung erhoben werden. Eine Begrenzungswirkung lässt sich daraus jedoch nicht ableiten (a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 13. Mai 2015 - L 1 R 79/13 B - juris). Dies ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Zum einen ist bei einem Neuantrag auf Rente der vom Bescheid erfasste Zeitraum abhängig davon, ob eine Dauerrente oder eine Zeitrente begehrt bzw. bewilligt wird. Zum anderen zielt ein Rentenantrag auf die Bewilligung einer gleichbleibenden monatlichen Rentenzahlung ab. Diese stellt einen Dauerverwaltungsakt dar, der sich von Dauerverwaltungsakten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) bzw. dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) unterscheidet. Hier (im SGB XII und im SGB II) erfolgt eine Bewilligung für einen vorher bestimmten und begrenzten Zeitraum, jeweils u.a. abhängig von den monatlich zur Verfügung stehenden Mitteln. Es handelt sich damit um monatliche Bewilligungen, die aus Praktikabilitätsgründen in einem Verwaltungsakt zusammengefasst werden. Eine Rente hingegen wird als Dauerrente bis zum Beginn der Altersrente bzw. für einen befristeten Zeitraum bewilligt. Maßgebend hierfür ist der Eintritt des Leistungsfalls bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen. Sind diese beiden Voraussetzungen erfüllt, wird eine Rente bewilligt, die kraft Gesetzes monatlich in gleicher Höhe - unter Berücksichtigung der Anpassungen - für einen bestimmten Zeitraum ausgezahlt wird. Eine Begrenzung ergibt sich nur bei einer Rentengewährung auf den Folgeantrag, da insoweit der Anspruch erfüllt ist und Erledigung des Streitgegenstands eintritt. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, da auch der Folgeantrag abgelehnt worden ist.

63

Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 SGB VI). Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

64

Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist für den streitgegenständlichen Zeitraum von folgendem Leistungsbild auszugehen: Der Kläger ist noch in der Lage, arbeitstäglich sechs Stunden und mehr körperlich leichte Arbeiten im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen sowie überwiegend im Sitzen zu verrichten. Arbeiten mit einseitigen körperlichen Belastungen oder in Zwangshaltungen können maximal gelegentlich ausgeübt werden. Er kann im Freien unter Witterungsschutz und in geschlossenen Räumen arbeiten, wobei starke Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe zu vermeiden sind. Die Hände sind voll gebrauchsfähig. An das Seh- und Hörvermögen können durchschnittliche Anforderungen gestellt werden. Geistig kann der Kläger Arbeiten mit einfachen bis mittelschwierigen Anforderungen erledigen. Bezüglich Reaktionsfähigkeit, Übersicht, Aufmerksamkeit, Verantwortungsbewusstsein und Zuverlässigkeit ist er geringen Anforderungen gewachsen.

65

Diese Einschätzung wird im Wesentlichen auf die Feststellungen in den Gutachten von Dr. F. vom 4. April 2008 und von Dr. Ha. vom 4. Oktober 2014 einschließlich ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 8. Mai 2015, in dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik D. H. vom 28. April 2009 sowie in den eingeholten Befundberichten gestützt.

66

Der Kläger leidet unter einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit impulsiven, paranoiden und anankastischen Anteilen, einer leichten Somatisierungsstörung, einer Angststörung mit ausgeprägtem Vermeidungsverhalten und sekundärem Krankheitsgewinn, multiplen partilaginären Exostosen , einem chronisch-rezidivierenden Cervicobrachialsyndrom , einem Zustand nach Abrissfraktur des Olecranon (Zustand nach Operation) rechts, einem chronisch-rezidivierenden lumbalen Pseudoradikulärsyndrom , einer Arthrose beider Ellenbogengelenke sowie einer initialen Gon- und Sprunggelenksarthrose beidseits. Diese Erkrankungen führen zu den oben genannten qualitativen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit. Eine darüber hinausgehende quantitative Leistungseinschränkung kann jedoch nicht erkannt werden. Dr. F. berichtet in seinem Gutachten von multiplen Osteochondromen , die zu Wachstumsstörungen im Bereich mehrerer Gelenke geführt haben. Hieraus ergibt sich seiner Einschätzung nach, der der Senat folgt, keine quantitative Einschränkung der Leistungsfähigkeit. Soweit MR Dr. B. in seinen Befundberichten vom 12. Juni 2012 und vom 13. Januar 2014 mitteilt, dass nach seiner Beobachtung eine kontinuierliche Verschlechterung der Beschwerden und der klinischen Symptomatik zu verzeichnen sei, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Beweglichkeit der Gelenke der oberen Extremitäten beschreibt er lediglich als endgradig eingeschränkt. Darüber hinaus ist eine ständige Betreuung des Klägers durch den Orthopäden, den er in einem Zeitraum von mehr als vier Monaten (bis zum Befundbericht vom 13. Januar 2014) nicht konsultiert hatte, nicht ersichtlich. In der zuvor am 2. September 2013 innerhalb des neuen Rentenverwaltungsverfahrens abgegebenen Einschätzung des Orthopäden hat er zur Krankheitsvorgeschichte des Klägers der letzten zwei Jahre ausgeführt, sie sei "orthopädischerseits unauffällig" und von der Norm abweichende Befunde seien "nicht bekannt".

67

Eine zeitliche Leistungseinschränkung ergibt sich auch nicht aufgrund der psychiatrischen Gesundheitsstörung. Dr. Ha. hält aufgrund der Symptomatik der Persönlichkeitsstörung die genannten inhaltlichen Leistungseinschränkungen für erforderlich, ohne dass gleichzeitig eine Einschränkung bei der Arbeitszeit notwendig wird. Die Schmerzsymptomatik erreicht nach ihrer Einschätzung kein solches Ausmaß, dass sie den Tagesablauf des Klägers dominiere, und berechtige damit bei Beachtung der ihm zumutbaren Arbeiten nicht zu einer zeitlichen Leistungslimitierung. Diesen schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen folgt der Senat. Die Gutachterin hat zwar beobachtet, dass der Kläger leicht reizbar sei, sich schnell angegriffen und ungerecht behandelt fühle und nur eingeschränkt in der Lage sei, sich in das Gegenüber oder den Konfliktpartner hineinzuversetzen. Sie schätzt darüber hinaus jedoch auch ein, dass die paranoiden Persönlichkeitsstörungsanteile kein psychotisches oder psychosenahes Ausmaß erreichen. Zwar bestünden verständliche Existenz- und Verlustängste des Klägers, eine Angstsymptomatik sei jedoch nicht wahrzunehmen gewesen. Dem entspricht auch der von Dr. S. eingeholte Befundbericht vom 31. August 2012, in dem sie einschätzt, dass die Anpassungsfähigkeit des Klägers erheblich eingeschränkt sei. Insgesamt wird der gesundheitliche Zustand jedoch als unverändert beschrieben. Ebenso beurteilt Herr L. in seinem Befundbericht vom 14. Juni 2012 den Gesundheitszustand des Klägers. Insbesondere folgt der Senat den Ausführungen der Gutachterin zum sekundären Krankheitsgewinn, also einem über dem primären Krankheitsgewinn, der im Kranksein und in der Patientenrolle selbst liegt und zu vermehrter Beachtung und Pflege führen kann, hinausgehenden Nutzen, den der Kläger aus seiner Krankheit zieht bzw. ziehen möchte. Dr. Ha. führt aus, der Kläger habe in den letzten Jahren den Fokus auf das Erkämpfen der Rente gelegt. Dies wird auch aus der Verwaltungs- und Gerichtsakte deutlich. Im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik vom 28. April 2009 wird berichtet, dass beim Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben indiziert, vom Kläger jedoch aufgrund des im Vordergrund stehenden Rentenbegehrens nicht gewünscht seien. In seinem Arztbrief vom 22. Dezember 2010, übersandt an den Hausarzt L., führt Dipl.-Psych. K. aus, die Orientierung des Klägers auf das laufende Rentenverfahren stünde weiterhin im Vordergrund. Eine indizierte Behandlung sei deshalb abgebrochen worden. In seiner Bescheinigung vom 9. Juni 2011 zur Vorlage beim Jobcenter führt Dipl.-Psych. K. aus, eine Arbeitsvermittlung erscheine u.a. aufgrund des "ungeklärten Sozialstatus im laufenden EU-Rentenverfahren" wenig sinnvoll. Dipl.-Psych. K. hat das Rentenbegehren auch in seinem Befundbericht vom 26. September 2013 erwähnt. Ob diese Schreiben durch die Ehefrau initiiert wurden, wie von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragen, spielt dabei keine Rolle. Denn insoweit wird deutlich, dass der Kläger und ggf. auch zusätzlich seine Ehefrau ihr Augenmerk zumindest seit der Behandlung in der Rehabilitationsklinik auf die Erlangung der Rente gelegt haben. Dr. Ha. teilt mit, dass die beim Kläger vorliegende Gesundheitsstörung mit Ablehnung des Rentenantrags zwar wahrscheinlich nicht verschwinden werde; es sei jedoch eine Besserung vorstellbar, da die bewussten Anteile einer willkürlichen Steuerung des Klägers nicht entglitten seien. Dies dürfte dabei insbesondere dann zutreffen, wenn die Ehefrau - wie vom Prozessbevollmächtigten vorgetragen - das Rentenverfahren vorangetrieben hat.

68

Der Senat folgt hingegen nicht der hiervon abweichenden Einschätzung des Herrn H. in seinem Gutachten vom 8. März 2015, das aufgrund seiner Mängel für nicht verwertbar erachtet wird, sowie der ergangenen Stellungnahme vom 1. Juli 2015. Im Gutachten sind die Anamnese, die Befunderhebung und die Beantwortung der Beweisfragen nicht plausibel. Zunächst ist zu beanstanden, dass die Ehefrau des Klägers bei der gesamten Untersuchung mit dem Ziel der Erkenntnisgewinnung, in welchem Umfang der Kläger aus nervenärztlicher Sicht noch erwerbsfähig sei, nicht nur anwesend ist, sondern in die Untersuchungsgespräche einbezogen wird, ohne dass erkennbar ist, welche Angaben vom Kläger und welche von ihr stammen. Herr H. lässt sich hiervon und von den Beschwerdeäußerungen des Klägers ohne weitere Konsistenzprüfung leiten. An einer solchen kritischen Zusammenschau von Exploration, Untersuchungsbefunden, Verhaltensbeobachtung und Aktenlage fehlt es. Herr H. führt nicht aus, ob bzw. welche Einzelbefunde - bis auf Größe und Gewicht des Klägers - er erhoben hat und welche Untersuchungen durchgeführt wurden. Die Beantwortung der Beweisfragen erfolgt nicht aus einem neutralen, objektiven Standpunkt, sondern lediglich auf Grundlage der subjektiven Beschwerdeschilderungen des Klägers und mit dem Ziel, mit seinen - Herrn H.s - Ausführungen dem "berechtigten Anliegen des Klägers nach Anerkennung seines aufgehobenen Leistungsvermögens" zur Anerkennung zu verhelfen. Herr H. schätzt ein, dass aufgrund der Vielzahl der psycho-physischen Beeinträchtigungen eine regelmäßige Erwerbstätigkeit voll ausgeschlossen sei. Nach seiner Ansicht führen die Erkrankungen des Klägers zu Ängsten, Stimmungslabilität, Kopf-, Rücken- und Schulterarmschmerzen sowie solchen im gesamten Stützapparat sowie zu einer Vielzahl von Funktionseinschränkungen, wie Fehlsteuerungen im Gedächtnis mit Konzentrationsstörungen, eingeengtem Denken mit Beschwerdefixierung, fehlender Stresstoleranz sowie körperlicher Schwäche mit subjektivem Krankheitsgefühl. Herr H. diagnostiziert eine chronifizierte und therapieresistente posttraumatische Belastungsstörung, die massive Beeinträchtigungen im täglichen Leben des Klägers hervorrufe. Eine Überprüfung der tatsächlichen Leistungsfähigkeit anhand der Anamnese, des Tagesablaufes und der körperlichen Untersuchungsbefunde findet nicht statt. Zustände der Aggravation und der Simulation habe er nicht erkannt. Dem widerspricht Dr. Ha. in ihrer ergänzenden Stellungnahme mit Verweis auf ihr Gutachten überzeugend. Die von Herrn H. beschriebenen und auch von ihr beobachteten Symptome belegen ein erhebliches Ausmaß einer histrionischen Persönlichkeitsstörung, die jedoch die von Herrn H. geschilderte Dramatik nicht erreicht. Dabei verkennt der Senat nicht, dass das Auffinden seiner Mutter in einer akuten Schlaganfallsituation im Jahr 2002 und ihr späterer Tod im Jahr 2005 für den Kläger emotional belastende Erfahrungen waren. Doch es wird auch festgestellt, dass der Kläger selbst bei Herrn H. erklärt hat: "Was soll das Gespräch über meine Mutter, schließlich geht es ja wohl um mich und meine Probleme, die ich bei V. hatte, und nicht um meine Mutter!" Herr H. schließt hieraus, der Kläger wolle nicht über das Trauma reden bzw. könne aufgrund des Dissoziierungsvorgangs im Gedächtnis nicht darüber reden. Dies ist nach Auffassung Dr. Ha., der sich der Senat anschließt, nicht zwingend. Ein belastendes Ereignis im Sinne einer seelischen Verletzung sei im Auffinden der Mutter nicht zu erkennen. Insbesondere, da der Kläger das Trauma selbst nicht als solches habe benennen können. Außerdem war der Kläger weiterhin über 2002 hinaus voll erwerbstätig und kündigte seine Arbeitsstelle erst im Anschluss an eine erlittene Lungenentzündung, die seinen gesundheitlichen Zustand nach eigener Aussage zu sehr belastet habe. Für den Senat erschließt sich zudem nicht, wieso die erstmals von Herrn H. diagnostizierte posttraumatische Belastungsstörung von ihm als chronifiziert und therapieresistent eingeschätzt wird, wenn doch bislang eine Therapie dieser Belastungsstörung mangels der Erkenntnis ihres Vorliegens noch überhaupt nicht versucht wurde. Darüber hinaus ist für den Senat auch die Einschätzung, dass eine Aggravation ausgeschlossen sein soll, nicht überzeugend. Herr H. verneint die entsprechende Frage ohne weitere Begründung. Hierzu ist mit Dr. Ha. festzustellen, dass der Kläger widersprechende Angaben im August 2014 zum Beispiel in Bezug auf das Angeln bei ihr - "Er gehe gelegentlich angeln. In der vorigen Woche sei er einmal zum Angeln gewesen." - und im März 2015 bei Herrn H. - "Herr M. ist immer noch im Angelerverein , obwohl er schon seit Jahren aus Gründen seiner sozialen Phobie nicht mehr zum Angeln geht." gemacht hat. Eine Aggravation ist damit zumindest nicht ausgeschlossen.

69

Bei dem Kläger liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder ein Katalog- oder Seltenheitsfall vor, die trotz des Leistungsvermögens von mehr als sechs Stunden täglich zur Verschlossenheit des allgemeinen Arbeitsmarktes führen würden. Die Beklagte war daher nicht verpflichtet, unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt einen konkreten Arbeitsplatz zu benennen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 Nr. 8 - juris; für die neue Rechtslage: BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -, juris). Das Leistungsvermögen des Klägers reicht zumindest noch für Tätigkeiten wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von Teilen. Es sind weder zusätzliche Pausen noch abweichende Bedingungen erforderlich.

70

Der Arbeitsmarkt ist für den Kläger auch im Übrigen nicht verschlossen. Der Arbeitsmarkt gilt als verschlossen, wenn einem Versicherten die sogenannte Wegefähigkeit fehlt. Zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können. Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Wegefähigkeit liegt vor, soweit ein Versicherter viermal täglich Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann (BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 - 13/5 RJ 73/90 -, Urteil vom 12. Dezember 2011 - B 13 R 79/11 -, juris). Die Wegefähigkeit des Klägers ist entgegen der Auffassung Herrn H.s gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger keine Fußwege von mehr als 500 m viermal täglich in 20 Minuten zurücklegen und auch öffentliche Verkehrsmittel benutzen könnte, sind nicht mitgeteilt und für den Senat auch sonst nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist der Kläger in der Lage, ein Kraftfahrzeug zu führen. Herr H. hat die Wegefähigkeit ungeprüft verneint. Auch dieser Aspekt zeigt die Unverwertbarkeit des Gutachtens. Ein Gutachter hat aufgrund seiner Sachkunde und seiner Erfahrung zu tatsächlichen Sachverhalten Stellung zu nehmen, diese unparteiisch, unabhängig und objektiv fachlich zu beurteilen oder zu bewerten. Dass Herr H. die Wegefähigkeit des Klägers aus ethischen Gründen gar nicht erst geprüft hat, sondern die Angabe des Klägers, maximal noch 50 m zurücklegen zu können, als Antwort genutzt hat, zeigt, dass er nicht die neutrale, sachliche Position eines Gutachters, sondern vielmehr eine parteinahe Stellung eingenommen hat. Für eine subjektive Grundeinstellung spricht auch, dass Herr H. hofft, dem berechtigten Anliegen des Klägers hinsichtlich seines aufgehobenen Leistungsvermögens zur Anerkennung verholfen zu haben.

71

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

72

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


Wird der gegen einen Verwaltungsakt gegebene Rechtsbehelf nicht oder erfolglos eingelegt, so ist der Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 23. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

2

Die am ... 1952 geborene Klägerin ist gelernte Wirtschaftsgehilfin mit Teil-Facharbeiterabschluss. Sie war als Wirtschaftsgehilfin, Mulifahrerin, Gabelstaplerfahrerin und Binderin beschäftigt. Sie arbeitete zuletzt bis 1991 als Adjustiererin beim VEB W. H. (Rechtsnachfolger: ... GmbH). Seitdem ist die Klägerin arbeitslos, unterbrochen von AB-Maßnahmen, einem so genannten Ein-Euro-Job und einer Umschulung. Außerdem bestand im Zeitraum von 1998 bis 1999 ein befristetes Arbeitsverhältnis über die Dauer von sechs Monaten als Mitarbeiterin der Produktion, welches nicht verlängert wurde.

3

Am 13. November 2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Erwerbsminderungsrente. Im Antragsformular gab sie an, sich wegen einer Total-Operation, Durchblutungsstörungen, Verengung der Blutgefäße, Netzhaut-Operation, Nackenwirbel-Verkrümmung und wegen eines Bandscheibenvorfalls seit 2007 erwerbsgemindert zu fühlen. Sie könne höchstens zwei bis drei Stunden täglich erwerbstätig sein.

4

Die Beklagte veranlasste die Begutachtung der Klägerin durch Frau Dr. S., Fachärztin für Allgemeinmedizin und Gutachterin bei ihrem Sozialmedizinischen Dienst H. Im Gutachten vom 18. Februar 2008 diagnostizierte sie ein chronisches Lendenwirbelsäulenschmerzsyndrom bei bekannter Facettengelenksarthrose mit leichtgradiger Leistungseinschränkung, eine chronisch ischämische Herzerkrankung und Fingergelenksarthrosen rechts. Die Fingergelenke der rechten Hand seien diskret verschwollen. Der Faustschluss sei vollständig möglich. Im Übrigen seien die großen Gelenke aktiv und passiv frei beweglich. Das Gangbild sei flüssig und unauffällig. Der Finger-Boden-Abstand betrage 20 cm, das Zeichen nach Schober 10/15 cm. Zehen-, Fersen- und Einbeinstand seien ausführbar. Neurologische Auffälligkeiten bestünden nicht. Eine Lungenfunktionsstörung stelle sich nicht dar. Die Klägerin habe in 14 Minuten eine Wegstrecke von 504 Metern zurückgelegt. Sie habe danach über Schmerzen im linken Hüft- und Kniegelenk geklagt. Trotz Korrektur betrage der Visus auf beiden Augen unter 0,3. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten mit weiteren Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten.

5

Mit Bescheid vom 3. März 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin am 2. April 2008 mit Widerspruch. Sie trug vor, sie sei bereits vom Fahren des Gabelstaplers aus gynäkologischen Gründen befreit gewesen. Sie leide zudem an Gleichgewichtsstörungen, weshalb sie nicht in der Lage sei, einer Arbeit nachzugehen.

6

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass unter Berücksichtigung aller erhobenen Befunde ärztlicherseits noch ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen für körperlich leichte Tätigkeiten festgestellt worden sei. Der Beruf als Gabelstaplerfahrerin unterläge nicht den Regelungen zum Berufsschutz. Die Tätigkeit sei den ungelernten Tätigkeiten zuzuordnen. Einer konkreten Verweisung bedürfe es nicht.

7

Einen weiteren Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vom 7. August 2008 wegen einer angegebenen starken Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit einer angenommenen Leistungsminderung ab Februar 2008 wegen Durchblutungsstörungen, Herzgefäßverengungen, Sehschwäche, Nackenwirbelverengung, Bandscheibenvollfall und gynäkologischer Total-Operation lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2009 ab. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit Widerspruch, über den noch nicht entschieden worden ist.

8

Die Klägerin hat am 27. April 2009 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Sie hat vorgetragen, sie könne aufgrund eines schlechten Sehvermögens keinen PKW mehr fahren. Sie leide an einem Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule (HWS). Sie könne ihren linken Arm kaum gebrauchen. Sechs Stunden Tätigkeit halte sie nicht aus. Es bestünden Gleichgewichtsstörungen und die Herzgefäße seien zu 40 % verengt.

9

Die Klägerin hat sich am 7. September 2009 wegen eines unklaren Visusabfalls links in die Sprechstunde der Universitätsklinik und Poliklinik in H. begeben. Der Visus betrage nach der Epikrise über die Behandlung rechts 0,05, links 1/30. Der klinische Befund und die Angaben der Klägerin seien nicht komplett vereinbar. Es sei in der kranialen Bildgebung kein morphologisches Korrelat zur Erklärung der Visuseinschränkung gefunden worden.

10

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung von sachverständigen Zeugenauskünften der die Klägerin behandelnden Ärzte. Herr Dipl. Med. E., Facharzt für Orthopädie, hat am 29. Oktober 2009 von einem rezidivierenden Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit wechselnden Funktionsstörungen bei degenerativen Veränderungen berichtet. Es könne aktuell davon ausgegangen werden, dass leichte Tätigkeiten sechs Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich möglich seien. Herr Dr. S., Facharzt für Allgemeinmedizin, hat am 10. Dezember 2009 eine Netzhautablösung (Ablatio retinae) am rechten Auge in den Jahren 1998 und 2008 mitgeteilt. Das rechte Auge nehme seitdem nur noch hell und dunkel wahr. Links betrage der Visus 0,5. Frau Dr. H., Fachärztin für Augenheilkunde, hat am 12. Januar 2010 von einem Visusabfall auf dem rechten Auge im August 2008 bei fast totaler Netzhautablösung mit einer Sehschärfe von 1/60 berichtet. Es sei postoperativ ein leichter Visusanstieg auf bestens 0,1 erreicht worden. Für einen Visusabfall links auf 1/36 - und zuletzt 1/50 - sei keine Ursache gefunden worden.

11

Im vom SG angeordneten augenfachärztlichen Gutachten vom 9. Juni 2011 hat der Facharzt für Augenheilkunde und Arbeitsmedizin Herr Priv. Doz. Dr. M. folgende Diagnosen gestellt: hohe Kurzsichtigkeit beidseits, degenerative Myopie, Stabsichtigkeit, Zustand nach Netzhautablösung rechts 1998 mit Plombenaufnähung und 2008 mit Plombenentfernung und Cerclage, Kunstlinse rechts, Gesichtsfelddefekte beidseits und Farbsinnstörung. Die Klägerin habe angegeben, erblindet zu sein. Sie könne nicht allein ausgehen und einkaufen. Ihr Mann begleite sie. Der Visus sei rechts mit 1/36 und links mit 1/50 zu ermitteln. Bei der Projektionsperimetrie habe eine erschwerte Compliance vorgelegen. Die Angaben der Klägerin bei der Ermittlung des Gesichtsfeldes entsprächen nicht den physiologisch-optischen Gesetzen. Es bestünde eine Diskrepanz zwischen den subjektiven Angaben der Klägerin und den objektiven Befunden. Die starke Visusherabsetzung rechts könne hinreichend erklärt sein. Nach Abhebung zentraler Netzhautbezirke sei durch das Absterben von wichtigen Nervenzellen des Zentrums keine gute Sehschärfe mehr zu erreichen. Es bestünde links kein Anhalt für einen Sehnervenschwund, für einen Schaden an der schärfsten Stelle des Sehens oder für eine Netzhautablösung. Der Visus von 1/50 sei nicht durch den Befund erklärbar. Eine Aggravation könne nicht ausgeschlossen werden. Die Klägerin sei beobachtet und unbeobachtet nicht blind. Sie greife gezielt nach Gegenständen, finde sich in unbekannter Umgebung zurecht und setze sich nach Aufforderung auf den richtigen Stuhl. Der Gutachter hat eine stationäre Begutachtung empfohlen.

12

Das SG hat zudem eine Arbeitgeberauskunft der ... GmbH eingeholt. Auf Blatt 91 ff der Gerichtsakte wird verwiesen.

13

Mit einer erneuten Begutachtung der Klägerin auf augenärztlichem Fachgebiet hat das SG den Oberarzt Dr. W., tätig an der Klinik und Poliklinik des Universitätsklinikums M., beauftragt. Im Gutachten vom 4. April 2012 hat der Facharzt für Augenheilkunde folgende Diagnosen gestellt: Aggravation, hohe Achsenmyopie (Kurzsichtigkeit), Astigmatismus (Stabsichtigkeit), Zustand nach Plombenentfernung rechts, Cerclage (Augapfelumgürtelung) rechts, Phakoemulsifikation (grauer Star-Operation) rechts, Kunstlinsen-Implantation und glaskörperchirurgischer Eingriff rechts 2008, rissbedingte Netzhautablösung bei Zustand nach Plombenaufnähung bei Netzhautablösung 1998 und Netzhautdegeneration der Netzhautmitte rechts. Am linken Auge bestünde eine Glaskörperanheftung in der Netzhautmitte mit Glaskörperzug. Die ermittelte Sehschärfe betrage für die Ferne rechts 1/20 mit Korrektur, links 1/30. Bei der Sehschärfe für die Nähe habe die Klägerin keine Sehzeichen erkannt. Die Gesichtsfeldaußengrenzen seien konzentrisch eingeschränkt auf ca. 20 Grad angegeben worden. Die Klägerin finde sich im freien Raum und in ihr unbekannten Räumen gut zurecht, gebe zielgerichtet die Hand, könne im Raum stehende Gegenstände ohne Probleme umgehen und folge dem Untersucher in den ihr unbekannten Gängen der Augenklinik bei guter wie schlechter Beleuchtung ohne Probleme. Die Klägerin lese die aktuelle Medikation von einem bedruckten Kärtchen ab. Die Sehschärfen- und Gesichtsfeldangaben stimmten nicht mit den morphologisch-anatomischen und funktionellen Befunden überein. Es könne aufgrund der Untersuchungen davon ausgegangen werden, dass am rechten Auge eine Sehschärfe im Bereich von 0,1 und am linken Auge von mindestens 0,5 bestünde. Es sei zudem von nahezu normalen Gesichtsfeldaußengrenzen auszugehen. Es könne daher jegliche Tätigkeit verrichtet werden, die keiner erhöhten Sehanforderung bedürfe. Das Führen von gewerblichen Fahrzeugen sei nicht zulässig. Das private Führen von Kfz sei aufgrund der geschätzten Sehfunktion mit Tragen einer Korrektur statthaft. Das längere Lesen sehr kleiner Texte oder am PC sei nur mit optischen Hilfsmitteln realisierbar. Leichte Sortierarbeiten oder Bürotätigkeiten könne die Klägerin noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

14

Die Klägerin bezieht seit dem 1. April 2013 eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

15

Mit Urteil vom 23. Januar 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit sie den Bescheid vom 20. April 2009 betreffe. § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sei nicht einschlägig, da der Bescheid vom 20. April 2009 den Bescheid vom 3. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2009 nicht abgeändert noch ersetzt habe. Ein auf einen erneuten Antrag ergehender zweiter Ablehnungsbescheid sei nicht (mehr) nach § 96 SGG einzubeziehen. Im Übrigen sei die Klage unbegründet, da die Klägerin seit 2007 noch in der Lage gewesen sei, sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Kammer folge den Gutachten der Frau Dr. S. und des Herrn Dr. W. Dass die Klägerin nicht nahezu blind sei, wie von ihr behauptet, ergäbe sich insbesondere nach den augenärztlichen Begutachtungen. Ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestünde nicht, da die Klägerin höchstens als Angelernte im unteren Bereich einzustufen und in der Lage sei, leichte Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

16

Die Klägerin hat am 15. April 2013 gegen das ihr am 2. April 2013 zugestellte Urteil Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Sie leide an einer schweren Augenerkrankung beider Augen und sei hochgradig sehbehindert. Es existierten deshalb nur wenige Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, welche ihr noch angeboten werden könnten. Es handele sich um eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Sie könne nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Es sei die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 31. Januar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem

19

1. November 2007 bis zum 31. Juli 2008 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

22

Sie verweist zur Begründung auf das erstinstanzliche Vorbringen und auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

23

Der Senat hat Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte eingeholt. Herr Dr. V., Facharzt für Augenheilkunde, hat im August 2014 eingeschätzt, die Klägerin könne unter Berücksichtigung der augenärztlichen Befunde nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein. Eine Beschäftigung in einem Blindenberuf sei denkbar. Dem Gutachten des Herrn Dr. W. sei nicht zu entnehmen, worauf dieser den Vorwurf der Aggravation stütze. Die bloße Diskrepanz von objektiven Befunden und subjektiven Angaben genüge nicht zwangsläufig. Die Beweiskette sei nicht vollständig dargelegt.

24

Die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Verwaltungsakte des Versorgungsamtes haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die nach § 143 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

26

Zunächst ist auszuführen, dass über die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20. April 2009 nicht zu befinden ist. Dieser Bescheid war nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gemäß § 86 SGG, da jenes mit dem Erlass des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2009 abgeschlossen war. Der Bescheid ist insbesondere nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Klage- und damit auch des Berufungsverfahrens geworden. Danach wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Der Anwendbarkeit von § 96 SGG steht zunächst nicht entgegen, dass der Bescheid vom 20. April 2009 im Zeitraum zwischen Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides und Klageerhebung am 27. April 2009 ergangen ist. Die Einbeziehung des Bescheides vom 20. April 2009 in analoger Anwendung von § 96 Abs. 1 SGG kommt dennoch nicht in Betracht. Durch den Wortlaut von § 96 SGG in der Fassung ab dem 1. April 2008 soll nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers der Anwendungsbereich der Norm dahingehend eingeschränkt werden, dass eine Einbeziehung eines neu ergangenen Verwaltungsaktes nur in direkter und nicht in entsprechender Anwendung der Vorschrift erfolgen kann (vgl. BT-Drs. 16/7716, S. 18f). Die bloße Einbeziehung eines neuen Verwaltungsaktes in das anhängige Verfahren, nur weil der neue Verwaltungsakt mit dem anhängigen Streitgegenstand in irgendeinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang stand, soll nach der Neufassung nicht mehr möglich sein. Eine Änderung oder Ersetzung liegt nur vor, wenn in den im Verfügungssatz des Bescheides zum Ausdruck kommenden Regelungsgehalt des ursprünglichen Bescheides eingegriffen wird.

27

Der ablehnende Bescheid, der auf einen erneuten Antrag ergeht, ist jedoch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens, weil die Ablehnung der Leistung kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist und mit Wirkung für die Zukunft weder geändert noch ersetzt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14 AS 44/08 B; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. März 2015 – L 4 P 2196/14). Um einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelt es sich nur, wenn er über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus Wirkungen erzeugt. Daran fehlt es, wenn lediglich die Gewährung einer Leistung abgelehnt wird, weil mit der Ablehnung eines Antrages die Rechtslage nur einmalig gestaltet und das Bestehen eines Leistungsverhältnisses gerade verneint wird (BSG, Urteil vom 30. Januar 1985 – 1 RJ 2/84). Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist bei der Ablehnung von Leistungen ohne zeitliche Beschränkung grundsätzlich der gesamte Zeitraum bis zum für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt. Bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen im Sinne von § 54 Abs. 4 SGG - um eine solche handelt es sich vorliegend - ist dies grundsätzlich der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht. Dies gilt jedoch nicht, sofern zwischenzeitlich ein neuer Antrag auf Leistungen gestellt worden ist. Dann hat sich der angefochtene und streitbefangene Vorbescheid für den vom Neuantrag erfassten Zeitraum gemäß § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) auf andere Weise erledigt.

28

Die Klägerin stellte am 7. August 2008 erneut einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Der Eintritt eines Leistungsfalls ist daher für den Zeitraum ab Antragstellung nicht mehr entscheidungsrelevant, da sich der streitgegenständliche Bescheid ab dem Zeitpunkt der erneuten Antragstellung, der dann vom Folgebescheid erfasst ist, erledigt hat. Unter Berücksichtigung des zuletzt gestellten Antrages der Klägerin unterliegt allein der Zeitraum vom 1. November 2007 bis 31. Juli 2008 der gerichtlichen Prüfung.

29

Der Bescheid vom 20. April 2009 ist auch nicht im Wege der Klageänderung gemäß § 99 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens geworden. Die Klägerin hat eine Einbeziehung des Bescheides zuletzt nicht mehr beantragt. Darüber hinaus wäre eine Änderung der Klage (auch in der Berufungsinstanz) nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Unabhängig davon setzte die Klageänderung aber eine Zulässigkeit der neuen Klage auch durch ein abgeschlossenes Vorverfahren voraus, woran es im vorliegenden Fall noch fehlt.

30

Der unklare Visusabfall auf dem linken Auge, den die Klägerin im September 2009 beklagte, ist daher im Rahmen der erneuten Antragstellung – nicht jedoch im hiesigen Klage- bzw. Berufungsverfahren zu prüfen. Hingegen müssen die Funktionseinschränkungen aufgrund der Netzhautablösung am rechten Auge im Juli 2008 im Rahmen des Berufungsverfahrens in die Beurteilung einfließen.

31

Die Berufung ist unbegründet, weil der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 3. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2009 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht im Sinne der §§ 153, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

32

Die Klägerin hat im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI haben Versicherte, wenn die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen, einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind. Dies erfordert gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, dass sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Die Voraussetzungen sind vorliegend für den Zeitraum ab Antragstellung nicht erfüllt. Der Senat ist davon überzeugt, dass die Klägerin in der Lage war, mindestens sechs Stunden täglich wenigstens körperlich leichte Arbeiten zu verrichten. Nach den medizinischen Ermittlungen ergibt sich für den Senat folgendes Leistungsbild: Die Klägerin konnte im gelegentlichem Wechsel der Körperhaltung, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne Gerüst- und Leiterarbeiten, ohne Arbeiten an laufenden Maschinen und ohne Arbeiten mit hohen Anforderungen an die feinmotorische Geschicklichkeit der rechten Hand erwerbstätig sein. Auszuschließen waren zudem Akkordarbeiten, Tätigkeiten mit anhaltendem hohen psychischen Stress und Arbeiten mit besonderen Anforderungen an das Sehvermögen. Im Rahmen der Erwerbstätigkeit ist eine gute Beleuchtung sicherzustellen.

33

Hinsichtlich der Leistungseinschätzung folgt der Senat aufgrund eigener Urteilsbildung den schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Frau Dr. S. und Herrn Dr. W. Diese Gutachten stehen im Einklang mit den vorliegenden Befundberichten des Hausarztes und des Orthopäden sowie dem Gutachten von Herrn Priv. Doz. Dr. M. Allein die Ärzte des Augenzentrums sahen keine hinreichende Belastbarkeit der Klägerin für eine Erwerbstätigkeit. Der Einschätzung der behandelnden Augenärzte vermochte der Senat jedoch nicht zu folgen; dies auch unter Berücksichtigung des Aspekts, dass deren Leistungsbeurteilung einen Gesundheitszustand betrifft, dem die hier nicht entscheidungsrelevante von der Klägerin dargelegte Verschlechterung des Sehvermögens auf dem linken Auge zugrunde liegt.

34

Bei der Klägerin lagen im hier zu prüfenden Zeitraum folgende Gesundheitsstörungen vor, die ihr Leistungsvermögen im Erwerbsleben beeinflussten: hohe Achsenmyopie (Kurzsichtigkeit), Astigmatismus (Stabsichtigkeit), Zustand nach Plombenentfernung rechts, Cerclage (Augapfelumgürtelung) rechts, Phakoemulsifikation (grauer Star-Operation) rechts, Kunstlinsen-Implantation und glaskörperchirurgischer Eingriff rechts 2008, rissbedingte Netzhautablösung bei Zustand nach Plombenaufnähung bei Netzhautablösung 1998 und Netzhautdegeneration der Netzhautmitte rechts sowie Glaskörperanheftung in der Netzhautmitte mit Glaskörperzug am linken Auge. Zudem bestanden ein wiederkehrendes Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom und Fingergelenksarthrose rechts.

35

Soweit im Jahr 2007 eine geringgradige koronare Herzkrankheit diagnostiziert wurde, ergaben sich im Rahmen der Begutachtung durch Frau Dr. S. keine weiteren Auffälligkeiten in den klinischen und in den paraklinischen Befunden. Ödeme waren nicht feststellbar. Das EKG zeigte keinen auffälligen Kurvenverlauf. Die Klägerin war im Laufband-Gehstreckentest belastbar. Eine wesentliche Veränderung ist diesbezüglich vom Hausarzt nicht mitgeteilt worden. Eine laufende internistische Facharztbehandlung hat die Klägerin nicht angegeben.

36

Orthopädische Probleme standen ebenfalls nicht im Vordergrund. Die Klägerin war von August 2008 bis Juni 2009 dreimal wegen Beschwerden im Hals- und Lendenwirbelsäulen-Bereich und im Februar 2011 wegen Leistenschmerzen rechts bei Herrn Dipl.- Med. E. vorstellig. Dabei war die Seitneige der HWS endgradig eingeschränkt. Es fanden sich Muskelhärten der langen Rückenstrecker. Neurologische Auffälligkeiten bestanden nicht. Röntgenologisch stellten sich Arthrosen der kleinen Wirbelgelenke der HWS und Facettengelenksarthrose L4/5 sowie im CT-Befund aus dem Jahr 2002 eine Bandscheibenvorwölbung bei L5/S1 dar. Ein Bandscheibenvorfall oder eine Enge des Spinalkanals waren nicht vorhanden. Der Orthopäde hatte hinsichtlich einer Erwerbstätigkeit im Umfang von sechs Stunden täglich bei leichten Tätigkeiten keine Bedenken. Damit im Einklang steht das Gutachten von Frau Dr. S. Die Klägerin hatte über Schmerzen der Lendenwirbelsäule (LWS) geklagt. Außerdem träten gelegentlich Schwierigkeiten beim Zufassen auf. Diesbezüglich fand sich eine diskrete Schwellung der Fingermittelgelenke der rechten Hand, wobei der Faustschluss vollständig ausführbar war. Die LWS war nicht wesentlich bewegungseingeschränkt. Das Gangbild war unauffällig. Es fanden sich keine neurologischen Störungen. Die Extremitäten waren aktiv und passiv frei beweglich. Mit Hilfe der vorliegenden Befunde auf orthopädischem Fachgebiet lässt sich eine quantitative Leistungsminderung nicht begründen. Die Einschätzung der Gutachterin und des behandelnden Orthopäden ist daher vollkommen plausibel.

37

Vielmehr ist die von der Klägerin noch nicht in der Antragstellung im November 2007 und im Widerspruchsschreiben aus dem April 2008, aber mit der erneuten Antragstellung im August 2008 und im April 2009 in den Focus gerückte Sehbehinderung - wenn auch nicht rentenrelevant - qualitativ leistungseinschränkend. Es bestehen Einschränkungen der Sehfunktion. Diesbezüglich fällt die erneute Netzhautablösung rechts im Juli 2008 - nach den oben dargestellten rechtlichen Ausführungen - in den prüfungsrelevanten Zeitraum, nicht hingegen die von der Klägerin im September 2009 beklagte unklare Visusminderung des linken Auges. Der Senat schließt sich der Beurteilung des Herrn Dr. W. an. Das darin ermittelte Sehvermögen unter Beachtung einer erneuten Netzhauablösung rechts ist vergleichbar mit den Feststellungen in den vorhandenen medizinischen Unterlagen, betreffend die Sehtests im Februar und April 2008 hinsichtlich des linken Auges und im Juli, August und September 2008 sowie Januar 2009 hinsichtlich beider Augen. Rechts ist nach einer schweren vollständigen Netzhautablösung von einer erheblichen Verminderung der Sehfunktion auszugehen. Eine Sehschärfenminderung auf dem linken Auge resultiert nach den überzeugenden Ausführungen des Herrn Dr. W. aus der Anheftung der hinteren Glaskörpergrenzmembran am Ort des schärfsten Sehens mit geringer Flüssigkeitseinlagerung.

38

Offen bleiben können die Hintergründe der erschwerten Compliance bei der Projektionsperimetrie (Herr Dr. M.) und dem Widerspruch zu physiologisch-optischen Gesetzen (Herr Dr. M. und Herr Dr. W.). Jedenfalls stellten beide augenfachärztliche Gutachter eine hinreichende Orientierungsfähigkeit der Klägerin mit gezieltem Greifen, Zurechtfinden in unbekannten Örtlichkeiten, Umgehen von Hindernissen und Setzen auf den zugewiesenen Stuhl fest. Die Klägerin konnte auch von einem bedruckten Kärtchen Medikamentenbezeichnungen mit einer Schriftgröße von ca. 2 mm ablesen. Sie gab gegenüber Herrn Dr. W. an, seit der Verschlechterung des Sehvermögens auf dem linken Auge im Jahr 2009 keinen Pkw mehr zu führen. Auch dem Gutachten der Frau Dr. S. aus dem Februar 2008 ist die Information der Klägerin zu entnehmen, dass sie sehr kurze Strecken mit dem Auto fahre. Das somit festgestellte Sehvermögen führte nicht zu einer quantitativen Leistungsminderung. Auch waren der Klägerin nicht lediglich Blindenberufe möglich. Vielmehr findet sich nur ein qualitativer Leistungsausschluss bei Tätigkeiten, die besondere Anforderungen an das Sehvermögen stellen.

39

Mit einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden täglich war die Klägerin aber weder voll noch teilweise erwerbsgemindert im Sinne von § 43 Abs. 1, Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 SGB VI.

40

Die Klägerin war insbesondere auch nicht deshalb voll erwerbsgemindert, weil sie trotz des sechsstündigen Leistungsvermögens nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig sein konnte. Es lagen - entgegen der Ausführungen der Klägerin - keine schwere spezifischen Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Das Restleistungsvermögen der Klägerin reichte nämlich noch für Verrichtungen wie z.B. Zureichen, Abnehmen, leichte Reinigungsarbeiten ohne Zwangshaltungen, Kleben, Sortieren, Verpacken und Zusammensetzen von Teilen sowie Bürohilfsarbeiten aus (vgl. die Aufzählung in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19. Dezember 1996, GS 2/95, BSGE 80, 24, 33f.; in der Anwendbarkeit auf die aktuelle Rechtslage bestätigt in BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R). Jenes belegen die Gutachten von Frau Dr. S. und von Herrn Dr. W.

41

Es liegt auch keiner der in der Rechtsprechung anerkannten sog. Katalogfälle vor, die die Einsatzfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausschließen (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R). Die Klägerin ist nicht aus gesundheitlichen Gründen gehindert, einen Arbeitsplatz aufzusuchen. Die Gehfähigkeit gibt sie zwar als eingeschränkt an; sie kann aber viermal arbeitstäglich einen Fußweg von mehr als 500 Meter am Stück vor und nach einer Arbeitsschicht zu und von einem öffentlichen Verkehrsmittel bzw. zum und vom Arbeitsplatz ohne unzumutbare Beschwerdezustände in jeweils längstens 20 Minuten zurücklegen. Auf orthopädischem Fachgebiet sind keine Befunde erhoben worden, die Einschränkungen der Wegefähigkeit plausibel erscheinen lassen würden. Es handelt sich um weitgehend reversible Beschwerden. Der Laufband-Gehstreckentest ergab eine von der Klägerin in 14 Minuten zurückgelegte Wegstrecke von 504 Meter. Sie findet sich nach den Feststellungen der Gutachter auch in ihr unbekannten Räumen zurecht, kann Hindernisse umgehen und ist somit in der Lage, den Arbeitsweg zurückzulegen.

42

Die Klägerin erfüllte die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gemäß § 240 SGB VI ebenfalls nicht. Danach haben Versicherte bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie vor dem ... 1961 geboren und berufsunfähig sind. Die Klägerin ist zwar vor diesem Datum am ... 1952 geboren. Sie ist aber nicht berufsunfähig gewesen (§ 240 Abs. 2 SGB VI).

43

Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit vom bisherigen Beruf der Versicherten auszugehen. Es ist zu prüfen, ob sie diesen Beruf ohne wesentliche Einschränkungen weiterhin ausüben können. Sind sie hierzu aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage, ist der qualitative Wert des bisherigen Berufs dafür maßgebend, auf welche Tätigkeiten die Versicherten verwiesen werden können (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 1994 – 4 RA 35/93 – SozR 3-2200 § 1246 Nr. 41; Urteil vom 16. November 2000 – B 13 RJ 79/99 R – SozR 3-2600 § 43 Nr. 23, S. 78). Bisheriger Beruf ist in der Regel die letzte nicht nur vorübergehende versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Dabei ist nicht unbedingt auf die letzte Berufstätigkeit abzustellen, sondern auf diejenige, die bei im Wesentlichen ungeschwächter Arbeitskraft nicht nur vorübergehend eine nennenswerte Zeit ausgeübt wurde (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1985 – 4a RJ 53/84 – SozR 2200 § 1246 Nr. 130). Bisheriger Beruf der Klägerin in diesem Sinne ist deren Tätigkeit als Adjustiererin, die sie zuletzt versicherungspflichtig und unbefristet ausgeübt hat. Dies ist dem Arbeitsvertrag mit der Klägerin aus dem Jahr 1991 und dem Änderungsvertrag aus dem Jahr 1987 zu entnehmen, die von der ... GmbH zu den Gerichtsakten gereicht wurden. Diese Tätigkeit kann die Klägerin nicht mehr verrichten, da sie nicht ihrem Restleistungsvermögen entspricht. Es handelt sich nach den Angaben der ... GmbH um eine mittelschwere Arbeit, die teilweise unter Zwangshaltungen erfolgt.

44

Damit ist die Klägerin jedoch noch nicht berufsunfähig. Sie ist zumutbar auch auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Auf welche anderen Berufstätigkeiten ein Versicherter nach seinem fachlichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen noch zumutbar verwiesen werden kann, beurteilt das BSG nach einem von ihm entwickelten Mehrstufenschema (vgl. BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 5/04 R – juris). Die soziale Zumutbarkeit eines Verweisungsberufs richtet sich nach dem qualitativen Wert des bisherigen Berufs. Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Berufe in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zugrunde gelegt wurde. Sozial zumutbar sind grundsätzlich nur Tätigkeiten der im Verhältnis zum bisherigen Beruf gleichen oder nächst niederen Stufe (vgl. BSG, Urteil vom 12. September 1991 – 5 RJ 34/90 – SozR 3-2200 § 1246 Nr. 17). Dabei werden folgende Stufen unterschieden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahre (Stufe 2); Berufe mit einer Ausbildung von mehr als zwei Jahren (Stufe 3); Berufe, die zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrungen oder den erfolgreichen Besuch einer Fachschule voraussetzen (Stufe 4), zu ihr gehören Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter, Meister, Berufe mit Fachschulqualifikation als Eingangsvoraussetzung; Berufe, die einen erfolgreichen Abschluss einer Fachhochschule oder eine zumindest gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen (Stufe 5); Berufe, deren hohe Qualität regelmäßig auf einem Hochschulstudium oder einer vergleichbaren Qualifikation beruht (Stufe 6; zu diesen Stufen: BSG, Urteil vom 29. Juli 2004 – B 4 RA 5/04 R – juris). Die Stufe 2, auch als Gruppe der Angelernten bezeichnet, unterteilt die Rechtsprechung des BSG wegen der Vielschichtigkeit und Inhomogenität dieser Berufsgruppe in einen oberen und einen unteren Bereich. Dem unteren Bereich sind alle Tätigkeiten mit einer regelmäßigen (auch betrieblichen) Ausbildungs- oder Anlernzeit von drei bis zwölf Monaten und dem oberen Bereich dementsprechend die Tätigkeiten mit einer Ausbildungs- oder Anlernzeit von über zwölf bis zu 24 Monaten zuzuordnen (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1994 – 13 RJ 35/93 – SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45). Bei Angelernten des oberen Bereichs sind im Gegensatz zu Angelernten des unteren Bereichs sowie Ungelernten Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, § 240 Rdnr. 101, 102).

45

Der Senat geht bei der Klägerin von einer ungelernten Tätigkeit mit einer Anlernzeit von bis zu drei Monaten (Ungelernte, Stufe 1) aus. Ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer der Gruppen des Mehrstufenschemas ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, d.h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde qualitative Wert der Arbeit für den Betrieb (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 14/90, juris). Erforderlich ist eine Gesamtschau aller möglichen Bewertungskriterien, insbesondere der Ausbildung, der tariflichen Einstufung, der Dauer der Berufsausübung, der Höhe der Entlohnung und der Anforderungen des Berufs. Dabei waren für den Senat die Angaben des Rechtsnachfolgers des ehemaligen Arbeitgebers der Klägerin maßgeblich. Danach ist für eine Tätigkeit als Adjustiererin, die in der Verpackung von Versandfertigmaterial mittels Handschere, Bindeband, Messmittel und Abbindegerät besteht, eine Anlernzeit von bis zu drei Monaten zu durchlaufen. Die Tätigkeit wurde im Allgemeinen von ungelernten Arbeitern verrichtet. Eine einschlägige Ausbildung kann die Klägerin nicht vorweisen. Sie hatte die Anlernzeit von bis zu drei Monaten absolviert. Angesichts der nur kurzen Einarbeitungsdauer für ungelernte Arbeitnehmer vermag auch die tarifvertragliche Entlohnung der Klägerin nach der Lohngruppe V (Angelernte) nichts an dieser Beurteilung zu ändern. Die Wertigkeit der Tätigkeit bewegt sich in Auswertung der Arbeitgeberauskunft im ungelernten Bereich. Als Ungelernte ist die Klägerin auf andere ungelernte Tätigkeiten - mithin den allgemeinen Arbeitsmarkt - sozial zumutbar verweisbar.

46

Eine Lösung vom Beruf als Gabelstaplerin aus gesundheitlichen Gründen ist angesichts der Arbeitgeberauskunft nicht belegt, da hier von betrieblichen Gründen die Rede ist. Darüber hinaus handelte es sich nicht um eine höherwertige Tätigkeit.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag. Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht.

(2) Berechnungen werden auf zwei Dezimalstellen durchgeführt, wenn nichts Abweichendes bestimmt ist. Bei einer auf Dezimalstellen durchgeführten Berechnung wird die letzte Dezimalstelle um eins erhöht, wenn sich in der folgenden Dezimalstelle eine der Ziffern 5 bis 9 ergeben würde.

(3) Über den Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist in der Regel für ein Jahr zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum soll insbesondere in den Fällen regelmäßig auf sechs Monate verkürzt werden, in denen

1.
über den Leistungsanspruch vorläufig entschieden wird (§ 41a) oder
2.
die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung unangemessen sind.
Die Festlegung des Bewilligungszeitraums erfolgt einheitlich für die Entscheidung über die Leistungsansprüche aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft. Wird mit dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht auch über die Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 entschieden, ist die oder der Leistungsberechtigte in dem Bescheid über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung über Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2, 4, 6 und 7 gesondert erfolgt.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Das Gericht entscheidet über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Der Vorsitzende eröffnet und leitet die mündliche Verhandlung. Sie beginnt nach Aufruf der Sache mit der Darstellung des Sachverhalts.

(2) Sodann erhalten die Beteiligten das Wort. Der Vorsitzende hat das Sach- und Streitverhältnis mit den Beteiligten zu erörtern und dahin zu wirken, daß sie sich über erhebliche Tatsachen vollständig erklären sowie angemessene und sachdienliche Anträge stellen.

(3) Die Anträge können ergänzt, berichtigt oder im Rahmen des § 99 geändert werden.

(4) Der Vorsitzende hat jedem Beisitzer auf Verlangen zu gestatten, sachdienliche Fragen zu stellen. Wird eine Frage von einem Beteiligten beanstandet, so entscheidet das Gericht endgültig.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.