Bundessozialgericht Beschluss, 09. Okt. 2012 - B 5 R 168/12 B

bei uns veröffentlicht am09.10.2012

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 2011 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe

1

I. Mit Urteil vom 14.12.2011, dem Kläger zugestellt am 30.12.2011, hat das LSG Nordrhein-Westfalen einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verneint.

2

Auf den Antrag des Klägers hat der erkennende Senat diesem mit Beschluss vom 11.4.2012 - B 5 R 8/12 BH - für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil vor dem BSG Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Dr. C. bewilligt. Mit Schriftsatz vom 25.4.2012, beim BSG eingegangen am 26.4.2012, hat der Prozessbevollmächtigte gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in der vorigen Stand beantragt und gleichzeitig Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen eingelegt. Mit Beschluss vom 23.5.2012, dem Kläger zugestellt am 8.6.2012, hat der erkennende Senat die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Mit der am 5.7.2012 beim BSG eingegangenen Beschwerdebegründung rügt der Kläger Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Das LSG habe sein Recht auf ein faires Verfahren durch Ablehnung der von ihm gestellten Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe verletzt und in verschiedener Hinsicht gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verstoßen. Außerdem habe das Berufungsgericht zu Unrecht über das Befangenheitsgesuch gegen die Sachverständige Dr. D. lediglich durch den Berichterstatter und nicht durch den Senat in voller Besetzung entschieden. Hierdurch sei gegen sein Recht auf den gesetzlichen Richter verstoßen worden.

3

II. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf Verfahrensfehlern (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG).

4

Das Berufungsgericht hat zunächst dadurch, dass es die mehrfache Ablehnung von Prozesskostenhilfe auf eigene überspannte Anforderungen an den Nachweis tatsächlicher Angaben gestützt hat, den Anspruch des Klägers auf ein faires Verfahren verletzt. Das LSG hat im Rahmen des ihm nach § 73a Abs 1 S 1, § 118 Abs 2 S 2 ZPO eröffneten Ermessens die verfassungsrechtliche Bedeutung des Rechtsinstituts der Prozesskostenhilfe ebenso wie Erfordernis und Inhalt einer gerade im Blick hierauf vorzunehmenden Angemessenheitsprüfung im Einzelfall verkannt. Seine insofern rechtswidrige Vorgehensweise hätte es nicht zur Grundlage von Entscheidungen nach § 118 Abs 2 S 4 ZPO machen dürfen.

5

Zwar ist die unmittelbare Überprüfung von Beschlüssen des Berufungsgerichts durch § 177 SGG grundsätzlich ausgeschlossen. Indessen kann im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ein Verfahrensmangel im Zusammenhang mit einer unanfechtbaren Entscheidung des LSG dann gerügt werden, wenn sich dieser Fehler - wie hier - als Folge der beanstandeten Vorentscheidung auf das angefochtene Urteil auswirkt (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 444 mwN).

6

Entscheidungen über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe betreffen aus der Sicht des Verfassungsrechts stets die Rechtsschutzgleichheit (Art 3 Abs 1 iVm Art 20 Abs 3 GG) und die aus Art 3 Abs 1, Art 19 Abs 4 und Art 20 Abs 3 GG abgeleitete Garantie des effektiven Rechtsschutzes. Aus Art 3 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgrundsatz, der in Art 20 Abs 3 GG allgemein niedergelegt ist und für die Rechtsschutzgewährung in Art 19 Abs 4 GG besonderen Ausdruck findet, ergibt sich das Gebot einer weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl BVerfGE 78, 104 <117 f>; 81, 347 <357>; stRspr). Mit dem Institut der Prozesskostenhilfe hat der Gesetzgeber auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten ermöglicht (vgl insgesamt BVerfG Beschluss vom 18.12.2001 - 1 BvR 391/01 - NZS 2002, 420 ff). Da das Prozesskostenhilfeverfahren den grundgesetzlich gebotenen Rechtsschutz nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht, dürfen die Anforderungen, insbesondere an den Vortrag der Beteiligten, nicht überspannt werden (vgl BVerfG vom 24.7.2002 - 2 BvR 2256/99 - NJW 2003, 576). Dies gilt auch bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl BVerfG vom 8.1.1996 - 2 BvR 306/94 - StV 1996, 445), die - anders als diejenige der Erfolgsaussichten - abschließend zu erfolgen hat (BVerfG vom 14.10.2003 - 1 BvR 901/03 - NVwZ 2004, 334 ff).

7

Letztlich gebietet auch hier der Grundsatz des fairen Verfahrens aus Art 1 Abs 1, Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip und aus Art 19 Abs 4 GG (BVerfGE 122, 248, 272 und BVerfG 1. Senat <3. Kammer> Beschluss vom 14.10.2003 - 1 BvR 901/03 - NVwZ 2004, 334) sowie aus Art 6 Abs 1 S 1 EMRK (BSG Beschluss vom 17.12.2010 - B 2 U 278/10 B - Juris RdNr 4), dass die Anforderungen, welche die Gerichte an die Verfahrensbeteiligten stellen, in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung Prozesskostenhilfe (§ 65 Abs 1 Nr 1 SGB I) stehen und ihre Erfüllung dem Hilfesuchenden nicht aus einem wichtigen Grund iS von § 65 Abs 1 Nr 2 SGB I unzumutbar ist(OLG Celle Beschluss vom 9.3.2010 - 17 WF 28/10 - FamRZ 2010, 1751 f). Der Grundsatz des fairen Verfahrens verlangt darüber hinaus, dass jede Partei ihren Fall unter Bedingungen präsentieren kann, die für sie keinen substantiellen Nachteil zum Gegner bedeuten. Dementsprechend ist dieses Gebot gerade auch bei der Entscheidung über Prozesskostenhilfe in Verfahren zu beachten, in denen sich der rechtsunkundige Bürger einer Behörde gegenüber sieht (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, vor § 60 RdNr 1 f). Ferner verbietet das Recht auf ein faires Verfahren, den Menschen zum bloßen Objekt eines gerichtlichen Verfahrens herabzuwürdigen (BVerfG NJW 2010, 287; BVerfGE 107, 395, 408 f).

8

Vorliegend hat das Berufungsgericht entgegen dieser geklärten Rechtslage die Grenzen des Ermessens, das ihm auch hinsichtlich der Frage zusteht, wie weit und auf welche Weise von dem Hilfesuchenden Glaubhaftmachung verlangt wird, überschritten. Es hat den Kläger durch überspannte Anforderungen an den Nachweis anspruchsbegründender Umstände um sein Recht gebracht, das auf eine existenzsichernde Rentenleistung gerichtete Verfahren mit der Unterstützung durch einen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten zu betreiben. Es ist nämlich davon auszugehen, dass das LSG, das nach der gebotenen vorläufigen Einschätzung Erfolgsaussichten in der Sache bejaht hat, indem es in die Beweisaufnahme eingetreten ist, dem Kläger bei ordnungsgemäßer Vorgehensweise Prozesskostenhilfe bewilligt und einen Anwalt beigeordnet hätte. Unter diesen Umständen kann unerörtert bleiben, ob die Ermessensausübung des Berufungsgerichts zudem auch deshalb ermessensfehlerhaft gewesen sein könnte, weil es möglicherweise die Anforderungen an die Glaubhaftmachung als Reaktion auf die Prozessführung des Klägers gesteigert hat.

9

Tatsächlicher Ausgangspunkt weiterer Erhebungen iS von § 118 Abs 2 S 2 ZPO war im Fall des Klägers, dass dieser - belegt durch die jeweils vorgelegten Bescheide der ARGE Köln - (zumindest) seit 2007 durchgehend auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II angewiesen ist. Auch wenn sich hieraus nach der grundsätzlich maßgeblichen Sicht der entscheidenden Instanz im Einzelfall noch nicht stets eine abschließende Entscheidungsgrundlage ergeben mag und damit der Weg zu weiteren Erhebungen grundsätzlich eröffnet bleibt, ist doch das Vorliegen grundsätzlich geklärter und überschaubarer Verhältnisse Ausgangspunkt für die jeweils im pflichtgemäßen Ermessen stehende Entscheidung über Art und Inhalt der noch durchzuführenden Aufklärungsmaßnahmen (vgl insgesamt OLG Celle vom 9.3.2010 - 17 WF 28/10 - FamRZ 2010, 1751 f). Das Vorgehen des Berufungsgerichts verkennt dies zunächst insofern, als der Berichterstatter dem Kläger anfangs ohne zeitliche Bestimmung (Schreiben vom 23.11.2009), dann für Zeiträume von jeweils etwa sieben Monaten (Schreiben vom 1.12.2009 und vom 22.7.2011), jeweils formularmäßig aufgegeben hat "(vollständige) ungeschwärzte Durchschriften der Kontoauszüge" seines Girokontos vorzulegen. Zwar kommt entsprechend den Verhältnissen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende (BSG vom 19.9.2008 - B 14 AS 45/07 R - BSGE 101, 260 = SozR 4-1200 § 60 Nr 2 und vom 19.2.2009 - B 4 AS 10/08 R) grundsätzlich auch im Verfahren der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in Betracht, dem Antragsteller die Vorlage von Kontoauszügen aufzugeben. Indessen bedarf es bei einem Anforderungszeitraum von mehr als drei Monaten auch hier einer auf den Einzelfall bezogenen Angemessenheitsprüfung, an der es selbst ansatzweise fehlt (vgl OLG Celle vom 9.3.2010 aaO). Da der Kläger zudem weder in den vorgelegten Erklärungen über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch sonst zu berücksichtigende Belastungen geltend gemacht hatte, erscheint jedenfalls nachhaltig begründungsbedürftig, warum das LSG dennoch auf eine umfassende Information über das Ausgabeverhalten des Klägers angewiesen gewesen sein könnte (vgl zu der insofern erforderlichen Prüfung BSG vom 19.9.2008 und vom 19.2.2009, jeweils aaO).

10

Der Kläger wurde darüber hinaus aufgefordert, "Finanzstatusberichte" der kontoführenden Banken zum 31.10.2009 vorzulegen. Auf welche Mehrheit in Betracht kommender Banken und welche Art von Konten dies im Fall des Klägers bezogen sein könnte, erschließt sich weder aus den Anfragen noch aus den sonst vorliegenden Akten. Der Begriff des "Finanzstatus" findet zudem im Wirtschaftsleben erkennbar in einer Vielzahl von Zusammenhängen Verwendung (vgl exemplarisch Breuer in Gablers Wirtschaftslexikon; http://wirtschaftslexikon.gabler.de Stichwort "Finanzstatus"). Selbst für den entsprechend vorgebildeten Kläger musste daher ohne nähere Erläuterungen offen bleiben, in welchem konkreten Kontext der anfragende Berichterstatter den Begriff jeweils verstanden wissen wollte und welchen Anforderungen das Vorzulegende daher entsprechen sollte. Zu beachten ist zudem, dass sich zwar die Mitwirkungsverpflichtung des § 60 Abs 1 Nr 3 SGB I, "Beweisurkunden vorzulegen" auch auf erst zu erstellende Urkunden beziehen kann(BSG vom 26.5.1983 - 10 RKg 13/82 - SozR 1200 § 66 Nr 10). Indessen sind Urkunden der vorliegenden Art grundsätzlich nur gegen Entgelt erhältlich (vgl AG Wuppertal vom 22.10.2009 - 33 C 181/08 - Juris). In derartigen Fällen hätte es in besonderer Weise einer der persönlichen Situation des Klägers Rechnung tragenden Ermessensausübung bedurft, um die entsprechende Mitwirkung für den Kläger denkbar zumutbar zu machen.

11

Dem Kläger wurde schließlich jeweils die Vorlage einer Kopie seines Reisepasses abverlangt. Hierzu hat der Kläger um Mitteilung gebeten, warum die Kopie seines Reisepasses benötigt werde. Der Berichterstatter hat daraufhin mit Schreiben vom 11.12.2009 (Bl 164 GA-LSG) ausgeführt: "In der Sache wird mitgeteilt, dass das Gericht nicht gedenkt, im Einzelnen zu erläutern, warum, wann welche Verfügungen getroffen werden. Ebenso wenig ist beabsichtigt, den Hintergrund von Ermittlungsschritten darzustellen. Es wird lediglich an die prozessuale Wahrheitspflicht erinnert." Erst dem auf die Anhörungsrüge des Antragstellers ergangenen Beschluss vom 22.11.2010 ist insofern zu entnehmen: "… Denn in der Akte gibt es an verschiedenen Stellen Hinweise auf eine Fernreisetätigkeit des Antragstellers, deren Frequenz im Reisepass des Antragstellers vermerkt sein wird. Die Vorlage einer vollständigen Kopie hätte daher ggf unter Berücksichtigung weiterer einzuholender Informationen aller Voraussicht nach Rückschlüsse auf die finanziellen Möglichkeiten des Antragstellers erlaubt. Da der Antragsteller dem Senat entsprechende Durchschriften aber vorenthält, konnte sich der Senat eben nicht davon überzeugen, dass diesem Mittel zur Finanzierung von Fernreisen derzeit nicht (mehr) zur Verfügung stehen." Unterstellt, dass es sich bei dem im Anhörungsrügebeschluss (nachträglich) benannten Sachgrund jeweils um den auch den Anforderungen an den Kläger zugrunde liegenden handelt, bleibt hinsichtlich der Ermessensausübung dennoch offen, auf welche gerade im zeitlichen Umfeld des Berufungsverfahrens durchgeführten "Fernreisen" sich die Aufforderungen des Gerichts bezogen haben könnten. Zudem begegnet - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens - selbst bei Verstoß gegen die angenommene Mitwirkungspflicht die sich hierauf gründende Ablehnung des Prozesskostenhilfegesuchs durchgreifenden Bedenken deshalb, weil der Berichterstatter entgegen § 106 Abs 1 SGG eine nicht von vorneherein unberechtigte Frage des Klägers herabwürdigend unbeantwortet gelassen und diesen damit zum bloßen Objekt des Verfahrens gemacht hatte. Die Anforderungen an den Vortrag des Antragstellers dürfen indessen gerade dann nicht überspannt werden, wenn eigene Fehler des Gerichts zu einer Verhärtung der Situation beigetragen haben (vgl BVerfG vom 14.10.2003 aaO).

12

Erst recht sind die Grenzen des dem Berufungsgericht zustehenden Ermessens überschritten, soweit dem Kläger mit den Schreiben vom 1.12.2009 und 22.7.2011 aufgegeben worden ist, ungeschwärzte Kontoauszüge ebenfalls für Ehefrau und Tochter vorzulegen. Eine einzelfallbezogene Ermessensausübung schon hinsichtlich des "Ob" weiterer Erhebungen wäre bereits deshalb geboten gewesen, weil auch Ehefrau und Tochter Teil der Bedarfsgemeinschaft sind. Hinsichtlich Zeitraum und Inhalt von Kontoauszügen bestehen darüber hinaus dieselben Bedenken wie im Fall des Klägers. Diesem oblag im Übrigen, da der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht das Familieneinkommen/-vermögen zugrunde liegt, sondern nur die Verhältnisse des jeweiligen Antragstellers zu prüfen sind, von vorneherein keine Pflicht, Angaben auch über das Einkommen von Familienangehörigen zu machen bzw entsprechend Nachweis zu führen (Geimer in Zöller, Zivilprozessordnung, 29. Aufl 2012, § 115 RdNr 7 und § 117 RdNr 14). Allenfalls konnte ihn im Rahmen von Angaben zu seinen eigenen wirtschaftlichen Verhältnissen die Pflicht treffen, jeweils glaubhaft zu machen, dass Unterhaltsleistungen von Frau und Tochter nicht tatsächlich bezogen wurden und auch kein entsprechender Anspruch bestand. Ersteres wurde im Bezug auf die selbst hilfebedürftigen "Unterhaltspflichtigen" jeweils ausdrücklich verneint. Auch ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss scheidet jeweils evident aus. Dies gilt hinsichtlich der Ehefrau, weil - wie das BSG bereits entschieden hat (BSG vom 7.2.1994 - 9/9a RVg 4/92 - SozR 3-1750 § 115 Nr 1; s auch BAG vom 5.4.2006 - 3 AZB 61/04 - BAGE 117, 344 ff) - dem Kläger nur ein in seinem Vermögen befindlicher vorhandener und realisierbarer Anspruch aus § 1360a Abs 4 BGB hätte entgegengehalten werden können. Dies ist angesichts ihrer Mittellosigkeit nicht der Fall. Hinsichtlich der Tochter scheidet ein derartiger Anspruch schon aus Rechtsgründen von vorneherein aus. Zwar umfasst der Unterhalt, den Verwandte in gerader Linie einander schulden, nach § 1610 Abs 2 BGB "den gesamten Lebensbedarf", doch ist hiervon gerade nicht der über den allgemeinen Lebensbedarf hinausgehende Anspruch auf Zahlung von Prozesskostenvorschuss mitumfasst, den das Gesetz spezialgesetzlich in § 1360a Abs 4 BGB vorsieht(BGH vom 23.3.2005 - XII ZB 13/05 - NJW 2005, 1722 ff). Allenfalls im hier gerade nicht vorliegenden Fall eines Unterhaltsanspruchs volljähriger Kinder gegen ihre Eltern kann ausnahmsweise unter besonderen Voraussetzungen und in entsprechender Anwendung von § 1360a Abs 4 BGB auch für diesen Personenkreis ein Anspruch auf Vorschuss für die Kosten eines Rechtsstreits in Betracht kommen(BGH aaO).

13

Das LSG hat darüber hinaus gegen den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG)verstoßen.

14

Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu den sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Letzteres ist hier der Fall.

15

Das LSG hat die Entscheidung, dass dem Kläger kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zustehe, ua auf berufskundliche Unterlagen zum Beruf des Steuerfachangestellten aus "Berufsprofile für die arbeits- und sozialmedizinische Praxis …" gestützt. Es ist nicht feststellbar, dass diese Unterlagen, die eine Anlage zur Beweisanordnung vom 25.5.2011 sind und sich als Blatt 243-245 in den Gerichtsakten des LSG befinden, dem Kläger bekannt gegeben worden sind.

16

Blatt 238 der Gerichtsakten des LSG enthält den Vordruck einer Verfügung, die ua die Übersendung einer Abschrift der Beweisanordnung an die Beteiligten und den Sachverständigen vorsieht. Ziffer 1 Buchst a des Vordrucks lautet: "Kl./Kl.-Bev z.K. 2 x zur Weiterleitung an Kl. mit Doppel Bl.". Der Berichterstatter hat den Vordruck am 25.5.2011 unterschrieben, ohne dass er Ziffer 1 Buchst a in irgendeiner Weise bezogen auf das Verfahren individualisiert hat. Insbesondere enthält der Vordruck keine Anordnung, dem Kläger eine Abschrift von Blatt 243-245 der Gerichtsakten des LSG zu übersenden. Angesichts der fehlenden Individualisierung der Ziffer 1 Buchst a - zB Streichung der Worte "Kl.-Bev … 2 x zur Weiterleitung an Kl. …" - ist den Akten noch nicht einmal zu entnehmen, dass der Berichterstatter zumindest die Übersendung der Beweisanordnung vom 25.5.2011 (ohne Anlage) an den Kläger verfügt hat. Ebenso wenig enthält der Vermerk des nachgeordneten Dienstes "gef + ab" einen Hinweis auf eine Absendung der Beweisanordnung an den Kläger. Erst recht kann den Gerichtsakten des LSG kein Nachweis über den Zugang der Beweisanordnung (nebst den berufskundlichen Unterlagen) entnommen werden. Mit Schreiben vom 8.8.2011 hat der Kläger, der zwischenzeitlich von der Sachverständigen zur gutachtlichen Untersuchung einbestellt worden war, das LSG informiert, die Beweisanordnung vom 25.5.2011 nicht erhalten zu haben. Nach den Gerichtsakten des LSG ist die Übersendung der Beweisanordnung an den Kläger noch nicht einmal daraufhin veranlasst worden.

17

Unter anderem gestützt auf die berufskundlichen Unterlagen ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger keine Berufsunfähigkeit vorliege, weil dieser seine zuletzt sozialversicherungspflichtig ausgeübte Tätigkeit als Prüfer bzw Prüfungsleiter einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft weiterhin ausüben könne. Hätte der Kläger diese Unterlagen gekannt, hätte er darauf hinweisen können, dass die Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers von der fachlichen Qualifikation, vom Aufgabenbereich, der Art der Tätigkeit und der Verantwortung nicht mit der eines Steuerfachangestellten vergleichbar ist. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das LSG dann ein berufskundliches Gutachten angefordert hätte und das Verfahren für den Kläger günstig ausgegangen wäre.

18

Ob auch die übrigen vom Kläger gerügten Verfahrensmängel vorliegen, kann der Senat bei der aufgezeigten Verfahrenslage dahinstehen lassen.

19

Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung hat der Senat die Sache im Beschlusswege nach § 160a Abs 5 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

20

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

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Tenor Der Klägerin wird hinsichtlich der Versäumung der Fristen zur Einlegung und zur Begründung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württe

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind.

(2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht, es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.

(3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 24. August 2010 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 des Sozialgerichtsgesetzes). Der Kläger hat zur Begründung seiner Beschwerde keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung, Abweichung oder Verfahrensmangel) gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt oder bezeichnet.

2

Der Kläger stützt seine Beschwerde auf den Zulassungsgrund des Verfahrensmangels. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

3

Hinsichtlich des gerügten Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht des LSG nach § 103 SGG mangelt es an der allein zu prüfenden Bezeichnung eines Beweisantrags, den der Kläger in der mündlichen Verhandlung des LSG aufrechterhalten hat. Denn nach dem Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist das Übergehen eines Beweisantrags nur dann ein Verfahrensmangel, wenn das LSG vor seiner Entscheidung darauf hingewiesen wurde, dass der Beteiligte die Amtsermittlungspflicht des Gerichts(§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 9, 20, 31 sowie BVerfG SozR 3-1500 § 160 Nr 6; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. Aufl 2008, IX, RdNr 130). Dem Beweisantrag soll eine Warnfunktion zukommen, die er nicht erfüllt, wenn er zwar in einem früheren Verfahrensstadium zB schriftsätzlich gestellt wurde, im Entscheidungszeitpunkt selbst aber nicht mehr erkennbar weiterverfolgt wird.

4

Die Rüge, das LSG habe das allgemeine Prozessgrundrecht auf ein faires Verfahren verletzt, ist nicht hinreichend dargelegt. Der aus Art 2 Abs 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (vgl Art 20 Abs 3 GG) sowie Art 6 Abs 1 Satz 1 Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) abgeleitete Anspruch auf ein faires Verfahren ist nur verletzt, wenn grundlegende Rechtsschutzstandards wie das Gebot der Waffengleichheit zwischen den Beteiligten, das Übermaßverbot (Gebot der Rücksichtnahme) gegenüber Freiheitsrechten und das Verbot von widersprüchlichem Verhalten oder Überraschungsentscheidungen nicht gewahrt werden (vgl BVerfGE 78, 123, 126; BVerfG SozR 3-1500 § 161 Nr 5; BSG SozR 3-1750 § 565 Nr 1, SozR 3-1500 § 112 Nr 2; BSG Beschluss vom 25.6.2002 - B 11 AL 21/02 B).

5

Auf einen Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens könnte der Vortrag des Klägers abzielen, nach der irrtümlichen Rücknahme seiner Berufung habe er sich mit dem damaligen Berichterstatter in Verbindung gesetzt und auf dessen Veranlassung sei das Verfahren unter einem neuen Aktenzeichen fortgesetzt worden. Außerdem habe dieser Berichterstatter um Vorlage der Berufungsbegründung gebeten und mitgeteilt, dass ein Gutachten gemäß § 106 SGG eingeholt werden solle. Dann habe der Berichterstatter gewechselt und der neue Berichterstatter habe die Auffassung vertreten, dass die Rücknahme der Berufung den Verlust des Rechtsmittels bedeute.

6

Selbst wenn das vom Kläger vorgetragene Verhalten des ersten Berichterstatters, insbesondere die Mitteilung, es solle ein Gutachten eingeholt werden, so gedeutet werden könnte, als ob dieser in der Sache habe ermitteln und entscheiden wollen, so hat diese keine Bindungswirkung für den Senat. Denn auch die Äußerung des Vorsitzenden eines Senats in der letzten mündlichen Verhandlung im Rahmen der Verhandlungsführung (§ 112 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 2 SGG), die ein Beteiligter so versteht, dass die spätere Senatsentscheidung zu seinen Gunsten ausfallen werde, ist nur eine Einzelmeinung und kann für die (nachfolgende) Entscheidung des "Gerichts", dh des gesamten Spruchkörpers, nicht bindend (BSG Beschluss vom 21.6.2000 - B 5 RJ 24/00 B - SozR 3-1500 § 112 Nr 2) sein.

7

Es ist auch nicht dargetan, weshalb die Vergabe eines neuen Aktenzeichens und die Bitte um eine Berufungsbegründung in einem Streit um die Wirksamkeit oder um Irrtümer bei einer Berufungsrücknahme ein Verfahrensfehler sein könnte, obwohl es sich um das übliche Verfahren handelt (vgl Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 156 RdNr 13; Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 157 RdNr 6).

8

Aus dem Vorbringen des Klägers folgt auch kein Verstoß gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör. Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 Grundgesetz , § 62 SGG) soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten (vgl BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 1 mwN; BVerfGE 84, 188, 190), und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen miteinbezogen wird (BVerfGE 22, 267, 274; 96, 205, 216 f).

9

Die Voraussetzungen keiner dieser beiden Alternativen sind dem Vorbringen des Klägers zu entnehmen. Weder zeigt er auf, welches konkrete entscheidungserhebliche Vorbringen seinerseits vom LSG nicht in dessen Erwägungen miteinbezogen wurde, noch dass er durch die Entscheidung des LSG überrascht wurde, da der neue Berichterstatter seine Auffassung ihm - dem Kläger - mitgeteilt hatte.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

(1) Die Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 64 bestehen nicht, soweit

1.
ihre Erfüllung nicht in einem angemessenen Verhältnis zu der in Anspruch genommenen Sozialleistung oder ihrer Erstattung steht oder
2.
ihre Erfüllung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann oder
3.
der Leistungsträger sich durch einen geringeren Aufwand als der Antragsteller oder Leistungsberechtigte die erforderlichen Kenntnisse selbst beschaffen kann.

(2) Behandlungen und Untersuchungen,

1.
bei denen im Einzelfall ein Schaden für Leben oder Gesundheit nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann,
2.
die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind oder
3.
die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten,
können abgelehnt werden.

(3) Angaben, die dem Antragsteller, dem Leistungsberechtigten oder ihnen nahestehende Personen (§ 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 der Zivilprozeßordnung) die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden, können verweigert werden.

(1) Dem Gegner ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, ob er die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für gegeben hält, soweit dies aus besonderen Gründen nicht unzweckmäßig erscheint. Die Stellungnahme kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann die Parteien zur mündlichen Erörterung laden, wenn eine Einigung zu erwarten ist; ein Vergleich ist zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Dem Gegner entstandene Kosten werden nicht erstattet. Die durch die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen nach Absatz 2 Satz 3 entstandenen Auslagen sind als Gerichtskosten von der Partei zu tragen, der die Kosten des Rechtsstreits auferlegt sind.

(2) Das Gericht kann verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht, es kann insbesondere auch die Abgabe einer Versicherung an Eides statt fordern. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Zeugen und Sachverständige werden nicht vernommen, es sei denn, dass auf andere Weise nicht geklärt werden kann, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint; eine Beeidigung findet nicht statt. Hat der Antragsteller innerhalb einer von dem Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder ungenügend beantwortet, so lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab.

(3) Die in Absatz 1, 2 bezeichneten Maßnahmen werden von dem Vorsitzenden oder einem von ihm beauftragten Mitglied des Gerichts durchgeführt.

(1) Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat

1.
alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen,
2.
Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen,
3.
Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen.
Satz 1 gilt entsprechend für denjenigen, der Leistungen zu erstatten hat.

(2) Soweit für die in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 genannten Angaben Vordrucke vorgesehen sind, sollen diese benutzt werden.

(1) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende Angaben tatsächlicher Art ergänzt sowie alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(2) Der Vorsitzende hat bereits vor der mündlichen Verhandlung alle Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Rechtsstreit möglichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen.

(3) Zu diesem Zweck kann er insbesondere

1.
um Mitteilung von Urkunden sowie um Übermittlung elektronischer Dokumente ersuchen,
2.
Krankenpapiere, Aufzeichnungen, Krankengeschichten, Sektions- und Untersuchungsbefunde sowie Röntgenbilder beiziehen,
3.
Auskünfte jeder Art einholen,
4.
Zeugen und Sachverständige in geeigneten Fällen vernehmen oder, auch eidlich, durch den ersuchten Richter vernehmen lassen,
5.
die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen,
6.
andere beiladen,
7.
einen Termin anberaumen, das persönliche Erscheinen der Beteiligten hierzu anordnen und den Sachverhalt mit diesen erörtern.

(4) Für die Beweisaufnahme gelten die §§ 116, 118 und 119 entsprechend.

(1) Der angemessene Unterhalt der Familie umfasst alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen.

(2) Der Unterhalt ist in der Weise zu leisten, die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, die zum gemeinsamen Unterhalt der Familie erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung zu stellen.

(3) Die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1613 bis 1615 sind entsprechend anzuwenden.

(4) Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Das Gleiche gilt für die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das gegen einen Ehegatten gerichtet ist.

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

(1) Der angemessene Unterhalt der Familie umfasst alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen.

(2) Der Unterhalt ist in der Weise zu leisten, die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, die zum gemeinsamen Unterhalt der Familie erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung zu stellen.

(3) Die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1613 bis 1615 sind entsprechend anzuwenden.

(4) Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Das Gleiche gilt für die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das gegen einen Ehegatten gerichtet ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII ZB 13/05
vom
23. März 2005
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB §§ 1360 a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 4; ZPO § 115 Abs. 1 und 2;
Eltern schulden in entsprechender Anwendung des § 1360 a Abs. 4 BGB auch
ihren volljährigen Kindern einen Vorschuß für die Kosten eines Rechtsstreits in
persönlichen Angelegenheiten, wenn die Kinder wegen der Fortdauer ihrer
Ausbildung noch keine eigene Lebensstellung erreicht haben.
BGH, Beschluß vom 23. März 2005 - XII ZB 13/05 - OLG Zweibrücken
AG Ludwigshafen
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. März 2005 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Prof. Dr. Wagenitz,
Fuchs und Dose

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 2. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat vom 13. September 2004 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Gründe:


I.

Die im März 1982 geborene Klägerin begehrt Prozeßkostenhilfe für eine Klage auf Kindesunterhalt gegen ihren Vater. Nach bestandenem Abitur im Juni 2001 studierte die Klägerin jeweils ein Semester Bauingenieurwesen und deutsche Philologie. Im Sommer 2002 arbeitete sie aushilfsweise in einer Zahnarztpraxis. Seit September 2002 absolviert sie eine Ausbildung zur Goldschmiedin. Ihre Ausbildungsvergütung beträgt monatlich im ersten Ausbildungsjahr 155 €, im zweiten Ausbildungsjahr 180 € und im dritten Ausbildungsjahr 205 €. Außerdem erhält sie ein jährliches Weihnachtsgeld in Höhe von 77,50 € und seit dem zweiten Ausbildungsjahr vermögenswirksame Leistungen in Höhe von monatlich 20 €. Fahrtkosten wurden ihr
monatlich im ersten Ausbildungsjahr in Höhe von 41 € und sodann in Höhe von 35 € erstattet. Die Mutter der Klägerin ist nach der Scheidung vom Beklagten wieder verheiratet und zwei in den Jahren 1990 und 1997 geborenen Kindern unterhaltspflichtig. Sie ist neben der Kindererziehung als Zahnärztin in einer Gemeinschaftspraxis tätig und verdient nach Angaben der Klägerin monatlich 1.091 €. Der Beklagte ist außer der Klägerin auch seinen zwei in den Jahren 1992 und 1995 geborenen minderjährigen Kindern aus seiner geschiedenen zweiten Ehe unterhaltspflichtig. Seit November 2003 hat er für die Klägerin keine Unterhaltszahlungen mehr erbracht. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts steht seine Leistungsfähigkeit nicht in Zweifel. Die Klägerin hatte ursprünglich Stufenklage gegen den Beklagten erhoben und ist inzwischen zum Zahlungsantrag übergegangen. Das Amtsgericht hat ihr die für diesen Antrag begehrte Prozeßkostenhilfe versagt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde der Klägerin.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet. 1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil das Beschwerdegericht sie gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 574 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Sicherung einer einheitlichen Recht-
sprechung zugelassen hat. Daran ist der Senat gebunden (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde im Verfahren der Prozeßkostenhilfe unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) oder der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozeßkostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (Senatsbeschluß vom 4. August 2004 - XII ZA 6/04 - FamRZ 2004 1633, 1634; BGH Beschluß vom 21. November 2002 - V ZB 40/02 - FamRZ 2003, 671). Das ist hier indessen der Fall, weil mit dem Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozeßkostenhilfe in Zweifel stehen. 2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet, weil das Beschwerdegericht der Klägerin die begehrte Prozeßkostenhilfe zu Recht mangels Bedürftigkeit versagt hat. Nach § 115 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO hat eine Partei für die Prozeßkostenhilfe zunächst alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert einzusetzen, wozu nach einhelliger Auffassung auch ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gehört (Senatsbeschluß vom 4. August 2004 aaO, 1635). Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts steht der Klägerin ein solcher - vorrangiger - Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß jedenfalls gegen den Beklagten als ihrem Vater zu.
a) Die Verpflichtung zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses ist im Gesetz ausdrücklich nur für verheiratete (§ 1360 a Abs. 4 BGB) und für getrennt lebende Ehegatten (§ 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB) geregelt. Andere Vorschriften, wie z.B. § 127 a ZPO, § 620 Nr. 10 ZPO oder § 621 f. Abs. 1 ZPO regeln ledig-
lich verfahrensrechtliche Möglichkeiten zur Durchsetzung des Anspruches auf einen Prozeßkostenvorschuß und können nicht als Anspruchsgrundlage für den Anspruch selbst dienen. aa) Gleichwohl schulden Eltern ihren minderjährigen unverheirateten Kindern nach einhelliger Auffassung einen Prozeßkostenvorschuß für erfolgversprechende Rechtsstreitigkeiten in persönlichen Angelegenheiten (Senatsbeschluß vom 4. August 2004 aaO S. 1634; Dose Einstweiliger Rechtsschutz in Familiensachen 2. Aufl. Rdn. 106 m.w.N.). Diese Verpflichtung findet ihren Grund in den besonders engen unterhaltsrechtlichen Beziehungen zwischen Eltern und Kindern und der sich daraus ergebenden besonderen Verantwortung des Unterhaltspflichtigen, die hinsichtlich seiner Leistungsfähigkeit in § 1603 Abs. 2 BGB Ausdruck gefunden hat. bb) Ob auch volljährigen Kindern ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß zusteht, ist seit langem in Rechtsprechung und Literatur umstritten (vgl. BFH DStZ 1997, 791). Teilweise wird volljährigen Kindern ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegenüber ihren Eltern generell versagt. Nach der gesetzlichen Regelung komme für die Annahme einer solchen Verpflichtung lediglich eine analoge Anwendung des § 1360 a Abs. 4 BGB in Betracht, was allerdings eine besonders enge Verbundenheit und eine daraus resultierende besondere Verantwortung des Unterhaltspflichtigen für den Unterhaltsberechtigten voraussetze. Eine solche besonders enge Beziehung bestehe zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern nicht mehr (OLG Hamm FamRZ 1995, 1008; KG KGR 1997, 32; Heiß/Heiß Unterhaltsrecht Stand Juli 2004 3. Kap. Rdn. 429). Andererseits wird im Hinblick auf die zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Neuregelung des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB vertreten, Eltern seien jedenfalls
auch den dort erfaßten volljährigen unverheirateten Kindern (sog. privilegierte Volljährige) zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses verpflichtet. Zwar spreche die ausdrückliche Regelung des Anspruchs auf Prozeßkostenvorschuß in den §§ 1360 a Abs. 4, 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB für eine entsprechende Beschränkung des Anspruchs nach dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers. Der Anspruch lasse sich deswegen jedenfalls nicht allgemein aus § 1610 Abs. 3 BGB herleiten. Gleichwohl sei eine entsprechende Anwendung des § 1360 a Abs. 4 Satz 1 BGB auf den Kindesunterhalt möglich. Diese müsse sich aber auf privilegierte volljährige Kinder beschränken, weil zu sonstigen volljährigen Kindern keine entsprechend enge Verantwortung und Verbundenheit bestehe (Göppinger/Wax/Vogel Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 2591 f.; Scholz/ Stein/Kühner Praxishandbuch Familienrecht Stand September 2004 Teil K Rdn. 114 f. unter Hinweis auf BT-Drucks. 13/7338 S. 21). Andere Stimmen in Rechtsprechung und Literatur leiten den Anspruch eines volljährigen Kindes auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses allgemein aus der Regelung zum Unterhaltsbedarf in § 1610 Abs. 2 BGB her. Der Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß sei Teil des allgemeinen Lebensbedarfs und deswegen von § 1610 Abs. 2 BGB erfaßt, was eine Analogie zu § 1360 a Abs. 4 BGB ausschließe (OLG Hamm FamRZ 1982, 1073; OLG Köln FamRZ 1986, 1031; OLG Hamburg FamRZ 1990, 1141; OLG München FamRZ 1991, 347; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 9. Aufl. Rdn. 379; Weinreich/Klein Kompaktkommentar Familienrecht § 1360 a Rdn. 29; AnwK-BGB/Kaiser § 1360 a Rdn. 43; wohl auch Luthin/ Schumacher Handbuch des Unterhaltsrechts 10. Aufl. Rdn. 3054). Überwiegend wird hingegen vertreten, daß sich ein Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses nicht schon allgemein aus der Vorschrift über das Maß des Unterhalts in § 1610 Abs. 2 BGB ergebe. Das schließe es
allerdings nicht aus, einen solchen Anspruch in entsprechender Anwendung des § 1360 a Abs. 4 BGB anzunehmen. Nach einhelliger Auffassung sei jedenfalls die Situation des unterhaltsberechtigten minderjährigen Kindes der des noch nicht geschiedenen Ehegatten vergleichbar. Wegen der Identität des Unterhaltsanspruchs volljähriger Kinder mit dem Minderjähriger (vgl. Senatsbeschluß vom 26. Januar 1983 - IVb ZA 8/82 - FamRZ 1983, 582) müsse dies im Grundsatz auch für volljährige Kinder gelten. Jedenfalls dann, wenn diese noch keine eigene Lebensstellung haben, sei die Situation mit derjenigen minderjähriger Kinder vergleichbar. Aus der Vorschrift des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB über privilegierte Volljährige lasse sich keine weitere Einschränkung herleiten, weil diese Norm lediglich die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und nicht den Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten betreffe (OLG Celle OLGR 1994, 223; OLG Nürnberg FamRZ 1996, 814; OLG Zweibrücken FamRZ 1996, 891; OLG Braunschweig OLGR 1999, 307; OLG Hamm FamRZ 2000, 255; OLG Köln FamRZ 2000, 757; OLG Bremen OLGR 2001, 321; KG KGR 2002, 184; OLG München FamRZ 2002, 1219; im Ergebnis ebenso BSG NJW 1970, 352 m. Anm. Lange NJW 1970, 830 und BVerwG FamRZ 1974, 370; Dose aaO Rdn. 107; Wendl/Scholz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 Rdn. 24; Eschenbruch/Klinkhammer Der Unterhaltsprozeß 3. Aufl. Rdn. 5172; Johannsen/Henrich/Thalmann Eherecht 4. Aufl. § 115 ZPO Rdn. 67; Schwab/Borth Handbuch des Scheidungsrechts 5. Aufl. Teil IV Rdn. 65 f.; FA-FamR/Gerhardt 5. Aufl. 6. Kap. Rdn. 194).
b) Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Auch dem volljährigen Kind steht ein Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses gegen seine Eltern zu, wenn es sich noch in der Ausbildung befindet und noch keine selbständige Lebensstellung erreicht hat.
Allerdings folgt dieser Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses nicht schon aus § 1610 Abs. 2 BGB, der den Anspruch auf Verwandtenunterhalt nach dem gesamten Lebensbedarf bemißt. Denn auch das Maß des Anspruchs auf nachehelichen Ehegattenunterhalt nach § 1578 BGB umfaßt grundsätzlich den gesamten Lebensbedarf. Gleichwohl schuldet ein geschiedener Ehegatte nach der Rechtsprechung des Senats seinem früheren Ehegatten keinen Prozeßkostenvorschuß (Senatsurteil BGHZ 89, 33, 35 ff.). Obwohl auch der Anspruch auf Familienunterhalt nach § 1360 a Abs. 1 BGB den gesamten Lebensbedarf umfaßt, ist dem Ehegatten in § 1360 a Abs. 4 BGB ausdrücklich ein über diesen allgemeinen Lebensbedarf hinausgehender Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenhilfevorschusses zugebilligt worden. Nach dem Gesetzeswortlaut ist diese Regelung allerdings auf den Familienunterhalt (und durch die Bezugnahme in § 1361 Abs. 4 Satz 4 BGB auf den Trennungsunterhalt) beschränkt. Für den nachehelichen Unterhalt ist § 1360 a Abs. 4 BGB auch nicht entsprechend anwendbar, weil diese unterhaltsrechtliche Beziehung nicht in gleichem Umfang Ausdruck einer besonderen Verantwortung des Verpflichteten für den Berechtigten ist, die derjenigen von Ehegatten vergleichbar ist (Senatsurteil BGHZ 89 aaO, 39 f.). Daß im Verwandtenunterhalt eine Regelung zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses fehlt, schließt allerdings eine entsprechende Anwendung des § 1360 a Abs. 4 BGB für solche Fälle nicht aus, die der besonderen Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten vergleichbar ist (Senatsunterhalt BGHZ 89 aaO, 40). Das ist nach inzwischen einhelliger Auffassung für die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber ihren minderjährigen unverheirateten Kindern der Fall (vgl. Senatsbeschluß vom 4. August 2004 aaO, 1634 m. Anm. Viefhues FamRZ 2004, 1635 f.). Die dem gesetzlichen Zweck vergleichbare Situation ist jedoch nicht auf den Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder beschränkt, sondern im wesentlichen darauf zurückzuführen, daß die Kinder wegen ihres
Alters und Ausbildungsbedarfs noch keine eigene Lebensstellung erreicht haben und sich deswegen noch nicht selbst unterhalten können. Das allerdings gilt für volljährige Kinder vor Erreichen einer eigenen Lebensstellung entsprechend , zumal ihr Unterhaltsanspruch mit dem Anspruch auf Minderjährigenunterhalt identisch ist (Senatsbeschluß vom 28. Januar 1983 aaO; Wendl/Scholz aaO § 3 Rdn. 17 und 339). Zwar sind durch die zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene Neuregelung des § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB nur solche volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres den minderjährigen Kindern völlig gleichgestellt worden, die noch im Haushalt eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Das kann eine Beschränkung des Anspruchs auf Prozeßkostenvorschuß auf diese privilegierten Volljährigen aber nicht rechtfertigen. Denn § 1603 BGB verhält sich nicht zum Unterhaltsbedarf, sondern betrifft die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen und kommt somit erst im Mangelfall zum Tragen (Eschenbruch/Klinkhammer aaO Rdn. 5172). Das Gesetz enthält deswegen mit der unvollständigen Regelung des § 1610 BGB eine unbewußte Regelungslücke, die durch entsprechende Anwendung des § 1360 a Abs. 4 BGB geschlossen werden kann, wenn die Situation des bedürftigen volljährigen Kindes derjenigen eines unterhaltsberechtigten Ehegatten vergleichbar ist. Das ist hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs volljähriger Kinder dann der Fall, wenn sie wegen der Fortdauer ihrer Ausbildung noch keine eigene Lebensstellung erworben haben und deswegen übergangsweise wie minderjährige Kinder der Unterstützung durch ihre Eltern bedürfen. Das Berufungsgericht hat die noch in Berufsausbildung befindliche volljährige Klägerin somit zu Recht auf einen Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß gegen ihre Eltern verwiesen.
Zwar besteht der Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses , der die Bedürftigkeit der Klägerin entfallen läßt, nur für solche Rechtsstreitigkeiten , die persönliche Angelegenheiten des Unterhaltsberechtigten betreffen (vgl. insoweit Dose aaO Rdn. 110 f.). Um eine solche Angelegenheit handelt es sich allerdings bei der hier beabsichtigten Klage auf Kindesunterhalt (vgl. BGH vom 18. Dezember 1959 - IV ZR 145/59 - FamRZ 1960, 130).
c) Auch sonst hält die Versagung der Prozesskostenhilfe für die Durchsetzung des Unterhaltsanspruchs der volljährigen Klägerin den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand. Ob der Rechtsstreit in der Hauptsache Aussicht auf Erfolg hat, konnte das Oberlandesgericht hier dahinstehen lassen. Zwar schuldet der Beklagte der Klägerin nur dann einen Prozeßkostenvorschuß, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Insoweit entsprechen die Anforderungen an einen Anspruch auf Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses denen der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gemäß § 114 ZPO (Senatsbeschluß vom 7. Februar 2001 - XII ZB 2/01 - FamRZ 2001, 1363, 1364). Fehlt der Hauptsache die erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht, entfällt zwar ein Anspruch auf Zahlung eines Prozesskostenvorschusses ; dann fehlt es aber auch an der hinreichenden Erfolgsaussicht für die Bewilligung der beantragten Prozesskostenhilfe. Liegt hingegen hinreichende Erfolgsaussicht vor, steht der Klägerin ein Anspruch auf Prozeßkostenvorschuß zu, der die Bedürftigkeit für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe entfallen läßt. Nach den Feststellungen des angefochtenen Beschlusses ist jedenfalls die Leistungsfähigkeit des Beklagten für einen Prozeßkostenvorschuß "zweifelsfrei gegeben". Weil somit der unterhaltsrechtlich geltende angemessene
Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern gewahrt bleibt (vgl. insoweit Senatsbeschluß vom 4. August 2004 aaO S. 1634), entspricht die Verpflichtung zur Zahlung eines Prozeßkostenvorschusses auch der Billigkeit. Der Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe entfällt aber schon dann, wenn wenigstens ein unterhaltspflichtiger Elternteil des volljährigen Kindes zur Leistung eines Prozesskostenvorschusses in der Lage ist.
Hahne Sprick Wagenitz Fuchs Dose

(1) Der angemessene Unterhalt der Familie umfasst alles, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten und den Lebensbedarf der gemeinsamen unterhaltsberechtigten Kinder zu befriedigen.

(2) Der Unterhalt ist in der Weise zu leisten, die durch die eheliche Lebensgemeinschaft geboten ist. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, die zum gemeinsamen Unterhalt der Familie erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung zu stellen.

(3) Die für die Unterhaltspflicht der Verwandten geltenden Vorschriften der §§ 1613 bis 1615 sind entsprechend anzuwenden.

(4) Ist ein Ehegatte nicht in der Lage, die Kosten eines Rechtsstreits zu tragen, der eine persönliche Angelegenheit betrifft, so ist der andere Ehegatte verpflichtet, ihm diese Kosten vorzuschießen, soweit dies der Billigkeit entspricht. Das Gleiche gilt für die Kosten der Verteidigung in einem Strafverfahren, das gegen einen Ehegatten gerichtet ist.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.

(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.

(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.