Bundessozialgericht Urteil, 30. März 2017 - B 2 U 6/15 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2017:300317UB2U615R0
bei uns veröffentlicht am30.03.2017

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. Oktober 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Bronchialkarzinom als Berufskrankheit (BK) nach Nr 1103 (Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; in Zukunft BK Nr 1103) anzuerkennen und eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen ist.

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Die Klägerin ist die Witwe des 1952 geborenen und während des Berufungsverfahrens im März 2013 an den Folgen einer Krebserkrankung verstorbenen Versicherten. Sie lebte zur Zeit seines Todes mit dem Versicherten in einem Haushalt. Von April 1977 bis Ende 1985 arbeitete er in einem Stahlwerk. Dort war er bei seiner Tätigkeit als Schweißer Atemwegsbelastungen insbesondere durch Chrom und Nickel ausgesetzt. Die Chromatexposition betrug 307,51 Chrom-VI-Jahre und die Nickelexposition 196,04 Nickeljahre. Zudem war er einer Asbestbelastung von 12,66 Faserjahren ausgesetzt. Der Versicherte rauchte über einen Zeitraum von 30 Jahren zumindest 20 Zigaretten täglich. Im Jahr 2004 erkrankte er an einem peripheren nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom des linken Lungenoberlappens. Die Beklagte lehnte sowohl die Anerkennung der Bronchialkarzinomerkrankung als BK Nr 1103 als auch als BK Nr 4104 der Anlage 1 zur BKV ab (Bescheide vom 25.8.2005 und Widerspruchsbescheide vom 8.12.2005).

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Das SG hat die die Anerkennung der BK Nr 1103 ablehnenden Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, bei dem (damaligen) Kläger einen Zustand nach Oberlappenresektion links wegen nicht kleinzelligem Lungenkarzinom als BK Nr 1103 anzuerkennen sowie ihm ab Ende der durch die BK bedingten Arbeitsunfähigkeit Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vH zu gewähren. Die Klage gegen die die Anerkennung einer BK Nr 4104 wegen der Asbestbelastung ablehnenden Bescheide hat es abgewiesen (Urteil vom 28.5.2009). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Chromatbelastung des Versicherten am Arbeitsplatz habe kausal die BK Nr 1103 verursacht. Nach neueren Studien liege die Dosis für die Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos deutlich unter dem früher angenommenen Grenzwert einer Belastung von 2000 Chrom-VI-Jahren. Im Übrigen verlange der Wortlaut der BK Nr 1103 gerade nicht, dass sich das Erkrankungsrisiko für die jeweils exponierte Personengruppe im Vergleich zur übrigen Bevölkerung verdopple. Demgegenüber trete die Raucheranamnese des Versicherten zurück. Zu Recht habe die Beklagte dagegen die Anerkennung einer BK Nr 4104 abgelehnt, weil die Voraussetzungen hierfür mangels Asbestose, asbesttypischer Pleuraveränderung und Erreichen einer Asbestfaserdosis von 25 Faserjahren nicht vorlägen.

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Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage der den Prozess nach dem Tode des Versicherten fortführenden Klägerin abgewiesen (Urteil vom 14.10.2014). Es hat ausgeführt, die Chromatbelastung mit 307,51 Chrom-VI-Jahren habe mit überwiegender Wahrscheinlichkeit als naturwissenschaftliche (Mit-)Ursache dazu beigetragen, dass der Versicherte im Alter von 52 Jahren an einem Bronchialkarzinom erkrankt sei, denn die Indizien für eine Mitursächlichkeit der Chrom-VI-Einwirkung im naturwissenschaftlichen Sinn würden deutlich überwiegen. Der Zusammenhang zwischen Einwirkungen von Chrom-VI und Lungenkrebs sei durch Studien klar belegt; hieraus ergebe sich teilweise eine Verdoppelung des Lungenkrebsrisikos schon bei einer Dosis von 300 Chrom-VI-Jahren. Hinzu komme die durch das Biomonitoring nachgewiesene deutlich erhöhte Chromatbelastung des Lungengewebes. Ebenso seien für die Entstehung des Lungenkrebses die Asbest- und Nickelbelastung und als unversicherte Einwirkung der langjährige Nikotinmissbrauch mitursächlich. Die erforderliche rechtliche Bewertung der festgestellten naturwissenschaftlichen Ursachen für die Zurechnungsentscheidung der zweiten Stufe, ob diese für den eingetretenen Erfolg rechtlich wesentlich geworden seien, führe jedoch zu dem Ergebnis, dass die versicherte Chrom-VI-Einwirkung neben dem unversicherten Zigarettenrauch eine derart untergeordnete Bedeutung erlange, dass sie nicht als rechtlich wesentliche (Mit-)Ursache für die Bronchialkrebserkrankung betrachtet werden könne. Während die Risikosteigerung durch die Chromatbelastung von 307,51 Chrom-VI-Jahren deutlich unter einer anzunehmenden Verdoppelungsdosis von 1000 Chrom-VI-Jahren liege, begründe der langjährige Nikotinkonsum ein zehnfach erhöhtes Lungenkrebsrisiko.

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Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK Nr 1103. Entgegen der Auffassung des LSG sei die Chromateinwirkung nicht nur naturwissenschaftlich, sondern auch rechtlich wesentlich für die Entstehung des Bronchialkarzinoms gewesen. Nach der Rechtsprechung des BSG komme es auf das Vorhandensein weiterer belastender Einwirkungen nicht an, wenn die beruflichen Einwirkungen nach wissenschaftlichen Erkenntnissen für sich allein ein so hohes Gefährdungspotential bergen würden, dass sich hierauf eine hinreichende Verursachungswahrscheinlichkeit stützen lasse. Schon eine Belastung von 300 Chrom-VI-Jahren, wie sie bei dem Versicherten vorgelegen habe, führe zu einer Risikoverdoppelung. Das LSG habe deshalb bei der Prüfung der rechtlichen Wesentlichkeit einen zu hohen Grenzwert zugrunde gelegt und auch nicht isoliert die rechtliche Wesentlichkeit aller kanzerogenen Stoffe geprüft.

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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14.10.2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 28.05.2009 zurückzuweisen.

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Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

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Sie hält die Entscheidung des LSG im Ergebnis für zutreffend. Das LSG hätte allerdings aufgrund der festgestellten Einwirkungen bereits die Kausalität der Einwirkung von Chrom-VI im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn verneinen müssen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet. Das LSG hat zu Unrecht das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, soweit das SG die Beklagte zur Anerkennung der BK Nr 1103 verurteilt hat. Die Ablehnung der Anerkennung dieser BK in dem Bescheid vom 25.8.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2005 war rechtswidrig. Bei dem Versicherten lag ein Zustand nach Oberlappenresektion links wegen nicht kleinzelligem Lungenkarzinom des linken Lungenoberlappens als Folge einer BK Nr 1103 vor. Das LSG hat - von seiner Rechtsansicht her konsequent - selbst keine Feststellungen zur Höhe der MdE getroffen. Der Senat konnte daher nicht entscheiden, ob das SG zu Recht die Beklagte zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE in Höhe von 100 vH verurteilt hat; deshalb musste der Rechtsstreit insoweit an das LSG zurückverwiesen werden.

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Streitgegenstand des Revisionsverfahrens - wie auch des Berufungsverfahrens - ist die Aufhebung der die BK Nr 1103 betreffenden Bescheide der Beklagten und ihre Verurteilung zur Anerkennung der BK Nr 1103 sowie zur Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 100 vH durch das SG. Nur insoweit hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die zulässige Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Abs 4 SGG) abgewiesen (vgl insbesondere zur Zulässigkeit einer Verpflichtungsklage BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151 - juris RdNr 10; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 55 RdNr 13c).

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Dass die Klägerin den Rechtsstreit nach dem während des Berufungsverfahrens eingetretenen Tod des Versicherten fortführt, steht der Zulässigkeit der Klagen nicht entgegen. Die Klägerin, die zur Zeit des Todes des mit ihr verheirateten Versicherten mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatte, verfolgt als Sonderrechtsnachfolgerin einen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente und damit auf laufende Geldleistungen iS von § 56 Abs 1 Nr 1 SGB I. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung der BK Nr 1103 ist gegeben, denn es erscheint nicht ausgeschlossen, dass noch andere auf die Klägerin übergegangene Ansprüche gegen die Beklagte bestehen und ggf auch in einem Verfahren nach § 44 SGB X geltend gemacht werden können.

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Das LSG hat zu Unrecht unter Aufhebung des Urteils des SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr 1103 der Anlage 1 zur BKV liegen vor. Rechtsgrundlage für die Anerkennung dieser BK ist § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK Nr 1103. BK Nr 1103 lautet: "Erkrankungen durch Chrom und seine Verbindungen". Der Tatbestand der BK Nr 1103 enthält darüber hinaus weder normative Vorgaben in Form einer Mindestdosis oder Mindestdauer der Einwirkung noch eine inhaltliche Eingrenzung der möglichen Krankheitsbilder. Nach § 9 Abs 1 S 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Für die Feststellung einer Listen-BK ist erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Die Voraussetzungen der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (stRspr; vgl zuletzt BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr 26, RdNr 10 mwN).

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1. Nach den bindenden Feststellungen des LSG arbeitete der Ehemann der Klägerin von 1977 bis 1985 als Beschäftigter eines Stahlwerks. In dieser Tätigkeit war er nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII Versicherter der gesetzlichen Unfallversicherung. Während und aufgrund dieser versicherten Tätigkeit unterlag er den im Tatbestand der BK Nr 1103 genannten Einwirkungen "Chrom und seinen Verbindungen" durch Chrom-VI mit einer Dosis von 307,51 Chromatjahren.

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2. Beim Versicherten bestand als Erkrankung iS von § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK Nr 1103 ein Zustand nach Oberlappenresektion links wegen nicht kleinzelligem Lungenkarzinom des linken Lungenoberlappens im Stadium IIa. Nach den Feststellungen des LSG sind Chrom-VI-Einwirkungen geeignet, Bronchialkarzinome zu verursachen. Bei der BK Nr 1103 handelt es sich um einen sog offenen BK-Tatbestand (vgl dazu Spellbrink, SR 2014, 140, 143; Bieresborn, NZS 2008, 354, 359), der ua keine konkrete Erkrankung benennt, die bei dem Versicherten diagnostiziert werden muss, um den BK-Tatbestand bejahen zu können. Anerkennungsfähig sind deshalb alle Krankheiten, die durch die benannten Einwirkungen potentiell verursacht werden können (vgl hierzu BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr 26, RdNr 14).

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3. Zwischen den festgestellten gefährdenden Einwirkungen iS der BK Nr 1103 durch Chrom-VI und der Lungenkrebserkrankung des Versicherten bestand nach den Feststellungen des LSG ein ursächlicher Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne. Für die Anerkennung einer BK ist neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Voraussetzung für die Anerkennung der BK Nr 1103 ist deshalb, dass die Lungenkrebserkrankung des Versicherten durch die während seiner versicherten Tätigkeit erfolgten Einwirkungen von Chrom-VI verursacht worden ist.

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Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im BKen-Recht wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn auf dieser sog ersten Stufe feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier die Einwirkung durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Ursache der Krankheit ist, stellt sich auf der sog zweiten Stufe die Frage, ob die Einwirkung auch rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr ist (stRspr; vgl zuletzt BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr 26, RdNr 19 mwN).

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Das LSG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhang sowohl hinsichtlich der sog arbeitstechnischen als auch arbeitsmedizinischen Voraussetzungen festgestellt (hierzu unter a). Entgegen der Auffassung der Vorinstanz haben die festgestellten naturwissenschaftlich-kausalen Chromateinwirkungen die Lungenkrebserkrankung auch rechtlich wesentlich verursacht (hierzu unter b).

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a) Nach den Feststellungen des LSG hat die gefährdende Einwirkung durch Chrom-VI die Lungenkrebserkrankung des Versicherten verursacht. Das LSG hat dazu ohne Verstoß gegen Bundesrecht und damit den Senat gemäß § 163 SGG bindend festgestellt(anders als in dem dem Urteil des Senats vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - zugrundeliegenden Verfahren), dass die Chromatbelastung von 307,51 Chrom-VI-Jahren, der der Versicherte durch seine versicherte Tätigkeit ausgesetzt war, geeignet war, die Lungenkrebserkrankung zu verursachen und dass diese Einwirkung auch (Mit-)Ursache für diese Erkrankung war. Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung auf der sog ersten Stufe ist zwar eine der revisionsrechtlichen Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte iS des § 163 SGG. Eine solche das Revisionsgericht bindende Wirkung besteht jedoch dann nicht, wenn das LSG von einem nicht existierenden oder offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen oder einen bestehenden Erfahrungssatz nicht angewandt hat und eine solche fehlerhafte Anwendung zulässig gerügt wird (vgl hierzu zuletzt BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr 26, RdNr 28 mwN). Die Feststellung einzelner Tatbestandsmerkmale der jeweiligen die BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen sind revisionsrechtlich darauf überprüfbar, ob sie dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechen (vgl BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20, vom 27.6.2006 - B 2 U 5/05 R - BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19 und vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 23). Das über das Vorliegen von BKen befindende Gericht muss sich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Maßgebend bei diesem ersten Schritt der Kausalitätsprüfung ist die Feststellung von wissenschaftlichen Erfahrungssätzen und deren Tragweite (vgl Spellbrink, SR 2014, 140, 144 ff und SR 2015, 15, 17). Die heranzuziehenden Quellen, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das jeweilige Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin ggf durch Sachverständige zu überprüfen (vgl BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr 26, RdNr 28; vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 68; vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also - von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen - Konsens besteht (BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr 26, RdNr 17; BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22; BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20). Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 18).

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Danach ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich das LSG unter Berufung auf das durch das SG eingeholte medizinische Sachverständigengutachten des Prof. Dr. S. auf Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2000 gestützt und eine Ursächlichkeit der Chromateinwirkungen für eine Lungenkrebserkrankung schon ab einer Dosis von 300 Chrom-VI-Jahren bejaht hat. Der Senat kann jedenfalls nicht feststellen, dass das LSG damit einen offenkundig falschen Erfahrungssatz zugrunde gelegt oder einen bestehenden Erfahrungssatz außer Acht oder offensichtlich fehlerhaft angewandt hat. Denn ein allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisstand zur Dosis-Wirkungsbeziehung von Chromateinwirkungen und des Risikos, an Lungenkrebs zur erkranken, existiert nicht. Nach dem derzeitigen Stand in der medizinischen Wissenschaft besteht zwar Einigkeit darüber, dass eine inhalative Chromatexposition ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko bedingt (Brüning/Pesch ua, ASUMed 2015, 666, 667 unter Bezugnahme auf Studien von Gibb ua 2000, Mundt ua 2002, Luippold ua 2003), eine zuverlässige und allgemein akzeptierte Dosis-Wirkungsbeziehung bei Chromateinwirkungen konnte bislang aber nicht ermittelt werden (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl 2017, S 1176; Brüning/Pesch ua, ASUMed 2015, S 666, 674). Auch die von der Beklagten im Revisionsverfahren vorgelegte aktuelle Veröffentlichung aus dem Jahr 2015 (Brüning/Pesch ua, ASUMed 2015, S 666 ff), die insbesondere unter Berücksichtigung einer Studie aus dem Jahr 2006 (Birk ua) eine Risikoverdoppelung für Lungenkrebs in einem Bereich von 500 Chromatjahren bei 40 Jahren Lebensarbeitszeit annimmt, gibt insofern keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wieder, unabhängig davon, dass jedenfalls das Gesetz in § 9 Abs 1 S 2 SGB VII das Kriterium einer Risikoverdoppelung als Voraussetzung einer BK-Anerkennung nicht erwähnt(hierzu bereits BSG vom 23.3.1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30, 37 f = SozR 3-2200 § 551 Nr 12, S 42; skeptisch gegenüber dem Kriterium der Risikoverdoppelung ua auch P. Becker, SGb 2006, 449, 454). Vielmehr weisen die Autoren ausdrücklich darauf hin, dass die dem vorgeschlagenen Wert zugrundeliegenden Berechnungen eine Vielzahl von Unsicherheiten enthalten, und schlagen deshalb vor, ihre Ergebnisse lediglich als Orientierungswerte zu verstehen (Brüning/Pesch ua, ASUMed 2015, S 666, 673 f; so auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl 2017, S 1176).

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Mithin besteht zwar derzeit ein wissenschaftlich gesicherter Grenzwert für eine Dosis-Wirkungsbeziehung nicht, den Forschungsergebnissen lässt sich jedoch die Tendenz entnehmen, bei immer geringeren Einwirkungsmengen eine naturwissenschaftliche Ursächlichkeit zu bejahen. Während im Jahr 1994 für die Annahme einer erheblichen inhalativen Chrom-VI-Belastung und die Anerkennung der BK Nr 1103 ein Chromat-Jahre-Wert von 2000 für CrO3 bzw 1000 für Chrom-VI für Lichtbogenschweißer und für andere Tätigkeiten Werte von 1000 für CrO3 bzw 500 für Chrom-VI vorgeschlagen wurden (Norpoth und Popp, zusammenfassend dargestellt bei Pesch ua, ASUMed 2009, S 336, 337), nennt eine Studie aus dem Jahr 2005 einen Grenzwert von 1300 Chromat-Jahren (Luippold, zusammenfassend dargestellt bei Pesch ua, ASUMed 2009, S 336, 340; dies ASUMed 2015, S 666, 671). Aufbauend auf einer Studie aus dem Jahr 2000 (Gibb ua) wurde im Jahr 2006 von einem ursächlichen Zusammenhang bei einem Wert von 300 Chromat-Jahren ausgegangen (Borsch-Galetke, zusammenfassend dargestellt bei Pesch ua, ASUMed 2009, S 336, 341; zu den Schwächen der Studien vgl Brüning/Pesch ua, ASUMed 2015, S 666, 670 ff; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl 2017, S 1176).

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Die Tendenz zur Annahme immer geringerer Werte wird gestützt durch die von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) veröffentlichte Begründung in den Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS) 910 zur Exposition-Risiko-Beziehung bei Chrom-VI. Ziel solcher präventiver Grenzwerte ist zwar die Ermittlung einer Dosis, ab der die ernsthafte Möglichkeit einer Gefährdung besteht, so dass aus ihnen keine direkten Aussagen über retrospektiv betrachtete Dosis-Wirkungsbeziehungen abgeleitet werden können (vgl hierzu Bieresborn, SGb 2016, 310, 319; Seidler, ZblArbeitsmed 2014, 325, 326). Dennoch können solche Studien - zumindest ergänzend - auch für die Kausalitätsprüfung herangezogen werden, da sie auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhenden Aufschluss über Zusammenhänge zwischen Schadstoffexposition und Erkrankung geben können (vgl hierzu Spellbrink, Synkanzerogenese aus rechtlicher Sicht, in DGUV , Erfahrungen mit der Anwendung von § 9 Abs 2 SGB VII , 6. Erfahrungsbericht, 2013, S 53, insb S 62 ff; Spellbrink, SR 2015, 15, 19; Seidler, ZblArbeitsmed 2014, 325, 329; BAuA, TRGS 910 , S 34; Brünung/Pesch ua, ASUMed 2015, 666, 667). Nach der Begründung zu Chrom-VI in TRGS 910 (BAuA, Ausschluss für Gefahrstoffe, Stand: November 2013, Ausgabe: April 2014, S 31) besteht nach derzeitigen Erkenntnissen eine ernsthafte Gefährdungsmöglichkeit bereits ab einer Konzentration von 12,5 µg/m³. Angesichts dieser Veröffentlichungen ist mithin für das Revisionsgericht nicht erkennbar, dass der vom LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegte Erfahrungssatz offensichtlich falsch ist, nach dem ein naturwissenschaftlicher Kausalzusammenhang zwischen einer Lungenkrebserkrankung und einer Einwirkung von Chromat bereits bei 300 Chromatjahren vorliegen kann.

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b) Zu Unrecht hat das LSG dagegen die rechtliche Wesentlichkeit dieser Ursache für den eingetretenen Erfolg verneint, weil den Einwirkungen durch Nikotinrauch ein statistisch höheres Erkrankungsrisiko für die Krebserkrankung des Versicherten zugrunde lag als der Einwirkung durch Chrom-VI. Entgegen der Auffassung des LSG kann im Rahmen der zweiten Stufe der Kausalitätsprüfung nicht ausschließlich das jeweilige Erkrankungsrisiko rein mathematisch gegenüber gestellt und ziffernmäßig abgewogen werden. Die nummerischen Verursachungsbeiträge durch Chrom einerseits und Nikotinkonsum andererseits hätten bereits auf der ersten (rein tatsächlichen) Prüfungsstufe festgestellt und abgewogen werden müssen. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz hat die Chrom-VI-Einwirkung die Lungenkrebserkrankung auch auf der sog zweiten, rein rechtlichen Stufe der Kausalitätsprüfung rechtlich wesentlich verursacht.

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Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs vom Rechtsanwender (Juristen) wertend entschieden werden (grundlegend BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 12). Die Wesentlichkeit einer (Mit-)Ursache ist eine reine Rechtsfrage, die sich nach dem Schutzzweck der Norm beantwortet (grundlegend P. Becker, MedSach 2007, 92; Spellbrink, MedSach 2017, 51, 55). Die rechtliche Wesentlichkeit ist zu bejahen, wenn die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Eine Rechtsvermutung dafür, dass die versicherte Einwirkung wegen ihrer objektiven Mitverursachung der Erkrankung auch rechtlich wesentlich war, besteht nicht. Die Wesentlichkeit ist vielmehr zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 23). Das BSG hat dabei schon immer betont, dass bei dieser Prüfung "wesentlich" nicht gleichzusetzen ist mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere Ursache keine überragende Bedeutung hat (BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2, RdNr 22). Folglich war in den seit längerer Zeit problematisierten Fällen der durch mehrere Ursachen (kumulativ oder additiv) verursachten Krebserkrankungen (sog Synkanzerogenese) schon immer diskutiert worden, dass auch (teil-)wesentliche Ursachen eine Entschädigungspflicht auslösen können, wenn auf der ersten Stufe der notwendige naturwissenschaftlich-philosophische Zusammenhang gesichert ist (vgl P. Becker, MedSach 2005, 115 und zuletzt P. Becker, ZblArbeitsmed 2015, 301; Spellbrink, BPUVZ 2012, 360, 365). So liegen die Verhältnisse hier.

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Die versicherungsrechtliche Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers setzt voraus, dass die Rechtsgutsverletzung des Versicherten in den jeweiligen Schutzbereich der begründeten Versicherung fällt. Für Schäden, die außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegen, muss der jeweils zuständige Unfallversicherungsträger nicht einstehen. Entscheidend ist mithin, ob der begründete Versicherungsschutz den Sinn und Zweck hat, gegen Schäden der konkret eingetretenen Art zu schützen. Die kausal auf den versicherten Chromateinwirkungen beruhende Lungenkrebserkrankung des Versicherten ist vom Schutzzweck der BK Nr 1103 umfasst. Die gesetzliche Unfallversicherung soll im Rahmen der BK Nr 1103 vor Erkrankungen, insbesondere vor Bronchialkarzinomen, durch betriebliche Chromatbelastungen schützen und im Falle des Eintritts einer solchen Erkrankung Leistungen gewähren. Der Verordnungsgeber hat dabei gerade keinen Schwellenwert festgeschrieben, der überschritten sein muss, damit die BK Nr 1103 festgestellt werden kann. Mithin zeigt bereits die Normformulierung der BK Nr 1103, dass Chrom und seine Verbindungen vom Verordnungsgeber auch niedrigschwellig als gefährlich eingestuft werden, was durch die oben (unter 3.a) referierten Forschungsbefunde eindrucksvoll belegt wird. Schutzzweck des Versicherungstatbestandes der BK Nr 1103 ist gerade die Gewährung von Versicherungsschutz bei Erkrankungen, die durch die als grundsätzlich gefährdend eingestuften Einwirkungen von Chrom und seinen Verbindungen hervorgerufen werden. Auch angesichts des Gefahrenpotentials dieses Stoffes hat der Verordnungsgeber den Wortlaut der BK Nr 1103 denkbar weit gefasst und die Anerkennung dieser BK gerade nicht von der Erreichung bestimmter Grenzwerte abhängig machen wollen. Damit ist eine Anerkennung der BK Nr 1103 auch nicht von vorneherein nur Nichtrauchern vorbehalten. Grund für die Einführung dieses BK-Tatbestandes war allein die Erkenntnis, dass sich durch metallische Chrome oder andere Verbindungen des Chroms gesundheitliche Schädigungen einstellen können (vgl BR-Drucks 194/1/52, S 2).

25

Die Wesentlichkeit der vom LSG festgestellten (Mit-)Ursache ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil nach seinen Feststellungen als Mitursache neben die Einwirkung durch Chromat die unversicherte Einwirkung des Nikotinkonsums des Verletzten mit einer Dosis von 30 Packungsjahren trat. Denn die Einwirkung durch den Nikotinkonsum hat unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der BK Nr 1103 das Erkrankungsgeschehen rechtlich nicht derart geprägt, dass die Erkrankung nicht mehr dem Schutzbereich des Versicherungstatbestandes unterfällt. Es besteht zwar kein Automatismus dergestalt, dass die Bejahung des naturwissenschaftlichen Kausalitätszusammenhangs zwischen Einwirkung und Erkrankung auch die rechtliche Wesentlichkeit der Ursache zur Folge hätte. Für BKen, die "harte Kriterien" enthalten, wie die BK Nr 4104, die die Einwirkung einer berufsbedingten Asbestfaserstaub-Dosis von 25 Faserjahren verlangt, hat der Senat allerdings entschieden, dass bereits bei Nachweis dieser in der Norm selbst genannten Einwirkungsgröße eine Tatsachenvermutung für einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Krebserkrankung und der Einwirkung von Asbest besteht (vgl BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 24 ff). Diese Vermutung kann widerlegt werden, indem beispielsweise gezeigt wird, dass wegen der Art oder der Lokalisation des Tumors, wegen des zeitlichen Ablaufs der Erkrankung oder aufgrund sonstiger Umstände im konkreten Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang trotz der beruflichen Belastung nicht wahrscheinlich ist, nicht jedoch schon dadurch, dass der Versicherte auch außerberuflich Schadstoffeinwirkungen - wie langjähriges Zigarettenrauchen - ausgesetzt war, die nach wissenschaftlicher Erkenntnis geeignet sind, ebenfalls an dem befallenen Organ eine Krebserkrankung zu verursachen. Andernfalls bliebe angesichts vielfältiger, in ihren Wirkungen und Wechselwirkungen nur teilweise bekannter und erforschter gesundheitsschädlicher Umwelteinflüsse, denen jeder in seinem persönlichen Umfeld in mehr oder weniger großem Umfang ausgesetzt ist, die vom Verordnungsgeber aufgestellte Vermutung weitgehend bedeutungslos (so BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 27).

26

Anders als die BK Nr 4104 enthält der Tatbestand der BK Nr 1103 zwar keinen Grenzwert, ab dem ein Ursachenzusammenhang zwischen Chromateinwirkung und Erkrankung vermutet wird. Der Verordnungsgeber hat im Text der BK Nr 1103 die Wirkungsbeziehung "Erkrankungen durch Chrom und seine Verbindungen" für entschädigungswürdig gehalten und keinen Ausschluss von Erkrankungen, die auch durch außerberufliche Einwirkungen verursacht werden können, vorgesehen. Wenn - wie vorliegend - ein naturwissenschaftlicher Kausalzusammenhang zwischen einer beruflichen Einwirkung und einer Erkrankung festgestellt wurde, kann die rechtliche Wesentlichkeit dieser Einwirkung nicht bereits deshalb verneint werden, weil eine andere, außerberufliche Einwirkung ebenfalls geeignet ist, die Erkrankung des Versicherten hervorzurufen. Denn dies würde die vom Gesetzgeber mit der Aufnahme einer Einwirkung in die BKV getroffene Wertentscheidung unterlaufen, dass die Beteiligten von deren generellen Eignung zur Verursachung bestimmter Erkrankungen und von deren Entschädigungswürdigkeit auszugehen haben (vgl Koch in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 2, Unfallversicherungsrecht, 1996, § 36 RdNr 6). Das in BK Nr 1103 vorausgesetzte hohe Gefährdungspotential, das der Verordnungsgeber Chrom-VI zuschreibt, bliebe unberücksichtigt, wenn allein die abstrakte Möglichkeit, dass die Erkrankung durch eine andere (außerberufliche) Einwirkung verursacht wurde, und das Hinzutreten weiterer - statistisch gefährlicherer - Einwirkungen die Wesentlichkeit ausschließen könnte. Auch würde die Normierung eines BKen-Tatbestandes wie der BK Nr 1103 weitgehend bedeutungslos, insbesondere weil Krebserkrankungen regelmäßig multifaktorielle Geschehensabläufe zugrunde liegen, deren Ursachen teils im beruflichen, teils im außerberuflichen Bereich liegen, ohne dass insofern eine wissenschaftlich begründete exakte Bezifferung der jeweiligen Verursachungsbeiträge möglich ist (grundlegend Hallier, Synkanzerogenese aus medizinischer Sicht, in DGUV , Erfahrungen mit der Anwendung von § 9 Abs 2 SGB VII<6. Erfahrungsbericht, 2013, S 72 ff>). Insofern erscheint es bei multifaktorieller Verursachung von Erkrankungen - wie vorliegend - auch nicht möglich, im Rahmen der Wesentlichkeitsprüfung einen Schwellenwert - wie etwa das sog Krasneysche Drittel - zu definieren (hierzu Spellbrink, BPUVZ 2012, 360, 365), den der Verursachungsbeitrag eines isoliert betrachteten Stoffes in jedem Falle überschritten haben müsste, um auch als rechtlich wesentlich betrachtet werden zu können (vgl hierzu auch Bultmann, ASR 2016,140,148).

27

Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung wird der Versicherte vielmehr in dem gesundheitlichen Zustand geschützt, in dem er mit dem gefährdenden Stoff konfrontiert wird. Wenn - wie vorliegend - ein naturwissenschaftlicher Kausalzusammenhang zwischen einer beruflichen Einwirkung und einer Erkrankung festgestellt wurde, kann die rechtliche Wesentlichkeit dieser Einwirkung mithin nicht bereits deshalb verneint werden, weil eine außerberufliche Einwirkung ebenfalls geeignet war, die Erkrankung des Versicherten hervorzurufen. Zudem würde die Rechtsauffassung des LSG, die Ermittlung der Wesentlichkeit sei anhand einer rein statistischen Gegenüberstellung vorzunehmen, im Ergebnis alle Raucher von Entschädigungsleistungen der Unfallversicherung ausschließen und damit dem Prinzip der gesetzlichen Unfallversicherung widersprechen, die grundsätzlich Versicherungsschutz auch bei bestehenden sonstigen gesundheitlichen Risiken bietet (vgl BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 19).

28

Der Rechtsstreit war gemäß § 170 Abs 2 S 2 SGG an das LSG zurückzuverweisen. Für eine abschließende Entscheidung durch den Senat darüber, für welchen Zeitraum und in welcher Höhe ein Anspruch auf eine Verletztenrente nach § 56 SGB VII besteht, reichen die vom LSG getroffenen Feststellungen nicht aus. Dies richtet sich gemäß § 56 Abs 2 S 1 SGB VII ua nach dem Umfang der MdE. Zur MdE hat das LSG - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - keine Feststellungen getroffen. Diese hat es nach Zurückverweisung nachzuholen und über den Anspruch auf Verletztenrente unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zum Vorliegen einer BK Nr 1103 zu entscheiden (§ 170 Abs 5 SGG). Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 163


Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 170


(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

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Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 3 Versicherung kraft Satzung


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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 13. Juli 2016 aufgehoben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 12. M

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(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Infektion der Klägerin mit dem Hepatitis C-Virus (HCV) als Berufskrankheit (BK) nach Nr 3101 der Anlage (seit 1.7.2009 Anlage 1) der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV; im Folgenden: BK 3101) streitig.

2

Die 1940 geborene Klägerin war seit Oktober 1995 als Altenpflegehelferin im Altenzentrum B. beschäftigt. Sie wurde im Wesentlichen im Bereich "Betreutes Wohnen" eingesetzt. Zu ihren Aufgaben gehörte das Waschen, Baden und Rasieren der Pflegebedürftigen. Sie hatte Katheterbeutel zu wechseln sowie Wundbehandlungen und Bluttests durchzuführen. Außerdem gab sie einer Heimbewohnerin in den Monaten April und Mai 1999 87 Insulinspritzen, ohne zum Spritzen berechtigt zu sein. Eine überdurchschnittliche Durchseuchung der Heimbewohner mit dem HCV ließ sich nicht feststellen.

3

Im August 1999 wurde bei der Klägerin eine HCV-Infektion diagnostiziert. Auf eine ärztliche Anzeige wegen des Verdachts des Vorliegens einer BK 3101 lehnte die Beklagte es ab, diese BK anzuerkennen und Leistungen zu erbringen. Bei der Klägerin habe kein besonders erhöhtes Verletzungsrisiko bestanden (Bescheid vom 4.12.2000; Widerspruchsbescheid vom 27.6.2001).

4

Das SG Frankfurt am Main hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 29.10.2002). Das Hessische LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 13.7.2010). Die Klägerin sei einem gesteigerten, nicht aber einem besonders erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen. Entgegen den gutachtlichen Ausführungen von Prof. Dr. C. könne nicht von einer im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung erhöhten Durchseuchung des Altenzentrums ausgegangen werden. HCV-Infektionen von Bewohnern des Altenheims seien nicht bekannt. Wegen sich widersprechender Studien existiere auch kein allgemeiner Erfahrungssatz, dass in Pflegestationen von Altenheimen eine besondere Infektionsgefahr bestehe. Aktuelle Zahlen zum Durchseuchungsrisiko in Pflegeheimen gebe es nach der vom Gericht eingeholten Auskunft des Instituts der F. vom 3.8.2009 ebenfalls nicht. Eine besondere Ansteckungsgefahr sei auch nicht mit den von der Klägerin konkret ausgeübten Tätigkeiten verbunden gewesen. Zwar habe wegen des nahezu täglichen Umgangs mit Insulinspritzen zweifellos ein Infektionsrisiko bestanden. Risikomindernd wirke sich aber aus, dass die Einwegspritzen durch die Klägerin ordnungsgemäß entsorgt worden seien, ohne die Schutzkappe wieder aufzustecken. Insulinspritzen würden auch nur subkutan und nicht intravenös verabreicht. Wegen der von Prof. Dr. C. bestätigten geringeren Kanülendicke der Insulinspritzen im Vergleich zu "normalen" Hohlnadeln komme es schließlich zu einer geringeren Blutübertragung.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin einen Verstoß gegen die Pflicht zur Amtsermittlung gemäß § 103 SGG und die Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG. Das LSG hätte in Erfahrung bringen müssen, wie viele der von ihr betreuten Personen mit dem HCV infiziert gewesen seien. Auch hätte es wegen der von Prof. Dr. C. bestätigten deutlich erhöhten Infektionsgefahr des Ärzte- und Pflegepersonals aktuelle Informationen über die Seroprävalenz in Alten- und Pflegeheimen einholen müssen. Der vom Berufungsgericht berücksichtigte Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung beruhe auf einer Stichprobenerhebung unter Ausschluss von besonders gefährdeten Personen in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Justizvollzugsanstalten. Abgesehen davon hätte das Fehlen einer virologischen Untersuchung der Heimbewohner zu einer Beweiserleichterung führen müssen. Bei der Würdigung der Übertragungsgefahr sei nicht berücksichtigt worden, dass Gummihandschuhe nur "in der Regel" benutzt worden seien und auch von kontaminierten Gegenständen ein Infektionsrisiko ausgehe. Die Gefahr von Mikroläsionen sowie die Umstände des Verabreichens und der Entsorgung der Einwegspritzen seien nicht ermittelt worden. Weshalb bei 87 Inokulationsereignissen nicht von einer "häufig" aufgetretenen Gefahr gesprochen werden könne und eine Vergleichbarkeit mit Tätowierungen ausscheide, sei nicht dargelegt worden.

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 13. Juli 2010 und des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 29. Oktober 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Dezember 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2001 aufzuheben und festzustellen, dass die bei ihr vorliegende Hepatitis C-Erkrankung eine Berufskrankheit nach Nr 3101 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision, mit der nur noch die Feststellung der BK 3101 begehrt wird, ist nicht begründet.

10

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist insoweit eine kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und § 55 Abs 1 Nr 1 SGG), mit der unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung begehrt wird, dass die Hepatitis C-Infektion der Klägerin eine BK 3101 ist. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Anspruch auf Feststellung einer bestimmten BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage klären lassen (vgl BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, jeweils RdNr 11 mwN; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Zwar hat die Klägerin vor dem SG und LSG die Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung der BK 3101 beantragt. Dieser Übergang von der Verpflichtungs- zur Feststellungsklage beruht aber auf einer nach § 99 Abs 3 SGG uneingeschränkt zulässigen Antragsänderung (BSG vom 25.2.1997 - 12 RK 4/96 - BSGE 80, 102, 103 = SozR 3-2500 § 5 Nr 33 S 129 mwN).

11

Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung ihrer Hepatitis C-Infektion als BK 3101. Insoweit ist die Verwaltungsentscheidung der Beklagten im Bescheid vom 4.12.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2001 rechtmäßig und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.

12

Der Anspruch der Klägerin richtet sich nach den Vorschriften des SGB VII sowie des auf seiner Grundlage erlassenen Rechts, weil ihre HCV-Infektion im August 1999 festgestellt worden ist und der geltend gemachte Versicherungsfall damit nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 eingetreten sein soll (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz, § 212 SGB VII).

13

Nach § 9 Abs 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet (Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen (Satz 2).

14

Für die Feststellung einer Listen-BK ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom Vorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu bewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt indes der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, jeweils RdNr 16 mwN und - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14 BKV, jeweils RdNr 9 mwN; BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

15

Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK 3101 wie folgt: "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war". Die Voraussetzungen dieses Tatbestandes iVm § 9 Abs 1 SGB VII sind nach den für den Senat bindenden(§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht erfüllt. Die Klägerin war zwar seit Oktober 1995 als Altenpflegehelferin eines Altenzentrums beschäftigt und damit im Gesundheitsdienst tätig sowie nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert. Hepatitis C ist auch eine Infektionskrankheit. Die Klägerin war aber keinen "Einwirkungen" iS einer besonders erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Diese beurteilt sich nach dem Grad der Durchseuchung des versicherten Tätigkeitsbereichs und dem Übertragungsrisiko der im Gefahrenbereich vorgenommenen Verrichtungen (dazu 1.). Anhand beider Kriterien hat das LSG das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr verneint (dazu 2.). Die Rüge der Klägerin, dabei habe das Berufungsgericht gegen die Pflicht zur Amtsermittlung verstoßen und die Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten, greift nicht durch (dazu 3.).

16

1. Eine besondere Ansteckungsgefahr kann sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben. Der Grad der Durchseuchung ist sowohl hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen.

17

Eine schlichte Infektionsgefahr genügt nicht. Vielmehr wird eine (zT typisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt (§ 9 Abs 1 Satz 2 Halbs 1 SGB VII). Deshalb kommt es darauf an, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind. Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander (dazu kritisch Kunze, VSSR 4/2010, S 283, 298 ff). An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Erscheint eine Infektion nicht ausgeschlossen, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig gegenüber der Allgemeingefahr erhöht ist (BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV, jeweils RdNr 22 f). Damit bedarf es der tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen einer konkret erhöhten Infektionsgefahr. Dies beinhaltet Feststellungen zu der Frage, ob die Verrichtungen der Klägerin sie mit einer infizierten Person oder einem durchseuchten Objektbereich in Berührung gebracht haben oder ob die Verrichtungen im Hinblick auf den Übertragungsmodus der Hepatitis C-Infektion sowie ihrer Art, Häufigkeit und Dauer nach besonders infektionsgefährdend waren (BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5 BKV, jeweils RdNr 19).

18

2. Einem solchen besonders erhöhten Infektionsrisiko war die Klägerin nicht ausgesetzt. Das Berufungsgericht hat zwar nicht die Möglichkeit der Infektion mit dem HCV, aber eine erhöhte Durchseuchung im Altenzentrum ausgeschlossen. Damit ist der Grad der Durchseuchung bezüglich HCV-Antikörper in der Gesamtbevölkerung maßgebend, der mindestens ca 0,4 bis 0,7 vH beträgt (vgl Potthoff/Schüler/Wedemeyer/Manns, Epidemiologie der Virushepatitis A, B und C, in Selmair/Manns, Virushepatitis als Berufskrankheit, 2. Aufl, S 18; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 717; Robert Koch Institut, Epidemiologisches Bulletin 29/2011 S 267). Auf der Grundlage einer Arbeitgeberauskunft hat das LSG festgestellt, dass HCV-Infektionen von Heimbewohnern nicht bekannt geworden sind. Die Stellungnahme der F. vom 3.8.2009 hat ergeben, dass aktuelle Zahlen zum Durchseuchungsrisiko in Pflegeheimen nicht existieren. Daher ist nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) für die Annahme eines deutlich überdurchschnittlichen Durchseuchungsgrades im Altenzentrum B. kein Raum.

19

Die erforderliche besondere Infektionsgefahr lässt sich auch nicht auf die Übertragungsgefahr der ausgeübten Tätigkeiten zurückführen, wie das LSG aufgrund der von ihm festgestellten Arbeitsvorgänge der Klägerin sowie des Gutachtens von Prof. Dr. C. und der Zeugenvernehmung angenommen hat. Die Klägerin war im Wesentlichen im Bereich "Betreutes Wohnen" eingesetzt und trug bei den Verrichtungen der Grundpflege, der Wundbehandlung und den Bluttests regelmäßig Gummihandschuhe. Eine Nadelstichverletzung ist nicht festgestellt. Bei maximal 87 Inokulationsvorgängen wurden Insulinspritzen mit einer im Vergleich zu anderen Hohlnadelspritzen dünneren Injektionskanüle verwendet, die mit einem geringeren Blutaustausch einhergehen. Sie sind ordnungsgemäß entsorgt worden, ohne die Schutzkappe wieder aufzustecken. Die Klägerin ist danach weder aufgrund einer erhöhten Durchseuchung noch infolge ihrer Arbeitsverrichtungen besonders infektionsgefährdet tätig gewesen.

20

3. Diese Feststellungen des LSG binden den Senat (§ 163 SGG), weil sie nicht mit zulässig erhobenen Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 31). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht.

21

a) Die Rüge der Klägerin, das LSG habe gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG) verstoßen, ist nicht ordnungsgemäß erhoben. Sie hätte insoweit aufzeigen müssen, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Dabei ist darzulegen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offen geblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind. Außerdem ist anzugeben, wann und in welcher Form die zu ermittelnden Tatsachen in der Berufungsinstanz vorgebracht wurden (BSG vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - Juris RdNr 69 f).

22

Das Vorbringen der Klägerin, das LSG hätte die Anzahl der von ihr betreuten, mit dem HCV infizierten Personen in Erfahrung bringen und die Gefahr von Mikroläsionen sowie die Umstände des Verabreichens und der Entsorgung der Einwegspritzen ermitteln müssen, genügt diesen Anforderungen nicht. Es hätte nicht nur der Bezeichnung der zu ermittelnden Tatsachen bedurft, sondern vor allem auch der weiteren Darlegung, inwieweit diese Tatsachen bereits in der Berufungsinstanz so vorgebracht wurden, dass sich das LSG auf Grund des Berufungsvorbringens trotz der eingeholten Auskünfte zur Durchseuchung und den Arbeitsbedingungen im Altenzentrum zu einer weiteren Tatsachenermittlung hätte gedrängt fühlen müssen.

23

b) Auch die Rüge der Klägerin, das Berufungsgericht habe die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten, ist unzulässig. Die Beweiswürdigung des LSG ist nur eingeschränkt überprüfbar. Da das Tatsachengericht gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet, ist diese Vorschrift nur dann verletzt, wenn das Gericht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstoßen oder das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht ausreichend und umfassend berücksichtigt hat. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muss im Einzelnen dargelegt werden (BSG vom 31.5.2005 - B 2 U 12/04 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 2 RdNr 9). Daran fehlt es hier.

24

Die Klägerin hat kein Denkgesetz benannt, gegen das das LSG verstoßen haben soll. Es hätte aufgezeigt werden müssen, dass das Berufungsgericht zu einer bestimmten, aus seiner Sicht erheblichen Frage aus den gesamten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten nur eine Folgerung hätte ziehen können, jede andere nicht folgerichtig "denkbar" ist und das Gericht die allein in Betracht kommende nicht gesehen hat (vgl BSG vom 11.6.2003 - B 5 RJ 52/02 R - Juris RdNr 13 mwN). Dass und weshalb die Feststellung der BK 3101 die einzig denkbare Folgerung gewesen sein soll, legt die Revision indes nicht dar.

25

Mit ihrem Vorbringen, das LSG habe Pflegestationen in Altenheimen als nicht besonders hepatitisgefährdend angesehen und daher einen Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung von 0,5 bis 0,7 vH angenommen, ist auch ein fehlerhaft angewendeter Erfahrungssatz nicht aufgezeigt worden. Es trifft zwar zu, dass der vom Robert Koch Institut 1998 durchgeführte "BundesGesundheitssurvey" Personen aus Heil- und Pflegeanstalten, Krankenhäusern sowie Justizvollzugsanstalten nicht umfasst (vgl Schreier/Höhne, Hepatitis C - Epidemiologie und Prävention, Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 6/2001 S 554, 555). Aus einer durch diese Personengruppen bedingten höheren Durchseuchungsrate in der Gesamtbevölkerung folgt aber noch nicht zwingend eine deutlich höhere Durchseuchung gerade in den genannten Einrichtungen. Anhaltspunkte dafür, dass der vom LSG herangezogene Erfahrungssatz, dass Pflegeeinrichtungen in Altenheimen nicht als besonders hepatitisgefährdend angesehen werden können, nach Verfahren oder Inhalt falsch festgestellt worden wäre, sind nicht ersichtlich (vgl Schreier/Höhne aaO S 558, wonach in mehreren internationalen Studien eine signifikant höhere Durchseuchung bei Ärzten, Zahnärzten und sonstigen Beschäftigten im Gesundheitswesen im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung nicht festzustellen war). In einem solchen Fall besteht für das Revisionsgericht keine rechtliche Veranlassung, das Bestehen und den Inhalt des vom LSG festgestellten Erfahrungssatzes ohne eine zulässig erhobene Verfahrens- oder Inhaltsrüge selbst von Amts wegen zu prüfen (vgl BSG vom 5.7.2011- B 2 U 17/10 R - Juris RdNr 31 mwN). Zu Ermittlungen ohne konkrete Anhaltspunkte "ins Blaue hinein" besteht auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen keine Verpflichtung (vgl BVerfG vom 9.10.2007 - 2 BvR 1268/03 , Juris RdNr 19).

26

Aus dem Vortrag der Klägerin, bei der Würdigung der Übertragungsgefahr habe Beachtung finden müssen, dass Gummihandschuhe nur "in der Regel" benutzt worden seien und von kontaminierten Gegenständen ein Infektionsrisiko ausgehe, wird nicht deutlich, dass hierdurch das Gesamtergebnis des Verfahrens nicht hinreichend berücksichtigt worden wäre. Die weitere zitierte Begründung des LSG, dass Umstände teils risikosteigernd teils risikomindernd gewertet worden seien, macht gerade die durchgeführte Gesamtwürdigung deutlich. Inwieweit Gegenstände kontaminiert gewesen seien und dass das Tatsachengericht dem Sachverständigengutachten nicht gefolgt wäre, ohne die Abweichung ausreichend begründet zu haben, ist nicht dargetan. Im Kern zieht die Klägerin für sich trotz der vom LSG festgestellten Tatsachen den Schluss, dass sich ein erhöhtes Infektionsrisiko begründen lasse. Eine formgerechte Rüge der Verletzung der Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung liegt indes nicht vor, wenn die Revision ihre Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt (BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 33).

27

Unabhängig davon ist beiläufig anzumerken, dass unter Berücksichtigung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Übertragungsformen des HCV auch kein Überschreiten der Grenzen der freien Beweiswürdigung durch das LSG festzustellen ist. Das HCV wird parenteral durch direkten Blut- oder Schleimhautkontakt übertragen (vgl Böhm/Jilg, Die Stabilität und Dauer der Infektiosität von Hepatitis A-Viren, Hepatitis B-Viren und Hepatitis C-Viren außerhalb des menschlichen Organismus als wichtige Kriterien für die Beurteilung des berufsbedingten Infektionsrisikos, in Selmair/Manns aaO, S 120). Im Gesundheitswesen ist die Nadelstichverletzung insbesondere mit einer Hohlnadel daher ein geeigneter Übertragungsweg, der ein besonders hohes Übertragungsrisiko beinhaltet, weil hier regelmäßig der Transfer relativ großer Mengen frischen Blutes möglich ist (vgl Trautwein/Manns, Vorgehen nach Nadelstichverletzung bei Hepatitis B- und C-Infektion in der Klinik, in Selmair/Manns aaO, S 145; Remé, Arbeitsmedizinische Grundlagen für die Konkretisierung von Beweiserleichterungen im Berufskrankheitenfeststellungsverfahren - Fallgruppen und Einzelfallermittlungen, in Selmair/Manns aaO, S 190; Schönberger/Mehrtens/Valentin aaO, S 718; Mehrtens/Brandenburg, BKV, M 3101 RdNr 13.2). Die Injektionskanülen von Insulinspritzen sind aber dünner als andere Hohlnadeln. Das Beweisergebnis des LSG, dass gerade unter Berücksichtigung der geringeren Kanülendicke keine besondere Infektionsgefahr bestehe, ist daher in sich schlüssig und widerspruchsfrei.

28

Dabei hat das LSG zutreffend den von der Klägerin zu führenden Vollbeweis der "Einwirkungen" iS einer besonders erhöhten Infektionsgefahr gefordert. Die geltend gemachten Beweisschwierigkeiten rechtfertigen weder eine Beweislastumkehr noch die Annahme eines Beweisnotstandes und eine daraus abzuleitende Notwendigkeit zu Beweiserleichterungen. Typische Beweisschwierigkeiten, die sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles ergeben, sind im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Eine allgemeingültige Beweiserleichterung für den Fall des Beweisnotstandes würde dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) widersprechen (BSG Urteil vom 7.9.2004 - B 2 U 25/03 R - Juris RdNr 17 mwN).

29

Der Einwand der Klägerin, dass nach dem Urteil des Senats vom 2.4.2009 (B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4 BKV) selbst bei zehn Nadelstichverletzungen und einem Infektionsrisiko von 0,13 vH eine erhöhte Infektionsgefahr in Betracht komme, sofern die Wahrscheinlichkeit einer Infektion in der Allgemeinbevölkerung noch geringer sei, das LSG aber mindestens 87 Inokulationsereignisse festgestellt habe, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass dort nicht der Senat, sondern der beteiligte Unfallversicherungsträger ein Infektionsrisiko von 0,13 vH errechnet hatte, wird dabei übersehen, dass sich die erhöhte Infektionsgefahr auf die konkreten Arbeitsverrichtungen zurückführen lassen muss. Als Spritzen hat die Klägerin aber keine dickeren Hohlnadeln, sondern dünne Insulinnadeln verwendet.

30

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

(1) Fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen stehen beim Tod des Berechtigten nacheinander

1.
dem Ehegatten,
1a.
dem Lebenspartner,
2.
den Kindern,
3.
den Eltern,
4.
dem Haushaltsführer
zu, wenn diese mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben oder von ihm wesentlich unterhalten worden sind. Mehreren Personen einer Gruppe stehen die Ansprüche zu gleichen Teilen zu.

(2) Als Kinder im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 2 gelten auch

1.
Stiefkinder und Enkel, die in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen sind,
2.
Pflegekinder (Personen, die mit dem Berechtigten durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Kinder mit Eltern verbunden sind),
3.
Geschwister des Berechtigten, die in seinen Haushalt aufgenommen worden sind.

(3) Als Eltern im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 gelten auch

1.
sonstige Verwandte der geraden aufsteigenden Linie,
2.
Stiefeltern,
3.
Pflegeeltern (Personen, die den Berechtigten als Pflegekind aufgenommen haben).

(4) Haushaltsführer im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 4 ist derjenige Verwandte oder Verschwägerte, der an Stelle des verstorbenen oder geschiedenen oder an der Führung des Haushalts aus gesundheitlichen Gründen dauernd gehinderten Ehegatten oder Lebenspartners den Haushalt des Berechtigten mindestens ein Jahr lang vor dessen Tod geführt hat und von diesem überwiegend unterhalten worden ist.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Die Satzung kann bestimmen, daß und unter welchen Voraussetzungen sich die Versicherung erstreckt auf

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
2.
Personen, die sich auf der Unternehmensstätte aufhalten; § 2 Absatz 3 Satz 4 erster Halbsatz gilt entsprechend,
3.
Personen, die
a)
im Ausland bei einer staatlichen deutschen Einrichtung beschäftigt werden,
b)
im Ausland von einer staatlichen deutschen Einrichtung anderen Staaten zur Arbeitsleistung zur Verfügung gestellt werden;
Versicherungsschutz besteht nur, soweit die Personen nach dem Recht des Beschäftigungsstaates nicht unfallversichert sind,
4.
ehrenamtlich Tätige und bürgerschaftlich Engagierte,
5.
Kinder und Jugendliche während der Teilnahme an Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt.

(2) Absatz 1 gilt nicht für

1.
Haushaltsführende,
2.
Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien oder Imkereien und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
3.
Personen, die aufgrund einer vom Fischerei- oder Jagdausübungsberechtigten erteilten Erlaubnis als Fischerei- oder Jagdgast fischen oder jagen,
4.
Reeder, die nicht zur Besatzung des Fahrzeugs gehören, und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner.

(1) Auf schriftlichen oder elektronischen Antrag können sich versichern

1.
Unternehmer und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner; ausgenommen sind Haushaltsführende, Unternehmer von nicht gewerbsmäßig betriebenen Binnenfischereien, von nicht gewerbsmäßig betriebenen Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 2 und ihre Ehegatten oder Lebenspartner sowie Fischerei- und Jagdgäste,
2.
Personen, die in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
3.
gewählte oder beauftragte Ehrenamtsträger in gemeinnützigen Organisationen,
4.
Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung (sonstige Arbeitnehmervereinigungen) ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
5.
Personen, die ehrenamtlich für Parteien im Sinne des Parteiengesetzes tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen.
In den Fällen des Satzes 1 Nummer 3 kann auch die Organisation, für die die Ehrenamtsträger tätig sind, oder ein Verband, in dem die Organisation Mitglied ist, den Antrag stellen; eine namentliche Bezeichnung der Versicherten ist in diesen Fällen nicht erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 4 und 5 gilt Satz 2 entsprechend.

(2) Die Versicherung beginnt mit dem Tag, der dem Eingang des Antrags folgt. Die Versicherung erlischt, wenn der Beitrag oder Beitragsvorschuß binnen zwei Monaten nach Fälligkeit nicht gezahlt worden ist. Eine Neuanmeldung bleibt so lange unwirksam, bis der rückständige Beitrag oder Beitragsvorschuß entrichtet worden ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung der Berufskrankheit "Druckschädigung der Nerven" nach der Nummer 2106 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 2106).

2

Der 1952 geborene Kläger war seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof erwerbstätig. 1985 übernahm er dieses Unternehmen und führte es bis 2004. Im Jahre 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit 1997 an Beschwerden im Bereich des Halses und der linken Schulter mit Ausstrahlung in den linken Arm und Brustkorb leide, was er auf seine berufliche Tätigkeit zurückführe. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK 2106 ab (Bescheid vom 7.10.2003, Widerspruchsbescheid vom 1.2.2005).

3

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 5.5.2010 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, das Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) ab 10.11.2005 als BK 2106 anzuerkennen und den Kläger mit einer Verletztenrente nach einer MdE von 25 vH zu entschädigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG durch Urteil vom 27.3.2014 den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben sowie die Klage ab- und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Beim Kläger lasse sich das Vorliegen einer BK 2106 nicht feststellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der ersten Instanz sei zwar davon auszugehen, dass beim Kläger ein TOS vorliege. Zweifelhaft erscheine hingegen, ob der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2106 erfülle. Letztlich könnten diese Zweifel jedoch dahinstehen, weil das beim Kläger festgestellte TOS nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch seine Tätigkeit als Obstbauer und insbesondere nicht durch das Tragen einer Pflückschürze bei der Apfelernte verursacht worden sei. Es spreche insbesondere gegen den ursächlichen Zusammenhang, dass das TOS nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. kein Störungsbild sei, bei dem die Nervenfasern durch direkte Einwirkung von außen geschädigt werden, sondern es sich vielmehr um ein Engpasssyndrom handele. Die Besonderheit des TOS liege darin, dass die Reibung nicht durch Druck von außen, sondern durch die körpereigenen Strukturen selbst verursacht werde, während die unter die BK 2106 fallenden Krankheitsbilder typischerweise durch eine Bedrückung des Nerven in Gelenknähe bedingt durch die unphysiologische Beanspruchung des Gelenks geprägt seien. Die anders lautende Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. überzeuge nicht, weil dieser selbst dargelegt habe, dass es in der medizinischen Wissenschaft kaum Literatur zur Beurteilung exogener Einflüsse auf die Verursachung eines TOS gebe. Dies erlaube zwar nicht den Umkehrschluss, dass die Entstehung eines TOS durch äußere Belastung nicht möglich sei. Für die Anerkennung einer BK 2106 genüge die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrundezulegen. Wenn sich nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Amtsermittlung ein solcher von der Mehrheit der Fachwissenschaftler anerkannter neuester Erfahrungsstand nicht feststellen lasse, komme grundsätzlich eine Entscheidung nach Beweislast in Betracht. Der Kläger trage hier die Beweislast für die berufliche Verursachung seiner Erkrankung. Dass das Merkblatt zur BK 2106 auch das Krankheitsbild des TOS als durch arbeitsbedingte Belastungen verursachte Druckschädigung der Nerven nenne, führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Den Merkblättern komme nur die Bedeutung einer Informationsquelle für die Praxis zu, ohne dass sie rechtliche Verbindlichkeit hätten. Schließlich spreche gegen eine Verursachung des beim Kläger vorliegenden TOS durch seine frühere Tätigkeit als Obstbauer, dass nach den Angaben der Beklagten in den Jahren 2002 bis 2008 zwar sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK 2106 der DGUV gemeldet worden seien, sich hierunter jedoch kein Angehöriger der Berufsgruppe des Klägers befunden habe. Bei gleichartigen Arbeitsmethoden sei hinsichtlich des Einsatzes von Pflückschürzen statistisch mit dem Auftreten weiterer TOS-Erkrankungen zu rechnen gewesen.

4

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 2106. Das LSG habe sein Urteil im Wesentlichen auf das in erster Instanz eingeholte Gutachten des Dr. F. gestützt, nach dem das Vorliegen der BK 2106 einen Druck von außen voraussetze. Damit habe das LSG zu Unrecht die Formulierung "Druckschädigung der Nerven" ausschließlich einer Druckeinwirkung von außen gleichgestellt. Tatsächlich habe der Verordnungsgeber Nervenschädigungen sowohl durch Druck von außen als auch von innen berücksichtigen wollen, wie der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenrates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Sektion Berufskrankheiten vom 1.8.2001 zu entnehmen sei. Unter Ziffer 3 dieser wissenschaftlichen Begründung werde das TOS ausdrücklich als typisches Krankheitsbild der BK 2106 genannt. Soweit es sich auf die Stellungnahme des Dr. S. stütze, der das Vorliegen eines TOS verneint habe, habe das LSG nicht ohne Verstoß gegen die Denkgesetze einerseits das Vorliegen eines TOS annehmen, andererseits aber deren Ablehnung als BK mit der Auffassung des Dr. S. begründen können. Auch der Verweis auf die Statistiken der DGUV habe angesichts der Vielzahl an Berufsgruppen, bei denen das Vorliegen eines beruflich bedingten TOS in Betracht komme, keinerlei Aussagekraft.

5

Der Kläger beantragt,

1.    

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2.    

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 5. Mai 2010 zu ändern und ihm Verletztenrente in Höhe von mehr als 25 vH zu bewilligen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Zutreffend sei das LSG davon ausgegangen, dass ein TOS in der Ausprägung des Syndroms der kosto-klavikulären Enge nicht zu den von der BK 2106 erfassten Krankheiten zähle, weil dieses nicht durch Druck von außen, sondern durch körpereigene Strukturen verursacht werde. Im Übrigen komme weder der wissenschaftlichen Begründung noch den Merkblättern rechtliche Verbindlichkeit zu.

Entscheidungsgründe

8

Die statthafte und zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus. Weder lässt sich danach beurteilen, welchen versicherten Einwirkungen iS der BK 2106 der Kläger im Einzelnen unterlegen ist noch ob diese nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft geeignet waren, das beim Kläger bestehende (aber noch näher zu spezifizierende) TOS zu verursachen, das ebenfalls in seiner konkreten Ausprägung nicht festgestellt ist.

9

Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen in dem Bescheid vom 7.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.2.2005, verbunden mit der auf Feststellung einer BK gerichteten Klage und der auf Verurteilung zu der abgelehnten Rentenzahlung gerichteten unechten Leistungsklage zulässig (BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 14).

10

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der BK ist § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 2106. BK 2106 (in der mit Wirkung vom 1.10.2002 geltenden Fassung vom 5.9.2002 ) lautet: "Druckschädigungen der Nerven". Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität ) und diese Einwirkungen eine Krankheit (dazu unter B) verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität ). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (zuletzt Urteile des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 10, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 11 sowie B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 10; s auch BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 12; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 14). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).

11

A. Nach den bindenden Feststellungen des LSG arbeitete der Kläger neben seiner Beschäftigung als Schriftsetzer und medizinisch-technischer Assistent seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof, den er zum 1.10.1985 übernahm und bis 2004 führte. Er war daher bei dieser Tätigkeit "Versicherter" iS von zunächst § 2 Abs 1 Nr 5b SGB VII und sodann § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII.

12

Den Feststellungen des LSG lässt sich noch hinreichend entnehmen, dass der Kläger während seiner versicherten Tätigkeit der durch das Tatbestandsmerkmal "Druckschädigung ..." in der BK 2106 vorausgesetzten Einwirkung "Druck" in Form des Tragens einer mit bis zu 20 kg Äpfel gefüllten Pflückschürze während 8 bis 10 Wochen im Jahr unterlag. Der Tatbestand der BK 2106 enthält darüber hinaus keine normativen Vorgaben in Form einer Dosis oder Mindestdauer der erforderlichen Einwirkung.

13

B. Beim Kläger besteht auch nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) eine Schädigung der Nerven als vom Verordnungstext vorausgesetzte Erkrankung in Form eines TOS, wenngleich das LSG die konkrete Variante dieses Symptoms nicht festgestellt hat (hierzu noch unter C).

14

Bei der BK 2106 handelt es sich um eine sog offene BK-Bezeichnung (vgl Spellbrink, BPUVZ 2012, 360, 362; ders SozSich 2013, 431 f; Bieresborn, NZS 2008, 354, 359), bei der die erforderliche Erkrankung nicht präzise umschrieben, sondern nur eine Krankheitsgruppe, nämlich "Druckschädigungen der Nerven", genannt wird. Anerkennungsfähig sind mithin hier alle Krankheiten dieser Gruppe, die durch die betreffende Einwirkung potentiell verursacht werden können. Um ein bestimmtes Krankheitsbild aus dem Schutzbereich dieser BK ausschließen zu können, muss demgegenüber feststehen, dass entweder diese Krankheit nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst sein sollte oder durch die jeweilige Einwirkung nicht verursacht werden kann. Ein solcher Ausschluss kann sich nur aus den Verordnungsmaterialien oder der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen ergeben (vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky/Heinz, SGB VII, § 9 RdNr 149 f).Dabei genügt es nicht, diejenigen Erkenntnisse zugrundezulegen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme der Krankheit in die BK-Liste bewogen haben, sondern es sind die fortschreitenden Erkenntnisse der Wissenschaft hinsichtlich der Wirkungsweise der genannten Einwirkung zur Bestimmung des Schutzbereichs zugrundezulegen (s BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 240 Nr 1, RdNr 15, zum Kehlkopfkarzinom nach ionisierenden Strahlen).

15

Beim TOS, das auch als neurovaskuläres oder Schultergürtel-Kompressionssyndrom bezeichnet wird, handelt es sich laut ICD-10, G54.1 um eine durch äußeren oder inneren Druck bewirkte Läsion des Plexus brachialis. Dass dieses Erkrankungsbild nach dem Willen des VO-Gebers nicht vom Schutzbereich der BK 2106 erfasst sein soll, lässt sich weder den Verordnungsmaterialien noch der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen entnehmen. So wird das TOS sowohl in der wissenschaftlichen Begründung (Wissenschaftliche Begründung zur BK Nr 2106: Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001, S 59-63; 1.3.2.1.) als auch im Merkblatt (Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S 62) ausdrücklich unter der Rubrik "Nervenschaden an der oberen Extremität" als "Armplexusschaden im Wurzelbereich (C4) C5-Th1" in Form einer "Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken, der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids" aufgelistet. Dies zeigt, dass bei Einführung der BK 2106 mit dem jetzigen Wortlaut der für die wissenschaftliche Begründung von BKen maßgebliche Ärztliche Sachverständigenbeirat - Sektion "Berufskrankheiten" - beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung davon ausging, dass dieses Krankheitsbild vom Schutzbereich der BK 2106 umfasst sein sollte.

16

Zutreffend hat das LSG zwar darauf hingewiesen, dass diese Merkblätter weder verbindliche Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzungen der BK noch antizipierte Sachverständigengutachten oder eine Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft sind (BSG vom 11.8.1998 - B 2 U 261/97 B - HVBG-Info 1999, 1373). Sie sind jedoch als Interpretationshilfe und zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 6/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 5 RdNr 15; BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 2402 Nr 1, RdNr 17 mwN; BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 85 = NZS 2001, 605, 606; s auch BSG vom 22.8.2000 - B 2 U 34/99 R - SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2).

17

Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, nach denen ein TOS nicht durch Druckbelastung verursacht werden kann und dementsprechend als anerkennungsfähiges Krankheitsbild aus dem Schutzbereich der BK 2106 ausscheidet, wurden dem Senat weder vorgetragen noch sind sie gerichtsbekannt. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen BKen-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands auch revisionsrechtlich überprüfbar (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 33; dort auch mit Nachweisen zur älteren Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung anderer Senate des BSG). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22; BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291, 295 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20).

18

Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, dass einzelne Gegenstimmen nicht geeignet sind, einen einmal gebildeten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die Mehrheit der Fachwissenschaftler den Erkenntnisstand aufkündigt. Diese Ausführungen bezogen sich zwar auf einen durch schriftliche Konsensempfehlungen konkretisierten wissenschaftlichen Erkenntnisstand (s jeweils zur BK 2108 BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 sowie BSG vom 25.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22), sie gelten aber auch bei anderen BKen für die in der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, in Merkblättern und in der einschlägigen Fachliteratur geäußerten wissenschaftlichen Meinungen. Aus diesen Quellen folgt, dass ein TOS zumindest in den dort genannten Varianten des Krankheitsbildes durch äußeren Druck verursacht werden kann. Die einzige Quelle dafür, dass der dort zum Ausdruck kommende wissenschaftliche Erkenntnisstand veraltet sein könnte und daher nicht zugrunde gelegt werden dürfte, scheint das Gutachten des Dr. F. zu sein. Dieser behauptet ohne kritische Auseinandersetzung mit dem Inhalt der oben aufgeführten anderslautenden wissenschaftlichen Begründung, ein TOS könne ausschließlich durch innere Reibung ohne äußeren Druck verursacht werden. Dieser Aussage ist dann aber letztlich auch das LSG nicht gefolgt, weil es selbst die Verursachung eines TOS durch äußere Belastungen zumindest für möglich hält. Eine Änderung des in der wissenschaftlichen Begründung sowie in dem Merkblatt manifestierten Erkenntnisstands konnte das LSG schließlich auch nicht aus der Aussage des Sachverständigen Dr. K. ableiten, dass kaum Literatur zur Verursachung des TOS durch äußere Druckeinwirkung existiere.

19

C. Der Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen aber nicht entscheiden, ob das LSG zu Recht den Ursachenzusammenhang zwischen den gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem festgestellten TOS verneint hat. Für die Anerkennung einer BK im konkreten Einzelfall ist neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die streitige BK 2106 bedeutet dies, dass das beim Kläger festgestellte TOS durch die im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit erfolgte Einwirkung von Druck verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im BKen-Recht, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris RdNr 32; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B 2 U 26/04 R - juris RdNr 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils die Versicherung begründenden Norm zu beurteilen (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - ; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

20

Vorliegend kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden, ob im Fall des Klägers die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine positive Kausalitätsbeurteilung vorliegen, die das LSG - aus seiner Sicht konsequent - hat dahinstehen lassen (dazu unter 1.), sowie ob das LSG zu Recht die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen verneint hat (dazu unter 2.).

21

1. Der Senat kann anhand der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die (weiteren) arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Anerkennung des TOS als BK 2106 gegeben sind. Bei den arbeitstechnischen Voraussetzungen handelt es sich um ein Element der Anspruchsprüfung einer BK, das zwei miteinander in Zusammenhang stehende Aspekte umfasst: das Vorhandensein der hier gegebenen (s oben A.) tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen und die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 13; vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann , Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 179, 193). Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen. Dem Urteil des LSG ist lediglich zu entnehmen, dass der Kläger im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit 8 bis 10 Wochen pro Jahr Kernobst mittels einer ca 20 kg Obst fassenden Pflückschürze geerntet hat.

22

Das Urteil des LSG enthält jedoch keine Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers die Druckeinwirkung erfolgte, insbesondere ob sich diese in Nähe des unteren Plexus brachialis befindet, den das LSG offenbar als geschädigt ansieht. Ohne diesbezügliche exakte Feststellung des oder der schädigenden Ereignisse und der naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhänge hinsichtlich der geltend gemachten Gesundheitsstörung kann eine zuverlässige Ursachenbeurteilung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und in Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache nicht erfolgen, weil die Ereignisse und Ursachen nicht zueinander in Verhältnis gesetzt und nicht in die Krankheitsgeschichte des Verletzten eingeordnet werden können (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 30).

23

Dies gilt umso mehr, als nach der einschlägigen arbeitsmedizinischen Literatur für das Vorliegen einer BK 2106 eine eindeutige Beziehung zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund kennzeichnend ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 232). Erst wenn diesbezügliche Feststellungen nachgeholt wurden, kann entschieden werden, ob eine Dauer dieser belastenden Tätigkeit von 8 bis 10 Wochen im Jahr bei ebenfalls noch festzustellender Tagesdauer geeignet war, das beim Kläger bestehende Krankheitsbild zu verursachen. Hierbei wird das LSG zu beachten haben, dass weder der Verordnungstext, noch die wissenschaftliche Begründung zur Abänderung des VO-Textes der BK 2106 (Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001, S 59-63; 1.3.2.1.), das hierzu zuletzt veröffentlichte Merkblatt (Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S 62) oder die aktuelle Fachliteratur zur BK 2106 Angaben in Hinblick auf Höhe und Intensität (Dosis) der Einwirkung enthalten.

24

Das LSG wird aber auch Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob bei dem Kläger - abgesehen vom Tragen der Obstschürze - weitere beruflich veranlasste Bewegungsabläufe vorlagen, die geeignet waren, ein TOS zu verursachen.Sowohl in der wissenschaftlichen Begründung, als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) werden neben "Lastendruck auf der Schulter" auch "repetitive Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk" sowie "Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm"als bekannte arbeitsbedingte Gelenkbelastungen aufgelistet, die bei Pflücktätigkeiten eines Obstbauern zumindest nicht gänzlich fernliegend erscheinen.

25

Auf das Vorhandensein einer in Höhe und Intensität geeigneten Druckeinwirkung lässt sich hingegen nicht alleine aufgrund des bindend festgestellten Krankheitsbildes des TOS schließen, weil dieses wiederum nicht zwingend durch eine äußere Druckeinwirkung verursacht wird. Vielmehr ergibt sich aus weiteren, dem jeweiligen Rechtsanwender zugänglichen Quellen, dass das TOS durchaus aufgrund innerer Ursachen wie anatomischer Varianten oder sonstiger Dispositionen entstehen kann (Sadeghi-Azandaryani, Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 234).

26

2. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen des LSG ebenso wenig entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Bejahung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem beim Kläger festgestellten TOS, dessen Vorliegen das Berufungsgericht als nicht hinreichend wahrscheinlich abgelehnt hat, gegeben sind (dazu unter a). Ferner wird das LSG ggf bei einer erneuten Beweiswürdigung die Anwendbarkeit des § 9 Abs 3 SGB VII zu erwägen haben(dazu unter b).

27

a) Die sogenannten arbeitsmedizinischen Voraussetzungen betreffen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit (was hier gegeben ist, s oben B.), zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 18).

28

Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der revisionsrechtlichen Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte (vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, § 163 RdNr 9). Eine solche bindende Wirkung besteht jedoch dann nicht, wenn das LSG von einem offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen ist oder bestehende Erfahrungssätze nicht angewandt hat (vgl BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, sowie BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 418) oder eine solche fehlerhafte Anwendung zulässig gerügt wird (vgl hierzu BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20). Die heranzuziehenden Quellen-, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin - ggf durch Sachverständige - zu überprüfen (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 18; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 69; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN).

29

Das LSG hat hierbei die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Bei seiner Entscheidungsfindung, ob im Falle des Klägers die Verursachung des TOS durch die durch das Tragen der Obstschürze entstandene Druckbelastung hinreichend wahrscheinlich ist, durfte es nicht davon ausgehen, dass das Merkblatt zur BK 2106 nicht mehr den tatsächlichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergebe und mangels vorhandener weiterer Literatur kein aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand zur Verursachung des TOS durch exogene Einflüsse existiere. Soweit das LSG deshalb nach Beweislastgrundsätzen entschieden hat, verkürzt es in unzulässiger Weise die zu diesem Themenkomplex anzuwendenden medizinischen Erfahrungssätze. Wie oben ausgeführt, werden sowohl in der wissenschaftlichen Begründung zur Abänderung des VO-Textes der BK 2106 als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) jeweils "Lastendruck auf der Schulter" neben "repetitiven Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk, Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm, Spielen von Streichinstrumenten und damit Gelenkbelastungen" als bekannte arbeitsbedingte Belastungen im Zusammenhang mit typischen morphologischen Schädigungsmöglichkeiten genannt.

30

Soweit das LSG nach den Grundsätzen der sog objektiven Beweislast entschieden hat, vermischt es zudem in unzulässiger Weise die Frage, ob ein konkretes Sachverständigengutachten als verwertbares Beweismittel die Kausalität im Einzelfall stützt mit der Frage, ob bei sich widersprechenden Gutachten mangels aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands letztlich nicht entschieden werden kann, welchem der Gutachten zu folgen ist. Die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast) greifen erst ein, wenn der Tatrichter keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann ("non liquet") (vgl zB BSG vom 26.11.1992 - 7 RAr 38/92 - BSGE 71, 256 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, RdNr 23). Im sozialgerichtlichen Verfahren stellt sich die Frage der Beweislastverteilung daher erst, wenn es dem Tatrichter trotz Erfüllung seiner insbesondere durch § 103 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise nicht gelungen ist, eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit zu beseitigen(stRspr, BSG vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R - juris RdNr 20; Urteil vom 8.9.2010 - B 11 AL 4/09 R - juris RdNr 17; BSG vom 24.5.2006 - B 11a AL 7/05 R - BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4, RdNr 32). Dies gilt auch, wenn der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand im Streit steht, dessen fehlende Existenz mit der Folge einer Beweislastentscheidung erst nach entsprechenden Anstrengungen und der Sichtung staatlicher Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände, wissenschaftlicher Literatur etc festgestellt werden darf (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 61).

31

Das LSG führt zwar zutreffend aus, dass die Kausalitätsfeststellung nicht alleine auf das Vorliegen einer geeigneten Einwirkung und eines klinisch definierten Krankheitsbildes gestützt werden kann, weil angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler BKen es keinen Automatismus der Bejahung des Ursachenzusammenhangs allein aufgrund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer bestimmten Erkrankung gibt (s BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19 sowie BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 23). Es existiert keine zwingende Regel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen regelmäßig zu einer Anerkennung der BK führen würde (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R - juris RdNr 22; s zur Unfallkausalität beim Arbeitsunfall BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 52). Andererseits ist es grundsätzlich denkbar, dass bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung dieser alleine für die Bejahung der Kausalität genügt, wenn keine Anhaltspunkte für eine alternative (innere oder äußere) Ursache für die Erkrankung bestehen (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; vgl zu typischen Geschehensabläufen beim Arbeitsunfall BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 43 RdNr 30; s auch bereits BSG vom 21.11.1958 - 5 RKn 33/57 - BSGE 8, 245, 247; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 128 RdNr 9 ff; s zum zulässigen Schluss von einer berufsbedingt erhöhten Ansteckungsgefahr auf eine berufliche Ursache der aufgetretenen Infektionskrankheit, wenn neben der Gefährdung durch die versicherte Tätigkeit keine anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Infektionsrisiken bestanden haben BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 19/05 R - juris RdNr 16; vgl zur Verursachung von Meniskusschäden bei Bergleuten BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Daher ist es weder dem Gutachter noch dem erkennenden Gericht verwehrt, im Einzelfall anhand der Gesamtumstände bei Vorliegen einer für die Schadensverursachung geeigneten Einwirkung sowie einem belastungskonformen Schadensbild bei fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative äußere oder innere Verursachung die naturwissenschaftliche Kausalität zu bejahen.

32

Daher wird das LSG nicht nur Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers Druck auf den Kläger eingewirkt hat und ob dieser Druck in Höhe und Intensität zur Verursachung des TOS ausreichte, nachzuholen haben, sondern auch dazu, ob im Falle des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass das bei ihm diagnostizierte TOS auch ohne Druckbelastung von außen zB alleine durch innere schicksalhafte oder degenerative Ursachen entstanden ist (vgl BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Hierzu wird das LSG auch festzustellen haben, welche Variante des TOS beim Kläger besteht und insbesondere an welcher Stelle der Plexus brachialis geschädigt ist. Bereits aus der wissenschaftlichen Begründung und dem Merkblatt ergibt sich - wie bereits ausgeführt -, dass ein durch Druckeinwirkung verursachbares TOS in verschiedenen Varianten bekannt ist, nämlich in Form einer Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken, der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids. Aus der einschlägigen Fachliteratur ergeben sich darüber hinaus weitere Differenzierungen wie das Scalenus-anterior-Syndrom, wenn der Musculus scalenus anterior betroffen ist, sowie das Hyperabduktionssyndrom oder Pectoralis-minor-Syndrom, wenn das Gefäßnervenbündel im Korakopektoralraum betroffen ist. Schließlich ist das Thoracic-inlet-Syndrom als Sonderform des TOS bekannt, das durch die Kompression der Vena subclavia und dadurch entstehende venöse Abflussstörungen verursacht wird (s zum Vorstehenden Sadeghi-Azandaryani, Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f).

33

Erst nach Feststellung der genauen Variante des beim Kläger bestehenden TOS und des Ortes der Druckeinwirkungen lassen sich Aussagen zum Pathomechanismus und damit dazu, ob die Druckeinwirkung überhaupt Wirkursache für das konkrete Erkrankungsbild war, treffen. In diesem Zusammenhang wird das LSG unter Umständen auch den zeitlichen Verlauf der Erkrankung im Verhältnis zum Einwirkungszeitraum zu würdigen haben. Da es selbst vom Vorliegen des Krankheitsbildes TOS ausgeht, wird es nicht den Beweiswert etwaiger positiver Gutachten mit dem Hinweis auf die Stellungnahme von Dr. S. negieren können, der offenkundig das Bestehen des TOS verneint. Auch wird das LSG dem Umstand, dass 2002 bis 2008 nur sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK 2106 gemeldet worden sind, worunter sich kein Angehöriger der Berufsgruppe des Klägers befunden hat, keine den Kausalitätsnachweis ausschließende Wirkung beimessen können, weil entscheidend alleine die konkrete Belastung und das Erkrankungsbild sind (vgl aber zu erforderlichen, auf eine bestimmte Berufsgruppe bezogene Erkenntnisse zur Bejahung einer Wie BK nach § 9 Abs 2 SGB VII: BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 6/12 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 22 RdNr 17 ff).

34

b) Wäre die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer allein wesentlichen außerberuflichen wie zB einer inneren Verursachung zu verneinen, käme durchaus der Schluss in Betracht, dass eine vorhandene geeignete berufliche Einwirkung - die vom LSG offengelassen wurde - auch ein geeignetes Krankheitsbild verursacht hat. In diesem Zusammenhang wird das LSG auch zu erwägen haben, ob die in § 9 Abs 3 SGB VII vorgegebenen normativen Voraussetzungen in Form des Bestehens einer erhöhten Gefahr der Erkrankung aufgrund besonderer Bedingungen der versicherten Tätigkeit unter Umständen aufgrund der Kumulation verschiedener gefährdender Tätigkeiten iS der BK 2106 gegeben sind.

35

Im Anschluss daran wäre ggf über die Wesentlichkeit der beruflichen Ursache zu entscheiden. Erst wenn die bei versicherten Tätigkeiten erfahrene Einwirkung als eine der Wirkursachen feststeht, kommt es auf der zweiten Stufe darauf an, dass die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks des die Unfallversicherung jeweils begründenden normativen Tatbestands zu beurteilen. Die Wesentlichkeit einer Bedingung ist eine reine (im Übrigen nicht durch den Sachverständigen beantwortbare) Rechtsfrage (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

36

Ist jedoch nicht mehr aufklärbar, ob beim Kläger die Verursachung des TOS in seiner konkreten Ausprägung durch die beruflich erworbene Exposition gegenüber Druck hinreichend wahrscheinlich ist, käme eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen hingegen durchaus in Betracht.

37

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

(1) Kraft Gesetzes sind versichert

1.
Beschäftigte,
2.
Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten, Lehrwerkstätten, Schulungskursen und ähnlichen Einrichtungen,
3.
Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlaßt worden sind,
4.
behinderte Menschen, die in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, bei einem anderen Leistungsanbieter nach § 60 des Neunten Buches oder in Blindenwerkstätten im Sinne des § 226 des Neunten Buches oder für diese Einrichtungen in Heimarbeit tätig sind,
5.
Personen, die
a)
Unternehmer eines landwirtschaftlichen Unternehmens sind und ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
b)
im landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitende Familienangehörige sind,
c)
in landwirtschaftlichen Unternehmen in der Rechtsform von Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften regelmäßig wie Unternehmer selbständig tätig sind,
d)
ehrenamtlich in Unternehmen tätig sind, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen,
e)
ehrenamtlich in den Berufsverbänden der Landwirtschaft tätig sind,
wenn für das Unternehmen die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft zuständig ist.
6.
Hausgewerbetreibende und Zwischenmeister sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
7.
selbständig tätige Küstenschiffer und Küstenfischer, die zur Besatzung ihres Fahrzeugs gehören oder als Küstenfischer ohne Fahrzeug fischen und regelmäßig nicht mehr als vier Arbeitnehmer beschäftigen, sowie ihre mitarbeitenden Ehegatten oder Lebenspartner,
8.
a)
Kinder während des Besuchs von Tageseinrichtungen, deren Träger für den Betrieb der Einrichtungen der Erlaubnis nach § 45 des Achten Buches oder einer Erlaubnis aufgrund einer entsprechenden landesrechtlichen Regelung bedürfen, während der Betreuung durch geeignete Tagespflegepersonen im Sinne von § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen, wenn die Teilnahme auf Grund landesrechtlicher Regelungen erfolgt,
b)
Schüler während des Besuchs von allgemein- oder berufsbildenden Schulen und während der Teilnahme an unmittelbar vor oder nach dem Unterricht von der Schule oder im Zusammenwirken mit ihr durchgeführten Betreuungsmaßnahmen,
c)
Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen,
9.
Personen, die selbständig oder unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich im Gesundheitswesen oder in der Wohlfahrtspflege tätig sind,
10.
Personen, die
a)
für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
b)
für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften und deren Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,
11.
Personen, die
a)
von einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts zur Unterstützung einer Diensthandlung herangezogen werden,
b)
von einer dazu berechtigten öffentlichen Stelle als Zeugen zur Beweiserhebung herangezogen werden,
12.
Personen, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschließlich der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen,
13.
Personen, die
a)
bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten,
b)
Blut oder körpereigene Organe, Organteile oder Gewebe spenden oder bei denen Voruntersuchungen oder Nachsorgemaßnahmen anlässlich der Spende vorgenommen werden,
c)
sich bei der Verfolgung oder Festnahme einer Person, die einer Straftat verdächtig ist oder zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen,
d)
Tätigkeiten als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst ausüben, wenn diese Tätigkeiten neben
aa)
einer Beschäftigung mit einem Umfang von regelmäßig mindestens 15 Stunden wöchentlich außerhalb des Rettungsdienstes oder
bb)
einer Tätigkeit als zugelassener Vertragsarzt oder als Arzt in privater Niederlassung
ausgeübt werden,
14.
Personen, die
a)
nach den Vorschriften des Zweiten oder des Dritten Buches der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit, des nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers oder eines nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen,
b)
an einer Maßnahme teilnehmen, wenn die Person selbst oder die Maßnahme über die Bundesagentur für Arbeit, einen nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 des Zweiten Buches zuständigen Träger oder einen nach § 6a des Zweiten Buches zugelassenen kommunalen Träger gefördert wird,
15.
Personen, die
a)
auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten,
b)
zur Vorbereitung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben auf Aufforderung eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit einen dieser Träger oder eine andere Stelle aufsuchen,
c)
auf Kosten eines Unfallversicherungsträgers an vorbeugenden Maßnahmen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung teilnehmen,
d)
auf Kosten eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung, der landwirtschaftlichen Alterskasse oder eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung an Präventionsmaßnahmen teilnehmen,
16.
Personen, die bei der Schaffung öffentlich geförderten Wohnraums im Sinne des Zweiten Wohnungsbaugesetzes oder im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung bei der Schaffung von Wohnraum im Sinne des § 16 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 des Wohnraumförderungsgesetzes oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen im Rahmen der Selbsthilfe tätig sind,
17.
Pflegepersonen im Sinne des § 19 Satz 1 und 2 des Elften Buches bei der Pflege eines Pflegebedürftigen mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne der §§ 14 und 15 Absatz 3 des Elften Buches; die versicherte Tätigkeit umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 des Elften Buches genannten Bereichen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 18 Absatz 5a Satz 3 Nummer 2 des Elften Buches.

(1a) Versichert sind auch Personen, die nach Erfüllung der Schulpflicht auf der Grundlage einer schriftlichen Vereinbarung im Dienst eines geeigneten Trägers im Umfang von durchschnittlich mindestens acht Wochenstunden und für die Dauer von mindestens sechs Monaten als Freiwillige einen Freiwilligendienst aller Generationen unentgeltlich leisten. Als Träger des Freiwilligendienstes aller Generationen geeignet sind inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallende Einrichtungen zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung), wenn sie die Haftpflichtversicherung und eine kontinuierliche Begleitung der Freiwilligen und deren Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr sicherstellen. Die Träger haben fortlaufende Aufzeichnungen zu führen über die bei ihnen nach Satz 1 tätigen Personen, die Art und den Umfang der Tätigkeiten und die Einsatzorte. Die Aufzeichnungen sind mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

(2) Ferner sind Personen versichert, die wie nach Absatz 1 Nr. 1 Versicherte tätig werden. Satz 1 gilt auch für Personen, die während einer aufgrund eines Gesetzes angeordneten Freiheitsentziehung oder aufgrund einer strafrichterlichen, staatsanwaltlichen oder jugendbehördlichen Anordnung wie Beschäftigte tätig werden.

(3) Absatz 1 Nr. 1 gilt auch für

1.
Personen, die im Ausland bei einer amtlichen Vertretung des Bundes oder der Länder oder bei deren Leitern, Mitgliedern oder Bediensteten beschäftigt und in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 4 Absatz 1 Satz 2 des Sechsten Buches pflichtversichert sind,
2.
Personen, die
a)
im Sinne des Entwicklungshelfer-Gesetzes Entwicklungsdienst oder Vorbereitungsdienst leisten,
b)
einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst „weltwärts” im Sinne der Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung vom 1. August 2007 (BAnz. 2008 S. 1297) leisten,
c)
einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst im Sinne der Richtlinie Internationaler Jugendfreiwilligendienst des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 20. Dezember 2010 (GMBl S. 1778) leisten,
3.
Personen, die
a)
eine Tätigkeit bei einer zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Organisation ausüben und deren Beschäftigungsverhältnis im öffentlichen Dienst während dieser Zeit ruht,
b)
als Lehrkräfte vom Auswärtigen Amt durch das Bundesverwaltungsamt an Schulen im Ausland vermittelt worden sind oder
c)
für ihre Tätigkeit bei internationalen Einsätzen zur zivilen Krisenprävention als Sekundierte nach dem Sekundierungsgesetz abgesichert werden.
Die Versicherung nach Satz 1 Nummer 3 Buchstabe a und c erstreckt sich auch auf Unfälle oder Krankheiten, die infolge einer Verschleppung oder einer Gefangenschaft eintreten oder darauf beruhen, dass der Versicherte aus sonstigen mit seiner Tätigkeit zusammenhängenden Gründen, die er nicht zu vertreten hat, dem Einflussbereich seines Arbeitgebers oder der für die Durchführung seines Einsatzes verantwortlichen Einrichtung entzogen ist. Gleiches gilt, wenn Unfälle oder Krankheiten auf gesundheitsschädigende oder sonst vom Inland wesentlich abweichende Verhältnisse bei der Tätigkeit oder dem Einsatz im Ausland zurückzuführen sind. Soweit die Absätze 1 bis 2 weder eine Beschäftigung noch eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, gelten sie abweichend von § 3 Nr. 2 des Vierten Buches für alle Personen, die die in diesen Absätzen genannten Tätigkeiten im Inland ausüben; § 4 des Vierten Buches gilt entsprechend. Absatz 1 Nr. 13 gilt auch für Personen, die im Ausland tätig werden, wenn sie im Inland ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.

(4) Familienangehörige im Sinne des Absatzes 1 Nr. 5 Buchstabe b sind

1.
Verwandte bis zum dritten Grade,
2.
Verschwägerte bis zum zweiten Grade,
3.
Pflegekinder (§ 56 Abs. 2 Nr. 2 des Ersten Buches)
der Unternehmer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung der Berufskrankheit "Druckschädigung der Nerven" nach der Nummer 2106 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 2106).

2

Der 1952 geborene Kläger war seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof erwerbstätig. 1985 übernahm er dieses Unternehmen und führte es bis 2004. Im Jahre 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit 1997 an Beschwerden im Bereich des Halses und der linken Schulter mit Ausstrahlung in den linken Arm und Brustkorb leide, was er auf seine berufliche Tätigkeit zurückführe. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK 2106 ab (Bescheid vom 7.10.2003, Widerspruchsbescheid vom 1.2.2005).

3

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 5.5.2010 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, das Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) ab 10.11.2005 als BK 2106 anzuerkennen und den Kläger mit einer Verletztenrente nach einer MdE von 25 vH zu entschädigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG durch Urteil vom 27.3.2014 den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben sowie die Klage ab- und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Beim Kläger lasse sich das Vorliegen einer BK 2106 nicht feststellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der ersten Instanz sei zwar davon auszugehen, dass beim Kläger ein TOS vorliege. Zweifelhaft erscheine hingegen, ob der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2106 erfülle. Letztlich könnten diese Zweifel jedoch dahinstehen, weil das beim Kläger festgestellte TOS nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch seine Tätigkeit als Obstbauer und insbesondere nicht durch das Tragen einer Pflückschürze bei der Apfelernte verursacht worden sei. Es spreche insbesondere gegen den ursächlichen Zusammenhang, dass das TOS nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. kein Störungsbild sei, bei dem die Nervenfasern durch direkte Einwirkung von außen geschädigt werden, sondern es sich vielmehr um ein Engpasssyndrom handele. Die Besonderheit des TOS liege darin, dass die Reibung nicht durch Druck von außen, sondern durch die körpereigenen Strukturen selbst verursacht werde, während die unter die BK 2106 fallenden Krankheitsbilder typischerweise durch eine Bedrückung des Nerven in Gelenknähe bedingt durch die unphysiologische Beanspruchung des Gelenks geprägt seien. Die anders lautende Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. überzeuge nicht, weil dieser selbst dargelegt habe, dass es in der medizinischen Wissenschaft kaum Literatur zur Beurteilung exogener Einflüsse auf die Verursachung eines TOS gebe. Dies erlaube zwar nicht den Umkehrschluss, dass die Entstehung eines TOS durch äußere Belastung nicht möglich sei. Für die Anerkennung einer BK 2106 genüge die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrundezulegen. Wenn sich nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Amtsermittlung ein solcher von der Mehrheit der Fachwissenschaftler anerkannter neuester Erfahrungsstand nicht feststellen lasse, komme grundsätzlich eine Entscheidung nach Beweislast in Betracht. Der Kläger trage hier die Beweislast für die berufliche Verursachung seiner Erkrankung. Dass das Merkblatt zur BK 2106 auch das Krankheitsbild des TOS als durch arbeitsbedingte Belastungen verursachte Druckschädigung der Nerven nenne, führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Den Merkblättern komme nur die Bedeutung einer Informationsquelle für die Praxis zu, ohne dass sie rechtliche Verbindlichkeit hätten. Schließlich spreche gegen eine Verursachung des beim Kläger vorliegenden TOS durch seine frühere Tätigkeit als Obstbauer, dass nach den Angaben der Beklagten in den Jahren 2002 bis 2008 zwar sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK 2106 der DGUV gemeldet worden seien, sich hierunter jedoch kein Angehöriger der Berufsgruppe des Klägers befunden habe. Bei gleichartigen Arbeitsmethoden sei hinsichtlich des Einsatzes von Pflückschürzen statistisch mit dem Auftreten weiterer TOS-Erkrankungen zu rechnen gewesen.

4

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 2106. Das LSG habe sein Urteil im Wesentlichen auf das in erster Instanz eingeholte Gutachten des Dr. F. gestützt, nach dem das Vorliegen der BK 2106 einen Druck von außen voraussetze. Damit habe das LSG zu Unrecht die Formulierung "Druckschädigung der Nerven" ausschließlich einer Druckeinwirkung von außen gleichgestellt. Tatsächlich habe der Verordnungsgeber Nervenschädigungen sowohl durch Druck von außen als auch von innen berücksichtigen wollen, wie der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenrates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Sektion Berufskrankheiten vom 1.8.2001 zu entnehmen sei. Unter Ziffer 3 dieser wissenschaftlichen Begründung werde das TOS ausdrücklich als typisches Krankheitsbild der BK 2106 genannt. Soweit es sich auf die Stellungnahme des Dr. S. stütze, der das Vorliegen eines TOS verneint habe, habe das LSG nicht ohne Verstoß gegen die Denkgesetze einerseits das Vorliegen eines TOS annehmen, andererseits aber deren Ablehnung als BK mit der Auffassung des Dr. S. begründen können. Auch der Verweis auf die Statistiken der DGUV habe angesichts der Vielzahl an Berufsgruppen, bei denen das Vorliegen eines beruflich bedingten TOS in Betracht komme, keinerlei Aussagekraft.

5

Der Kläger beantragt,

1.    

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2.    

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 5. Mai 2010 zu ändern und ihm Verletztenrente in Höhe von mehr als 25 vH zu bewilligen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Zutreffend sei das LSG davon ausgegangen, dass ein TOS in der Ausprägung des Syndroms der kosto-klavikulären Enge nicht zu den von der BK 2106 erfassten Krankheiten zähle, weil dieses nicht durch Druck von außen, sondern durch körpereigene Strukturen verursacht werde. Im Übrigen komme weder der wissenschaftlichen Begründung noch den Merkblättern rechtliche Verbindlichkeit zu.

Entscheidungsgründe

8

Die statthafte und zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus. Weder lässt sich danach beurteilen, welchen versicherten Einwirkungen iS der BK 2106 der Kläger im Einzelnen unterlegen ist noch ob diese nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft geeignet waren, das beim Kläger bestehende (aber noch näher zu spezifizierende) TOS zu verursachen, das ebenfalls in seiner konkreten Ausprägung nicht festgestellt ist.

9

Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen in dem Bescheid vom 7.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.2.2005, verbunden mit der auf Feststellung einer BK gerichteten Klage und der auf Verurteilung zu der abgelehnten Rentenzahlung gerichteten unechten Leistungsklage zulässig (BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 14).

10

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der BK ist § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 2106. BK 2106 (in der mit Wirkung vom 1.10.2002 geltenden Fassung vom 5.9.2002 ) lautet: "Druckschädigungen der Nerven". Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität ) und diese Einwirkungen eine Krankheit (dazu unter B) verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität ). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (zuletzt Urteile des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 10, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 11 sowie B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 10; s auch BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 12; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 14). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).

11

A. Nach den bindenden Feststellungen des LSG arbeitete der Kläger neben seiner Beschäftigung als Schriftsetzer und medizinisch-technischer Assistent seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof, den er zum 1.10.1985 übernahm und bis 2004 führte. Er war daher bei dieser Tätigkeit "Versicherter" iS von zunächst § 2 Abs 1 Nr 5b SGB VII und sodann § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII.

12

Den Feststellungen des LSG lässt sich noch hinreichend entnehmen, dass der Kläger während seiner versicherten Tätigkeit der durch das Tatbestandsmerkmal "Druckschädigung ..." in der BK 2106 vorausgesetzten Einwirkung "Druck" in Form des Tragens einer mit bis zu 20 kg Äpfel gefüllten Pflückschürze während 8 bis 10 Wochen im Jahr unterlag. Der Tatbestand der BK 2106 enthält darüber hinaus keine normativen Vorgaben in Form einer Dosis oder Mindestdauer der erforderlichen Einwirkung.

13

B. Beim Kläger besteht auch nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) eine Schädigung der Nerven als vom Verordnungstext vorausgesetzte Erkrankung in Form eines TOS, wenngleich das LSG die konkrete Variante dieses Symptoms nicht festgestellt hat (hierzu noch unter C).

14

Bei der BK 2106 handelt es sich um eine sog offene BK-Bezeichnung (vgl Spellbrink, BPUVZ 2012, 360, 362; ders SozSich 2013, 431 f; Bieresborn, NZS 2008, 354, 359), bei der die erforderliche Erkrankung nicht präzise umschrieben, sondern nur eine Krankheitsgruppe, nämlich "Druckschädigungen der Nerven", genannt wird. Anerkennungsfähig sind mithin hier alle Krankheiten dieser Gruppe, die durch die betreffende Einwirkung potentiell verursacht werden können. Um ein bestimmtes Krankheitsbild aus dem Schutzbereich dieser BK ausschließen zu können, muss demgegenüber feststehen, dass entweder diese Krankheit nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst sein sollte oder durch die jeweilige Einwirkung nicht verursacht werden kann. Ein solcher Ausschluss kann sich nur aus den Verordnungsmaterialien oder der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen ergeben (vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky/Heinz, SGB VII, § 9 RdNr 149 f).Dabei genügt es nicht, diejenigen Erkenntnisse zugrundezulegen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme der Krankheit in die BK-Liste bewogen haben, sondern es sind die fortschreitenden Erkenntnisse der Wissenschaft hinsichtlich der Wirkungsweise der genannten Einwirkung zur Bestimmung des Schutzbereichs zugrundezulegen (s BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 240 Nr 1, RdNr 15, zum Kehlkopfkarzinom nach ionisierenden Strahlen).

15

Beim TOS, das auch als neurovaskuläres oder Schultergürtel-Kompressionssyndrom bezeichnet wird, handelt es sich laut ICD-10, G54.1 um eine durch äußeren oder inneren Druck bewirkte Läsion des Plexus brachialis. Dass dieses Erkrankungsbild nach dem Willen des VO-Gebers nicht vom Schutzbereich der BK 2106 erfasst sein soll, lässt sich weder den Verordnungsmaterialien noch der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen entnehmen. So wird das TOS sowohl in der wissenschaftlichen Begründung (Wissenschaftliche Begründung zur BK Nr 2106: Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001, S 59-63; 1.3.2.1.) als auch im Merkblatt (Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S 62) ausdrücklich unter der Rubrik "Nervenschaden an der oberen Extremität" als "Armplexusschaden im Wurzelbereich (C4) C5-Th1" in Form einer "Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken, der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids" aufgelistet. Dies zeigt, dass bei Einführung der BK 2106 mit dem jetzigen Wortlaut der für die wissenschaftliche Begründung von BKen maßgebliche Ärztliche Sachverständigenbeirat - Sektion "Berufskrankheiten" - beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung davon ausging, dass dieses Krankheitsbild vom Schutzbereich der BK 2106 umfasst sein sollte.

16

Zutreffend hat das LSG zwar darauf hingewiesen, dass diese Merkblätter weder verbindliche Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzungen der BK noch antizipierte Sachverständigengutachten oder eine Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft sind (BSG vom 11.8.1998 - B 2 U 261/97 B - HVBG-Info 1999, 1373). Sie sind jedoch als Interpretationshilfe und zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 6/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 5 RdNr 15; BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 2402 Nr 1, RdNr 17 mwN; BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 85 = NZS 2001, 605, 606; s auch BSG vom 22.8.2000 - B 2 U 34/99 R - SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2).

17

Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, nach denen ein TOS nicht durch Druckbelastung verursacht werden kann und dementsprechend als anerkennungsfähiges Krankheitsbild aus dem Schutzbereich der BK 2106 ausscheidet, wurden dem Senat weder vorgetragen noch sind sie gerichtsbekannt. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen BKen-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands auch revisionsrechtlich überprüfbar (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 33; dort auch mit Nachweisen zur älteren Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung anderer Senate des BSG). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22; BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291, 295 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20).

18

Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, dass einzelne Gegenstimmen nicht geeignet sind, einen einmal gebildeten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die Mehrheit der Fachwissenschaftler den Erkenntnisstand aufkündigt. Diese Ausführungen bezogen sich zwar auf einen durch schriftliche Konsensempfehlungen konkretisierten wissenschaftlichen Erkenntnisstand (s jeweils zur BK 2108 BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 sowie BSG vom 25.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22), sie gelten aber auch bei anderen BKen für die in der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, in Merkblättern und in der einschlägigen Fachliteratur geäußerten wissenschaftlichen Meinungen. Aus diesen Quellen folgt, dass ein TOS zumindest in den dort genannten Varianten des Krankheitsbildes durch äußeren Druck verursacht werden kann. Die einzige Quelle dafür, dass der dort zum Ausdruck kommende wissenschaftliche Erkenntnisstand veraltet sein könnte und daher nicht zugrunde gelegt werden dürfte, scheint das Gutachten des Dr. F. zu sein. Dieser behauptet ohne kritische Auseinandersetzung mit dem Inhalt der oben aufgeführten anderslautenden wissenschaftlichen Begründung, ein TOS könne ausschließlich durch innere Reibung ohne äußeren Druck verursacht werden. Dieser Aussage ist dann aber letztlich auch das LSG nicht gefolgt, weil es selbst die Verursachung eines TOS durch äußere Belastungen zumindest für möglich hält. Eine Änderung des in der wissenschaftlichen Begründung sowie in dem Merkblatt manifestierten Erkenntnisstands konnte das LSG schließlich auch nicht aus der Aussage des Sachverständigen Dr. K. ableiten, dass kaum Literatur zur Verursachung des TOS durch äußere Druckeinwirkung existiere.

19

C. Der Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen aber nicht entscheiden, ob das LSG zu Recht den Ursachenzusammenhang zwischen den gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem festgestellten TOS verneint hat. Für die Anerkennung einer BK im konkreten Einzelfall ist neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die streitige BK 2106 bedeutet dies, dass das beim Kläger festgestellte TOS durch die im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit erfolgte Einwirkung von Druck verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im BKen-Recht, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris RdNr 32; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B 2 U 26/04 R - juris RdNr 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils die Versicherung begründenden Norm zu beurteilen (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - ; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

20

Vorliegend kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden, ob im Fall des Klägers die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine positive Kausalitätsbeurteilung vorliegen, die das LSG - aus seiner Sicht konsequent - hat dahinstehen lassen (dazu unter 1.), sowie ob das LSG zu Recht die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen verneint hat (dazu unter 2.).

21

1. Der Senat kann anhand der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die (weiteren) arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Anerkennung des TOS als BK 2106 gegeben sind. Bei den arbeitstechnischen Voraussetzungen handelt es sich um ein Element der Anspruchsprüfung einer BK, das zwei miteinander in Zusammenhang stehende Aspekte umfasst: das Vorhandensein der hier gegebenen (s oben A.) tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen und die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 13; vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann , Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 179, 193). Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen. Dem Urteil des LSG ist lediglich zu entnehmen, dass der Kläger im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit 8 bis 10 Wochen pro Jahr Kernobst mittels einer ca 20 kg Obst fassenden Pflückschürze geerntet hat.

22

Das Urteil des LSG enthält jedoch keine Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers die Druckeinwirkung erfolgte, insbesondere ob sich diese in Nähe des unteren Plexus brachialis befindet, den das LSG offenbar als geschädigt ansieht. Ohne diesbezügliche exakte Feststellung des oder der schädigenden Ereignisse und der naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhänge hinsichtlich der geltend gemachten Gesundheitsstörung kann eine zuverlässige Ursachenbeurteilung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und in Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache nicht erfolgen, weil die Ereignisse und Ursachen nicht zueinander in Verhältnis gesetzt und nicht in die Krankheitsgeschichte des Verletzten eingeordnet werden können (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 30).

23

Dies gilt umso mehr, als nach der einschlägigen arbeitsmedizinischen Literatur für das Vorliegen einer BK 2106 eine eindeutige Beziehung zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund kennzeichnend ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 232). Erst wenn diesbezügliche Feststellungen nachgeholt wurden, kann entschieden werden, ob eine Dauer dieser belastenden Tätigkeit von 8 bis 10 Wochen im Jahr bei ebenfalls noch festzustellender Tagesdauer geeignet war, das beim Kläger bestehende Krankheitsbild zu verursachen. Hierbei wird das LSG zu beachten haben, dass weder der Verordnungstext, noch die wissenschaftliche Begründung zur Abänderung des VO-Textes der BK 2106 (Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001, S 59-63; 1.3.2.1.), das hierzu zuletzt veröffentlichte Merkblatt (Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S 62) oder die aktuelle Fachliteratur zur BK 2106 Angaben in Hinblick auf Höhe und Intensität (Dosis) der Einwirkung enthalten.

24

Das LSG wird aber auch Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob bei dem Kläger - abgesehen vom Tragen der Obstschürze - weitere beruflich veranlasste Bewegungsabläufe vorlagen, die geeignet waren, ein TOS zu verursachen.Sowohl in der wissenschaftlichen Begründung, als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) werden neben "Lastendruck auf der Schulter" auch "repetitive Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk" sowie "Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm"als bekannte arbeitsbedingte Gelenkbelastungen aufgelistet, die bei Pflücktätigkeiten eines Obstbauern zumindest nicht gänzlich fernliegend erscheinen.

25

Auf das Vorhandensein einer in Höhe und Intensität geeigneten Druckeinwirkung lässt sich hingegen nicht alleine aufgrund des bindend festgestellten Krankheitsbildes des TOS schließen, weil dieses wiederum nicht zwingend durch eine äußere Druckeinwirkung verursacht wird. Vielmehr ergibt sich aus weiteren, dem jeweiligen Rechtsanwender zugänglichen Quellen, dass das TOS durchaus aufgrund innerer Ursachen wie anatomischer Varianten oder sonstiger Dispositionen entstehen kann (Sadeghi-Azandaryani, Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 234).

26

2. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen des LSG ebenso wenig entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Bejahung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem beim Kläger festgestellten TOS, dessen Vorliegen das Berufungsgericht als nicht hinreichend wahrscheinlich abgelehnt hat, gegeben sind (dazu unter a). Ferner wird das LSG ggf bei einer erneuten Beweiswürdigung die Anwendbarkeit des § 9 Abs 3 SGB VII zu erwägen haben(dazu unter b).

27

a) Die sogenannten arbeitsmedizinischen Voraussetzungen betreffen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit (was hier gegeben ist, s oben B.), zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 18).

28

Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der revisionsrechtlichen Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte (vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, § 163 RdNr 9). Eine solche bindende Wirkung besteht jedoch dann nicht, wenn das LSG von einem offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen ist oder bestehende Erfahrungssätze nicht angewandt hat (vgl BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, sowie BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 418) oder eine solche fehlerhafte Anwendung zulässig gerügt wird (vgl hierzu BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20). Die heranzuziehenden Quellen-, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin - ggf durch Sachverständige - zu überprüfen (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 18; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 69; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN).

29

Das LSG hat hierbei die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Bei seiner Entscheidungsfindung, ob im Falle des Klägers die Verursachung des TOS durch die durch das Tragen der Obstschürze entstandene Druckbelastung hinreichend wahrscheinlich ist, durfte es nicht davon ausgehen, dass das Merkblatt zur BK 2106 nicht mehr den tatsächlichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergebe und mangels vorhandener weiterer Literatur kein aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand zur Verursachung des TOS durch exogene Einflüsse existiere. Soweit das LSG deshalb nach Beweislastgrundsätzen entschieden hat, verkürzt es in unzulässiger Weise die zu diesem Themenkomplex anzuwendenden medizinischen Erfahrungssätze. Wie oben ausgeführt, werden sowohl in der wissenschaftlichen Begründung zur Abänderung des VO-Textes der BK 2106 als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) jeweils "Lastendruck auf der Schulter" neben "repetitiven Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk, Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm, Spielen von Streichinstrumenten und damit Gelenkbelastungen" als bekannte arbeitsbedingte Belastungen im Zusammenhang mit typischen morphologischen Schädigungsmöglichkeiten genannt.

30

Soweit das LSG nach den Grundsätzen der sog objektiven Beweislast entschieden hat, vermischt es zudem in unzulässiger Weise die Frage, ob ein konkretes Sachverständigengutachten als verwertbares Beweismittel die Kausalität im Einzelfall stützt mit der Frage, ob bei sich widersprechenden Gutachten mangels aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands letztlich nicht entschieden werden kann, welchem der Gutachten zu folgen ist. Die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast) greifen erst ein, wenn der Tatrichter keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann ("non liquet") (vgl zB BSG vom 26.11.1992 - 7 RAr 38/92 - BSGE 71, 256 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, RdNr 23). Im sozialgerichtlichen Verfahren stellt sich die Frage der Beweislastverteilung daher erst, wenn es dem Tatrichter trotz Erfüllung seiner insbesondere durch § 103 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise nicht gelungen ist, eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit zu beseitigen(stRspr, BSG vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R - juris RdNr 20; Urteil vom 8.9.2010 - B 11 AL 4/09 R - juris RdNr 17; BSG vom 24.5.2006 - B 11a AL 7/05 R - BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4, RdNr 32). Dies gilt auch, wenn der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand im Streit steht, dessen fehlende Existenz mit der Folge einer Beweislastentscheidung erst nach entsprechenden Anstrengungen und der Sichtung staatlicher Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände, wissenschaftlicher Literatur etc festgestellt werden darf (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 61).

31

Das LSG führt zwar zutreffend aus, dass die Kausalitätsfeststellung nicht alleine auf das Vorliegen einer geeigneten Einwirkung und eines klinisch definierten Krankheitsbildes gestützt werden kann, weil angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler BKen es keinen Automatismus der Bejahung des Ursachenzusammenhangs allein aufgrund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer bestimmten Erkrankung gibt (s BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19 sowie BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 23). Es existiert keine zwingende Regel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen regelmäßig zu einer Anerkennung der BK führen würde (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R - juris RdNr 22; s zur Unfallkausalität beim Arbeitsunfall BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 52). Andererseits ist es grundsätzlich denkbar, dass bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung dieser alleine für die Bejahung der Kausalität genügt, wenn keine Anhaltspunkte für eine alternative (innere oder äußere) Ursache für die Erkrankung bestehen (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; vgl zu typischen Geschehensabläufen beim Arbeitsunfall BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 43 RdNr 30; s auch bereits BSG vom 21.11.1958 - 5 RKn 33/57 - BSGE 8, 245, 247; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 128 RdNr 9 ff; s zum zulässigen Schluss von einer berufsbedingt erhöhten Ansteckungsgefahr auf eine berufliche Ursache der aufgetretenen Infektionskrankheit, wenn neben der Gefährdung durch die versicherte Tätigkeit keine anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Infektionsrisiken bestanden haben BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 19/05 R - juris RdNr 16; vgl zur Verursachung von Meniskusschäden bei Bergleuten BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Daher ist es weder dem Gutachter noch dem erkennenden Gericht verwehrt, im Einzelfall anhand der Gesamtumstände bei Vorliegen einer für die Schadensverursachung geeigneten Einwirkung sowie einem belastungskonformen Schadensbild bei fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative äußere oder innere Verursachung die naturwissenschaftliche Kausalität zu bejahen.

32

Daher wird das LSG nicht nur Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers Druck auf den Kläger eingewirkt hat und ob dieser Druck in Höhe und Intensität zur Verursachung des TOS ausreichte, nachzuholen haben, sondern auch dazu, ob im Falle des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass das bei ihm diagnostizierte TOS auch ohne Druckbelastung von außen zB alleine durch innere schicksalhafte oder degenerative Ursachen entstanden ist (vgl BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Hierzu wird das LSG auch festzustellen haben, welche Variante des TOS beim Kläger besteht und insbesondere an welcher Stelle der Plexus brachialis geschädigt ist. Bereits aus der wissenschaftlichen Begründung und dem Merkblatt ergibt sich - wie bereits ausgeführt -, dass ein durch Druckeinwirkung verursachbares TOS in verschiedenen Varianten bekannt ist, nämlich in Form einer Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken, der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids. Aus der einschlägigen Fachliteratur ergeben sich darüber hinaus weitere Differenzierungen wie das Scalenus-anterior-Syndrom, wenn der Musculus scalenus anterior betroffen ist, sowie das Hyperabduktionssyndrom oder Pectoralis-minor-Syndrom, wenn das Gefäßnervenbündel im Korakopektoralraum betroffen ist. Schließlich ist das Thoracic-inlet-Syndrom als Sonderform des TOS bekannt, das durch die Kompression der Vena subclavia und dadurch entstehende venöse Abflussstörungen verursacht wird (s zum Vorstehenden Sadeghi-Azandaryani, Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f).

33

Erst nach Feststellung der genauen Variante des beim Kläger bestehenden TOS und des Ortes der Druckeinwirkungen lassen sich Aussagen zum Pathomechanismus und damit dazu, ob die Druckeinwirkung überhaupt Wirkursache für das konkrete Erkrankungsbild war, treffen. In diesem Zusammenhang wird das LSG unter Umständen auch den zeitlichen Verlauf der Erkrankung im Verhältnis zum Einwirkungszeitraum zu würdigen haben. Da es selbst vom Vorliegen des Krankheitsbildes TOS ausgeht, wird es nicht den Beweiswert etwaiger positiver Gutachten mit dem Hinweis auf die Stellungnahme von Dr. S. negieren können, der offenkundig das Bestehen des TOS verneint. Auch wird das LSG dem Umstand, dass 2002 bis 2008 nur sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK 2106 gemeldet worden sind, worunter sich kein Angehöriger der Berufsgruppe des Klägers befunden hat, keine den Kausalitätsnachweis ausschließende Wirkung beimessen können, weil entscheidend alleine die konkrete Belastung und das Erkrankungsbild sind (vgl aber zu erforderlichen, auf eine bestimmte Berufsgruppe bezogene Erkenntnisse zur Bejahung einer Wie BK nach § 9 Abs 2 SGB VII: BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 6/12 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 22 RdNr 17 ff).

34

b) Wäre die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer allein wesentlichen außerberuflichen wie zB einer inneren Verursachung zu verneinen, käme durchaus der Schluss in Betracht, dass eine vorhandene geeignete berufliche Einwirkung - die vom LSG offengelassen wurde - auch ein geeignetes Krankheitsbild verursacht hat. In diesem Zusammenhang wird das LSG auch zu erwägen haben, ob die in § 9 Abs 3 SGB VII vorgegebenen normativen Voraussetzungen in Form des Bestehens einer erhöhten Gefahr der Erkrankung aufgrund besonderer Bedingungen der versicherten Tätigkeit unter Umständen aufgrund der Kumulation verschiedener gefährdender Tätigkeiten iS der BK 2106 gegeben sind.

35

Im Anschluss daran wäre ggf über die Wesentlichkeit der beruflichen Ursache zu entscheiden. Erst wenn die bei versicherten Tätigkeiten erfahrene Einwirkung als eine der Wirkursachen feststeht, kommt es auf der zweiten Stufe darauf an, dass die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks des die Unfallversicherung jeweils begründenden normativen Tatbestands zu beurteilen. Die Wesentlichkeit einer Bedingung ist eine reine (im Übrigen nicht durch den Sachverständigen beantwortbare) Rechtsfrage (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

36

Ist jedoch nicht mehr aufklärbar, ob beim Kläger die Verursachung des TOS in seiner konkreten Ausprägung durch die beruflich erworbene Exposition gegenüber Druck hinreichend wahrscheinlich ist, käme eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen hingegen durchaus in Betracht.

37

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 31. August 2010 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung als Hinterbliebene ihres im Dezember 1999 an den Folgen eines Bronchialkarzinoms verstorbenen Ehemanns (des Versicherten).

2

Der im Jahre 1939 geborene Versicherte war von 1966 bis 1996 als Schlosser bei der Firma B. beschäftigt, die Schlosser- und Schmiedearbeiten für das Baunebengewerbe und kleine Stahlkonstruktionen fertigte. In etwa 30 % seiner Arbeitszeit verrichtete der Versicherte Schweißarbeiten. Bis Ende der 70er Jahre wurden meist unlegierte Baustähle überwiegend im Lichtbogenhandverfahren (LBH) mit Elektrode geschweißt, seit Anfang der 80er Jahre überwiegend im Schutzgasschweißverfahren (Metallaktivgasverfahren - MAG), wobei thoriumhaltige Schweißelektroden beim WIG (Wolfram-Inertgas-Verfahren) verwandt wurden. Ab Anfang der 80er Jahre wurde gelegentlich Edelstahl verschweißt. Dabei kamen basische Elektroden zum Einsatz. Beim Anschleifen der Elektroden fand eine Thorium-Belastung statt. In geringerem Umfang wurde öliges Material verschweißt. Der Versicherte führte auch Schweißarbeiten an verzinkten Teilen aus, wobei er Zinkrauchen ausgesetzt war. Für die Dauer von vier Wochen hatte der Versicherte Umgang mit Asbestzementplatten. Asbestkontakt bestand auch bei der Montage zugeschnittener Eternitplatten und bei einer dreimonatigen Tätigkeit im Klinikum M. Während seines gesamten Berufslebens rauchte der Versicherte zumindest 15 Zigaretten täglich. Die Gesamtnikotinbelastung belief sich von 1960 bis 1999 auf 29,25 Packungsjahre.

3

Der Versicherte verstarb am 18.12.1999 an den Folgen eines im April 1999 erstmals diagnostizierten Bronchialkarzinoms. Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 5.12.2000 sinngemäß die Anerkennung und Entschädigung des Bronchialkarzinoms als Berufskrankheit (BK) ihres verstorbenen Ehemanns, sowie Hinterbliebenenleistungen aus Anlass des Todes. Die Beklagte führte Ermittlungen durch, ua durch Befragung des Arbeitgebers, die Beiziehung von Krankenakten, Ermittlungen des TAD und die Einholung ärztlicher Gutachten (Prof. Dr. R.). Im Bescheid vom 20.11.2001 lehnte die Beklagte sodann die Anerkennung des metastasierenden Bronchialkarzinoms des Versicherten als BK und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5.6.2002). Es liege weder eine BK nach Nr 1103, noch nach 4104 oder 4109, noch eine Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 SGB VII vor.

4

Hiergegen hat die Klägerin am 3.7.2002 Klage zum SG Marburg erhoben, das ein internistisch-pneumologisches Gutachten des Prof. G. eingeholt und die Klage durch Urteil vom 31.5.2005 abgewiesen hat. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Das LSG hat gemäß § 109 SGG ein Gutachten des Arbeitsmediziners und Internisten Prof. W. und ergänzende Stellungnahmen des Prof. G. und wiederum von Prof. W. eingeholt.

5

Das LSG hat sodann durch Urteil vom 31.8.2010 die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Versicherte sei 1999 an einem Bronchialkarzinom des linken Lungenunterlappens verstorben. Seiner Überzeugung nach sei der Versicherte von 1966 bis 1996 als Schlosser bei der Firma B. infolge seiner versicherten Tätigkeit der lungenschädigenden Einwirkung Chrom VI- und nickeloxidhaltiger Schweißrauche, zinkchromathaltiger Tröpfchenaerosole, von Asbestfaserstaub, ionisierenden Thorium-Verfallsprodukten sowie polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen mit der Leitsubstanz Benzo(a)pyren (BaP) ausgesetzt gewesen, so dass insoweit die Einwirkungskausalität zu bejahen sei. Ohne die Einwirkung dieser Berufsschadstoffe wäre es nicht zum Auftreten der Bronchialkrebserkrankung des Schweregrads und im Alter von 60 Jahren gekommen. Als weitere Ursache trete aus dem privaten Bereich der Nikotinkonsum des Versicherten hinzu. Alle diese Lungenschadstoffe beruflicher wie privater Herkunft stünden nach Überzeugung des Senats als naturwissenschaftliche Ursachen im Sinne der conditio sine qua non Formel fest.

6

BK Nr 4104 scheide aus, weil der Nachweis einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis von 25 Faserjahren nicht erfüllt, BK Nr 4113, weil die dort geforderte Einwirkung von mindestens 100 BaP-Jahren nicht feststellbar sei. Ein Versicherungsfall der BK Nr 4114 (Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen Kohlenwasserstoffen …) liege schon deshalb nicht vor, weil nach § 6 Abs 1 BKV hiervon nur Versicherungsfälle ab 1.10.2002 erfasst würden.

7

Keine der übrigen Berufsnoxen habe nach der Theorie der wesentlichen Bedingung allein das Lungenkrebsleiden des Versicherten bewirkt, so dass für die weiteren BK-Ziffern 2402, 4109 und 1103 nicht von einer monokausalen, durch den jeweiligen Schadstoff hervorgerufenen Entstehungsursache auszugehen sei. Die Thorium-Belastung beim WIG-Schweißen habe zu keiner im Rahmen der BK-Ziffer 2402 wesentlichen, lungenschädigenden ionisierenden Strahlenbelastung geführt. Die haftungsbegründende Kausalität sei im Allgemeinen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit monokausal zu begründen, wenn Intensität und Dauer der Einwirkung des jeweiligen Listenstoffes zu einer Risikoverdoppelung geführt hätten. Die Verdoppelungsdosis liege für Lungentumore bei Erwachsenen bei 2 Millionen Mikro-Sievert. Dieser Wert werde nicht erreicht. Dasselbe gelte für die BK Nr 4109 (bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lunge durch Nickel). Der Senat gehe von 288 bzw 540 µg Nickel/m³ x Jahre aus. Damit werde der Wert von 5000 µg Nickel/m³ x Jahre (Verdoppelungsdosis) nicht erreicht. Dasselbe gelte für die Belastung des Versicherten mit Chrom und seinen Verbindungen im Rahmen der BK Nr 1103. Auch hier werde die Verdoppelungsdosis von 2000 µg/m³ x Jahre nicht erreicht.

8

Der Versicherungsfall einer BK Nr 1103 sei auch nicht im Wege einer synkanzerogenen Kombinationswirkung von zumindest fünf lungenschädlichen Berufsschadstoffen zugunsten des Versicherten festzustellen. Denn auch unter Berücksichtigung der allein quantifizierbaren Lungenschadstoffe Chrom VI, Nickel und Asbest sei eine Risikoverdoppelung bzw ein relatives Risiko (RR) von zwei entsprechend einer Verursachungswahrscheinlichkeit (VW) von 0,5 nicht zu begründen, so dass berufliche Kausalfaktoren als wesentliche (Mit-)Ursache der Bronchialkrebserkrankung des Versicherten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erwiesen seien. Grundsätzlich sei von einer synkanzerogenen Wirkung der Stoffe auszugehen, wobei die Bewertung nach der führenden Schweißrauchkomponente, der Chrom VI-Belastung erfolge. Beim Versicherten sei jedoch keine BK Nr 1103 durch Chrom VI-haltige Schweißrauchbestandteile bei synkanzerogener Mitbeteiligung der übrigen Lungenschadstoffe festzustellen. Die Gerichte müssten hier die streitigen Kausalzusammenhänge auf der Grundlage freier Beweiswürdigung mit der geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Auszugehen sei von der sog Wichmann'schen Formel, nach der das RR und die resultierende VW ermittelt werden könnten. Beim Zusammenwirken mehrerer Noxen errechne sich bei Erreichen eines RR von mehr als zwei eine VW von mehr als 50 % entsprechend einer Risikoverdoppelung. Die den Versicherten treffenden Schadstoffe wirkten hier auf dasselbe Organ (Lunge) im Rahmen einer linearen Dosis-Wirkungsbeziehung nach einem additiven Modell ein, so dass die für jeden Stoff ermittelten Bruchteile der Verdoppelungsdosis zu addieren seien. Die Sachverständigen kämen jedoch zu RR-Werten von unter zwei und damit von VW-Werten von unter 0,50, so dass die für eine wesentliche berufliche Mitverursachung zu fordernde Risikoverdopplung hinsichtlich der quantifizierbaren Stoffe Chrom, Nickel und Asbest deutlich verfehlt werde. Eine Anknüpfung an niedrigere Werte, wie etwa das sog Krasney'sche Drittel werde in der herrschenden Literatur und Rechtsprechung zu Recht abgelehnt.

9

Der Versicherte sei darüber hinaus nicht quantifizierbaren Noxen ausgesetzt gewesen, die es allerdings nicht erlaubten, die fehlende Lücke zur Risikoverdopplung zu schließen. Um zur Risikoverdopplung zu gelangen, hätten die nicht quantifizierbaren Belastungen beim Schweißen von Baustahl, durch Zinkchromat, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Thorium sowie für die Bystander-Belastung zusätzlich ein RR von 1,57 ergeben müssen, was nicht begründbar sei.

10

Beweiserleichterungen bzw eine Umkehr der Beweislast zugunsten der Klägerin kämen nicht in Betracht. Zwar seien dem Arbeitgeber schwere Versäumnisse anzulasten und die Arbeitsbedingungen nur noch schwer zu rekonstruieren. Eine Abkehr von dem in der UV generell zu fordernden Beweisgrad oder gar eine Umkehr der Beweislast lasse sich hieraus aber nicht ableiten. Dem Berufungsbegehren hätte nur dann entsprochen werden können, wenn der Senat infolge einer Beweiserleichterung die anspruchsbegründende (Mit-)Ursächlichkeit lungenbelastender Berufsschadstoffe für das Auftreten des todesursächlichen Bronchialkarzinoms als erwiesen hätte ansehen können, wovon er sich aus mehreren Gründen nicht habe überzeugen können. Zu den fünf bis sechs synkanzerogenen Lungenschadstoffen seien keine belastbaren Dosis-Wirkungs-Beziehungen veröffentlicht. Falls ein Gericht hier dennoch das Erreichen der Verdoppelungsdosis unterstellen würde, so käme dies einer Umkehr der Beweislast gleich. Aber auch diese würde nicht zum Erfolg führen, weil der private Zigarettenkonsum des Versicherten zu berücksichtigen sei. Es wäre dann immer noch die Frage zu entscheiden, welche Bedeutung der beruflichen Verdoppelung des Risikos im Verhältnis zum durch den privaten Zigarettenkonsum vielfach erhöhten Erkrankungsrisikos zukomme. Der Senat halte für die Zeit vom 21. Lebensjahr (1960) bis zum Todesjahr (1999) des Versicherten den Konsum von mindestens 15 Zigaretten täglich für erwiesen. Aufgrund dieser 29,25 Packungsjahre ergebe sich ein 11-fach erhöhtes Lungenkrebsrisiko.

11

Die Bronchialkrebserkrankung habe schließlich auch nicht als Wie-BK nach § 9 Abs 2 SGB VII anerkannt werden können.

12

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII. Das LSG habe bei den BKen Nr 1103, 2402 und 4109 eine monokausale Verursachung des Bronchialkarzinoms abgelehnt. Es sei jedoch in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch bei fehlender Monokausalität eine oder mehrere dieser Listen-BKen vorliegen könnte (Hinweis auf BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17), wenn der Schadstoff eine wesentliche Teilursache gewesen sei. Es stelle sich die Rechtsfrage, welche Anforderungen an die Kombinationswirkung von lungenkrebsauslösenden Noxen zu stellen seien. Es seien hier keinesfalls nur quantifizierbare Lungenschadstoffe (wie Chrom VI, Nickel und Asbest) zu berücksichtigen. Zudem könne aus § 9 Abs 1 SGB VII das vom LSG geforderte Kriterium eines Verdoppelungsrisikos nicht abgeleitet werden. Für das Erfordernis eines solchen Verdoppelungsrisikos gebe der Gesetzeswortlaut keinerlei Anhalt. Im Übrigen hätten die Gutachter auch die nicht quantifizierbaren Risiken abgeschätzt. Das LSG habe gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung verstoßen, indem es nur quantifizierbare Einwirkungen berücksichtigt habe. Es hätte zudem aufgeklärt werden müssen, ob der Synergismus auch nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen immer noch als additives Modell zu beschreiben sei. Mit Krasney sei davon auszugehen, dass eine berufliche Teilursache bei einer VW von 0,33 bestehe. Das LSG habe nicht alle zu berücksichtigenden Tatsachen für die Beweisermittlung berücksichtigt. Der vorliegende Fall werde durch eine Kumulation von Besonderheiten (Verschulden des Arbeitgebers; Versäumnisse der beklagten BG) geprägt. Es hätten hier Anknüpfungstatsachen für einen Beweisnotstand ermittelt werden müssen, was ein Vergleich zur zivilrechtlichen Rechtsprechung zum Arzthaftungsrecht zeige.

13

Die Klägerin beantragt,

        

die Urteile des Hessischen Landessozialgerichts vom 31.08.2010 und des Sozialgerichts Marburg vom 31.05.2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der Regelungen in dem Bescheid vom 20.11.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2002 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen aus Anlass des Todes des Versicherten K. zu gewähren.

14

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

15

Sie beruft sich auf das angefochtene Urteil. Das LSG habe allerdings, nachdem es die monokausale Verursachung aller BKen abgelehnt habe, die BK Nr 1103 zusätzlich unter dem Gesichtspunkt geprüft, ob Chrom im Zusammenwirken mit anderen Schadstoffen eine wesentliche Teilursache der Lungenerkrankung des Versicherten darstellen könne. Das LSG habe dabei fälschlicherweise die sog Wichmann'sche Formel benutzt. Das Wichmann'sche Berechnungsmodell dürfe nur auf eine konkrete Stoffkombination angewandt werden, wenn sowohl für die gesundheitsschädigende kanzerogene Wirkung der einzelnen Stoffe als auch für das synergetische Zusammenwirken ausreichende und gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen. Das BSG habe aber am 12.1.2010 (B 2 U 5/08 R - aaO) bereits klargestellt, dass es keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die synkanzerogene Wirkung von Chromat, Nickeloxid, Asbest und ionisierenden Strahlen gebe.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung der Entscheidung des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG).

17

Der Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht abschließend darüber befinden, ob bei dem Verstorbenen die BKen Nr 1103, 4109 oder 2402 der Anlage 1 zur BKV vorlagen und die Klägerin deshalb einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat (im Einzelnen unter 4.). Das LSG ist bei der Prüfung, ob einer der in diesen BKen genannten Arbeitsstoffe wesentliche (Teil-)Ursache der Lungenkrebserkrankung des Versicherten war, von einem Erfahrungssatz (der sog Wichmann'schen Formel) ausgegangen, der für die Frage der (teil-)wesentlichen Verursachung der Erkrankung durch eine der Noxen (isoliert) schon wissenschaftlich/ denklogisch von seinem Ansatz her nicht einschlägig ist. Das LSG hat allerdings zu Recht das Vorliegen einer BK nach Nr 4104, 4113 und 4114 der Anlage 1 zur BKV abschließend verneint (vgl unter 2.). Ebenso hat es das Vorliegen einer sog Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 SGB VII mit zutreffenden Erwägungen verneint (hierzu unter 3.).

18

1. Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 26 ff) umfasst der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII), dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall, zB eine bestimmte BK oder Wie-BK habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe irgendein Versicherungsfall (Arbeitsunfall, Listen-BK, Wie-BK) vorgelegen, der dessen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht.

19

Hingegen ist er schon mangels einer gesetzlichen Ermächtigung nicht befugt, einen feststellenden Verwaltungsakt darüber zu erlassen, ob der Versicherte einen Versicherungsfall erlitten hatte. Es gibt auch keine Anspruchsgrundlage für einen Anspruch des Hinterbliebenen auf eine isolierte Vorabentscheidung des Trägers über das frühere Vorliegen eines Versicherungsfalles beim Versicherten. Hierfür besteht im Übrigen auch kein Bedürfnis, weil nach dem Tod des Versicherten der Eintritt weiterer Versicherungsfälle, deren Folgen voneinander abzugrenzen sein könnten, ausgeschlossen ist. Hier hat die Beklagte zwar mehrfach im Hinblick auf verschiedene Sachverhalte, aber jeweils einheitlich festgestellt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf die begehrte Witwenrente habe.

20

2. Die Klägerin hat zunächst keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente wegen des Todes des Versicherten infolge des Versicherungsfalls einer BK Nr 4104, 4113 oder 4114, weil die in den Tatbeständen dieser Normen der Anlage 1 zur BKV explizit benannten Voraussetzungen der jeweiligen BK nicht vorgelegen haben. Aus § 9 Abs 1 SGB VII lassen sich für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oä auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben(haftungsbegründende Kausalität; vgl zuletzt BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R und B 2 U 25/10 R; BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 14; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14).

21

Die BK Nr 4104 lautet: "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs - in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder - in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder - bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren". Die BK Nr 4104 scheidet schon deswegen aus, weil bei dem Versicherten nach dem Gesamtzusammenhang der tatsächlichen Feststellungen des LSG weder das Bild einer Asbestose noch einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura noch eine Einwirkung von 25 Asbestfaserjahren vorgelegen hat (vgl auch BSG vom 4.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 1).

22

Die BK Nr 4113: "Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo(a)pyren-Jahren [(µg/m³) x Jahre]" scheidet ebenfalls aus, weil der in der Norm selbst genannte Einwirkungswert von 100 BaP-Jahren nicht erreicht ist.

23

Schließlich scheidet auch BK Nr 4114 "Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen" schon deshalb aus, weil der Versicherungsfall nicht gemäß § 6 Abs 1 Satz 1 BKV nach dem 30.9.2002 eingetreten ist.

24

3. Der Versicherte ist am 18.12.1999 auch nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie-BK gemäß § 9 Abs 2 SGB VII verstorben.

25

Nach § 9 Abs 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind (vgl BSG vom 30.1.1986 - 2 RU 80/84 - BSGE 59, 295 = SozR 2200 § 551 Nr 27). Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen (vgl § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (vgl BT-Drucks 13/2204, 77 f).

26

Der Versicherungsfall einer Wie-BK ist eingetreten, wenn neben den Voraussetzungen der schädigenden Einwirkungen aufgrund der versicherten Tätigkeit, der Erkrankung und der haftungsbegründenden Kausalität im Einzelfall auch die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der BKen nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen erfüllt sind. Der Versicherungsfall der Wie-BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs 2 SGB VII gegeben sind(vgl noch zu § 551 Abs 1 Satz 2 RVO: BSG vom 2.12.2008 - B 2 KN 1/08 U R - BSGE 102, 121 = SozR 4-2700 § 9 Nr 12, RdNr 23). Im vorliegenden Fall kam es also entscheidend darauf an, ob es spätestes am 18.12.1999 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung Lungenkrebs, wenn sie durch die Einwirkungen von Chrom VI- und nickeloxidhaltigen Schweißrauchen, zinkchromathaltigen Tröpfchenaerosolen, Asbest und ionisierenden Thorium-Verfallsprodukten gemeinsam verursacht worden ist, die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die BKV erfüllte. Dies hat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil vom 12.1.2010 (aaO, RdNr 32 mwN aus der wissenschaftlichen Literatur) für den dort maßgebenden Zeitpunkt des 8.8.2000 verneint. Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die hier angefochtene Entscheidung des LSG für den Todeszeitpunkt 18.12.1999 unter diesem Gesichtspunkt nicht zu beanstanden ist.

27

4. Ob der Tod des Versicherten infolge eines Versicherungsfalls nach § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 1103, 2402 oder 4109 der Anlage 1 zur BKV eingetreten ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.

28

Diesen BK-Tatbeständen ist gemeinsam, dass sie selbst keine numerische Einwirkungsgröße der jeweiligen Noxe vorsehen. Erfüllen die Einwirkungen eines bestimmten Arbeitsstoffes bereits nicht die in einem BK-Tatbestand selbst genannten Einwirkungsvoraussetzungen, wie hier bei den BKen Nr 4104 und 4113 (soeben unter 2.), so können sie zwar eine Krankheit mitverursacht haben, eine Anerkennung der jeweiligen BK scheidet aber von vornherein aus, weil schon die Mindestanforderungen des jeweiligen BK-Tatbestands nach dessen expliziter Ausformulierung nicht gegeben sind (vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO , RdNr 37).

29

BK Nr 1103 lautet: "Erkrankungen durch Chrom oder seine Verbindungen". BK Nr 2402: "Erkrankungen durch ionisierende Strahlungen" und BK Nr 4109: "Bösartige Neubildungen der Atemwege und der Lungen durch Nickel". Nach den Feststellungen des LSG ist der Versicherte während seines Arbeitslebens berufsbedingt schädigenden Einwirkungen durch Chrom VI- und nickeloxidhaltige Schweißrauche sowie ionisierenden Thorium-Verfallsprodukten ausgesetzt gewesen. Allerdings hat das LSG für jeden der in den drei genannten Listen-BKen bezeichneten Arbeitsstoffe isoliert betrachtet die haftungsbegründende Kausalität verneint, weil die Einwirkungen nicht die Schwelle des sog Verdoppelungsrisikos überschritten. Hierzu hat die Revision zunächst zu Recht gerügt, dass das LSG mit dem Verdoppelungsrisiko ein nicht unmittelbar aus dem Gesetz abgeleitetes Kriterium zugrunde gelegt hat, ohne im Einzelnen die wissenschaftliche Basis dieses Kriteriums in den Prozess einzuführen (vgl hierzu auch Urteil des Senats vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - RdNr 31). Das LSG wird daher nach einer Zurückverweisung zunächst klarzustellen haben, auf welchem medizinischen Erfahrungssatz die Annahme der jeweiligen Verdoppelungsgrenzwerte für die hier betroffenen BKen beruht (kritisch zur Zugrundelegung des Verdoppelungsrisikos als notwendiges Kriterium für die Einführung einer BK, BSG vom 23.3.1999 - B 2 U 12/98 R - BSGE 84, 30, 37 = SozR 3-2200 § 551 Nr 12 S 42). Nur dann kann auch revisionsrechtlich die Aussage des LSG nachvollzogen werden, dass keiner der Stoffe allein die (ggf in der jeweiligen Listen-BK bezeichnete) Erkrankung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit verursacht habe.

30

Der Senat hat allerdings in seinem Urteil vom 12.1.2010 (B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 34) zu erkennen gegeben, dass für die BK Nr 1103 eine Einwirkung in der Größenordnung von 2000 µg/m³ x Jahre erforderlich sein könnte, die bei dem Versicherten nach den Feststellungen des LSG bei weitem nicht erreicht wurde. Bei der Einwirkung durch ionisierende Strahlen (BK Nr 2402) wird anhand der Einwirkungsdosen die VW in Prozent ermittelt, die bei dem Versicherten nach den Feststellungen des LSG bei 1 vH lag. Bei der BK Nr 4109 könnte eine berufliche Einwirkung durch Nickel von 5000 µg/m³ x Jahre erforderlich sein (vgl BSG Urteil vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 34, wo allerdings die entsprechenden Feststellungen des LSG von der Revision nicht gerügt worden waren).

31

Der Senat hat zudem mehrfach klargestellt, dass eine der Listen-BKen (Nr 1103, 2402 und 4109) nicht nur dann vorliegen kann, wenn die in ihrem Tatbestand genannten Einwirkungen durch einen bestimmten Stoff auf die Gesundheit schon bei isolierter Betrachtungsweise nur je eines Stoffes die im Einzelnen zu definierenden Voraussetzungen erfüllen (grundlegend BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 35). Denn selbst wenn diese Einwirkungen bei isolierter Betrachtung - und ggf nicht zu beanstandender Zugrundelegung des sog Verdoppelungsrisikos oder eines anderen aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungssätze begründbaren Kriteriums - die Voraussetzungen an die Einwirkungsdauer, -intensität, -häufigkeit oder -weise nicht erfüllen, können sie dennoch eine wesentliche Teilursache der als BK anerkannten Krankheit nach der Theorie der wesentlichen Bedingung sein (vgl zur Prüfung des Versicherungsfalls einer Listen-BK: BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 33/07 R - BSGE 103, 54 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 5; zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - RdNr 28 ff; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 ff).

32

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Erst wenn feststeht, dass ein bestimmtes Ereignis - hier Einwirkungen durch einen Arbeitsstoff - eine naturphilosophische Teilursache der Krankheit ist, stellt sich die Frage nach einer rechtlich wesentlichen Verursachung des Erfolgs durch das Ereignis. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist in diesem zweiten Schritt zwischen Ursachen zu unterscheiden, denen der Erfolg zugerechnet wird und die für den Erfolg rechtlich unerheblich sind. Als kausal und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zur konkreten Krankheitsentstehung zum Eintritt des Erfolgs wesentlich mitgewirkt haben. Bei der rein rechtlichen Zurechnungsprüfung der "Wesentlichkeit" einer Bedingung für die Entstehung (oder wesentliche Verschlimmerung) der Krankheit sind also nicht alle Bedingungen zu berücksichtigen, sondern nur jene, die nach den im jeweiligen Entscheidungszeitpunkt anerkannten wissenschaftlichen Erfahrungssätzen notwendige oder hinreichende Bedingungen für den Eintritt einer Krankheit dieser Art sind. Welche Ursache im Einzelfall rechtlich wesentlich ist und welche nicht, muss nach der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs wertend entschieden werden (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 f mwN; BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 18/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 31 RdNr 12).

33

Auch für die Arbeitsstoffe der hier in Betracht kommenden BKen Nr 1103, 2402, 4109, deren Bezeichnung keine Dosis enthält, ist daher zuerst festzustellen, ob die durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursachte konkret festgestellte Einwirkung des Stoffes auf den Versicherten nach den derzeit in der Wissenschaft anerkannten Erfahrungssätzen ihrer Art nach eine notwendige (oder hinreichende) Bedingung (unter Umständen neben anderen notwendigen oder hinreichenden Bedingungen) für die Entstehung einer Krankheit der beim Versicherten festgestellten Art ist. Nur dann ist im konkreten Einzelfall die Krankheit des Versicherten tatsächlich Folge (ggf auch) der durch die versicherte Tätigkeit verursachten Einwirkung. Mithin ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Stoff des jeweiligen BK-Tatbestands nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass das Entstehen der Erkrankung entfiele.

34

Ist ein Listenstoff in diesem Sinne ursächlich geworden, ist weiter zu prüfen, ob er eine wesentliche (Teil-)Ursache für den Eintritt der Erkrankung gesetzt hat. Denn die Theorie der wesentlichen Bedingung verlangt bei der Prüfung, ob eine Einwirkung einen wesentlichen Kausalbeitrag gesetzt hat, nicht abstrakt eine mindestens gleichwertige Bedeutung für den Erfolg. Vielmehr lässt sie es zu, ihre "Wesentlichkeit" für die festgestellte Erkrankung auch bei einem naturphilosophisch notwendigen Zusammenwirken mehrerer in der Anlage zur BKV bezeichneter schädigender Einwirkungen zu bejahen. Dem Zusammenwirken einzelner Mitbedingungen in einer Gruppe, die als Kollektiv für einen Erfolg wesentlich ist, kann so viel Eigenbedeutung zukommen, dass auch dem einzelnen Listenstoff des Einwirkungsgemischs wesentliche Bedeutung für den Erfolg im Sinne eines BK-Tatbestands zukommt (vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 38, 21; Becker in MedSach 2005).

35

Falls die Krankheit des Versicherten nach wissenschaftlichen Erfahrungssätzen allein deshalb entstanden ist (Tatsachenfrage), weil mehrere in verschiedenen Tatbeständen der BKV genannte Stoffe nebeneinander als notwendige (oder hinreichende) Bedingungen infolge der Verrichtung einer versicherten Tätigkeit eingewirkt haben, kommt es für jeden einschlägigen BK-Tatbestand darauf an, ob die in ihm genannte und konkret festgestellte (Tatsachenfrage) Stoffeinwirkung im Einzelfall im oben genannten Sinn rechtlich "wesentlich" war.

36

Das LSG hat diesen Zusammenhang erkannt und unter Berufung auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12.1.2010 (aaO) geprüft, ob bei dem Versicherten die BK Nr 1103 (Chrom) vorliegt. Im Ansatz richtig ist es davon ausgegangen, dass aufgrund des Zusammenwirkens von Stoffen keine außergesetzliche, neue Gesamt-BK gebildet werden kann. Vielmehr ist jeweils stoffbezogen zu prüfen, ob nicht die Einwirkungen nach jeder der in Betracht kommenden BKen eine rechtlich wesentliche Teilursache für die Lungenerkrankung bilden.

37

Das LSG hat auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung eine naturwissenschaftlich-philosophisch vorliegende Verursachungsbeziehung (ua) zwischen dem Lungenkrebs des Versicherten und den Noxen Chrom, Nickel und Thorium bejaht, ohne geklärt zu haben, welche Stoffeinwirkungen nach den wissenschaftlich anerkannten Erfahrungssätzen notwendige oder hinreichende Bedingungen der Krankheit des Versicherten waren. Es wendet sich sodann ausschließlich der Prüfung der BK Nr 1103 zu, weil Chrom die "führende Schweißrauchkomponente" gewesen sei. Sodann wird geprüft, ob eine BK Nr 1103 bei "synkanzerogener Mitbeteiligung der übrigen Lungenschadstoffe" festzustellen sei (Urteil S 27). In der Folge wird unter Anwendung der sog Wichmann'schen Formel versucht, den relativen Beitrag der einzelnen Noxen additiv zu ermitteln, um bei Vorliegen einer VW von 0,50 (aller Noxen zusammengenommen) dann ein Vorliegen der BK Nr 1103 (Chrom) in Erwägung zu ziehen.

38

Das LSG hat dabei verkannt, dass das von ihm mehrfach zustimmend zitierte Urteil des LSG Schleswig-Holstein (13.9.2007 - L 1 U 44/03 - Breithaupt 2008, 308) Gegenstand des Revisionsverfahrens B 2 U 5/08 R (Urteil vom 12.1.2010 - aaO) gewesen und von seinem rechtlichen Ansatz her vom BSG für nicht vertretbar erachtet worden ist. Das LSG Schleswig-Holstein hatte die sog Wichmann'sche Formel dazu benutzt, eine (neue) Gesamt-BK bestehend aus den Nr 1103, 4109 und 2402 der BKV zu bilden, die es deshalb für begründbar gehalten hat, weil alle Noxen additiv zusammengenommen die VW von 50 vH überschritten hätten (LSG Schleswig-Holstein, aaO, RdNr 50 ff).

39

Das LSG übernimmt nun für den vorliegenden Fall diesen Berechnungsansatz, um eine "führende" Einzel-BK (hier Nr 1103) für den Fall bejahen zu können, dass zu diesem "führenden" Schadstoff additiv weitere Stoffe hinzukämen, mit denen die VW insgesamt (durch alle einwirkenden Stoffe in additiver Gesamtschau) überschritten werde. Mit einem solchen Vorgehen wird aber in keiner Weise plausibel (aufgrund wissenschaftlicher Erfahrungssätze), wieso zunächst gerade Chrom eine notwendige oder hier sogar hinreichende wesentliche (Teil-)Ursache für den Lungenkrebs des Versicherten gesetzt haben soll und folglich ausschließlich die BK Nr 1103 in Betracht käme. Das LSG hat - ohne nachvollziehbare Begründung - Chrom als "Leitstoff" (wieso nicht Thorium oder Nickel?) gesetzt und ist sodann davon ausgegangen, die BK Nr 1103 bejahen zu können, wenn Chrom in Kombination mit allen anderen Stoffen insgesamt nach der Wichmann'schen Formel zu einer VW von über 50 vH führt. Nach dem Inhalt dieser Formel wäre aber allenfalls belegbar, dass die Summe der in die Formel eingestellten Noxen zu einer Erkrankung geführt haben könnte. Insbesondere hat das LSG nicht mitgeteilt, welcher in der Wissenschaft anerkannte Erfahrungssatz durch die Wichmann'sche Formel ausgedrückt wird. Ohne diese Feststellung der in seiner Folgerung zugrunde gelegten generellen Tatsache kann das Revisionsgericht nicht erkennen, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff der "wesentlichen Teilverursachung" zutreffend ausgelegt hat. Die Frage, welche(r) der drei in BK Nr 1103, 2402 und 4109 genannte(n) Schadstoff(e) (teil-)wesentlich die Erkrankung verursacht haben könnte(n), lässt sich aber mit der Wichmann'schen Formel gerade nicht beantworten.

40

Falls die weiteren Ermittlungen des LSG ergeben, dass alle in Betracht kommenden Noxen naturwissenschaftlich-philosophisch kausal für die Erkrankung waren, so wird es folglich weiter zu prüfen haben, ob die Einwirkungen nach den genannten BKen Nr 1103, 2402, 4109 - jede für sich und nicht alle zusammen im Sinne der Wichmann'schen Formel als Gesamt-BK betrachtet - eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt der Lungenerkrankung waren. Ist auch dies zu bejahen, ist entweder ein Versicherungsfall nach BK Nr 1103 oder BK Nr 2402 oder BK Nr 4109 oder aber mehrere Versicherungsfälle dieser Listen-BKen nebeneinander (nicht kumulativ) gegeben (vgl BSG vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - aaO, RdNr 39). Schließlich ist zu prüfen, ob der Tod des Versicherten infolge dieses Versicherungsfalls oder eines dieser Versicherungsfälle eingetreten ist.

41

Das LSG wird sodann bei Berücksichtigung dieser rechtlichen Maßstäbe auch den Verursachungsbeitrag des Rauchens des Versicherten zu bestimmen haben. Mit dem vom LSG bindend festgestellten Rauchen des Versicherten über einen Zeitraum von 29,25 Packungsjahren ist zunächst mehr als ein Anhaltspunkt für eine andere Verursachung für die Lungenkrebserkrankung des Versicherten gegeben (BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 26). Allerdings ist noch zu beurteilen, ob das Rauchen des Versicherten in wertender Betrachtung die rechtlich "allein wesentliche" Ursache der Erkrankung war. Dies wird insbesondere anzunehmen sein, wenn der Verursachungsbeitrag der Einwirkung Rauchen gegenüber den Verursachungsbeiträgen der anderen Noxen deutlich überwiegt. Bergen aber nach den festzustellenden wissenschaftlichen Erkenntnissen die beruflichen Einwirkungen für sich allein ein so hohes Gefährdungspotential, dass sich darauf eine hinreichende VW stützen lässt, so kann es auf das Vorhandensein weiterer belastender Einwirkungen nicht ankommen (BSG aaO, RdNr 27).

42

Das LSG wird auch abschließend über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden haben.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung der Berufskrankheit "Druckschädigung der Nerven" nach der Nummer 2106 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 2106).

2

Der 1952 geborene Kläger war seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof erwerbstätig. 1985 übernahm er dieses Unternehmen und führte es bis 2004. Im Jahre 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit 1997 an Beschwerden im Bereich des Halses und der linken Schulter mit Ausstrahlung in den linken Arm und Brustkorb leide, was er auf seine berufliche Tätigkeit zurückführe. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK 2106 ab (Bescheid vom 7.10.2003, Widerspruchsbescheid vom 1.2.2005).

3

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 5.5.2010 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, das Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) ab 10.11.2005 als BK 2106 anzuerkennen und den Kläger mit einer Verletztenrente nach einer MdE von 25 vH zu entschädigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG durch Urteil vom 27.3.2014 den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben sowie die Klage ab- und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Beim Kläger lasse sich das Vorliegen einer BK 2106 nicht feststellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der ersten Instanz sei zwar davon auszugehen, dass beim Kläger ein TOS vorliege. Zweifelhaft erscheine hingegen, ob der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2106 erfülle. Letztlich könnten diese Zweifel jedoch dahinstehen, weil das beim Kläger festgestellte TOS nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch seine Tätigkeit als Obstbauer und insbesondere nicht durch das Tragen einer Pflückschürze bei der Apfelernte verursacht worden sei. Es spreche insbesondere gegen den ursächlichen Zusammenhang, dass das TOS nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. kein Störungsbild sei, bei dem die Nervenfasern durch direkte Einwirkung von außen geschädigt werden, sondern es sich vielmehr um ein Engpasssyndrom handele. Die Besonderheit des TOS liege darin, dass die Reibung nicht durch Druck von außen, sondern durch die körpereigenen Strukturen selbst verursacht werde, während die unter die BK 2106 fallenden Krankheitsbilder typischerweise durch eine Bedrückung des Nerven in Gelenknähe bedingt durch die unphysiologische Beanspruchung des Gelenks geprägt seien. Die anders lautende Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. überzeuge nicht, weil dieser selbst dargelegt habe, dass es in der medizinischen Wissenschaft kaum Literatur zur Beurteilung exogener Einflüsse auf die Verursachung eines TOS gebe. Dies erlaube zwar nicht den Umkehrschluss, dass die Entstehung eines TOS durch äußere Belastung nicht möglich sei. Für die Anerkennung einer BK 2106 genüge die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrundezulegen. Wenn sich nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Amtsermittlung ein solcher von der Mehrheit der Fachwissenschaftler anerkannter neuester Erfahrungsstand nicht feststellen lasse, komme grundsätzlich eine Entscheidung nach Beweislast in Betracht. Der Kläger trage hier die Beweislast für die berufliche Verursachung seiner Erkrankung. Dass das Merkblatt zur BK 2106 auch das Krankheitsbild des TOS als durch arbeitsbedingte Belastungen verursachte Druckschädigung der Nerven nenne, führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Den Merkblättern komme nur die Bedeutung einer Informationsquelle für die Praxis zu, ohne dass sie rechtliche Verbindlichkeit hätten. Schließlich spreche gegen eine Verursachung des beim Kläger vorliegenden TOS durch seine frühere Tätigkeit als Obstbauer, dass nach den Angaben der Beklagten in den Jahren 2002 bis 2008 zwar sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK 2106 der DGUV gemeldet worden seien, sich hierunter jedoch kein Angehöriger der Berufsgruppe des Klägers befunden habe. Bei gleichartigen Arbeitsmethoden sei hinsichtlich des Einsatzes von Pflückschürzen statistisch mit dem Auftreten weiterer TOS-Erkrankungen zu rechnen gewesen.

4

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 2106. Das LSG habe sein Urteil im Wesentlichen auf das in erster Instanz eingeholte Gutachten des Dr. F. gestützt, nach dem das Vorliegen der BK 2106 einen Druck von außen voraussetze. Damit habe das LSG zu Unrecht die Formulierung "Druckschädigung der Nerven" ausschließlich einer Druckeinwirkung von außen gleichgestellt. Tatsächlich habe der Verordnungsgeber Nervenschädigungen sowohl durch Druck von außen als auch von innen berücksichtigen wollen, wie der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenrates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Sektion Berufskrankheiten vom 1.8.2001 zu entnehmen sei. Unter Ziffer 3 dieser wissenschaftlichen Begründung werde das TOS ausdrücklich als typisches Krankheitsbild der BK 2106 genannt. Soweit es sich auf die Stellungnahme des Dr. S. stütze, der das Vorliegen eines TOS verneint habe, habe das LSG nicht ohne Verstoß gegen die Denkgesetze einerseits das Vorliegen eines TOS annehmen, andererseits aber deren Ablehnung als BK mit der Auffassung des Dr. S. begründen können. Auch der Verweis auf die Statistiken der DGUV habe angesichts der Vielzahl an Berufsgruppen, bei denen das Vorliegen eines beruflich bedingten TOS in Betracht komme, keinerlei Aussagekraft.

5

Der Kläger beantragt,

1.    

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2.    

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 5. Mai 2010 zu ändern und ihm Verletztenrente in Höhe von mehr als 25 vH zu bewilligen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Zutreffend sei das LSG davon ausgegangen, dass ein TOS in der Ausprägung des Syndroms der kosto-klavikulären Enge nicht zu den von der BK 2106 erfassten Krankheiten zähle, weil dieses nicht durch Druck von außen, sondern durch körpereigene Strukturen verursacht werde. Im Übrigen komme weder der wissenschaftlichen Begründung noch den Merkblättern rechtliche Verbindlichkeit zu.

Entscheidungsgründe

8

Die statthafte und zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus. Weder lässt sich danach beurteilen, welchen versicherten Einwirkungen iS der BK 2106 der Kläger im Einzelnen unterlegen ist noch ob diese nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft geeignet waren, das beim Kläger bestehende (aber noch näher zu spezifizierende) TOS zu verursachen, das ebenfalls in seiner konkreten Ausprägung nicht festgestellt ist.

9

Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen in dem Bescheid vom 7.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.2.2005, verbunden mit der auf Feststellung einer BK gerichteten Klage und der auf Verurteilung zu der abgelehnten Rentenzahlung gerichteten unechten Leistungsklage zulässig (BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 14).

10

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der BK ist § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 2106. BK 2106 (in der mit Wirkung vom 1.10.2002 geltenden Fassung vom 5.9.2002 ) lautet: "Druckschädigungen der Nerven". Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität ) und diese Einwirkungen eine Krankheit (dazu unter B) verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität ). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (zuletzt Urteile des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 10, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 11 sowie B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 10; s auch BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 12; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 14). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).

11

A. Nach den bindenden Feststellungen des LSG arbeitete der Kläger neben seiner Beschäftigung als Schriftsetzer und medizinisch-technischer Assistent seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof, den er zum 1.10.1985 übernahm und bis 2004 führte. Er war daher bei dieser Tätigkeit "Versicherter" iS von zunächst § 2 Abs 1 Nr 5b SGB VII und sodann § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII.

12

Den Feststellungen des LSG lässt sich noch hinreichend entnehmen, dass der Kläger während seiner versicherten Tätigkeit der durch das Tatbestandsmerkmal "Druckschädigung ..." in der BK 2106 vorausgesetzten Einwirkung "Druck" in Form des Tragens einer mit bis zu 20 kg Äpfel gefüllten Pflückschürze während 8 bis 10 Wochen im Jahr unterlag. Der Tatbestand der BK 2106 enthält darüber hinaus keine normativen Vorgaben in Form einer Dosis oder Mindestdauer der erforderlichen Einwirkung.

13

B. Beim Kläger besteht auch nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) eine Schädigung der Nerven als vom Verordnungstext vorausgesetzte Erkrankung in Form eines TOS, wenngleich das LSG die konkrete Variante dieses Symptoms nicht festgestellt hat (hierzu noch unter C).

14

Bei der BK 2106 handelt es sich um eine sog offene BK-Bezeichnung (vgl Spellbrink, BPUVZ 2012, 360, 362; ders SozSich 2013, 431 f; Bieresborn, NZS 2008, 354, 359), bei der die erforderliche Erkrankung nicht präzise umschrieben, sondern nur eine Krankheitsgruppe, nämlich "Druckschädigungen der Nerven", genannt wird. Anerkennungsfähig sind mithin hier alle Krankheiten dieser Gruppe, die durch die betreffende Einwirkung potentiell verursacht werden können. Um ein bestimmtes Krankheitsbild aus dem Schutzbereich dieser BK ausschließen zu können, muss demgegenüber feststehen, dass entweder diese Krankheit nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst sein sollte oder durch die jeweilige Einwirkung nicht verursacht werden kann. Ein solcher Ausschluss kann sich nur aus den Verordnungsmaterialien oder der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen ergeben (vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky/Heinz, SGB VII, § 9 RdNr 149 f).Dabei genügt es nicht, diejenigen Erkenntnisse zugrundezulegen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme der Krankheit in die BK-Liste bewogen haben, sondern es sind die fortschreitenden Erkenntnisse der Wissenschaft hinsichtlich der Wirkungsweise der genannten Einwirkung zur Bestimmung des Schutzbereichs zugrundezulegen (s BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 240 Nr 1, RdNr 15, zum Kehlkopfkarzinom nach ionisierenden Strahlen).

15

Beim TOS, das auch als neurovaskuläres oder Schultergürtel-Kompressionssyndrom bezeichnet wird, handelt es sich laut ICD-10, G54.1 um eine durch äußeren oder inneren Druck bewirkte Läsion des Plexus brachialis. Dass dieses Erkrankungsbild nach dem Willen des VO-Gebers nicht vom Schutzbereich der BK 2106 erfasst sein soll, lässt sich weder den Verordnungsmaterialien noch der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen entnehmen. So wird das TOS sowohl in der wissenschaftlichen Begründung (Wissenschaftliche Begründung zur BK Nr 2106: Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001, S 59-63; 1.3.2.1.) als auch im Merkblatt (Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S 62) ausdrücklich unter der Rubrik "Nervenschaden an der oberen Extremität" als "Armplexusschaden im Wurzelbereich (C4) C5-Th1" in Form einer "Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken, der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids" aufgelistet. Dies zeigt, dass bei Einführung der BK 2106 mit dem jetzigen Wortlaut der für die wissenschaftliche Begründung von BKen maßgebliche Ärztliche Sachverständigenbeirat - Sektion "Berufskrankheiten" - beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung davon ausging, dass dieses Krankheitsbild vom Schutzbereich der BK 2106 umfasst sein sollte.

16

Zutreffend hat das LSG zwar darauf hingewiesen, dass diese Merkblätter weder verbindliche Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzungen der BK noch antizipierte Sachverständigengutachten oder eine Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft sind (BSG vom 11.8.1998 - B 2 U 261/97 B - HVBG-Info 1999, 1373). Sie sind jedoch als Interpretationshilfe und zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 6/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 5 RdNr 15; BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 2402 Nr 1, RdNr 17 mwN; BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 85 = NZS 2001, 605, 606; s auch BSG vom 22.8.2000 - B 2 U 34/99 R - SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2).

17

Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, nach denen ein TOS nicht durch Druckbelastung verursacht werden kann und dementsprechend als anerkennungsfähiges Krankheitsbild aus dem Schutzbereich der BK 2106 ausscheidet, wurden dem Senat weder vorgetragen noch sind sie gerichtsbekannt. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen BKen-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands auch revisionsrechtlich überprüfbar (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 33; dort auch mit Nachweisen zur älteren Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung anderer Senate des BSG). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22; BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291, 295 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20).

18

Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, dass einzelne Gegenstimmen nicht geeignet sind, einen einmal gebildeten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die Mehrheit der Fachwissenschaftler den Erkenntnisstand aufkündigt. Diese Ausführungen bezogen sich zwar auf einen durch schriftliche Konsensempfehlungen konkretisierten wissenschaftlichen Erkenntnisstand (s jeweils zur BK 2108 BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 sowie BSG vom 25.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22), sie gelten aber auch bei anderen BKen für die in der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, in Merkblättern und in der einschlägigen Fachliteratur geäußerten wissenschaftlichen Meinungen. Aus diesen Quellen folgt, dass ein TOS zumindest in den dort genannten Varianten des Krankheitsbildes durch äußeren Druck verursacht werden kann. Die einzige Quelle dafür, dass der dort zum Ausdruck kommende wissenschaftliche Erkenntnisstand veraltet sein könnte und daher nicht zugrunde gelegt werden dürfte, scheint das Gutachten des Dr. F. zu sein. Dieser behauptet ohne kritische Auseinandersetzung mit dem Inhalt der oben aufgeführten anderslautenden wissenschaftlichen Begründung, ein TOS könne ausschließlich durch innere Reibung ohne äußeren Druck verursacht werden. Dieser Aussage ist dann aber letztlich auch das LSG nicht gefolgt, weil es selbst die Verursachung eines TOS durch äußere Belastungen zumindest für möglich hält. Eine Änderung des in der wissenschaftlichen Begründung sowie in dem Merkblatt manifestierten Erkenntnisstands konnte das LSG schließlich auch nicht aus der Aussage des Sachverständigen Dr. K. ableiten, dass kaum Literatur zur Verursachung des TOS durch äußere Druckeinwirkung existiere.

19

C. Der Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen aber nicht entscheiden, ob das LSG zu Recht den Ursachenzusammenhang zwischen den gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem festgestellten TOS verneint hat. Für die Anerkennung einer BK im konkreten Einzelfall ist neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die streitige BK 2106 bedeutet dies, dass das beim Kläger festgestellte TOS durch die im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit erfolgte Einwirkung von Druck verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im BKen-Recht, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris RdNr 32; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B 2 U 26/04 R - juris RdNr 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils die Versicherung begründenden Norm zu beurteilen (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - ; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

20

Vorliegend kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden, ob im Fall des Klägers die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine positive Kausalitätsbeurteilung vorliegen, die das LSG - aus seiner Sicht konsequent - hat dahinstehen lassen (dazu unter 1.), sowie ob das LSG zu Recht die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen verneint hat (dazu unter 2.).

21

1. Der Senat kann anhand der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die (weiteren) arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Anerkennung des TOS als BK 2106 gegeben sind. Bei den arbeitstechnischen Voraussetzungen handelt es sich um ein Element der Anspruchsprüfung einer BK, das zwei miteinander in Zusammenhang stehende Aspekte umfasst: das Vorhandensein der hier gegebenen (s oben A.) tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen und die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 13; vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann , Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 179, 193). Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen. Dem Urteil des LSG ist lediglich zu entnehmen, dass der Kläger im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit 8 bis 10 Wochen pro Jahr Kernobst mittels einer ca 20 kg Obst fassenden Pflückschürze geerntet hat.

22

Das Urteil des LSG enthält jedoch keine Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers die Druckeinwirkung erfolgte, insbesondere ob sich diese in Nähe des unteren Plexus brachialis befindet, den das LSG offenbar als geschädigt ansieht. Ohne diesbezügliche exakte Feststellung des oder der schädigenden Ereignisse und der naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhänge hinsichtlich der geltend gemachten Gesundheitsstörung kann eine zuverlässige Ursachenbeurteilung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und in Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache nicht erfolgen, weil die Ereignisse und Ursachen nicht zueinander in Verhältnis gesetzt und nicht in die Krankheitsgeschichte des Verletzten eingeordnet werden können (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 30).

23

Dies gilt umso mehr, als nach der einschlägigen arbeitsmedizinischen Literatur für das Vorliegen einer BK 2106 eine eindeutige Beziehung zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund kennzeichnend ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 232). Erst wenn diesbezügliche Feststellungen nachgeholt wurden, kann entschieden werden, ob eine Dauer dieser belastenden Tätigkeit von 8 bis 10 Wochen im Jahr bei ebenfalls noch festzustellender Tagesdauer geeignet war, das beim Kläger bestehende Krankheitsbild zu verursachen. Hierbei wird das LSG zu beachten haben, dass weder der Verordnungstext, noch die wissenschaftliche Begründung zur Abänderung des VO-Textes der BK 2106 (Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001, S 59-63; 1.3.2.1.), das hierzu zuletzt veröffentlichte Merkblatt (Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S 62) oder die aktuelle Fachliteratur zur BK 2106 Angaben in Hinblick auf Höhe und Intensität (Dosis) der Einwirkung enthalten.

24

Das LSG wird aber auch Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob bei dem Kläger - abgesehen vom Tragen der Obstschürze - weitere beruflich veranlasste Bewegungsabläufe vorlagen, die geeignet waren, ein TOS zu verursachen.Sowohl in der wissenschaftlichen Begründung, als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) werden neben "Lastendruck auf der Schulter" auch "repetitive Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk" sowie "Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm"als bekannte arbeitsbedingte Gelenkbelastungen aufgelistet, die bei Pflücktätigkeiten eines Obstbauern zumindest nicht gänzlich fernliegend erscheinen.

25

Auf das Vorhandensein einer in Höhe und Intensität geeigneten Druckeinwirkung lässt sich hingegen nicht alleine aufgrund des bindend festgestellten Krankheitsbildes des TOS schließen, weil dieses wiederum nicht zwingend durch eine äußere Druckeinwirkung verursacht wird. Vielmehr ergibt sich aus weiteren, dem jeweiligen Rechtsanwender zugänglichen Quellen, dass das TOS durchaus aufgrund innerer Ursachen wie anatomischer Varianten oder sonstiger Dispositionen entstehen kann (Sadeghi-Azandaryani, Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 234).

26

2. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen des LSG ebenso wenig entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Bejahung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem beim Kläger festgestellten TOS, dessen Vorliegen das Berufungsgericht als nicht hinreichend wahrscheinlich abgelehnt hat, gegeben sind (dazu unter a). Ferner wird das LSG ggf bei einer erneuten Beweiswürdigung die Anwendbarkeit des § 9 Abs 3 SGB VII zu erwägen haben(dazu unter b).

27

a) Die sogenannten arbeitsmedizinischen Voraussetzungen betreffen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit (was hier gegeben ist, s oben B.), zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 18).

28

Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der revisionsrechtlichen Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte (vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, § 163 RdNr 9). Eine solche bindende Wirkung besteht jedoch dann nicht, wenn das LSG von einem offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen ist oder bestehende Erfahrungssätze nicht angewandt hat (vgl BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, sowie BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 418) oder eine solche fehlerhafte Anwendung zulässig gerügt wird (vgl hierzu BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20). Die heranzuziehenden Quellen-, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin - ggf durch Sachverständige - zu überprüfen (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 18; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 69; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN).

29

Das LSG hat hierbei die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Bei seiner Entscheidungsfindung, ob im Falle des Klägers die Verursachung des TOS durch die durch das Tragen der Obstschürze entstandene Druckbelastung hinreichend wahrscheinlich ist, durfte es nicht davon ausgehen, dass das Merkblatt zur BK 2106 nicht mehr den tatsächlichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergebe und mangels vorhandener weiterer Literatur kein aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand zur Verursachung des TOS durch exogene Einflüsse existiere. Soweit das LSG deshalb nach Beweislastgrundsätzen entschieden hat, verkürzt es in unzulässiger Weise die zu diesem Themenkomplex anzuwendenden medizinischen Erfahrungssätze. Wie oben ausgeführt, werden sowohl in der wissenschaftlichen Begründung zur Abänderung des VO-Textes der BK 2106 als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) jeweils "Lastendruck auf der Schulter" neben "repetitiven Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk, Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm, Spielen von Streichinstrumenten und damit Gelenkbelastungen" als bekannte arbeitsbedingte Belastungen im Zusammenhang mit typischen morphologischen Schädigungsmöglichkeiten genannt.

30

Soweit das LSG nach den Grundsätzen der sog objektiven Beweislast entschieden hat, vermischt es zudem in unzulässiger Weise die Frage, ob ein konkretes Sachverständigengutachten als verwertbares Beweismittel die Kausalität im Einzelfall stützt mit der Frage, ob bei sich widersprechenden Gutachten mangels aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands letztlich nicht entschieden werden kann, welchem der Gutachten zu folgen ist. Die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast) greifen erst ein, wenn der Tatrichter keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann ("non liquet") (vgl zB BSG vom 26.11.1992 - 7 RAr 38/92 - BSGE 71, 256 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, RdNr 23). Im sozialgerichtlichen Verfahren stellt sich die Frage der Beweislastverteilung daher erst, wenn es dem Tatrichter trotz Erfüllung seiner insbesondere durch § 103 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise nicht gelungen ist, eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit zu beseitigen(stRspr, BSG vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R - juris RdNr 20; Urteil vom 8.9.2010 - B 11 AL 4/09 R - juris RdNr 17; BSG vom 24.5.2006 - B 11a AL 7/05 R - BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4, RdNr 32). Dies gilt auch, wenn der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand im Streit steht, dessen fehlende Existenz mit der Folge einer Beweislastentscheidung erst nach entsprechenden Anstrengungen und der Sichtung staatlicher Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände, wissenschaftlicher Literatur etc festgestellt werden darf (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 61).

31

Das LSG führt zwar zutreffend aus, dass die Kausalitätsfeststellung nicht alleine auf das Vorliegen einer geeigneten Einwirkung und eines klinisch definierten Krankheitsbildes gestützt werden kann, weil angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler BKen es keinen Automatismus der Bejahung des Ursachenzusammenhangs allein aufgrund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer bestimmten Erkrankung gibt (s BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19 sowie BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 23). Es existiert keine zwingende Regel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen regelmäßig zu einer Anerkennung der BK führen würde (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R - juris RdNr 22; s zur Unfallkausalität beim Arbeitsunfall BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 52). Andererseits ist es grundsätzlich denkbar, dass bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung dieser alleine für die Bejahung der Kausalität genügt, wenn keine Anhaltspunkte für eine alternative (innere oder äußere) Ursache für die Erkrankung bestehen (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; vgl zu typischen Geschehensabläufen beim Arbeitsunfall BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 43 RdNr 30; s auch bereits BSG vom 21.11.1958 - 5 RKn 33/57 - BSGE 8, 245, 247; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 128 RdNr 9 ff; s zum zulässigen Schluss von einer berufsbedingt erhöhten Ansteckungsgefahr auf eine berufliche Ursache der aufgetretenen Infektionskrankheit, wenn neben der Gefährdung durch die versicherte Tätigkeit keine anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Infektionsrisiken bestanden haben BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 19/05 R - juris RdNr 16; vgl zur Verursachung von Meniskusschäden bei Bergleuten BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Daher ist es weder dem Gutachter noch dem erkennenden Gericht verwehrt, im Einzelfall anhand der Gesamtumstände bei Vorliegen einer für die Schadensverursachung geeigneten Einwirkung sowie einem belastungskonformen Schadensbild bei fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative äußere oder innere Verursachung die naturwissenschaftliche Kausalität zu bejahen.

32

Daher wird das LSG nicht nur Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers Druck auf den Kläger eingewirkt hat und ob dieser Druck in Höhe und Intensität zur Verursachung des TOS ausreichte, nachzuholen haben, sondern auch dazu, ob im Falle des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass das bei ihm diagnostizierte TOS auch ohne Druckbelastung von außen zB alleine durch innere schicksalhafte oder degenerative Ursachen entstanden ist (vgl BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Hierzu wird das LSG auch festzustellen haben, welche Variante des TOS beim Kläger besteht und insbesondere an welcher Stelle der Plexus brachialis geschädigt ist. Bereits aus der wissenschaftlichen Begründung und dem Merkblatt ergibt sich - wie bereits ausgeführt -, dass ein durch Druckeinwirkung verursachbares TOS in verschiedenen Varianten bekannt ist, nämlich in Form einer Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken, der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids. Aus der einschlägigen Fachliteratur ergeben sich darüber hinaus weitere Differenzierungen wie das Scalenus-anterior-Syndrom, wenn der Musculus scalenus anterior betroffen ist, sowie das Hyperabduktionssyndrom oder Pectoralis-minor-Syndrom, wenn das Gefäßnervenbündel im Korakopektoralraum betroffen ist. Schließlich ist das Thoracic-inlet-Syndrom als Sonderform des TOS bekannt, das durch die Kompression der Vena subclavia und dadurch entstehende venöse Abflussstörungen verursacht wird (s zum Vorstehenden Sadeghi-Azandaryani, Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f).

33

Erst nach Feststellung der genauen Variante des beim Kläger bestehenden TOS und des Ortes der Druckeinwirkungen lassen sich Aussagen zum Pathomechanismus und damit dazu, ob die Druckeinwirkung überhaupt Wirkursache für das konkrete Erkrankungsbild war, treffen. In diesem Zusammenhang wird das LSG unter Umständen auch den zeitlichen Verlauf der Erkrankung im Verhältnis zum Einwirkungszeitraum zu würdigen haben. Da es selbst vom Vorliegen des Krankheitsbildes TOS ausgeht, wird es nicht den Beweiswert etwaiger positiver Gutachten mit dem Hinweis auf die Stellungnahme von Dr. S. negieren können, der offenkundig das Bestehen des TOS verneint. Auch wird das LSG dem Umstand, dass 2002 bis 2008 nur sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK 2106 gemeldet worden sind, worunter sich kein Angehöriger der Berufsgruppe des Klägers befunden hat, keine den Kausalitätsnachweis ausschließende Wirkung beimessen können, weil entscheidend alleine die konkrete Belastung und das Erkrankungsbild sind (vgl aber zu erforderlichen, auf eine bestimmte Berufsgruppe bezogene Erkenntnisse zur Bejahung einer Wie BK nach § 9 Abs 2 SGB VII: BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 6/12 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 22 RdNr 17 ff).

34

b) Wäre die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer allein wesentlichen außerberuflichen wie zB einer inneren Verursachung zu verneinen, käme durchaus der Schluss in Betracht, dass eine vorhandene geeignete berufliche Einwirkung - die vom LSG offengelassen wurde - auch ein geeignetes Krankheitsbild verursacht hat. In diesem Zusammenhang wird das LSG auch zu erwägen haben, ob die in § 9 Abs 3 SGB VII vorgegebenen normativen Voraussetzungen in Form des Bestehens einer erhöhten Gefahr der Erkrankung aufgrund besonderer Bedingungen der versicherten Tätigkeit unter Umständen aufgrund der Kumulation verschiedener gefährdender Tätigkeiten iS der BK 2106 gegeben sind.

35

Im Anschluss daran wäre ggf über die Wesentlichkeit der beruflichen Ursache zu entscheiden. Erst wenn die bei versicherten Tätigkeiten erfahrene Einwirkung als eine der Wirkursachen feststeht, kommt es auf der zweiten Stufe darauf an, dass die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks des die Unfallversicherung jeweils begründenden normativen Tatbestands zu beurteilen. Die Wesentlichkeit einer Bedingung ist eine reine (im Übrigen nicht durch den Sachverständigen beantwortbare) Rechtsfrage (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

36

Ist jedoch nicht mehr aufklärbar, ob beim Kläger die Verursachung des TOS in seiner konkreten Ausprägung durch die beruflich erworbene Exposition gegenüber Druck hinreichend wahrscheinlich ist, käme eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen hingegen durchaus in Betracht.

37

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

2

Die 1947 geborene Klägerin war seit 1986 als Beschäftigte einer Garten- und Landschaftsbau GmbH tätig, wobei sie insbesondere bei Anpflanzungsarbeiten im Autobahnbau Bäume und Solitärsträucher mit Ballen mit einem Gewicht von 20 bis 50 kg, manchmal 70 kg, bewegen musste. Im Jahre 2003 beantragte sie bei der Beklagten die Anerkennung einer BK 2108 und gab an, dass sie ihre Tätigkeit wegen Rückenbeschwerden im Sommer 2002 habe aufgeben müssen. Durch Bescheid vom 7.9.2004 stellte die Beklagte fest, dass keine BK nach Nr 2108 der BK-Liste vorliege. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2004). Durch Urteil vom 19.6.2006 hat das SG die Klage abgewiesen.

3

Das LSG hat nach Durchführung arbeitstechnischer und medizinischer Ermittlungen die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 31.1.2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin zwar im Zeitraum zwischen 1986 und 2002 einer kumulativen Belastung von 18,5 Meganewtonstunden (MNh), also mehr als dem Lebensdosisrichtwert nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) für Frauen von 17 MNh, ausgesetzt gewesen sei, weshalb die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien. Die Klägerin leide auch an einer monosegmentalen bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in Form eines Bandscheibenprolapses im Segment L5/S1. Es bestehe jedoch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass diese Erkrankung der LWS durch die Berufstätigkeit zumindest als wesentliche Teilursache hervorgerufen worden sei. Die Spondylose übersteige im Nativröntgenbild entsprechend Ziffer 1.2 A der Konsensempfehlungen (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3 S 211, 214 ff) nicht das alterstypische Maß. Daneben liege eine beginnende Chondrose der HWS geringer als an der LWS vor. Damit sei die Konstellation B3 der Konsensempfehlungen gegeben, weil ein monosegmentaler Befund ohne Begleitspondylose vorliege, keine konkurrierenden Ursachenfaktoren ersichtlich seien und keines der in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien erfüllt sei. Für ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen iS der B2-Konstellation ergäben sich aus den Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte. Bei der Klägerin liege auch das weitere Zusatzkriterium der B2-Konstellation der besonders intensiven Belastung mit Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren nicht vor. Unter Zugrundelegung ihrer eigenen Angaben sei eine Belastung iHv maximal 8,42 MNh in einem Zeitraum von zehn Jahren, dh iHv 49,53 % des nach dem MDD angenommenen Richtwertes für die Lebensdosis bei Frauen, nachgewiesen. Die B2-Konstellation sei vom Wortlaut her eindeutig und lasse es nicht zu, einen halbierten Bezugswert statt den in den Konsensempfehlungen bezeichneten Bezugswert von 17 MNh für Frauen zugrunde zu legen. Dass sich ein Konsens dahingehend gebildet hätte, bei monosegmentalen Schadensbildern von Zusatzkriterien abzusehen, sei nicht ersichtlich. Nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft spreche bei der Konstellation B3 deutlich mehr gegen als für einen Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung der Wirbelsäule.

4

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV. Die Auffassung des LSG, bei der Konstellation B3 des sog Konsensmodells spreche nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft mehr gegen als für einen Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung der Wirbelsäule, sei rechtsfehlerhaft. Aus dem Konsensmodell ließen sich für die Konstellation B3 gerade keine Schlussfolgerungen ableiten. Es treffe nicht zu, dass bei einer Reduzierung der Anforderungen an eine besonders intensive Belastung auf die Hälfte des Dosiswertes das Konsensmodell seinen Sinn verliere. Das BSG habe die Dosiswerte halbiert, um den Erkenntnissen der Wirbelsäulenforschung Rechnung zu tragen. Diese habe zu dem Ergebnis geführt, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule auch bei Unterschreitung der im MDD vorgeschlagenen Orientierungswerte beruflich verursacht sein könnten. Die Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulen-Studie deuteten darauf hin, dass auch unterhalb des Orientierungswertes nach dem MDD ein erhöhtes Risiko für bandscheibenbedingte Erkrankungen bestehen könnte. Es biete sich an, die Reduzierung des Dosiswerts um die Hälfte im Sinne der Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 2007 auch hier zu übernehmen.

5

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 2013 sowie das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19. Juni 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 7. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2004 aufzuheben und festzustellen, dass bei der Klägerin seit dem 12. März 2003 eine Berufskrankheit nach der Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV besteht.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Eine Übertragung der Rechtsprechung des BSG zur Halbierung des Richtwertes für die Gesamtbelastungsdosis auf das Kriterium der Konstellation B2 der Konsensvereinbarungen würde diese insgesamt infrage stellen. Selbst bei einer Halbierung des Richtwertes für die Gesamtbelastungsdosis und einer Übertragung auf das zweitbenannte Kriterium der Konstellation B2 werde dieser Wert durch die Klägerin mit 8,42 MNh nicht erreicht. Anhaltspunkte für ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen im Sinne des drittbenannten Kriteriums seien nicht festgestellt worden. Zwar bestehe bei Vorliegen der Konstellation B3 bezüglich der Zusammenhangsbeurteilung kein Konsens, jedoch stimme das Ergebnis des LSG mit der überwiegenden Meinung der Teilnehmer der Arbeitsgruppe sowie der Rechtsprechung überein.

Entscheidungsgründe

8

Die statthafte und zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), weil die vom LSG festgestellten Tatsachen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht ausreichen. Weder lässt sich danach beurteilen, ob der isolierte Bandscheibenvorfall der Klägerin unter Zugrundelegung des neuesten Standes der medizinischen Wissenschaft ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch schweres Heben- und Tragen verursacht wurde, noch ob die erforderliche Regelmäßigkeit der Einwirkungen gegeben ist.

9

Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen verbunden mit der auf Feststellung einer BK gerichteten Feststellungsklage zulässig (BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151 ff RdNr 10).

10

Der erhobene Anspruch beurteilt sich gemäß § 212 SGB VII nach den Vorschriften des SGB VII, weil nicht ersichtlich ist, dass der Versicherungsfall bereits vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.8.1996, BGBl I 1254) eingetreten sein könnte. Rechtsgrundlage für die Anerkennung der streitigen BK ist § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623), die lautet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie dass eine Krankheit vorliegt (dazu unter A.). Des Weiteren muss die Krankheit durch die Einwirkungen verursacht worden sein (haftungsbegründende Kausalität ). Schließlich ist Anerkennungsvoraussetzung, dass der Versicherte deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeiten unterlässt. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die BK nicht anzuerkennen (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 17). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 12; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; zuletzt BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 14).

11

A.1. Die Klägerin war vom 1.8.1986 bis Sommer 2002 in einer Firma für Garten- und Landschaftsbau als Arbeitnehmerin tätig. Sie war damit als "Beschäftigte" iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert.

12

2. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) unterlag die Klägerin in diesem Zeitraum bei der Ausübung der Beschäftigung einer kumulativen Einwirkungs-Belastung in Form von Hebe- und Tragevorgängen iHv 18,5 MNh (vgl zur Feststellung der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkung in Form von Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

13

3. Diese Belastungen erfolgten - wie der Tatbestand der BK 2108 voraussetzt - auch langjährig, nämlich von 1986 bis 2002 und damit 16 Jahre. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sind (so wörtlich das aktuelle Merkblatt 2108, BArbBl 2006, Heft 10, S 30, Abschnitt IV; vgl zum Merkmal "langjährig" bei der BK 2109 BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15; s zur BK 2108 bereits BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 10; BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 22/03 R - juris RdNr 25; vgl auch: Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK Nr 2108 - 2110 RdNr 7 mwN; Ricke in Kasseler Kommentar, Stand 5/2014, § 9 SGB VII RdNr 42; Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand 12/13, M 2108 Anm 2.2.2).

14

4. Nach den weiteren Feststellungen des LSG leidet die Klägerin an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Bei ihr liegt im Segment L5/S1 ein altersuntypischer Befund in Form eines Bandscheibenprolapses vor. Darüber hinaus sind keine altersuntypischen Veränderungen auch nicht in Form einer Spondylose vorhanden. An die Feststellung dieses monosegmentalen Befundes ist der Senat mangels zulässiger Rügen gebunden (§ 163 SGG).

15

B. Der Senat kann hingegen mangels hinreichender Tatsachengrundlage nicht entscheiden, ob das LSG zu Recht den Ursachenzusammenhang zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung der Klägerin verneint hat. Für die Anerkennung einer BK ist neben der Kausalität zwischen versicherter Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die umstrittene BK 2108 bedeutet dies, dass die Lendenwirbelsäulenerkrankung der Klägerin durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Berufskrankheitenrecht, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (siehe zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris RdNr 32; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B 2 U 26/04 R - juris RdNr 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG, vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 f sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

16

Vorliegend ist das LSG in durch das Revisionsgericht nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin einer in der Höhe zur Erzeugung des Bandscheibenschadens genügenden Einwirkungsbelastung unterlag (dazu unter 1). Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat jedoch nicht entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für eine positive Kausalitätsbeurteilung gegeben sind (dazu unter 2.). Ebenso wenig kann der Senat aufgrund der Feststellungen entscheiden, ob die erforderliche Regelmäßigkeit der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit vorliegt (dazu unter 3).

17

1. Unter Zugrundelegung des bindend festgestellten Einwirkungs-Wertes iHv 18,5 MNh ist das LSG ausgehend vom MDD zutreffend davon ausgegangen, dass die versicherten Einwirkungen durch schweres Heben und Tragen, denen die Klägerin unterlag, in der Höhe ausreichten, um einen Bandscheibenschaden zu verursachen. Mit der Heranziehung des MDD zur Bestimmung der für eine Krankheitsverursachung erforderlichen Belastungsdosis folgt das LSG der Rechtsprechung des erkennenden Senats, der seit 2003 (BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 11 ff; BSG vom 19.8.2003 - B 2 U 1/02 R - USK 2003-219 RdNr 15; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 18 und zuletzt BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 25) dieses Modell als eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur ungenau und allenfalls nur richtungsweisend umschriebenen Einwirkungen angesehen hat. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis des MDD sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen (s zur Handhabung der hälftigen Orientierungswerte als Mindestbelastungswerte BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 31; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25; sowie die Urteile vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R und B 2 U 10/14 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Für Frauen legt das MDD als Gesamtbelastungsdosis 17 MNh fest, die mit den bindend festgestellten 18,5 MNh sogar überschritten werden, sodass es im hier zu entscheidenden Fall nicht darauf ankommt, ob bereits ein geringerer, ggf hälftiger Wert dieses Orientierungswertes ausreichen würde, um von einem erhöhten Erkrankungsrisiko auszugehen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen nicht mehr verzichtet werden kann (vgl für Männer BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25). Es kommt deshalb auch nicht drauf an, ob aufgrund der mittlerweile vorliegenden Ergebnisse der DWS-Richtwertestudie (DWS II; "Erweiterte Auswertung der Deutschen Wirbelsäulenstudie mit dem Ziel der Ableitung geeigneter Richtwerte", Kurztitel: "DWS-Richtwerteableitung", veröffentlicht unter http://www.dguv.de/ifa/Forschung/Projektverzeichnis/ FF-FB_0155A.jsp) eine weitere Absenkung der Orientierungswerte angezeigt ist. Der Senat weist aber in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII generelle Voraussetzung für die Einführung eines BK-Tatbestandes die gruppenspezifische Risikoerhöhung gegenüber der Gesamtbevölkerung ist, deren Annahme jedenfalls bei Werten iHv 3 MNh bedenklich erscheint(s nur Kranig, Was schadet den Bandscheiben?, DGUV Forum 2013, Nr 6 S 27, 31; vgl auch LSG Baden-Württemberg vom 25.9.2008 - L 10 U 5965/06 - Breith 2009, 307, RdNr 34 ff).

18

2. Der Senat kann allerdings nicht entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Bejahung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung der Klägerin, die das Berufungsgericht verneint hat, vorliegen, weil hierfür die Feststellungen des LSG nicht ausreichen. Während die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK zum einen das Vorhandensein der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen, zum anderen die potentielle Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung beinhalten, betreffen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit, zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann , Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 179, 193, 199). Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen kann angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 26) nicht automatisch auf das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen der BK 2108 geschlossen werden; vielmehr müssen medizinische Kriterien hinzukommen (BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19; BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2, RdNr 23; vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 7/05 R - juris RdNr 16 zur BK nach Nr 4302 der Anlage zur BKV; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R - juris RdNr 22).

19

Das Berufungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise bei der Bestimmung des maßgeblichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands sowohl die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 zugrunde gelegt (dazu unter a) als auch das festgestellte Schadensbild diesen Erkenntnissen zugeordnet, mit dem Ergebnis, dass ein belastungskonformes Schadensbild iS der Konsensempfehlungen nicht vorliegt (dazu unter b). Hingegen ist die Aussage des Berufungsgerichts, in Fällen der B3-Konstellation spreche mehr gegen als für eine Verursachung durch die spezifischen beruflichen Einwirkungen iS der BK 2108 nicht haltbar (dazu unter c). Ob bei der festgestellten Befundkonstellation ein Anspruch auf Anerkennung einer BK 2108 besteht, kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen dazu, ob nach dem neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand Umstände vorliegen, die ausnahmsweise trotz Fehlens der B2-Zusatzkriterien der Konsensempfehlungen den Verursachungszusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und LWS-Schaden stützen, nicht entscheiden, weshalb der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist (dazu unter d).

20

a) Nicht zu beanstanden ist, dass das LSG die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S 211, 216 ff, 228 ff) zugrunde gelegt hat. Diese bilden nach Überzeugung des Senats weiterhin den aktuellen Erkenntnisstand ab.Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte (vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 163 RdNr 9), jedoch sind nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen BK-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands auch revisionsrechtlich überprüfbar (grundlegend: BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 5/05 R - BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19 sowie BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 23; s auch BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23; s zur älteren Senatsrechtsprechung, wonach diesbezügliche Feststellungen dem Anwendungsbereich des § 163 SGG zugerechnet wurden: BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 83 = SozR 3-2700 § 9 Nr 4 = SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 4, juris RdNr 28; BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 15, jeweils mwN). Dies muss zunächst jedenfalls immer dann gelten, wenn diese - wie hier - zulässig gerügt werden (vgl BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris RdNr 15; s zur Problematik der Überprüfung von allgemeinen Tatsachen auf ihre offensichtliche Unrichtigkeit auch das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Inwieweit in der Rechtsprechung anderer Senate des BSG (zur Überprüfung sog "genereller Tatsachen" in der sonstigen Rechtsprechung des BSG vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 7 sowie speziell im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung BSG vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R - BSGE 84, 90, 94 = SozR 3-1500 § 163 Nr 7, juris RdNr 17 sowie BSG vom 12.8.2009 - B 3 KR 10/07 R - BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 27 und zuletzt BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 55; s zu "Rechtstatsachen" BSG vom 25.10.1994 - 3/1 RK 57/93 - SozR 3-1500 § 163 Nr 5, juris RdNr 27, zu "allgemeinkundigen Tatsachen historischer Natur" BSG vom 7.2.1985 - 9a RV 5/83 - BSGE 58, 38, 42 = SozR 3100 § 5 Nr 7, juris RdNr 17 sowie zu "gerichtskundigen Tatsachen" BSG vom 27.1.1977 - 7 RAr 16/75 - BSGE 43, 124, 127 = SozR 4100 § 41 Nr 28, juris RdNr 30) eine solche Überprüfung genereller Tatsachen erfolgt, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls im Bereich des Rechts der BKen hat das BSG aufgrund der in den Normtexten der jeweiligen BKen in der Anlage zur BKV regelmäßig vertypisierten wissenschaftlichen Aussagen die Existenz der einschlägigen Erfahrungssätze selbst festzustellen. Das über das Vorliegen von BKen befindende Gericht muss sich folglich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Die heranzuziehenden Quellen, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das jeweilige Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin ggf durch Sachverständige zu überprüfen (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 18; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 68 f; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20; Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN).

21

Hierbei ist zunächst die Zugrundelegung der Konsensempfehlungen durch das LSG als Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob der Bandscheibenschaden der Klägerin nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand durch die festgestellten beruflichen Einwirkungen verursacht wurde, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Denn die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 sind nach wie vor eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands, wie der Senat zuletzt 2009 klargestellt hat (BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris RdNr 15). Seitdem wurden zwar in Folge der Veröffentlichung der DWS II Fachaufsätze publiziert, die Zweifel an den Aussagen auch der Konsensempfehlungen äußern. Weder aus der DWS II noch den sonstigen Veröffentlichungen ist jedoch zu entnehmen, dass die Erkenntnisse der Konsensarbeitsgruppe aus dem Jahre 2005 gerade hinsichtlich der hier zugrunde gelegten Befundkonstellation inzwischen veraltet sein könnten. Sofern vertreten wird, dass inzwischen die Ergebnisse der DWS II die wesentlichen Grundannahmen aus den Konsenskriterien widerlegten, etwa weil die bisher angenommenen Einwirkungsgrößen zu hoch seien, die Lokalisation und Häufigkeit der Verteilung von Bandscheibenschäden zu 96 % mit denen der Normalbevölkerung identisch sei, die Auswertungen der DWS II keine deutliche Abhängigkeit der Begleitspondylose von der MDD-Gesamtbelastungsdosis gezeigt habe oder Schäden an der HWS keine Aussagekraft zur Verursachung von LWS-Schäden hätten (M. Kentner und K. Frank, Kommentar zur DWS-Richtwertestudie und Implikationen hinsichtlich BK 2108 - Biomechanik vs. Pathophysiologie, Manuskript, erscheint in ASUMed 8/2015); Linhardt/Grifka, Auswirkungen der Deutschen Wirbelsäulenstudie auf die Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule , MedSach 111 <2015>, 20, 21; Bergmann, Bolm-Audorff, Ditchen, Ellegast, Haerting, Kersten, Jäger, Skölziger, Kuß, Morfeld, Schäfer, Seidler, Luttmann, Lumbaler Bandscheibenvorfall mit Radikulärsyndrom und fortgeschrittene Osteochondrose, ZblArbeitsmed 2014, 233 - 238) handelt es sich erkennbar um wissenschaftliche Einzelmeinungen.

22

Die zitierten Publikationen setzen sich zum einen jeweils inhaltlich nicht mit der grundsätzlichen Kritik an der angewandten Methodik der Nachuntersuchung auseinander (s nur Grosser, Ergebnisse der Konsensusarbeitsgruppe zur Begutachtung der BK 2108 - Status quo und Konsequenzen aus der DWS, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann, Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 84 - 104; Zagrodnik, Fragliche Belastungsdosis, DGUV Forum 2014, Nr 7/8 S 10 - 13), zum anderen schöpfen sie ihre Kritik an den Aussagen der Konsensempfehlungen alleine aus den Ergebnissen der DWS II, und wenden sich im Wesentlichen gegen die Bestimmung und Höhe der Einwirkungsgrößen, nicht aber gegen die Grundaussage der Konsensempfehlungen, dass Bandscheibenschäden aufgrund beruflich erworbener Druckbelastungs-Dosen entstehen können. Der Senat verkennt nicht, dass ein wissenschaftlicher Erkenntnisstand auch dadurch erschüttert werden kann, dass grundlegende und fundierte Zweifel seitens der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler diesem den Boden entziehen, ohne dass sich diese in ihrer Mehrheit auf einen neuen Konsens geeinigt hätten. Einzelne Gegenstimmen sind demgegenüber nicht geeignet, einen einmal gebildeten und sich in schriftlichen Beurteilungskriterien manifestierenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die daran beteiligten Autoren in ihrer Mehrheit diesen Konsens in wesentlichen Punkten aufkündigen oder eine (zumindest teilweise) personell anders zusammengesetzte große Mehrheit von mit dieser Materie befassten Fachwissenschaftlern diesem Konsens entgegentritt.

23

b) Sofern das LSG davon ausgeht, dass bei der Klägerin keine Befundkonstellation besteht, für die die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 eine Anerkennungsempfehlung aussprechen, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. So wie der erkennende Senat im Recht der BKen nicht gehindert ist, den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu Verursachungszusammenhängen festzustellen, ist er ebenso wenig gehindert, die korrekte Zuordnung des Sachverhalts seitens des Berufungsgerichts unter diesen einschlägigen Erkenntnisstand zu überprüfen. Dies gilt umso mehr, wenn dieser in Konsensempfehlungen verdichtet ist. Bei diesen handelt es sich freilich nicht um einen normativen Text oder ein antizipiertes Sachverständigengutachten, weil die Konsensempfehlungen weder vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber erlassen noch von unabhängigen und der Neutralität verpflichteten Autoren verfasst wurden (P. Becker, ASUMed 2009, 592, 595). Daher sind sie für Verwaltung, Gerichte oder Gutachter auch nicht unmittelbar verbindlich (Siefert, ASR 2011, 45, 48) und es verbietet sich deren Auslegung unter strikter Anwendung der Regeln der juristischen Methodenlehre (vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht aaO; S 199).Konsensempfehlungen dienen lediglich zur Erleichterung der Beurteilung im Einzelfall, um typische Befundkonstellationen im Hinblick auf die Kausalbeziehungen unter Zugrundelegung des aktuell wissenschaftlichen Erkenntnisstandes einordnen zu können (Duell, Kranig, Palfner, BK-Begutachtungsempfehlungen - Wissen von Experten für Experten, DGUV Forum 2012, Nr 4 S 14, 16). Andererseits muss bei diesem Erkenntnisvorgang überprüfbar bleiben, ob das LSG nach allgemeinem Verständnis den von ihm festgestellten Sachverhalt (noch) vertretbar den in den Konsensempfehlungen aufgeführten Kategorien zugeordnet hat.

24

Nicht zu beanstanden ist im Rahmen des soeben aufgezeigten Prüfumfangs jedenfalls die Aussage des LSG, dass bei der Klägerin keine Befundkonstellation besteht, für die die Konsensempfehlungen eine Anerkennungsempfehlung aussprechen. Für sämtliche B-Konstellationen wird dort vorausgesetzt, dass die (gesicherte) bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und eine Ausprägung als Chondrose Grad II oder höher und/oder als Vorfall hat. Sofern zusätzlich eine Begleitspondylose besteht (Befundkonstellation B1) gilt der Zusammenhang als wahrscheinlich. Liegt hingegen - wie hier nach den bindenden Feststellungen des LSG - keine Begleitspondylose vor, so wird der Zusammenhang nach den Konsensempfehlungen ua dann als wahrscheinlich betrachtet, wenn eine Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich 1. Alt). Alternativ müssen bei nur monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten "black discs" vorliegen (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich, 2. Alt). Als weitere Alternativen genügt für die Konstellation B2 entweder das Bestehen einer besonders intensiven Belastung, wobei hierfür als "Anhaltspunkt" das Erreichen des "Richtwertes für die Lebensdosis" in weniger als 10 Jahren (Befundkonstellation "B2" 2. Spiegelstrich), oder ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen, wofür als "Anhaltspunkt" das Erreichen der Hälfte des "MDD-Tagesdosis-Richtwertes" durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 1/2 kN) verlangt wird (Befundkonstellation "B2" 3. Spiegelstrich). Nach den bindenden, weil nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen Feststellungen des LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen keiner dieser Alternativen der Befundkonstellation B2 vor. Insbesondere hat das LSG bei fehlender Begleitspondylose lediglich einen - keinesfalls ausreichenden - monosegmentalen Befund sowie das Fehlen von black discs in zwei benachbarten Segmenten festgestellt. Es kommt daher für den vorliegenden Fall nicht darauf an, ob als "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich, 1. Alt) auch ein bisegmentaler Befund ausreichen würde (so LSG Sachsen vom 21.6.2010 - L 2 U 170/08 LW - juris, das Gegenstand des Urteils des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - ist; anders Hessisches LSG vom 27.3.2012 - L 3 U 81/11 - juris). Auch kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob im Rahmen der Anwendung der Befundkonstellation B2 2. Spiegelstrich für die dort erwähnte "Lebensdosis" das Erreichen der hälftigen MDD-Dosis genügt (vgl ebenfalls das Urteil des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, in dem der Senat im Ergebnis die dahingehende Interpretation der Konsensempfehlungen durch das LSG als nicht offensichtlich falsch angesehen hat).

25

Das LSG hat freilich im vorliegenden Fall für den Senat bindend (§ 163 SGG) eine Belastung durch schweres Heben und Tragen innerhalb von 10 Jahren von maximal 8,42 MNh und damit nur iHv 49,53 % des nach dem MDD angenommenen Richtwertes für die Lebensdosis bei Frauen festgestellt, womit selbst der hälftige MDD-Wert nicht erreicht wurde. Anhaltspunkte dafür, dass auf Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands die rechtlich wesentliche Verursachung eines monosegmentalen Bandscheibenprolaps im Segment L5/S1 durch die in der BK 2108 genannten Einwirkungen bei Erreichen einer Gesamtbelastungsdosis iHv 8,42 MNh in einem Zeitraum von 10 Jahren ohne die sonstigen Zusatzerfordernisse der B2-Konstellation als hinreichend wahrscheinlich angenommen werden könnte, sind dem Senat nicht bekannt. Das LSG ist jedenfalls diesbezüglich bei Anwendung der Konsensempfehlungen weder von einem erkennbar falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen, noch hat es einen dem Senat bekannten oder vorgetragenen vorhandenen Erfahrungssatz nicht angewandt, als es unter Zugrundelegung der B3-Konstellation das Vorliegen einer mit einer Anerkennungsempfehlung konsentierten Befundkonstellation nach den Konsensempfehlungen verneint hat (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, sowie BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 27).

26

c) Soweit die Klägerin allerdings geltend macht, das LSG habe bei der Ablehnung des Ursachenzusammenhangs die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten, weil es davon ausgegangen ist, bei Vorliegen der Konstellation B3 spreche deutlich mehr gegen als für den Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung, hat sie zulässig und zutreffend die Anwendung eines nicht existierenden Erfahrungssatzes gerügt. Ein solcher Erfahrungssatz, wie ihn das LSG angenommen hat, ist nicht allgemeinkundig oder dem Senat gerichtsbekannt. Soweit weder eine Begleitspondylose noch eines der zuvor genannten Zusatzkriterien der Konstellation B2 vorliegen und keine konkurrierenden Faktoren erkennbar sind, war die Einschätzung des Zusammenhangs durch die Arbeitsgruppenteilnehmer der Konsensarbeitsgruppe offensichtlich unterschiedlich und es wurde folglich auch keine Anerkennungsempfehlung ausgesprochen (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S 211, 221 f).Dieser fehlende Konsens in der Arbeitsgruppe kann aber nicht so gedeutet werden, dass damit eine Anerkennung des Verursachungszusammenhangs im Einzelfall unmöglich wäre. Zwar wird die Schlussfolgerung des LSG häufig zutreffen, jedoch ist die vom LSG zugrunde gelegte generelle Aussage wissenschaftlich nicht belegt, so dass es im Einzelfall nicht ausgeschlossen und dementsprechend jeweils erst im Rahmen der Amtsermittlung festzustellen ist, ob individuelle, dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechende Umstände vorliegen, die im konkreten Einzelfall den Ursachenzusammenhang als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen(BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 52). Dies lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG indes nicht beurteilen, das - von seiner Rechtsansicht her konsequent - die Ermittlungen bereits mit der Bejahung der Konstellation B3 beendet hat. Das LSG wird daher erst zu ermitteln haben, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch schweres Heben und Tragen verursacht werden können.

27

3. Für den Fall, dass ein solcher Erfahrungssatz feststellbar ist, wird das LSG auch weitere Feststellungen dazu treffen müssen, ob die erforderliche Regelmäßigkeit der Einwirkungen gegeben ist. Die von der Klägerin während ihrer Berufstätigkeit ausgeführten Hebe- und Tragevorgänge erfolgten in der Regel bei saisonbedingten Anpflanzungstätigkeiten, ohne dass sich der zeitliche Umfang bzw die Häufigkeit dieser Tätigkeiten den Urteilsgründen entnehmen lässt. Die Regelmäßigkeit der Einwirkung durch Heben und Tragen bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ist kein geschriebenes Tatbestandsmerkmal der BK 2108, sondern lässt sich als Bestandteil der arbeitstechnischen Voraussetzungen dem Merkblatt 2006 (BArbBl 2006 Nr 10, S 30 ff, Abschnitt IV) entnehmen. Hintergrund ist, dass bei nicht regelmäßiger Belastung den Bandscheiben genügend Zeit zur Regeneration bleibt und deshalb keine Ursächlichkeit zwischen Druckbelastung und Schädigung besteht. Hierfür reicht es aber aus, dass die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten erfolgten, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht genannt werden kann. Vorausgesetzt wird, dass der Betroffene mindestens 60 Schichten im Jahr mit relevanter Wirbelsäulenbelastung ausgesetzt war. Wie bei der Belastungsdauer können geringere oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch stärkere oder länger dauernde Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden (zum Verzicht auf eine Mindesttagesdosis bei BK 2108 auch BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 24; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK Nr 2108 - 2110 RdNr 11a, sowie zur BK 2109: BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15). In tatsächlicher Hinsicht hat das LSG insoweit nur festgestellt, dass die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten im genannten Umfang insbesondere bei Anpflanzungsarbeiten an der Autobahn erfolgt sind. Insoweit wird das LSG ggf die Feststellung nachzuholen haben, ob diese Anpflanzungsarbeiten mindestens 60 Schichten umfassten, oder ob die Klägerin weitere diesen Kriterien entsprechende wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten ausführte.

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Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2014 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung der Berufskrankheit "Druckschädigung der Nerven" nach der Nummer 2106 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BK 2106).

2

Der 1952 geborene Kläger war seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof erwerbstätig. 1985 übernahm er dieses Unternehmen und führte es bis 2004. Im Jahre 2002 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er seit 1997 an Beschwerden im Bereich des Halses und der linken Schulter mit Ausstrahlung in den linken Arm und Brustkorb leide, was er auf seine berufliche Tätigkeit zurückführe. Die Beklagte lehnte die Anerkennung einer BK 2106 ab (Bescheid vom 7.10.2003, Widerspruchsbescheid vom 1.2.2005).

3

Das SG hat mit Gerichtsbescheid vom 5.5.2010 die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, das Thoracic-Outlet-Syndrom (TOS) ab 10.11.2005 als BK 2106 anzuerkennen und den Kläger mit einer Verletztenrente nach einer MdE von 25 vH zu entschädigen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG durch Urteil vom 27.3.2014 den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben sowie die Klage ab- und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Beim Kläger lasse sich das Vorliegen einer BK 2106 nicht feststellen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in der ersten Instanz sei zwar davon auszugehen, dass beim Kläger ein TOS vorliege. Zweifelhaft erscheine hingegen, ob der Kläger die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2106 erfülle. Letztlich könnten diese Zweifel jedoch dahinstehen, weil das beim Kläger festgestellte TOS nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch seine Tätigkeit als Obstbauer und insbesondere nicht durch das Tragen einer Pflückschürze bei der Apfelernte verursacht worden sei. Es spreche insbesondere gegen den ursächlichen Zusammenhang, dass das TOS nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Dr. F. kein Störungsbild sei, bei dem die Nervenfasern durch direkte Einwirkung von außen geschädigt werden, sondern es sich vielmehr um ein Engpasssyndrom handele. Die Besonderheit des TOS liege darin, dass die Reibung nicht durch Druck von außen, sondern durch die körpereigenen Strukturen selbst verursacht werde, während die unter die BK 2106 fallenden Krankheitsbilder typischerweise durch eine Bedrückung des Nerven in Gelenknähe bedingt durch die unphysiologische Beanspruchung des Gelenks geprägt seien. Die anders lautende Einschätzung des Sachverständigen Dr. K. überzeuge nicht, weil dieser selbst dargelegt habe, dass es in der medizinischen Wissenschaft kaum Literatur zur Beurteilung exogener Einflüsse auf die Verursachung eines TOS gebe. Dies erlaube zwar nicht den Umkehrschluss, dass die Entstehung eines TOS durch äußere Belastung nicht möglich sei. Für die Anerkennung einer BK 2106 genüge die bloße Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs jedoch nicht. Nach der Rechtsprechung des BSG sei bei der Beurteilung von Ursachenzusammenhängen der jeweils neueste anerkannte Stand des einschlägigen Erfahrungswissens zugrundezulegen. Wenn sich nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Amtsermittlung ein solcher von der Mehrheit der Fachwissenschaftler anerkannter neuester Erfahrungsstand nicht feststellen lasse, komme grundsätzlich eine Entscheidung nach Beweislast in Betracht. Der Kläger trage hier die Beweislast für die berufliche Verursachung seiner Erkrankung. Dass das Merkblatt zur BK 2106 auch das Krankheitsbild des TOS als durch arbeitsbedingte Belastungen verursachte Druckschädigung der Nerven nenne, führe nicht zu einer anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Den Merkblättern komme nur die Bedeutung einer Informationsquelle für die Praxis zu, ohne dass sie rechtliche Verbindlichkeit hätten. Schließlich spreche gegen eine Verursachung des beim Kläger vorliegenden TOS durch seine frühere Tätigkeit als Obstbauer, dass nach den Angaben der Beklagten in den Jahren 2002 bis 2008 zwar sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK 2106 der DGUV gemeldet worden seien, sich hierunter jedoch kein Angehöriger der Berufsgruppe des Klägers befunden habe. Bei gleichartigen Arbeitsmethoden sei hinsichtlich des Einsatzes von Pflückschürzen statistisch mit dem Auftreten weiterer TOS-Erkrankungen zu rechnen gewesen.

4

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 2106. Das LSG habe sein Urteil im Wesentlichen auf das in erster Instanz eingeholte Gutachten des Dr. F. gestützt, nach dem das Vorliegen der BK 2106 einen Druck von außen voraussetze. Damit habe das LSG zu Unrecht die Formulierung "Druckschädigung der Nerven" ausschließlich einer Druckeinwirkung von außen gleichgestellt. Tatsächlich habe der Verordnungsgeber Nervenschädigungen sowohl durch Druck von außen als auch von innen berücksichtigen wollen, wie der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenrates beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung Sektion Berufskrankheiten vom 1.8.2001 zu entnehmen sei. Unter Ziffer 3 dieser wissenschaftlichen Begründung werde das TOS ausdrücklich als typisches Krankheitsbild der BK 2106 genannt. Soweit es sich auf die Stellungnahme des Dr. S. stütze, der das Vorliegen eines TOS verneint habe, habe das LSG nicht ohne Verstoß gegen die Denkgesetze einerseits das Vorliegen eines TOS annehmen, andererseits aber deren Ablehnung als BK mit der Auffassung des Dr. S. begründen können. Auch der Verweis auf die Statistiken der DGUV habe angesichts der Vielzahl an Berufsgruppen, bei denen das Vorliegen eines beruflich bedingten TOS in Betracht komme, keinerlei Aussagekraft.

5

Der Kläger beantragt,

1.    

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2014 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

2.    

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 5. Mai 2010 zu ändern und ihm Verletztenrente in Höhe von mehr als 25 vH zu bewilligen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

7

Zutreffend sei das LSG davon ausgegangen, dass ein TOS in der Ausprägung des Syndroms der kosto-klavikulären Enge nicht zu den von der BK 2106 erfassten Krankheiten zähle, weil dieses nicht durch Druck von außen, sondern durch körpereigene Strukturen verursacht werde. Im Übrigen komme weder der wissenschaftlichen Begründung noch den Merkblättern rechtliche Verbindlichkeit zu.

Entscheidungsgründe

8

Die statthafte und zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus. Weder lässt sich danach beurteilen, welchen versicherten Einwirkungen iS der BK 2106 der Kläger im Einzelnen unterlegen ist noch ob diese nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft geeignet waren, das beim Kläger bestehende (aber noch näher zu spezifizierende) TOS zu verursachen, das ebenfalls in seiner konkreten Ausprägung nicht festgestellt ist.

9

Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen in dem Bescheid vom 7.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.2.2005, verbunden mit der auf Feststellung einer BK gerichteten Klage und der auf Verurteilung zu der abgelehnten Rentenzahlung gerichteten unechten Leistungsklage zulässig (BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 14).

10

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der BK ist § 9 Abs 1 SGB VII iVm BK 2106. BK 2106 (in der mit Wirkung vom 1.10.2002 geltenden Fassung vom 5.9.2002 ) lautet: "Druckschädigungen der Nerven". Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die der Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK (Versicherungsfall) erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität ) und diese Einwirkungen eine Krankheit (dazu unter B) verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität ). Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (zuletzt Urteile des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 10, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 11 sowie B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 10; s auch BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 12; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 14). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK, wohl aber für eine Leistung (Leistungsfall).

11

A. Nach den bindenden Feststellungen des LSG arbeitete der Kläger neben seiner Beschäftigung als Schriftsetzer und medizinisch-technischer Assistent seit 1970 als mithelfendes Familienmitglied auf einem Obstbauernhof, den er zum 1.10.1985 übernahm und bis 2004 führte. Er war daher bei dieser Tätigkeit "Versicherter" iS von zunächst § 2 Abs 1 Nr 5b SGB VII und sodann § 2 Abs 1 Nr 5a SGB VII.

12

Den Feststellungen des LSG lässt sich noch hinreichend entnehmen, dass der Kläger während seiner versicherten Tätigkeit der durch das Tatbestandsmerkmal "Druckschädigung ..." in der BK 2106 vorausgesetzten Einwirkung "Druck" in Form des Tragens einer mit bis zu 20 kg Äpfel gefüllten Pflückschürze während 8 bis 10 Wochen im Jahr unterlag. Der Tatbestand der BK 2106 enthält darüber hinaus keine normativen Vorgaben in Form einer Dosis oder Mindestdauer der erforderlichen Einwirkung.

13

B. Beim Kläger besteht auch nach den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) eine Schädigung der Nerven als vom Verordnungstext vorausgesetzte Erkrankung in Form eines TOS, wenngleich das LSG die konkrete Variante dieses Symptoms nicht festgestellt hat (hierzu noch unter C).

14

Bei der BK 2106 handelt es sich um eine sog offene BK-Bezeichnung (vgl Spellbrink, BPUVZ 2012, 360, 362; ders SozSich 2013, 431 f; Bieresborn, NZS 2008, 354, 359), bei der die erforderliche Erkrankung nicht präzise umschrieben, sondern nur eine Krankheitsgruppe, nämlich "Druckschädigungen der Nerven", genannt wird. Anerkennungsfähig sind mithin hier alle Krankheiten dieser Gruppe, die durch die betreffende Einwirkung potentiell verursacht werden können. Um ein bestimmtes Krankheitsbild aus dem Schutzbereich dieser BK ausschließen zu können, muss demgegenüber feststehen, dass entweder diese Krankheit nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht vom Schutzbereich der Norm umfasst sein sollte oder durch die jeweilige Einwirkung nicht verursacht werden kann. Ein solcher Ausschluss kann sich nur aus den Verordnungsmaterialien oder der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen ergeben (vgl Becker in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky/Heinz, SGB VII, § 9 RdNr 149 f).Dabei genügt es nicht, diejenigen Erkenntnisse zugrundezulegen, die den Verordnungsgeber zur Aufnahme der Krankheit in die BK-Liste bewogen haben, sondern es sind die fortschreitenden Erkenntnisse der Wissenschaft hinsichtlich der Wirkungsweise der genannten Einwirkung zur Bestimmung des Schutzbereichs zugrundezulegen (s BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 240 Nr 1, RdNr 15, zum Kehlkopfkarzinom nach ionisierenden Strahlen).

15

Beim TOS, das auch als neurovaskuläres oder Schultergürtel-Kompressionssyndrom bezeichnet wird, handelt es sich laut ICD-10, G54.1 um eine durch äußeren oder inneren Druck bewirkte Läsion des Plexus brachialis. Dass dieses Erkrankungsbild nach dem Willen des VO-Gebers nicht vom Schutzbereich der BK 2106 erfasst sein soll, lässt sich weder den Verordnungsmaterialien noch der wissenschaftlich festgestellten und allgemein anerkannten Wirkungsweise bestimmter Belastungen oder Expositionen entnehmen. So wird das TOS sowohl in der wissenschaftlichen Begründung (Wissenschaftliche Begründung zur BK Nr 2106: Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001, S 59-63; 1.3.2.1.) als auch im Merkblatt (Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S 62) ausdrücklich unter der Rubrik "Nervenschaden an der oberen Extremität" als "Armplexusschaden im Wurzelbereich (C4) C5-Th1" in Form einer "Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken, der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids" aufgelistet. Dies zeigt, dass bei Einführung der BK 2106 mit dem jetzigen Wortlaut der für die wissenschaftliche Begründung von BKen maßgebliche Ärztliche Sachverständigenbeirat - Sektion "Berufskrankheiten" - beim Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung davon ausging, dass dieses Krankheitsbild vom Schutzbereich der BK 2106 umfasst sein sollte.

16

Zutreffend hat das LSG zwar darauf hingewiesen, dass diese Merkblätter weder verbindliche Konkretisierungen der Tatbestandsvoraussetzungen der BK noch antizipierte Sachverständigengutachten oder eine Dokumentation des Standes der einschlägigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft sind (BSG vom 11.8.1998 - B 2 U 261/97 B - HVBG-Info 1999, 1373). Sie sind jedoch als Interpretationshilfe und zur Ermittlung des aktuellen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisstands heranzuziehen (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 15; BSG vom 12.4.2005 - B 2 U 6/04 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 5 RdNr 15; BSG vom 18.8.2004 - B 8 KN 1/03 U R - BSGE 93, 149 = SozR 4-5670 Anl 1 Nr 2402 Nr 1, RdNr 17 mwN; BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 85 = NZS 2001, 605, 606; s auch BSG vom 22.8.2000 - B 2 U 34/99 R - SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 2).

17

Anhaltspunkte dafür, dass inzwischen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, nach denen ein TOS nicht durch Druckbelastung verursacht werden kann und dementsprechend als anerkennungsfähiges Krankheitsbild aus dem Schutzbereich der BK 2106 ausscheidet, wurden dem Senat weder vorgetragen noch sind sie gerichtsbekannt. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats sind die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen BKen-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands auch revisionsrechtlich überprüfbar (zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20, B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 33; dort auch mit Nachweisen zur älteren Senatsrechtsprechung und zur Rechtsprechung anderer Senate des BSG). Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl zuletzt BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22; BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291, 295 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20).

18

Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang entschieden, dass einzelne Gegenstimmen nicht geeignet sind, einen einmal gebildeten wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die Mehrheit der Fachwissenschaftler den Erkenntnisstand aufkündigt. Diese Ausführungen bezogen sich zwar auf einen durch schriftliche Konsensempfehlungen konkretisierten wissenschaftlichen Erkenntnisstand (s jeweils zur BK 2108 BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 sowie BSG vom 25.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 22), sie gelten aber auch bei anderen BKen für die in der wissenschaftlichen Begründung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats, in Merkblättern und in der einschlägigen Fachliteratur geäußerten wissenschaftlichen Meinungen. Aus diesen Quellen folgt, dass ein TOS zumindest in den dort genannten Varianten des Krankheitsbildes durch äußeren Druck verursacht werden kann. Die einzige Quelle dafür, dass der dort zum Ausdruck kommende wissenschaftliche Erkenntnisstand veraltet sein könnte und daher nicht zugrunde gelegt werden dürfte, scheint das Gutachten des Dr. F. zu sein. Dieser behauptet ohne kritische Auseinandersetzung mit dem Inhalt der oben aufgeführten anderslautenden wissenschaftlichen Begründung, ein TOS könne ausschließlich durch innere Reibung ohne äußeren Druck verursacht werden. Dieser Aussage ist dann aber letztlich auch das LSG nicht gefolgt, weil es selbst die Verursachung eines TOS durch äußere Belastungen zumindest für möglich hält. Eine Änderung des in der wissenschaftlichen Begründung sowie in dem Merkblatt manifestierten Erkenntnisstands konnte das LSG schließlich auch nicht aus der Aussage des Sachverständigen Dr. K. ableiten, dass kaum Literatur zur Verursachung des TOS durch äußere Druckeinwirkung existiere.

19

C. Der Senat kann mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen aber nicht entscheiden, ob das LSG zu Recht den Ursachenzusammenhang zwischen den gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem festgestellten TOS verneint hat. Für die Anerkennung einer BK im konkreten Einzelfall ist neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die streitige BK 2106 bedeutet dies, dass das beim Kläger festgestellte TOS durch die im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit erfolgte Einwirkung von Druck verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im BKen-Recht, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (s zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris RdNr 32; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B 2 U 26/04 R - juris RdNr 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils die Versicherung begründenden Norm zu beurteilen (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 17.12.2015 - B 2 U 8/14 R - ; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

20

Vorliegend kann der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht entscheiden, ob im Fall des Klägers die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine positive Kausalitätsbeurteilung vorliegen, die das LSG - aus seiner Sicht konsequent - hat dahinstehen lassen (dazu unter 1.), sowie ob das LSG zu Recht die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen verneint hat (dazu unter 2.).

21

1. Der Senat kann anhand der Feststellungen des LSG nicht entscheiden, ob die (weiteren) arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Anerkennung des TOS als BK 2106 gegeben sind. Bei den arbeitstechnischen Voraussetzungen handelt es sich um ein Element der Anspruchsprüfung einer BK, das zwei miteinander in Zusammenhang stehende Aspekte umfasst: das Vorhandensein der hier gegebenen (s oben A.) tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen und die Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 8 RdNr 13; vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann , Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 179, 193). Eine wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung erfordert, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen. Dem Urteil des LSG ist lediglich zu entnehmen, dass der Kläger im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit 8 bis 10 Wochen pro Jahr Kernobst mittels einer ca 20 kg Obst fassenden Pflückschürze geerntet hat.

22

Das Urteil des LSG enthält jedoch keine Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers die Druckeinwirkung erfolgte, insbesondere ob sich diese in Nähe des unteren Plexus brachialis befindet, den das LSG offenbar als geschädigt ansieht. Ohne diesbezügliche exakte Feststellung des oder der schädigenden Ereignisse und der naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhänge hinsichtlich der geltend gemachten Gesundheitsstörung kann eine zuverlässige Ursachenbeurteilung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und in Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache nicht erfolgen, weil die Ereignisse und Ursachen nicht zueinander in Verhältnis gesetzt und nicht in die Krankheitsgeschichte des Verletzten eingeordnet werden können (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 30).

23

Dies gilt umso mehr, als nach der einschlägigen arbeitsmedizinischen Literatur für das Vorliegen einer BK 2106 eine eindeutige Beziehung zwischen der Lokalisation des einwirkenden Drucks und dem anatomisch zuzuordnenden klinisch-neurologischen Befund kennzeichnend ist (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 232). Erst wenn diesbezügliche Feststellungen nachgeholt wurden, kann entschieden werden, ob eine Dauer dieser belastenden Tätigkeit von 8 bis 10 Wochen im Jahr bei ebenfalls noch festzustellender Tagesdauer geeignet war, das beim Kläger bestehende Krankheitsbild zu verursachen. Hierbei wird das LSG zu beachten haben, dass weder der Verordnungstext, noch die wissenschaftliche Begründung zur Abänderung des VO-Textes der BK 2106 (Druckschädigung der Nerven, Bekanntmachung des BMA vom 1.8.2001 - IVa 4-45222-2106; BArbBl 9/2001, S 59-63; 1.3.2.1.), das hierzu zuletzt veröffentlichte Merkblatt (Bekanntmachung des BMA vom 1.10.2002, BArbBl 11/2002, S 62) oder die aktuelle Fachliteratur zur BK 2106 Angaben in Hinblick auf Höhe und Intensität (Dosis) der Einwirkung enthalten.

24

Das LSG wird aber auch Feststellungen dazu nachzuholen haben, ob bei dem Kläger - abgesehen vom Tragen der Obstschürze - weitere beruflich veranlasste Bewegungsabläufe vorlagen, die geeignet waren, ein TOS zu verursachen.Sowohl in der wissenschaftlichen Begründung, als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) werden neben "Lastendruck auf der Schulter" auch "repetitive Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk" sowie "Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm"als bekannte arbeitsbedingte Gelenkbelastungen aufgelistet, die bei Pflücktätigkeiten eines Obstbauern zumindest nicht gänzlich fernliegend erscheinen.

25

Auf das Vorhandensein einer in Höhe und Intensität geeigneten Druckeinwirkung lässt sich hingegen nicht alleine aufgrund des bindend festgestellten Krankheitsbildes des TOS schließen, weil dieses wiederum nicht zwingend durch eine äußere Druckeinwirkung verursacht wird. Vielmehr ergibt sich aus weiteren, dem jeweiligen Rechtsanwender zugänglichen Quellen, dass das TOS durchaus aufgrund innerer Ursachen wie anatomischer Varianten oder sonstiger Dispositionen entstehen kann (Sadeghi-Azandaryani, Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 234).

26

2. Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen des LSG ebenso wenig entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Bejahung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2106 und dem beim Kläger festgestellten TOS, dessen Vorliegen das Berufungsgericht als nicht hinreichend wahrscheinlich abgelehnt hat, gegeben sind (dazu unter a). Ferner wird das LSG ggf bei einer erneuten Beweiswürdigung die Anwendbarkeit des § 9 Abs 3 SGB VII zu erwägen haben(dazu unter b).

27

a) Die sogenannten arbeitsmedizinischen Voraussetzungen betreffen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit (was hier gegeben ist, s oben B.), zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 18).

28

Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der revisionsrechtlichen Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte (vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, § 163 RdNr 9). Eine solche bindende Wirkung besteht jedoch dann nicht, wenn das LSG von einem offenkundig falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen ist oder bestehende Erfahrungssätze nicht angewandt hat (vgl BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 6 RdNr 20, sowie BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - UV-Recht Aktuell 2010, 418) oder eine solche fehlerhafte Anwendung zulässig gerügt wird (vgl hierzu BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 6/13 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 7 RdNr 20). Die heranzuziehenden Quellen-, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin - ggf durch Sachverständige - zu überprüfen (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 18; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 69; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN).

29

Das LSG hat hierbei die Grenzen der Befugnis zur freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten. Bei seiner Entscheidungsfindung, ob im Falle des Klägers die Verursachung des TOS durch die durch das Tragen der Obstschürze entstandene Druckbelastung hinreichend wahrscheinlich ist, durfte es nicht davon ausgehen, dass das Merkblatt zur BK 2106 nicht mehr den tatsächlichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergebe und mangels vorhandener weiterer Literatur kein aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisstand zur Verursachung des TOS durch exogene Einflüsse existiere. Soweit das LSG deshalb nach Beweislastgrundsätzen entschieden hat, verkürzt es in unzulässiger Weise die zu diesem Themenkomplex anzuwendenden medizinischen Erfahrungssätze. Wie oben ausgeführt, werden sowohl in der wissenschaftlichen Begründung zur Abänderung des VO-Textes der BK 2106 als auch in dem hierzu zuletzt veröffentlichten Merkblatt sowie der einschlägigen Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl 2010, S 235) jeweils "Lastendruck auf der Schulter" neben "repetitiven Abduktions- und Adduktionsbewegungen im Schultergelenk, Überkopfarbeiten mit nach hinten gestrecktem Arm, Spielen von Streichinstrumenten und damit Gelenkbelastungen" als bekannte arbeitsbedingte Belastungen im Zusammenhang mit typischen morphologischen Schädigungsmöglichkeiten genannt.

30

Soweit das LSG nach den Grundsätzen der sog objektiven Beweislast entschieden hat, vermischt es zudem in unzulässiger Weise die Frage, ob ein konkretes Sachverständigengutachten als verwertbares Beweismittel die Kausalität im Einzelfall stützt mit der Frage, ob bei sich widersprechenden Gutachten mangels aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands letztlich nicht entschieden werden kann, welchem der Gutachten zu folgen ist. Die Grundsätze der objektiven Beweislast (Feststellungslast) greifen erst ein, wenn der Tatrichter keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann ("non liquet") (vgl zB BSG vom 26.11.1992 - 7 RAr 38/92 - BSGE 71, 256 = SozR 3-4100 § 119 Nr 7, RdNr 23). Im sozialgerichtlichen Verfahren stellt sich die Frage der Beweislastverteilung daher erst, wenn es dem Tatrichter trotz Erfüllung seiner insbesondere durch § 103 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG begründeten Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und zur sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise nicht gelungen ist, eine in tatsächlicher Hinsicht bestehende Ungewissheit zu beseitigen(stRspr, BSG vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R - juris RdNr 20; Urteil vom 8.9.2010 - B 11 AL 4/09 R - juris RdNr 17; BSG vom 24.5.2006 - B 11a AL 7/05 R - BSGE 96, 238 = SozR 4-4220 § 6 Nr 4, RdNr 32). Dies gilt auch, wenn der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand im Streit steht, dessen fehlende Existenz mit der Folge einer Beweislastentscheidung erst nach entsprechenden Anstrengungen und der Sichtung staatlicher Merkblätter, Empfehlungen der Fachverbände, wissenschaftlicher Literatur etc festgestellt werden darf (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 61).

31

Das LSG führt zwar zutreffend aus, dass die Kausalitätsfeststellung nicht alleine auf das Vorliegen einer geeigneten Einwirkung und eines klinisch definierten Krankheitsbildes gestützt werden kann, weil angesichts der multifaktoriellen Entstehung vieler BKen es keinen Automatismus der Bejahung des Ursachenzusammenhangs allein aufgrund des Vorliegens entsprechender Einwirkungen und einer bestimmten Erkrankung gibt (s BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19 sowie BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2 RdNr 23). Es existiert keine zwingende Regel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen regelmäßig zu einer Anerkennung der BK führen würde (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R - juris RdNr 22; s zur Unfallkausalität beim Arbeitsunfall BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 52). Andererseits ist es grundsätzlich denkbar, dass bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung dieser alleine für die Bejahung der Kausalität genügt, wenn keine Anhaltspunkte für eine alternative (innere oder äußere) Ursache für die Erkrankung bestehen (BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 20; vgl zu typischen Geschehensabläufen beim Arbeitsunfall BSG vom 31.1.2012 - B 2 U 2/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 43 RdNr 30; s auch bereits BSG vom 21.11.1958 - 5 RKn 33/57 - BSGE 8, 245, 247; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 128 RdNr 9 ff; s zum zulässigen Schluss von einer berufsbedingt erhöhten Ansteckungsgefahr auf eine berufliche Ursache der aufgetretenen Infektionskrankheit, wenn neben der Gefährdung durch die versicherte Tätigkeit keine anderen, dem privaten Lebensbereich zuzuordnenden Infektionsrisiken bestanden haben BSG vom 21.3.2006 - B 2 U 19/05 R - juris RdNr 16; vgl zur Verursachung von Meniskusschäden bei Bergleuten BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Daher ist es weder dem Gutachter noch dem erkennenden Gericht verwehrt, im Einzelfall anhand der Gesamtumstände bei Vorliegen einer für die Schadensverursachung geeigneten Einwirkung sowie einem belastungskonformen Schadensbild bei fehlenden Anhaltspunkten für eine alternative äußere oder innere Verursachung die naturwissenschaftliche Kausalität zu bejahen.

32

Daher wird das LSG nicht nur Feststellungen dazu, an welcher Stelle des Körpers Druck auf den Kläger eingewirkt hat und ob dieser Druck in Höhe und Intensität zur Verursachung des TOS ausreichte, nachzuholen haben, sondern auch dazu, ob im Falle des Klägers mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass das bei ihm diagnostizierte TOS auch ohne Druckbelastung von außen zB alleine durch innere schicksalhafte oder degenerative Ursachen entstanden ist (vgl BSG vom 27.11.1986 - 5a RKnU 3/85 - SozR 5670 Anl 1 Nr 2102 Nr 2 RdNr 12). Hierzu wird das LSG auch festzustellen haben, welche Variante des TOS beim Kläger besteht und insbesondere an welcher Stelle der Plexus brachialis geschädigt ist. Bereits aus der wissenschaftlichen Begründung und dem Merkblatt ergibt sich - wie bereits ausgeführt -, dass ein durch Druckeinwirkung verursachbares TOS in verschiedenen Varianten bekannt ist, nämlich in Form einer Engpassproblematik im Bereich der Skalenuslücken, der kosto-klavikulären Passage und/oder des Korakoids. Aus der einschlägigen Fachliteratur ergeben sich darüber hinaus weitere Differenzierungen wie das Scalenus-anterior-Syndrom, wenn der Musculus scalenus anterior betroffen ist, sowie das Hyperabduktionssyndrom oder Pectoralis-minor-Syndrom, wenn das Gefäßnervenbündel im Korakopektoralraum betroffen ist. Schließlich ist das Thoracic-inlet-Syndrom als Sonderform des TOS bekannt, das durch die Kompression der Vena subclavia und dadurch entstehende venöse Abflussstörungen verursacht wird (s zum Vorstehenden Sadeghi-Azandaryani, Das Thoracic-Outlet-Syndrom: Diagnostik, Therapie und Ergebnisse der Münchner Studie, Dissertation München, 2004, S 8 f).

33

Erst nach Feststellung der genauen Variante des beim Kläger bestehenden TOS und des Ortes der Druckeinwirkungen lassen sich Aussagen zum Pathomechanismus und damit dazu, ob die Druckeinwirkung überhaupt Wirkursache für das konkrete Erkrankungsbild war, treffen. In diesem Zusammenhang wird das LSG unter Umständen auch den zeitlichen Verlauf der Erkrankung im Verhältnis zum Einwirkungszeitraum zu würdigen haben. Da es selbst vom Vorliegen des Krankheitsbildes TOS ausgeht, wird es nicht den Beweiswert etwaiger positiver Gutachten mit dem Hinweis auf die Stellungnahme von Dr. S. negieren können, der offenkundig das Bestehen des TOS verneint. Auch wird das LSG dem Umstand, dass 2002 bis 2008 nur sechs Verdachtsfälle eines TOS als BK 2106 gemeldet worden sind, worunter sich kein Angehöriger der Berufsgruppe des Klägers befunden hat, keine den Kausalitätsnachweis ausschließende Wirkung beimessen können, weil entscheidend alleine die konkrete Belastung und das Erkrankungsbild sind (vgl aber zu erforderlichen, auf eine bestimmte Berufsgruppe bezogene Erkenntnisse zur Bejahung einer Wie BK nach § 9 Abs 2 SGB VII: BSG vom 18.6.2013 - B 2 U 6/12 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 22 RdNr 17 ff).

34

b) Wäre die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer allein wesentlichen außerberuflichen wie zB einer inneren Verursachung zu verneinen, käme durchaus der Schluss in Betracht, dass eine vorhandene geeignete berufliche Einwirkung - die vom LSG offengelassen wurde - auch ein geeignetes Krankheitsbild verursacht hat. In diesem Zusammenhang wird das LSG auch zu erwägen haben, ob die in § 9 Abs 3 SGB VII vorgegebenen normativen Voraussetzungen in Form des Bestehens einer erhöhten Gefahr der Erkrankung aufgrund besonderer Bedingungen der versicherten Tätigkeit unter Umständen aufgrund der Kumulation verschiedener gefährdender Tätigkeiten iS der BK 2106 gegeben sind.

35

Im Anschluss daran wäre ggf über die Wesentlichkeit der beruflichen Ursache zu entscheiden. Erst wenn die bei versicherten Tätigkeiten erfahrene Einwirkung als eine der Wirkursachen feststeht, kommt es auf der zweiten Stufe darauf an, dass die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr ist. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks des die Unfallversicherung jeweils begründenden normativen Tatbestands zu beurteilen. Die Wesentlichkeit einer Bedingung ist eine reine (im Übrigen nicht durch den Sachverständigen beantwortbare) Rechtsfrage (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

36

Ist jedoch nicht mehr aufklärbar, ob beim Kläger die Verursachung des TOS in seiner konkreten Ausprägung durch die beruflich erworbene Exposition gegenüber Druck hinreichend wahrscheinlich ist, käme eine Entscheidung nach Beweislastgrundsätzen hingegen durchaus in Betracht.

37

Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr 2108 (BK 2108) der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

2

Die 1947 geborene Klägerin war seit 1986 als Beschäftigte einer Garten- und Landschaftsbau GmbH tätig, wobei sie insbesondere bei Anpflanzungsarbeiten im Autobahnbau Bäume und Solitärsträucher mit Ballen mit einem Gewicht von 20 bis 50 kg, manchmal 70 kg, bewegen musste. Im Jahre 2003 beantragte sie bei der Beklagten die Anerkennung einer BK 2108 und gab an, dass sie ihre Tätigkeit wegen Rückenbeschwerden im Sommer 2002 habe aufgeben müssen. Durch Bescheid vom 7.9.2004 stellte die Beklagte fest, dass keine BK nach Nr 2108 der BK-Liste vorliege. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 14.12.2004). Durch Urteil vom 19.6.2006 hat das SG die Klage abgewiesen.

3

Das LSG hat nach Durchführung arbeitstechnischer und medizinischer Ermittlungen die Berufung der Klägerin durch Urteil vom 31.1.2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klägerin zwar im Zeitraum zwischen 1986 und 2002 einer kumulativen Belastung von 18,5 Meganewtonstunden (MNh), also mehr als dem Lebensdosisrichtwert nach dem Mainz-Dortmunder-Dosismodell (MDD) für Frauen von 17 MNh, ausgesetzt gewesen sei, weshalb die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien. Die Klägerin leide auch an einer monosegmentalen bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS in Form eines Bandscheibenprolapses im Segment L5/S1. Es bestehe jedoch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass diese Erkrankung der LWS durch die Berufstätigkeit zumindest als wesentliche Teilursache hervorgerufen worden sei. Die Spondylose übersteige im Nativröntgenbild entsprechend Ziffer 1.2 A der Konsensempfehlungen (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3 S 211, 214 ff) nicht das alterstypische Maß. Daneben liege eine beginnende Chondrose der HWS geringer als an der LWS vor. Damit sei die Konstellation B3 der Konsensempfehlungen gegeben, weil ein monosegmentaler Befund ohne Begleitspondylose vorliege, keine konkurrierenden Ursachenfaktoren ersichtlich seien und keines der in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien erfüllt sei. Für ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen iS der B2-Konstellation ergäben sich aus den Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten keinerlei Anhaltspunkte. Bei der Klägerin liege auch das weitere Zusatzkriterium der B2-Konstellation der besonders intensiven Belastung mit Erreichen des Richtwertes für die Lebensdosis in weniger als 10 Jahren nicht vor. Unter Zugrundelegung ihrer eigenen Angaben sei eine Belastung iHv maximal 8,42 MNh in einem Zeitraum von zehn Jahren, dh iHv 49,53 % des nach dem MDD angenommenen Richtwertes für die Lebensdosis bei Frauen, nachgewiesen. Die B2-Konstellation sei vom Wortlaut her eindeutig und lasse es nicht zu, einen halbierten Bezugswert statt den in den Konsensempfehlungen bezeichneten Bezugswert von 17 MNh für Frauen zugrunde zu legen. Dass sich ein Konsens dahingehend gebildet hätte, bei monosegmentalen Schadensbildern von Zusatzkriterien abzusehen, sei nicht ersichtlich. Nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft spreche bei der Konstellation B3 deutlich mehr gegen als für einen Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung der Wirbelsäule.

4

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV. Die Auffassung des LSG, bei der Konstellation B3 des sog Konsensmodells spreche nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft mehr gegen als für einen Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung der Wirbelsäule, sei rechtsfehlerhaft. Aus dem Konsensmodell ließen sich für die Konstellation B3 gerade keine Schlussfolgerungen ableiten. Es treffe nicht zu, dass bei einer Reduzierung der Anforderungen an eine besonders intensive Belastung auf die Hälfte des Dosiswertes das Konsensmodell seinen Sinn verliere. Das BSG habe die Dosiswerte halbiert, um den Erkenntnissen der Wirbelsäulenforschung Rechnung zu tragen. Diese habe zu dem Ergebnis geführt, dass bandscheibenbedingte Erkrankungen der Wirbelsäule auch bei Unterschreitung der im MDD vorgeschlagenen Orientierungswerte beruflich verursacht sein könnten. Die Ergebnisse der Deutschen Wirbelsäulen-Studie deuteten darauf hin, dass auch unterhalb des Orientierungswertes nach dem MDD ein erhöhtes Risiko für bandscheibenbedingte Erkrankungen bestehen könnte. Es biete sich an, die Reduzierung des Dosiswerts um die Hälfte im Sinne der Rechtsprechung des BSG aus dem Jahre 2007 auch hier zu übernehmen.

5

Die Klägerin beantragt,

        

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Januar 2013 sowie das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 19. Juni 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 7. September 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Dezember 2004 aufzuheben und festzustellen, dass bei der Klägerin seit dem 12. März 2003 eine Berufskrankheit nach der Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV besteht.

6

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

7

Eine Übertragung der Rechtsprechung des BSG zur Halbierung des Richtwertes für die Gesamtbelastungsdosis auf das Kriterium der Konstellation B2 der Konsensvereinbarungen würde diese insgesamt infrage stellen. Selbst bei einer Halbierung des Richtwertes für die Gesamtbelastungsdosis und einer Übertragung auf das zweitbenannte Kriterium der Konstellation B2 werde dieser Wert durch die Klägerin mit 8,42 MNh nicht erreicht. Anhaltspunkte für ein besonderes Gefährdungspotential durch hohe Belastungsspitzen im Sinne des drittbenannten Kriteriums seien nicht festgestellt worden. Zwar bestehe bei Vorliegen der Konstellation B3 bezüglich der Zusammenhangsbeurteilung kein Konsens, jedoch stimme das Ergebnis des LSG mit der überwiegenden Meinung der Teilnehmer der Arbeitsgruppe sowie der Rechtsprechung überein.

Entscheidungsgründe

8

Die statthafte und zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), weil die vom LSG festgestellten Tatsachen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht ausreichen. Weder lässt sich danach beurteilen, ob der isolierte Bandscheibenvorfall der Klägerin unter Zugrundelegung des neuesten Standes der medizinischen Wissenschaft ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch schweres Heben- und Tragen verursacht wurde, noch ob die erforderliche Regelmäßigkeit der Einwirkungen gegeben ist.

9

Die erhobenen Klagen sind als Anfechtungsklage gegen die ablehnenden Entscheidungen verbunden mit der auf Feststellung einer BK gerichteten Feststellungsklage zulässig (BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151 ff RdNr 10).

10

Der erhobene Anspruch beurteilt sich gemäß § 212 SGB VII nach den Vorschriften des SGB VII, weil nicht ersichtlich ist, dass der Versicherungsfall bereits vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1.1.1997 (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz vom 7.8.1996, BGBl I 1254) eingetreten sein könnte. Rechtsgrundlage für die Anerkennung der streitigen BK ist § 9 Abs 1 SGB VII iVm Nr 2108 der Anlage 1 zur BKV vom 31.10.1997 (BGBl I 2623), die lautet: "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können". Nach § 9 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind BKen nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist für die Feststellung einer Listen-BK erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) sowie dass eine Krankheit vorliegt (dazu unter A.). Des Weiteren muss die Krankheit durch die Einwirkungen verursacht worden sein (haftungsbegründende Kausalität ). Schließlich ist Anerkennungsvoraussetzung, dass der Versicherte deshalb seine Tätigkeit aufgeben musste sowie alle gefährdenden Tätigkeiten unterlässt. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist die BK nicht anzuerkennen (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 17). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 12; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 30/07 R - BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 3101 Nr 4, RdNr 16 mwN; BSG vom 2.4.2009 - B 2 U 9/08 R - BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr 14, RdNr 9 mwN; zuletzt BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - NZS 2012, 151; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 14).

11

A.1. Die Klägerin war vom 1.8.1986 bis Sommer 2002 in einer Firma für Garten- und Landschaftsbau als Arbeitnehmerin tätig. Sie war damit als "Beschäftigte" iS von § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII versichert.

12

2. Nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) unterlag die Klägerin in diesem Zeitraum bei der Ausübung der Beschäftigung einer kumulativen Einwirkungs-Belastung in Form von Hebe- und Tragevorgängen iHv 18,5 MNh (vgl zur Feststellung der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkung in Form von Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung BSG vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

13

3. Diese Belastungen erfolgten - wie der Tatbestand der BK 2108 voraussetzt - auch langjährig, nämlich von 1986 bis 2002 und damit 16 Jahre. Langjährig bedeutet, dass zehn Berufsjahre als im Durchschnitt untere Grenze der belastenden Tätigkeit zu fordern sind (so wörtlich das aktuelle Merkblatt 2108, BArbBl 2006, Heft 10, S 30, Abschnitt IV; vgl zum Merkmal "langjährig" bei der BK 2109 BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15; s zur BK 2108 bereits BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 10; BSG vom 22.6.2004 - B 2 U 22/03 R - juris RdNr 25; vgl auch: Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK Nr 2108 - 2110 RdNr 7 mwN; Ricke in Kasseler Kommentar, Stand 5/2014, § 9 SGB VII RdNr 42; Mehrtens/Brandenburg, BKV, Stand 12/13, M 2108 Anm 2.2.2).

14

4. Nach den weiteren Feststellungen des LSG leidet die Klägerin an einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS. Bei ihr liegt im Segment L5/S1 ein altersuntypischer Befund in Form eines Bandscheibenprolapses vor. Darüber hinaus sind keine altersuntypischen Veränderungen auch nicht in Form einer Spondylose vorhanden. An die Feststellung dieses monosegmentalen Befundes ist der Senat mangels zulässiger Rügen gebunden (§ 163 SGG).

15

B. Der Senat kann hingegen mangels hinreichender Tatsachengrundlage nicht entscheiden, ob das LSG zu Recht den Ursachenzusammenhang zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung der Klägerin verneint hat. Für die Anerkennung einer BK ist neben der Kausalität zwischen versicherter Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (Einwirkungskausalität) ein Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die umstrittene BK 2108 bedeutet dies, dass die Lendenwirbelsäulenerkrankung der Klägerin durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Berufskrankheitenrecht, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung (siehe zum Arbeitsunfall die Entscheidungen des erkennenden Senats vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 34 ff sowie BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37; zu BKen s BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - juris RdNr 32; BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 sowie - B 2 U 26/04 R - juris RdNr 17), die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie beruht, nach der jedes Ereignis (jede Bedingung) Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der Wirkursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der Wirkursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzwecks der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (zur Theorie der wesentlichen Bedingung: zuletzt eingehend BSG, vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37 f sowie BSG vom 5.7.2011 - B 2 U 17/10 R - BSGE 108, 274 = SozR 4-2700 § 11 Nr 1, RdNr 28 ff).

16

Vorliegend ist das LSG in durch das Revisionsgericht nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Klägerin einer in der Höhe zur Erzeugung des Bandscheibenschadens genügenden Einwirkungsbelastung unterlag (dazu unter 1). Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat jedoch nicht entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für eine positive Kausalitätsbeurteilung gegeben sind (dazu unter 2.). Ebenso wenig kann der Senat aufgrund der Feststellungen entscheiden, ob die erforderliche Regelmäßigkeit der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit vorliegt (dazu unter 3).

17

1. Unter Zugrundelegung des bindend festgestellten Einwirkungs-Wertes iHv 18,5 MNh ist das LSG ausgehend vom MDD zutreffend davon ausgegangen, dass die versicherten Einwirkungen durch schweres Heben und Tragen, denen die Klägerin unterlag, in der Höhe ausreichten, um einen Bandscheibenschaden zu verursachen. Mit der Heranziehung des MDD zur Bestimmung der für eine Krankheitsverursachung erforderlichen Belastungsdosis folgt das LSG der Rechtsprechung des erkennenden Senats, der seit 2003 (BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 11 ff; BSG vom 19.8.2003 - B 2 U 1/02 R - USK 2003-219 RdNr 15; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 18 und zuletzt BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 25) dieses Modell als eine geeignete Grundlage zur Konkretisierung der im Text der BK 2108 mit den unbestimmten Rechtsbegriffen "langjähriges" Heben und Tragen "schwerer" Lasten oder "langjährige" Tätigkeit in "extremer Rumpfbeugehaltung" nur ungenau und allenfalls nur richtungsweisend umschriebenen Einwirkungen angesehen hat. Die auf Grund einer retrospektiven Belastungsermittlung für risikobehaftete Tätigkeitsfelder ermittelten Werte, insbesondere die Richtwerte für die Gesamtbelastungsdosis des MDD sind nicht als Grenzwerte, sondern als Orientierungswerte oder -vorschläge zu verstehen (s zur Handhabung der hälftigen Orientierungswerte als Mindestbelastungswerte BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R - juris RdNr 31; BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25; sowie die Urteile vom 23.4.2015 - B 2 U 20/14 R und B 2 U 10/14 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Für Frauen legt das MDD als Gesamtbelastungsdosis 17 MNh fest, die mit den bindend festgestellten 18,5 MNh sogar überschritten werden, sodass es im hier zu entscheidenden Fall nicht darauf ankommt, ob bereits ein geringerer, ggf hälftiger Wert dieses Orientierungswertes ausreichen würde, um von einem erhöhten Erkrankungsrisiko auszugehen und deshalb auf einzelfallbezogene medizinische Ermittlungen nicht mehr verzichtet werden kann (vgl für Männer BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 25). Es kommt deshalb auch nicht drauf an, ob aufgrund der mittlerweile vorliegenden Ergebnisse der DWS-Richtwertestudie (DWS II; "Erweiterte Auswertung der Deutschen Wirbelsäulenstudie mit dem Ziel der Ableitung geeigneter Richtwerte", Kurztitel: "DWS-Richtwerteableitung", veröffentlicht unter http://www.dguv.de/ifa/Forschung/Projektverzeichnis/ FF-FB_0155A.jsp) eine weitere Absenkung der Orientierungswerte angezeigt ist. Der Senat weist aber in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 SGB VII generelle Voraussetzung für die Einführung eines BK-Tatbestandes die gruppenspezifische Risikoerhöhung gegenüber der Gesamtbevölkerung ist, deren Annahme jedenfalls bei Werten iHv 3 MNh bedenklich erscheint(s nur Kranig, Was schadet den Bandscheiben?, DGUV Forum 2013, Nr 6 S 27, 31; vgl auch LSG Baden-Württemberg vom 25.9.2008 - L 10 U 5965/06 - Breith 2009, 307, RdNr 34 ff).

18

2. Der Senat kann allerdings nicht entscheiden, ob die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Bejahung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs zwischen gefährdenden Einwirkungen iS der BK 2108 und der Bandscheibenerkrankung der Klägerin, die das Berufungsgericht verneint hat, vorliegen, weil hierfür die Feststellungen des LSG nicht ausreichen. Während die sogenannten arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK zum einen das Vorhandensein der tatbestandlich vorausgesetzten Einwirkungen, zum anderen die potentielle Kausalität zwischen diesen Einwirkungen und einer Erkrankung beinhalten, betreffen die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen ebenfalls zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, nämlich zum einen das Vorliegen der tatbestandlich vorausgesetzten Krankheit, zum anderen das Vorliegen eines Schadensbildes, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann , Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 179, 193, 199). Aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen kann angesichts der multifaktoriellen Entstehung von bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS (BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 26) nicht automatisch auf das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen der BK 2108 geschlossen werden; vielmehr müssen medizinische Kriterien hinzukommen (BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 19; BSG vom 30.1.2007 - B 2 U 15/05 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4104 Nr 2, RdNr 23; vgl BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 7/05 R - juris RdNr 16 zur BK nach Nr 4302 der Anlage zur BKV; BSG vom 7.9.2004 - B 2 U 34/03 R - juris RdNr 22).

19

Das Berufungsgericht hat in nicht zu beanstandender Weise bei der Bestimmung des maßgeblichen aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands sowohl die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 zugrunde gelegt (dazu unter a) als auch das festgestellte Schadensbild diesen Erkenntnissen zugeordnet, mit dem Ergebnis, dass ein belastungskonformes Schadensbild iS der Konsensempfehlungen nicht vorliegt (dazu unter b). Hingegen ist die Aussage des Berufungsgerichts, in Fällen der B3-Konstellation spreche mehr gegen als für eine Verursachung durch die spezifischen beruflichen Einwirkungen iS der BK 2108 nicht haltbar (dazu unter c). Ob bei der festgestellten Befundkonstellation ein Anspruch auf Anerkennung einer BK 2108 besteht, kann der Senat mangels hinreichender Feststellungen dazu, ob nach dem neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisstand Umstände vorliegen, die ausnahmsweise trotz Fehlens der B2-Zusatzkriterien der Konsensempfehlungen den Verursachungszusammenhang zwischen beruflichen Einwirkungen und LWS-Schaden stützen, nicht entscheiden, weshalb der Rechtsstreit an das LSG zurückzuverweisen ist (dazu unter d).

20

a) Nicht zu beanstanden ist, dass das LSG die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S 211, 216 ff, 228 ff) zugrunde gelegt hat. Diese bilden nach Überzeugung des Senats weiterhin den aktuellen Erkenntnisstand ab.Die naturwissenschaftliche Kausalitätsprüfung ist zwar eine der Bindung fähige tatsächliche Feststellung der Instanzgerichte (vgl Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 163 RdNr 9), jedoch sind nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats die die einzelnen Tatbestandsmerkmale der jeweiligen BK unterfütternden allgemeinen (generellen) Tatsachen, die für alle einschlägigen BK-Fälle gleichermaßen von Bedeutung sind, anhand des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands auch revisionsrechtlich überprüfbar (grundlegend: BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 5/05 R - BSGE 96, 297 = SozR 4-5671 § 6 Nr 2, RdNr 19 sowie BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 23; s auch BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 23; s zur älteren Senatsrechtsprechung, wonach diesbezügliche Feststellungen dem Anwendungsbereich des § 163 SGG zugerechnet wurden: BSG vom 2.5.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr 16 S 83 = SozR 3-2700 § 9 Nr 4 = SozR 3-5670 Anl 1 Nr 2108 Nr 4, juris RdNr 28; BSG vom 18.3.2003 - B 2 U 13/02 R - BSGE 91, 23 = SozR 4-2700 § 9 Nr 1, RdNr 15, jeweils mwN). Dies muss zunächst jedenfalls immer dann gelten, wenn diese - wie hier - zulässig gerügt werden (vgl BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris RdNr 15; s zur Problematik der Überprüfung von allgemeinen Tatsachen auf ihre offensichtliche Unrichtigkeit auch das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Inwieweit in der Rechtsprechung anderer Senate des BSG (zur Überprüfung sog "genereller Tatsachen" in der sonstigen Rechtsprechung des BSG vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 163 RdNr 7 sowie speziell im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung BSG vom 16.6.1999 - B 1 KR 4/98 R - BSGE 84, 90, 94 = SozR 3-1500 § 163 Nr 7, juris RdNr 17 sowie BSG vom 12.8.2009 - B 3 KR 10/07 R - BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4, RdNr 27 und zuletzt BSG vom 12.9.2012 - B 3 KR 10/12 R - BSGE 112, 15 = SozR 4-2500 § 137 Nr 1, RdNr 55; s zu "Rechtstatsachen" BSG vom 25.10.1994 - 3/1 RK 57/93 - SozR 3-1500 § 163 Nr 5, juris RdNr 27, zu "allgemeinkundigen Tatsachen historischer Natur" BSG vom 7.2.1985 - 9a RV 5/83 - BSGE 58, 38, 42 = SozR 3100 § 5 Nr 7, juris RdNr 17 sowie zu "gerichtskundigen Tatsachen" BSG vom 27.1.1977 - 7 RAr 16/75 - BSGE 43, 124, 127 = SozR 4100 § 41 Nr 28, juris RdNr 30) eine solche Überprüfung genereller Tatsachen erfolgt, kann hier dahinstehen. Denn jedenfalls im Bereich des Rechts der BKen hat das BSG aufgrund der in den Normtexten der jeweiligen BKen in der Anlage zur BKV regelmäßig vertypisierten wissenschaftlichen Aussagen die Existenz der einschlägigen Erfahrungssätze selbst festzustellen. Das über das Vorliegen von BKen befindende Gericht muss sich folglich Klarheit darüber verschaffen, welches in der streitigen Frage der aktuelle Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ist. Die heranzuziehenden Quellen, Fachbücher, Standardwerke, Merkblätter des zuständigen Ministeriums, Begründungen des Sachverständigenbeirats, Konsensempfehlungen etc hat das jeweilige Gericht eigenständig kritisch zu würdigen und auf ihre Aktualität hin ggf durch Sachverständige zu überprüfen (vgl BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 100/12 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 24 RdNr 18; BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 68 f; BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 25/10 R - SozR 4-5671 Anl 1 Nr 4111 Nr 3 RdNr 20; vgl auch BSG vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr 7, RdNr 20; Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17 mwN).

21

Hierbei ist zunächst die Zugrundelegung der Konsensempfehlungen durch das LSG als Orientierungshilfe bei der Beurteilung, ob der Bandscheibenschaden der Klägerin nach dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand durch die festgestellten beruflichen Einwirkungen verursacht wurde, revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden. Denn die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 sind nach wie vor eine hinreichende Grundlage für die Bestimmung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands, wie der Senat zuletzt 2009 klargestellt hat (BSG vom 27.10.2009 - B 2 U 16/08 R - juris RdNr 15). Seitdem wurden zwar in Folge der Veröffentlichung der DWS II Fachaufsätze publiziert, die Zweifel an den Aussagen auch der Konsensempfehlungen äußern. Weder aus der DWS II noch den sonstigen Veröffentlichungen ist jedoch zu entnehmen, dass die Erkenntnisse der Konsensarbeitsgruppe aus dem Jahre 2005 gerade hinsichtlich der hier zugrunde gelegten Befundkonstellation inzwischen veraltet sein könnten. Sofern vertreten wird, dass inzwischen die Ergebnisse der DWS II die wesentlichen Grundannahmen aus den Konsenskriterien widerlegten, etwa weil die bisher angenommenen Einwirkungsgrößen zu hoch seien, die Lokalisation und Häufigkeit der Verteilung von Bandscheibenschäden zu 96 % mit denen der Normalbevölkerung identisch sei, die Auswertungen der DWS II keine deutliche Abhängigkeit der Begleitspondylose von der MDD-Gesamtbelastungsdosis gezeigt habe oder Schäden an der HWS keine Aussagekraft zur Verursachung von LWS-Schäden hätten (M. Kentner und K. Frank, Kommentar zur DWS-Richtwertestudie und Implikationen hinsichtlich BK 2108 - Biomechanik vs. Pathophysiologie, Manuskript, erscheint in ASUMed 8/2015); Linhardt/Grifka, Auswirkungen der Deutschen Wirbelsäulenstudie auf die Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule , MedSach 111 <2015>, 20, 21; Bergmann, Bolm-Audorff, Ditchen, Ellegast, Haerting, Kersten, Jäger, Skölziger, Kuß, Morfeld, Schäfer, Seidler, Luttmann, Lumbaler Bandscheibenvorfall mit Radikulärsyndrom und fortgeschrittene Osteochondrose, ZblArbeitsmed 2014, 233 - 238) handelt es sich erkennbar um wissenschaftliche Einzelmeinungen.

22

Die zitierten Publikationen setzen sich zum einen jeweils inhaltlich nicht mit der grundsätzlichen Kritik an der angewandten Methodik der Nachuntersuchung auseinander (s nur Grosser, Ergebnisse der Konsensusarbeitsgruppe zur Begutachtung der BK 2108 - Status quo und Konsequenzen aus der DWS, in: Grosser/Schiltenwolf/Thomann, Berufskrankheit "Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule" , Frankfurt 2014, S 84 - 104; Zagrodnik, Fragliche Belastungsdosis, DGUV Forum 2014, Nr 7/8 S 10 - 13), zum anderen schöpfen sie ihre Kritik an den Aussagen der Konsensempfehlungen alleine aus den Ergebnissen der DWS II, und wenden sich im Wesentlichen gegen die Bestimmung und Höhe der Einwirkungsgrößen, nicht aber gegen die Grundaussage der Konsensempfehlungen, dass Bandscheibenschäden aufgrund beruflich erworbener Druckbelastungs-Dosen entstehen können. Der Senat verkennt nicht, dass ein wissenschaftlicher Erkenntnisstand auch dadurch erschüttert werden kann, dass grundlegende und fundierte Zweifel seitens der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler diesem den Boden entziehen, ohne dass sich diese in ihrer Mehrheit auf einen neuen Konsens geeinigt hätten. Einzelne Gegenstimmen sind demgegenüber nicht geeignet, einen einmal gebildeten und sich in schriftlichen Beurteilungskriterien manifestierenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu erschüttern, solange nicht die daran beteiligten Autoren in ihrer Mehrheit diesen Konsens in wesentlichen Punkten aufkündigen oder eine (zumindest teilweise) personell anders zusammengesetzte große Mehrheit von mit dieser Materie befassten Fachwissenschaftlern diesem Konsens entgegentritt.

23

b) Sofern das LSG davon ausgeht, dass bei der Klägerin keine Befundkonstellation besteht, für die die Konsensempfehlungen aus dem Jahre 2005 eine Anerkennungsempfehlung aussprechen, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. So wie der erkennende Senat im Recht der BKen nicht gehindert ist, den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu Verursachungszusammenhängen festzustellen, ist er ebenso wenig gehindert, die korrekte Zuordnung des Sachverhalts seitens des Berufungsgerichts unter diesen einschlägigen Erkenntnisstand zu überprüfen. Dies gilt umso mehr, wenn dieser in Konsensempfehlungen verdichtet ist. Bei diesen handelt es sich freilich nicht um einen normativen Text oder ein antizipiertes Sachverständigengutachten, weil die Konsensempfehlungen weder vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber erlassen noch von unabhängigen und der Neutralität verpflichteten Autoren verfasst wurden (P. Becker, ASUMed 2009, 592, 595). Daher sind sie für Verwaltung, Gerichte oder Gutachter auch nicht unmittelbar verbindlich (Siefert, ASR 2011, 45, 48) und es verbietet sich deren Auslegung unter strikter Anwendung der Regeln der juristischen Methodenlehre (vgl Bieresborn, Die Umsetzung der BK 2108 aus sozialrechtlicher Sicht aaO; S 199).Konsensempfehlungen dienen lediglich zur Erleichterung der Beurteilung im Einzelfall, um typische Befundkonstellationen im Hinblick auf die Kausalbeziehungen unter Zugrundelegung des aktuell wissenschaftlichen Erkenntnisstandes einordnen zu können (Duell, Kranig, Palfner, BK-Begutachtungsempfehlungen - Wissen von Experten für Experten, DGUV Forum 2012, Nr 4 S 14, 16). Andererseits muss bei diesem Erkenntnisvorgang überprüfbar bleiben, ob das LSG nach allgemeinem Verständnis den von ihm festgestellten Sachverhalt (noch) vertretbar den in den Konsensempfehlungen aufgeführten Kategorien zugeordnet hat.

24

Nicht zu beanstanden ist im Rahmen des soeben aufgezeigten Prüfumfangs jedenfalls die Aussage des LSG, dass bei der Klägerin keine Befundkonstellation besteht, für die die Konsensempfehlungen eine Anerkennungsempfehlung aussprechen. Für sämtliche B-Konstellationen wird dort vorausgesetzt, dass die (gesicherte) bandscheibenbedingte Erkrankung nach ihrer Lokalisation die Segmente L5/S1 und/oder L4/L5 betrifft und eine Ausprägung als Chondrose Grad II oder höher und/oder als Vorfall hat. Sofern zusätzlich eine Begleitspondylose besteht (Befundkonstellation B1) gilt der Zusammenhang als wahrscheinlich. Liegt hingegen - wie hier nach den bindenden Feststellungen des LSG - keine Begleitspondylose vor, so wird der Zusammenhang nach den Konsensempfehlungen ua dann als wahrscheinlich betrachtet, wenn eine Höhenminderung und/oder ein Prolaps an mehreren Bandscheiben besteht (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich 1. Alt). Alternativ müssen bei nur monosegmentaler/m Chondrose/Vorfall in L5/S1 oder L4/L5 im MRT in mindestens zwei angrenzenden Segmenten "black discs" vorliegen (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich, 2. Alt). Als weitere Alternativen genügt für die Konstellation B2 entweder das Bestehen einer besonders intensiven Belastung, wobei hierfür als "Anhaltspunkt" das Erreichen des "Richtwertes für die Lebensdosis" in weniger als 10 Jahren (Befundkonstellation "B2" 2. Spiegelstrich), oder ein besonderes Gefährdungspotenzial durch hohe Belastungsspitzen, wofür als "Anhaltspunkt" das Erreichen der Hälfte des "MDD-Tagesdosis-Richtwertes" durch hohe Belastungsspitzen (Frauen ab 4 1/2 kN) verlangt wird (Befundkonstellation "B2" 3. Spiegelstrich). Nach den bindenden, weil nicht mit zulässigen Rügen angegriffenen Feststellungen des LSG liegen die tatsächlichen Voraussetzungen keiner dieser Alternativen der Befundkonstellation B2 vor. Insbesondere hat das LSG bei fehlender Begleitspondylose lediglich einen - keinesfalls ausreichenden - monosegmentalen Befund sowie das Fehlen von black discs in zwei benachbarten Segmenten festgestellt. Es kommt daher für den vorliegenden Fall nicht darauf an, ob als "Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben" (Befundkonstellation "B2" 1. Spiegelstrich, 1. Alt) auch ein bisegmentaler Befund ausreichen würde (so LSG Sachsen vom 21.6.2010 - L 2 U 170/08 LW - juris, das Gegenstand des Urteils des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - ist; anders Hessisches LSG vom 27.3.2012 - L 3 U 81/11 - juris). Auch kommt es im vorliegenden Fall nicht darauf an, ob im Rahmen der Anwendung der Befundkonstellation B2 2. Spiegelstrich für die dort erwähnte "Lebensdosis" das Erreichen der hälftigen MDD-Dosis genügt (vgl ebenfalls das Urteil des erkennenden Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, in dem der Senat im Ergebnis die dahingehende Interpretation der Konsensempfehlungen durch das LSG als nicht offensichtlich falsch angesehen hat).

25

Das LSG hat freilich im vorliegenden Fall für den Senat bindend (§ 163 SGG) eine Belastung durch schweres Heben und Tragen innerhalb von 10 Jahren von maximal 8,42 MNh und damit nur iHv 49,53 % des nach dem MDD angenommenen Richtwertes für die Lebensdosis bei Frauen festgestellt, womit selbst der hälftige MDD-Wert nicht erreicht wurde. Anhaltspunkte dafür, dass auf Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands die rechtlich wesentliche Verursachung eines monosegmentalen Bandscheibenprolaps im Segment L5/S1 durch die in der BK 2108 genannten Einwirkungen bei Erreichen einer Gesamtbelastungsdosis iHv 8,42 MNh in einem Zeitraum von 10 Jahren ohne die sonstigen Zusatzerfordernisse der B2-Konstellation als hinreichend wahrscheinlich angenommen werden könnte, sind dem Senat nicht bekannt. Das LSG ist jedenfalls diesbezüglich bei Anwendung der Konsensempfehlungen weder von einem erkennbar falschen medizinischen Erfahrungssatz ausgegangen, noch hat es einen dem Senat bekannten oder vorgetragenen vorhandenen Erfahrungssatz nicht angewandt, als es unter Zugrundelegung der B3-Konstellation das Vorliegen einer mit einer Anerkennungsempfehlung konsentierten Befundkonstellation nach den Konsensempfehlungen verneint hat (vgl hierzu insbesondere das Urteil des Senats vom 23.4.2015 - B 2 U 10/14 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, sowie BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 27).

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c) Soweit die Klägerin allerdings geltend macht, das LSG habe bei der Ablehnung des Ursachenzusammenhangs die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) überschritten, weil es davon ausgegangen ist, bei Vorliegen der Konstellation B3 spreche deutlich mehr gegen als für den Zusammenhang zwischen beruflicher Belastung und bandscheibenbedingter Erkrankung, hat sie zulässig und zutreffend die Anwendung eines nicht existierenden Erfahrungssatzes gerügt. Ein solcher Erfahrungssatz, wie ihn das LSG angenommen hat, ist nicht allgemeinkundig oder dem Senat gerichtsbekannt. Soweit weder eine Begleitspondylose noch eines der zuvor genannten Zusatzkriterien der Konstellation B2 vorliegen und keine konkurrierenden Faktoren erkennbar sind, war die Einschätzung des Zusammenhangs durch die Arbeitsgruppenteilnehmer der Konsensarbeitsgruppe offensichtlich unterschiedlich und es wurde folglich auch keine Anerkennungsempfehlung ausgesprochen (U. Bolm-Audorff et al, Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S 211, 221 f).Dieser fehlende Konsens in der Arbeitsgruppe kann aber nicht so gedeutet werden, dass damit eine Anerkennung des Verursachungszusammenhangs im Einzelfall unmöglich wäre. Zwar wird die Schlussfolgerung des LSG häufig zutreffen, jedoch ist die vom LSG zugrunde gelegte generelle Aussage wissenschaftlich nicht belegt, so dass es im Einzelfall nicht ausgeschlossen und dementsprechend jeweils erst im Rahmen der Amtsermittlung festzustellen ist, ob individuelle, dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entsprechende Umstände vorliegen, die im konkreten Einzelfall den Ursachenzusammenhang als hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen(BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 52). Dies lässt sich anhand der tatsächlichen Feststellungen des LSG indes nicht beurteilen, das - von seiner Rechtsansicht her konsequent - die Ermittlungen bereits mit der Bejahung der Konstellation B3 beendet hat. Das LSG wird daher erst zu ermitteln haben, ob es einen nach dem neuesten Stand der medizinischen Wissenschaft anerkannten Erfahrungssatz gibt, nach dem isolierte Bandscheibenvorfälle ohne die in der Konstellation B2 genannten Zusatzkriterien durch schweres Heben und Tragen verursacht werden können.

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3. Für den Fall, dass ein solcher Erfahrungssatz feststellbar ist, wird das LSG auch weitere Feststellungen dazu treffen müssen, ob die erforderliche Regelmäßigkeit der Einwirkungen gegeben ist. Die von der Klägerin während ihrer Berufstätigkeit ausgeführten Hebe- und Tragevorgänge erfolgten in der Regel bei saisonbedingten Anpflanzungstätigkeiten, ohne dass sich der zeitliche Umfang bzw die Häufigkeit dieser Tätigkeiten den Urteilsgründen entnehmen lässt. Die Regelmäßigkeit der Einwirkung durch Heben und Tragen bzw Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ist kein geschriebenes Tatbestandsmerkmal der BK 2108, sondern lässt sich als Bestandteil der arbeitstechnischen Voraussetzungen dem Merkblatt 2006 (BArbBl 2006 Nr 10, S 30 ff, Abschnitt IV) entnehmen. Hintergrund ist, dass bei nicht regelmäßiger Belastung den Bandscheiben genügend Zeit zur Regeneration bleibt und deshalb keine Ursächlichkeit zwischen Druckbelastung und Schädigung besteht. Hierfür reicht es aber aus, dass die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten in der ganz überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten erfolgten, ohne dass eine genaue Zeitgrenze pro Arbeitsschicht genannt werden kann. Vorausgesetzt wird, dass der Betroffene mindestens 60 Schichten im Jahr mit relevanter Wirbelsäulenbelastung ausgesetzt war. Wie bei der Belastungsdauer können geringere oder fehlende Einwirkungen in einer Arbeitsschicht durch stärkere oder länger dauernde Belastungen in anderen Schichten ausgeglichen werden (zum Verzicht auf eine Mindesttagesdosis bei BK 2108 auch BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R - BSGE 99, 162 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2108 Nr 5, RdNr 24; Römer in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 08/2012, Anh zu K § 9 Anl zu BKV BK Nr 2108 - 2110 RdNr 11a, sowie zur BK 2109: BSG vom 4.7.2013 - B 2 U 11/12 R - BSGE 114, 90 = SozR 4-5671 Anl 1 Nr 2109 Nr 1, RdNr 15). In tatsächlicher Hinsicht hat das LSG insoweit nur festgestellt, dass die wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten im genannten Umfang insbesondere bei Anpflanzungsarbeiten an der Autobahn erfolgt sind. Insoweit wird das LSG ggf die Feststellung nachzuholen haben, ob diese Anpflanzungsarbeiten mindestens 60 Schichten umfassten, oder ob die Klägerin weitere diesen Kriterien entsprechende wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten ausführte.

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Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.