Bundessozialgericht Urteil, 14. Feb. 2018 - B 14 AS 17/17 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:140218UB14AS1717R0
bei uns veröffentlicht am14.02.2018

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 2017 aufgehoben und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 10. Februar 2014 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu zwei Dritteln, im Übrigen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind - nach einem Teilvergleich der Beteiligten im Termin vor dem Senat - höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Kläger im Januar und Februar 2011.

2

Die miteinander verheirateten Kläger lebten gemeinsam mit ihrem unverheirateten 21-jährigen Sohn in einer nur von ihnen gemieteten Wohnung. Alle drei bezogen zunächst als Bedarfsgemeinschaft Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom beklagten Jobcenter. Nachdem der Sohn ein Gewerbe angemeldet hatte, war er vom Beklagten vergeblich zur Abgabe einer Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit aufgefordert worden. Wegen fehlender Mitwirkung des Sohns versagte der Beklagte zunächst allen dreien Leistungen ab Oktober 2010 (Bescheid vom 29.9.2010). Auf die Widersprüche der Kläger hiergegen bewilligte er ihnen vorläufig Alg II (Bescheid vom 15.10.2010 für die Zeit vom 1.10.2010 bis 31.3.2011, Änderungsbescheide vom 10.2.2011 und 26.3.2011). Dabei berücksichtigte der Beklagte bei den Leistungen für Unterkunft und Heizung weiterhin nur den jeweiligen Kopfteil der Kläger an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, nicht den "fehlenden" Kopfteil ihres Sohns. Deren hiergegen erhobene Widersprüche, mit denen sie höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für sich wegen der Leistungsversagung gegenüber ihrem Sohn begehrten, blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 30.3.2011). Für Januar und Februar 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern abschließend Alg II (Änderungsbescheid vom 31.3.2011), erneut ohne Berücksichtigung des Kopfteils des Sohns als Bedarf der Kläger. Seit März 2011 leben die Kläger ohne ihren Sohn in einer anderen Wohnung.

3

Die auf Übernahme der tatsächlichen Unterkunftsaufwendungen gerichteten Klagen hat das SG abgewiesen (Urteil vom 10.2.2014). Auf die Berufungen der Kläger hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und den Beklagten verurteilt, den Klägern weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu bewilligen (Urteil vom 9.2.2017): Deren Anspruch auf Leistungen für die tatsächlichen, angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sei nicht durch das Kopfteilprinzip begrenzt. Zur Vermeidung einer Bedarfsunterdeckung sei wie bei einem Wegfall der Leistungen für Unterkunftsaufwendungen im Rahmen von Sanktionen (§§ 31 ff SGB II; Hinweis auf BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68) auch bei einer Versagung wegen fehlender Mitwirkung (§ 66 SGB I) eine Abweichung vom Kopfteilprinzip erforderlich.

4

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Entgegen der Auffassung des LSG sei die Rechtsprechung des BSG zur Abweichung vom Kopfteilprinzip bei Sanktionen vorliegend nicht auf die Versagung übertragbar, denn wegen seiner fehlenden Mitwirkung sei ungewiss, ob der Sohn seinen Kopfteil an den Unterkunftsaufwendungen aus eigenem Einkommen habe tragen können.

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Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. Februar 2017 aufzuheben und die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 10. Februar 2014 zurückzuweisen.

6

Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet und das Urteil des LSG ist aufzuheben. Auf die Revision des Beklagten sind die Berufungen der Kläger gegen das Urteil des SG zurückzuweisen (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG), weil ihnen kein Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zusteht.

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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind das Urteil des LSG, das auf die Berufungen der Kläger das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten zur Bewilligung weiterer Leistungen verurteilt hat, und das klageabweisende Urteil des SG, dessen Wiederherstellung der Beklagte durch Zurückweisung der Berufungen der Kläger erstrebt. Mit ihren Klagen begehren die Kläger höhere als die ihnen zuletzt bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II(zur Zulässigkeit der Beschränkung des Streitgegenstands auf die Leistungen nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vgl nur BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10 ff). Streitiger Zeitraum ist nach dem Teilvergleich der Beteiligten vor dem Senat nur noch Januar und Februar 2011.

9

Gegenstand des Verfahrens ist insoweit allein der Bescheid vom 31.3.2011, durch den der Beklagte trotz seiner Bezeichnung als Änderungsbescheid für Januar und Februar 2011 eine abschließende Entscheidung über Alg II getroffen hat (zur Auslegung eines Änderungsbescheids als "abschließende Entscheidung" vgl BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 26; BSG vom 5.7.2017 - B 14 AS 36/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 3 RdNr 14), die die letzte vorläufige Entscheidung für diese Monate durch Änderungsbescheid vom 26.3.2011 nach Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30.3.2011 und noch vor Klageerhebung ersetzte und erledigte (§ 96 Abs 1 SGG, § 39 Abs 2 SGB X; vgl BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 54/15 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 3 RdNr 14; BSG vom 5.7.2017 - B 14 AS 36/16 R - SozR 4-1500 § 86 Nr 3 RdNr 15; zur Einbeziehung auch von Bescheiden zwischen Erlass des Widerspruchsbescheids und Klageerhebung vgl Klein in jurisPK-SGG, 2017, § 96 RdNr 22; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 96 RdNr 2, 3a).

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2. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die für Januar und Februar 2011 mit den insoweit statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG) begehrten höheren Leistungen für Unterkunft und Heizung unter Abweichung vom Kopfteilprinzip.

11

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs der Kläger, die nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG die Grundvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, aber keinen Ausschlusstatbestand erfüllten und in Bedarfsgemeinschaft miteinander lebten, ist § 19 Abs 1 Satz 1 und 3 iVm § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II(in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453; Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 14 f). Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

12

3. Nach den Feststellungen des LSG waren die tatsächlichen Aufwendungen für die (auch) von den Klägern genutzte Wohnung angemessen und sind vom Beklagten in voller Höhe im Bescheid vom 31.3.2011 als Bedarf anerkannt sowie der Berechnung des Leistungsanspruchs zugrunde gelegt worden. Indes lebten die beiden Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht allein in der Wohnung, sondern gehörte dem Haushalt als Dritter ihr gemeinsamer volljähriger, unter 25 Jahre alter Sohn an, weshalb ihnen als ihre beiden Kopfteile zu Recht nur zwei Drittel der gesamten Unterkunftsaufwendungen bewilligt worden sind. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG ist vorliegend von dem hinter dieser Aufteilung der Unterkunftsaufwendungen stehenden Kopfteilprinzip nicht deshalb zugunsten der Kläger abzuweichen, weil ihrem Sohn wegen dessen fehlender Mitwirkung bei der Einkommensprüfung Leistungen versagt worden sind.

13

a) Das im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II anzuwendende Kopfteilprinzip zielt bei der gemeinsamen Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen auf die grundsicherungsrechtliche Zuweisung individueller Bedarfe für alle Personen. Danach werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht nur für Personen anerkannt, soweit diese zu Zahlungen für Unterkunft und Heizung schuldrechtlich gegenüber Dritten verpflichtet sind, während für rechtlich hierzu nicht Verpflichtete keine Bedarfe anerkannt werden. Vielmehr soll durch die Aufteilung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Kopfteilen für alle gemeinsam eine Wohnung nutzenden Personen die Zuweisung eines individuellen Bedarfs für Unterkunft und Heizung in grundsätzlich gleicher Höhe erreicht werden (vgl dazu und zu den Folgen für den individuellen Leistungsanspruch insbesondere von Kindern Harich in jurisPR-SozR 17/2013 Anm 1).

14

b) Diese bedarfsbezogene Herleitung ist prägend für die Rechtsprechung des BSG zur Anwendung des Kopfteilprinzips im SGB II wie auch zu dessen Ausnahmen (zur Rechtsprechung des BVerwG, an die das BSG anknüpfte, vgl BVerwG vom 21.1.1988 - 5 C 68.85 - BVerwGE 79, 17).

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Nach dieser sind die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung ohne Rücksicht darauf, wen insoweit die vertraglichen Zahlungsverpflichtungen treffen, im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn die leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere mit anderen Familienangehörigen, nutzt, und es gilt dies unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Die individuelle Bedarfszuweisung nach Kopfteilen ist verwaltungspraktikabel und folgt der Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (stRspr seit BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28 f; vgl nur BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 18; BSG vom 22.8.2013 - B 14 AS 85/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 71 RdNr 20 ff; BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 50/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 82 RdNr 16; zur Anwendung des Prinzips auch bei Nachforderungen für Unterkunft und Heizung und selbst nach Auszug: BSG vom 30.3.2017 - B 14 AS 13/16 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 92 RdNr 16; anders, wenn der Nutzung andere bindende vertragliche Regelungen zugrunde liegen: BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 63 RdNr 25 ff; BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 161/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 66 RdNr 16; zur Kritik am Kopfteilprinzip vgl Schürmann, SGb 2010, 166; zur vom Kopfteilprinzip abweichenden Aufteilung beim Kinderzuschlag nach § 6a BKGG vgl BSG vom 9.3.2016 - B 14 KG 1/15 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 6 RdNr 23 ff).

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c) Bei der Bedarfszuweisung durch Aufteilung der Aufwendungen nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzend festgeschrieben ist(BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 19; BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 50/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 82 RdNr 17). Demgemäß hat das BSG schon mehrfach Abweichungen vom Kopfteilprinzip als möglich und notwendig angesehen (vgl BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 20 mwN; BSG vom 18.11.2014 - B 4 AS 3/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 80 RdNr 27 f).

17

d) In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der 4. Senat des BSG für den Sonderfall, dass bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion nach §§ 31 ff SGB II die Leistungen für Unterkunft und Heizung weggefallen sind, eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hinsichtlich der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder aus bedarfsbezogenen Gründen bejaht. Diese könnten nicht darauf verwiesen werden, von einem Dritten seinen Anteil zu verlangen, wenn das Jobcenter mit bestandskräftigem Bescheid den vollständigen Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung verfügt und der Dritte auch kein Einkommen oder Vermögen habe, aus dem er seinen Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestreiten könne (BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 14, 21 f). Dem hat sich der erkennende Senat angeschlossen (BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 50/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 82 RdNr 19).

18

Diese Abweichung vom Kopfteilprinzip und die aus ihr folgende Erhöhung der Einzelansprüche auf Leistungen für Unterkunft und Heizung setzt voraus, dass sie aus bedarfsbezogenen Gründen geboten ist (BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 21 f; BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 50/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 82 RdNr 14). Verfügt das dritte Bedarfsgemeinschaftsmitglied, für das Leistungen für Unterkunftsaufwendungen nicht erbracht werden, über Einkommen oder Vermögen, aus dem es seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann, ist insoweit eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen nicht geboten, denn es ist nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wirtschaftlich leistungsfähigen Dritten ein kostenfreies Wohnen zu ermöglichen (BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 50/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 82 RdNr 14, 22).

19

Zur Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens des Dritten ist auf §§ 11 ff SGB II abzustellen, weil nur in Höhe der Differenz zwischen seinem Kopfteil und des von ihm einzusetzenden Einkommens oder Vermögens ein ungedeckter Bedarf vorliegt, der eine entsprechende Abweichung vom Kopfteilprinzip und höhere Leistungen an die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus den genannten bedarfsbezogenen Gründen rechtfertigt(BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 50/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 82 RdNr 23).

20

e) Aufgrund des Versagungsbescheids des Beklagten vom 29.9.2010 sind dem Sohn der Kläger zwar im Januar und Februar 2011 keine Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht worden. Doch war nach den Feststellungen des LSG Anlass hierfür dessen fehlende Mitwirkung bei der Prüfung, ob und ggf in welchem Umfang er über zu berücksichtigendes Einkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit verfügte. Aufgrund dieser fehlenden, nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG zudem nicht nachgeholten Mitwirkung ist ungewiss, ob überhaupt und ggf in welchem Umfang der Kopfteil des Sohns bei einer Abweichung vom Kopfteilprinzip bei den Klägern zu berücksichtigen sein könnte, ob und ggf inwieweit bei ihnen also ein ungedeckter Bedarf verblieben ist (vgl zum Kindergeld des sanktionierten volljährigen Kindes BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 50/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 82 RdNr 24).

21

f) Diese Ungewissheit über die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II bei Versagungen nach § 66 SGB I wegen fehlender Mitwirkung bei der Feststellung zu berücksichtigenden Einkommens rechtfertigt, anders als beim durch das Jobcenter verfügten Wegfall des Anspruchs auf Leistungen für Unterkunftsaufwendungen nach §§ 31 ff SGB II, keine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen. Ist die Hilfebedürftigkeit eines dritten Haushaltsmitglieds, bei deren Vorliegen dessen Kopfteil als Bedarf anerkannt und übernommen würde, ungeklärt, lässt dies den Bedarf der anderen Mitglieder unberührt. Dies unterscheidet Versagungen von Sanktionen, weil aufgrund dieser vorübergehend trotz Hilfebedürftigkeit des Dritten dessen Bedarf für Unterkunft und Heizung nicht übernommen wird. Die Folgen des "fehlenden" Kopfteils für die anderen Mitglieder des Haushalts aufgrund einer Versagung gegenüber einem dritten Mitglied, weil dieses die ua in §§ 60 ff SGB I iVm § 9 und §§ 11 ff SGB II zum Ausdruck kommenden Verhaltenserwartungen nicht erfüllt, sind nicht durch höhere Einzelansprüche der anderen Haushaltsmitglieder auszugleichen(dazu im Einzelnen 4. und 5.).

22

4. Dies gilt auch dann, wenn die Mitglieder des Haushalts mit dem Dritten, ist dieser hilfebedürftig, eine Bedarfsgemeinschaft bilden würden. Werden die mit dem Konzept der Bedarfsgemeinschaft im SGB II verbundenen rechtlichen Erwartungen nicht erfüllt, "funktioniert" die Bedarfsgemeinschaft nicht (zum Begriff "funktionierende" Bedarfsgemeinschaft vgl BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 15; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10, RdNr 41; BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 48; zum Begriff "nicht-funktionierende" Bedarfsgemeinschaft vgl Peters in Estelmann, SGB II, § 9 RdNr 62, Stand März 2016; jeweils zur Frage der Verteilung der Mittel in der Bedarfsgemeinschaft). Mit dem Konzept der Bedarfsgemeinschaft im SGB II als typisierte Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft ist verbunden, dass die häusliche familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein kann, weil anzunehmen ist, dass deren Mitglieder in besonderer Weise füreinander einstehen und bereit sind, ihren Lebensunterhalt auch jenseits zwingender rechtlicher Verpflichtungen gegenseitig zu sichern (vgl BVerfG vom 27.7.2016 - 1 BvR 371/11 - BVerfGE 142, 353 RdNr 53, 63; zu den Anforderungen an einen Haushalt von Eltern mit einem volljährigen Kind als eine Bedarfsgemeinschaft vgl BSG vom 14.3.2012 - B 14 AS 17/11 R - BSGE 110, 204 = SozR 4-4200 § 9 Nr 10, RdNr 23 ff). Werden diese rechtlichen Erwartungen tatsächlich nicht erfüllt, führt dies grundsätzlich nicht zu höheren Leistungsansprüchen für einzelne Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Doch berechtigt dies zur Auflösung des gemeinsamen Haushalts und damit der Bedarfsgemeinschaft, selbst wenn das im Einzelfall zu höheren individuellen Leistungsansprüchen führen kann (vgl dazu BVerfG, aaO, RdNr 64 ff; BSG, aaO, RdNr 30). Hierbei kommt auch die Inanspruchnahme der Beratung und Unterstützung durch das Jobcenter, insbesondere in den Fällen eines Eltern-Kind-Konflikts, in Betracht (vgl dazu Breitkreuz in BeckOK, SGB II, § 22 RdNr 8b, Stand September 2017).

23

Dies gilt auch vorliegend: Würde der Sohn der Kläger über seinen Bedarf deckendes Einkommen verfügt haben, wäre er nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II nicht Mitglied ihrer Bedarfsgemeinschaft gewesen, gleichwohl aber Mitglied des gemeinsamen Haushalts, weshalb die Kläger weiterhin nur einen Anspruch auf zwei Drittel der Unterkunftsaufwendungen gehabt hätten - soweit dem aufgrund der Einkommenshöhe nicht die Vermutung nach § 9 Abs 5 SGB II entgegen gestanden hätte, dass sie Leistungen vom Sohn erhalten. Würde dieser nicht oder nur teilweise über seinen Bedarf deckendes Einkommen verfügt haben, wäre er nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Kläger gewesen und hätten diese einen Anspruch auf ihre beiden Kopfteile der Unterkunftsaufwendungen gehabt. Würde in der ersten Konstellation der dem Haushalt angehörige, nicht hilfebedürftige Sohn seinen Kopfteil aus Einkommen nicht beigetragen haben, hätte dies den Leistungsanspruch der hilfebedürftigen Kläger nicht erhöht. Soweit der Sohn selbst bei Hilfebedürftigkeit in der zweiten Konstellation wegen der Versagung seinen Kopfteil aus Leistungen nicht beigetragen hat, ändert auch dies nichts am Anspruch der Kläger nur auf ihre Kopfteile. Auf den "fehlenden" Kopfteil, wenn dessen Tragung durch den Sohn aus Einkommen oder aus Leistungen nicht erreicht werden kann, ist in der einen wie der anderen Konstellation nicht durch höhere Leistungen für die Kläger zu reagieren. Das LSG musste deshalb auch keine Ermittlungen hinsichtlich des Einkommens des Sohns anstellen.

24

5. Die Ablehnung eines höheren Anspruchs der Kläger auf Leistungen für Unterkunft und Heizung in Abweichung vom Kopfteilprinzip steht weder im Widerspruch zur dargestellten Rechtsprechung des BSG, die vorübergehend höhere Ansprüche bei Sanktionen gegenüber Bedarfsgemeinschaftsmitgliedern unter bestimmten Voraussetzungen zuerkannt hat, noch zur Rechtsprechung des Senats, nach der vom Kopfteilprinzip abzuweichen ist, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt, der auch zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a SGB II führt(Ortsabwesenheit eines Bedarfsgemeinschaftsmitglieds: BSG vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 19; im Pflegeheim lebendes Bedarfsgemeinschaftsmitglied: BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 71/12 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 12 RdNr 23).

25

Der Hintergrund für diese vom Kopfteil als Maßstab für die Aufteilung der Unterkunftsaufwendungen bestehenden Ausnahmen ist die Sicherung des Grundbedürfnisses Wohnen, die in diesen Fällen nur über Ansprüche der jeweiligen leistungsberechtigten Person sichergestellt werden kann (BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 40/15 R - SozR 4-1500 § 75 Nr 24 RdNr 43). So liegt es vorliegend indes nicht. Denn in den streitigen Monaten lebte der Sohn der Kläger weiterhin mit diesen in einem Haushalt und nutzte gemeinsam mit ihnen die Wohnung, die seinen aktuellen Unterkunftsbedarf deckte, und bei nachgewiesener Hilfebedürftigkeit in diesen Monaten konnte sein aktueller anteiliger Unterkunftsbedarf durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II sichergestellt werden. Die Erbringung dieser Leistungen war zudem trotz der Versagung noch durch Nachholung der Mitwirkung erreichbar (§ 67 SGB I).

26

6. Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger aus anderen Gründen als einer Abweichung vom Kopfteilprinzip Anspruch auf höhere als die ihnen bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung haben könnten, lassen sich weder den Feststellungen des LSG noch dem Vorbringen der Beteiligten entnehmen. Insbesondere lässt sich den ungerügt gebliebenen Feststellungen des LSG nicht entnehmen, dass der gemeinsamen Nutzung der Wohnung durch die Kläger und ihren Sohn bindende vertragliche Regelungen zwischen den Familienmitgliedern zugrunde lagen, die für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip streiten könnten.

27

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG. Der Teilkostenerstattung für das Widerspruchsverfahren liegt zugrunde, dass der Beklagte zunächst auch gegenüber den Klägern wegen fehlender Mitwirkung ihres Sohns Leistungen ganz versagt hatte, weshalb die auf deren Widersprüche hiergegen ergangene Leistungsbewilligung eine Teilabhilfe ist (vgl § 63 SGB X).

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Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 wird in der Hauptsache klarstellend dahingehend berichtigt, dass der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 jeweils weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 87,75 Euro zu erbringen sind.

Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009.

2

Die Klägerin zu 1 (geb 1960) sowie die mit ihr zusammenlebenden Söhne A (geb 1994), Kläger zu 2, und D (geb 1987 <22 Jahre>; im Folgenden: D) bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die KdU, welche der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf 526,50 Euro monatlich (Kaltmiete in Höhe von 406,50 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Hausmeisterpauschale in Höhe von 12 Euro, SAT-Antennenpauschale in Höhe von 8 Euro). Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1 und ihren Söhnen als Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009. Unter Berücksichtigung eines geringen Einkommens der Klägerin zu 1 aus Beschäftigung sowie des Kindergeldes bewilligte er jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die KdU übernahm er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den "Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU in Höhe von 175,50 Euro (Bescheid vom 13.10.2008). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er dem Sohn D die SGB II-Leistungen wegen des Abbruchs einer Bildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 vollständig (bestandskräftiger Bescheid vom 6.1.2009).

3

Für den bewilligten Zeitraum errechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen mehrfach neu (Bescheide vom 6.1., 1.2., 18.2. und 18.3.2009) und setzte den auf D entfallenden KdU-Anteil für die Monate Februar bis April 2009 mit "0 Euro" fest. Mit dem von den Klägern (erstmals) mit Widerspruch angefochtenen weiteren Bescheid vom 2.4.2009 bewilligte er die SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 und der Sanktion für D für den streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 erneut (dabei ergab sich für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 jeweils ein verbleibender Betrag an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; KdU wurden in bisheriger Höhe übernommen; für D entfielen wegen des "Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen" die KdU vollständig). Den Widerspruch, mit dem die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 den Wegfall des KdU-Anteils für D beanstandeten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009).

4

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere KdU-Leistungen in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 16.8.2010). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der von den Klägern angefochtene Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 sei ein sogenannter Zweitbescheid, der ungeachtet der zuvor über denselben Gegenstand getroffenen bestandkräftigen Regelungen erneut den Rechtsweg eröffnet habe. Der Beklagte habe spätestens im Widerspruchsbescheid erneut über die den Klägern zustehende KdU entschieden. Er habe hervorgehoben, dass er die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion und auf die Höhe der KdU für die Kläger als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut und intensiv geprüft habe. Hierbei habe er sich bewusst dafür entschieden, den durch die Sanktion entstandenen KdU-Anteil der Bedarfsgemeinschaft als Ausfall zuzuordnen. Auf die Inhalte der ab 6.1.2009 ergangenen Bescheide und deren (fragliche) Bekanntgabe komme es daher nicht an. Für die Zeit vom 1.2. bis zum 30.4.2009 bestehe ein Anspruch der Kläger auf Übernahme des jeweils hälftigen KdU-Anteils ohne Abzug des Kopfanteils für D. Es könne offen bleiben, ob D im streitigen Zeitraum noch Mitglied der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Für eine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung fehle es an einer Kostensenkungsaufforderung. Selbst wenn man eine solche als bereits mit den ab 1.6.2009 erteilten Bescheiden verbundene ansehe, fehle eine zeitliche Vorgabe zur Reduzierung. Auch sei es nur bei einer absehbar längerfristigen und endgültigen Veränderung in der Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft für die verbliebenen Mitglieder möglich und zumutbar, die Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung durch nur zwei Personen anzupassen. Seien die KdU-Aufwendungen daher angemessen oder als unangemessene Kosten zu übernehmen und habe die Bedarfsgemeinschaft fortbestanden, stehe der Anrechnung eines "fiktiven" Kopfanteils entgegen, dass die (tatsächlichen) Aufwendungen der Kläger nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setze voraus, dass der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Der anteilige Wegfall bei der Übernahme der Wohnungsaufwendungen führe zu einer (vorübergehenden) Unterdeckung eines bisher durch die gemeinsame Nutzung der Wohnung gedeckten Bedarfs. Dann bestehe ein Anspruch auf Tragung der tatsächlichen bzw angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch den SGB II-Träger, weil die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der KdU im Außenverhältnis unverändert fortbestehe. Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung unangemessener KdU. Während eine Sanktion rasch umgesetzt werden müsse, werde bei der Senkung der KdU eine Zeitspanne eingeräumt, um dem konkreten Wohnbedarf in seinen rechtlichen wie tatsächlichen Aspekten Rechnung zu tragen.

5

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es bestehe kein Anlass für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs. Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Wegen der Höhe der durch die Sanktion entstehenden Mietschulden bestehe in der Regel kein Kündigungsgrund. In vergleichbaren Fallkonstellationen werde die Aufteilung der KdU nach Kopfteilen auf die Nutzer der Wohnung ausnahmslos bestätigt ("fiktiver" Kopfanteil), obwohl auch dort das Argument hinsichtlich der Außenwirkung zum Vermieter und möglicher Wohnungslosigkeit greife. Das angefochtene Urteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise "ins Leere laufe".

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie führen aus, die Aufteilung nach Kopfteilen sei nicht wegen einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung, sondern deshalb gerechtfertigt, weil der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Eine strikte Anwendung des Kopfteilprinzips führe dazu, dass die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in "sippenhaftähnlicher Weise" für ein Fehlverhalten eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft haften würden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum jeweils Anspruch auf höhere Aufwendungen für KdU in der zuerkannten Höhe haben.

10

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009, mit dem der Beklagte KdU für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 weiterhin nur in Höhe der bisher zuerkannten Leistungen von je 175,50 Euro bewilligt hat. Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert. Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie. Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers zudem im Bescheid vom 2.4.2009 in einem selbstständigen Verfügungssatz geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 12).

11

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid vom 2.4.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 zurecht mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Wegen des sanktionsbedingten Wegfalls der KdU für D im streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 ist ihr Begehren auf höhere KdU gerichtet, als diese in den vorangegangenen Bescheiden für den streitigen Zeitraum jeweils bewilligt wurden. Das LSG hat zurecht angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 um einen Zweitbescheid handelte, mit dem der Beklagte die Individualansprüche für den streitigen Zeitraum erneut und in vollem Umfang überprüfbar geregelt hat. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 können jeweils höhere Leistungen in der von den Vorinstanzen angenommenen Höhe beanspruchen. Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass kein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft oder Teilen der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert, sondern Anspruchsinhaber jeweils - individuell - die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Mit dem Bescheid vom 2.4.2009 hat der Beklagte - in getrennt zu betrachtenden Verfügungen - Einzelansprüche der Klägerin zu 1 und ihrer beiden Söhne bewilligt. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist daher dahin zu korrigieren, dass der ausgeurteilte Gesamtbetrag in Höhe von 175,50 Euro jeweils anteilig auf die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 verteilt wird.

12

Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insofern haben sie keine Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, mit dem das SG ausdrücklich nur weitere KdU zugesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Bewilligungsbescheiden gleichfalls geregelte Höhe der Regelleistung sowie die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1, das schon ihren eigenen Regelbedarf nicht deckte, nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Bei den KdU handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

13

2. Die materielle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche Änderung vor (Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 60). Eine Änderungswirkung zugunsten des Berechtigten liegt vor, wenn die Änderung nach objektiver Betrachtungsweise "per saldo" einen Vorteil bewirkt (BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19).

14

Dies ist hier ausgehend von den Individualansprüchen der Kläger zu 1 und 2 auf SGB II-Leistungen der Fall. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 13.10.2008 und den weiteren Änderungsbescheiden zugrundelagen, mit denen der Beklagte den Klägern jeweils 175,50 Euro als KdU bewilligte, ist eine Änderung eingetreten, weil sie für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 Ansprüche auf weitere KdU-Leistungen in Höhe von 87,75 Euro hatten. Bezogen auf die Kläger zu 1 und 2 wird durch den tatsächlichen Wegfall des bisher an den Vermieter direkt überwiesenen KdU-Anteils für D auf der Grundlage der Kürzung des Individualanspruchs des D durch den Bescheid vom 2.4.2009 zeitgleich eine wesentliche Änderung bewirkt, weil bei ihnen ein höherer Bedarf an KdU entstand, den sie nicht durch Einkommen oder Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft decken konnten. Dieser Sonderfall rechtfertigt eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip".

15

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen notwendigen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach vorlagen. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass sie zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehörten und dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU hatten. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Die im Jahre 1960 geborene Klägerin zu 1 war erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II aber noch nicht erreicht(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Der 1994 geborene Kläger zu 2 lebte mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft, beide waren hilfebedürftig, der Kläger zu 2 verfügte - mit Ausnahme des Kindergeldes - über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, die Klägerin zu 1 erzielte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nur das berücksichtigte Einkommen, welches schon ihren eigenen Bedarf nicht deckte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II).

16

4. a) Die Kläger können in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 die Übernahme der KdU in tatsächlicher Höhe und jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs 1 S 1 SGB II beanspruchen.

17

Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Von § 22 Abs 1 S 1 SGB II erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 15 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 15).

18

b) Von den tatsächlichen und - mit den Überlegungen des LSG - zumindest als angemessenen zu unterstellenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum in Höhe von 526,50 Euro ist nicht der auf D entfallende Anteil an den KdU abzuziehen. Zwar sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

19

Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdU begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.

20

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat, wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar" und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des Hilfebedürftigen oder eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4, RdNr 19 "Sonderfälle"). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat der 14. Senat des BSG bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12, RdNr 19). Weiter haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; vgl hierzu auch Frank in GK-SGB II § 22 RdNr 19, Stand März 2010).

21

c) Hier sind die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen gegeben, die auch bei gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen können (vgl zur Übernahme der KdU bei vorübergehender Ortsabwesenheit eines Partners: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42).

22

Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des vollständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlangen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009 sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminimums zuständige Träger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung in angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall, weil auch der minderjährige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betreffenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden KdU-Anteil während des Sanktionszeitraums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Klägerin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu 2 eingetreten war.

23

d) Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen. Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen nicht erst besteht, wenn eine Kündigung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) individuellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).

24

Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde, kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig entfallen, weil auch der Regelbedarf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.

25

Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren(zu einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Staffelmietvereinbarung: BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 61 zu erhöhten Mietkosten wegen einer Modernisierungsmaßnahme nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.

(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für alle Instanzen keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1.2. bis 31.7.2013.

2

Die miteinander verheirateten Kläger sind je zur Hälfte Miteigentümer eines 2003 erworbenen Grundstücks mit selbst bewohntem Wohnhaus von 85 m² Wohnfläche, für dessen Erwerb sie der 1946 geborenen vormaligen Eigentümerin (im Folgenden: Voreigentümerin) und deren 1939 geborenem Ehemann eine Rente auf Lebenszeit in Höhe von monatlich 440 Euro zu entrichten haben. Bei Zahlungsverzug von mehr als drei Monatsraten ist die Voreigentümerin zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, ohne dass ein Ausgleich für die bis dahin empfangenen Zahlungen zu leisten wäre (Ziffern III. 1. und 2. des notariellen Übergabevertrages vom 16.6.2003 mit Nachtrag vom 20.2.2004).

3

Das beklagte Jobcenter bewilligte den Klägern für den Zeitraum vom 1.2. bis 31.7.2013 Arbeitslosengeld II (Alg II) zunächst in Höhe der Regelbedarfe sowie eines Mehrbedarfs für dezentrale Warmwasseraufbereitung (Bescheid vom 16.1.2013). Auf den Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Rentenzahlungen an die Voreigentümerin setzte der Beklagte das Alg II wie zuvor in Höhe der Regelbedarfe sowie des Mehrbedarfs fest und anerkannte als Bedarfe für Unterkunft und Heizung je Kläger 107,46 Euro für die Zeit vom 1.2. bis 28.2.2013 und 58,51 Euro bzw 58,50 Euro für die Zeit vom 1.5. bis 31.5.2013 für Betriebskosten (Änderungsbescheide vom 30.1.2013). Den Widerspruch im Übrigen wies er zurück, da die Rente der Tilgung für ein Darlehen zur Finanzierung eines Eigenheims gleich stehe und daher nicht nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II berücksichtigungsfähig sei(Widerspruchsbescheid vom 31.1.2013).

4

Auf Klage - beschränkt auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung - hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 16.1.2013 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013 zur Gewährung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich je 220 Euro für die Zeit vom 1.2.2013 bis 31.7.2013 verurteilt (Urteil vom 10.5.2013): Aufwendung für Unterkunft sei jede Zahlungsverpflichtung, die eine Wohnraumüberlassung zum Gegenstand habe und deren Nichterfüllung einen Räumungsanspruch des Gläubigers begründen könne. In diesem Sinne sei die monatliche Zahlungspflicht hier ein Leibrentenversprechen, das ähnlich einer Mietzahlung oder eines in Raten zu zahlenden Kaufpreises die Gegenleistung für die Überlassung von Wohnraum sei und bei dem im Falle des Zahlungsverzugs mit mehr als drei Monatsraten ein Rücktrittsrecht und Rückübereignungsanspruch zugunsten der Übergeberin bestehe. Diese Zahlungen seien nicht mit Tilgungsraten zu vergleichen, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Immobilieneigentum zu entrichten seien; sie sicherten allein den bereits erlangten Vermögensvorteil und dienten nicht unmittelbar der Vermögensmehrung.

5

Mit der mit Zustimmung der Kläger eingelegten und vom SG zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte die Verletzung von § 22 Abs 1 S 1 SGB II. Die Leibrentenzahlungen seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu Tilgungsleistungen keine berücksichtigungsfähigen Aufwendungen iS dieser Vorschrift, denn sie seien Gegenleistung für die Eigentumsübertragung am Hausgrundstück und damit als Ratenzahlungen eines seiner Höhe nach unbestimmten, weil bis zum Tod der Berechtigten zu zahlenden Kaufpreises zu verstehen. Bei vollständiger Erfüllung werde Lastenfreiheit des Grundstücks erreicht. Damit führe die Zahlung zu einer Vermögensbildung.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 10. Mai 2013 - S 17 AS 119/13 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG entschieden, dass die von den Klägern zu zahlende Rente von 440 Euro monatlich als weiterer Unterkunftsbedarf anzuerkennen ist. Die Rente steht der Tilgung einer ratenweisen Kaufpreisschuld für das Hausgrundstück gleich und ist - da die Tilgung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung der Lebenserwartung der Voreigentümerin noch nicht bereits weitgehend abgeschlossen war - auch nicht ausnahmsweise als Bedarf für Unterkunft anzuerkennen.

9

1. Gegenstand des Verfahrens sind die den Zeitraum von Februar bis Juli 2013 betreffenden Alg II-Bewilligungsbescheide vom 30.1.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.1.2013, wogegen sich die Kläger statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 iVm § 56 Sozialgerichtsgesetz) wenden. Nicht (mehr) Verfahrensgegenstand ist dagegen der Ausgangsbescheid vom 16.1.2013, nachdem er durch die im laufenden Widerspruchsverfahren ergangenen Änderungsbescheide vom 30.1.2013 vollständig ersetzt worden ist (§ 86 SGG) und sich mangels weitergehender rechtlicher Wirkungen damit erledigt hat (§ 39 Abs 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -).

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2. In der Sache ist der Streitgegenstand durch den ausschließlich darauf bezogenen Klagantrag wirksam auf die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung - und zwar, da nur der Beklagte die Entscheidung des SG mit der Sprungrevision angefochten hat, begrenzt auf die Höhe der ihnen vom SG insoweit zugesprochenen 220 Euro je Kläger - beschränkt; an der prozessual zulässigen Abtrennbarkeit dieser Leistungen (vgl nur BSG vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18) hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (im Folgenden: RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG) vom 24.3.2011 (BGBl I 453; insofern in Kraft getreten zum 1.1.2011, im Folgenden: § 19 Abs 1 SGB II nF) auch für Verfahren über Bewilligungsabschnitte nach dem 1.1.2011 nichts geändert (zu Verfahren über zuvor abgeschlossene Bewilligungsabschnitte vgl nur BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

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a) Der Rechtslage bis zum 31.12.2010 haben die Grundsicherungssenate des BSG in ständiger Rechtsprechung entnommen, dass die Gewährung höherer oder überhaupt von Leistungen für Unterkunft und Heizung einen abtrennbaren prozessualen Anspruch bildet, soweit sie - wie vorliegend auch - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung (Verwaltungsakt iS des § 31 SGB X) des betreffenden Bescheids sind. Zwar sind beim Streit um höhere Leistungen auch im SGB II grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (stRspr; vgl nur BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54Nr 21, RdNr 32). Hiervon hat das BSG indes eine Ausnahme für Unterkunft und Heizung gemacht, weil die Zuständigkeiten für die Regelleistung (heute: Regelbedarf) einerseits und für die Leistungen für Unterkunft und Heizung andererseits nach der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung von § 6 Abs 1 S 1 SGB II(in der bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm § 19 S 2 bzw 3 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit 1.8.2006: § 19 S 3 SGB II idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 , BGBl I 1706; im Folgenden § 19 S 2 bzw 3 SGB II aF)unterschiedlich und die Leistungen inhaltlich voneinander abgrenzbar waren, es sich rechtlich also um zwei eigenständige Leistungen und Verfügungen handelte (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff).

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b) Eigenständige Leistungen in diesem Sinne bilden die Leistungen für den Regelbedarf einerseits und für Unterkunft und Heizung andererseits auch unter Geltung des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Unverändert sind danach die Zuständigkeiten zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den kommunalen Trägern ungeachtet des im Hinblick auf die Weiterentwicklung von § 19 SGB II (dazu unten c) geringfügig unterschiedlichen Wortlauts von § 6 Abs 1 S 1 SGB II alter und neuer Fassung weiter vom Prinzip geteilter Trägerschaft geprägt, wie es seit Einführung des SGB II gilt(vgl BT-Drucks 15/2816, S 10): Sofern nicht eine einheitliche Zuständigkeit eines kommunalen Trägers nach §§ 6a f SGB II besteht, sind für Unterkunft und Heizung ausschließlich zuständig die kommunalen Träger und für das Alg II sowie das Sozialgeld mit Ausnahme der Kosten von Unterkunft und Heizung die Bundesagentur für Arbeit; daran hat sich im Gefolge des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG nichts geändert (ebenso Rixen/Weißenberg in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 6 RdNr 3; Luik, ebenda § 22 RdNr 31). Eher ist die Trennung der Zuständigkeiten nochmals verdeutlicht durch die Neufassung des § 44b Abs 3 S 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3.8.2010 mWv 1.1.2011 , BGBl I 1112), wonach die Verantwortung für die recht- und zweckmäßige Erbringung jeweils "ihrer Leistungen" in der gemeinsamen Einrichtung nach § 44b SGB II(idF des GSiOrgWG) ausdrücklich jedem Träger gesondert obliegt (zum Zweck dieser Verantwortlichkeitszuweisung vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20.12.2007 - 2 BvR 2433/04, 2 BvR 2434/04 - BVerfGE 119, 331 = SozR 4-4200 § 44b Nr 1 zu § 44 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vgl BR-Drucks 226/10 S 37 sowie Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 44b RdNr 26 ff, Stand 10/2013).

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c) Nichts anderes folgt aus der partiellen Neufassung von § 19 und § 22 Abs 1 SGB II durch das RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG. Leistungsrechtlich waren die Kosten für Unterkunft und Heizung schon bis zu dessen Inkrafttreten als Teil des Anspruchs auf Alg II gefasst (vgl § 19 S 1 SGB II idF des GSiFoG: Erwerbsfähige Hilfebedürftige erhalten als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung). Sachlich bedeutet es deshalb keinen Unterschied, wenn nunmehr die Leistungen, also Alg II und Sozialgeld, den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung "umfassen" (§ 19 Abs 1 S 3 SGB II nF) und nach Maßgabe von § 22 SGB II bei Unterkunft und Heizung "Bedarfe" in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen "anerkannt" werden(§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II idF des RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG), während zuvor "Leistungen" zu erbringen waren (§ 22 Abs 1 S 1 Halbs 1 SGB II in der insoweit bis zum 31.12.2010 unveränderten Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Das verdeutlicht zwar weiter, dass die Leistungsbereiche in dem Sinne aufeinander bezogen sind, als jeweils nach denselben Maßstäben umfassend zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II, insbesondere die der Hilfebedürftigkeit iS des § 9 SGB II, vorliegen(so bereits BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso BT-Drucks 17/3404 S 97 zu § 19). Jedoch trägt dies nicht die Einschätzung, dass hiermit Änderungen substantieller Art verbunden wären (so aber BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22: Leistungen für Unterkunft und Heizung sind nunmehr integraler Bestandteil des Arbeitslosengeldes II, das den Bedarf für Unterkunft und Heizung als nicht mehr abtrennbaren Teil enthält). Das wäre angesichts der fortbestehenden organisationsrechtlichen Aufspaltung der Verantwortlichkeiten auch schwerlich möglich: Solange die Trägerschaft für die Kosten von Unterkunft und Heizung einerseits und den Regelbedarf andererseits getrennt ist, können Alg II und Sozialgeld keine einheitliche "Gesamtleistung" bilden (so schon BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 21; ebenso auch Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31).

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d) Ein prozessuales Verbot der abgetrennten Geltendmachung von Leistungen für Unterkunft und Heizung oder den Regelbedarf begründen die Änderungen in § 19 und § 22 Abs 1 SGB II ebenfalls nicht. Zwar stehen dem Gesetzgeber partielle Begrenzungen der grundsätzlich umfassend gewährleisteten Dispositionsmaxime (§ 123 SGG) zu. Dass dies hier geschehen wäre, ist aber nicht hinreichend deutlich. Einerseits ist das in den Materialien zwar angedeutet (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98 zu § 22). Andererseits findet eine solche Begrenzung schon im Gesetzestext keinen hinreichend deutlichen Niederschlag, nachdem - wie dargelegt - die Neufassung von § 19 Abs 1 SGB II nF erhebliche Unterschiede zur vorherigen Rechtslage nicht erkennen lässt. Zudem kommt in den Materialien gegenläufig ebenso das Bestreben zum Ausdruck, in Verfahren nach dem SGB II auch künftig Teilelemente abschichten zu können, auch wenn der dazu in Betracht gezogene Ansatz im geltenden Prozessrecht kaum Grundlagen findet (vgl BT-Drucks 17/3404, S 97 zu § 19: "dass … einzelne, dem angefochtenen Leistungsanspruch zugrunde liegende Tatsachen unstreitig gestellt werden"; vgl aus der stRspr hierzu nur BSG Urteil vom 13.5.2009 - B 4 AS 58/08 R - BSGE 103, 153 = SozR 4-4200 § 12 Nr 13, RdNr 12; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 109/11 R - Juris RdNr 26; BSG Urteil vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 14; vgl ebenso Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 19 RdNr 82, Stand 1/2012, und Straßfeld, SGb 2011, 436, 442); auch das spricht dagegen, § 19 Abs 1 SGB II als Sperre der isolierten Geltendmachung der Bedarfe von Unterkunft und Heizung zu verstehen(so im Ergebnis auch: Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 31 ff; Söhngen in jurisPK-SGB II, 3. Aufl 2012, Stand 6/2013, § 19 RdNr 30; Lauterbach in Gagel, Online-Ausgabe Stand 2014, § 22 SGB II RdNr 8; Nolte, NZS 2013, 10, 12 ff; Straßfeld, SGb 2011, 436, 442; aA : Berlit in Münder, SGB II, 5. Aufl 2013, § 22 RdNr 9; S. Knickrehm in Kreikebohm, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 1; offen gelassen Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 1/2012, K § 19 RdNr 81).

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3. Anspruch auf weitere jeweils 220 Euro monatlich als Leistung auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II nF haben die Kläger ungeachtet ihrer Hilfebedürftigkeit im Übrigen nicht.

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a) Bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen im Weiteren sind gemäß § 22 Abs 1 S 1 SGB II nF Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anzuerkennen, soweit sie angemessen sind. Die Angemessenheit von mit der Nutzung von Eigentum verbundenen Kosten ist nach der Rechtsprechung des BSG an den Kosten zu messen, die für Mietwohnungen angemessen sind, dh die Frage der Angemessenheit der Unterkunftskosten ist für Mieter und Hauseigentümer nach einheitlichen Kriterien zu beantworten (vgl dazu grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10).

17

b) Zu den anzuerkennenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in diesem Sinne rechnen nach gefestigter Rechtsprechung des BSG, von der abzurücken kein Anlass besteht, Tilgungsraten grundsätzlich nicht (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 2/05 R - BSGE 97, 203 = SozR 4-4200 § 12 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Die Leistungen nach dem SGB II sind auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen (vgl BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 35; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 169 ff, Stand 10/2012; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 61). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses "Wohnen" nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (vgl aus der Rechtsprechung des erkennenden Senats BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; ebenso 4. Senat, BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Im Übrigen ist der Eigentümer grundsätzlich ebenso wenig wie der Mieter davor geschützt, dass sich die Notwendigkeit eines Wohnungswechsels ergeben kann (vgl Entscheidungen des erkennenden Senats, BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/7b AS 70/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 8 zur Kostensenkungsaufforderung und BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 34/06 R - BSGE 100, 186 = SozR 4-4200 § 12 Nr 10 zum Wohnungswechsel wegen unangemessen hoher Unterkunftskosten).

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c) Nicht ohne Bedeutung ist hiernach entgegen der Auffassung des SG die "vertragliche Ausgestaltung" der im Streit stehenden Aufwendungen. Maßgebend ist vielmehr, ob die von den Klägern entrichteten Zahlungen an die Voreigentümerin wie die Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld zu werten sind oder ob sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Das beurteilt sich nach der Rechtsprechung allein danach, wie der zugrunde liegende Vertrag konkret ausgestaltet ist und nicht, wie er auch hätte ausgestaltet sein können (vgl BSG Urteil vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 21). Entscheidend für die rechtliche Qualifizierung ist bei Grundstückskäufen auf Leibrentenbasis nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), wie eng das Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen Rentenzahlung und Grundstücksgeschäft beschaffen ist. Als Leibrente im eigentlichen Sinne des § 759 BGB erachtet der BGH ein "einheitlich nutzbares Recht …, das dem Berechtigten für die Lebenszeit eines Menschen eingeräumt ist und dessen Erträge aus wiederkehrenden, gleichmäßigen und in gleichen Zeitabständen zu gewährenden Leistungen in Geld oder anderen vertretbaren Sachen bestehen"(BGH Urteil vom 16.12.1965 - II ZR 274/63 - BB 1966, 305 - juris RdNr 22). Der Leibrente zugeordnet wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag deshalb nur, wenn die Gegenleistung für dessen Überlassung mit der Einräumung des Stammrechts, aus dem die Einzelansprüche erwachsen, formal bereits als vollständig erbracht anzusehen ist und die Rentenzahlungen deshalb im strengen Sinne nicht Gegenleistung für die Grundstücksüberlassung sind, sondern Erfüllung des bereits vorher gewährten Rentenstammrechts. Steht dagegen nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung - und hat sich der Überlasser deshalb den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten für den Fall, dass der Übernehmer mit Zahlungen in Rückstand gerät - dann bilden die "Rentenzahlungen in ihrer Gesamtheit den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks" (BGH Beschluss vom 25.4.1991 - III ZR 159/90 - WM 1991, 1644, juris RdNr 2 ff, RdNr 5).

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d) Hiernach könnten Leibrenten der Miete allenfalls gleich zu stellen sein, wenn es sich um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB handelt. Muss dagegen eine "Leibrentenzahlung" bei vorbehaltenem Rücktritt - wie hier vertraglich ausbedungen - als Kaufpreisteil gesehen werden, so ist nicht anzunehmen, dass die Zahlungen nicht der Finanzierung des Grunderwerbs dienen. Maßgeblich ist dann nach der Rechtsprechung des BSG, ob es nach den konkreten Umständen "um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist" (vgl erkennender Senat: BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 18; 4. Senat: BSG Urteil vom 16.2.2012 - B 4 AS 14/11 R - juris RdNr 23). Davon kann hier indes nicht ausgegangen werden, nachdem die 2005 - dem Jahr des erstmaligen Bezugs von SGB II-Leistungen der Kläger - 59 Jahre alte Voreigentümerin statistisch eine Lebenserwartung von deutlich über 20 Jahren hatte (Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafeln für Deutschland, Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln, 1871/1881 bis 2008/2010, S 342).

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revisionen der Kläger wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Juni 2014 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. April 2011 zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen drei Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit steht die Aufhebung und Rückforderung vorläufig bewilligter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

2

Die 1980 geborene Klägerin lebt nach kurz vorher erfolgter Trennung von ihrem Ehemann seit dem 1.11.2009 mit ihren 2001 und 2005 geborenen Söhnen (den Klägern zu 2 und 3) in einer gemeinsamen Wohnung. Auf ihren Antrag bewilligte das beklagte Jobcenter den Klägern unter Berücksichtigung eines Erwerbseinkommens der Klägerin in Höhe von monatlich 198 Euro sowie des Kindergeldes für November 2009 bis April 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1093,11 Euro (Bescheid vom 11.11.2009). Die Bewilligung erfolgte ausdrücklich vorläufig, weil im Hinblick sowohl auf das Einkommen der Klägerin wie zur ausstehenden Unterhaltsregelung mit dem Vater der Kläger über den Anspruch nicht abschließend entschieden werden könne.

3

Auf Vorlage von Bescheinigungen über das Einkommen der Klägerin für September 2009 bis März 2010 sowie über den ab November 2009 gezahlten Unterhalt erließ der Beklagte nach Anhörung der Klägerin einen an sie adressierten Bescheid, nach dem der Bewilligungsbescheid vom 11.11.2009 gestützt auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) für die Zeit vom 1.11.2009 bis 30.4.2010 "teilweise in Höhe von 2450,55 Euro aufgehoben" werde und die zu Unrecht erbrachten Leistungen nach § 50 SGB X zu erstatten seien(Bescheid vom 1.7.2010). Den Widerspruch hiergegen wies er zurück: Wegen der nachträglichen Einkommenserzielung könne die Aufhebung verschuldensunabhängig auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt werden. Einer besonderen Ermächtigungsgrundlage dafür bedürfe es nicht, da sich ein Leistungsempfänger bei Bewilligung vorläufiger Leistungen nicht auf Vertrauensschutz berufen könne. Ergehe eine Aufhebung anstatt einer endgültigen Regelung, so habe dies lediglich klarstellende Wirkung (Widerspruchsbescheid vom 14.10.2010).

4

Das Sozialgericht (SG) hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben, weil der Rückforderungsanspruch gegenüber den einzelnen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft nicht individuell bezeichnet und die Teilaufhebung daher rechtswidrig sei (Gerichtsbescheid vom 13.4.2011). Das Landessozialgericht (LSG) hat den Gerichtsbescheid auf Berufung des Beklagten aufgehoben und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 11.6.2014): Die Bestimmtheitsanforderungen seien gewahrt, da die Kinder hinreichend deutlich als Regelungsadressaten einbezogen seien. Dass der Bescheid auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X anstatt auf § 328 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gestützt sei, stelle einen bloßen Begründungsmangel dar, der unschädlich sei. Diese Rechtsgrundlagen seien austauschbar, weil die Korrektur vorläufiger Bewilligungen gegenüber § 48 SGB X geringere (nämlich keine) Anforderungen an den Vertrauensschutz stellten, ebenfalls keine Ermessensausübung erforderten und die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt seien. Ergehe auf einen vorläufigen Bescheid nach Vorlage der maßgeblichen Unterlagen ein Bescheid mit neuer Berechnung im Hinblick auf die bisher ungeklärten Punkte und ohne Hinweis auf eine noch erfolgende abschließende Entscheidung, so müsse der Leistungsempfänger dies als endgültige Leistungsfestsetzung ansehen.

5

Mit ihren Revisionen rügen die Kläger die Verletzung von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II in der damals geltenden Fassung iVm § 328 SGB III. Nach Vorlage der ursprünglich fehlenden Unterlagen hätte der Beklagte die Leistungen endgültig festsetzen müssen. Das lasse der angefochtene Bescheid für die im Streit stehenden Monate nicht erkennen.

6

Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11.6.2014 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 13.4.2011 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässigen Revisionen sind begründet. Zu Unrecht hat das LSG entschieden, dass der angefochtene Bescheid vom 1.7.2010 den Anforderungen an die abschließende Entscheidung über einen zunächst nur vorläufig zuerkannten Leistungsanspruch genügt.

9

1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 1.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.10.2010, mit dem der Beklagte die durch Bescheid vom 11.11.2009 für die Zeit vom 22.10.2009 bis 30.4.2010 erteilte vorläufige Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II wegen des Zuflusses höheren Einkommens für die Monate November 2009 bis April 2010 "teilweise in Höhe von 2450,55 Euro aufgehoben" und eine Erstattungsforderung in entsprechender Höhe festgesetzt hat. Hiergegen wenden sich die Kläger zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 1. Alt Sozialgerichtsgesetz ).

10

2. Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Insbesondere fehlt es entgegen der Auffassung des Beklagten an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklagen nicht deshalb, weil die Kläger im Erfolgsfall mit einer ihnen ebenso nachteiligen abschließenden Entscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II(in der bis zum 31.3.2011 unverändert fortgeltenden Fassung des Gesetzes zur Neufassung der Freibetragsregelungen für erwerbsfähige Hilfebedürftige vom 14.8.2005, BGBl I 2407; im Folgenden: § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF) iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbs 1 SGB III(idF des Gesetzes zur Reform der Arbeitsförderung vom 24.3.1977, BGBl I 594) zu rechnen haben könnten. Auf einen solchen möglichen weiteren Geschehensablauf kommt es nicht an. Entscheidend ist allein, ob die statthaften Klagen gegen den Änderungs- und Erstattungsbescheid ausnahmsweise deshalb unzulässig sind, weil die Klagen selbst im Falle ihres Erfolgs für die Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen können, die begehrte gerichtliche Entscheidung ihre Stellung also weder gegenwärtig noch zukünftig verbessern würde (vgl etwa BSG Urteil vom 22.3.2012 - B 8 SO 24/10 R -, NZS 2012, 798 RdNr 10 mwN). So liegt es hier ersichtlich nicht, weil eine Beseitigung des angefochtenen Änderungs- und Erstattungsbescheids die Rechtsstellung der Kläger jedenfalls zunächst verbessert. Ob sie schließlich im Ergebnis auf anderem Wege dennoch zur Erstattung vorläufig erbrachter Leistungen heranzuziehen sind, ist im hier zu entscheidenden Rechtsstreit nur im Rahmen der Umdeutungsvoraussetzungen des § 43 SGB X beachtlich(dazu unter 7 c). Liegen sie - wie hier - nicht vor, kommt es auf ein etwaiges künftiges Alternativverhalten der beklagten Behörde unter Rechtsschutzgesichtspunkten nicht an.

11

3. Auch in der Sache haben die Revisionen Erfolg. Zwar sind die angefochtenen Entscheidungen entgegen der Auffassung des SG formell nicht zu beanstanden (dazu nachfolgend 4. und 5.). Nach Wegfall der Voraussetzungen für die zunächst nur vorläufige Bewilligung der existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II gemäß § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III(in der bis zum 31.3.2012 unveränderten Fassung des AFRG; im Folgenden: § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF)hatte der Beklagte jedoch anstelle des auf § 48 SGB X gestützten Änderungsbescheids eine endgültige Bewilligungsentscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen, woran es hier fehlt(dazu 6. bis 7.). Demgemäß hat auch die angefochtene Erstattungsverfügung keine Grundlage (dazu unter 8.).

12

4. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass sich die angegriffenen Verfügungen nicht deshalb als formell rechtswidrig erweisen, weil die Kläger zu ihren Voraussetzungen nicht gemäß § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört worden sind. Ohne Bedeutung hierfür ist, ob der Beklagte insoweit von zutreffenden rechtlichen Vorstellungen ausgegangen ist. Denn bezüglich der Frage, ob ein Anhörungsfehler vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Rechtsansicht der handelnden Verwaltungsbehörde auszugehen, mag sie auch falsch sein (vgl BSG Urteil vom 26.9.1991 - 4 RK 4/91 - BSGE 69, 247, 252 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9 f; zuletzt etwa BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 21).

13

Ausreichend war es daher, den Klägern die Gelegenheit zu geben, sich zu den aus Sicht des Beklagten erheblichen Tatsachen für die Änderung der mit Bescheid vom 11.11.2009 vorläufig bewilligten Leistungen zu äußern (zu den Anforderungen insoweit vgl nur BSG Urteil vom 26.9.1991 - aaO S 251 f bzw S 9; zuletzt etwa BSG Urteil vom 10.9.2013 - B 4 AS 89/12 R - BSGE 114, 188 = SozR 4-4200 § 11 Nr 62, RdNr 14 sowie BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30, jeweils mwN). Dem ist der Beklagte mindestens durch die Übersendung von Berechnungsbögen nachgekommen, mit dem er auf die Bitte der Klägerin reagierte, die im Anhörungsschreiben vom 29.4.2010 aufgeführte Überzahlung näher zu erläutern.

14

5. Zu Recht hat das LSG den angefochtenen Bescheid entgegen der Auffassung des SG auch als inhaltlich hinreichend bestimmt angesehen (§ 33 Abs 1 SGB X).

15

Zwar ist das SG im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass das Bestimmtheitserfordernis bei der Korrektur einer Bewilligungsentscheidung gegenüber einer Mehrheit von Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Besonderheiten des hierfür geltenden materiellen Rechts (vgl dazu BSG Urteil vom 23.3.2010 - B 8 SO 2/09 R - SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16)nur gewahrt ist, wenn sich ihm hinreichend klar entnehmen lässt, an welche Mitglieder der Korrekturbescheid adressiert und wer Verpflichteter der entsprechenden Erstattungsforderung ist (stRspr; vgl etwa BSG Urteil vom 16.5.2012 ebenda; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31 ff; zu den Bestimmtheitsanforderungen im Ganzen vgl zuletzt etwa BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3 RdNr 30 mwN). Jedoch hat der erkennende Senat es dafür ausreichen lassen, wenn ein eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Elternteil und minderjährigem Kind betreffender Änderungsbescheid zwar nur gegenüber dem Elternteil ergeht, jedoch zum einen mit hinreichender Deutlichkeit zu erkennen ist, dass der zurückzuzahlende Gesamtbetrag das Ergebnis einer Addition von insgesamt mehreren, an die einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gerichteten Korrekturentscheidungen ist, und dass zum anderen auch durch den Hinweis auf die gesetzliche Vertretung des Kindes ersichtlich wird, dass der Elternteil nicht (Gesamt-)Schuldner der Rückforderungssumme ist (Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31 ff).

16

Hieran gemessen ist die Adressierung des angefochtenen Bescheids allein an die Klägerin unschädlich, weil sich auch hier einleitend der Hinweis findet, dass die Leistungen in dem geänderten Ausgangsbescheid für die Klägerin und ihre Söhne bewilligt worden sind, die im Einzelnen aufgeführten Korrekturbeträge zwischen den drei Klägern unterscheiden und schließlich ebenfalls die Wendung gebraucht ist "Soweit der Bescheid Ihre Kinder betrifft, ergeht er an Sie als gesetzlichen Vertreter."

17

6. In der Sache beurteilt sich die Rechtmäßigkeit der geänderten Leistungsbewilligung ausschließlich an den für die abschließende Entscheidung nach vorangegangener vorläufiger Bewilligung maßgebenden Vorschriften des § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 SGB III. Keine Grundlage findet sie dagegen in den für die Aufhebung eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse einschlägigen Bestimmungen von § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II(idF des Freibetragsneuregelungsgesetzes; im Folgenden: § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II aF) iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III(idF des AFRG) sowie § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X; insoweit ist dem LSG nicht zu folgen.

18

a) Nach der Verweisungsnorm des § 40 SGB II sind für das Verfahren nach dem SGB II ua die Vorschriften des § 328 SGB III über die vorläufige Entscheidung entsprechend anwendbar(Abs 1 Satz 2 Nr 1a). Hiernach kann über die Erbringung von Geldleistungen ua dann vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat (§ 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF). Im Hinblick auf die endgültige Leistungsbewilligung gilt sodann zunächst: "Eine vorläufige Entscheidung ist nur auf Antrag des Berechtigten für endgültig zu erklären, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist" (§ 328 Abs 2 SGB III aF). Weiter ist bestimmt: "Auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen sind auf die zustehende Leistung anzurechnen. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten" (§ 328 Abs 3 Satz 1 und 2 Halbsatz 1 SGB III idF des AFRG bzw des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997, BGBl I 2970 ).

19

b) Zutreffend hat hiernach der Beklagte im Hinblick auf das teilweise noch ungeklärte Einkommen der Kläger mindestens wegen der noch nicht feststehenden Höhe der Unterhaltszahlungen für die Kläger zu 2) und 3) nach erst kurz zuvor erfolgter Trennung der Klägerin von ihrem Ehemann und dem Vater ihrer Söhne über den geltend gemachten Leistungsanspruch durch Bescheid vom 11.11.2009 zunächst (nur) im Wege der vorläufigen Entscheidung nach § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF iVm § 328 Abs 1 Nr 3 SGB III aF befunden. Wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach entschieden hat, ist der Erlass eines endgültigen Bescheides kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung insbesondere der Einkommenssituation besteht. Dies ist Folge der grundsätzlichen Verpflichtung der Verwaltung, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig aufzuklären, um die objektiven Verhältnisse festzustellen (vgl BSG Urteil vom 2.6.2004 - B 7 AL 58/03 R - BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1, RdNr 6 mwN). Erlässt sie einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Dies gilt unabhängig davon, zu welchen Ermittlungen sich die Verwaltung aufgrund der Angaben des Antragstellers vor Erlass des Ausgangsverwaltungsakts gedrängt sehen musste (vgl bereits BSG Urteil vom 25.6.1998 - B 7 AL 2/98 R - BSGE 82, 198, 209 f = SozR 3-4100 § 242v Nr 1 S 14 f; BSG Urteil vom 2.6.2004 aaO; BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 16; BSG, Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 17 f).

20

Hiernach hat der Beklagte jedenfalls die Ungewissheit über die Höhe der künftigen Unterhaltszahlungen zu Recht zum Anlass genommen, von einer endgültigen Entscheidung über den von den Klägern geltend gemachten Leistungsanspruch vorerst abzusehen und mit ihr bis zur Vorlage der angeforderten Unterlagen abzuwarten.

21

c) Nach deren Vorlage hatte der Beklagte gemäß § 328 SGB III iVm § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1a SGB II aF nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift eine abschließende Entscheidung über das streitbefangene Leistungsbegehren zu treffen und durfte sich nicht lediglich auf eine (fortschreibende) Änderung der vorläufigen Bewilligung beschränken.

22

Bereits die Wendung "kann vorläufig entschieden werden, wenn" (§ 328 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB III) verweist darauf, dass Bewilligungen nach § 328 Abs 1 Satz 1 SGB III aF ausschließlich auf eine Zwischenlösung zielen und demgemäß auf die Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach Wegfall der Vorläufigkeitsvoraussetzungen nach § 328 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 3 SGB III angelegt sind. Entsprechend unterscheidet die Norm in der Anrechnungsregelung des Abs 3 Satz 1 zwischen den "auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte(n) Leistungen" und der "zustehende(n) Leistung". Ebenso wird in der Vorgabe für die Überzahlungsfälle explizit Bezug genommen auf den mit der "abschließenden Entscheidung" zuzuerkennenden Leistungsanspruch (Satz 2 Halbsatz 1). Dass deshalb jedenfalls bei Änderungen gegenüber den ursprünglich zugrunde gelegten Annahmen ein von Amts wegen zu beachtender verfahrensrechtlicher Anspruch auf eine die Leistungen endgültig zuerkennende Bewilligung besteht, folgt schließlich mittelbar aus § 328 Abs 2 SGB III aF, wonach eine vorläufige Entscheidung nur auf Antrag des Berechtigten für endgültig zu erklären ist, wenn sie nicht aufzuheben oder zu ändern ist(ebenso Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 83, Stand März 2015).

23

Auch Sinn und Zweck von § 328 SGB III gebieten, jedenfalls in den Fällen des § 328 Abs 3 SGB III die vorläufige Leistungsbewilligung nach Wegfall der Gründe für die nur vorläufige Bescheidung des Leistungsbegehrens durch eine endgültige Entscheidung zu ersetzen. Vorläufigen Entscheidungen nach dem Sozialgesetzbuch (vgl etwa auch § 42 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) kommt nach Zweck und Bindungswirkung allein die Funktion zu, eine (Zwischen-)Regelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage zu treffen. Vorläufig bewilligte Leistungen sind daher als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen, deren Bewilligung keine Bindungswirkung für die endgültige Leistung entfaltet (stRspr; vgl bereits etwa BSG Urteil vom 31.8.1983 - 2 RU 80/82 - BSGE 55, 287, 290 f = SozR 1200 § 42 Nr 2 S 3 f; BSG Urteil vom 31.5.1989 - 4 RA 19/88 - SozR 1200 § 42 Nr 4 S 14; BSG Urteil vom 12.5.1992 - 2 RU 7/92 - SozR 3-1200 § 42 Nr 2 S 4 f; BSG Urteil vom 9.5.1996 - 7 RAr 36/95 - SozR 3-4100 § 112 Nr 28 S 127; BSG Urteil vom 16.6.1999 - B 9 V 13/98 R - SozR 3-1200 § 42 Nr 8 S 25; zuletzt BSG Urteil vom 6.4.2011 - B 4 AS 119/10 R - BSGE 108, 86 = SozR 4-1500 § 54 Nr 21, RdNr 20; ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 63, Stand Mai 2012; modifiziert Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 5 f, 48, Stand Februar 2013: keine Bindungswirkung nur, soweit Vorläufigkeit reicht).

24

Folgerichtig können Leistungsbezieher nach § 328 Abs 2 SGB III aF schon dann nicht darauf verwiesen werden, auf eine endgültige Entscheidung über den erhobenen Anspruch zu verzichten, wenn keine Änderung gegenüber den ursprünglichen Annahmen eingetreten ist. Umso mehr muss dies gelten für Adressaten vorläufiger Bescheide, bei denen abschließend neue Umstände zu berücksichtigen sind. Zur Beseitigung der Unklarheit über die Höhe der ihnen endgültig zustehenden Leistungen ist deshalb von Amts wegen notwendig eine das Verwaltungsverfahren auf den ursprünglichen Leistungsantrag abschließende Entscheidung (vgl § 8 SGB X) nach Maßgabe von § 328 Abs 3 Satz 1 sowie ggfs Satz 2 Halbsatz 1 SGB III zu treffen(ebenso zur einstweiligen Gewährung von Altersruhegeld BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 109 f = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11 f; zu § 42 SGB I BSG Urteil vom 9.5.1996 - 7 RAr 36/95 - SozR 3-4100 § 112 Nr 28 S 127: vorläufiger Bescheid ist von vornherein auf Ersetzung durch endgültigen Bescheid angelegt; ebenso Eicher/Greiser in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 40 RdNr 54; Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 40 RdNr 72; Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 75, Stand März 2015; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 133, Stand Mai 2012; Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 5, Stand Februar 2013).

25

d) Als in diesem Sinne abschließende Entscheidung über das zunächst nur vorläufig beschiedene Leistungsbegehren genügt die Regelungswirkung eines bloßen Änderungsbescheids nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X nicht(zur Auslegung der Entscheidung hier sogleich unter 7.). Dabei kann offenbleiben, ob die §§ 44 ff SGB X im Anwendungsbereich von § 328 SGB III generell verdrängt sind oder ob die Korrektur vorläufiger Bewilligungen partiell auch auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 44 ff SGB X zu stützen und im Hinblick auf Vertrauensschutz an ihnen zu messen sein kann(vgl dazu einerseits etwa Greiser in Eicher/Schlegel, SGB III, § 328 RdNr 60 mit RdNr 47 ff, Stand Februar 2013; Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, § 328 RdNr 73 f, Stand März 2015; skeptisch Düe in Brand, SGB III, 6. Aufl 2012, § 328 RdNr 8 ff; ablehnend Schaumberg in jurisPK-SGB III, 1. Aufl 2014, § 335 RdNr 67: § 328 SGB III verdrängt die §§ 44 ff SGB X; ebenso wohl Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 328 RdNr 37, Stand Mai 2012).

26

Denn ungeachtet dessen genügt den Anforderungen an eine iS von § 328 Abs 3 SGB III "abschließende Entscheidung" nur ein Bescheid, der den ursprünglichen Vorläufigkeitsvorbehalt aufhebt und die begehrte Leistung als die "zustehende Leistung" endgültig zuerkennt, was mit einem Änderungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X regelmäßig nicht zum Ausdruck gebracht wird. Nicht entscheidend für die hier maßgebende Rechtsgrundlage ist deshalb, ob der vorläufigen Entscheidung ein (noch) geringeres Maß an Vertrauensschutz zukommt als er durch § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X vermittelt wird, worauf das LSG abgestellt hat. Maßgebend für die vorliegend zu treffende Entscheidung ist vielmehr, ob auch für jeden Außenstehenden kein Zweifel über die nunmehr endgültige Bindungswirkung der abschließenden Entscheidung bestehen kann; andernfalls wäre dem Schutzzweck der endgültigen Bewilligung im Hinblick auf ihre Funktion für den Vertrauensschutz insbesondere nach den §§ 45 und 48 SGB X nicht genügt.

27

7. Die hieraus sich ergebenden Anforderungen an die endgültige Bewilligung der den Klägern im streitbefangenen Zeitraum zustehenden Leistungen wahrt der angefochtene "Aufhebungs-" bescheid vom 1.7.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht (zur Befugnis seiner Auslegung auch durch das Revisionsgericht vgl etwa BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 12 mwN).

28

a) Ausdrücklich enthält der Bescheid eine abschließende Regelung nicht; dem Wortlaut nach beschränken sich die Verfügungssätze darauf, dass die erteilte Bewilligung teilweise "aufgehoben" und eine entsprechende Erstattungsforderung festgesetzt wird. Das kann entgegen der Auffassung des LSG auch nicht im Wege der Auslegung dahin verstanden werden, dass für den fraglichen Zeitraum nunmehr endgültig Leistungen in bestimmter Höhe bewilligt worden sind. Zwar geht es im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass für die Auslegung nicht allein auf den Wortlaut der Verfügungssätze abzustellen ist, sondern auch auf alle weiteren Umstände, die nach dem Empfängerhorizont für dessen Verständnis maßgebend sind. Ausreichend ist danach, wenn aus dem gesamten Inhalt eines Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann, auch wenn dazu auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (stRspr; vgl etwa BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 6/12 R - BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26).

29

b) Auch nach diesem Maßstab kann indes dem angefochtenen Bescheid unter Berücksichtigung der aufgezeigten Besonderheiten im Verhältnis zwischen vorläufiger und endgültiger Regelung nach § 328 SGB III keine Regelung des Inhalts entnommen werden, dass den Klägern nunmehr endgültige Leistungen zuerkannt worden sind. Nicht ausreichend hierfür ist, dass der Beklagte mit dem Bescheid eine endgültige Entscheidung über den Bewilligungszeitraum vom 22.10.2009 bis zum 30.4.2010 herbeiführen wollte. Dafür bedürfte es zumindest irgend eines Anhaltspunktes in einem Verfügungssatz oder zumindest in der Begründung der Entscheidung, der eine solche Bindungswirkung zu entnehmen sein könnte, woran es hier fehlt. Den einzig möglichen Hinweis hierauf könnte ein Verweis auf eine im Widerspruchsbescheid bezeichnete Entscheidung des LSG in einem Eilverfahren bieten, wonach es unschädlich sei, wenn anstatt einer endgültigen Regelung eine "Aufhebung" erfolge (Verweis auf L 13 AS 118/09 B ER). Da den Klägern der nähere Inhalt dieser Entscheidung nicht bekannt ist, kann auch daraus indes nicht zweifelsfrei darauf geschlossen werden, dass mit der angefochtenen Entscheidung eine endgültige Leistungsbewilligung iS von § 328 Abs 3 Satz 2 SGB III getroffen sein sollte.

30

c) Aus diesen Gründen kommt auch eine Umdeutung in einen endgültigen Leistungsbescheid nicht in Betracht. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt nach § 43 Abs 1 SGB X voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden konnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Das könnte hier nur angenommen werden, wenn dem streitbefangenen Bescheid in einer den aufgezeigten Grundsätzen genügenden Weise entnommen werden könnte, dass nunmehr eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch der Kläger im streitbefangenen Zeitraum getroffen werden sollte. Daran fehlt es indes gerade.

31

8. Mangels einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch der Kläger iS von § 328 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 1 SGB III fehlt es schließlich an einer hinreichenden Grundlage für die festgesetzte Erstattungsforderung. Voraussetzung für sie ist, dass mit der endgültigen Entscheidung "ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt" worden ist. Ohne eine solche Entscheidung kann der streitbefangene Bescheid auch hinsichtlich der Erstattung selbst dann keinen Bestand haben, wenn deren Höhe zutreffend bestimmt sein sollte.

32

9. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 13. September 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits für beide Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Statthaftigkeit eines Widerspruchs gegen die eine vorläufige Entscheidung ersetzende abschließende Entscheidung für Januar 2014.

2

Das beklagte Jobcenter bewilligte dem Kläger unter Verweis auf den insoweit noch offenen Heizkostenabschlag für Januar 2014 Alg II zunächst vorläufig vom 1.10.2013 bis 31.1.2014 (Bescheid vom 25.9.2013). Den gegen diesen Bescheid insgesamt vom Kläger eingelegten Widerspruch erfasste der Beklagte als Widerspruchsverfahren W 1247/13. Während dieses Widerspruchsverfahrens bewilligte er dem Kläger für Januar 2014 höheres Alg II und berücksichtigte hierdurch die Regelbedarfserhöhung ab 1.1.2014 (Änderungsbescheid vom 23.11.2013). Anschließend bewilligte der Beklagte dem Kläger während dieses Widerspruchsverfahrens für Januar 2014 höheres Alg II als zuletzt durch den Bescheid vom 23.11.2013 bewilligt, den er insoweit aufhob, und berücksichtigte hierbei neben der Regelbedarfserhöhung den neuen Heizkostenabschlag (Änderungsbescheid vom 12.12.2013). In dem das Widerspruchsverfahren W 1247/13 beendenden Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 stellte der Beklagte ua fest, "dass sich der Widerspruch gegen die vorläufige Bewilligung in dem Bescheid vom 25.09.2013 nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 12.12.2013 für den Monat Januar 2014 erledigt hat". Zur Begründung verwies er darauf, dass durch den Bescheid vom 12.12.2013 die Leistungen des Klägers für Januar 2014 endgültig festgesetzt worden seien, wodurch sich die vorläufige Bewilligung durch Bescheid vom 25.9.2013 erledigt habe, weshalb insoweit eine Entscheidung in der Sache nicht mehr ergehen könne. Die Klage gegen diesen - auch andere Zeiträume betreffenden - Widerspruchsbescheid ist noch am SG anhängig (S 12 AS 59/14).

3

Den gegen den Bescheid vom 12.12.2013 eingelegten Widerspruch erfasste der Beklagte als Widerspruchsverfahren W 105/14 und verwarf ihn als unzulässig, weil verfristet (Widerspruchsbescheid vom 26.3.2014). Der Widerspruch sei zwar statthaft, wahre aber die Monatsfrist des § 84 SGG nicht.

4

Die Klage gegen den Bescheid vom 12.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2014 mit dem Begehren nach höherem Alg II für Januar 2014 hat das SG unter Zulassung der Berufung abgewiesen (Urteil vom 13.9.2016): Die Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig sei im Ergebnis zu Recht erfolgt, weil die abschließende Entscheidung über Alg II für Januar 2014 durch Bescheid vom 12.12.2013 nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen die vorläufige Entscheidung durch Bescheid vom 25.9.2013 geworden und darüber durch den hierauf ergangenen Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 entschieden worden sei. Auf Antrag des Klägers und mit Zustimmung des Beklagten ließ das SG die Sprungrevision gegen sein Urteil zu (Beschluss vom 7.11.2016).

5

Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung von § 86 SGG. Der Bescheid vom 12.12.2013 sei nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 25.9.2013 geworden, denn der endgültige Leistungsbescheid vom 12.12.2013 sei ein neuer, ersetzender Verwaltungsakt und ändere den vorläufigen Leistungsbescheid vom 25.9.2013 nicht nur iS des § 86 SGG ab. § 86 SGG erfasse indes, anders als § 96 SGG, nach seinem Wortlaut nur Verwaltungsakte, die im Widerspruchsverfahren streitige Verwaltungsakte abänderten. Der danach statthafte Widerspruch sei auch nicht verfristet gewesen.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 13. September 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 12. Dezember 2013 und Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2014 zu verurteilen, ihm für Januar 2014 höheres Arbeitslosengeld II zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er schließt sich dem Revisionsvorbringen zur Statthaftigkeit des Widerspruchs an, hält den Widerspruch indes für verfristet.

Entscheidungsgründe

9

Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das SG hat zu Recht seine Klage gegen den Bescheid vom 12.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2014 abgewiesen, weil auf diese nicht über die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Alg II im Januar 2014 zu entscheiden war.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben dem Urteil des SG der Bescheid des Beklagten vom 12.12.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 26.3.2014, durch den der Widerspruch des Klägers als unzulässig, weil verfristet verworfen worden war. Der Kläger verfolgt in der Revisionsinstanz sein Begehren nach höherem Alg II für Januar 2014 weiter.

11

2. Die Sprungrevision ist zulässig. Nach § 161 Abs 1 Satz 1 SGG steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie vom SG im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Das SG hat auf Antrag des Klägers die Sprungrevision durch Beschluss vom 7.11.2016 zugelassen. Hieran ist der Senat gebunden (§ 161 Abs 2 Satz 2 SGG).

12

3. Über das vom Kläger verfolgte Begehren nach höherem Alg II für Januar 2014 ist dem Senat eine Sachentscheidung verwehrt, weil dieses Begehren nicht in zulässiger Weise im vorliegenden Verfahren eingeklagt werden konnte.

13

Zwar hat der Beklagte durch den angefochtenen Bescheid vom 12.12.2013 über den Leistungsanspruch des Klägers im Januar 2014 eine abschließende Entscheidung getroffen, nachdem er zunächst durch Bescheid vom 25.9.2013 ua für Januar 2014 eine vorläufige Entscheidung getroffen hatte (dazu a). Der Bescheid vom 12.12.2013 war indes kraft Gesetzes Gegenstand des gegen den Bescheid vom 25.9.2013 geführten Widerspruchsverfahrens W 1247/13 geworden, weshalb das spätere, dem vorliegenden Verfahren vorangegangene Widerspruchsverfahren W 105/14, das durch den Widerspruchsbescheid vom 26.3.2014 endete, unstatthaft und in ihm eine Sachentscheidung über das Leistungsbegehren des Klägers nicht zu treffen war (dazu b). Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage der Fristgemäßheit dieses unstatthaften Widerspruchs kommt es nicht an.

14

a) Der Bescheid vom 12.12.2013 enthält ungeachtet seiner Bezeichnung als Änderungsbescheid eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch des Klägers im Januar 2014 (zu den Anforderungen an die Auslegung eines Änderungsbescheids als eine "abschließende Entscheidung" vgl BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 26; zur Bescheidauslegung, die auch dem Revisionsgericht obliegt, vgl BSG vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11). Denn der Bescheid knüpft an den im Bescheid vom 25.9.2013 genannten Vorläufigkeitsgrund an, bewilligt höhere Leistungen und setzt deren Höhe insgesamt fest.

15

Diese abschließende Entscheidung durch Bescheid vom 12.12.2013 ersetzte und erledigte mit ihrem Erlass iS des § 39 Abs 2 SGB X die vorläufige Entscheidung über den Leistungsanspruch des Klägers im Januar 2014 durch Bescheid vom 25.9.2013 (vgl § 40 SGB II iVm § 328 SGB III; seit 1.8.2016: § 41a SGB II), ohne dass es einer Aufhebung oder Änderung dieser vorläufigen Entscheidung bedurft hätte (stRspr; vgl nur BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 12; BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 54/15 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 3 RdNr 14).

16

b) Dieser Bescheid vom 12.12.2013 war kraft Gesetzes Gegenstand des gegen den Bescheid vom 25.9.2013 geführten Widerspruchsverfahrens W 1247/13 geworden.

17

Gegen die vorläufige Entscheidung durch Bescheid vom 25.9.2013 hatte der Kläger Widerspruch eingelegt, über den der Beklagte bei Erlass seiner abschließenden Entscheidung durch Bescheid vom 12.12.2013 noch nicht entschieden hatte. Die vorläufige Entscheidung über Leistungen für Januar 2014 war aufgrund ihrer Erledigung durch die abschließende Entscheidung nicht mehr Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Doch war aufgrund von § 86 SGG der den Bescheid vom 25.9.2013 insoweit ersetzende und erledigende Bescheid vom 12.12.2013 Gegenstand des laufenden, gegen den Bescheid vom 25.9.2013 geführten Widerspruchsverfahrens geworden, das durch den Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 endete.

18

Nach seinem Wortlaut erfasst § 86 SGG zwar nur Bescheide, durch die während des Widerspruchsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt abgeändert wird, und bestimmt, dass auch der neue Bescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wird. Dies unterscheidet den für das Widerspruchsverfahren geltenden § 86 SGG von dem für das gerichtliche Verfahren geltenden § 96 Abs 1 SGG, der nach seinem Wortlaut nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangene Bescheide erfasst, durch die der angefochtene Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird, und bestimmt, dass nach Klageerhebung der neue Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens wird.

19

Dies steht indes der Einbeziehung des Bescheids vom 12.12.2013 in das laufende Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 25.9.2013 nicht entgegen. Denn eine Abänderung iS des § 86 SGG ist auch die Ersetzung eines mit Widerspruch angefochtenen Bescheids - wie hier die Ersetzung der vorläufigen durch die abschließende Entscheidung über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Januar 2014. Die für das Widerspruchsverfahren geltende Vorschrift des § 86 SGG ist insoweit in Entsprechung zu der für das gerichtliche Verfahren geltenden Vorschrift des § 96 Abs 1 SGG dahin auszulegen, dass jene ebenso wie diese nicht nur abändernde, sondern auch ersetzende Verwaltungsakte in das laufende Verfahren einbezieht.

20

Diese Auslegung ist mit dem aufgezeigten Wortlautunterschied vereinbar, weil sich zum einen unter einer Abänderung eines Bescheids auch dessen Ersetzung verstehen lässt (vgl zum Ersetzen als "radikalste Form" des Abänderns Bayerisches LSG vom 2.12.2011 - L 16 AS 877/11 B ER - juris RdNr 34). Dafür, § 86 SGG so zu verstehen, wie § 96 Abs 1 SGG formuliert ist, streitet zum anderen und entscheidend der Sinn und Zweck, der prägend sowohl für das Verhältnis von vorläufiger und abschließender Entscheidung als auch für §§ 86 und 96 SGG ist, nämlich den Beteiligten in verfahrens- und prozessökonomischer Weise eine möglichst baldige und endgültige Klärung ihrer Rechtsbeziehung zu verschaffen(vgl BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 13/14 R - BSGE 119, 265 = SozR 4-4200 § 22 Nr 86, RdNr 16; zur Effektivierung des Rechtsschutzes und Prozessökonomie vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 86 RdNr 2, § 96 RdNr 1a).

21

Vor diesem Hintergrund ist prägend für die Auslegung des § 86 SGG nicht, ob und ggf wie sich die Bedeutung der Wörter "abändern" und "ersetzen" voneinander abgrenzen lässt, sondern dessen Ziel der Verfahrensökonomie: Wird zu der mit einem Widerspruch angefochtenen Regelung - hier die Bewilligung von Leistungen für Januar 2014 - im laufenden Widerspruchsverfahren eine weitere Regelung getroffen - ob abändernd, ändernd, anpassend, aufhebend oder ersetzend -, ist im laufenden Widerspruchsverfahren auch über diese weitere Regelung zu entscheiden, wenn sie die Beschwer nicht beseitigt. Zu diesem Ziel stände es in Widerspruch, wenn ein gegen eine vorläufige Entscheidung über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geführtes Widerspruchsverfahren durch den Erlass der abschließenden Entscheidung unzulässig würde und ein neues Widerspruchsverfahren gegen die abschließende Entscheidung über diese Leistungen eingeleitet werden müsste, obwohl im bereits laufenden Widerspruchsverfahren zwischen denselben Beteiligten für denselben Zeitraum über den Anspruch auf Leistungen gestritten wird und das Jobcenter ohne Weiteres alle in diesem Rechtsverhältnis bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids ergangenen Entscheidungen über Leistungen überprüfen kann und muss (vgl hierzu BSG vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - juris, RdNr 10; BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 14/15 R - juris, RdNr 11).

22

Die Anwendung des § 86 SGG auf nicht nur abändernde, sondern auch auf ersetzende Verwaltungsakte insoweit in Entsprechung zu § 96 Abs 1 SGG ist danach angezeigt, weil die Abänderung und Ersetzung eines Bescheids nicht nur sprachlich, sondern vor dem Hintergrund des Regelungsziels auch in der Sache vergleichbar sind(vgl BSG vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - juris, RdNr 10; BSG vom 19.11.2009 - B 13 R 113/08 R - SozR 4-2600 § 307b Nr 10 RdNr 12; BSG vom 14.4.2011 - B 8 SO 12/09 R - juris, RdNr 11 ; BSG vom 4.3.2014 - B 1 KR 64/12 R - BSGE 115, 158 = SozR 4-2500 § 186 Nr 4, RdNr 9; BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 14/15 R - juris, RdNr 11 § 86 sgg zum 2008 geänderten § 96 sgg>; LSG Baden-Württemberg vom 28.10.2013 - L 13 AS 437/13 B - juris RdNr 7; SG Neubrandenburg vom 28.4.2016 - S 6 SO 1/13 - juris RdNr 12 ff; J. Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 86 RdNr 11; Behrend in Hennig, SGG, § 86 RdNr 1, 6, Stand Oktober 2013; Binder in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 86 RdNr 2; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 86 RdNr 3; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 86 RdNr 3; aA SG Berlin vom 16.5.2012 - S 205 AS 11726/09 - juris RdNr 35, 37; SG Berlin vom 19.11.2014 - S 30 R 1853/13 - juris RdNr 24 ff; strenger auch SG Dresden vom 18.5.2015 - S 48 AS 1942/13 - juris RdNr 22 ff; Hintz in BeckOK-SGG, § 86 vor RdNr 1, RdNr 1, Stand März 2017, der indes in RdNr 3 eine Ersetzung als Änderung versteht). Diese entsprechende Anwendung ist zudem für die Ersetzung vorläufiger durch abschließende Entscheidungen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus Gründen der Verfahrensökonomie auch sachlich geboten (vgl LSG Sachsen-Anhalt vom 24.6.2014 - L 4 AS 55/12 - juris RdNr 18 ff; LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.3.2015 - L 19 AS 240/15 NZB - juris RdNr 19; LSG Berlin-Brandenburg vom 10.11.2016 - L 20 AS 2378/15 - juris RdNr 44 ff; zur Anwendbarkeit des § 86 SGG in diesen Fällen vgl auch Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 40 RdNr 75.2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 377, Stand Juni 2012; Wehrhahn in Estelmann, SGB II, § 40 RdNr 108, Stand Dezember 2011).

23

4. Damit war über den die Höhe des Leistungsanspruchs des Klägers im Januar 2014 regelnden Bescheid vom 12.12.2013 in dem Widerspruchsverfahren zu entscheiden, das durch den Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 endete. Nicht dieser ist indes vorliegend mit der Klage angefochten, sondern der Widerspruchsbescheid vom 26.3.2014. Der Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 ist Gegenstand eines noch am SG anhängigen Klageverfahrens.

24

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die hälftige Kostenerstattungspflicht des Beklagten berücksichtigt, dass er durch seine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 12.12.2013 - Widerspruch - und seine Verfahrensweise - Feststellung der Erledigung des Widerspruchs für Januar 2014 im Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 - das vorliegende Verfahren mit veranlasst hat. Denn der Beklagte hat es unterlassen, den Kläger auf die Erledigung der vorläufigen durch die abschließende Entscheidung während des gegen die vorläufige Entscheidung geführten Widerspruchsverfahrens und auf die Einbeziehung der abschließenden Entscheidung in das laufende Widerspruchsverfahren kraft Gesetzes nach § 86 SGG vor der Entscheidung über den Widerspruch hinzuweisen, um diesem im Sinne der bezweckten Verfahrensökonomie Gelegenheit zur sachgerechten Fortführung des Widerspruchsverfahrens zu geben.

(1) Nach Klageerhebung wird ein neuer Verwaltungsakt nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt.

(2) Eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts ist dem Gericht mitzuteilen, bei dem das Verfahren anhängig ist.

(1) Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird. Der Verwaltungsakt wird mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird.

(2) Ein Verwaltungsakt bleibt wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist.

(3) Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. September 2015 und des Sozialgerichts Gotha vom 26. November 2014 abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 450 Euro zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Höhe von Leistungen nach dem SGB II für die Zeiten vom 1.11. bis 31.12.2012 sowie vom 1.2. bis 30.4.2013, insbesondere um die Höhe der Anrechnung des Taschengelds nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz (BFDG) als Einkommen.

2

Der alleinstehende Kläger bewohnt ein 26,73 qm großes Zimmer in einer Wohngemeinschaft in Erfurt. Hierfür entstanden ihm im Zeitraum vom 1.11. bis 31.12.2012 Kosten in Höhe von monatlich 220,22 Euro sowie vom 1.2. bis 30.4.2013 in Höhe von 246,61 Euro. Der Kläger übte eine selbstständige Tätigkeit geringen Umfangs aus, aus der er vom 1.11.2012 bis 30.4.2013 Einnahmen in Höhe von 420 Euro erzielte, denen Ausgaben von 101,52 Euro gegenüberstanden. Er leistete daneben vom 1.1.2012 bis 30.6.2013 Freiwilligendienst nach dem BFDG (BFD) und erhielt hierfür ein monatliches Taschengeld von 225 Euro. Am 24.10.2012 floss ihm eine Steuerrückerstattung von 669,40 Euro zu.

3

Mit Bescheid vom 5.11.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig vom 1.11. bis 31.12.2012 jeweils 257,65 Euro monatlich sowie ab 1.1.2013 vorläufig jeweils 509,04 Euro monatlich als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2012 gewährte der Beklagte dem Kläger vom 1.1. bis 28.2.2013 vorläufig monatlich 517,04 Euro und ab 1.3.2013 vorläufig 517,05 Euro monatlich. Wegen der Berücksichtigung des Taschengelds aus dem BFD und ohne Vorläufigkeitsvorbehalt senkte der Beklagte die Bewilligung für Februar 2013 auf 292,04 Euro sowie für März und April 2013 auf 292,05 Euro monatlich ab (Änderungsbescheid vom 10.1.2013). Durch Bescheid vom 8.8.2013 erklärte er nach Überprüfung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit die Festsetzung der Leistungen in den Bescheiden vom 5.11.2012 und 10.1.2013 für endgültig.

4

Der Kläger hatte bereits gegen den Bescheid vom 5.11.2012 Widerspruch eingelegt, weil der Freibetrag für das Taschengeld aus dem BFD nicht in Ansatz gebracht worden sei. Der Beklagte wies den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 10.1.2013). Der Freibetrag von 175 bzw 200 Euro von dem Taschengeld des Freiwilligendienstes komme nicht in Betracht.

5

Der Kläger hat dagegen beim SG Gotha Klage erhoben. Er hat diese aber für den Monat Januar 2013, für den keine Berücksichtigung von Taschengeld als Einkommen erfolgt ist, zurückgenommen. Das SG hat den Beklagten unter Änderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1.11. bis 31.12.2012 und vom 1.2. bis 30.4.2013 weitere 600 Euro zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (Urteil des SG vom 26.11.2014). Vom Einkommen des Klägers seien nach § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V im November und Dezember 2012 je 175 Euro und ab Februar 2013 von je 200 Euro monatlich in Abzug zu bringen. Dem stehe § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V nicht entgegen.

6

Der Beklagte hat gegen dieses Urteil Berufung zum Thüringer LSG eingelegt. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass ein Freibetrag nur entweder vom Einkommen aus Erwerbstätigkeit oder von dem Taschengeld zu berücksichtigen sei. Über diese Folge des Zusammentreffens von Erwerbseinkommen und Taschengeld des BFD würden die Betroffenen belehrt. Das LSG hat den Tenor des SG dahingehend konkretisiert, dass für November/Dezember 2012 jeweils weitere 105 Euro sowie vom 1.2. bis 30.4.2013 monatlich jeweils weitere 130 Euro zu zahlen seien. Zwar seien die Freibeträge von 100 Euro nach § 11b Abs 2 S 1 SGB II und von 175 Euro bzw 200 Euro nach § 11b Abs 2 S 1 SGB II iVm § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V nicht zu kumulieren. Allerdings sei der erhöhte Freibetrag nach § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V als Freibetragsobergrenze zu begreifen und deshalb vom Taschengeld aus dem BFD ein Betrag von monatlich insgesamt 175 Euro bzw 200 Euro abzusetzen. Das Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit (53,08 Euro) sei um den Grundbetrag zu bereinigen und bleibe anrechnungsfrei. Deshalb sei von dem Taschengeld noch der Differenzbetrag zwischen dem freigestellten Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit und der Freibetragsobergrenze von 175 Euro bzw 200 Euro in Abzug zu bringen.

7

Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Bei der Leistungsberechnung sei von dem Einkommen des Klägers aus selbstständiger Tätigkeit eine Absetzung vorgenommen worden. Anrechenbares Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit gebe es nicht. Das aus dem Freiwilligendienst erzielte Taschengeld sei nach § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V nicht weiter zu bereinigen. Dies entspreche dem Wortlaut der Regelung, die der Verordnungsgeber in seinen Folgen im Hinblick auf § 11b SGB II sehr wohl bedacht habe. Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift sei nicht angezeigt.

8

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. September 2015 und das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 26. November 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Die Revision des Beklagten sei unzulässig, da die Begründung nicht den "engen Vorgaben" an eine Revisionsbegründung genüge. Im Übrigen sei sie auch unbegründet, weil die Anwendung des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V zu einer verfassungsrechtlichen Ungleichbehandlung führe.

Entscheidungsgründe

11

1. Die Revision des Beklagten ist zulässig. Gemäß § 164 Abs 2 S 1 SGG ist die Revision fristgerecht zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten und die verletzte Rechtsnorm bezeichnen (§ 164 Abs 2 S 3 SGG). Diese Anforderungen sind dahingehend präzisiert worden, dass das Revisionsvorbringen eine Prüfung und Durcharbeitung des Prozessstoffs durch den Prozessbevollmächtigten erkennen lassen muss. Die Begründung darf nicht nur die eigene Meinung des Revisionsführers wiedergeben, sondern muss sich zumindest kurz mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils des LSG auseinandersetzen (vgl nur BSG vom 18.6.2002 - B 2 U 34/01 R - SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22; BSG vom 16.10.2007 - B 8/9b SO 16/06 R - SozR 4-1500 § 164 Nr 3 RdNr 9 f; vgl auch BVerfG vom 7.7.1980 - 2 BvR 310/80 - SozR 1500 § 164 Nr 17 S 29).

12

Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Beklagten - entgegen der Auffassung des Klägers - gerecht. Der Beklagte hat sich mit der Rechtsauffassung des LSG auseinandergesetzt. Er gibt insbesondere den Maßstab wieder, von dem ausgehend das LSG die Berechnung der Leistung - auch hinsichtlich von Freibeträgen - vorgenommen hat. Obwohl er auch ausführlich seine eigene Auffassung darlegt, widerspricht er der Auslegung und Anwendung des § 11b SGB II sowie des § 1 Abs 7 S 1 und 4 Alg II-V durch das LSG.

13

2. Die Revision des Beklagten ist teilweise begründet. Die Urteile des LSG und des SG sind abzuändern, denn der Kläger hat für die Zeiten vom 1.11. bis 31.12.2012 und vom 1.2. bis 30.4.2013 nur Anspruch auf Zahlung weiterer 450 Euro als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II anstatt der vom LSG zugesprochenen 600 Euro.

14

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 8.8.2013, mit dem der Beklagte die früheren Leistungsbewilligungen in Bezug genommen und die Leistungshöhe für den streitigen Zeitraum endgültig festgesetzt hat. Damit haben sich die Bescheide vom 5.11.2012, 24.11.2012 und 10.1.2013 erledigt (§ 39 Abs 2 SGB X; vgl auch BSG vom 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 38 RdNr 13). Die vorläufigen Festsetzungen der Leistungshöhe in den Bescheiden vom 5.11.2012 und 24.11.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.1.2013 sind deshalb nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Dabei kann der Senat offenlassen, ob der Bescheid vom 8.8.2013 den Änderungsbescheid vom 10.1.2013 noch abändern konnte. Daran bestehen Zweifel, weil dieser Bescheid keinen Hinweis auf die Vorläufigkeit der getroffenen Regelungen enthielt. Jedenfalls ist aber die mit Bescheid vom 8.8.2013 nach neuer Sachprüfung getroffene Zweitentscheidung wie eine Ersetzung iS des § 96 Abs 1 SGG zu behandeln(vgl BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 37/14 R - SozR 4-4200 § 27 Nr 2 RdNr 13 mwN). Mit der Regelung ist der Beklagte auch nicht zu Lasten des Klägers von früheren endgültigen Bewilligungen abgewichen.

15

Der Kläger wird durch die Festsetzung der Leistungsbeträge in dem Bescheid vom 8.8.2013 insoweit in seinen Rechten verletzt, als er Anspruch auf Berücksichtigung eines (weiteren) Freibetrags von 75 Euro bzw 100 Euro pro Monat als Absetzbetrag von dem Taschengeld aus dem BFD hat. Im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

16

Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 SGB II. Er ist leistungsberechtigt, denn er ist 1979 geboren, erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Mangels ausreichenden Einkommens und Vermögens ist er im streitigen Zeitraum auch hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II gewesen. Ein Ausschlusstatbestand iS des § 7 Abs 1 S 2, Abs 4, 4a oder 5 SGB II liegt nicht vor. Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind ihm in Höhe seiner Bedarfe nach § 19 Abs 1 und 2 SGB II zu erbringen, soweit sie nicht durch sein zu berücksichtigendes Einkommen gedeckt sind(§ 19 Abs 3 S 1 SGB II).

17

Der Gesamtbedarf des Klägers hat in den Monaten November und Dezember 2012 bei jeweils 594,22 Euro sowie in den Monaten Februar bis April 2013 bei jeweils 628,61 Euro gelegen. Er setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf (§ 20 Abs 2 S 1 SGB II) in Höhe von 374 Euro monatlich für 2012 sowie von 382 Euro monatlich ab Januar 2013. Daneben besteht ein Bedarf an Kosten für Unterkunft und Heizung, der bis 31.12.2012 monatlich 220,22 Euro und ab 1.1.2013 monatlich 246,61 Euro betragen hat (§ 22 Abs 1 S 1 SGB II).

18

Der Gesamtbedarf des Klägers ist teilweise durch dessen Einnahmen gedeckt. Zunächst ist ihm im Oktober 2012 eine Steuerrückerstattung von 669,40 Euro zugeflossen, die als einmalige Einnahme ab dem Folgemonat des Zuflusses, also ab November 2012, für sechs Monate in Höhe von jeweils 111,57 Euro monatlich anzurechnen ist (§ 11 Abs 3 S 2 und 3 SGB II).

19

Daneben sind weitere Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen zu berücksichtigen(§ 11 Abs 1 S 1 SGB II).

20

a) Das vom Kläger erzielte Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ist nicht anzurechnen, da es unter dem Grundfreibetrag von 100 Euro monatlich liegt.

21

Bei der Ermittlung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ist von den Betriebseinnahmen auszugehen. Betriebseinnahmen sind alle aus selbstständiger Arbeit erzielten Einnahmen, die im Bewilligungszeitraum (§ 41 Abs 1 S 4 SGB II)tatsächlich zufließen (§ 3 Abs 1 S 1 und 2 Alg II-V). Zur Berechnung des Einkommens sind von den Betriebseinnahmen die im deckungsgleichen Zeitraum tatsächlich aufgewendeten notwendigen Ausgaben mit Ausnahme der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge abzuziehen(§ 3 Abs 2 Alg II-V). Von den Einnahmen aus (selbstständiger) Erwerbstätigkeit ist mindestens der Grundfreibetrag von 100 Euro monatlich abzusetzen (§ 11b Abs 2 S 1 SGB II).

22

Auf den Fall des Klägers angewendet bedeutet dies, dass er im Bewilligungszeitraum von sechs Monaten Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 420 Euro erzielte, denen Ausgaben von 101,52 Euro gegenüberstanden (53,08 Euro monatlich). Dieses Einkommen ist aber nicht zur Bedarfsdeckung einzusetzen, weil es den Grundfreibetrag von 100 Euro monatlich nicht erreicht.

23

b) Das Taschengeld des Klägers aus dem BFD ist als Einkommen zu berücksichtigen, denn es handelt es sich um eine Einnahme in Geld oder Geldeswert. Das Taschengeld bleibt nicht nach Maßgabe von § 11a Abs 1, 2, 4 oder 5 SGB II unberücksichtigt. Ebenso wenig ist es eine nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu erbringende Leistung, die einem bestimmten Verwendungszweck dient (§ 11a Abs 3 SGB II). Schon die Bezeichnung als "Taschengeld" des Dienstleistenden spricht für eine offene Zweckverwendung. Ein besonderer Verwendungszweck für diese Einkommensart lässt sich weder dem BFDG noch einer anderen gesetzlichen Regelung entnehmen (Söhngen in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 11a RdNr 33 f, RdNr 41; so auch die Vorinstanz; vgl auch SG Osnabrück vom 1.6.2016 - S 22 AS 284/13).

24

Auch der Verordnungsgeber geht in § 1 Abs 7 Alg II-V davon aus, dass es sich bei dem Taschengeld nach dem BFDG um anrechenbares Einkommen handelt(vgl jetzt auch Art 1 Nr 8 Buchst a) Doppelbuchst bb) des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - BT-Drucks 18/8041, S 32 "weiterhin anzurechnen"; zur Verletztenrente: BVerfG 16.3.2011 - 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 - NZS 2011, 895).

25

c) Von den Einnahmen in Höhe von 225 Euro monatlich ist im Jahr 2012 ein (weiterer) Freibetrag von 75 Euro monatlich sowie im Jahr 2013 ein solcher von 100 Euro monatlich abzusetzen.

26

Absetzungen von Freibeträgen für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit sind allerdings ausgeschlossen, denn es handelt sich bei dem BFD nicht um eine Erwerbstätigkeit. Nach seiner Zweckrichtung ist der BFD einem Ehrenamt jedenfalls ähnlich. Es handelt sich um eine freiwillige Betätigung von Personen für das Allgemeinwohl, insbesondere im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich, sowie in den Bereichen des Sports, der Integration und des Zivil- und Katastrophenschutzes (§ 1 BFDG). Dagegen handelt es sich nicht um eine Beschäftigung (§ 7 Abs 1 SGB IV), insbesondere auch nicht in einem Arbeitsverhältnis (so zutreffend auch die Vorinstanz).

27

Gemäß § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V(für 2012 anzuwenden in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung der Sechsten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 19.12.2011, BGBl I 2833; ab 1.1.2013 anzuwenden in der Fassung des Art 10 des Ehrenamtsstärkungsgesetzes vom 21.3.2013, BGBl I 556) sind deshalb bei erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, die an einem BFD teilnehmen, anstelle der für beschäftigte Leistungsberechtigte geltenden Beträge (§ 11b Abs 1 S 1 Nr 3 bis 5 SGB II)vom Taschengeld des BFD (§ 2 Nr 4 BFDG) ein spezifischer Freibetrag in Höhe von 175 Euro monatlich für 2012 und von 200 Euro monatlich für 2013 abzusetzen. Übersteigt die Summe der Beträge, die der Dienstleistende gemäß § 11b Abs 1 S 1 Nr 3 bis 5 SGB II von anderen Einnahmen in Abzug bringen kann, den Betrag von 115 Euro monatlich (für November, Dezember 2012) oder von 140 Euro monatlich (ab Januar 2013), gilt S 1 der Vorschrift nicht. In diesen Fällen bleiben vom Taschengeld (nur) zusätzlich 60 Euro monatlich unberücksichtigt (§ 1 Abs 7 S 2 bis 3 Alg II-V). Die S 1 bis 3 gelten allerdings nicht für erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die erwerbstätig sind oder aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 Nr 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind(§ 1 Abs 7 S 4 Alg II-V in der ab 1.1.2012 geltenden Fassung der Sechsten Verordnung zur Änderung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung vom 19.12.2011; BGBl I 2833).

28

Die Voraussetzungen des § 1 Abs 7 S 4 Alt 2 Alg II-V liegen nicht vor, denn der Kläger hatte im streitigen Zeitraum keine nach Maßgabe des § 3 Nr 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfreien Einnahmen. Zwar ist das Taschengeld aus dem BFD ebenfalls steuerfrei, die Steuerfreiheit beruht aber nicht auf einer der ausdrücklich genannten Bestimmungen, sondern auf § 3 Nr 5 Buchst f EStG.

29

Demgegenüber liegt ein Fall des § 1 Abs 7 S 4 Alt 1 Alg II-V vor, denn der erwerbsfähige und leistungsberechtigte Kläger hat eine (selbstständige) Erwerbstätigkeit ausgeübt. Nach der Rechtsfolgenanordnung des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V würden für ihn als erwerbstätigen Leistungsberechtigten deshalb die Regelungen der S 1 bis 3 nicht gelten. Anders ausgedrückt würde die Regelung für erwerbstätige Leistungsberechtigte bedeuten, dass die in den S 1 bis 3 genannten spezifischen Absetzungen vom Taschengeld gerade nicht vorzunehmen sind. Dies hätte zur Folge, dass das Taschengeld voll als Einkommen zu berücksichtigen wäre.

30

Obwohl eine solche Auslegung nach dem Wortlaut der Vorschrift denkbar erscheint, ist bei Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck sowie aufgrund systematischer Erwägungen eine teleologische Reduktion des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V geboten.

31

§ 1 Abs 7 S 4 Alg II-V ist eine Harmonisierungsregelung, mit der bezweckt wird, sicherzustellen, dass beim Zusammentreffen von BFD und Erwerbstätigkeit "jeweils nur die Freibeträge nach § 11b Abs 2 und 3 SGB II" zur Anwendung kommen(vgl mit Hinweis auf die Begründung des Referentenentwurfs Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 13 RdNr 158 mwN, Stand Juni 2015). § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V geht typisierend davon aus, dass dem Dienstleistenden während des Freiwilligendienstes im Wesentlichen das Taschengeld als Einkommen zur Verfügung steht. Die S 2 und 3 der Vorschrift betreffen demgegenüber die Fälle, in denen Leistungsberechtigte im BFD weiteres Einkommen haben und von diesen bereits Absetzungen (§ 11b Abs 2 und 3 SGB II) von mehr als 140 Euro vornehmen konnten. Liegen diese Voraussetzungen vor, sind auch Absetzungen vom Taschengeld vorzunehmen, die aber geringer ausfallen (60 Euro monatlich). S 4 schließlich regelt die Fallgruppe, dass der Freiwilligendienst mit einer (selbstständigen) Erwerbstätigkeit zusammentrifft. In diesen Fällen sollen die S 1 bis 3 nicht gelten, sondern es soll bei der Anwendung der §§ 11a und 11b SGB II iVm § 3 Alg II-V bleiben.

32

Die Regelung des S 4 verfolgt den Zweck, dass erwerbstätige Leistungsberechtigte nicht die Freibeträge nach §§ 11a und 11b SGB II mit den spezifischen Absetzungen von Taschengeld aus dem BFD nach § 1 Abs 7 S 1 bis 3 Alg II-V kumulieren können. Der Verordnungsgeber hat dabei typisierend angenommen, es sei für erwerbstätige Leistungsberechtigte vorteilhaft, die Freibeträge nach § 11b Abs 2 und 3 SGB II zu nutzen. Mit dieser Typisierung hat er allerdings solche Fallgestaltungen nicht bedacht, in denen erwerbstätige Leistungsberechtigte ein so geringes Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielen, dass sie nicht einmal den Grundfreibetrag ausschöpfen können. Liegen diese Voraussetzungen - wie hier - vor, hätte die Regelung zur Folge, dass erwerbstätige Leistungsberechtigte mit geringen Einkünften weniger vom Einkommen absetzen können als diejenigen Leistungsberechtigte, die (nur) Freiwilligendienst leisten und daneben nicht erwerbstätig sind.

33

Um die erwerbstätigen Leistungsberechtigten nicht gleichheitswidrig zu benachteiligen, ist es deshalb geboten, die Regelungen der S 1 und 4 des § 1 Abs 7 Alg II-V so in Konkordanz zu bringen, dass diese beim Zusammentreffen eines geringen Einkommens aus Erwerbstätigkeit (bis zu 100 Euro) ergänzend zu dem Grundfreibetrag von 100 Euro, einen (weiteren) Freibetrag auf das Taschengeld des BFD erhalten, sodass sie insgesamt Freibeträge von bis zu 175 Euro bzw 200 Euro nutzen können(§ 1 Abs 7 S 1 Alg II-V).

34

Die gefundene Auslegung berücksichtigt durch den Verbrauch des Grundfreibetrags in Fällen mit geringem Einkommen aus Erwerbstätigkeit weiter, dass die Freibeträge nach den S 1 bis 3 des § 1 Abs 7 Alg II-V nicht mit denen nach § 11b Abs 2 und 3 SGB II kumuliert werden dürfen. Deshalb ist es sachgerecht, in Fällen, in denen ein geringes Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielt wird, von den Freibeträgen des S 1 (175 Euro bzw 200 Euro) den schon bei der Ermittlung des zu berücksichtigenden Erwerbseinkommens in Abzug gebrachten Grundfreibetrag abzuziehen, sodass (nur) weitere 75 Euro bzw 100 Euro monatlich als Freibetrag vom Taschengeld verbleiben (vgl jetzt auch Art 1 Nr 10 Buchst b) Doppelbuchst dd) des Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - BT-Drucks 18/8041, S 8, 36).

35

Dies entspricht auch der Wertung in der Entscheidung des 14. Senats des BSG (vom 28.10.2014 - B 14 AS 61/13 R - SozR 4-4200 § 11b Nr 6 RdNr 15 f), der entschieden hat, dass § 11b Abs 2 S 3 SGB II idF bis 31.12.2012 einen Mindestfreibetrag im Sinne einer Obergrenze für den Fall bestimmt, dass Einkommen aus Erwerbstätigkeit und aus privilegierter ehrenamtlicher Tätigkeit zusammentrifft. Eine Kumulation beider Freibeträge ist dort ebenfalls abgelehnt worden.

36

Die Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs 7 S 4 Alg II-V führt zu einer Angleichung der Freibetragsgrenzen der Personen, die nur Freiwilligendienst leisten, mit denjenigen, die neben dem Freiwilligendienst noch geringe Einkünfte aus Erwerbstätigkeit haben. Sie entspricht damit der Intention des § 2 Abs 3, § 11b Abs 2 und 3 SGB II, denn danach sollen die Leistungsberechtigten sich bietende Arbeitsgelegenheiten nutzen. Wenn sie diese nutzen, sollen sie leistungsrechtlich nicht schlechter stehen als ohne die entsprechende Betätigung. Auf diese Weise wird ein Anreiz zur Teilnahme am BFD durch Leistungsempfänger gesetzt, die gesellschaftlich gewünscht ist. Zugleich sollen damit einhergehende, mögliche Verbesserungen der Eingliederungschancen auf dem Arbeitsmarkt anerkannt werden.

37

Allerdings kann aufgrund der Vorgaben des Gesetz- und Verordnungsgebers eine vollständige Angleichung nicht erreicht werden. Denn in Konstellationen wie der vorliegenden kann der Anteil des Grundfreibetrags, der durch Einnahmen aus Erwerbstätigkeit nicht verbraucht wird (hier zB die Differenz zwischen 53,08 Euro und 100 Euro), nicht auf andere Einkommensarten übertragen werden. Entsprechendes hat der Senat bereits für das Zusammentreffen von Erwerbseinkommen und Kindergeld entschieden (BSG vom 5.6.2014 - B 4 AS 49/13 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 66 = NZS 2014, 791). Ist der Grundfreibetrag bei der Berechnung des Erwerbseinkommens in Abzug gebracht, aber nicht voll ausgeschöpft worden, ist eine Verteilung des verbleibenden Rests der Pauschale auf eine andere Einkommensart (dort: Kindergeld) nicht zulässig (BSG, aaO, RdNr 22 f). Dieser Grundsatz steht auch einer Übertragung eines restlichen Grundfreibetrags auf das Taschengeld nach dem BFDG, das kein Erwerbseinkommen ist, entgegen.

38

d) Der Kläger hat in dem streitbefangenen Zeitraum Anspruch auf Zahlung weiterer 450 Euro als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

39

Von dem zu berücksichtigenden Taschengeld in Höhe von 225 Euro pro Monat sind bei einer Freibetragsgrenze von 175 Euro im Jahr 2012 weitere 75 Euro für zwei Monate von der Anrechnung als Einkommen freizustellen; der weitergehende Freibetrag des § 1 Abs 7 S 1 Alg II-V ist durch die Berücksichtigung des Grundfreibetrags verbraucht. Für die streitigen drei Monate des Jahrs 2013 sind von den 225 Euro Taschengeld monatlich weitere 100 Euro von der Anrechnung freizustellen. Auch hier ist der Absetzbetrag von 200 Euro monatlich ist in Höhe von 100 Euro monatlich durch den Grundfreibetrag verbraucht, sodass ergänzend nur noch weitere 100 Euro abzusetzen sind. Im Ergebnis hat der Kläger Anspruch auf Zahlung von weiteren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 450 Euro.

40

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193, 183 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 13. September 2016 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits für beide Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Statthaftigkeit eines Widerspruchs gegen die eine vorläufige Entscheidung ersetzende abschließende Entscheidung für Januar 2014.

2

Das beklagte Jobcenter bewilligte dem Kläger unter Verweis auf den insoweit noch offenen Heizkostenabschlag für Januar 2014 Alg II zunächst vorläufig vom 1.10.2013 bis 31.1.2014 (Bescheid vom 25.9.2013). Den gegen diesen Bescheid insgesamt vom Kläger eingelegten Widerspruch erfasste der Beklagte als Widerspruchsverfahren W 1247/13. Während dieses Widerspruchsverfahrens bewilligte er dem Kläger für Januar 2014 höheres Alg II und berücksichtigte hierdurch die Regelbedarfserhöhung ab 1.1.2014 (Änderungsbescheid vom 23.11.2013). Anschließend bewilligte der Beklagte dem Kläger während dieses Widerspruchsverfahrens für Januar 2014 höheres Alg II als zuletzt durch den Bescheid vom 23.11.2013 bewilligt, den er insoweit aufhob, und berücksichtigte hierbei neben der Regelbedarfserhöhung den neuen Heizkostenabschlag (Änderungsbescheid vom 12.12.2013). In dem das Widerspruchsverfahren W 1247/13 beendenden Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 stellte der Beklagte ua fest, "dass sich der Widerspruch gegen die vorläufige Bewilligung in dem Bescheid vom 25.09.2013 nach Erteilung des Änderungsbescheides vom 12.12.2013 für den Monat Januar 2014 erledigt hat". Zur Begründung verwies er darauf, dass durch den Bescheid vom 12.12.2013 die Leistungen des Klägers für Januar 2014 endgültig festgesetzt worden seien, wodurch sich die vorläufige Bewilligung durch Bescheid vom 25.9.2013 erledigt habe, weshalb insoweit eine Entscheidung in der Sache nicht mehr ergehen könne. Die Klage gegen diesen - auch andere Zeiträume betreffenden - Widerspruchsbescheid ist noch am SG anhängig (S 12 AS 59/14).

3

Den gegen den Bescheid vom 12.12.2013 eingelegten Widerspruch erfasste der Beklagte als Widerspruchsverfahren W 105/14 und verwarf ihn als unzulässig, weil verfristet (Widerspruchsbescheid vom 26.3.2014). Der Widerspruch sei zwar statthaft, wahre aber die Monatsfrist des § 84 SGG nicht.

4

Die Klage gegen den Bescheid vom 12.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2014 mit dem Begehren nach höherem Alg II für Januar 2014 hat das SG unter Zulassung der Berufung abgewiesen (Urteil vom 13.9.2016): Die Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig sei im Ergebnis zu Recht erfolgt, weil die abschließende Entscheidung über Alg II für Januar 2014 durch Bescheid vom 12.12.2013 nach § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen die vorläufige Entscheidung durch Bescheid vom 25.9.2013 geworden und darüber durch den hierauf ergangenen Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 entschieden worden sei. Auf Antrag des Klägers und mit Zustimmung des Beklagten ließ das SG die Sprungrevision gegen sein Urteil zu (Beschluss vom 7.11.2016).

5

Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung von § 86 SGG. Der Bescheid vom 12.12.2013 sei nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 25.9.2013 geworden, denn der endgültige Leistungsbescheid vom 12.12.2013 sei ein neuer, ersetzender Verwaltungsakt und ändere den vorläufigen Leistungsbescheid vom 25.9.2013 nicht nur iS des § 86 SGG ab. § 86 SGG erfasse indes, anders als § 96 SGG, nach seinem Wortlaut nur Verwaltungsakte, die im Widerspruchsverfahren streitige Verwaltungsakte abänderten. Der danach statthafte Widerspruch sei auch nicht verfristet gewesen.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 13. September 2016 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheids vom 12. Dezember 2013 und Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2014 zu verurteilen, ihm für Januar 2014 höheres Arbeitslosengeld II zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er schließt sich dem Revisionsvorbringen zur Statthaftigkeit des Widerspruchs an, hält den Widerspruch indes für verfristet.

Entscheidungsgründe

9

Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig, aber unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das SG hat zu Recht seine Klage gegen den Bescheid vom 12.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.3.2014 abgewiesen, weil auf diese nicht über die Höhe des Anspruchs des Klägers auf Alg II im Januar 2014 zu entscheiden war.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind neben dem Urteil des SG der Bescheid des Beklagten vom 12.12.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 26.3.2014, durch den der Widerspruch des Klägers als unzulässig, weil verfristet verworfen worden war. Der Kläger verfolgt in der Revisionsinstanz sein Begehren nach höherem Alg II für Januar 2014 weiter.

11

2. Die Sprungrevision ist zulässig. Nach § 161 Abs 1 Satz 1 SGG steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie vom SG im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Das SG hat auf Antrag des Klägers die Sprungrevision durch Beschluss vom 7.11.2016 zugelassen. Hieran ist der Senat gebunden (§ 161 Abs 2 Satz 2 SGG).

12

3. Über das vom Kläger verfolgte Begehren nach höherem Alg II für Januar 2014 ist dem Senat eine Sachentscheidung verwehrt, weil dieses Begehren nicht in zulässiger Weise im vorliegenden Verfahren eingeklagt werden konnte.

13

Zwar hat der Beklagte durch den angefochtenen Bescheid vom 12.12.2013 über den Leistungsanspruch des Klägers im Januar 2014 eine abschließende Entscheidung getroffen, nachdem er zunächst durch Bescheid vom 25.9.2013 ua für Januar 2014 eine vorläufige Entscheidung getroffen hatte (dazu a). Der Bescheid vom 12.12.2013 war indes kraft Gesetzes Gegenstand des gegen den Bescheid vom 25.9.2013 geführten Widerspruchsverfahrens W 1247/13 geworden, weshalb das spätere, dem vorliegenden Verfahren vorangegangene Widerspruchsverfahren W 105/14, das durch den Widerspruchsbescheid vom 26.3.2014 endete, unstatthaft und in ihm eine Sachentscheidung über das Leistungsbegehren des Klägers nicht zu treffen war (dazu b). Auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage der Fristgemäßheit dieses unstatthaften Widerspruchs kommt es nicht an.

14

a) Der Bescheid vom 12.12.2013 enthält ungeachtet seiner Bezeichnung als Änderungsbescheid eine abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch des Klägers im Januar 2014 (zu den Anforderungen an die Auslegung eines Änderungsbescheids als eine "abschließende Entscheidung" vgl BSG vom 29.4.2015 - B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9 RdNr 26; zur Bescheidauslegung, die auch dem Revisionsgericht obliegt, vgl BSG vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11). Denn der Bescheid knüpft an den im Bescheid vom 25.9.2013 genannten Vorläufigkeitsgrund an, bewilligt höhere Leistungen und setzt deren Höhe insgesamt fest.

15

Diese abschließende Entscheidung durch Bescheid vom 12.12.2013 ersetzte und erledigte mit ihrem Erlass iS des § 39 Abs 2 SGB X die vorläufige Entscheidung über den Leistungsanspruch des Klägers im Januar 2014 durch Bescheid vom 25.9.2013 (vgl § 40 SGB II iVm § 328 SGB III; seit 1.8.2016: § 41a SGB II), ohne dass es einer Aufhebung oder Änderung dieser vorläufigen Entscheidung bedurft hätte (stRspr; vgl nur BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 13/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 64 RdNr 12; BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 54/15 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 3 RdNr 14).

16

b) Dieser Bescheid vom 12.12.2013 war kraft Gesetzes Gegenstand des gegen den Bescheid vom 25.9.2013 geführten Widerspruchsverfahrens W 1247/13 geworden.

17

Gegen die vorläufige Entscheidung durch Bescheid vom 25.9.2013 hatte der Kläger Widerspruch eingelegt, über den der Beklagte bei Erlass seiner abschließenden Entscheidung durch Bescheid vom 12.12.2013 noch nicht entschieden hatte. Die vorläufige Entscheidung über Leistungen für Januar 2014 war aufgrund ihrer Erledigung durch die abschließende Entscheidung nicht mehr Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Doch war aufgrund von § 86 SGG der den Bescheid vom 25.9.2013 insoweit ersetzende und erledigende Bescheid vom 12.12.2013 Gegenstand des laufenden, gegen den Bescheid vom 25.9.2013 geführten Widerspruchsverfahrens geworden, das durch den Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 endete.

18

Nach seinem Wortlaut erfasst § 86 SGG zwar nur Bescheide, durch die während des Widerspruchsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt abgeändert wird, und bestimmt, dass auch der neue Bescheid Gegenstand des Widerspruchsverfahrens wird. Dies unterscheidet den für das Widerspruchsverfahren geltenden § 86 SGG von dem für das gerichtliche Verfahren geltenden § 96 Abs 1 SGG, der nach seinem Wortlaut nach Erlass des Widerspruchsbescheids ergangene Bescheide erfasst, durch die der angefochtene Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird, und bestimmt, dass nach Klageerhebung der neue Bescheid Gegenstand des Klageverfahrens wird.

19

Dies steht indes der Einbeziehung des Bescheids vom 12.12.2013 in das laufende Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 25.9.2013 nicht entgegen. Denn eine Abänderung iS des § 86 SGG ist auch die Ersetzung eines mit Widerspruch angefochtenen Bescheids - wie hier die Ersetzung der vorläufigen durch die abschließende Entscheidung über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für Januar 2014. Die für das Widerspruchsverfahren geltende Vorschrift des § 86 SGG ist insoweit in Entsprechung zu der für das gerichtliche Verfahren geltenden Vorschrift des § 96 Abs 1 SGG dahin auszulegen, dass jene ebenso wie diese nicht nur abändernde, sondern auch ersetzende Verwaltungsakte in das laufende Verfahren einbezieht.

20

Diese Auslegung ist mit dem aufgezeigten Wortlautunterschied vereinbar, weil sich zum einen unter einer Abänderung eines Bescheids auch dessen Ersetzung verstehen lässt (vgl zum Ersetzen als "radikalste Form" des Abänderns Bayerisches LSG vom 2.12.2011 - L 16 AS 877/11 B ER - juris RdNr 34). Dafür, § 86 SGG so zu verstehen, wie § 96 Abs 1 SGG formuliert ist, streitet zum anderen und entscheidend der Sinn und Zweck, der prägend sowohl für das Verhältnis von vorläufiger und abschließender Entscheidung als auch für §§ 86 und 96 SGG ist, nämlich den Beteiligten in verfahrens- und prozessökonomischer Weise eine möglichst baldige und endgültige Klärung ihrer Rechtsbeziehung zu verschaffen(vgl BSG vom 19.8.2015 - B 14 AS 13/14 R - BSGE 119, 265 = SozR 4-4200 § 22 Nr 86, RdNr 16; zur Effektivierung des Rechtsschutzes und Prozessökonomie vgl B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 86 RdNr 2, § 96 RdNr 1a).

21

Vor diesem Hintergrund ist prägend für die Auslegung des § 86 SGG nicht, ob und ggf wie sich die Bedeutung der Wörter "abändern" und "ersetzen" voneinander abgrenzen lässt, sondern dessen Ziel der Verfahrensökonomie: Wird zu der mit einem Widerspruch angefochtenen Regelung - hier die Bewilligung von Leistungen für Januar 2014 - im laufenden Widerspruchsverfahren eine weitere Regelung getroffen - ob abändernd, ändernd, anpassend, aufhebend oder ersetzend -, ist im laufenden Widerspruchsverfahren auch über diese weitere Regelung zu entscheiden, wenn sie die Beschwer nicht beseitigt. Zu diesem Ziel stände es in Widerspruch, wenn ein gegen eine vorläufige Entscheidung über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geführtes Widerspruchsverfahren durch den Erlass der abschließenden Entscheidung unzulässig würde und ein neues Widerspruchsverfahren gegen die abschließende Entscheidung über diese Leistungen eingeleitet werden müsste, obwohl im bereits laufenden Widerspruchsverfahren zwischen denselben Beteiligten für denselben Zeitraum über den Anspruch auf Leistungen gestritten wird und das Jobcenter ohne Weiteres alle in diesem Rechtsverhältnis bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids ergangenen Entscheidungen über Leistungen überprüfen kann und muss (vgl hierzu BSG vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - juris, RdNr 10; BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 14/15 R - juris, RdNr 11).

22

Die Anwendung des § 86 SGG auf nicht nur abändernde, sondern auch auf ersetzende Verwaltungsakte insoweit in Entsprechung zu § 96 Abs 1 SGG ist danach angezeigt, weil die Abänderung und Ersetzung eines Bescheids nicht nur sprachlich, sondern vor dem Hintergrund des Regelungsziels auch in der Sache vergleichbar sind(vgl BSG vom 17.6.2008 - B 8 AY 11/07 R - juris, RdNr 10; BSG vom 19.11.2009 - B 13 R 113/08 R - SozR 4-2600 § 307b Nr 10 RdNr 12; BSG vom 14.4.2011 - B 8 SO 12/09 R - juris, RdNr 11 ; BSG vom 4.3.2014 - B 1 KR 64/12 R - BSGE 115, 158 = SozR 4-2500 § 186 Nr 4, RdNr 9; BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 14/15 R - juris, RdNr 11 § 86 sgg zum 2008 geänderten § 96 sgg>; LSG Baden-Württemberg vom 28.10.2013 - L 13 AS 437/13 B - juris RdNr 7; SG Neubrandenburg vom 28.4.2016 - S 6 SO 1/13 - juris RdNr 12 ff; J. Becker in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 86 RdNr 11; Behrend in Hennig, SGG, § 86 RdNr 1, 6, Stand Oktober 2013; Binder in Lüdtke/Berchtold, SGG, 5. Aufl 2017, § 86 RdNr 2; Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl 2014, § 86 RdNr 3; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 86 RdNr 3; aA SG Berlin vom 16.5.2012 - S 205 AS 11726/09 - juris RdNr 35, 37; SG Berlin vom 19.11.2014 - S 30 R 1853/13 - juris RdNr 24 ff; strenger auch SG Dresden vom 18.5.2015 - S 48 AS 1942/13 - juris RdNr 22 ff; Hintz in BeckOK-SGG, § 86 vor RdNr 1, RdNr 1, Stand März 2017, der indes in RdNr 3 eine Ersetzung als Änderung versteht). Diese entsprechende Anwendung ist zudem für die Ersetzung vorläufiger durch abschließende Entscheidungen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aus Gründen der Verfahrensökonomie auch sachlich geboten (vgl LSG Sachsen-Anhalt vom 24.6.2014 - L 4 AS 55/12 - juris RdNr 18 ff; LSG Nordrhein-Westfalen vom 11.3.2015 - L 19 AS 240/15 NZB - juris RdNr 19; LSG Berlin-Brandenburg vom 10.11.2016 - L 20 AS 2378/15 - juris RdNr 44 ff; zur Anwendbarkeit des § 86 SGG in diesen Fällen vgl auch Aubel in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 40 RdNr 75.2; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 377, Stand Juni 2012; Wehrhahn in Estelmann, SGB II, § 40 RdNr 108, Stand Dezember 2011).

23

4. Damit war über den die Höhe des Leistungsanspruchs des Klägers im Januar 2014 regelnden Bescheid vom 12.12.2013 in dem Widerspruchsverfahren zu entscheiden, das durch den Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 endete. Nicht dieser ist indes vorliegend mit der Klage angefochten, sondern der Widerspruchsbescheid vom 26.3.2014. Der Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 ist Gegenstand eines noch am SG anhängigen Klageverfahrens.

24

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die hälftige Kostenerstattungspflicht des Beklagten berücksichtigt, dass er durch seine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 12.12.2013 - Widerspruch - und seine Verfahrensweise - Feststellung der Erledigung des Widerspruchs für Januar 2014 im Widerspruchsbescheid vom 18.12.2013 - das vorliegende Verfahren mit veranlasst hat. Denn der Beklagte hat es unterlassen, den Kläger auf die Erledigung der vorläufigen durch die abschließende Entscheidung während des gegen die vorläufige Entscheidung geführten Widerspruchsverfahrens und auf die Einbeziehung der abschließenden Entscheidung in das laufende Widerspruchsverfahren kraft Gesetzes nach § 86 SGG vor der Entscheidung über den Widerspruch hinzuweisen, um diesem im Sinne der bezweckten Verfahrensökonomie Gelegenheit zur sachgerechten Fortführung des Widerspruchsverfahrens zu geben.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19. Mai 2015 und der Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2010 aufgehoben und im Übrigen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Berücksichtigung von an den Großvater gezahltem Kindergeld beim Enkel als Einkommen für die Zeit vom 27.12.2009 bis zum 28.2.2010.

2

Der am 27.12.1994 geborene Kläger lebte im Haushalt des Großvaters, der sein alleiniger Vormund war und für ihn Kindergeld erhielt (für Dezember 2009 164 Euro, ab Januar 2010 184 Euro). Auf Antrag des Klägers bewilligte die beklagte Stadt M., die im eigenen Namen anstelle des als Optionskommune zugelassenen Kreises M. diese Aufgabe wahrnimmt, ihm mit Bescheiden vom 15.12.2009 und 18.12.2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 27.12.2009 bis zum 31.12.2010. Dabei berücksichtigte sie die von dem Kläger bezogene Halbwaisenrente sowie das an den Großvater gezahlte Kindergeld als Einkommen. Gegen beide Bescheide legte der Kläger ua wegen der Anrechnung des Kindergelds als Einkommen Widerspruch ein. Mit Bescheiden vom 9.2.2010 und 24.2.2010 erhöhte die Beklagte die an den Kläger zu zahlenden Leistungen für Februar und März 2010 aufgrund einer Reduzierung des Warmwasserabzugs. Auch gegen diese Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein. Weitere Änderungsbescheide ergingen für die Folgemonate. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.6.2010 wies der Kreis den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 15.12.2009 als unbegründet zurück, und mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 5.7.2010 wies er den Widerspruch gegen den Bescheid vom 9.2.2010 zurück.

3

In dem vom Kläger angestrengten Klageverfahren hat das SG die Zeit ab dem 1.3.2010 abgetrennt und das vorliegende Verfahren auf die Zeit vom 27.12.2009 bis zum 28.2.2010 beschränkt. Unter Abweisung der Klage im Übrigen hat das SG den "Bescheid vom 15.12.2009 und 18.12.2009 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 9.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.6.2010" geändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger höhere Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 27.12.2009 bis 31.1.2010 zu gewähren (Urteil vom 19.5.2015). Ua hat es ausgeführt, dass das an den Großvater gezahlte Kindergeld als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen sei. Dies folge zwar nicht unmittelbar aus § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II, weil der Kläger und sein Großvater keine Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 SGB II bilden würden. Dennoch könne das Kindergeld beim Kläger als tatsächliches Einkommen angerechnet werden, weil der Kläger mit seinem Großvater in einem Haushalt lebe und dieser das für den Kläger gezahlte Kindergeld für diesen verwendet habe. Ob die Verwendung für von der Regelleistung umfasste oder für andere Bedarfe erfolgt sei, sei unerheblich. Entscheidend sei, dass geeignetes Einkommen vorhanden gewesen sei, um den grundsicherungsrechtlichen Bedarf zu decken. Auf Antrag des Klägers unter Vorlage der Zustimmung der Beklagten hat das SG mit Beschluss vom 10.9.2015 die Sprungrevision gegen das Urteil zugelassen, "soweit die Klage auf die Gewährung von weiteren Leistungen nach dem SGB II für die Regelleistung gerichtet ist."

4

Mit seiner Sprungrevision rügt der Kläger eine Verletzung des § 11 SGB II wegen der Anrechnung des an seinen Großvater gezahlten Kindergelds als Einkommen. Eine solche Anrechnung komme nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht in Betracht, weil danach nur Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder diesen als Einkommen zuzurechnen sei und der Kläger und sein Großvater keine Bedarfsgemeinschaft bilden würden. Ohne weitere Rechtsgrundlagen zu nennen, stelle das SG in seinem Urteil dar, dass das Kindergeld bei ihm - dem Kläger - tatsächlich als Einkommen angerechnet werden könne, weil das Kindergeld für ihn verwendet worden sei. Auf die allgemeine Anrechnungsregel des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II könne nicht zurückgegriffen werden, weil diese durch die speziellere Regelung des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II zur Anrechnung des Kindergelds verdrängt werde. Im Übrigen sei das Kindergeld nie an ihn ausgezahlt oder auf ein Konto von ihm überwiesen worden, sodass § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II schon tatbestandlich nicht einschlägig wäre.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 19. Mai 2015 sowie die Bescheide des Beklagten vom 15. Dezember 2009 und vom 9. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 2010 zu ändern, den Widerspruchsbescheid vom 5. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 27. Dezember 2009 bis zum 28. Februar 2010 höheres Arbeitslosengeld II - ohne Berücksichtigung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung - zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Sprungrevision des Klägers ist insofern begründet, als das Urteil des SG vom 19.5.2015 und der Widerspruchsbescheid vom 5.7.2010 (siehe speziell dazu unter 3.) aufzuheben sind und im Übrigen die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 SGG). Eine endgültige Entscheidung seitens des BSG ist mangels ausreichender Feststellungen nicht möglich.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind neben dem Urteil des SG der Bescheid der Beklagten vom 15.12.2009 in der Fassung des ihn ändernden Bescheids vom 9.2.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.6.2010 und der ebenfalls hinsichtlich des Bescheides vom 9.2.2010 ergangene Widerspruchsbescheid vom 5.7.2010 sowie die vom Kläger begehrten höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - ohne solche für die Unterkunft und Heizung - für die Zeit vom 27.12.2009 bis zum 28.2.2010.

9

2. Die beklagte Stadt M. ist die richtige Beklagte, auch wenn sie nicht Träger der geltend gemachten Leistungen ist, sondern der als Optionskommune zugelassene Kreis M., dem sie angehört, weil ihr die Aufgaben des Trägers zur Wahrnehmung im eigenen Namen übertragen sind (Wahrnehmungszuständigkeit) und sie daher im Außenverhältnis verpflichtet ist (vgl nur BSG Urteil vom 28.10.2014 - B 14 AS 65/13 R - BSGE 117, 186 = SozR 4-4200 § 7 Nr 39, RdNr 9 mwN).

10

3. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Insbesondere war der Kreis, der die Widerspruchsbescheide erlassen hat, nicht notwendig beizuladen (BSG Urteil vom 28.10.2014 - B 14 AS 65/13 R - BSGE 117, 186 = SozR 4-4200 § 7 Nr 39, RdNr 10 mwN).

11

Die Sprungrevision des Klägers ist zulässig (vgl § 161 Abs 1 SGG). Dies gilt auch hinsichtlich ihrer Beschränkung auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - ohne solche für die Unterkunft und Heizung -, weil der Beschluss des SG über die Zulassung der Sprungrevision vom 10.9.2015 in diesem Sinne zu verstehen ist, wie die weitere Formulierung in ihm zeigt, die Zulassung werde "abgelehnt, soweit die Klage auf die Gewährung von weiteren Leistungen nach dem SGB II für die Kosten der Unterkunft und Heizung gerichtet ist". Ebenso wie eine Klage kann eine Sprungrevision auf die Geltendmachung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne solche für die Unterkunft und Heizung einerseits und auf höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung andererseits zulässigerweise beschränkt werden (stRspr, grundlegend BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 ff; zuletzt BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10 ff).

12

Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, 4 SGG). Mit dieser wendet er sich nach wie vor zu Recht gegen den ersten Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 15.12.2009, mit dem ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 27.12.2009 bis 31.12.2010 bewilligt wurden. Der nachfolgende mit "Duplikat" überschriebene "Bescheid" vom 18.12.2009 hatte denselben Inhalt und war nur eine wiederholende Verfügung ohne eigenen Regelungsinhalt und demgemäß kein Verwaltungsakt gemäß § 31 SGB X(vgl nur Engelmann in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 31 RdNr 32). Der Bescheid vom 9.2.2010, mit dem die Beklagte die an den Kläger zu zahlenden Leistungen für Februar und März 2010 aufgrund einer Reduzierung des Warmwasserabzugs erhöhte, war nach seinem Inhalt eine umfassende Neubewilligung der Leistungen des Klägers ab dem 1.2.2010 und ersetzte damit ab diesem Zeitpunkt den ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 15.12.2009 (§ 39 Abs 2 SGB X). Der nachfolgende, mit "Duplikat" überschriebene "Bescheid" vom 24.2.2010 hatte denselben Inhalt und war - ebenfalls - nur eine wiederholende Verfügung. Die anschließend ergangenen Bescheide der Beklagten gegenüber dem Kläger sind für das vorliegende Verfahren unbeachtlich, weil sie keine Regelungen in Bezug auf die vorliegend strittige Zeit enthalten.

13

Das hinsichtlich des angefochtenen Bescheides vom 15.12.2009 notwendige Vorverfahren nach § 78 SGG ist durch den Widerspruchsbescheid des Kreises M. vom 25.6.2010 abgeschlossen worden. Gegenstand dieses Widerspruchsverfahrens (§ 86 SGG) - und von diesem Widerspruchsbescheid umfasst - ist auch der Bescheid vom 9.2.2010 geworden, weil er den zuvor genannten Bescheid ab 1.2.2010 ersetzt hat. Der weitere vom Kreis gegenüber dem Kläger erlassene Widerspruchsbescheid vom 5.7.2010 wegen des Bescheides vom 9.2.2010, der aufgrund des Begehrens des Klägers Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, ist aufzuheben, weil es für diesen Widerspruchsbescheid nach der zuvor aufgezeigten Einbeziehung des Bescheides vom 9.2.2010 in das schon laufende Widerspruchsverfahren, das zum Widerspruchsbescheid vom 25.6.2010 führte, keinen Rechtsgrund gab.

14

4. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch des Klägers gegenüber der beklagten Stadt auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - ohne solche für die Unterkunft und Heizung - vom 27.12.2009 bis zum 28.2.2010 sind die §§ 19 ff iVm §§ 7 ff SGB II, das vor dem streitbefangenen Zeit zuletzt geändert worden war durch das Gesetz vom 17.7.2009 (BGBl I 1990). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

15

Zwar ist eine frühere, durch eine Änderung des Gesetzes abgelöste alte Fassung des Gesetzes kein aktuell geltendes Recht mehr, aufgrund der gesetzlichen Konzeption der Übergangsvorschriften im SGB II (vgl zB dessen § 66), die Ausdruck des aus dem Rechtsstaatsprinzip nach Art 20 Abs 3 GG folgenden Grundsatz des Vertrauensschutzes auch bei Rechtsänderungen sind, ist jedoch im SGB II vom sog Geltungszeitraumprinzip auszugehen, nach dem das Recht anzuwenden ist, das zu der Zeit galt, in der die maßgeblichen Rechtsfolgen eingetreten sind, wenn es an einer speziellen Regelung mangelt (vgl BSG Urteil vom 12.5.2011 - B 11 AL 24/10 R - SozR 4-1300 § 107 Nr 4 RdNr 22; Stölting in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 66 RdNr 4 ff; Stotz in Gagel, SGB II/SGB III, § 33 SGB II RdNr 96 f, Stand der Einzelkommentierung 3/2016; vgl zum SGB III: BSG Urteil vom 6.2.2003 - B 7 AL 72/01 R - SozR 4-4100 § 119 Nr 1 Juris-RdNr 14). Denn das SGB II dient der Deckung einer aktuellen Bedarfslage im jeweiligen Zeitpunkt, wie zahlreiche Regelungen belegen (vgl zB § 11 Abs 2, §§ 37, 41 SGB II).

16

Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1, 2, 4 SGB II als erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, weil er nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG(§ 163 SGG) am 27.12.1994 geboren ist, erwerbsfähig war und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte, und die Voraussetzungen von § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 4a oder 5 SGB II nicht vorlagen.

17

Der Kläger und sein Großvater bildeten, obwohl sie in einem gemeinsamen Haushalt lebten, keine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II, weil die dort enumerativ aufgezählten Konstellationen nicht das Zusammenleben nur der Großeltern oder eines Großelternteils mit ihrem oder seinem Enkelkind erfassen(zu einer Drei-Generationen-Bedarfsgemeinschaft: BSG Urteil vom 17.7.2014 - B 14 AS 54/13 R - BSGE 116, 200 = SozR 4-4200 § 7 Nr 37). Wegen der Verwandtschaft zwischen ihnen lag jedoch eine Haushaltsgemeinschaft nach § 9 Abs 5 SGB II vor.

18

Der Kläger hatte einen Bedarf an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - ohne solche für Unterkunft und Heizung - in Höhe der Regelleistung von 359 Euro (§ 20 Abs 1, 2 Satz 1 SGB II iVm der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1. Juli 2009 vom 17.6.2009, BGBl I 1342), Anhaltspunkte für einen anderen einzubeziehenden Bedarf bestehen nicht.

19

Ob und in welchem Umfang der Kläger hilfebedürftig nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, §§ 9 ff SGB II war, kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden. Als Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen ist die von ihm bezogene Halbwaisenrente, zu deren Höhe im Urteil des SG unterschiedliche Angaben gemacht werden (S 3 Abs 3: 187,77 Euro, S 9 Abs 3: 169,28 Euro), was im wiedereröffneten erstinstanzlichen Verfahren zu klären ist.

20

Von dem Einkommen des Klägers ist die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro (§ 6 Abs 1 Nr 2 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 23.7.2009, BGBl I 2340 ) abzusetzen, weil der Kläger nach den bindenden Feststellungen des SG über entsprechende eigene Versicherungen verfügte.

21

Nicht als Einkommen des Klägers zu berücksichtigen ist das an den Großvater für den Kläger gezahlte Kindergeld (dazu 5.). Aufgrund der nicht näher konkretisierten Feststellung des SG, der Großvater habe das Kindergeld für den Kläger verwandt, kommt jedoch eine Berücksichtigung des Geldes als (allgemeine) Einnahme des Klägers nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II in Betracht(dazu 6.). Zudem hat das SG nicht beachtet, dass der Kläger und sein Großvater eine Haushaltsgemeinschaft bilden (vgl § 9 Abs 5 SGB II) und aus diesem Grund eine weitere Sachaufklärung, insbesondere hinsichtlich des Einkommens und der zu vermutenden Leistung des Großvaters an den Kläger, notwendig ist (dazu 7.).

22

5. Das an den Großvater gezahlte Kindergeld kann nicht als Einkommen des Klägers nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II(heute § 11 Abs 1 Satz 5 SGB II in der Fassung des 9. SGB II-Änderungsgesetzes vom 26.7.2016, BGBl I 1824 - im Folgenden 9. SGB II-ÄndG) berücksichtigt werden.

23

Kindergeld ist grundsätzlich Einkommen des Kindergeldberechtigten (BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 18/06 R - BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, RdNr 25). Kindergeldberechtigt sind außer den Eltern ua die Großeltern, wenn sie - neben weiteren Voraussetzungen - ihren Enkel in ihren Haushalt aufgenommen haben (vgl §§ 62, 63 Abs 1 Satz 1 Nr 3 Einkommenssteuergesetz; §§ 1, 2 Abs 1 Nr 3 Bundeskindergeldgesetz > ). Abweichend hiervon wird im SGB II das Kindergeld in bestimmten Fällen dem Kind und nicht dem Kindergeldberechtigten als Einkommen zugerechnet: Satz 2 des § 11 Abs 1 SGB II bestimmt, dass der Kinderzuschlag nach § 6a BKGG als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen ist, nach dessen Satz 3 gilt dies auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird. Eine weitere - vorliegend nicht einschlägige - Sonderregelung enthält § 1 Abs 1 Nr 8 ALG II-VO, wonach Kindergeld für Kinder des Hilfebedürftigen nicht als dessen Einkommen zu berücksichtigen ist, soweit es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird.

24

a) Eine Zurechnung des an den Großvater für den Kläger gezahlten Kindergelds als Einkommen des Klägers nach § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II scheidet bereits tatbestandlich aus. Der Kläger und sein Großvater bildeten - wie schon ausgeführt - in der hier maßgeblichen Zeit keine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II.

25

b) Für eine erweiternde Auslegung des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art, wie sie die Beklagte vertritt, ist kein Raum.

26

Nach Sinn und Zweck zielt die Zurechnungsregelung in § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II darauf ab, durch das Kindergeld ggf zusammen mit dem Kinderzuschlag nach § 6a BKGG und möglichen weiteren Leistungen Hilfebedürftigkeit des Kindes nach dem SGB II zu vermeiden(BT-Drucks 15/1516, S 53; BSG Urteil vom 19.3.2008 - B 11b AS 7/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 10 RdNr 16; Strnischa in Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 11 SGB II RdNr 63, Stand der Einzelkommentierung März 2016; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 11 SGB II RdNr 38, Stand der Einzelkommentierung Dezember 2015). Bereits der Wortlaut ("ist … zuzurechnen") macht deutlich, dass diese Vorschrift lediglich die normative Zurechnung erzielten Einkommens betrifft, ohne die Einkommensqualität oder den Zufluss des Kindergelds selbst regeln zu wollen, zumal die Zurechnung (zunächst) beim Kind nur soweit erfolgt, wie es zur Deckung seines Bedarfs benötigt wird, und nichts daran ändert, dass das Kindergeld dem Grunde nach Einkommen des Kindergeldberechtigten bleibt (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13 RdNr 20).

27

Bei § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II handelt es sich nicht um eine dem grundsicherungsrechtlichen Faktizitätsgedanken zuwiderlaufende fiktive Berücksichtigung tatsächlich nicht vorhandenen Einkommens. Die Regelung gründet vielmehr auf der gesetzlichen Vermutung, dass das den Eltern zufließende Kindergeld in einer familiären Gemeinschaft, die ihren Gesamtbedarf aus Einkommen und Vermögen nicht vollständig decken kann und deshalb - im familienrechtlichen Sinne - eine Notgemeinschaft bildet, tatsächlich auch den Kindern zur Deckung ihres Bedarfs zugute kommt (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13 RdNr 20). Bildet der Kindergeldberechtigte - wie hier - mit dem Kind dagegen keine Bedarfsgemeinschaft, weil kein Eltern-Kind-Verhältnis besteht, ist dieser Vermutung die Grundlage entzogen, sodass eine Zurechnung des Kindergelds an das Kind fiktiv wäre.

28

Aus der Entstehungsgeschichte der Norm lässt sich ebenfalls nicht ableiten, dass das Kindergeld im SGB II stets dem Kind als Einkommen zugerechnet werden soll, wenn es das Kindergeld zur Existenzsicherung benötigt. In der Ursprungsfassung des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II war das Erfordernis "Bedarfsgemeinschaft" noch nicht enthalten. Ursprünglich sah der Gesetzestext die Zurechnung des Kindergelds als Einkommen "bei dem minderjährigen Kind" vor, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird (BT-Drucks 15/1516, S 11), ohne auf die Bedarfsgemeinschaft überhaupt Bezug zu nehmen oder die Zugehörigkeit des Kindes zur Bedarfsgemeinschaft des kindergeldberechtigten Elternteils ausdrücklich zur Tatbestandsvoraussetzung zu machen. Erst durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558) wurde in § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II das Wort "minderjährige" durch die Wörter "zur Bedarfsgemeinschaft gehörende" ersetzt. Dadurch sollte ausweislich der Begründung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, auf dessen Vorschlag die Änderung des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II zurückgeht, der Änderung der Formulierung in § 7 Abs 3 SGB II zur Einbeziehung von im Haushalt lebenden Kindern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, in eine Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern Rechnung getragen werden (BT-Drucks 16/688 S 14). Die Gesetzesbegründung bezeichnet die Änderung des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II daher auch nur als "Folgeänderung" zu dieser Einbeziehung der unter 25-Jährigen(BT-Drucks 16/688 S 14).

29

Zwar erfolgte die Bezugnahme auf die Bedarfsgemeinschaft in § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II entstehungsgeschichtlich damit nicht zur(ggf klarstellenden) Beschränkung der Kindergeldzurechnung auf zur Bedarfsgemeinschaft des Kindergeldberechtigten gehörende Kinder (BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 75/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 13 RdNr 20). Eine intendierte Ausweitung der Kindergeldzurechnung auf Fälle, in denen der Kindergeldberechtigte mit dem Kind keine Bedarfsgemeinschaft bildet, das Kindergeld aber vom Kind zur Existenzsicherung benötigt wird, lässt sich den Gesetzgebungsmaterialien indes nicht entnehmen. Hätte der Gesetzgeber eine derart weitreichende Zurechnung des Kindergelds beabsichtigt, hätte es nahegelegen, dies in der Gesetzesbegründung zu dokumentieren, zumal die gewählte Formulierung ("zur Bedarfsgemeinschaft gehörende") einer solchen Auslegung im Wege steht und eine andere, offenere Formulierung dann hätte erwartet werden dürfen.

30

c) Die Anrechnung des an den Großvater gezahlten Kindergelds als Einkommen bei dem Kläger ist entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aufgrund des Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG geboten.

31

Unbeschadet der Klärung, ob überhaupt eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung vorliegt, weil zwischen der Lebenssituation von Kindern, die mit zumindest einem Elternteil, und solchen, die nur mit Großeltern zusammenleben, erhebliche Unterschiede bestehen, kann die von der Beklagten angenommene Ungleichbehandlung beider Gruppen verschieden behoben werden: Die eine Gruppe kann ebenso wie die andere, die andere kann ebenso wie die eine, und beide können auf neue, dritte Weise behandelt werden (Pieroth/Schlink, Grundrechte, 28. Aufl 2012, § 11 IV 1 RdNr 515; Jarass in Jarass/Pieroth, GG, 14. Aufl 2016, Art 3 RdNr 40). Die Festlegung, wie die Ungleichbehandlung behoben wird, obliegt jedoch nicht der Verwaltung oder den Gerichten, sondern dem Gesetzgeber, wenn der Verwaltung beim Normvollzug vom geltenden Recht keine Handlungsspielräume eingeräumt worden sind - wie vorliegend. Für eine über den Wortlaut des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II hinausgehende, den Kläger belastende Auslegung der Norm unter Berufung auf Art 3 Abs 1 GG seitens der Beklagten ist insofern kein Raum.

32

6. In Betracht kommt hingegen eine Berücksichtigung des Kindergelds - und sei es nur zum Teil - als (allgemeine) Einnahme des Klägers nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II, weil nach der nicht näher konkretisierten Feststellung des SG der Großvater "das Kindergeld" für den Kläger verwandt hat. Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme bestimmter (Sozial-)Leistungen, die hier nicht vorliegen.

33

a) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Anrechnung eventueller Einkommenszuflüsse nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II, die auf der Verwendung des dem Großvater normativ zugeordneten Kindergelds durch diesen zugunsten des Klägers beruhen, nicht durch die Vorschrift des § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II ausgeschlossen. Beide Vorschriften stehen nicht in einem sich ausschließenden Verhältnis, insbesondere ist § 11 Abs 1 Satz 3 SGB II nicht die speziellere Vorschrift zu § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II, die diesen verdrängt. Vielmehr ordnet der Satz 3 gerade die Zurechnung des Kindergelds in einem bestimmten Umfang als Einkommen des Kindes an, selbst wenn es nicht Kindergeldberechtigter ist (vgl dazu 5.), und erweitert damit das zu berücksichtigende Einkommen nach Satz 1.

34

b) Dass die Verwendung des Kindergelds durch den Großvater für den Kläger bei diesem zu einer Einnahme führen kann, folgt aus dem weiten Begriff der Einnahme, der auch Zuwendungen in Geldeswert damals umfasste. Die ab 1.8.2016 geltende, geänderte Rechtslage aufgrund des 9. SGB II-ÄndG, nach der nur noch Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundes- oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen, zu berücksichtigen sind (vgl Neufassung des § 11 Abs 1 Satz 1, 2 SGB II) ist nicht anzuwenden, weil Leistungen für die Zeit vom 27.12.2009 bis zum 28.2.2010 umstritten sind und das damals geltende Recht anzuwenden ist (siehe unter 4.).

35

Bei der Anwendung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II wird das SG in den Blick zu nehmen haben, dass zwischen Bar- und Sachzuwendungen sowie Verpflegung zu differenzieren und neben § 11 Abs 3 SGB II insbesondere die Alg II-V zu beachten ist, zB wäre Verpflegung nach § 1 Abs 1 Nr 11 Alg II-V nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Sachleistungen in Geldeswert können nur als Einkommen berücksichtigt werden, wenn sie geeignet sind, den grundsicherungsrechtlichen Bedarf zu mindern, denn Grundlage für die Anrechnung von Einkommen und Vermögen ist, dass durch diese ein bestimmter grundsicherungsrechtlich relevanter Bedarf gedeckt werden kann, sodass zusätzliche Grundsicherungsleistungen in der entsprechenden Höhe entbehrlich sind (ebenso Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 11 SGB II RdNr 25, Stand der Einzelkommentierung 12/2015; Klaus in GK-SGB II, VI-1 § 11 RdNr 32, Stand der Einzelkommentierung 12/2013).

36

Welche Barbeträge und welche Sachleistungen der Großvater dem Kläger zugewandt hat und welchen grundsicherungsrechtlichen Bedarf letztere deckten, wird das SG aufzuklären haben. Allgemeine Erwägungen, wie zB "dem Kläger (könne) das Kindergeld als tatsächliches Einkommen bedarfsmindernd angerechnet werden", dürfen zu Lasten des Klägers nicht berücksichtigt werden, solange nicht feststeht, dass der Großvater dem Kläger "das Kindergeld" als Geldbetrag in Höhe des jeweiligen Zahlbetrags zugewandt hat.

37

7. Weiteres beim Kläger zu berücksichtigendes Einkommen und Vermögen könnte sich aus der Vermutung des § 9 Abs 5 SGB II ergeben, weil er mit seinem Großvater eine Haushaltsgemeinschaft bildete(vgl zur Vermutung, dass Verwandte an mit ihnen in einem Haushalt lebende Hilfebedürftige Leistungen erbringen, hinsichtlich des Einkommens § 1 Abs 2 Alg II-V).

38

Inwieweit der Großvater ein entsprechendes Einkommen oder Vermögen hatte und Leistungen gegenüber dem Kläger erbrachte, wird das SG aufzuklären haben (zur Auskunftspflicht des Großvaters gegenüber der Beklagten: § 60 Abs 1, 2 SGB II).

39

Über die Kosten des Revisionsverfahrens wird das SG ebenfalls zu entscheiden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 wird in der Hauptsache klarstellend dahingehend berichtigt, dass der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 jeweils weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 87,75 Euro zu erbringen sind.

Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009.

2

Die Klägerin zu 1 (geb 1960) sowie die mit ihr zusammenlebenden Söhne A (geb 1994), Kläger zu 2, und D (geb 1987 <22 Jahre>; im Folgenden: D) bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die KdU, welche der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf 526,50 Euro monatlich (Kaltmiete in Höhe von 406,50 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Hausmeisterpauschale in Höhe von 12 Euro, SAT-Antennenpauschale in Höhe von 8 Euro). Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1 und ihren Söhnen als Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009. Unter Berücksichtigung eines geringen Einkommens der Klägerin zu 1 aus Beschäftigung sowie des Kindergeldes bewilligte er jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die KdU übernahm er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den "Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU in Höhe von 175,50 Euro (Bescheid vom 13.10.2008). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er dem Sohn D die SGB II-Leistungen wegen des Abbruchs einer Bildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 vollständig (bestandskräftiger Bescheid vom 6.1.2009).

3

Für den bewilligten Zeitraum errechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen mehrfach neu (Bescheide vom 6.1., 1.2., 18.2. und 18.3.2009) und setzte den auf D entfallenden KdU-Anteil für die Monate Februar bis April 2009 mit "0 Euro" fest. Mit dem von den Klägern (erstmals) mit Widerspruch angefochtenen weiteren Bescheid vom 2.4.2009 bewilligte er die SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 und der Sanktion für D für den streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 erneut (dabei ergab sich für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 jeweils ein verbleibender Betrag an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; KdU wurden in bisheriger Höhe übernommen; für D entfielen wegen des "Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen" die KdU vollständig). Den Widerspruch, mit dem die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 den Wegfall des KdU-Anteils für D beanstandeten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009).

4

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere KdU-Leistungen in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 16.8.2010). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der von den Klägern angefochtene Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 sei ein sogenannter Zweitbescheid, der ungeachtet der zuvor über denselben Gegenstand getroffenen bestandkräftigen Regelungen erneut den Rechtsweg eröffnet habe. Der Beklagte habe spätestens im Widerspruchsbescheid erneut über die den Klägern zustehende KdU entschieden. Er habe hervorgehoben, dass er die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion und auf die Höhe der KdU für die Kläger als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut und intensiv geprüft habe. Hierbei habe er sich bewusst dafür entschieden, den durch die Sanktion entstandenen KdU-Anteil der Bedarfsgemeinschaft als Ausfall zuzuordnen. Auf die Inhalte der ab 6.1.2009 ergangenen Bescheide und deren (fragliche) Bekanntgabe komme es daher nicht an. Für die Zeit vom 1.2. bis zum 30.4.2009 bestehe ein Anspruch der Kläger auf Übernahme des jeweils hälftigen KdU-Anteils ohne Abzug des Kopfanteils für D. Es könne offen bleiben, ob D im streitigen Zeitraum noch Mitglied der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Für eine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung fehle es an einer Kostensenkungsaufforderung. Selbst wenn man eine solche als bereits mit den ab 1.6.2009 erteilten Bescheiden verbundene ansehe, fehle eine zeitliche Vorgabe zur Reduzierung. Auch sei es nur bei einer absehbar längerfristigen und endgültigen Veränderung in der Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft für die verbliebenen Mitglieder möglich und zumutbar, die Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung durch nur zwei Personen anzupassen. Seien die KdU-Aufwendungen daher angemessen oder als unangemessene Kosten zu übernehmen und habe die Bedarfsgemeinschaft fortbestanden, stehe der Anrechnung eines "fiktiven" Kopfanteils entgegen, dass die (tatsächlichen) Aufwendungen der Kläger nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setze voraus, dass der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Der anteilige Wegfall bei der Übernahme der Wohnungsaufwendungen führe zu einer (vorübergehenden) Unterdeckung eines bisher durch die gemeinsame Nutzung der Wohnung gedeckten Bedarfs. Dann bestehe ein Anspruch auf Tragung der tatsächlichen bzw angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch den SGB II-Träger, weil die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der KdU im Außenverhältnis unverändert fortbestehe. Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung unangemessener KdU. Während eine Sanktion rasch umgesetzt werden müsse, werde bei der Senkung der KdU eine Zeitspanne eingeräumt, um dem konkreten Wohnbedarf in seinen rechtlichen wie tatsächlichen Aspekten Rechnung zu tragen.

5

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es bestehe kein Anlass für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs. Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Wegen der Höhe der durch die Sanktion entstehenden Mietschulden bestehe in der Regel kein Kündigungsgrund. In vergleichbaren Fallkonstellationen werde die Aufteilung der KdU nach Kopfteilen auf die Nutzer der Wohnung ausnahmslos bestätigt ("fiktiver" Kopfanteil), obwohl auch dort das Argument hinsichtlich der Außenwirkung zum Vermieter und möglicher Wohnungslosigkeit greife. Das angefochtene Urteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise "ins Leere laufe".

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie führen aus, die Aufteilung nach Kopfteilen sei nicht wegen einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung, sondern deshalb gerechtfertigt, weil der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Eine strikte Anwendung des Kopfteilprinzips führe dazu, dass die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in "sippenhaftähnlicher Weise" für ein Fehlverhalten eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft haften würden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum jeweils Anspruch auf höhere Aufwendungen für KdU in der zuerkannten Höhe haben.

10

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009, mit dem der Beklagte KdU für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 weiterhin nur in Höhe der bisher zuerkannten Leistungen von je 175,50 Euro bewilligt hat. Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert. Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie. Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers zudem im Bescheid vom 2.4.2009 in einem selbstständigen Verfügungssatz geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 12).

11

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid vom 2.4.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 zurecht mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Wegen des sanktionsbedingten Wegfalls der KdU für D im streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 ist ihr Begehren auf höhere KdU gerichtet, als diese in den vorangegangenen Bescheiden für den streitigen Zeitraum jeweils bewilligt wurden. Das LSG hat zurecht angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 um einen Zweitbescheid handelte, mit dem der Beklagte die Individualansprüche für den streitigen Zeitraum erneut und in vollem Umfang überprüfbar geregelt hat. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 können jeweils höhere Leistungen in der von den Vorinstanzen angenommenen Höhe beanspruchen. Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass kein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft oder Teilen der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert, sondern Anspruchsinhaber jeweils - individuell - die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Mit dem Bescheid vom 2.4.2009 hat der Beklagte - in getrennt zu betrachtenden Verfügungen - Einzelansprüche der Klägerin zu 1 und ihrer beiden Söhne bewilligt. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist daher dahin zu korrigieren, dass der ausgeurteilte Gesamtbetrag in Höhe von 175,50 Euro jeweils anteilig auf die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 verteilt wird.

12

Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insofern haben sie keine Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, mit dem das SG ausdrücklich nur weitere KdU zugesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Bewilligungsbescheiden gleichfalls geregelte Höhe der Regelleistung sowie die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1, das schon ihren eigenen Regelbedarf nicht deckte, nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Bei den KdU handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

13

2. Die materielle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche Änderung vor (Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 60). Eine Änderungswirkung zugunsten des Berechtigten liegt vor, wenn die Änderung nach objektiver Betrachtungsweise "per saldo" einen Vorteil bewirkt (BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19).

14

Dies ist hier ausgehend von den Individualansprüchen der Kläger zu 1 und 2 auf SGB II-Leistungen der Fall. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 13.10.2008 und den weiteren Änderungsbescheiden zugrundelagen, mit denen der Beklagte den Klägern jeweils 175,50 Euro als KdU bewilligte, ist eine Änderung eingetreten, weil sie für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 Ansprüche auf weitere KdU-Leistungen in Höhe von 87,75 Euro hatten. Bezogen auf die Kläger zu 1 und 2 wird durch den tatsächlichen Wegfall des bisher an den Vermieter direkt überwiesenen KdU-Anteils für D auf der Grundlage der Kürzung des Individualanspruchs des D durch den Bescheid vom 2.4.2009 zeitgleich eine wesentliche Änderung bewirkt, weil bei ihnen ein höherer Bedarf an KdU entstand, den sie nicht durch Einkommen oder Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft decken konnten. Dieser Sonderfall rechtfertigt eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip".

15

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen notwendigen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach vorlagen. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass sie zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehörten und dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU hatten. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Die im Jahre 1960 geborene Klägerin zu 1 war erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II aber noch nicht erreicht(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Der 1994 geborene Kläger zu 2 lebte mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft, beide waren hilfebedürftig, der Kläger zu 2 verfügte - mit Ausnahme des Kindergeldes - über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, die Klägerin zu 1 erzielte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nur das berücksichtigte Einkommen, welches schon ihren eigenen Bedarf nicht deckte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II).

16

4. a) Die Kläger können in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 die Übernahme der KdU in tatsächlicher Höhe und jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs 1 S 1 SGB II beanspruchen.

17

Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Von § 22 Abs 1 S 1 SGB II erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 15 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 15).

18

b) Von den tatsächlichen und - mit den Überlegungen des LSG - zumindest als angemessenen zu unterstellenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum in Höhe von 526,50 Euro ist nicht der auf D entfallende Anteil an den KdU abzuziehen. Zwar sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

19

Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdU begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.

20

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat, wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar" und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des Hilfebedürftigen oder eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4, RdNr 19 "Sonderfälle"). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat der 14. Senat des BSG bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12, RdNr 19). Weiter haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; vgl hierzu auch Frank in GK-SGB II § 22 RdNr 19, Stand März 2010).

21

c) Hier sind die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen gegeben, die auch bei gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen können (vgl zur Übernahme der KdU bei vorübergehender Ortsabwesenheit eines Partners: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42).

22

Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des vollständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlangen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009 sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminimums zuständige Träger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung in angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall, weil auch der minderjährige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betreffenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden KdU-Anteil während des Sanktionszeitraums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Klägerin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu 2 eingetreten war.

23

d) Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen. Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen nicht erst besteht, wenn eine Kündigung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) individuellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).

24

Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde, kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig entfallen, weil auch der Regelbedarf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.

25

Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren(zu einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Staffelmietvereinbarung: BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 61 zu erhöhten Mietkosten wegen einer Modernisierungsmaßnahme nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. April 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

2

Der im Jahre 1969 geborene Kläger, der seit dem 1.1.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht, mietete ab dem 1.9.2004 mit seiner damaligen Lebensgefährtin gemeinsam als Hauptmieter eine 81 Quadratmeter große Dreizimmerwohnung und sie vereinbarten mündlich, dass beide jeweils die Hälfte der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung tragen. Im Jahr 2005 wurde die gemeinsame Tochter geboren. Die tatsächlichen Aufwendungen für diese Wohnung betrugen insgesamt 559,00 Euro (370,00 Euro Nettokaltmiete, 115,00 Euro kalte Betriebskosten und 74,00 Euro Kosten für die Beheizung mit Erdgas). Aufgrund der Angaben des Klägers und der Kindesmutter, sie hätten sich unter Aufrechterhaltung der gemeinsamen Wohnung getrennt, sah das beklagte Jobcenter den Kläger als alleinstehenden Hilfebedürftigen an und bewilligte ihm für die Zeit von Januar 2008 bis Juni 2008 monatliche Leistungen in Höhe von 527,68 Euro, die sich aus der Regelleistung für einen alleinstehenden Hilfebedürftigen in Höhe von 347,00 Euro sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 180,68 Euro zusammensetzten (Bescheid vom 21.12.2007, Widerspruchsbescheid vom 1.7.2008).

3

Nachdem der Kläger während des anschließenden Klageverfahrens den Umfang seiner Nutzung der Wohnung unter Übersendung eines Grundrisses dargestellt hatte, bewilligte der Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum nunmehr monatliche Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 217,80 Euro (Änderungsbescheid vom 29.9.2008). Die auf die Übernahme der darüber hinaus gehenden - hälftigen - Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen (Urteil vom 11.12.2009), das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen erhobene - vom SG zugelassene - Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 26.4.2012). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger könne nicht mehr als ein Drittel der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beanspruchen, weil diese nach Kopfteilen auf ihn, die Kindesmutter und das gemeinsame Kind aufzuteilen seien, ohne dass es darauf ankomme, ob eine Bedarfsgemeinschaft vorliege. Die von ihm und der Kindesmutter getroffene Vereinbarung über die hälftige Teilung der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sei unbeachtlich.

4

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Entgegen der Auffassung des LSG sei eine Abweichung vom Kopfteilprinzip auch aufgrund einer zivilrechtlichen Vereinbarung möglich. Die Vereinbarung zwischen ihm und der Kindesmutter sei nicht unbeachtlich, weil anderenfalls sein Bedarf nicht vollständig gedeckt werde.

5

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. April 2012 und des Sozialgerichts Berlin vom 11. Dezember 2009 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21. Dezember 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. Juli 2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 29. September 2008 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2008 monatlich weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 53,21 Euro zu zahlen.

6

Der Beklagte hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung an das LSG begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Sozialgerichtsgesetz). Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob dem Kläger die beantragten höheren Leistungen zustehen.

8

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die vom Kläger begehrte Aufhebung der Urteile des LSG und des SG und das unter Abänderung des Bescheides vom 21.12.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1.7.2008 in der Fassung des gemäß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens gewordenen Änderungsbescheides vom 29.9.2008 auf die Verurteilung des Beklagten gerichtete Begehren, ihm für den Zeitraum von Januar 2008 bis Juni 2008 Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von weiteren 53,21 Euro monatlich zu zahlen. Der Betrag ergibt sich aus der Differenz der vom Kläger vor dem LSG beantragten hälftigen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung von 271,01 Euro und den vom Beklagten zuletzt bewilligten 217,80 Euro. Die Beschränkung des Streitgegenstandes allein auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ist zulässig (vgl nur Bundessozialgericht vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18).

9

2. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrten und über die vom Beklagten monatlich bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung hinausgehenden weiteren 53,21 Euro sind § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm §§ 7, 9, 19 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden Fassung, denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

10

Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht vollendet haben, die erwerbsfähig(Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Den Feststellungen im angefochtenen Urteil kann zwar entnommen werden, dass der Kläger die Voraussetzungen hinsichtlich des Lebensalters und des gewöhnlichen Aufenthalts erfüllt, allerdings fehlen ausreichende Feststellungen zur Erwerbsfähigkeit des Klägers und insbesondere zu dessen Hilfebedürftigkeit.

11

Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält (§ 9 Abs 1 SGB II). Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ua auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen. Nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II gilt schließlich (im Grundsatz) jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist.

12

Wegen dieser gesetzlichen Vorgabe, wonach Hilfebedürftigkeit ausnahmslos vom Bedarf aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft und des der Bedarfsgemeinschaft zufließenden Einkommens und des vorhandenen Vermögens abhängig ist, darf bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit als Teil der Anspruchsvoraussetzungen nicht offen bleiben, ob ein Antragsteller mit anderen Personen eine Bedarfsgemeinschaft bildet (BSG vom 16.4.2013 - B 14 AS 71/12 R, zur Veröffentlichung vorgesehen) (dazu 3.). Anschließend ist zu klären, wie hoch die einzelnen Bedarfe aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind, wobei vorliegend eine Beschränkung auf die allein umstrittenen Leistungen für Unterkunft und Heizung erfolgen kann (dazu 4.). Zudem wäre noch zu klären, wie hoch ihre zu berücksichtigenden Einkommen und Vermögen sind, um abschließend entscheiden zu können, in welchem Umfang der Kläger hilfebedürftig ist und Anspruch auf die hier allein streitigen (weiteren) Leistungen für Unterkunft und Heizung hat.

13

3. Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Entscheidung, ob der Kläger im streitigen Zeitraum in einer Bedarfsgemeinschaft mit der Kindesmutter nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II(in der ab dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) oder mit dem gemeinsamen Kind nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II lebte, hat das LSG nicht festgestellt, es hat nur ungeprüft die Annahme des Beklagten übernommen, dass zwischen dem Kläger und der Kindesmutter keine Bedarfsgemeinschaft bestanden habe.

14

Nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II gehört als Partner des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen die Person zur Bedarfsgemeinschaft, die mit ihm in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen. Dieser Wille wird nach § 7 Abs 3a SGB II vermutet, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben(Nr 1), mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben (Nr 2), Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen (Nr 3) oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen (Nr 4). Ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft in diesem Sinne vorliegt, ist anhand von Indizien und im Wege einer Gesamtwürdigung festzustellen. Es mangelt hier bereits an Feststellungen des LSG zum Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts zwischen dem Kläger und der Kindesmutter (vgl zu Einzelheiten BSG vom 23.8.2012 - B 4 AS 34/12 R - BSGE 111, 250 = SozR 4-4200 § 7 Nr 32, RdNr 13 f). Ebenso fehlen Feststellungen, um entscheiden zu können, ob die Voraussetzungen des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II im Hinblick auf die im Jahre 2005 geborene gemeinsame Tochter erfüllt sind(vgl hierzu nur Urteil des Senats vom 16.4.2013 - B 14 AS 81/12 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 2 RdNr 15 ff).

15

Diese Feststellungen sind nicht entbehrlich, weil der Kläger den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen für die Unterkunft und Heizung beschränkt hat. Denn auch die Höhe dieses Anspruches kann von dem zu berücksichtigenden Einkommen (und Vermögen) des Hilfebedürftigen und ggf weiterer Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft trotz der Anrechnungsregelung in § 19 Satz 3 SGB II in der damaligen Fassung abhängen.

16

4. Um über die vorliegend (nur) umstrittenen höheren Leistungen des Klägers für Unterkunft und Heizung entscheiden zu können, mangelt es ebenfalls an ausreichenden Feststellungen des LSG.

17

Die Leistungen (heute Bedarfe) für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Zur Berechnung dieser Bedarfe sind die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit und ihre Verteilung auf die in der Wohnung lebenden Personen zu ermitteln sowie ggf weitere mögliche Einwände zu prüfen (vgl zu diesen Prüfungsschritten BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 63 RdNr 13 ff).

18

Ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) waren in der streitigen Zeit als tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung insgesamt 559,00 Euro aufzubringen (Nettokaltmiete von 370,00 Euro, kalte Betriebskosten von 115,00 Euro, Kosten für die Beheizung mit Erdgas von 74,00 Euro).

19

Nicht abschließend beurteilt werden kann, ob diese tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung entsprechend der vertraglichen Abrede zwischen dem Kläger und der Kindesmutter oder - ohne Berücksichtigung dieser Abrede - nach Kopfteilen zwischen ihnen und der gemeinsamen Tochter aufzuteilen sind.

20

a) Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind nach gefestigter Rechtsprechung des BSG im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutzen (vgl BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28 f; BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 63). Dem ist die Literatur gefolgt (vgl nur Berlit in Lehr- und Praxiskommentar SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 3 f; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, K § 22 RdNr 49 f; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 69). Hintergrund für dieses auf das Bundesverwaltungsgericht ( vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

21

Aufbauend auf dieser Rechtsprechung hat der Senat in seiner Entscheidung vom 29.11.2012 (B 14 AS 36/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 63) eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für diejenigen Fälle bejaht, in denen eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrages bei objektiver Betrachtung angezeigt ist, und nochmals betont (B 14 AS 161/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 66), dass vom Kopfteilprinzip abzuweichen ist, wenn der Nutzung einer Wohnung andere bindende vertragliche Regelungen zugrunde liegen.

22

b) In der Konsequenz bedeutet dies, dass innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft die Aufteilung der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung grundsätzlich nach Kopfteilen zu erfolgen hat und es ohne Belang ist, wer den Mietzins schuldet und wer welchen Teil der Wohnung tatsächlich nutzt. Ihre Rechtfertigung findet die grundsätzliche Anwendung des Kopfteilprinzips in diesen Fällen in der Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen gerade innerhalb einer "aus einem Topf wirtschaftenden" Bedarfsgemeinschaft eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt. Gleiches gilt im Grundsatz auch bei Haushaltsgemeinschaften unter Verwandten.

23

Ausnahmen hiervon sind - auch innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft - bei einem über das normale Maß hinausgehenden Bedarf einer der in der Wohnung lebenden Person wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit denkbar (vgl BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28 f; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19) oder wenn der Unterkunftskostenanteil eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft wegen einer bestandskräftigen Sanktion weggefallen ist und die Anwendung des Kopfteilprinzips zu Mietschulden für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft führen würde (BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R, zitiert nach der Terminmitteilung und dem Terminbericht).

24

Demgegenüber ist in Konstellationen, in denen mehrere Personen eine Wohnung nutzen, ohne eine Bedarfsgemeinschaft zu bilden, zB bei Wohngemeinschaften, für die Aufteilung der Unterkunftskosten - abweichend vom Kopfteilprinzip - derjenige Anteil entscheidend, der nach den internen Vereinbarungen auf den jeweiligen Mitbewohner entfällt. Maßgebend ist insoweit, ob eine wirksame vertragliche Vereinbarung besteht (vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, K § 22 RdNr 49 und 52 mwN). Wenn eine solche Vereinbarung wirksam geschlossen worden ist, geht diese der auf den aufgezeigten praktischen Erwägungen beruhenden Aufteilung nach Kopfteilen vor. Bei Wohngemeinschaften dürfte im Übrigen die Nutzungsintensität die Grundlage der vertraglichen internen Abreden sein, in welchem Umfang die Mitglieder der Gemeinschaft zu den Gesamtkosten der Unterkunft und Heizung beizutragen haben.

25

c) Ausgehend von diesen Maßgaben kommt es - auch in diesem Zusammenhang - darauf an, ob zwischen dem Kläger und der Kindesmutter sowie dem gemeinsamen Kind im streitigen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft bestanden hat. Sollte das LSG zu dem Ergebnis gelangen, dass dies der Fall war, verbleibt es nach den derzeitigen Feststellungen des LSG bei der am Kopfteilprinzip orientierten Verteilung der Kosten der Unterkunft und Heizung, weil Umstände, die ein Abweichen vom Kopfteilprinzip auch innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft zuließen, nicht festgestellt wurden.

26

Wenn das LSG zu der Überzeugung gelangt, dass eine solche Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum nicht bestanden hat, wird es die Umstände der vertraglichen Abrede im Einzelnen zu ermitteln, zu würdigen und insbesondere von einem Scheingeschäft (§ 117 Abs 1, § 133 Bürgerliches Gesetzbuch) abzugrenzen haben. Bei der Gesamtwürdigung der Umstände ist für die Auslegung der Vereinbarungen insbesondere die spätere tatsächliche Übung der Parteien, mithin der tatsächliche Vollzug des Vertragsinhalts zu berücksichtigen (vgl Urteil des Senats vom 7.5.2009 - B 14 AS 31/07 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 17 ff; vgl auch BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 15 RdNr 27-28). Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung wird auch zu beachten sein, dass aus dem vom LSG mitgeteilten Zeitpunkt des Abschlusses der vertraglichen Abrede im Jahre 2004 folgt, dass dies kein Vertrag zu Lasten des beklagten Jobcenters war (vgl zu diesem Aspekt auch Urteil des Senats vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 63 RdNr 28-28). Kommt das LSG nach der Würdigung der Gesamtumstände zu dem Ergebnis, dass eine wirksame vertragliche Abrede getroffen worden ist, wird es die auf der Grundlage dieser Vereinbarung auf den Kläger entfallenden tatsächlichen Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung zugrunde zu legen haben. Des Weiteren wird zu prüfen sein, ob es dem Kläger im Hinblick auf die Veränderung der tatsächlichen Grundlage der vertraglichen Abrede durch die Geburt der gemeinsamen Tochter möglich gewesen wäre, eine Vertragsanpassung zu erreichen (vgl Urteil des Senats vom 29.11.2012 - B 14 AS 161/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 66 RdNr 20-21 sowie BSG vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 23; BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 16; BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 22).

27

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens bleibt dem LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen werden die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2013 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 und vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 sowie der Bescheid vom 28. Juli 2008 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen für September bis November 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils zur Hälfte für den weggefallenen Kopfteil von S.
unter Berücksichtigung eines monatlichen Einkommens desselben in Höhe von 124,00 Euro zu zahlen.

Im Übrigen werden die Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen ein Drittel ihrer Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008.

2

Die im Jahr 1965 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der am 4.12.2002 geborenen Klägerin zu 2 sowie des am 30.9.1990 geborenen Sohnes S. Zusammen bewohnten sie in der strittigen Zeit eine Mietwohnung. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.7.2008 hatte der Beklagte ihnen als Bedarfsgemeinschaft vom 1.8. bis 31.10.2008 Leistungen bewilligt, wobei auf den Bedarf des S. das für ihn an die Klägerin zu 1 gezahlte Kindergeld angerechnet wurde. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden zu je einem Drittel auf die Klägerinnen und S. aufgeteilt. Anschließend wurde der Leistungsanspruch des S. für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008 wegen mangelnder Arbeitsbereitschaft vollständig abgesenkt und der Bewilligungsbescheid vom 28.7.2008 insoweit gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben(bestandskräftige Bescheide vom 1.8.2008 und 8.8.2008). Vom 13.10. bis zum 4.11.2008 befand sich S. in einem gerichtlich angeordneten Kurzarrest. Mit Bescheid vom 10.12.2008 wurden den Klägerinnen für November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt, die vom 1.11. bis 4.11.2008 hälftig auf die Klägerinnen und anschließend zu je einem Drittel - wegen Berücksichtigung des S. - aufgeteilt wurden. Der Widerspruch dagegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9.1.2009).

3

Ein Überprüfungsantrag der Klägerinnen hinsichtlich des Bewilligungsbescheides vom 28.7.2008 wurde vom Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 12.2.2009, Widerspruchsbescheid vom 6.3.2009).

4

Das Sozialgericht (SG) hat, nachdem der Beklagte sich durch ein Teilanerkenntnis verpflichtet hatte, an die Klägerinnen weitere Leistungen für Unterkunft für die streitbefangenen Monate zu zahlen, die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.8.2010). Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Änderung des Urteils des SG den Beklagten unter Aufhebung sowie Änderung seiner Bescheide verurteilt, an die Klägerin zu 2 weitere Leistungen zu zahlen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 30.1.2013). Zur Begründung der Zurückweisung ist ausgeführt, für die Zeit des Kurzarrestes des S. habe der Beklagte zu Recht die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung je zur Hälfte auf die Klägerinnen aufgeteilt, da S. in dieser Zeit die Wohnung nicht bewohnt und gemäß § 7 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB II keinen Leistungsanspruch gehabt habe. Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für die Zeit vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008 zugunsten der Klägerinnen sei dagegen nicht geboten gewesen. Die Auswirkungen der Sanktion eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft auf die anderen Mitglieder seien Ausdruck der verstärkten Mitverantwortung der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft untereinander im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, die in Grenzen auch für das Fehlverhalten ihrer Mitglieder einzustehen habe. Anderenfalls läge im Falle einer Sanktion eine Besserstellung der unter 25jährigen vor, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II, des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch das Urteil des LSG. Auch in den vom LSG verneinten Zeiten sei eine Abweichung vom Kopfteilprinzip geboten, wie sich aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.5.2013 (B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68) ergebe.

6

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2013 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 und vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 sowie den Bescheid vom 28. Juli 2008 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für September bis November 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils zur Hälfte für den weggefallenen Kopfteil von S. zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen im vorliegenden Fall der S. über Einkommen aus Kindergeld verfügt habe, aus dem sein Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung habe bestritten werden können.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen waren zum Teil erfolgreich. Die Klägerinnen haben nicht nur für die Zeit, die S. im Kurzarrest verbrachte, sondern auch für den Zeitraum vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008, in dem Leistungen an den S. wegen einer Sanktion vollständig abgesenkt worden waren, Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind zum einen die Änderung der vorinstanzlichen Entscheidungen und der Bescheide des Beklagten vom 10.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.1.2009 und vom 12.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.3.2009 sowie des Bescheids vom 28.7.2008, zum anderen das Begehren der Klägerinnen, für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008 über den vom LSG bereits zuerkannten Betrag hinaus höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Diese Beschränkung auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist zulässig (stRspr: vgl nur BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 22 Nr 78).

11

2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind hinsichtlich der Monate September und Oktober 2008 aufgrund des abgelehnten Überprüfungsantrags der Klägerinnen hinsichtlich des bestandskräftigen Bescheids vom 28.7.2008 § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X sowie § 19 Abs 1, §§ 7 ff und § 22 SGB II. Hinsichtlich des nicht bestandskräftigen Bescheids vom 10.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.1.2009, mit dem Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2008 bewilligt wurden, beurteilt sich die materielle Rechtmäßigkeit allein nach § 19 Abs 1, §§ 7 ff, § 22 SGB II. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerinnen auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung in den streitbefangenen Monaten sind aufgrund der Sanktion des Beklagten gegenüber S. und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Ansprüche der Klägerinnen erfüllt.

12

3. Die in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II niedergelegten Voraussetzungen für den Erhalt von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit und ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland - erfüllte nach den Feststellungen des LSG(§ 163 Sozialgerichtsgesetz) die Klägerin zu 1 in der strittigen Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008. Ein Ausschlusstatbestand gemäß § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II war in ihrer Person nicht gegeben. Die Klägerin zu 1 bildete mit der minderjährigen Klägerin zu 2 durchgehend eine Bedarfsgemeinschaft.

13

Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war nach den Feststellungen des LSG zumindest zeitweise auch der Sohn S. der Klägerin zu 1, weil er am 30.9.1990 geboren, unverheiratet und in ihrem Haushalt lebend war sowie kein ausreichendes Einkommen und Vermögen hatte, sondern für ihn lediglich Kindergeld gezahlt wurde.

14

4. Die Klägerinnen haben über die vom LSG zugesprochenen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von September bis November 2008 hinaus weitere Ansprüche gegen den Beklagten für den Zeitraum vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008, in dem die Leistungen an den S. wegen einer Sanktion vollständig abgesenkt worden waren. Der Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II ergibt sich wegen einer gebotenen Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen(dazu unter a). Dies gilt allerdings nur insoweit, als der sanktionierte Dritte (also S.) über kein Einkommen und Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann (dazu unter b).

15

a) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).

16

aa) Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn die leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere mit anderen Familienangehörigen, nutzt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Hintergrund dieses "Kopfteilprinzips" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (stRspr: vgl nur BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 18).

17

bb) Bei der aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität vorgenommenen Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzend festgeschrieben ist(BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 19). Demgemäß hat das BSG schon mehrfach Abweichungen vom Kopfteilprinzip als möglich und notwendig angesehen (vgl BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 20, mwN).

18

cc) In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der 4. Senat des BSG für den Fall, dass bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion die Leistungen für Unterkunft und Heizung weggefallen sind, eine Abweichung von Kopfteilprinzip hinsichtlich der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder aus bedarfsbezogenen Gründen bejaht. Diese könnten nicht darauf verwiesen werden, von einem Dritten seinen Anteil zu verlangen, wenn das Jobcenter mit bestandskräftigem Bescheid den vollständigen Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung verfügt und der Dritte auch kein Einkommen oder Vermögen habe, aus dem er seinen Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestreiten könne (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 21 f).

19

dd) Dem schließt sich der erkennende Senat an, weil nur so ein menschenwürdiges Existenzminimum gemäß Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvR 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), zu dem auch die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gehören, der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gewährleistet werden kann. Diese können nicht darauf verwiesen werden, ihre mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig zu erfüllen und sich der Gefahr einer entsprechenden Klage des Vermieters auszusetzen oder die fehlende Zahlung des Jobcenters an den Dritten aus eigenen Mitteln, wie nicht zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen oder zB aus ihrem Regelbedarf, zu ersetzen.

20

Zudem ist, ausgehend von den das SGB II prägenden Einzelansprüchen der in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12), keine Rechtsvorschrift ersichtlich, aus der eine Art Mithaftung der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des Dritten oder eine Zurechnung der Sanktionsfolgen ihnen gegenüber zu entnehmen ist. Dagegen sprechen vielmehr die Regelungen im heutigen § 31a Abs 3 Satz 2, 3 SGB II, zB zum Schutz von Minderjährigen. Die Rechtsfolgen, die aus dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft erwachsen und auf die das LSG verweist, sind auf die Leistungshöhe (vgl § 20 SGB II) sowie die Verteilung des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens (§ 9 Abs 2 SGB II) beschränkt.

21

Eine "Abmilderung" der Sanktion gegenüber dem Dritten, wie sie das LSG sieht, erfolgt dadurch allenfalls faktisch und mittelbar, nicht aber auf der rechtlichen Ebene der Einzelansprüche. Dementsprechend werden - entgegen der Ansicht des LSG - auch keine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von Dritten übernommen, sondern nur die Leistungen für andere Bedarfsgemeinschaftsmitglieder erhöht, um die Erfüllung von deren Ansprüchen auf ihr Existenzminimum sicherzustellen. Deshalb geht der Verweis auf einen Gleichheitsverstoß gemäß Art 3 Abs 1 GG im Verhältnis des Dritten zu anderen Personen, die eine Sanktion erhalten und nicht in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ins Leere.

22

b) Voraussetzung für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip ist jedoch, worauf schon der 4. Senat hingewiesen hat, dass der sanktionierte Dritte über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 22). Es ist nämlich nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wirtschaftlich Leistungsfähigen ein kostenfreies Wohnen zu ermöglichen (vgl BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 14 AS 90/12 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 22 RdNr 53).

23

Zur Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens des Dritten ist auf die einschlägigen Vorschriften der §§ 11 ff SGB II abzustellen, weil nur in Höhe der Differenz zwischen seinem Kopfteil und des von ihm einzusetzenden Einkommens und Vermögens ein ungedeckter Bedarf vorliegt, der eine entsprechende Abweichung vom Kopfteilprinzip und höhere Leistungen an die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus den zuvor genannten Gründen rechtfertigt.

24

Aufgrund der Sanktion des Beklagten gegenüber dem S. wurden an diesen für die Zeit von September bis November 2008 keine Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. Lediglich für die Zeit seines Kurzarrestes vom 13.10. bis 4.11.2008 hat der Beklagte den Klägerinnen hälftig Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. In der übrigen Zeit ist der "Kopfteil" des S. im Rahmen einer Abweichung vom Kopfteilprinzip jedoch nicht vollständig bei den Klägerinnen zu berücksichtigen, weil dem im Übrigen einkommens- und vermögenslosen S. nach den Feststellungen des LSG als Einkommen das an die Klägerin zu 1 für ihn gezahlte Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro zuzurechnen ist (vgl § 11 Abs 1 SGB II). Verringert um die Versicherungspauschale von 30 Euro nach § 6 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II-Verordnung, weil S. am 30.9.2008 volljährig geworden ist, bleibt ein zu berücksichtigendes Einkommen von monatlich 124 Euro. Nur die Differenz aus dem Kopfteil des S. abzüglich dieses zu berücksichtigenden Einkommens verbleibt als ungedeckter Bedarf der Klägerinnen für Unterkunft und Heizung, der mangels entgegenstehender Regelungen zu gleichen Teilen dem Bedarf der beiden Klägerinnen für Unterkunft und Heizung zuzuweisen ist.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Februar 2016 wird zurückgewiesen.

Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 15. Mai 2012 wird wie folgt gefasst: Der Bescheid des Beklagten vom 24. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. November 2011 wird aufgehoben, und der Beklagte wird verurteilt, beiden Klägerinnen jeweils für September 2011 weitere Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von 188,56 Euro zu zahlen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Übernahme einer im September 2011 fälligen Nachforderung von Nebenkosten des Jahres 2010 für eine nicht mehr bewohnte Wohnung.

2

Die 1970 geborene, erwerbsfähige Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2002 geborenen Klägerin zu 2. Beide lebten im Jahre 2010 in einem Haushalt mit dem damaligen Lebenspartner M der Mutter in der R.-Straße 56. Alle drei bezogen von dem beklagten Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung in voller Höhe. Nachdem die Klägerin zu 1 sich von M getrennt hatte, erteilte der Beklagte mit Bescheid vom 4.4.2011 die Zusicherung zum Umzug in eine Mietwohnung in der R.-Straße 67, die die Klägerinnen am 1.5.2011 bezogen. Sie erhielten weiterhin Alg II bzw Sozialgeld, auch für den Zeitraum ab 1.5.2011 bis 31.10.2011 (zuletzt durch Bescheid vom 20.6.2011).

3

Im August 2011 legte die Klägerin zu 1 dem Beklagten eine an M adressierte, im September 2011 fällige Nebenkostennachforderung über 565,69 Euro für die frühere Wohnung und das Jahr 2010 vor. Den darin gesehenen Antrag auf Kostenübernahme lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 24.8.2011; Widerspruchsbescheid vom 16.11.2011).

4

Auf die hiergegen erhobenen Klagen hat das SG den Beklagten verurteilt, zwei Drittel der Nachforderung zu übernehmen (Urteil vom 15.5.2012). Das LSG hat die Berufung zugelassen und diese sodann mit Urteil vom 24.2.2016 zurückgewiesen sowie den Tenor des SG-Urteils dahingehend neu gefasst, dass der Beklagte verpflichtet wird, "jeder Klägerin für den Monat September 2011 weitere KdU in Höhe von 188,56 Euro" zu bewilligen und auszuzahlen. Durch den Leistungsbezug der Klägerinnen sowohl im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten als auch zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit bestehe eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nachforderung mit dem unterkunftsbezogenen Bedarf der Klägerinnen.

5

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision und rügt eine Verletzung von § 22 SGB II, weil nur die Aufwendungen für die gegenwärtig bewohnte Wohnung zu übernehmen seien und eine Ausnahme davon nur bei einem Wohnungswechsel aufgrund einer Kostensenkungsaufforderung anzuerkennen sei.

6

Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 24. Februar 2016 und des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 15. Mai 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

7

Die Klägerinnen beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Die Klägerinnen haben Anspruch auf die kopfteilige Übernahme der im September 2011 fälligen Nebenkostennachforderung für ihre frühere, in 2010 bewohnte Wohnung. Klarstellend war daher auszusprechen, dass der Bescheid des Beklagten vom 24.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011 aufgehoben und der Beklagte verurteilt wird, beiden Klägerinnen für September 2011 weitere Leistungen für die Unterkunft und Heizung in Höhe von je 188,56 Euro zu zahlen.

9

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die Urteile der Vorinstanzen sowie der Bescheid vom 24.8.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2011, mit dem die Übernahme der Nebenkostennachforderung abgelehnt worden ist. Die Klägerinnen begehren die Aufhebung dieses Bescheids und die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung weiterer Leistungen für die Unterkunft und Heizung für September 2011 an sie. Die Klägerinnen haben ihr Begehren durch ihren Antrag auf Übernahme der Nebenkostennachforderung wirksam auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt (vgl BSG vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78). Die Nebenkosten, bestehend aus den Betriebskosten gemäß § 556 BGB und den Heizkosten, sind von den Bedarfen für Unterkunft und Heizung erfasst(vgl zB BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50). Der Höhe nach ist die Überprüfung im Revisionsverfahren auf 188,56 Euro für jede Klägerin begrenzt, weil nur der Beklagte gegen das Urteil des LSG Revision eingelegt hat. Die Klägerinnen verfolgen ihre Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG).

10

2. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrenshindernisse stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere war der frühere Lebensgefährte M der Klägerin zu 1 nicht notwendig beizuladen, weil durch die Entscheidung nicht unmittelbar in dessen Rechtssphäre eingegriffen wird und diese somit nicht einheitlich gegenüber M zu ergehen hat (§ 75 Abs 2 Alt 1 SGG). Auch die Neufassung des Tenors durch das LSG begründet keinen Verfahrensmangel im Sinne einer Verböserung für den Beklagten (vgl Keller in Meyer-Ladewig ua, SGG, 12. Aufl 2017, § 123 RdNr 5a, § 157 RdNr 1a).

11

3. Rechtsgrundlage für den von den Klägerinnen geltend gemachten Anspruch sind § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X und §§ 19 ff SGB II iVm §§ 7 ff SGB II in der Fassung des SGB II, die es zuletzt vor dem hier streitbefangenen Zeitraum durch das Gesetz zur Neufassung des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch vom 13.5.2011 (BGBl I 850) erhalten hatte. Die Klägerin zu 1 war eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person und bildete mit der Klägerin zu 2 eine Bedarfsgemeinschaft. Der Beklagte hatte zuletzt mit Bescheid vom 20.6.2011 den Klägerinnen Alg II bzw Sozialgeld einschließlich Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vom 1.5.2011 bis 31.10.2011 bewilligt. Die von der Klägerin zu 1 vorgelegte Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2010 war am 13.9.2011 fällig und fiel somit in den von dem genannten Bescheid umfassten Monat September 2011.

12

4. Nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hier der Bescheid vom 20.6.2011, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist nach § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt. So liegt es hier, weil die Klägerinnen Anspruch auf Übernahme der Nebenkostennachforderung haben, obwohl es sich um eine Nebenkostennachforderung für ihre frühere, in 2010 bewohnte Wohnung handelt, und sich eine rechtserhebliche Änderung zu ihren Gunsten für den Monat September 2011 ergeben hat.

13

a) Die Klägerinnen haben Anspruch auf Übernahme der Bedarfe für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen sind. Hiervon erfasst werden nicht nur Leistungen für laufende, sondern auch für einmalige Bedarfe für Unterkunft und Heizung. Durch diese existenzsichernden Leistungen soll der persönliche Lebensbereich "Wohnung" geschützt werden, sodass sich der Leistungsanspruch nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II auf die Sicherung des Grundbedürfnisses des Wohnens bezieht und deshalb grundsätzlich nur die Übernahme der Aufwendungen für die tatsächlich genutzte konkrete Wohnung umfasst, die den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt(stRspr, vgl zuletzt BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 15 mwN). Besteht das Mietverhältnis noch, gehören danach auch Nebenkostennachforderungen, die vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit tatsächlich entstanden sind, aber erst nach deren Eintritt fällig werden, zu den übernahmefähigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (so BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 121/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 58 RdNr 15; BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 16). Soweit eine Nachforderung von Unterkunfts- und/oder Heizkosten in einer Summe fällig wird, gehört sie im Fälligkeitsmonat zum tatsächlichen, aktuellen Bedarf (vgl BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 14).

14

b) Der vorliegende Fall ist durch die Besonderheit geprägt, dass das einstige Mietverhältnis bei Fälligkeit der Nebenkostennachforderung gerade nicht mehr bestand. Für einen solchen Fall ist von den vorgenannten Grundsätzen eine Ausnahme anerkannt worden, wenn der Leistungsberechtigte sowohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Entstehung der Kosten als auch im Zeitpunkt der Fälligkeit der Nachforderung im Leistungsbezug nach dem SGB II stand und die Aufgabe der bisherigen Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt und keine andere Bedarfsdeckung eingetreten ist. In einem solchen Fall sind auch die Aufwendungen für eine Betriebs- und Heizkostennachforderung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis durch Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II zu übernehmen (BSG vom 20.12.2011 - B 4 AS 9/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 50 RdNr 17; vgl auch BSG vom 25.6.2015 - B 14 AS 40/14 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 83 RdNr 22).

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c) Dies gilt über diese besondere Konstellation hinaus jedenfalls dann, wenn die Mieter durchgehend seit dem Zeitraum, für den die Nebenkostenforderung erhoben wird, bis zu deren Geltendmachung und Fälligkeit im Leistungsbezug nach dem SGB II standen und eine Zusicherung hinsichtlich des Umzugs vorlag. Es besteht dann eine existenzsicherungsrechtlich relevante Verknüpfung der Nebenkostennachforderung für die in der Vergangenheit bewohnte Wohnung mit dem aktuellen unterkunftsbezogenen Bedarf, weil sowohl die Entstehung der Nachforderung als auch ihre Fälligkeit einen Zeitraum der ununterbrochenen Hilfebedürftigkeit betrifft, in dem der SGB II-Träger für die unterkunftsbezogenen Bedarfe der Leistungsbezieher einschließlich der Nebenkosten aufzukommen hat. Zu berücksichtigen ist auch, dass es eine faktische Umzugssperre bewirken könnte, würden Nachforderungen für eine frühere Wohnung bei durchgehender Hilfebedürftigkeit nicht übernommen, weil Leistungsbezieher sich dann dem Risiko ausgesetzt sähen, nur wegen nicht auskömmlich festgesetzter Nebenkostenvorauszahlungen mit Schulden belastet zu werden, zumal sie die Höhe der Abschläge regelmäßig nicht beeinflussen können. Im Übrigen mindert eine Nebenkostenerstattung unabhängig von der Frage eines vorangegangenen Umzugs nach § 22 Abs 3 SGB II die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Zudem könnten Folgeprobleme für die aktuelle Wohnsituation drohen, sei es, dass die neue Wohnung beim Vermieter der früheren Wohnung gemietet ist, oder sei es, dass für die Heizenergieversorgung derselbe Energielieferant zuständig ist, und deshalb Zahlungsschwierigkeiten aus dem früheren Miet- oder Versorgungsverhältnis auf die gegenwärtigen Rechtsbeziehungen durchschlagen, was wiederum Beratungspflichten auf Seiten der Jobcenter auslösen würde (vgl nur BSG vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 16 ff mwN).

16

5. Einer Übernahme der anteiligen Nebenkostennachforderung steht auch nicht entgegen, dass diese Nachforderung an M - den früheren Lebensgefährten der Klägerin zu 1 - adressiert war, da sowohl für laufende Aufwendungen als auch für Nachforderungen für Unterkunft und Heizung grundsätzlich vom Kopfteilprinzip auszugehen ist und ein Auszug nicht zur Aufhebung dieses Prinzips führt. Bei der Anwendung des Kopfteilprinzips kommt es gerade nicht darauf an, wer zivilrechtlich Hauptmieter einer Wohnung ist.

17

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2012 wird hinsichtlich höherer Leistungen für die Monate Januar, April und Juni 2005 zurückgewiesen.

Im Übrigen wird auf die Revision des Klägers das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2012 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Umstritten sind Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), insbesondere höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1.1. bis zum 30.6.2005.

2

Der im Jahr 1953 geborene Kläger, der bis zum 31.3.2003 Arbeitslosengeld bezog, bewohnt zusammen mit seiner Mutter ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 110 m², das über keine abgeschlossenen Wohnungen verfügt. Alleine bewohnen der Kläger 11,5 m² und seine Mutter 20,5 m², die restliche Wohnfläche von 78 m² nutzen beide. Gemäß notariellem Vertrag vom 28.8.1995 hat die Mutter das Hausgrundstück dem Kläger zum Eigentum überlassen, im Gegenzug übernahm der Kläger die auf dem Grundstück lastenden Grundpfandrechte (damals in Höhe von ca 49 000 DM), räumte seiner Mutter auf Lebenszeit ein unentgeltliches Wohnrecht in einem Teil des Hauses ein und verpflichtete sich, die Kosten für Licht, Heizung, Gas, Wasser, Abwasser auch für die Räume seiner Mutter zu übernehmen. Die Schwester des Klägers verzichtete in demselben Vertrag auf ihre erbrechtlichen Pflichtteilsansprüche wegen des Hausgrundstücks. Seinem Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bei der Rechtsvorgängerin des beklagten Jobcenters (im Folgenden auch: Beklagter) fügte der Kläger mehrere Abrechnungen über Nebenkosten in Verbindung mit dem Hausgrundstück bei. Gegen den Bewilligungsbescheid vom 15.12.2004 des Beklagten legte der Kläger Widerspruch ein. Daraufhin bewilligte der Beklagte ihm vom 1.1. bis 30.6.2005 monatlich 75,64 Euro als Kosten der Unterkunft und Heizung (Änderungsbescheid vom 13.5.2005) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.11.2005). Die Nebenkosten seien nur zur Hälfte zu berücksichtigen, weil der Kläger und seine Mutter jeweils eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildeten und die Haushaltsgemeinschaft zwei Personen umfasse.

3

Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten unter Abänderung der genannten Bescheide verurteilt, dem Kläger monatlich vom 1.1. bis zum 30.6.2005 zusätzlich Kosten der Unterkunft in Höhe von 21,55 Euro zu gewähren (Urteil vom 12.12.2007), weil der Kläger auch die für die Mutter in der strittigen Zeit angefallenen Nebenkosten nach dem Vertrag zu übernehmen gehabt habe.

4

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, auf die Berufung des Beklagten das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.1.2012). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Bewohne die leistungsberechtigte Person ein Eigenheim, umfassten die Kosten der Unterkunft auch die zur Finanzierung zu leistenden Schuldzinsen sowie die Nebenkosten für Gebäudeversicherung, Grundsteuern, Wassergebühren usw. Abzustellen sei auf die im jeweiligen Monat fälligen Kosten. In der strittigen Zeit seien die anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung mit insgesamt 727,79 Euro zu berechnen. Pro Monat ergebe sich ein Betrag von 121,30 Euro, davon die Hälfte seien 60,65 Euro, von denen noch die Warmwasserpauschale von 5,97 Euro abzuziehen sei. Der verbleibende Betrag von 54,68 Euro liege unter dem, den der Beklagte dem Kläger bewilligt habe. Die Verpflichtung des Klägers zur Übernahme weiterer Kosten aufgrund des Vertrages mit seiner Mutter zähle nicht zu den Kosten der Unterkunft und Heizung. Dies könne nur anders gesehen werden, wenn es sich um mit Schuldzinsen vergleichbare Aufwendungen handele. Dies sei jedoch nicht der Fall. Der notarielle Vertrag enthalte keine Regelung, dass ein Teil der Gegenleistung als Schuldzinsen anzusehen sei. Bei wertender Betrachtung sei die vom Kläger übernommene Verpflichtung nicht als Zinsen, sondern als Tilgungsleistung auf eine der Mutter gegenüber bestehende - ursprünglich sittliche - Verpflichtung anzusehen. Die Tatsache, dass aufgrund einer ursprünglich sittlichen Verpflichtung eine rechtliche Verpflichtung zur Tragung von Nebenkosten eingegangen worden sei, die über den Kopfteil hinausgehe, könne nicht dazu führen, diese als ein Teil der Kosten der Unterkunft und Heizung des Klägers anzusehen. Letztlich handele es sich um eine Erhöhung der für den Erwerb des Eigentums an dem Hausgrundstück zu erbringenden Gegenleistung im Sinne des Kaufpreises, nicht aber mit einer Stundung der Erbringung der Gegenleistung zusammenhängenden Verzinsung des in Raten erbrachten Wohnrechts.

5

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger: Das LSG habe bei der Anwendung des § 22 SGB II verkannt, dass die Zahlungen der Mutter zur Tilgung seiner Kreditverbindlichkeiten nach Abschluss des Vertrages nicht durch die Einräumung des Wohnrechts abgegolten werden sollten, sondern dieses im Zusammenhang mit der strittigen Kostenfreistellung die Gegenleistung für die unentgeltliche Überlassung des Hausgrundstücks einschließlich der Übernahme der Grundpfandrechte gewesen sei. Das LSG habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass er keinen Anspruch gegenüber seiner Mutter zur Geltendmachung der umstrittenen Kosten habe. Die Kostenübernahmeregelung sei weder rechtlich noch moralisch anstößig und verstoße auch nicht gegen § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu Lasten des Beklagten aufgrund des zeitlichen Abstandes zwischen dem Vertragsschluss und dem Eintritt seiner Bedürftigkeit.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. Dezember 2007 zurückzuweisen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend. Allein entscheidend sei, ob die Übernahme der Kostenfreistellung des Klägers gegenüber seiner Mutter ähnlich wie eine Zinszahlung von ihm - dem Beklagten - zu tragen sei. Die Übernahme dieser Verpflichtung seitens des Klägers sei aber die Gegenleistung für die Übertragung des Hausgrundstücks auf ihn, sei also als Tilgungsleistung anzusehen. Auf die nach dem Vertrag erfolgte Tilgungsleistung der Mutter hinsichtlich der Schulden des Klägers komme es nicht an.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist zum Teil unbegründet, insoweit ist die Revision zurückzuweisen (dazu 3.), und zum Teil begründet, insoweit ist das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (dazu 4.) (§ 170 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Sozialgerichtsgesetz).

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist die vom Kläger begehrte Aufhebung des Urteils des LSG und die Zurückweisung der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG, das den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt hat, dem Kläger von Januar bis Juni 2005 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 21,55 Euro monatlich zu zahlen. Die Beschränkung des Streitgegenstandes in materiell-rechtlicher Hinsicht allein auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ist zulässig (vgl nur Bundessozialgericht vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18). Hieran hat sich durch die Neufassung des § 19 Abs 1 SGB II durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453; im Folgenden: SGB II nF) zumindest für laufende Verfahren nichts geändert (BSG vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 mwN).

11

2. Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrten und vom SG zugesprochenen über die vom Beklagten monatlich bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung von 75,64 Euro hinausgehenden weiteren 21,55 Euro, also insgesamt 97,19 Euro, ist § 22 Abs 1 Satz 1 iVm § 7 SGB II in der für die strittige Zeit geltenden, da über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte gestritten wird, hier anzuwendenden Fassung aufgrund des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954 idF des Vierten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.11.2004, BGBl I 2902, im Folgenden: SGB II aF), der abgesehen von sprachlichen Anpassungen bis heute nicht grundlegend geändert wurde.

12

Ob der Kläger die Grundvoraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II im streitigen Zeitraum erfüllte (vgl § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II), kann aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilt werden: Er hatte zwar das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht, zudem hatte er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Anhaltspunkte für einen Ausschlusstatbestand (vgl § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II) sind nicht zu erkennen. Offen ist jedoch, ob er erwerbsfähig war und insbesondere seine Hilfebedürftigkeit. Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält (§ 9 Abs 1 SGB II). Zur Bestimmung der Hilfebedürftigkeit ist zunächst der Bedarf zu ermitteln und anschließend ist zu prüfen, inwieweit dieser durch das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen gedeckt ist (vgl § 19 Abs 3 Satz 1 SGB II nF).

13

Die vorliegend nur umstrittenen Leistungen (heute Bedarfe) für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Zur Ermittlung dieser Bedarfe sind zunächst die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers für Unterkunft und Heizung zu bestimmen, anschließend die Angemessenheit dieser Aufwendungen, dann die Verteilung dieser Kosten auf die in der Wohnung - oder wie vorliegend Haus - wohnenden Person sowie die Prüfung weiterer möglicher Einwände.

14

Die Ermittlung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung hat monatsweise zu erfolgen, obwohl zur Prüfung der Angemessenheit bei der Nutzung von Eigenheimen und Eigentumswohnungen auf die im Kalenderjahr anfallenden Kosten abzustellen ist, weil vor allem die Betriebskosten für Eigenheime (etwa Grundsteuern, Beiträge zu Versicherungen) nicht monatlich, sondern ggf jährlich, halbjährlich oder vierteljährlich anfallen (BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 20; ebenso der zum 1.1.2011 neu eingefügte § 22 Abs 2 SGB II nF). Eine Rechtsgrundlage für die Berechnung eines Durchschnittsbetrags, der dann der Bedarfs- und Leistungsberechnung in den einzelnen Monaten zugrunde gelegt wird, um zB die Kosten des Heizöls bei einer einmaligen Betankung auf das ganze Jahr zu verteilen, ist trotz einer denkbaren Verwaltungsvereinfachung nicht zu erkennen (BSG vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 36; anders zB für Hausrat § 20 Abs 1, § 24 Abs 1, § 12 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II nF). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der ggf erhebliche finanzielle Bedarf aufgrund einer Heizölbetankung gerade dann anfällt, wenn Heizöl gekauft wird (BSG vom 16.5.2007 - B 7b AS 40/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 4 RdNr 16). Die "Verrechnung" von Monaten, in denen seitens des Jobcenters an die leistungsberechtigte Person zu viel gezahlt wurde, mit solchen, in denen zu wenig gezahlt wurde, scheidet ebenfalls mangels Rechtsgrundlage aus (vgl zum Monat als Bezugsrahmen: § 41 SGB II, § 2 Abs 2, 3 Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld vom 20.10.2004, BGBl I 2622, heute § 11 Abs 2, 3 SGB II nF).

15

3. Für die Monate Januar, April und Juni ist die Revision des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des LSG zu bestätigen, weil der Kläger für keinen dieser Monate einen Anspruch auf höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung als die vom Beklagten bewilligten 75,64 Euro hat, da seine tatsächlichen Aufwendungen in jedem der Monate unter diesem Betrag lagen.

16

Ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (vgl § 163 SGG)hatte der Kläger in diesen Monaten als tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nur insgesamt 40,72 Euro aufzubringen, die sich aus den Kosten des Heizungsstroms von 24,70 Euro und den Wasserkosten von 16,02 Euro zusammensetzten.

17

Die Wasserkosten sind als Kosten der Unterkunft anzuerkennen. Zu den tatsächlichen Aufwendungen iS des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II gehören auch die Nebenkosten der Unterkunft, soweit es sich um die ihrer Art nach in § 2 Betriebskostenverordnung vom 25.11.2003 (BGBl I 2346 - BetrKV) aufgeführten Betriebskosten handelt, weil der Vermieter sie auf die Mieter umlegen kann, ohne dass Letzterer diese Kosten senken oder gar vermeiden kann (vgl nur BSG vom 19.2.2009 - B 4 AS 48/08 R - BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 16). Zu diesen Betriebskosten gehören nach § 2 Nr 2 BetrKV auch die Kosten der Wasserversorgung, die die Kosten des Wasserverbrauchs, die Grundgebühren, die Kosten der Anmietung oder anderer Arten der Gebrauchsüberlassung von Wasserzählern usw umfassen und die einer weiteren Aufteilung nicht zugänglich sind(vgl ähnlich schon zu Eigentümern von Eigenheimen BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 16; BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 in RdNr 20).

18

4. Für die Monate Februar, März und Mai ist auf die Revision des Klägers das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil nicht abschließend beurteilt werden kann, ob der Kläger für einen dieser Monate einen Anspruch auf höhere Leistungen für die Unterkunft und Heizung als die vom Beklagten bewilligten 75,64 Euro hat.

19

a) Die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers berechnen sich wie folgt: Im März hatte er zu berücksichtigende Aufwendungen von insgesamt 87,19 Euro, die sich zusammensetzten aus den Kosten für Heizungsstrom und Wasser von 40,72 Euro und denen für den Schornsteinfeger von 52,23 Euro, abzüglich von 5,76 Euro für die Kosten der Warmwasserbereitung. Der Abzug dieser Kosten für die Warmwasserbereitung ergibt sich auf der tatsächlichen Ebene aus den nichtgerügten dahingehenden Feststellungen des LSG und im Übrigen aus der Rechtsprechung des BSG, nach der ein entsprechender Betrag in der Regelleistung des Klägers von 331 Euro enthalten ist (BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 21 ff mwN).

20

Für die Monate Februar und Mai sind - vorbehaltlich der noch vom LSG zu treffenden Feststellungen - die jeweils vom SG zugesprochenen weiteren 21,55 Euro pro Monat zu berücksichtigen, weil die tatsächlichen Aufwendungen des Klägers oberhalb des Gesamtbetrags von 97,19 Euro (vom Beklagten bewilligte 75,64 Euro plus vom SG zugesprochene 21,55 Euro) liegen. Selbst wenn der jeweilige Gesamtbetrag der zu berücksichtigenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung über die dem Kläger vom SG jeweils zugesprochenen 21,55 Euro pro Monat hinausgehen, kann dem Kläger für keinen Monat mehr zugesprochen werden, weil er gegen das Urteil des SG keine Berufung eingelegt hat und der Streitgegenstand im weiteren Verfahren auf diesen vom SG ausgeurteilten und allein vom Beklagten mit seiner Berufung angegriffenen Betrag begrenzt ist.

21

Im Februar hatte der Kläger tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von 141,70 Euro, weil zu den Kosten für Heizungsstrom und Wasser von 40,72 Euro die Grundabgaben für das Hausgrundstück von 106,74 Euro hinzukamen, während zumindest 5,76 Euro für die Kosten der Warmwasserbereitung abzuziehen sind.

22

Im Mai hatte der Kläger tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von 310,65 Euro, weil zu den Kosten für den Heizungsstrom und Wasser von 40,72 Euro die Grundabgaben für das Hausgrundstück von 145,40 Euro und der halbe Jahresbeitrag für die Wohngebäudeversicherung von 130,29 Euro hinzukamen (vgl zur Berücksichtigung dieser Positionen schon BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 38/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 17 RdNr 16), während zumindest 5,76 Euro für die Kosten der Warmwasserbereitung abzuziehen sind.

23

Eine Rechtfertigung für die Übernahme der Grundabgaben für das Nebengrundstück als Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung ist mangels entsprechender dahingehender tatsächlicher Feststellungen seitens des LSG nicht gegeben.

24

b) Die Frage der Angemessenheit dieser Aufwendungen für die verbliebenen strittigen Monate Februar, März und Mai 2005 nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II aF kann auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG dahinstehen, weil es für eine nur teilweise Übernahme der tatsächlichen Kosten durch den Beklagten an einem vorangegangenen Kostensenkungsverfahren fehlt(vgl nur BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 19/09 R - BSGE 105, 188 = SozR 4-4200 § 22 Nr 28; BSG vom 6.4.2011 - B 4 AS 12/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 45).

25

c) Diese tatsächlichen, angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind vorliegend nicht nach Kopfteilen zwischen dem Kläger und seiner Mutter aufzuteilen.

26

Nach gefestigter Rechtsprechung sind die Kosten der Unterkunft und Heizung im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 = SGb 2009, 614 ff; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Dem ist die Literatur gefolgt (vgl nur: Berlit in Lehr- und Praxiskommentar SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 3 f; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, K § 22 RdNr 49 f). Hintergrund für dieses auf das Bundesverwaltungsgericht ( vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

27

Das BVerwG (aaO) und das BSG haben Abweichungen vom Kopfteilprinzip als möglich angesehen, zB bei einem über das normale Maß hinausgehenden Bedarf einer der in der Wohnung lebenden Person wegen Behinderung oder Pflegebedürftigkeit (BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28 f; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19) oder aufgrund eines Vertrages (BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12; vgl zur zustimmenden Literatur nur Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, K § 22 RdNr 51 f). In den entschiedenen Fällen wurde eine solche Abweichung allerdings nicht bejaht.

28

Vorliegend sind die Voraussetzungen für eine solche Abweichung vom Kopfteilprinzip erfüllt. Der Kläger lebt zusammen mit seiner Mutter in einer gemeinsamen Wohnung, weil das von ihnen bewohnte Haus über keine getrennten Wohnungen verfügt und abgesehen von einzelnen Räumen, die alleine vom Kläger (ca 11,5 m²) bzw seiner Mutter (ca 20,5 m²) genutzt werden, der größte Teil der Fläche (ca 78 m²) gemeinsam genutzt wird. An dem besonderen, vom Kopfteilprinzip abweichenden Bedarf des Klägers für Unterkunft und Heizung bestehen aufgrund des notariellen Vertrages vom 28.8.1995 keine Zweifel. Der Kläger hat sich in diesem Vertrag gegenüber seiner Mutter verpflichtet, die Kosten für Licht, Heizung, Wasser, Abwasser auch für die Räume der Mutter zu übernehmen und ihr ein unentgeltliches Wohnrecht auf Lebenszeit in der oberen Etage zur alleinigen Benutzung eingeräumt. Dementsprechend kann er die sich aus gesetzlichen Vorschriften ergebenden tatsächlichen Aufwendungen für das Haus, wie zB die Grundabgaben, oder die üblichen Vorsorgeaufwendungen eines Vermieters, wie eine Wohngebäudeversicherung, die von ihm als Eigentümer aufzubringen sind, nicht vermeiden und auch nicht auf seine Mutter wie auf eine Mieterin umlegen. An der Objektivierbarkeit dieses schon im Jahr 1995 abgeschlossenen notariellen Vertrages bestehen nach den Feststellungen des LSG keine Zweifel. Schon aus dem Datum des Vertrages folgt, dass dieser kein Vertrag zu Lasten des beklagten Jobcenters war.

29

d) Die vom LSG und dem Beklagten angeführten Bedenken greifen nicht durch. Aus dem Urteil des 4. Senats vom 22.9.2009 (- B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24 = SGb 2010, 422 ff) zu einer ggf unwirksamen mietvertraglichen Vereinbarung und einem ggf vom Jobcenter zu betreibenden Kostensenkungsverfahren folgt nichts anderes, weil vorliegend nicht ersichtlich ist, dass die angeführten vertraglichen Vereinbarungen unwirksam sind und der Kläger den Vertrag wirksam kündigen oder einen Anspruch auf dessen Anpassung haben könnte. Ebenso wenig ist ersichtlich, wie der Kläger auf andere Weise die ihm als Eigentümer des Hauses tatsächlich entstehenden Aufwendungen zur Begleichung des Heizungsstroms, der Grundabgaben, für den Schornsteinfeger und der grundsätzlich als angemessen anzusehenden Gebäudeversicherung vermeiden soll.

30

Einer Berücksichtigung der Aufwendungen stehen auch nicht Überlegungen entgegen, nach denen im Rahmen des SGB II keine Übernahme von Schulden zu erfolgen hat (vgl als gegenteilige Regelung § 22 Abs 8 SGB II nF). Denn bei den oben aufgeführten Aufwendungen handelt es sich nicht um Schulden aus der Vergangenheit, sondern um die Befriedigung laufender Verpflichtungen des Klägers gegenüber Dritten zur Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen. Dementsprechend kann auch aus der Rechtsprechung des Senats zu Tilgungsleistungen (vgl zusammenfassend BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 79/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 48 RdNr 17 ff mwN) nichts hergeleitet werden. Denn die Übernahme der gesamten Aufwendungen durch den Kläger dient nicht der Übernahme von Tilgungsraten seinerseits oder der Vermehrung seines Vermögens. Vielmehr ist er schon aufgrund des notariellen Vertrages und der anschließenden Änderungen im Grundbuch im Jahr 1995 Eigentümer des Hauses geworden.

31

Die erst nach dem Abschluss des notariellen Vertrags erfolgte und in keinem ersichtlichen Zusammenhang mit diesem stehende Tilgung von Kreditverpflichtungen des Klägers durch dessen Mutter ist ohne Bedeutung für die zuvor übernommenen und heute noch bestehenden vertraglichen Verpflichtungen des Klägers und dessen tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung aufgrund seiner Stellung als Eigentümer des Hauses.

32

5. Nach Ermittlung des Bedarfs des Klägers für Unterkunft und Heizung wird das LSG zu prüfen haben, inwieweit der Kläger hilfebedürftig ist und der ermittelte Bedarf nicht aus zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen gedeckt werden kann. Ebenso wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. April 2011 und des Sozialgerichts Itzehoe vom 25. Februar 2010 sowie der Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2007 in der Fassung des Bescheids vom 27. September 2007 und in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2007 aufgehoben.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten für alle drei Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 19.4.2007 bis 15.7.2007 und die Rückforderung eines Betrags von 368,14 Euro. Der Sache nach geht es dabei um die Frage, in welcher Höhe Leistungen für Unterkunft und Heizung zu gewähren sind, wenn der Hauptmieter einen Teil seiner Wohnung untervermietet hat, der Untermieter seinen vertraglich geschuldeten Anteil tatsächlich aber nicht zahlt.

2

Der 1960 geborene Kläger beantragte am 5.2.2007 bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er bewohnte eine 41 qm große 1 1/2-Zimmer-Wohnung, für die 330 Euro Kaltmiete zuzüglich 92 Euro Betriebskosten und 45 Euro Heizkosten zu zahlen waren.

3

Mit Bescheid vom 5.3.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 5.2. bis 28.2.2007 in Höhe von 508,05 Euro (davon 367,60 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung), vom 1.3. bis 31.5.2007 in Höhe von 963,82 Euro (davon 458,82 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung) sowie vom 1.6. bis 31.7.2007 in Höhe von 908,82 Euro (davon 403,83 Euro Leistungen für Unterkunft und Heizung). Mit einem gesonderten Schreiben forderte der Beklagte den Kläger zur Senkung der Unterkunftskosten auf. Diese werde man ab 1.6.2007 nur noch im angemessenen Umfang von 367 Euro berücksichtigen.

4

Am 19.4.2007 schloss der Kläger mit einer anderen Person einen Untermietvertrag, wonach für das halbe Zimmer der Wohnung (ca 8 qm) 211 Euro monatlich gezahlt werden sollten, also die Hälfte der Kaltmiete und der kalten Betriebskosten. Der Untermieter zahlte den Mietzins an den Kläger nicht, obwohl ihm - dem Untermieter - zumindest teilweise Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Beklagten bewilligt worden waren. Der Kläger kündigte den Untermietvertrag und der Untermieter zog aus, ohne den geschuldeten Mietzins zu zahlen. Der Kläger machte seine Mietzinsansprüche nicht gerichtlich geltend.

5

Im Juni 2007 erhielt der Beklagte Kenntnis davon, dass der Vermieter am 19.4.2007 die Erlaubnis für die Untervermietung erteilt hatte. Am 15.6.2007 stellte der Kläger einen Antrag für den folgenden Bewilligungsabschnitt und gab dabei an, dass sich hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung keine Änderung ergeben habe. Bei einem Vorsprachetermin am 17.7.2007 bat der Kläger den Beklagten, die Miete voll zu berücksichtigen, da sein Mitbewohner ohne Vorankündigung ausgezogen sei und seinen Mietanteil nie gezahlt habe.

6

Mit Bescheid vom 23.7.2007 hob der Beklagte den Bescheid vom 5.3.2007 für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2007 teilweise in Höhe von 543,59 Euro auf und begründete dies mit der Untervermietung in der Zeit vom 19.4. bis 15.7.2007. Der Kläger habe in dieser Zeit nur einen Anspruch auf die halbe Miete gehabt, was er habe wissen müssen. Der zu Unrecht gezahlte Betrag werde zurückgefordert. Auf den Widerspruch des Klägers forderte der Beklagte mit Bescheid vom 27.9.2007 Leistungen für die Zeit vom 19.4.2007 bis zum 15.7.2007 zurück, insgesamt aber lediglich noch in Höhe von 492,85 Euro, weil im Bescheid vom 23.7.2007 versehentlich weniger als die Hälfte der Kaltmiete berücksichtigt worden sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 2.10.2007 setzte der Beklagte einen Erstattungsbetrag in Höhe von 368,14 Euro fest. Der Widerspruch im Übrigen blieb ohne Erfolg.

7

Die dagegen erhobene Klage ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 25.2.2010; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12.4.2011). Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, durch den Untermietvertrag sei für die Zeit vom 19.4. bis 15.7.2007 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten, durch die sich der Anspruch des Klägers auf Leistungen für Unterkunft und Heizung um die Rückforderungssumme von 368,14 Euro gemindert habe. Bei Wohngemeinschaften sei der Unterkunftsbedarf nach den tatsächlichen Gegebenheiten unter Berücksichtigung der zivilrechtlich vereinbarten Miete zu bestimmen. Dem Kläger habe damit für den streitigen Zeitraum von den tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nur der um die vereinbarte Untermiete von 211 Euro verminderte Betrag zugestanden. Es sei unerheblich, ob der Untermietzins tatsächlich gezahlt worden sei, denn abzustellen sei für den Unterkunftsbedarf des Klägers allein auf die tatsächlichen Wohnverhältnisse und den dafür geschuldeten Mietzins. Anderenfalls erwachse dem Kläger ein Vorteil daraus, dass er das Untermietverhältnis und damit die Senkung seiner eigenen Unterkunftskosten nicht sofort angezeigt habe. Die Verletzung der Mitwirkungspflichten sei auch grob fahrlässig erfolgt, da der Kläger zuvor ordnungsgemäß belehrt worden sei.

8

Der Kläger hat die durch das LSG in dem genannten Urteil zugelassene Revision eingelegt und diese damit begründet, der Unterkunftsbedarf werde nicht allein durch den Abschluss eines Untermietvertrags vermindert. Es sei deshalb von dem tatsächlichen Aufwand auszugehen, der sich nicht geändert habe. Im Übrigen seien bestehende Mitwirkungspflichten nicht grob fahrlässig verletzt worden, denn die wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich tatsächlich nicht verbessert.

9

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. April 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 25. Februar 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2007 in der Fassung des Bescheids vom 27. September 2007 und in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2007 aufzuheben.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Der Beklagte hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist zulässig (§ 160 Abs 1, § 164 Sozialgerichtsgesetz) und auch begründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers zu Unrecht zurückgewiesen, denn die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten sind rechtswidrig und beschweren den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs 2 SGG). Die angefochtenen Bescheide waren damit aufzuheben.

13

1. Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid des Beklagten vom 23.7.2007, mit dem er zunächst die Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 5.3.2007 für den Zeitraum vom 1.4. bis 30.6.2007 bezüglich der Kosten für Unterkunft und Heizung teilweise in Höhe von 543,59 Euro aufgehoben hat, und der Bescheid vom 27.9.2007, mit dem er den Aufhebungszeitraum auf den 15.7.2007 erweitert und zugleich die Erstattungssumme auf 492,85 Euro reduziert hat, in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.10.2007, mit dem er den Erstattungsbetrag endgültig auf 368,14 Euro festgesetzt hat. Diese Bescheide hat der Kläger in zulässiger Weise mit der Anfechtungsklage angegriffen (§ 54 Abs 1 SGG).

14

2. Die angefochtenen Bescheide haben sich hinsichtlich der Rechtmäßigkeit an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu messen. Danach ist für den Fall, dass in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Eine Aufhebung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X kann nur nach den Vorgaben der Nr 1 bis 4 erfolgen. Vorliegend sind die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X schon deshalb nicht erfüllt, weil eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht eingetreten ist.

15

Eine Änderung der hier allein in Betracht kommenden tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn im Hinblick auf die für den Erlass des Verwaltungsakts entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände ein anderer Sachverhalt vorliegt (vgl Schütze in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 48 RdNr 8). Der Beklagte hat im Ausgangsbescheid vom 5.3.2007 Kosten der Unterkunft und Heizung auf Grundlage des § 22 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, nämlich der dem Vermieter gegenüber geschuldeten Miete, bewilligt. Er hat die tatsächlich angefallenen Kosten zwar nicht als angemessen angesehen, diese aber für den streitigen Zeitraum übernommen und den Kläger zugleich auf seine Obliegenheit zur Kostensenkung hingewiesen. In den dieser Bewilligung zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnissen ist weder durch die Nutzung der Wohnung durch eine weitere Peron (dazu unter a) noch durch Abschluss des Untermietvertrages (dazu unter b) eine Änderung der maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse eingetreten.

16

a) Die tatsächliche Nutzung der Wohnung durch zwei Personen führt vorliegend nicht zu einer Änderung der wesentlichen Verhältnisse, die bei Bewilligung der Kosten der Unterkunft und Heizung auf Grundlage des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II vorgelegen haben. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die tatsächlich gegenüber dem Vermieter angefallenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht zwischen dem Kläger und dem Untermieter nach Kopfteilen aufzuteilen sind (zur Aufteilung nach Kopfteilen BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/0AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18 f = SGb 2010, 163 ff; BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 = SGb 2009, 614 ff; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für das auf das Bundesverwaltungsgericht (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen (regelmäßig Familienangehörige) deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt. Wie der Senat bereits entschieden hat, liegt eine solche Situation nicht vor, wenn der Nutzung durch mehrere Personen bindende vertragliche Regelungen zugrunde liegen (BSG vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 28). Dies ist nach den Feststellungen des LSG vorliegend aber der Fall.

17

b) Allein durch die rechtliche Verpflichtung eines Untermieters zur Zahlung des Mietzinses an den Hauptmieter verändern sich die für die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse nicht, weil allein durch den Vertragsschluss am 19.4.2007 die dem Vermieter geschuldeten und damit grundsätzlich (im Rahmen ihrer Angemessenheit) zu berücksichtigenden Unterkunftskosten nicht berührt werden. Der Untermietvertrag setzt die rechtliche Verpflichtung des Hauptmieters zur Zahlung des vollen Mietzinses gegenüber seinem Vermieter nicht außer Kraft. Daran ändert insbesondere die vorliegend eingeholte Erlaubnis zur Untervermietung (vgl § 540 Bürgerliches Gesetzbuch) nichts, denn sie bezieht sich nur darauf, dass weitere Personen außer denen im Mietvertrag genannten die Wohnung nutzen dürfen. Sie schafft dagegen keinen Anspruch des Vermieters gegenüber dem Untermieter auf Zahlung von (Teilen der) Miete. Eine Minderung der vom Kläger tatsächlich zu erbringenden Mietzahlungen und damit die Senkung seines Bedarfs für Unterkunft und Heizung ist allein mit dem Abschluss eines Untermietvertrags zum Zwecke der Kostensenkung nicht verbunden.

18

Diesem Ergebnis entspricht die gefestigte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach die Minderung eines Bedarfs anders als durch tatsächlich zufließendes Einkommen (und Vermögen) ausscheidet (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 20 zu Unterstützungsleistungen von Verwandten; Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 22/07 R - BSGE 101, 70 = SozR 4-4200 § 11 Nr 11 zur Verköstigung während eines Krankenhausaufenthalts; Urteil vom 18.6.2008 - B 14 AS 46/07 R - zur kostenlosen Verpflegung durch Familienangehörige). Nur eine tatsächlich zugeflossene Einnahme ist als "bereites Mittel" geeignet, den konkreten Bedarf im jeweiligen Monat zu decken; die Anrechnung einer fiktiven Einnahme zur Bedarfsminderung ist nach dem System des SGB II dagegen ausgeschlossen (vgl BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 20; Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 21; Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 21/10 R - BSGE 108, 258 = SozR 4-4200 § 11 Nr 39, RdNr 29; BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

19

Nach den Feststellungen des LSG ist dem Kläger vorliegend im streitigen Zeitraum keine Untermiete zugeflossen. Es kann deshalb offen bleiben, ob im Falle des Zuflusses von Einkommen aus einem Untermietverhältnis die Untermiete in Abweichung von § 19 Abs 3 SGB II dem Bedarf für Unterkunft zugeordnet werden kann(so Berlit in LPK-SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 22; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 RdNr 18; ggf als Guthaben, dass dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen ist, vgl dazu zu § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60) oder ob mangels Ausnahmeregelungen hier und in § 11 Abs 2 SGB II(nunmehr § 11a SGB II)sowie der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung die Einnahmen aus Untervermietung als Einkommen zählen, das beim Regelbedarf zu berücksichtigen ist (dazu Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/12, K § 22 RdNr 54).

20

Es kann ebenso dahin stehen, ob der Anspruch gegen den früheren Untermieter, der nunmehr im Irak lebt und zu dem der Kläger keinen Kontakt mehr hat, im Zeitraum, für den der Beklagte die Bewilligung teilweise aufgehoben hat, überhaupt realisierbar war (oder es heute noch ist). Wäre der Anspruch gegen den Untermieter ohne Weiteres zu realisieren gewesen, könnte zwar eine Ausnahme von der Übernahme der tatsächlichen gegenüber dem Vermieter geschuldeten Aufwendungen zu erwägen sein (ähnlich zur Absenkung der Kosten der Unterkunft bei unwirksam vereinbarten Teilen der Miete BSG Urteil vom 22.9.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16, 21). Der Träger der Grundsicherung müsste den Hilfebedürftigen in einem solchen Fall aber vor Absenkung der Kosten der Unterkunft und Heizung bei der Geltendmachung berechtigter Ansprüche unterstützen und ihn dahingehend instruieren, welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um einen Anspruch geltend machen zu können (zu diesem besonderen Kostensenkungsverfahren im Einzelnen BSG aaO RdNr 23; BSG Urteil vom 24.11.2011 - B 14 AS 15/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 53 RdNr 16 und BSG Urteil vom 16.5.2012 - B 4 AS 132/11 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 60 RdNr 22). Dies ist hier nicht geschehen. Einer missbräuchlichen Vertragsgestaltung (insbesondere ein Abschluss eines Mietvertrages zum Schein), die der Beklagte für naheliegend hält, kann im Übrigen nur im Rahmen des vom SGB II für sozialwidriges Verhalten vorgegebenen Instrumentariums, insbesondere über § 34 SGB II begegnet werden; entsprechendes Verhalten ist - wie auch das Verschweigen von tatsächlich vom Untermieter erhaltenen Leistungen für Unterkunft und Heizung - zudem ggf strafrechtlich relevant.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Personen erhalten für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn

1.
sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben,
2.
sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, und
3.
bei Bezug des Kinderzuschlags keine Hilfebedürftigkeit im Sinne des § 9 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch besteht, wobei die Bedarfe nach § 28 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch außer Betracht bleiben. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit ist das für den Antragsmonat bewilligte Wohngeld zu berücksichtigen. Wird kein Wohngeld bezogen und könnte mit Wohngeld und Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit vermieden werden, ist bei der Prüfung Wohngeld in der Höhe anzusetzen, in der es voraussichtlich für den Antragsmonat zu bewilligen wäre.

(1a) Ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht abweichend von Absatz 1 Nummer 3, wenn

1.
bei Bezug von Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit besteht, der Bedarfsgemeinschaft zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit aber mit ihrem Einkommen, dem Kinderzuschlag und dem Wohngeld höchstens 100 Euro fehlen,
2.
sich bei der Ermittlung des Einkommens der Eltern nach § 11b Absatz 2 bis 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch wegen Einkommen aus Erwerbstätigkeit Absetzbeträge in Höhe von mindestens 100 Euro ergeben und
3.
kein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen nach dem Zweiten oder nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erhält oder beantragt hat.

(2) Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind nach § 66 des Einkommensteuergesetzes zu zahlenden Kindergeld ein Zwölftel des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes für das jeweilige Kalenderjahr mit Ausnahme des Anteils für Bildung und Teilhabe. Steht dieses Existenzminimum eines Kindes zu Beginn eines Jahres nicht fest, ist insoweit der für das Jahr geltende Betrag für den Mindestunterhalt eines Kindes in der zweiten Altersstufe nach der Mindestunterhaltsverordnung maßgeblich. Als Höchstbetrag des Kinderzuschlags in dem jeweiligen Kalenderjahr gilt der Betrag, der sich zu Beginn des Jahres nach den Sätzen 1 und 2 ergibt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Vorjahres. Der Betrag nach Satz 3 erhöht sich ab 1. Juli 2022 um einen Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro.

(3) Ausgehend vom Höchstbetrag mindert sich der jeweilige Kinderzuschlag, wenn das Kind nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen hat. Bei der Berücksichtigung des Einkommens bleiben das Wohngeld, das Kindergeld und der Kinderzuschlag außer Betracht. Der Kinderzuschlag wird um 45 Prozent des zu berücksichtigenden Einkommens des Kindes monatlich gemindert. Ein Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlags für ein Kind besteht nicht, wenn zumutbare Anstrengungen unterlassen wurden, Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen. § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist. Ist das zu berücksichtigende Vermögen höher als der nach den Sätzen 1 bis 5 verbleibende monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, so dass es den Kinderzuschlag für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums vollständig mindert, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Ist das zu berücksichtigende Vermögen niedriger als der monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, ist der Kinderzuschlag im ersten Monat des Bewilligungszeitraums um einen Betrag in Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens zu mindern und ab dem folgenden Monat Kinderzuschlag ohne Minderung wegen des Vermögens zu zahlen.

(4) Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge nach den Absätzen 2 und 3 bildet den Gesamtkinderzuschlag.

(5) Der Gesamtkinderzuschlag wird in voller Höhe gewährt, wenn das nach den §§ 11 bis 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kinderzuschlags zu berücksichtigende Einkommen der Eltern einen Betrag in Höhe der bei der Berechnung des Bürgergeldes zu berücksichtigenden Bedarfe der Eltern (Gesamtbedarf der Eltern) nicht übersteigt und kein zu berücksichtigendes Vermögen der Eltern nach § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vorhanden ist. Als Einkommen oder Vermögen der Eltern gilt dabei dasjenige der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Ausnahme des Einkommens oder Vermögens der in dem Haushalt lebenden Kinder. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Zur Feststellung des Gesamtbedarfs der Eltern sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im 12. Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt.

(6) Der Gesamtkinderzuschlag wird um das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern gemindert, soweit es deren Bedarf übersteigt. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern nicht nur aus Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht die Summe der anderen Einkommensteile für sich genommen diesen maßgebenden Betrag übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag wird um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Anderes Einkommen oder Vermögen der Eltern mindern den Gesamtkinderzuschlag in voller Höhe. Bei der Berücksichtigung des Vermögens gilt Absatz 3 Satz 6 und 7 entsprechend.

(7) Über den Gesamtkinderzuschlag ist jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich. Wird ein neuer Antrag gestellt, unverzüglich nachdem der Verwaltungsakt nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wegen einer Änderung der Bedarfsgemeinschaft aufgehoben worden ist, so beginnt ein neuer Bewilligungszeitraum unmittelbar nach dem Monat, in dem sich die Bedarfsgemeinschaft geändert hat.

(8) Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Bei Personen, die den selbst genutzten Wohnraum mieten, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Bei Personen, die an dem selbst genutzten Wohnraum Eigentum haben, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die Bedarfe aus den durchschnittlichen Monatswerten des Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Liegen die entsprechenden Monatswerte für den Wohnraum nicht vor, soll abweichend von Satz 3 ein Durchschnitt aus den letzten vorliegenden Monatswerten für den Wohnraum zugrunde gelegt werden, nicht jedoch aus mehr als zwölf Monatswerten. Im Übrigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. März 2015 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines Kinderzuschlags nach § 6a BKGG für den Monat September 2010.

2

Die 1964 geborene Klägerin ist die Mutter der am 7.11.1986 geborenen Y, des am 16.11.1988 geborenen D und des am 19.4.1995 geborenen K. Gemeinsam bewohnten sie im streitgegenständlichen Monat eine Wohnung in F., für die eine monatliche Warmmiete von 555,97 Euro zu entrichten war. Die Klägerin erzielte im September 2010 ein Erwerbseinkommen in Höhe von 1268,66 Euro brutto, auf das Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 192,74 Euro entfielen. Zudem erhielt sie für jedes Kind Kindergeld. D erhielt im September 2010 eine Ausbildungsvergütung in Höhe von 788 Euro, Y und K hatten keine Einkünfte.

3

Am 12.8.2010 beantragte die Klägerin, die zuvor Leistungen nach dem SGB II bezogen hatte, die Gewährung eines Kinderzuschlags für die Zeit ab dem 1.9.2010. Die beklagte Familienkasse lehnte den Antrag ab, weil das ermittelte anzurechnende Einkommen der Klägerin in Höhe von 926,73 Euro die in ihrem Fall geltende Höchsteinkommensgrenze von 814,52 Euro im Monat September 2010 überschreite und ab Oktober 2010 das Einkommen und Vermögen der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ausreiche, um ihren Bedarf zu decken (Bescheid vom 18.8.2010, Widerspruchsbescheid vom 20.12.2010).

4

Auf die hiergegen erhobene, im Laufe des Verfahrens auf die Gewährung eines Kinderzuschlags für September 2010 beschränkte Klage hat das SG Freiburg die Beklagte unter Aufhebung der genannten Bescheide verurteilt, der Klägerin für September 2010 einen Kinderzuschlag in Höhe von 155 Euro zu gewähren (Urteil vom 20.7.2012). Die vom SG zugelassene Berufung der Beklagten hat das LSG Baden-Württemberg nach vorheriger Beiladung des zuständigen Jobcenters zurückgewiesen (Urteil vom 20.3.2015). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die Klägerin erfülle im strittigen Monat sämtliche Voraussetzungen für die Gewährung des Kinderzuschlags. Ihr anzurechnendes Gesamteinkommen belaufe sich auf 943,27 Euro (anrechnungsfähiges Erwerbseinkommen in Höhe von 789,05 Euro zuzüglich des den Bedarf von D übersteigenden Kindergelds in Höhe von 154,22 Euro) und liege unter dem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft - bestehend aus der Klägerin und ihren Kindern Y und K - in Höhe von 1052,14 Euro. Die Mindesteinkommensgrenze werde überschritten, die Höchsteinkommensgrenze dagegen nicht. Sie betrage im vorliegenden Fall 966,71 Euro. Bei der Ermittlung der Höchsteinkommensgrenze seien die auf die Klägerin entfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) nicht nach den Bestimmungen des SGB II und damit nicht nach der sogenannten Kopfteilmethode zu berechnen, sondern in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus dem jeweils letzten Existenzminimumbericht der Bundesregierung ergebe. Dabei sei nicht nur von den Wohnkosten der zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Mitglieder auszugehen, sondern von den Wohnkosten aller zum Haushalt gehörenden Personen. Die Berechnung des Kinderzuschlags in Höhe von 155 Euro sei zutreffend erfolgt.

5

Hiergegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie eine Verletzung des § 6a BKGG rügt. Das LSG habe die Höchsteinkommensgrenze fehlerhaft berechnet. Die Wohnkosten seien vor Aufteilung nach dem Existenzminimumbericht um den Kopfteil zu bereinigen, der auf nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder entfalle.

6

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des SG Freiburg vom 20. Juli 2012 und das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20. März 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

8

Der Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

9

Die vom LSG zugelassene und auch im Übrigen zulässige Revision der Beklagten ist insofern begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 SGG). Das Urteil des LSG ist aufzuheben, weil die Klägerin gegen die Beklagte für September 2010 keinen Anspruch auf einen Kinderzuschlag nach § 6a BKGG hat. Die Feststellungen des LSG reichen jedoch nicht um zu entscheiden, ob eine Verurteilung des beigeladenen Jobcenters nach § 75 Abs 5 SGG zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB II in Betracht kommt.

10

1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Entscheidungen der Bescheid der Beklagten vom 18.8.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2010, mit dem ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Kinderzuschlags unter anderem für September 2010 abgelehnt worden ist. Die Klägerin hat ihre Klage bereits erstinstanzlich auf diesen Monat beschränkt (zur Zulässigkeit der zeitlichen Beschränkung des Streitgegenstandes vgl BSG Urteil vom 2.7.2009 - B 14 AS 32/07 R - RdNr 16; BSG Urteil vom 12.7.2012 - B 14 AS 153/11 R - BSGE 111, 211 = SozR 4-4200 § 20 Nr 17, RdNr 11).

11

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Klägerin verfolgt den von ihr geltend gemachten und von der Beklagten abgelehnten Anspruch auf Kinderzuschlag zu Recht mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (vgl § 54 Abs 1, 5 SGG).

12

3. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Kinderzuschlag ist § 6a BKGG (hier idF des Bürgerentlastungsgesetzes Krankenversicherung vom 16.7.2009, BGBl I 1959). Danach erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn sie für diese Kinder Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz erhalten, über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügen, ein bestimmtes Höchsteinkommen und -vermögen nicht überschreiten und durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird(vgl BSG Urteil vom 14.3.2012 - B 14 KG 1/11 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 3 RdNr 15; BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 KG 1/14 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 69 RdNr 12).

13

Die drei Kinder der Klägerin lebten im streitgegenständlichen Monat in deren Haushalt, waren unverheiratet, hatten das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet und die Klägerin erhielt für sie Kindergeld. Ihr Einkommen lag über der Mindesteinkommensgrenze für Alleinerziehende, weil sie ein monatliches Erwerbseinkommen in Höhe von 1268,66 Euro erzielte.

14

Die Klägerin erfüllt für den streitgegenständlichen Monat jedoch nicht die Voraussetzungen des § 6a Abs 1 Nr 3 BKGG, weil ihr zu berücksichtigendes Einkommen über der Höchsteinkommensgrenze lag, die aus dem nach § 6a Abs 4 Satz 1 BKGG für sie maßgebenden Bedarf zuzüglich des Gesamtkindergeldzuschlags nach § 6a Abs 2 BKGG in Höhe von jeweils bis zu 140 Euro für jedes zuschlagsberechtigende Kind gebildet wird. Die Höchsteinkommensgrenze der Klägerin betrug 930,63 Euro, die sich aus ihrem Bedarf von 650,63 Euro und dem Gesamtkinderzuschlag von 280 Euro für Y und K ergibt, weil nur diese beiden Kinder, nicht aber D mit ihr eine Bedarfsgemeinschaft bildeten, während sie ein zu berücksichtigendes Einkommen von 943,27 Euro hatte.

15

4. Von ihren drei dem Haushalt angehörenden, unverheirateten und unter 25jährigen Kindern bildeten nur Y und K, die keine Einnahmen hatten, mit der Klägerin im September 2010 eine Bedarfsgemeinschaft. D war dagegen aufgrund ausreichenden eigenen Einkommens nicht hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II und deshalb gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft.

16

Sein Bedarf nach den Vorschriften des SGB II belief sich auf 420,81 Euro und setzte sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von 287 Euro (vgl § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II iVm der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für die Zeit ab 1.7.2009 vom 17.6.2009 ) abzüglich 5,18 Euro Warmwasserbereitungskosten (80 % von 6,47 Euro, vgl BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 15/07 R - BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5, RdNr 26; Saitzek in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 20 RdNr 49)zuzüglich des auf ihn kopfteilig entfallenden Anteils der KdUH in Höhe von 138,99 Euro (vgl zur Anwendung der Kopfteilmethode im SGB II: BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28).

17

Dem stand ein zu berücksichtigendes Einkommen gegenüber in Höhe von 575,03 Euro aus seiner Ausbildungsvergütung in Höhe von 391,03 Euro zuzüglich Kindergeld in Höhe von 184 Euro, das ihm aufgrund der Regelung in § 11 Abs 1 Satz 4, 3 SGB II als Einkommen im Rahmen der Prüfung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zuzurechnen ist. Die zu berücksichtigende Höhe der Ausbildungsvergütung folgt aus der Bereinigung des Bruttobetrags von 788 Euro um Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nach § 11 Abs 1 Nr 1, 2 SGB II in der damals geltenden Fassung(im Folgenden SGB II aF) in Höhe von 159,37 Euro und der Pauschale nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF von 100 Euro und der Freibeträge nach § 30 Satz 2 Nr 2 iVm Satz 3 SGB II aF in Höhe von 137,60 Euro.

18

Das Ausscheiden von D aus der Bedarfsgemeinschaft führt dazu, dass für ihn kein Kinderzuschlag bei der Berechnung der Höchsteinkommensgrenze anzusetzen ist. Denn nur für Kinder, die der Bedarfsgemeinschaft angehören, kann Kinderzuschlag gewährt werden (vgl BSG Beschluss vom 19.6.2012 - B 4 KG 2/11 B - RdNr 7; Knels in GK-SGB II, VI-3 § 6a BKGG RdNr 28, Stand der Einzelkommentierung 2/2012). Der Kinderzuschlag dient dem Zweck, einen offenen Bedarf des Kindes zu decken, damit nicht allein deswegen von den Eltern Leistungen nach dem SGB II in Anspruch genommen werden müssen (Kühl in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGB II, 4. Aufl 2015, § 6a BKGG RdNr 20; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 6a BKGG RdNr 12, Stand der Einzelkommentierung IV/14). Besteht dagegen bei einem Kind keine Hilfebedürftigkeit aufgrund ausreichenden eigenen Einkommens und scheidet dieses Kind deshalb aus der Bedarfsgemeinschaft aus, kann für dieses Kind kein Bedarf bestehen, der über den Kinderzuschlag zu decken wäre. Dementsprechend ist dieses Kind bei der Berechnung der Höchsteinkommensgrenze nicht mit zu berücksichtigen, weil durch die Höchsteinkommensgrenze allein festgestellt werden soll, ob Eltern in der Lage sind, für ihren eigenen und den Unterhalt ihrer Kinder selbst aufzukommen (Schnell in Estelmann, SGB II, § 6a BKGG RdNr 43, Stand der Einzelkommentierung 12/2013; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 6a BKGG RdNr 91, Stand der Einzelkommentierung IV/14).

19

5. Der im Rahmen der Höchsteinkommensgrenze nach § 6a Abs 1 Nr 3 BKGG zu berücksichtigende Bedarf der Klägerin beträgt 650,63 Euro und setzt sich zusammen aus einem Betrag von 395,61 Euro(Regelleistung abzüglich Kosten der Warmwasserbereitung zuzüglich Mehrbedarf für Alleinerziehung) und 255,02 Euro anteilige KdUH.

20

§ 6a Abs 1 Nr 3 BKGG verweist zur Berechnung des Bedarfs im Rahmen der Ermittlung der Höchsteinkommensgrenze auf den nach Abs 4 Satz 1 maßgebenden Betrag. Nach dieser Vorschrift bemisst sich der anzusetzende elterliche Bedarf nach dem jeweils maßgebenden Arbeitslosengeld II (Alg II) nach § 19 Satz 1 SGB II(idF des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706). Danach setzt sich das Alg II zusammen aus der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II, eventuellen Mehrbedarfen nach § 21 SGB II(zur Berücksichtigung des Mehrbedarfs nach § 21 SGB II im Rahmen der Ermittlung des Bedarfs nach § 6a Abs 4 Satz 1 BKGG vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 11/0AS 11/07 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 1 RdNr 17; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 KG 1/08 R - RdNr 15; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 KG 2/09 R - RdNr 14) sowie den angemessenen KdUH.

21

a) Die Regelleistung nach § 20 SGB II, abzüglich der Kosten der Warmwasserbereitung, sowie der Mehrbedarf für Alleinerziehung nach § 21 Abs 3 Nr 2 SGB II beliefen sich bei der Klägerin auf insgesamt 395,61 Euro(Regelleistung in Höhe von 359 Euro § 20 abs 2 satz 1 des zweiten buches sozialgesetzbuch für die zeit ab 1. juli 2009 vom 17.6.2009 (bgbl i 1342)> abzüglich 6,47 Euro Warmwasserbereitungskosten zuzüglich des Mehrbedarfs für Alleinerziehung in Höhe von 43,08 Euro).

22

b) Der für die Klägerin zu berücksichtigende Anteil an den KdUH beträgt 255,02 Euro.

23

Die Berechnung der anteiligen KdUH bei der Ermittlung der Höchsteinkommensgrenze richtet sich grundsätzlich nach § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG. Danach sind die KdUH in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im jeweils letzten Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Kosten für Alleinstehende, Ehepaare und Kinder ergibt. Zur bis zum 30.9.2008 erforderlichen Berechnung der Mindesteinkommensgrenze nach § 6a Abs 1 Nr 2 BKGG(idF des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Kinderbetreuungsausbau" und zur Entfristung des Kinderzuschlags vom 18.12.2007, BGBl I 3022), die sich seinerzeit ebenfalls nach § 6a Abs 4 Satz 1 BKGG richtete, hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass die Anteile an den KdUH nicht kopfteilig, sondern nach dem für den Streitzeitraum geltenden Existenzminimumbericht der Bundesregierung aufzuteilen sind(BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 11/0AS 11/07 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 1 RdNr 17 ff; BSG Urteil vom 6.5.2010 - B 14 KG 1/08 R - RdNr 16 ff; BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 12; BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 KG 2/09 R - RdNr 15). Diese Rechtsprechung hat der Senat nach der Änderung des § 6a Abs 1 Nr 2 BKGG(durch das Gesetz zur Änderung des Bundeskindergeldgesetzes vom 24.9.2008, BGBl I 1854) auf die Berechnung der Höchsteinkommensgrenze nach § 6a Abs 1 Nr 3 BKGG übertragen(BSG Urteil vom 14.3.2012 - B 14 KG 1/11 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 3 RdNr 21). Die Aufteilung der KdUH-Anteile erfolgt bei der Berechnung der Höchsteinkommensgrenze damit ebenfalls nach dem für den Streitzeitraum geltenden Existenzminimumbericht der Bundesregierung. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

24

c) Die Aufteilungsregel des § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG gilt jedoch nur für die Verteilung der KdUH innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft. Auf die Fälle, in denen die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit einer oder mehreren weiteren Person(en) zugleich auch eine Haushaltsgemeinschaft bilden, ist § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG nicht anwendbar.

25

Der Wortlaut des § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG, in dem die Aufteilung nach dem Existenzminimumbericht angeordnet wird, trifft keine Aussage zur Aufteilung der KdUH innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft. Aus den Gesetzgebungsmaterialien geht jedoch hervor, dass bei der Aufteilung der KdUH nach dem jeweils geltenden Existenzminimumbericht nur die Aufteilung der Kosten innerhalb der Bedarfsgemeinschaft im Blick waren. In dem ersten Entwurf des § 6a Abs 4 BKGG(vgl Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/1516, S 37) war die Aufteilung der Unterkunfts- und Heizkosten nach dem Existenzminimumbericht noch nicht vorgesehen. Diese Regelung ist erst durch das Kommunale Optionsgesetz vom 30.7.2004 (BGBl I 2014) eingefügt worden und maßgeblich auf den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit zurückzuführen. In der Ausschussbegründung zur Einfügung der Regelung in § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG heißt es(vgl BT-Drucks 15/2997, S 26): "In § 6a Abs. 4 Satz 1 BKGG wird die untere Einkommens- bzw Vermögensgrenze bestimmt, ab der Berechtigte Kinderzuschlag erhalten können und bei deren genauer Erreichung der Kinderzuschlag in voller Höhe gezahlt wird. Die Bestimmung dieser Einkommens- bzw Vermögensgrenze setzt eine Aufteilung der Kosten für Unterkunft und Heizung innerhalb der Bedarfsgemeinschaft voraus. Die Aufteilung in Anlehnung an den Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern im neuen Satz 2 stellt eine sachgerechte Lösung dar." (Hervorhebung durch den Senat)

26

Dieses Ergebnis ist auch systematisch stimmig. § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG ist eine Konkretisierung des Abs 4 Satz 1 sowie des § 6a Abs 1 Nr 3 BKGG. § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG muss insofern im Kontext mit § 6a Abs 1 BKGG ausgelegt werden. Nach § 6a Abs 1 BKGG erhalten Personen für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn die weiteren in der Norm genannten Voraussetzungen gegeben sind. Mit der Formulierung "in ihrem Haushalt lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben" greift § 6a Abs 1 BKGG erkennbar die Formulierung aus § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II auf, wonach "die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben" zur Bedarfsgemeinschaft gehören, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können (ebenso: Seewald in Seewald, Kindergeldrecht, § 6a BKGG RdNr 8, Stand der Einzelkommentierung September 2013; Kühl in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 6a BKGG RdNr 32). § 6a Abs 1 BKGG setzt entgegen der Auffassung des LSG und dem Eindruck aufgrund des im einleitenden Satzteil verwandten Begriffs "Haushalt" also gerade nicht nur das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft voraus, sondern verlangt vielmehr das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II zwischen den Eltern und ihren Kindern(ebenso Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 6a BKGG RdNr 64, Stand der Einzelkommentierung IV/14; Knels in GK-SGB II, VI-3 § 6a BKGG RdNr 27, Stand der Einzelkommentierung 4/2012; aA Schnell in Estelmann, SGB II, § 6a BKGG RdNr 32, Stand der Einzelkommentierung 12/2013, der meint, die Vorschrift knüpfe an den in § 9 Abs 5 SGB II verwendeten Begriff der Haushaltsgemeinschaft an, ohne dies jedoch näher zu begründen).

27

Dieser Bezug zwischen der Formulierung in § 6a Abs 1 BKGG und der Formulierung in § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II wird auch bei einem Vergleich der Textgeschichte beider Vorschriften deutlich. In seiner ursprünglichen Fassung benannte § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) die zur Bedarfsgemeinschaft gehörenden Kinder als "die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kinder des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen oder seines Partners, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können". § 6a Abs 1 BKGG(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) bezeichnete die Kinder, für die ein Kinderzuschlag in Betracht kommen sollte, ursprünglich als die "in ihrem Haushalt lebende(n) Kinder, die noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet haben". Zum 1.7.2006 wurden beide Vorschriften geändert (durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006, BGBl I 558, dort Art 1 und Art 4). In § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II wurde die Altersgrenze von 25 Jahren eingeführt. Zeitgleich wurde auch § 6a Abs 1 Satz 1 BKGG dahingehend angepasst, dass der Kinderzuschlag nunmehr für im Haushalt des Antragstellers lebende unverheiratete Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, gewährt werden kann.

28

Diese Auslegung, dass nur die Unterkunfts- und Heizkosten innerhalb der Bedarfsgemeinschaft - nicht aber innerhalb einer bloßen Haushaltsgemeinschaft - von der Aufteilungsanordnung nach dem Existenzminimumbericht erfasst sind, steht auch mit dem Sinn und Zweck des Kinderzuschlags nach § 6a BKGG im Einklang. Der Kinderzuschlag soll verhindern, dass Eltern und mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebende Kinder nur wegen des Unterhalts der Eltern für die Kinder auf Alg II oder Sozialgeld verwiesen werden (vgl BT-Drucks 15/1516, S 83). Es soll demnach der Bezug von Leistungen nach dem SGB II durch den Bezug von Kinderzuschlag vermieden werden (BSG Beschluss vom 19.6.2012 - B 4 KG 2/11 B - RdNr 8). Nur wenn mit dem Kind eine Bedarfsgemeinschaft gebildet wird - und nicht nur eine Haushaltsgemeinschaft - kann dieses Gesetzesziel realisiert werden (ebenso Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 6a BKGG RdNr 64, Stand der Einzelkommentierung IV/14; Knels in GK-SGB II, VI-3 § 6a BKGG RdNr 27, Stand der Einzelkommentierung 4/2012).

29

d) Bilden die Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft mit einer oder mehreren weiteren Person(en) zugleich eine Haushaltsgemeinschaft, sind die KdUH der Haushaltsgemeinschaft zunächst kopfteilig aufzuteilen.

30

In der ursprünglichen Fassung des § 6a BKGG hatte der Gesetzgeber zunächst gänzlich von der Verteilung der Unterkunfts- und Heizkosten nach dem Existenzminimumbericht abgesehen(vgl Entwurf eines Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 15/1516, S 37). Offenbar hatte er eine Aufteilung der KdUH nach den zum Sozialhilferecht entwickelten Maßgaben zunächst als sachgerechte Methode zur Aufteilung der Unterkunfts- und Heizkosten auch im Rahmen des § 6a BKGG angesehen. Das BVerwG hatte zum BSHG die Aufteilung der Unterkunftskosten zwischen den Mitgliedern einer Haushaltsgemeinschaft nach der Kopfteilmethode für im Regelfall ausreichend gehalten (vgl BVerwG Urteil vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17, 20).

31

Erst durch das Kommunale Optionsgesetz vom 30.7.2004 (BGBl I 2014) wurde, wie zuvor dargestellt, in § 6a Abs 4 BKGG die Aufteilung der Unterkunfts- und Heizkosten innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft nach dem Existenzminimumbericht mit dem Argument eingefügt, dies stelle für die Bedarfsgemeinschaft eine sachgerechte Lösung dar(vgl BT-Drucks 15/2997, S 26). Dies lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber für Bedarfsgemeinschaften eine vom Regelfall abweichende besondere Aufteilungsmethode für erforderlich hielt, für Haushaltsgemeinschaften es aber bei der Regel der Aufteilung nach der Kopfteilmethode belassen wollte, denn sonst hätte es nahegelegen, auch die Haushaltsgemeinschaft in die Regelung des § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG miteinzubeziehen.

32

Die Anwendung der Kopfteilmethode hinsichtlich der Aufteilung der Unterkunfts- und Heizkosten innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft stellt auch eine sachgerechte Lösung dar (ebenso Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 6a BKGG RdNr 109, Stand der Einzelkommentierung IV/14; Schnell in Estelmann, SGB II, § 6a BKGG RdNr 61, Stand der Einzelkommentierung 12/2013; Conradis in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Betreuungsgeld/Elternzeit, 4. Aufl 2015, § 6a BKGG RdNr 10; Schwitzky, Kinderzuschlag oder Arbeitslosengeld II?, 2. Aufl 2008, S 46; aA Kievel, ZfF 2005, 97, 100 f). Auch wenn der Kinderzuschlag nach § 6a BKGG eine familienpolitisch eigenständige Leistung ist(vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 11/0AS 11/07 R - SozR 4-5870 § 6a Nr 1 RdNr 21), so ist die Berechnung der Anspruchsvoraussetzungen des § 6a BKGG in weiten Teilen doch eng mit der Berechnung der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II verknüpft(vgl § 6a Abs 1 Nr 3 und 4, Abs 3, Abs 4 Satz 1 BKGG, in denen auf Berechnungsvorschriften nach dem SGB II verwiesen wird). Ein Gleichlauf der Berechnungsmethode hinsichtlich der Verteilung der KdUH innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft bei § 6a BKGG und nach dem SGB II ist insofern nicht nur naheliegend, sondern vor dem Hintergrund der zahlreichen Verweisungen des § 6a BKGG auf das SGB II sogar geboten.

33

Eine Anwendung des § 6a Abs 4 Satz 2 BKGG auf die Aufteilung der KdUH einer Haushaltsgemeinschaft kommt auch deshalb nicht in Betracht, weil der Existenzminimumbericht der Bundesregierung von seiner Zielrichtung her auf das Zusammenleben von Eltern mit ihren Kindern ausgerichtet ist, wobei er auch nur Kinder bis zum Alter von 18 Jahren zum Gegenstand hat(vgl zum im vorliegenden Fall anwendbaren Existenzminimumbericht der Bundesregierung für das Jahr 2010 , BT-Drucks 16/11065, S 1 und 4). Sachverhalte, in denen die KdUH von in Haushaltsgemeinschaft zusammenlebenden Personen untereinander aufzuteilen sind, die nicht allesamt zueinander im Verhältnis Eltern - Kind stehen (zB Haushaltsgemeinschaft bestehend aus Großeltern, Eltern und Kind) oder bei der die Kinder das 18. Lebensjahr bereits überschritten haben, werden von dem Existenzminimumbericht nicht erfasst. Bei solchen Sachverhalten ist darüber hinaus auch die Annahme zweifelhaft, dass der zusätzliche Wohnbedarf der weiteren Personen lediglich 12 qm betrage, was im Existenzminimumbericht jedoch bei der Aufteilung der Wohnkosten zwischen Eltern und minderjährigen Kindern unterstellt wird (vgl BT-Drucks 16/11065, S 3). Für alleinstehende Erwachsene wird im Existenzminimumbericht jedenfalls von einem Wohnraumbedarf von 30 qm und für ein Ehepaar - ohne Kinder - von einem Wohnbedarf von 60 qm ausgegangen (vgl BT-Drucks 16/11065, S 5). Für erwachsene Personen scheint der Existenzminimumbericht daher bereits selbst von einem Wohnbedarf von deutlich über 12 qm auszugehen.

34

e) Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass von den gesamten Unterkunfts- und Heizkosten der Klägerin und ihrer drei Kinder in Höhe von 555,97 Euro im Monat September 2010 lediglich dreiviertel auf die Bedarfsgemeinschaft - bestehend aus der Klägerin und ihren beiden Kindern Y und K - entfielen, mithin ein Betrag in Höhe von 416,97 Euro. Dieser Betrag ist sodann innerhalb dieser Bedarfsgemeinschaft nach dem für das Jahr 2010 geltenden Siebten Existenzminimumbericht der Bundesregierung (BT-Drucks 16/11065) aufzuteilen. Bei einer Bedarfsgemeinschaft bestehend aus einem Elternteil und zwei Kindern entfiel danach auf den Elternteil ein Anteil von 61,16 % der Kosten (vgl BT-Drucks 16/11065, S 3, 4 und 5: KdUH von Alleinstehenden: 3.288 Euro <2520 Euro Bruttokaltmiete + 768 Euro Heizkosten>; KdUH von einem Kind: 1044 Euro <840 Euro Bruttokaltmiete + 204 Euro Heizkosten>; Kosten zwei Kinder: 2088 Euro; Verhältnis Kosten Alleinstehender zu Gesamtkosten mit zwei Kindern: 61,16 % <3288 Euro zu 5376 Euro>). Es errechnet sich ein Betrag von 255,02 Euro.

35

6. Die Höchsteinkommensgrenze von 930,63 Euro wird von der Klägerin im September 2010 aufgrund ihres zu berücksichtigenden Einkommens von 943,27 Euro überschritten, das sich aus ihrem zu berücksichtigen Erwerbseinkommen von 789,05 Euro sowie dem Kindergeldüberhang bei ihrem Kind D von 154,22 Euro zusammensetzt.

36

Das anrechenbare Erwerbseinkommen der Klägerin von 789,05 Euro errechnet sich wie folgt: Von dem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1268,66 Euro sind gemäß § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 1 und Nr 2 SGB II Steuern und Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 192,74 Euro und ein Absetzungsbetrag von 100 Euro gemäß § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II abzuziehen. Außerdem abzuziehen ist ein weiterer Freibetrag in Höhe von 186,87 Euro. Dieser setzt sich aus dem Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr 1 SGB II aF für Einkommen zwischen 100 Euro und 800 Euro in Höhe von 140 Euro und dem Freibetrag nach § 30 Satz 2 Nr 2 iVm Satz 3 SGB II aF für Einkommen von 800 Euro bis 1500 Euro in Höhe von hier 46,87 Euro zusammen.

37

Der von D nicht benötigte Teil des Kindergeldes, der als Einkommen der Klägerin zu berücksichtigen ist, der sog Kindergeldüberhang, errechnet sich mit 154,22 Euro (391,03 Euro zu berücksichtigendes Erwerbseinkommen des D plus 184 Euro Kindergeld abzüglich 420,81 Euro Bedarf; zur Berechnung des zu berücksichtigenden Kindergeldüberhangs allein nach den Vorschriften des SGB II vgl BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 KG 2/09 R - RdNr 15).

38

Die Anrechnung des von D nicht benötigten Kindergeldüberhangs bei der Klägerin folgt bereits aus dem Wortlaut der maßgeblichen Vorschrift. Anders als bei der Regelung zur Mindesteinkommensgrenze in § 6a Abs 1 Nr 2 BKGG ist das Kindergeld bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens im Rahmen der Höchsteinkommensgrenze in § 6a Abs 2 Nr 3 BKGG gerade nicht ausgenommen(ebenso Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, Anhang § 6a BKGG RdNr 22). Der Zurechnung des Kindergeldüberhangs bei dem kindergeldberechtigten Elternteil steht auch nicht entgegen, dass § 6a Abs 1 Nr 3 BKGG über den Verweis auf § 6a Abs 4 Satz 1 BKGG bei der Bedarfsermittlung im Rahmen der Höchsteinkommensgrenze fingiert, die Eltern hätten keine Kinder(so aber Schnell in Estelmann, SGB II, § 6a BKGG RdNr 49, Stand der Einzelkommentierung 12/2013). Die Regelung des § 6a Abs 4 Satz 1 BKGG betrifft allein die Bedarfsseite. Hinsichtlich der Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens lässt sich der Norm keine Ausnahme von der Berücksichtigung des Kindergeldüberhangs nach § 11 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II entnehmen.

39

Die Anrechnung des Kindergeldüberhangs entspricht auch dem Sinn und Zweck des Kinderzuschlags und dem Zweck der Höchsteinkommensgrenze. Es soll nur in denjenigen Fällen ein Kinderzuschlag gewährt werden, in denen Eltern nur wegen des Unterhaltsbedarfs für ihre Kinder nicht in der Lage sind, für ihren eigenen und den Unterhalt ihrer Kinder selbst aufzukommen (BT-Drucks 15/1516, S 84; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 6a BKGG RdNr 91, Stand der Einzelkommentierung IV/14). Der nicht durch das Kindergeld und Wohngeld abgedeckte Unterhaltsbedarf der Kinder wird typisiert durch den Gesamtkinderzuschlag abgebildet (Seewald in Seewald, Kindergeldrecht, § 6a BKGG RdNr 22, Stand der Einzelkommentierung Februar 2015). Die Höchsteinkommensgrenze wiederum ist der Maßstab, ob der Kindergeldberechtigte nicht nur seinen Lebensunterhalt, sondern auch den weiteren Bedarf seiner Kinder in Form des Gesamtkinderzuschlags aus eigenem Einkommen und Vermögen decken kann. Um dies zu ermitteln, sind sämtliche Einkünfte zu berücksichtigen, sofern sie nicht ausdrücklich ausgenommen sind (wie zB das Wohngeld). Kindergeld, das von einem Kind zur Sicherung des eigenen Unterhalts nicht benötigt wird, steht nach § 11 Abs 1 Satz 1, 4, 3 SGB II dem kindergeldberechtigten Elternteil als Einkommen zur Verfügung.

40

Es ist nicht erkennbar, warum der Kindergeldberechtigte dieses, vom Kind nicht benötigte Einkommen nicht zur Deckung seines Lebensunterhalts oder des seiner weiteren Kinder einsetzen soll. Die gegenteilige Auffassung (Schnell in Estelmann, SGB II, § 6a BKGG RdNr 49, Stand der Einzelkommentierung 12/2013)übersieht, dass nur Kindergeld als Einkommen bei den Eltern angerechnet werden kann, das von dem jeweiligen Kind zur eigenen Bedarfsdeckung nicht oder nicht in vollem Umfang benötigt wird, sodass bereits deswegen bei diesem Kind eine Aufstockung des Kindergelds durch den Kinderzuschlag ausscheidet. Im Übrigen entspricht diese Auslegung auch der Systematik des SGB II, wonach Kindergeld gemäß § 1 Abs 1 Nr 8 Alg II-VO(in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung) nur dann nicht bei dem Kindergeldberechtigten als Einkommen angerechnet wird, wenn es nachweislich an das nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen lebende Kind weitergeleitet wird (vgl hierzu auch BSG Urteil vom 16.4.2013 - B 14 AS 81/12 R - SozR 4-4225 § 1 Nr 2 RdNr 26). Ein Systembruch wird auf diese Weise vermieden.

41

7. Gleichwohl konnte der Senat nicht abschließend entscheiden, weil offen ist, ob eine Verurteilung des beigeladenen Jobcenters nach § 75 Abs 5 SGG zur Erbringung von Leistungen nach dem SGB II in Betracht kommt. Obwohl nach der Konzeption des § 6a BKGG bei Überschreitung der Höchsteinkommensgrenze ein etwaiger offener Bedarf der Klägerin und ihrer Kinder Y und K in erster Linie mittels Wohngeldbezug gedeckt werden soll, könnte im vorliegenden Fall eine Gewährung von Leistungen nach dem SGB II in Betracht kommen.

42

Zunächst müsste allerdings feststehen, in welcher Höhe eine Bedarfsunterdeckung bei der Klägerin und den mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kindern Y und K besteht. Ausgehend von ihrem Bedarf nach dem SGB II von 1376,22 Euro (Regelleistungen von 359 Euro für die Klägerin und jeweils 287 Euro für Y und K, abzüglich der Warmwasserbereitungskosten von 6,47 Euro bei der Klägerin und jeweils 5,18 Euro bei Y und K, zuzüglich des Mehrbedarfs für Alleinerziehung in Höhe von 43,08 Euro für die Klägerin und zuzüglich der anteiligen KdUH in Höhe von jeweils 138,99 Euro) besteht eine Unterdeckung von mindestens 88,95 Euro, weil ihr zu berücksichtigendes Einkommen maximal 1287,27 Euro beträgt (zu berücksichtigendes Einkommen der Klägerin von 943,27 Euro zuzüglich des Kindergelds für Y und K in Höhe von 184 Euro und 190 Euro, abzüglich der Versicherungspauschale von 30 Euro bei Y gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-VO). Wenn K über eine eigene Versicherung verfügt (vgl dazu BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 AS 139/10 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 38 RdNr 24), was das LSG festzustellen haben wird, ist die Unterdeckung jedoch größer.

43

Offen ist auch, ob für die Klägerin und ihre Kinder Y und K die Möglichkeit besteht, das vorrangig in Anspruch zu nehmende Wohngeld (vgl § 5 Abs 1, § 12a SGB II) noch nachträglich zu erhalten. Das LSG wird aufzuklären haben, ob sie im Jahr 2010 für September 2010 einen Wohngeldantrag gestellt haben. Falls dies der Fall sein sollte, wird das LSG weiter ermitteln müssen, ob über den Antrag bereits eine bestandskräftige Entscheidung getroffen worden ist.

44

Sollten die Klägerin und Y sowie K dagegen in 2010 noch keinen Antrag auf Wohngeld gestellt haben, könnte eine nachträgliche Antragstellung über § 25 Abs 3 WoGG zu erwägen sein. Voraussetzung hierfür wäre die - bislang offenbar noch nicht erfolgte - Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II, die zu den in § 7 Abs 1 WoGG genannten Leistungen zählen, für den Monat September 2010. Der erforderliche Antrag der Klägerin und ihrer Kinder auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II könnte in der Stellung des Antrags auf Kinderzuschlag gesehen werden, der nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz zugleich als Antrag der Klägerin (und über § 38 Abs 1 SGB II auch ihrer Kinder Y und K) auf Leistungen nach dem SGB II ausgelegt werden könnte (vgl zur Antragsfiktion über den Meistbegünstigungsgrundsatz BSG Urteil vom 10.5.2011 - B 4 KG 1/10 R - BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 26). Bei Ablehnung dieses Antrags könnte gemäß § 25 Abs 3 WoGG noch nachträglich(innerhalb eines Monats nach Kenntnis der Ablehnung) ein Antrag auf Gewährung von Wohngeld durch die Klägerin sowie Y und K gestellt werden (vgl BMVBS-Erlass vom 30.12.2004 - SW 23-30 09 98 - 2, S 7), durch das die Bedarfsunterdeckung ausgeglichen werden könnte. Aus diesem Grund dürfte auch die Beiladung der zuständigen Wohngeldbehörde nach § 75 Abs 1 Satz 1 SGG geboten sein. Zwar ist eine Verurteilung der Wohngeldbehörde nach § 75 Abs 5 SGG zur Gewährung von Wohngeld ausgeschlossen, weil die Wohngeldbehörde kein in dieser Vorschrift genannter Leistungsträger ist, zumal für Streitigkeiten hinsichtlich des Wohngelds die Verwaltungsgerichtsbarkeit zuständig ist(vgl § 51 SGG iVm § 40 Abs 1 VwGO). Gleichwohl würde die Wohngeldbehörde über die Beiladung an die Ausführungen des LSG in dessen Urteil hinsichtlich der Leistungen nach dem SGB II mit möglichen Folgen für die Anwendung des § 25 Abs 3 WoGG gebunden.

45

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

(1) Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Für die Anerkennung der Bedarfe für Unterkunft gilt eine Karenzzeit von einem Jahr ab Beginn des Monats, für den erstmals Leistungen nach diesem Buch bezogen werden. Innerhalb dieser Karenzzeit werden die Bedarfe für Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt; Satz 6 bleibt unberührt. Wird der Leistungsbezug in der Karenzzeit für mindestens einen Monat unterbrochen, verlängert sich die Karenzzeit um volle Monate ohne Leistungsbezug. Eine neue Karenzzeit beginnt, wenn zuvor mindestens drei Jahre keine Leistungen nach diesem oder dem Zwölften Buch bezogen worden sind. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie nach Ablauf der Karenzzeit als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Nach Ablauf der Karenzzeit ist Satz 7 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Zeitraum der Karenzzeit nicht auf die in Satz 7 genannte Frist anzurechnen ist. Verstirbt ein Mitglied der Bedarfs- oder Haushaltsgemeinschaft und waren die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung davor angemessen, ist die Senkung der Aufwendungen für die weiterhin bewohnte Unterkunft für die Dauer von mindestens zwölf Monaten nach dem Sterbemonat nicht zumutbar. Eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen muss nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre.

(1a) (weggefallen)

(2) Als Bedarf für die Unterkunft werden auch unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur bei selbst bewohntem Wohneigentum im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 2 Nummer 5 anerkannt, soweit diese unter Berücksichtigung der im laufenden sowie den darauffolgenden elf Kalendermonaten anfallenden Aufwendungen insgesamt angemessen sind. Übersteigen unabweisbare Aufwendungen für Instandhaltung und Reparatur den Bedarf für die Unterkunft nach Satz 1, kann der kommunale Träger zur Deckung dieses Teils der Aufwendungen ein Darlehen erbringen, das dinglich gesichert werden soll. Für die Bedarfe nach Satz 1 gilt Absatz 1 Satz 2 bis 4 nicht.

(3) Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten für Haushaltsenergie oder nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung beziehen, bleiben außer Betracht.

(4) Vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft soll die leistungsberechtigte Person die Zusicherung des für die neue Unterkunft örtlich zuständigen kommunalen Trägers zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Innerhalb der Karenzzeit nach Absatz 1 Satz 2 bis 5 werden nach einem Umzug höhere als angemessene Aufwendungen nur dann als Bedarf anerkannt, wenn der nach Satz 1 zuständige Träger die Anerkennung vorab zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind.

(5) Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur anerkannt, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1.
die oder der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,
2.
der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder
3.
ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.
Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es der oder dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht anerkannt, wenn diese vor der Beantragung von Leistungen in eine Unterkunft in der Absicht umziehen, die Voraussetzungen für die Gewährung der Leistungen herbeizuführen.

(6) Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten können bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden; Aufwendungen für eine Mietkaution und für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen können bei vorheriger Zusicherung durch den am Ort der neuen Unterkunft zuständigen kommunalen Träger als Bedarf anerkannt werden. Die Zusicherung soll erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Aufwendungen für eine Mietkaution und für Genossenschaftsanteile sollen als Darlehen erbracht werden.

(7) Soweit Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung geleistet wird, ist es auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte zu zahlen. Es soll an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte gezahlt werden, wenn die zweckentsprechende Verwendung durch die leistungsberechtigte Person nicht sichergestellt ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn

1.
Mietrückstände bestehen, die zu einer außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen,
2.
Energiekostenrückstände bestehen, die zu einer Unterbrechung der Energieversorgung berechtigen,
3.
konkrete Anhaltspunkte für ein krankheits- oder suchtbedingtes Unvermögen der leistungsberechtigten Person bestehen, die Mittel zweckentsprechend zu verwenden, oder
4.
konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die im Schuldnerverzeichnis eingetragene leistungsberechtigte Person die Mittel nicht zweckentsprechend verwendet.
Der kommunale Träger hat die leistungsberechtigte Person über eine Zahlung der Leistungen für die Unterkunft und Heizung an den Vermieter oder andere Empfangsberechtigte schriftlich zu unterrichten.

(8) Sofern Bürgergeld für den Bedarf für Unterkunft und Heizung erbracht wird, können auch Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht. Vermögen nach § 12 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1 ist vorrangig einzusetzen. Geldleistungen sollen als Darlehen erbracht werden.

(9) Geht bei einem Gericht eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ein, teilt das Gericht dem örtlich zuständigen Träger nach diesem Buch oder der von diesem beauftragten Stelle zur Wahrnehmung der in Absatz 8 bestimmten Aufgaben unverzüglich Folgendes mit:

1.
den Tag des Eingangs der Klage,
2.
die Namen und die Anschriften der Parteien,
3.
die Höhe der monatlich zu entrichtenden Miete,
4.
die Höhe des geltend gemachten Mietrückstandes und der geltend gemachten Entschädigung und
5.
den Termin zur mündlichen Verhandlung, sofern dieser bereits bestimmt ist.
Außerdem kann der Tag der Rechtshängigkeit mitgeteilt werden. Die Übermittlung unterbleibt, wenn die Nichtzahlung der Miete nach dem Inhalt der Klageschrift offensichtlich nicht auf Zahlungsunfähigkeit der Mieterin oder des Mieters beruht.

(10) Zur Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach Absatz 1 Satz 1 ist die Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze zulässig. Dabei kann für die Aufwendungen für Heizung der Wert berücksichtigt werden, der bei einer gesonderten Beurteilung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und der Aufwendungen für Heizung ohne Prüfung der Angemessenheit im Einzelfall höchstens anzuerkennen wäre. Absatz 1 Satz 2 bis 4 gilt entsprechend.

(11) Die für die Erstellung von Mietspiegeln nach § 558c Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nach Landesrecht zuständigen Behörden sind befugt, die in Artikel 238 § 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe a, d und e des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche genannten Daten zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für eine Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist. Erstellen die nach Landesrecht zuständigen Behörden solche Übersichten nicht, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 auf Ersuchen an die kommunalen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich zu übermitteln, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über die Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft erforderlich ist. Werden den kommunalen Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Übersichten nicht zur Verfügung gestellt, so sind sie befugt, die Daten nach Satz 1 für ihren örtlichen Zuständigkeitsbereich bei den nach Landesrecht für die Erstellung von Mietspiegeln zuständigen Behörden zu erheben und in sonstiger Weise zu verarbeiten, soweit dies für die Erstellung von Übersichten über und die Bestimmung der Angemessenheit von Aufwendungen für die Unterkunft nach Absatz 1 Satz 1 erforderlich ist.

(12) Die Daten nach Absatz 11 Satz 1 und 3 sind zu löschen, wenn sie für die dort genannten Zwecke nicht mehr erforderlich sind.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 wird in der Hauptsache klarstellend dahingehend berichtigt, dass der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 jeweils weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 87,75 Euro zu erbringen sind.

Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009.

2

Die Klägerin zu 1 (geb 1960) sowie die mit ihr zusammenlebenden Söhne A (geb 1994), Kläger zu 2, und D (geb 1987 <22 Jahre>; im Folgenden: D) bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die KdU, welche der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf 526,50 Euro monatlich (Kaltmiete in Höhe von 406,50 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Hausmeisterpauschale in Höhe von 12 Euro, SAT-Antennenpauschale in Höhe von 8 Euro). Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1 und ihren Söhnen als Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009. Unter Berücksichtigung eines geringen Einkommens der Klägerin zu 1 aus Beschäftigung sowie des Kindergeldes bewilligte er jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die KdU übernahm er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den "Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU in Höhe von 175,50 Euro (Bescheid vom 13.10.2008). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er dem Sohn D die SGB II-Leistungen wegen des Abbruchs einer Bildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 vollständig (bestandskräftiger Bescheid vom 6.1.2009).

3

Für den bewilligten Zeitraum errechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen mehrfach neu (Bescheide vom 6.1., 1.2., 18.2. und 18.3.2009) und setzte den auf D entfallenden KdU-Anteil für die Monate Februar bis April 2009 mit "0 Euro" fest. Mit dem von den Klägern (erstmals) mit Widerspruch angefochtenen weiteren Bescheid vom 2.4.2009 bewilligte er die SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 und der Sanktion für D für den streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 erneut (dabei ergab sich für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 jeweils ein verbleibender Betrag an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; KdU wurden in bisheriger Höhe übernommen; für D entfielen wegen des "Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen" die KdU vollständig). Den Widerspruch, mit dem die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 den Wegfall des KdU-Anteils für D beanstandeten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009).

4

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere KdU-Leistungen in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 16.8.2010). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der von den Klägern angefochtene Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 sei ein sogenannter Zweitbescheid, der ungeachtet der zuvor über denselben Gegenstand getroffenen bestandkräftigen Regelungen erneut den Rechtsweg eröffnet habe. Der Beklagte habe spätestens im Widerspruchsbescheid erneut über die den Klägern zustehende KdU entschieden. Er habe hervorgehoben, dass er die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion und auf die Höhe der KdU für die Kläger als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut und intensiv geprüft habe. Hierbei habe er sich bewusst dafür entschieden, den durch die Sanktion entstandenen KdU-Anteil der Bedarfsgemeinschaft als Ausfall zuzuordnen. Auf die Inhalte der ab 6.1.2009 ergangenen Bescheide und deren (fragliche) Bekanntgabe komme es daher nicht an. Für die Zeit vom 1.2. bis zum 30.4.2009 bestehe ein Anspruch der Kläger auf Übernahme des jeweils hälftigen KdU-Anteils ohne Abzug des Kopfanteils für D. Es könne offen bleiben, ob D im streitigen Zeitraum noch Mitglied der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Für eine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung fehle es an einer Kostensenkungsaufforderung. Selbst wenn man eine solche als bereits mit den ab 1.6.2009 erteilten Bescheiden verbundene ansehe, fehle eine zeitliche Vorgabe zur Reduzierung. Auch sei es nur bei einer absehbar längerfristigen und endgültigen Veränderung in der Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft für die verbliebenen Mitglieder möglich und zumutbar, die Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung durch nur zwei Personen anzupassen. Seien die KdU-Aufwendungen daher angemessen oder als unangemessene Kosten zu übernehmen und habe die Bedarfsgemeinschaft fortbestanden, stehe der Anrechnung eines "fiktiven" Kopfanteils entgegen, dass die (tatsächlichen) Aufwendungen der Kläger nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setze voraus, dass der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Der anteilige Wegfall bei der Übernahme der Wohnungsaufwendungen führe zu einer (vorübergehenden) Unterdeckung eines bisher durch die gemeinsame Nutzung der Wohnung gedeckten Bedarfs. Dann bestehe ein Anspruch auf Tragung der tatsächlichen bzw angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch den SGB II-Träger, weil die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der KdU im Außenverhältnis unverändert fortbestehe. Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung unangemessener KdU. Während eine Sanktion rasch umgesetzt werden müsse, werde bei der Senkung der KdU eine Zeitspanne eingeräumt, um dem konkreten Wohnbedarf in seinen rechtlichen wie tatsächlichen Aspekten Rechnung zu tragen.

5

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es bestehe kein Anlass für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs. Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Wegen der Höhe der durch die Sanktion entstehenden Mietschulden bestehe in der Regel kein Kündigungsgrund. In vergleichbaren Fallkonstellationen werde die Aufteilung der KdU nach Kopfteilen auf die Nutzer der Wohnung ausnahmslos bestätigt ("fiktiver" Kopfanteil), obwohl auch dort das Argument hinsichtlich der Außenwirkung zum Vermieter und möglicher Wohnungslosigkeit greife. Das angefochtene Urteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise "ins Leere laufe".

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie führen aus, die Aufteilung nach Kopfteilen sei nicht wegen einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung, sondern deshalb gerechtfertigt, weil der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Eine strikte Anwendung des Kopfteilprinzips führe dazu, dass die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in "sippenhaftähnlicher Weise" für ein Fehlverhalten eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft haften würden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum jeweils Anspruch auf höhere Aufwendungen für KdU in der zuerkannten Höhe haben.

10

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009, mit dem der Beklagte KdU für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 weiterhin nur in Höhe der bisher zuerkannten Leistungen von je 175,50 Euro bewilligt hat. Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert. Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie. Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers zudem im Bescheid vom 2.4.2009 in einem selbstständigen Verfügungssatz geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 12).

11

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid vom 2.4.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 zurecht mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Wegen des sanktionsbedingten Wegfalls der KdU für D im streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 ist ihr Begehren auf höhere KdU gerichtet, als diese in den vorangegangenen Bescheiden für den streitigen Zeitraum jeweils bewilligt wurden. Das LSG hat zurecht angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 um einen Zweitbescheid handelte, mit dem der Beklagte die Individualansprüche für den streitigen Zeitraum erneut und in vollem Umfang überprüfbar geregelt hat. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 können jeweils höhere Leistungen in der von den Vorinstanzen angenommenen Höhe beanspruchen. Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass kein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft oder Teilen der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert, sondern Anspruchsinhaber jeweils - individuell - die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Mit dem Bescheid vom 2.4.2009 hat der Beklagte - in getrennt zu betrachtenden Verfügungen - Einzelansprüche der Klägerin zu 1 und ihrer beiden Söhne bewilligt. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist daher dahin zu korrigieren, dass der ausgeurteilte Gesamtbetrag in Höhe von 175,50 Euro jeweils anteilig auf die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 verteilt wird.

12

Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insofern haben sie keine Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, mit dem das SG ausdrücklich nur weitere KdU zugesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Bewilligungsbescheiden gleichfalls geregelte Höhe der Regelleistung sowie die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1, das schon ihren eigenen Regelbedarf nicht deckte, nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Bei den KdU handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

13

2. Die materielle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche Änderung vor (Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 60). Eine Änderungswirkung zugunsten des Berechtigten liegt vor, wenn die Änderung nach objektiver Betrachtungsweise "per saldo" einen Vorteil bewirkt (BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19).

14

Dies ist hier ausgehend von den Individualansprüchen der Kläger zu 1 und 2 auf SGB II-Leistungen der Fall. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 13.10.2008 und den weiteren Änderungsbescheiden zugrundelagen, mit denen der Beklagte den Klägern jeweils 175,50 Euro als KdU bewilligte, ist eine Änderung eingetreten, weil sie für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 Ansprüche auf weitere KdU-Leistungen in Höhe von 87,75 Euro hatten. Bezogen auf die Kläger zu 1 und 2 wird durch den tatsächlichen Wegfall des bisher an den Vermieter direkt überwiesenen KdU-Anteils für D auf der Grundlage der Kürzung des Individualanspruchs des D durch den Bescheid vom 2.4.2009 zeitgleich eine wesentliche Änderung bewirkt, weil bei ihnen ein höherer Bedarf an KdU entstand, den sie nicht durch Einkommen oder Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft decken konnten. Dieser Sonderfall rechtfertigt eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip".

15

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen notwendigen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach vorlagen. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass sie zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehörten und dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU hatten. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Die im Jahre 1960 geborene Klägerin zu 1 war erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II aber noch nicht erreicht(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Der 1994 geborene Kläger zu 2 lebte mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft, beide waren hilfebedürftig, der Kläger zu 2 verfügte - mit Ausnahme des Kindergeldes - über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, die Klägerin zu 1 erzielte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nur das berücksichtigte Einkommen, welches schon ihren eigenen Bedarf nicht deckte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II).

16

4. a) Die Kläger können in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 die Übernahme der KdU in tatsächlicher Höhe und jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs 1 S 1 SGB II beanspruchen.

17

Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Von § 22 Abs 1 S 1 SGB II erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 15 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 15).

18

b) Von den tatsächlichen und - mit den Überlegungen des LSG - zumindest als angemessenen zu unterstellenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum in Höhe von 526,50 Euro ist nicht der auf D entfallende Anteil an den KdU abzuziehen. Zwar sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

19

Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdU begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.

20

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat, wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar" und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des Hilfebedürftigen oder eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4, RdNr 19 "Sonderfälle"). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat der 14. Senat des BSG bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12, RdNr 19). Weiter haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; vgl hierzu auch Frank in GK-SGB II § 22 RdNr 19, Stand März 2010).

21

c) Hier sind die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen gegeben, die auch bei gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen können (vgl zur Übernahme der KdU bei vorübergehender Ortsabwesenheit eines Partners: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42).

22

Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des vollständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlangen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009 sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminimums zuständige Träger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung in angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall, weil auch der minderjährige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betreffenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden KdU-Anteil während des Sanktionszeitraums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Klägerin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu 2 eingetreten war.

23

d) Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen. Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen nicht erst besteht, wenn eine Kündigung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) individuellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).

24

Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde, kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig entfallen, weil auch der Regelbedarf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.

25

Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren(zu einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Staffelmietvereinbarung: BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 61 zu erhöhten Mietkosten wegen einer Modernisierungsmaßnahme nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen werden die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2013 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 und vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 sowie der Bescheid vom 28. Juli 2008 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen für September bis November 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils zur Hälfte für den weggefallenen Kopfteil von S.
unter Berücksichtigung eines monatlichen Einkommens desselben in Höhe von 124,00 Euro zu zahlen.

Im Übrigen werden die Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen ein Drittel ihrer Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008.

2

Die im Jahr 1965 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der am 4.12.2002 geborenen Klägerin zu 2 sowie des am 30.9.1990 geborenen Sohnes S. Zusammen bewohnten sie in der strittigen Zeit eine Mietwohnung. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.7.2008 hatte der Beklagte ihnen als Bedarfsgemeinschaft vom 1.8. bis 31.10.2008 Leistungen bewilligt, wobei auf den Bedarf des S. das für ihn an die Klägerin zu 1 gezahlte Kindergeld angerechnet wurde. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden zu je einem Drittel auf die Klägerinnen und S. aufgeteilt. Anschließend wurde der Leistungsanspruch des S. für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008 wegen mangelnder Arbeitsbereitschaft vollständig abgesenkt und der Bewilligungsbescheid vom 28.7.2008 insoweit gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben(bestandskräftige Bescheide vom 1.8.2008 und 8.8.2008). Vom 13.10. bis zum 4.11.2008 befand sich S. in einem gerichtlich angeordneten Kurzarrest. Mit Bescheid vom 10.12.2008 wurden den Klägerinnen für November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt, die vom 1.11. bis 4.11.2008 hälftig auf die Klägerinnen und anschließend zu je einem Drittel - wegen Berücksichtigung des S. - aufgeteilt wurden. Der Widerspruch dagegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9.1.2009).

3

Ein Überprüfungsantrag der Klägerinnen hinsichtlich des Bewilligungsbescheides vom 28.7.2008 wurde vom Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 12.2.2009, Widerspruchsbescheid vom 6.3.2009).

4

Das Sozialgericht (SG) hat, nachdem der Beklagte sich durch ein Teilanerkenntnis verpflichtet hatte, an die Klägerinnen weitere Leistungen für Unterkunft für die streitbefangenen Monate zu zahlen, die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.8.2010). Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Änderung des Urteils des SG den Beklagten unter Aufhebung sowie Änderung seiner Bescheide verurteilt, an die Klägerin zu 2 weitere Leistungen zu zahlen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 30.1.2013). Zur Begründung der Zurückweisung ist ausgeführt, für die Zeit des Kurzarrestes des S. habe der Beklagte zu Recht die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung je zur Hälfte auf die Klägerinnen aufgeteilt, da S. in dieser Zeit die Wohnung nicht bewohnt und gemäß § 7 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB II keinen Leistungsanspruch gehabt habe. Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für die Zeit vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008 zugunsten der Klägerinnen sei dagegen nicht geboten gewesen. Die Auswirkungen der Sanktion eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft auf die anderen Mitglieder seien Ausdruck der verstärkten Mitverantwortung der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft untereinander im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, die in Grenzen auch für das Fehlverhalten ihrer Mitglieder einzustehen habe. Anderenfalls läge im Falle einer Sanktion eine Besserstellung der unter 25jährigen vor, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II, des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch das Urteil des LSG. Auch in den vom LSG verneinten Zeiten sei eine Abweichung vom Kopfteilprinzip geboten, wie sich aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.5.2013 (B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68) ergebe.

6

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2013 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 und vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 sowie den Bescheid vom 28. Juli 2008 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für September bis November 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils zur Hälfte für den weggefallenen Kopfteil von S. zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen im vorliegenden Fall der S. über Einkommen aus Kindergeld verfügt habe, aus dem sein Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung habe bestritten werden können.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen waren zum Teil erfolgreich. Die Klägerinnen haben nicht nur für die Zeit, die S. im Kurzarrest verbrachte, sondern auch für den Zeitraum vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008, in dem Leistungen an den S. wegen einer Sanktion vollständig abgesenkt worden waren, Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind zum einen die Änderung der vorinstanzlichen Entscheidungen und der Bescheide des Beklagten vom 10.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.1.2009 und vom 12.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.3.2009 sowie des Bescheids vom 28.7.2008, zum anderen das Begehren der Klägerinnen, für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008 über den vom LSG bereits zuerkannten Betrag hinaus höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Diese Beschränkung auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist zulässig (stRspr: vgl nur BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 22 Nr 78).

11

2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind hinsichtlich der Monate September und Oktober 2008 aufgrund des abgelehnten Überprüfungsantrags der Klägerinnen hinsichtlich des bestandskräftigen Bescheids vom 28.7.2008 § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X sowie § 19 Abs 1, §§ 7 ff und § 22 SGB II. Hinsichtlich des nicht bestandskräftigen Bescheids vom 10.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.1.2009, mit dem Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2008 bewilligt wurden, beurteilt sich die materielle Rechtmäßigkeit allein nach § 19 Abs 1, §§ 7 ff, § 22 SGB II. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerinnen auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung in den streitbefangenen Monaten sind aufgrund der Sanktion des Beklagten gegenüber S. und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Ansprüche der Klägerinnen erfüllt.

12

3. Die in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II niedergelegten Voraussetzungen für den Erhalt von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit und ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland - erfüllte nach den Feststellungen des LSG(§ 163 Sozialgerichtsgesetz) die Klägerin zu 1 in der strittigen Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008. Ein Ausschlusstatbestand gemäß § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II war in ihrer Person nicht gegeben. Die Klägerin zu 1 bildete mit der minderjährigen Klägerin zu 2 durchgehend eine Bedarfsgemeinschaft.

13

Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war nach den Feststellungen des LSG zumindest zeitweise auch der Sohn S. der Klägerin zu 1, weil er am 30.9.1990 geboren, unverheiratet und in ihrem Haushalt lebend war sowie kein ausreichendes Einkommen und Vermögen hatte, sondern für ihn lediglich Kindergeld gezahlt wurde.

14

4. Die Klägerinnen haben über die vom LSG zugesprochenen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von September bis November 2008 hinaus weitere Ansprüche gegen den Beklagten für den Zeitraum vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008, in dem die Leistungen an den S. wegen einer Sanktion vollständig abgesenkt worden waren. Der Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II ergibt sich wegen einer gebotenen Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen(dazu unter a). Dies gilt allerdings nur insoweit, als der sanktionierte Dritte (also S.) über kein Einkommen und Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann (dazu unter b).

15

a) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).

16

aa) Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn die leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere mit anderen Familienangehörigen, nutzt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Hintergrund dieses "Kopfteilprinzips" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (stRspr: vgl nur BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 18).

17

bb) Bei der aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität vorgenommenen Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzend festgeschrieben ist(BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 19). Demgemäß hat das BSG schon mehrfach Abweichungen vom Kopfteilprinzip als möglich und notwendig angesehen (vgl BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 20, mwN).

18

cc) In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der 4. Senat des BSG für den Fall, dass bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion die Leistungen für Unterkunft und Heizung weggefallen sind, eine Abweichung von Kopfteilprinzip hinsichtlich der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder aus bedarfsbezogenen Gründen bejaht. Diese könnten nicht darauf verwiesen werden, von einem Dritten seinen Anteil zu verlangen, wenn das Jobcenter mit bestandskräftigem Bescheid den vollständigen Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung verfügt und der Dritte auch kein Einkommen oder Vermögen habe, aus dem er seinen Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestreiten könne (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 21 f).

19

dd) Dem schließt sich der erkennende Senat an, weil nur so ein menschenwürdiges Existenzminimum gemäß Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvR 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), zu dem auch die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gehören, der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gewährleistet werden kann. Diese können nicht darauf verwiesen werden, ihre mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig zu erfüllen und sich der Gefahr einer entsprechenden Klage des Vermieters auszusetzen oder die fehlende Zahlung des Jobcenters an den Dritten aus eigenen Mitteln, wie nicht zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen oder zB aus ihrem Regelbedarf, zu ersetzen.

20

Zudem ist, ausgehend von den das SGB II prägenden Einzelansprüchen der in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12), keine Rechtsvorschrift ersichtlich, aus der eine Art Mithaftung der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des Dritten oder eine Zurechnung der Sanktionsfolgen ihnen gegenüber zu entnehmen ist. Dagegen sprechen vielmehr die Regelungen im heutigen § 31a Abs 3 Satz 2, 3 SGB II, zB zum Schutz von Minderjährigen. Die Rechtsfolgen, die aus dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft erwachsen und auf die das LSG verweist, sind auf die Leistungshöhe (vgl § 20 SGB II) sowie die Verteilung des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens (§ 9 Abs 2 SGB II) beschränkt.

21

Eine "Abmilderung" der Sanktion gegenüber dem Dritten, wie sie das LSG sieht, erfolgt dadurch allenfalls faktisch und mittelbar, nicht aber auf der rechtlichen Ebene der Einzelansprüche. Dementsprechend werden - entgegen der Ansicht des LSG - auch keine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von Dritten übernommen, sondern nur die Leistungen für andere Bedarfsgemeinschaftsmitglieder erhöht, um die Erfüllung von deren Ansprüchen auf ihr Existenzminimum sicherzustellen. Deshalb geht der Verweis auf einen Gleichheitsverstoß gemäß Art 3 Abs 1 GG im Verhältnis des Dritten zu anderen Personen, die eine Sanktion erhalten und nicht in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ins Leere.

22

b) Voraussetzung für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip ist jedoch, worauf schon der 4. Senat hingewiesen hat, dass der sanktionierte Dritte über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 22). Es ist nämlich nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wirtschaftlich Leistungsfähigen ein kostenfreies Wohnen zu ermöglichen (vgl BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 14 AS 90/12 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 22 RdNr 53).

23

Zur Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens des Dritten ist auf die einschlägigen Vorschriften der §§ 11 ff SGB II abzustellen, weil nur in Höhe der Differenz zwischen seinem Kopfteil und des von ihm einzusetzenden Einkommens und Vermögens ein ungedeckter Bedarf vorliegt, der eine entsprechende Abweichung vom Kopfteilprinzip und höhere Leistungen an die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus den zuvor genannten Gründen rechtfertigt.

24

Aufgrund der Sanktion des Beklagten gegenüber dem S. wurden an diesen für die Zeit von September bis November 2008 keine Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. Lediglich für die Zeit seines Kurzarrestes vom 13.10. bis 4.11.2008 hat der Beklagte den Klägerinnen hälftig Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. In der übrigen Zeit ist der "Kopfteil" des S. im Rahmen einer Abweichung vom Kopfteilprinzip jedoch nicht vollständig bei den Klägerinnen zu berücksichtigen, weil dem im Übrigen einkommens- und vermögenslosen S. nach den Feststellungen des LSG als Einkommen das an die Klägerin zu 1 für ihn gezahlte Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro zuzurechnen ist (vgl § 11 Abs 1 SGB II). Verringert um die Versicherungspauschale von 30 Euro nach § 6 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II-Verordnung, weil S. am 30.9.2008 volljährig geworden ist, bleibt ein zu berücksichtigendes Einkommen von monatlich 124 Euro. Nur die Differenz aus dem Kopfteil des S. abzüglich dieses zu berücksichtigenden Einkommens verbleibt als ungedeckter Bedarf der Klägerinnen für Unterkunft und Heizung, der mangels entgegenstehender Regelungen zu gleichen Teilen dem Bedarf der beiden Klägerinnen für Unterkunft und Heizung zuzuweisen ist.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 wird in der Hauptsache klarstellend dahingehend berichtigt, dass der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 jeweils weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 87,75 Euro zu erbringen sind.

Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009.

2

Die Klägerin zu 1 (geb 1960) sowie die mit ihr zusammenlebenden Söhne A (geb 1994), Kläger zu 2, und D (geb 1987 <22 Jahre>; im Folgenden: D) bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die KdU, welche der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf 526,50 Euro monatlich (Kaltmiete in Höhe von 406,50 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Hausmeisterpauschale in Höhe von 12 Euro, SAT-Antennenpauschale in Höhe von 8 Euro). Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1 und ihren Söhnen als Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009. Unter Berücksichtigung eines geringen Einkommens der Klägerin zu 1 aus Beschäftigung sowie des Kindergeldes bewilligte er jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die KdU übernahm er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den "Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU in Höhe von 175,50 Euro (Bescheid vom 13.10.2008). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er dem Sohn D die SGB II-Leistungen wegen des Abbruchs einer Bildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 vollständig (bestandskräftiger Bescheid vom 6.1.2009).

3

Für den bewilligten Zeitraum errechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen mehrfach neu (Bescheide vom 6.1., 1.2., 18.2. und 18.3.2009) und setzte den auf D entfallenden KdU-Anteil für die Monate Februar bis April 2009 mit "0 Euro" fest. Mit dem von den Klägern (erstmals) mit Widerspruch angefochtenen weiteren Bescheid vom 2.4.2009 bewilligte er die SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 und der Sanktion für D für den streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 erneut (dabei ergab sich für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 jeweils ein verbleibender Betrag an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; KdU wurden in bisheriger Höhe übernommen; für D entfielen wegen des "Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen" die KdU vollständig). Den Widerspruch, mit dem die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 den Wegfall des KdU-Anteils für D beanstandeten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009).

4

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere KdU-Leistungen in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 16.8.2010). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der von den Klägern angefochtene Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 sei ein sogenannter Zweitbescheid, der ungeachtet der zuvor über denselben Gegenstand getroffenen bestandkräftigen Regelungen erneut den Rechtsweg eröffnet habe. Der Beklagte habe spätestens im Widerspruchsbescheid erneut über die den Klägern zustehende KdU entschieden. Er habe hervorgehoben, dass er die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion und auf die Höhe der KdU für die Kläger als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut und intensiv geprüft habe. Hierbei habe er sich bewusst dafür entschieden, den durch die Sanktion entstandenen KdU-Anteil der Bedarfsgemeinschaft als Ausfall zuzuordnen. Auf die Inhalte der ab 6.1.2009 ergangenen Bescheide und deren (fragliche) Bekanntgabe komme es daher nicht an. Für die Zeit vom 1.2. bis zum 30.4.2009 bestehe ein Anspruch der Kläger auf Übernahme des jeweils hälftigen KdU-Anteils ohne Abzug des Kopfanteils für D. Es könne offen bleiben, ob D im streitigen Zeitraum noch Mitglied der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Für eine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung fehle es an einer Kostensenkungsaufforderung. Selbst wenn man eine solche als bereits mit den ab 1.6.2009 erteilten Bescheiden verbundene ansehe, fehle eine zeitliche Vorgabe zur Reduzierung. Auch sei es nur bei einer absehbar längerfristigen und endgültigen Veränderung in der Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft für die verbliebenen Mitglieder möglich und zumutbar, die Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung durch nur zwei Personen anzupassen. Seien die KdU-Aufwendungen daher angemessen oder als unangemessene Kosten zu übernehmen und habe die Bedarfsgemeinschaft fortbestanden, stehe der Anrechnung eines "fiktiven" Kopfanteils entgegen, dass die (tatsächlichen) Aufwendungen der Kläger nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setze voraus, dass der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Der anteilige Wegfall bei der Übernahme der Wohnungsaufwendungen führe zu einer (vorübergehenden) Unterdeckung eines bisher durch die gemeinsame Nutzung der Wohnung gedeckten Bedarfs. Dann bestehe ein Anspruch auf Tragung der tatsächlichen bzw angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch den SGB II-Träger, weil die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der KdU im Außenverhältnis unverändert fortbestehe. Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung unangemessener KdU. Während eine Sanktion rasch umgesetzt werden müsse, werde bei der Senkung der KdU eine Zeitspanne eingeräumt, um dem konkreten Wohnbedarf in seinen rechtlichen wie tatsächlichen Aspekten Rechnung zu tragen.

5

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es bestehe kein Anlass für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs. Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Wegen der Höhe der durch die Sanktion entstehenden Mietschulden bestehe in der Regel kein Kündigungsgrund. In vergleichbaren Fallkonstellationen werde die Aufteilung der KdU nach Kopfteilen auf die Nutzer der Wohnung ausnahmslos bestätigt ("fiktiver" Kopfanteil), obwohl auch dort das Argument hinsichtlich der Außenwirkung zum Vermieter und möglicher Wohnungslosigkeit greife. Das angefochtene Urteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise "ins Leere laufe".

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie führen aus, die Aufteilung nach Kopfteilen sei nicht wegen einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung, sondern deshalb gerechtfertigt, weil der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Eine strikte Anwendung des Kopfteilprinzips führe dazu, dass die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in "sippenhaftähnlicher Weise" für ein Fehlverhalten eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft haften würden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum jeweils Anspruch auf höhere Aufwendungen für KdU in der zuerkannten Höhe haben.

10

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009, mit dem der Beklagte KdU für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 weiterhin nur in Höhe der bisher zuerkannten Leistungen von je 175,50 Euro bewilligt hat. Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert. Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie. Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers zudem im Bescheid vom 2.4.2009 in einem selbstständigen Verfügungssatz geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 12).

11

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid vom 2.4.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 zurecht mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Wegen des sanktionsbedingten Wegfalls der KdU für D im streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 ist ihr Begehren auf höhere KdU gerichtet, als diese in den vorangegangenen Bescheiden für den streitigen Zeitraum jeweils bewilligt wurden. Das LSG hat zurecht angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 um einen Zweitbescheid handelte, mit dem der Beklagte die Individualansprüche für den streitigen Zeitraum erneut und in vollem Umfang überprüfbar geregelt hat. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 können jeweils höhere Leistungen in der von den Vorinstanzen angenommenen Höhe beanspruchen. Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass kein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft oder Teilen der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert, sondern Anspruchsinhaber jeweils - individuell - die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Mit dem Bescheid vom 2.4.2009 hat der Beklagte - in getrennt zu betrachtenden Verfügungen - Einzelansprüche der Klägerin zu 1 und ihrer beiden Söhne bewilligt. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist daher dahin zu korrigieren, dass der ausgeurteilte Gesamtbetrag in Höhe von 175,50 Euro jeweils anteilig auf die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 verteilt wird.

12

Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insofern haben sie keine Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, mit dem das SG ausdrücklich nur weitere KdU zugesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Bewilligungsbescheiden gleichfalls geregelte Höhe der Regelleistung sowie die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1, das schon ihren eigenen Regelbedarf nicht deckte, nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Bei den KdU handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

13

2. Die materielle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche Änderung vor (Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 60). Eine Änderungswirkung zugunsten des Berechtigten liegt vor, wenn die Änderung nach objektiver Betrachtungsweise "per saldo" einen Vorteil bewirkt (BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19).

14

Dies ist hier ausgehend von den Individualansprüchen der Kläger zu 1 und 2 auf SGB II-Leistungen der Fall. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 13.10.2008 und den weiteren Änderungsbescheiden zugrundelagen, mit denen der Beklagte den Klägern jeweils 175,50 Euro als KdU bewilligte, ist eine Änderung eingetreten, weil sie für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 Ansprüche auf weitere KdU-Leistungen in Höhe von 87,75 Euro hatten. Bezogen auf die Kläger zu 1 und 2 wird durch den tatsächlichen Wegfall des bisher an den Vermieter direkt überwiesenen KdU-Anteils für D auf der Grundlage der Kürzung des Individualanspruchs des D durch den Bescheid vom 2.4.2009 zeitgleich eine wesentliche Änderung bewirkt, weil bei ihnen ein höherer Bedarf an KdU entstand, den sie nicht durch Einkommen oder Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft decken konnten. Dieser Sonderfall rechtfertigt eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip".

15

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen notwendigen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach vorlagen. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass sie zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehörten und dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU hatten. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Die im Jahre 1960 geborene Klägerin zu 1 war erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II aber noch nicht erreicht(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Der 1994 geborene Kläger zu 2 lebte mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft, beide waren hilfebedürftig, der Kläger zu 2 verfügte - mit Ausnahme des Kindergeldes - über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, die Klägerin zu 1 erzielte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nur das berücksichtigte Einkommen, welches schon ihren eigenen Bedarf nicht deckte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II).

16

4. a) Die Kläger können in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 die Übernahme der KdU in tatsächlicher Höhe und jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs 1 S 1 SGB II beanspruchen.

17

Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Von § 22 Abs 1 S 1 SGB II erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 15 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 15).

18

b) Von den tatsächlichen und - mit den Überlegungen des LSG - zumindest als angemessenen zu unterstellenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum in Höhe von 526,50 Euro ist nicht der auf D entfallende Anteil an den KdU abzuziehen. Zwar sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

19

Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdU begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.

20

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat, wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar" und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des Hilfebedürftigen oder eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4, RdNr 19 "Sonderfälle"). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat der 14. Senat des BSG bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12, RdNr 19). Weiter haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; vgl hierzu auch Frank in GK-SGB II § 22 RdNr 19, Stand März 2010).

21

c) Hier sind die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen gegeben, die auch bei gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen können (vgl zur Übernahme der KdU bei vorübergehender Ortsabwesenheit eines Partners: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42).

22

Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des vollständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlangen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009 sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminimums zuständige Träger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung in angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall, weil auch der minderjährige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betreffenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden KdU-Anteil während des Sanktionszeitraums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Klägerin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu 2 eingetreten war.

23

d) Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen. Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen nicht erst besteht, wenn eine Kündigung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) individuellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).

24

Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde, kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig entfallen, weil auch der Regelbedarf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.

25

Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren(zu einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Staffelmietvereinbarung: BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 61 zu erhöhten Mietkosten wegen einer Modernisierungsmaßnahme nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig sind die Übernahme von Mietschulden als Zuschuss anstelle eines Darlehens nach dem SGB II und - sofern es bei der darlehensweisen Leistungsgewährung verbleibt - die Höhe der Belastung des Klägers hierdurch.

2

Der Kläger, seine Lebenspartnerin und deren 1989 geborene Tochter M. bezogen seit 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von dem Beklagten. Ein weiteres Kind erhielt aufgrund von Unterhalts- und Kindergeldzahlungen keine Leistungen. Mitte Oktober 2005 zog der Kläger aus der gemeinsamen Wohnung aus. Im Januar 2006 schlossen er und seine Lebenspartnerin zum 1.2.2006 einen Mietvertrag über eine andere Wohnung. Die Lebenspartnerin und ihre Tochter waren zu diesem Zeitpunkt schwanger.

3

Im Dezember 2005 bewilligte der Beklagte ein Mietkautionsdarlehen für die neue Wohnung, überwies die Kaution jedoch einstweilen nicht an den Vermieter. Zum ebenfalls gestellten Antrag auf Direktüberweisung der Miete an den Vermieter teilte der Beklagte mit, die "Aufwendungen laufender angemessener Mietkosten" würden "nach Vorlage des Mietvertrages und mit der nächstmöglichen Einarbeitung, der in diesem Zusammenhang stehenden Datensätze zur Zahlung angewiesen". Bis zur Einarbeitung der Datensätze sei die Mietzahlung selbst vollständig und fristgerecht vorzunehmen. Eine Kopie des Mietvertrages ging kurz danach bei dem Beklagten ein. Da der Vermieter der neuen Wohnung deren Bezug vom Erhalt der Kaution abhängig machte, verblieben der Kläger und seine Lebenspartnerin über den 1.2.2006 hinaus in ihren bisherigen jeweiligen Unterkünften und verwendeten die vom Beklagten erbrachten Unterkunftsleistungen für die dort anfallenden Mietzahlungen. Zahlungen an den Vermieter der neuen Wohnung erfolgten im Februar und März 2006 nicht. Nach erneuter Vorsprache wurde vom Beklagten ein Darlehen zur Deckung der Mietkaution (Bescheid vom 8.2.2006) bewilligt und an den Vermieter der neuen Wohnung ausgezahlt. Im März 2006 erfolgte dann der Umzug der nunmehr um die zwei neu geborenen Kinder vergrößerten Familie in die neue Wohnung. Der Beklagte nahm im Weiteren das Vorliegen von zwei Bedarfsgemeinschaften an. Er überwies von April bis Juni 2006 jeweils die Bruttowarmmiete in voller Höhe an den Vermieter, jedoch für Juli und August 2006 geringere Beträge. Der Kläger und seine Lebenspartnerin zahlten von März bis Mai und im Juli 2006 monatlich jeweils die Miete für die beiden angemieteten Stellplätze sowie einmalig 500 Euro im April 2006. Der Vermieter forderte sie mehrfach zur Zahlung der rückständigen Miete auf.

4

Alsdann beantragte der Kläger mit Schreiben vom 29.9.2006 beim Beklagten die Übernahme der Mietschulden. Auch der im Weiteren vom Beklagten an den Vermieter überwiesene Mietzins deckte die tatsächlichen Aufwendungen nicht und ab Januar 2007 stellte der Beklagte die Zahlungen an den Vermieter wegen noch zu ermittelnden Einkommens vorläufig vollständig ein. Daraufhin kündigte der Vermieter das Mietverhältnis wegen der aufgelaufenen Mietschulden am 30.4.2007. Nach erhobener Räumungsklage und einer daraufhin geleisteten Einmalzahlung des Beklagten wurden die zwischenzeitlich weiter angewachsenen Mietschulden mit 2277,92 Euro beziffert. Durch an den Kläger gerichteten Bescheid vom 27.6.2007 gewährte der Beklagte "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zwecks Übernahme von rückständigen Mietkosten" in Höhe von 1518,62 Euro; den Betrag errechnete er aus der Aufteilung des Gesamtumfangs der Mietschulden auf die beiden Bedarfsgemeinschaften. Weiter verfügte der Beklagte: "2. Die Hilfegewährung erfolgt in Form eines Darlehens. 3. Das Darlehen ist unverzinslich. 4. Das Darlehen ist mit dem Gesamtbetrag fällig am 31.12.2007. 5. Zusätzlich fallen jährlich Verzugszinsen ab dem Fälligkeitstag in Höhe von 2 v. H. über dem am 30.06 des Jahres gültigen Basissatz an." Nach dem Begleichen der Mietschulden fand die Räumungsklage ihre Erledigung. Der gegen "die Bewilligung als Darlehen" vom Kläger für seine Bedarfsgemeinschaft erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29.10.2008).

5

Auch im erstinstanzlichen Klageverfahren konnte der Kläger mit dem Begehren auf Übernahme der Mietschulden durch den Beklagten als Zuschussleistung nicht durchdringen (Urteil des SG vom 8.7.2011). Das LSG hat am 14.3.2013 das Urteil des SG abgeändert, den Bescheid des Beklagten vom 27.6.2007 aufgehoben, soweit die Darlehensbewilligung 506,21 Euro (= ein Drittel des dem Kläger bewilligten Darlehens von 1518,62 Euro) übersteigt, und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen. Es hat die Ablehnung der zuschussweisen Leistungsbewilligung bestätigt. Ein solcher Anspruch sei nicht durch ein Verschulden des Beklagten zu begründen. Allerdings sei der Beklagte nicht berechtigt, allein den Kläger mit einem Darlehen zu belasten. Das Darlehen für die Mietschuldenübernahme sei kopfteilig auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, der er angehöre, aufzuteilen. Der Darlehensantrag könne nicht in der Weise ausgelegt werden, dass der Kläger auch für die Bedarfsgemeinschaft habe handeln wollen. Dabei sei es irrelevant, dass er als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten einzustehen habe, weil das hier einzig maßgebliche Grundsicherungsrecht nur Individualansprüche der einzelnen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft kenne.

6

Der Beklagte hat die vom BSG zugelassene Revision gegen das Urteil des LSG eingelegt. Er rügt eine Verletzung von § 22 Abs 5 SGB II idF des Gesetzes zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze durch die nur kopfteilige Berücksichtigung des Darlehens beim Kläger. Seiner Ansicht nach ist allein der Kläger zur Tilgung des Darlehens in Höhe des Gesamtbetrags verpflichtet.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 16. Mai 2011 sowie dessen Anschlussrevision zurückzuweisen.

8

Der Kläger, der Anschlussrevision eingelegt hat, beantragt,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen und die Urteile des Sächsischen Landessozialgerichts vom 14. März 2013 sowie des Sozialgerichts Dresden vom 16. Mai 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 27. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2008 zu verpflichten, die Mietschulden als Zuschuss an Stelle des hierfür bereits geleisteten Darlehens zu übernehmen.

9

Er verfolgt sein Begehren mit der Begründung weiter, der Beklagte trage die Schuld an der Entstehung der Mietschulden, sodass ein atypischer Fall iS des § 22 Abs 5 SGB II anzunehmen sei.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässigen Revisionen der Beteiligten sind im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Ob der Kläger einen Anspruch auf Übernahme der Mietschulden als Zuschussleistung des Beklagten hat, vermag der Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend zu beurteilen.

11

1. Streitgegenstand ist die Übernahme von Mietschulden als Leistung an den Kläger in Höhe von 1518,62 Euro. Der Beklagte hat durch Bescheid vom 27.6.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.10.2008 die Leistung als Darlehen erbracht. Dieser Bescheid beinhaltete zugleich eine konkludente Ablehnung einer Bewilligung der Übernahme der Mietschulden als Zuschuss.

12

Der Kläger verfolgt sein Begehren zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage iS des § 54 Abs 4 SGG. Er begehrt die Umwandlung einer Darlehensleistung in eine solche als Zuschuss. Es ist insoweit nur noch darüber zu befinden, ob die bereits gezahlten Darlehensleistungen als Zuschuss hätten erbracht werden müssen. Allerdings war auch über den Umfang der Leistungsgewährung zu entscheiden. Denn soweit der Kläger die zuschussweise Leistungsbewilligung beantragt, umfasst sein Begehren auch eine Freistellung von der Tilgungsverpflichtung bzw eine Reduzierung dieser durch eine niedrigere Festsetzung des Tilgungsbetrags.

13

2. Der Kläger erfüllt nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG im streitigen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs 1 S 1 Nrn 1 - 4 SGB II; insbesondere war er hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II. Ob er jedoch einen Anspruch auf die Übernahme der Mietschulden als Zuschuss anstelle des bereits gezahlten Darlehens hat, konnte der erkennende Senat aufgrund der Feststellungen des LSG nicht abschließend entscheiden.

14

Die Übernahme der Mietschulden richtet sich hier nach § 22 Abs 5 SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (BGBl I 558). Danach können auch Schulden übernommen werden, sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden und soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Satz 2 bestimmt, dass Schulden übernommen werden sollen, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

15

Der für die Übernahme von Mietschulden iS des § 22 Abs 5 SGB II erforderliche Antrag, der im Regelfall nicht vom Antrag auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß §§ 19 ff SGB II erfasst wird, sondern vom Hilfebedürftigen gesondert geltend zu machen ist(BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 14), ist hier spätestens am 4.10.2006 für beide - von dem Beklagten angenommene - Bedarfsgemeinschaften durch den klägerischen Anwalt gestellt worden.

16

Da der Beklagte vorliegend bereits eine Darlehensleistung erbracht hat, bedurfte es keiner Prüfung, ob dem Beklagten ein Spielraum für das "ob" seiner Entscheidung zugestanden hätte (vgl hierzu BSG vom 17.6.2010 - B 14 AS 58/09 R - BSGE 106, 190 = SozR 4-4200 § 22 Nr 41, RdNr 31). Allerdings erfolgt auch dann, wenn die Voraussetzungen des § 22 Abs 5 S 2 SGB II gegeben sind, also ohne die Schuldenübernahme Wohnungslosigkeit droht - hier war bereits die Räumungsklage anhängig -, die Übernahme von Schulden im Regelfall nur darlehensweise. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 22 Abs 5 S 4 SGB II und dessen Sinn und Zweck.

17

Nach § 22 Abs 5 S 4 SGB II sollen Geldleistungen als Darlehen erbracht werden. Dies bedeutet, dass ein Zuschuss nur in atypischen Fällen zu leisten ist. Damit soll ein Ausgleich zwischen den Interessen der Leistungsberechtigten und denen der Allgemeinheit der Steuerzahler bewirkt werden (vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 RdNr 266, Stand X/2012). So steht auch wirtschaftlich unvernünftiges (vorwerfbares) Handeln des Hilfebedürftigen, das die drohende Wohnungslosigkeit (mit)verursacht haben mag, einer Übernahme der Mietschulden als Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht entgegen. Es ist das elementare Grundbedürfnis der Unterkunftssicherung, ggf auch bei schuldhafter Gefährdung der Unterkunft diese durch staatliche Hilfe zu sichern. Diese Sicherstellung ist eine verfassungsrechtliche Pflicht des Staates aus dem Recht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, RdNr 136) und findet in der Leistung nach § 22 Abs 5 SGB II ihre Ausformung. Andererseits sollen Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich nicht der Schuldentilgung dienen. Einkommen ist zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen. Dies gilt selbst dann, wenn der Leistungsberechtigte sich dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (vgl nur BSG vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 19). Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen sind Grundsicherungsleistungen zur Schuldentilgung zu gewähren. Wenn dies dem Grunde nach in Betracht zu ziehen ist, dann besteht jedoch regelmäßig die Verpflichtung, die erbrachten Leistungen zur Schuldentilgung zurückzuzahlen, und die Leistungsgewährung erfolgt als Darlehen. Das Auswahlermessen des Grundsicherungsträgers nach § 22 Abs 5 S 4 SGB II ist insoweit reduziert(vgl Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 332, Stand VI/2014).

18

Hieraus folgt, dass ein atypischer Fall iS des § 22 Abs 5 S 4 SGB II, also eine Konstellation, in der anstelle des Darlehens ein Zuschuss zu erbringen ist, dann vorliegt, wenn die Fallgestaltung im Einzelfall signifikant vom (typischen) Regelfall abweicht. Dabei ist auch das Verhalten des Leistungsträgers in die Bewertung einzubeziehen (so auch Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 SGB II RdNr 141, Stand IV/2014; Luik in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 253, beide unter Bezugnahme auf LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.9.2007 - L 2 B 242/07 AS ER - juris RdNr 33). Mitwirkendes Fehlverhalten auf seiner Seite, das als eine atypische Behandlung des Falles iS einer Abweichung von der grundsätzlich zu erwartenden ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu verstehen ist, kann im Einzelfall eine Atypik des verwirklichten Tatbestandes begründen (vgl BSG vom 29.11.1989 - 7 RAr 138/88 - BSGE 66, 103 = SozR 4100 § 103 Nr 47, juris RdNr 38, BSG vom 25.4.1990 - 7 RAr 20/89 - juris RdNr 43; BSG vom 28.6.1990 - 7 RAr 132/88 - SozR 3-4100 § 115 Nr 1, juris RdNr 28). Allerdings muss das Verhalten des Leistungsträgers "wesentlich mitwirkend" für die Entstehung der Mietschulden sein. Haben Umstände in der Sphäre des Leistungsberechtigten und in der Sphäre der Verwaltung zu der Entstehung der Mietschulden beigetragen, ist nur dann von einer wesentlichen Mitwirkung des Leistungsträgers auszugehen, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für das Entstehen der Mietschulden annähernd gleichwertig sind. Kommt dagegen dem "Fehlverhalten" des Leistungsberechtigten eine überragende Bedeutung für die Mietschulden zu, so ist kein atypischer Fall gegeben, denn sein Verhalten verdrängt das Fehlverhalten des Leistungsträgers (vgl zu vergleichbaren Erwägungen im sozialen Entschädigungsrecht BSG vom 20.7.2005 - B 9a V 1/05R - juris RdNr 38, mwN).

19

Das LSG hat vorliegend dem Fehlverhalten des Klägers (und dessen Lebensgefährtin) eine überragende Bedeutung für die Entstehung der Mietschulden beigemessen und aus diesem Grund einen atypischen Fall im Sinne eines wesentlich mitwirkenden fehlerhaften Verwaltungshandelns verneint. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das Revisionsgericht ist insoweit nicht gehindert, die Bewertung des LSG im Hinblick auf die Atypik zu überprüfen und ggf zu einer anderen Schlussfolgerung zu gelangen. Es handelt es sich hierbei nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine rechtliche Wertung auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen. Die Bindungswirkung des § 163 SGG bezieht sich lediglich auf die Tatsachenfeststellungen des LSG, aus denen auf das Vorliegen eines atypischen Falles geschlossen werden kann(vgl zur Atypik im Rahmen von § 48 SGB X: BSG vom 29.6.1994 - 1 RK 45/93 - BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33, juris RdNr 26; so auch BSG vom 26.10.1998 - B 2 U 35/97 R - juris RdNr 25). Zwar hat sich das LSG umfänglich mit den Beiträgen des Beklagten und des Klägers zu der Entstehung der Mietschulden befasst. Es mangelt aber an hinreichenden Feststellungen zum Ausgangspunkt der Entstehung der Mietschulden und des Verhaltens des Beklagten in dieser Situation. Daher konnte der erkennende Senat nicht abschließend über das Vorliegen einer "Atypik" befinden.

20

Das LSG hat zunächst eine in der Sphäre des Beklagten liegende fehlerhafte Zahlungspraxis festgestellt. Danach hat der Beklagte die Miete nicht vollständig an den Vermieter, sondern nur teilweise an diesen und teilweise an die Leistungsempfänger ausgezahlt. Die Leistung ist nach den Ermittlungen im Berufungsverfahren jedoch vollständig in der bewilligten Höhe zur Auszahlung gelangt, sodass das LSG insoweit letztlich zutreffend das Fehlverhalten des Klägers als überragenden Beitrag für die Entstehung weiterer Mietschulden angesehen hat. Soweit die Miete nicht in der anerkannten Höhe an den Vermieter überwiesen worden ist, hat das Berufungsgericht bereits eine fehlerhafte Zahlungspraxis des Beklagten verneint. Es stützt sich darauf, dass der Sohn der Lebensgefährtin des Klägers aufgrund von Unterhaltszahlungen und des Bezugs von Kindergeld keinen oder nur einen sehr geringen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gehabt hat. Es lag damit in der Sphäre des Klägers, den auf den Sohn entfallenden Kopfteil der Miete aus dem Einkommen des Kindes selbst an den Vermieter zu überweisen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass nach Auffassung des LSG die zögerliche Bearbeitung der Anträge des Klägers und die zum Teil lediglich schematischen Ausführungen in den Schreiben des Beklagten ohne Bezug zum konkreten Einzelfall sowie die vom LSG festgestellten tatsächlichen Buchungsvorgänge zwar an einer ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zweifeln lassen. Um ein im Rechtssinne wesentlich mitwirkendes Fehlverhalten des Beklagten, dass zur Entstehung der Mietschulden beigetragen hat, handelt es sich dabei jedoch nicht.

21

Das LSG hat allerdings den Ausgangspunkt der Entstehung der Mietschulden nicht in seine Bewertung einbezogen. Nach seinen Feststellungen hat der Kläger eine Leistung für eine Mietkaution bereits im Dezember 2005 beantragt. Der Beklagte hat sie auch bewilligt, jedoch erst nach dem 1.2.2006, dem geplanten Einzugstermin, ausgezahlt. Der Kläger und die weitere Bedarfsgemeinschaft sind alsdann in ihren bisherigen Wohnungen verblieben. Ob und ggf in welcher Höhe es deswegen zu doppelten Mietforderungen gekommen ist, hat das LSG nicht festgestellt. Dies ist jedoch nach den Ausführungen im Tatbestand des Urteils zur "Verrechnung" der Mietleistungen für die bisherigen Wohnungen mit denen für die neue Wohnung durch den Änderungsbescheid vom 7.3.2006 naheliegend. Sollte es dem Kläger und der weiteren Bedarfsgemeinschaft also wegen der nicht rechtzeitig gezahlten Mietkaution nicht möglich gewesen sein, in die angemietete Wohnung umzuziehen, könnte hierin ein Fehlverhalten des Beklagten erkannt werden, das wesentlich zur Entstehung der Mietschulden beigetragen hat. Immerhin hat der Vermieter der neuen Wohnung nach den Feststellungen des LSG gegenüber dem Beklagten bereits sehr früh wegen der nicht erfolgten Mietzahlungen für Februar und März 2006 eine fristlose Kündigung angekündigt.

22

3. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Berufungsverfahren zu dem Ergebnis gelangen, es sei gleichwohl kein atypischer Fall gegeben, wird es im Weiteren zu beachten haben, dass der angefochtene Bescheid insoweit rechtswidrig ist, als durch die Verfügungssätze 4 und 5 die Fälligkeit des gesamten Darlehensbetrags am 31.12.2007 und der Anfall von Verzugszinsen für den Fall der nicht rechtzeitigen Tilgung geregelt wird.

23

Für die Tilgung einer den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnenden Leistung als Gesamtbetrag zu einem Fälligkeitsdatum, an dem ausgehend vom Zeitpunkt der Bescheiderteilung nicht absehbar ist, ob der Leistungsberechtigte sich noch im Leistungsbezug befindet - was hier der Fall war -, mangelt es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage im SGB II. Im Hinblick auf die Tilgung eines Mietkautionsdarlehens aus der Regelleistung hat der erkennende Senat dies nach der Rechtslage bis zum 31.3.2011 selbst für eine ratenweise Abzahlung befunden (BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 26/10 R - BSGE 110, 288 = SozR 4-1200 § 46 Nr 3, RdNr 15). So war im Gegensatz zur Darlehensgewährung für einen einmaligen Bedarf iS des § 23 Abs 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes über moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt(vom 24.12.2003, BGBl I 2954) in § 22 Abs 3 SGB II für das Mietkautionsdarlehen ebenso wie für das Mietschuldendarlehen nach § 22 Abs 5 SGB II keine Tilgungsregelung im SGB II vorgesehen. Eine solche ist auch nach der Neufassung des § 22 Abs 5 SGB II durch das Gesetz zur Änderung des SGB II und anderer Gesetze nicht eingefügt worden. Eine analoge Anwendung der Tilgungsregelung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II hat der erkennende Senat ebenfalls abgelehnt. Wie beim Mietkautionsdarlehen liegen der Tilgungsregelung des § 23 Abs 1 S 3 SGB II und dem Darlehen für Mietschulden andere Tatbestände zugrunde(BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 26/10 R - BSGE 110, 288 = SozR 4-1200 § 46 Nr 3, RdNr 16). Erst durch § 42a SGB II ist zum 1.4.2011 eine Aufrechnungsregelung insoweit geschaffen worden. Abgesehen davon, dass diese Regelung nach der Rechtsprechung des 4. Senats des BSG eine "echte Rechtsänderung" ist (BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 26/10 R - BSGE 110, 288 = SozR 4-1200 § 46 Nr 3, RdNr 16), sieht auch § 42a Abs 4 SGB II erst nach Beendigung des Leistungsbezugs die Fälligkeit des gesamten noch nicht getilgten Darlehensbetrags vor. Diese Art der Tilgung eines Darlehens für Mietschulden während des laufenden Leistungsbezugs wäre nur zu Lasten der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts möglich. Dies führt im vorliegenden Fall zu einer nicht mehr ausgleichbaren Unterdeckung des Existenzminimums, denn der Aufrechnungsbetrag von 1518,62 Euro übersteigt das Vierfache der Regelleistung.

24

Da es somit bereits an einer rechtmäßigen Verfügung zur Tilgung des Darlehens mangelt, ist auch die Verfügung über die Zahlung von Verzugszinsen rechtswidrig und aufzuheben.

25

4. Auch die Höhe der Darlehensbelastung ist vom Beklagten unzutreffend bestimmt worden. Dabei ist das LSG allerdings zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Kläger nur ein Darlehen von 506,21 Euro zu bewilligen war. Vielmehr ist ein Darlehen zur Deckung von Mietschulden unabhängig vom Kopfteilprinzip gleichmäßig auf diejenigen Personen aufzuteilen, die - jedenfalls in einer Konstellation wie der vorliegenden - aus dem Mietvertrag verpflichtet sind. Somit entfällt auf den Kläger eine Darlehensbelastung in Höhe von 1138,96 Euro.

26

Die laufenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind nach gefestigter Rechtsprechung des BSG im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen nutzen (stRspr des BSG seit 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; zuletzt vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 63, RdNr 26 und vom 22.8.2013 - B 14 AS 85/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 71, RdNr 20). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (Urteil vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17, juris RdNr 10) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf dem Grunde nach abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

27

Bei der Leistung für Mietschulden als einmaliger Leistung für Unterkunft ist jedoch keine Kopfteilung vorzunehmen. Die mit dem Grundsicherungsrecht nach dem SGB II befassten Senate des BSG haben eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für diejenigen Fälle bejaht, in denen bei objektiver Betrachtung eine andere Aufteilung angezeigt ist (vgl nur BSG vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, juris RdNr 28; BSG vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4, juris RdNr 19; für eine vorübergehende, auf unter sechs Monate beschränkte Ortsabwesenheit eines Partners BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 19; s auch BSG vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 19, hierzu zustimmend Anm Sonnhoff, SGb 2014, 339; BSG vom 22.8.2013 - B 14 AS 85/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 71, RdNr 23). So liegt es auch bei der Mietschuldenübernahme.

28

Würde das Darlehen gemäß § 22 Abs 5 SGB II kopfteilig auf die Mitglieder beider - vom Beklagten angenommener - Bedarfsgemeinschaften verteilt, so folgte hieraus letztlich eine faktische Mithaftung der nicht am Mietvertrag Beteiligten, insbesondere auch der Kinder einer Bedarfsgemeinschaft, für unerfüllte Mietvertragsforderungen. Unter Berücksichtigung der Neuregelung des § 42a Abs 1 S 3 SGB II träfe eine Rückzahlungsverpflichtung dann auch das nicht durch den Mietvertrag verpflichtete Bedarfsgemeinschaftsmitglied unabhängig davon, ob eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Zahlungsmoral des mietvertraglich Verpflichteten besteht. Abgesehen davon könnten sich aus der Möglichkeit, die Verpflichtungen aus Mietverträgen auf Dritte zu verlagern, erhebliche Fehlanreize für die Mietvertragspartner ergeben. Daher erscheint es allein sachgerecht, nur die durch den Mietvertrag zivilrechtlich verpflichteten Personen - unter Berücksichtigung des internen Schuldnerausgleichs bei gesamtschuldnerischer Haftung - als Darlehensnehmer anzusehen (ebenso Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, K § 22 RdNr 366, Stand III/14; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 253), soweit sie - wie hier - die Wohnung gemeinsam nutzen (vgl die Fallkonstellation in BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 1/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 65 RdNr 2, 18)und im Leistungsbezug nach dem SGB II stehen. Nach diesen Grundsätzen konnte der Kläger, der den Mietvertrag gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin geschlossen hatte, ein Darlehen von 1138,96 Euro (= die Hälfte der Mietschulden von 2277,92 Euro) beanspruchen.

29

5. Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 wird in der Hauptsache klarstellend dahingehend berichtigt, dass der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 jeweils weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 87,75 Euro zu erbringen sind.

Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009.

2

Die Klägerin zu 1 (geb 1960) sowie die mit ihr zusammenlebenden Söhne A (geb 1994), Kläger zu 2, und D (geb 1987 <22 Jahre>; im Folgenden: D) bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die KdU, welche der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf 526,50 Euro monatlich (Kaltmiete in Höhe von 406,50 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Hausmeisterpauschale in Höhe von 12 Euro, SAT-Antennenpauschale in Höhe von 8 Euro). Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1 und ihren Söhnen als Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009. Unter Berücksichtigung eines geringen Einkommens der Klägerin zu 1 aus Beschäftigung sowie des Kindergeldes bewilligte er jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die KdU übernahm er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den "Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU in Höhe von 175,50 Euro (Bescheid vom 13.10.2008). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er dem Sohn D die SGB II-Leistungen wegen des Abbruchs einer Bildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 vollständig (bestandskräftiger Bescheid vom 6.1.2009).

3

Für den bewilligten Zeitraum errechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen mehrfach neu (Bescheide vom 6.1., 1.2., 18.2. und 18.3.2009) und setzte den auf D entfallenden KdU-Anteil für die Monate Februar bis April 2009 mit "0 Euro" fest. Mit dem von den Klägern (erstmals) mit Widerspruch angefochtenen weiteren Bescheid vom 2.4.2009 bewilligte er die SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 und der Sanktion für D für den streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 erneut (dabei ergab sich für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 jeweils ein verbleibender Betrag an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; KdU wurden in bisheriger Höhe übernommen; für D entfielen wegen des "Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen" die KdU vollständig). Den Widerspruch, mit dem die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 den Wegfall des KdU-Anteils für D beanstandeten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009).

4

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere KdU-Leistungen in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 16.8.2010). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der von den Klägern angefochtene Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 sei ein sogenannter Zweitbescheid, der ungeachtet der zuvor über denselben Gegenstand getroffenen bestandkräftigen Regelungen erneut den Rechtsweg eröffnet habe. Der Beklagte habe spätestens im Widerspruchsbescheid erneut über die den Klägern zustehende KdU entschieden. Er habe hervorgehoben, dass er die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion und auf die Höhe der KdU für die Kläger als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut und intensiv geprüft habe. Hierbei habe er sich bewusst dafür entschieden, den durch die Sanktion entstandenen KdU-Anteil der Bedarfsgemeinschaft als Ausfall zuzuordnen. Auf die Inhalte der ab 6.1.2009 ergangenen Bescheide und deren (fragliche) Bekanntgabe komme es daher nicht an. Für die Zeit vom 1.2. bis zum 30.4.2009 bestehe ein Anspruch der Kläger auf Übernahme des jeweils hälftigen KdU-Anteils ohne Abzug des Kopfanteils für D. Es könne offen bleiben, ob D im streitigen Zeitraum noch Mitglied der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Für eine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung fehle es an einer Kostensenkungsaufforderung. Selbst wenn man eine solche als bereits mit den ab 1.6.2009 erteilten Bescheiden verbundene ansehe, fehle eine zeitliche Vorgabe zur Reduzierung. Auch sei es nur bei einer absehbar längerfristigen und endgültigen Veränderung in der Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft für die verbliebenen Mitglieder möglich und zumutbar, die Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung durch nur zwei Personen anzupassen. Seien die KdU-Aufwendungen daher angemessen oder als unangemessene Kosten zu übernehmen und habe die Bedarfsgemeinschaft fortbestanden, stehe der Anrechnung eines "fiktiven" Kopfanteils entgegen, dass die (tatsächlichen) Aufwendungen der Kläger nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setze voraus, dass der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Der anteilige Wegfall bei der Übernahme der Wohnungsaufwendungen führe zu einer (vorübergehenden) Unterdeckung eines bisher durch die gemeinsame Nutzung der Wohnung gedeckten Bedarfs. Dann bestehe ein Anspruch auf Tragung der tatsächlichen bzw angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch den SGB II-Träger, weil die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der KdU im Außenverhältnis unverändert fortbestehe. Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung unangemessener KdU. Während eine Sanktion rasch umgesetzt werden müsse, werde bei der Senkung der KdU eine Zeitspanne eingeräumt, um dem konkreten Wohnbedarf in seinen rechtlichen wie tatsächlichen Aspekten Rechnung zu tragen.

5

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es bestehe kein Anlass für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs. Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Wegen der Höhe der durch die Sanktion entstehenden Mietschulden bestehe in der Regel kein Kündigungsgrund. In vergleichbaren Fallkonstellationen werde die Aufteilung der KdU nach Kopfteilen auf die Nutzer der Wohnung ausnahmslos bestätigt ("fiktiver" Kopfanteil), obwohl auch dort das Argument hinsichtlich der Außenwirkung zum Vermieter und möglicher Wohnungslosigkeit greife. Das angefochtene Urteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise "ins Leere laufe".

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie führen aus, die Aufteilung nach Kopfteilen sei nicht wegen einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung, sondern deshalb gerechtfertigt, weil der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Eine strikte Anwendung des Kopfteilprinzips führe dazu, dass die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in "sippenhaftähnlicher Weise" für ein Fehlverhalten eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft haften würden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum jeweils Anspruch auf höhere Aufwendungen für KdU in der zuerkannten Höhe haben.

10

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009, mit dem der Beklagte KdU für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 weiterhin nur in Höhe der bisher zuerkannten Leistungen von je 175,50 Euro bewilligt hat. Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert. Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie. Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers zudem im Bescheid vom 2.4.2009 in einem selbstständigen Verfügungssatz geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 12).

11

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid vom 2.4.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 zurecht mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Wegen des sanktionsbedingten Wegfalls der KdU für D im streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 ist ihr Begehren auf höhere KdU gerichtet, als diese in den vorangegangenen Bescheiden für den streitigen Zeitraum jeweils bewilligt wurden. Das LSG hat zurecht angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 um einen Zweitbescheid handelte, mit dem der Beklagte die Individualansprüche für den streitigen Zeitraum erneut und in vollem Umfang überprüfbar geregelt hat. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 können jeweils höhere Leistungen in der von den Vorinstanzen angenommenen Höhe beanspruchen. Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass kein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft oder Teilen der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert, sondern Anspruchsinhaber jeweils - individuell - die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Mit dem Bescheid vom 2.4.2009 hat der Beklagte - in getrennt zu betrachtenden Verfügungen - Einzelansprüche der Klägerin zu 1 und ihrer beiden Söhne bewilligt. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist daher dahin zu korrigieren, dass der ausgeurteilte Gesamtbetrag in Höhe von 175,50 Euro jeweils anteilig auf die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 verteilt wird.

12

Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insofern haben sie keine Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, mit dem das SG ausdrücklich nur weitere KdU zugesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Bewilligungsbescheiden gleichfalls geregelte Höhe der Regelleistung sowie die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1, das schon ihren eigenen Regelbedarf nicht deckte, nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Bei den KdU handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

13

2. Die materielle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche Änderung vor (Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 60). Eine Änderungswirkung zugunsten des Berechtigten liegt vor, wenn die Änderung nach objektiver Betrachtungsweise "per saldo" einen Vorteil bewirkt (BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19).

14

Dies ist hier ausgehend von den Individualansprüchen der Kläger zu 1 und 2 auf SGB II-Leistungen der Fall. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 13.10.2008 und den weiteren Änderungsbescheiden zugrundelagen, mit denen der Beklagte den Klägern jeweils 175,50 Euro als KdU bewilligte, ist eine Änderung eingetreten, weil sie für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 Ansprüche auf weitere KdU-Leistungen in Höhe von 87,75 Euro hatten. Bezogen auf die Kläger zu 1 und 2 wird durch den tatsächlichen Wegfall des bisher an den Vermieter direkt überwiesenen KdU-Anteils für D auf der Grundlage der Kürzung des Individualanspruchs des D durch den Bescheid vom 2.4.2009 zeitgleich eine wesentliche Änderung bewirkt, weil bei ihnen ein höherer Bedarf an KdU entstand, den sie nicht durch Einkommen oder Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft decken konnten. Dieser Sonderfall rechtfertigt eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip".

15

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen notwendigen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach vorlagen. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass sie zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehörten und dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU hatten. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Die im Jahre 1960 geborene Klägerin zu 1 war erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II aber noch nicht erreicht(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Der 1994 geborene Kläger zu 2 lebte mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft, beide waren hilfebedürftig, der Kläger zu 2 verfügte - mit Ausnahme des Kindergeldes - über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, die Klägerin zu 1 erzielte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nur das berücksichtigte Einkommen, welches schon ihren eigenen Bedarf nicht deckte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II).

16

4. a) Die Kläger können in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 die Übernahme der KdU in tatsächlicher Höhe und jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs 1 S 1 SGB II beanspruchen.

17

Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Von § 22 Abs 1 S 1 SGB II erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 15 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 15).

18

b) Von den tatsächlichen und - mit den Überlegungen des LSG - zumindest als angemessenen zu unterstellenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum in Höhe von 526,50 Euro ist nicht der auf D entfallende Anteil an den KdU abzuziehen. Zwar sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

19

Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdU begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.

20

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat, wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar" und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des Hilfebedürftigen oder eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4, RdNr 19 "Sonderfälle"). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat der 14. Senat des BSG bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12, RdNr 19). Weiter haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; vgl hierzu auch Frank in GK-SGB II § 22 RdNr 19, Stand März 2010).

21

c) Hier sind die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen gegeben, die auch bei gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen können (vgl zur Übernahme der KdU bei vorübergehender Ortsabwesenheit eines Partners: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42).

22

Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des vollständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlangen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009 sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminimums zuständige Träger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung in angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall, weil auch der minderjährige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betreffenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden KdU-Anteil während des Sanktionszeitraums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Klägerin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu 2 eingetreten war.

23

d) Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen. Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen nicht erst besteht, wenn eine Kündigung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) individuellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).

24

Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde, kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig entfallen, weil auch der Regelbedarf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.

25

Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren(zu einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Staffelmietvereinbarung: BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 61 zu erhöhten Mietkosten wegen einer Modernisierungsmaßnahme nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen werden die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2013 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 und vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 sowie der Bescheid vom 28. Juli 2008 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen für September bis November 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils zur Hälfte für den weggefallenen Kopfteil von S.
unter Berücksichtigung eines monatlichen Einkommens desselben in Höhe von 124,00 Euro zu zahlen.

Im Übrigen werden die Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen ein Drittel ihrer Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008.

2

Die im Jahr 1965 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der am 4.12.2002 geborenen Klägerin zu 2 sowie des am 30.9.1990 geborenen Sohnes S. Zusammen bewohnten sie in der strittigen Zeit eine Mietwohnung. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.7.2008 hatte der Beklagte ihnen als Bedarfsgemeinschaft vom 1.8. bis 31.10.2008 Leistungen bewilligt, wobei auf den Bedarf des S. das für ihn an die Klägerin zu 1 gezahlte Kindergeld angerechnet wurde. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden zu je einem Drittel auf die Klägerinnen und S. aufgeteilt. Anschließend wurde der Leistungsanspruch des S. für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008 wegen mangelnder Arbeitsbereitschaft vollständig abgesenkt und der Bewilligungsbescheid vom 28.7.2008 insoweit gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben(bestandskräftige Bescheide vom 1.8.2008 und 8.8.2008). Vom 13.10. bis zum 4.11.2008 befand sich S. in einem gerichtlich angeordneten Kurzarrest. Mit Bescheid vom 10.12.2008 wurden den Klägerinnen für November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt, die vom 1.11. bis 4.11.2008 hälftig auf die Klägerinnen und anschließend zu je einem Drittel - wegen Berücksichtigung des S. - aufgeteilt wurden. Der Widerspruch dagegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9.1.2009).

3

Ein Überprüfungsantrag der Klägerinnen hinsichtlich des Bewilligungsbescheides vom 28.7.2008 wurde vom Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 12.2.2009, Widerspruchsbescheid vom 6.3.2009).

4

Das Sozialgericht (SG) hat, nachdem der Beklagte sich durch ein Teilanerkenntnis verpflichtet hatte, an die Klägerinnen weitere Leistungen für Unterkunft für die streitbefangenen Monate zu zahlen, die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.8.2010). Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Änderung des Urteils des SG den Beklagten unter Aufhebung sowie Änderung seiner Bescheide verurteilt, an die Klägerin zu 2 weitere Leistungen zu zahlen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 30.1.2013). Zur Begründung der Zurückweisung ist ausgeführt, für die Zeit des Kurzarrestes des S. habe der Beklagte zu Recht die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung je zur Hälfte auf die Klägerinnen aufgeteilt, da S. in dieser Zeit die Wohnung nicht bewohnt und gemäß § 7 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB II keinen Leistungsanspruch gehabt habe. Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für die Zeit vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008 zugunsten der Klägerinnen sei dagegen nicht geboten gewesen. Die Auswirkungen der Sanktion eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft auf die anderen Mitglieder seien Ausdruck der verstärkten Mitverantwortung der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft untereinander im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, die in Grenzen auch für das Fehlverhalten ihrer Mitglieder einzustehen habe. Anderenfalls läge im Falle einer Sanktion eine Besserstellung der unter 25jährigen vor, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II, des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch das Urteil des LSG. Auch in den vom LSG verneinten Zeiten sei eine Abweichung vom Kopfteilprinzip geboten, wie sich aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.5.2013 (B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68) ergebe.

6

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2013 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 und vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 sowie den Bescheid vom 28. Juli 2008 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für September bis November 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils zur Hälfte für den weggefallenen Kopfteil von S. zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen im vorliegenden Fall der S. über Einkommen aus Kindergeld verfügt habe, aus dem sein Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung habe bestritten werden können.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen waren zum Teil erfolgreich. Die Klägerinnen haben nicht nur für die Zeit, die S. im Kurzarrest verbrachte, sondern auch für den Zeitraum vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008, in dem Leistungen an den S. wegen einer Sanktion vollständig abgesenkt worden waren, Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind zum einen die Änderung der vorinstanzlichen Entscheidungen und der Bescheide des Beklagten vom 10.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.1.2009 und vom 12.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.3.2009 sowie des Bescheids vom 28.7.2008, zum anderen das Begehren der Klägerinnen, für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008 über den vom LSG bereits zuerkannten Betrag hinaus höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Diese Beschränkung auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist zulässig (stRspr: vgl nur BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 22 Nr 78).

11

2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind hinsichtlich der Monate September und Oktober 2008 aufgrund des abgelehnten Überprüfungsantrags der Klägerinnen hinsichtlich des bestandskräftigen Bescheids vom 28.7.2008 § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X sowie § 19 Abs 1, §§ 7 ff und § 22 SGB II. Hinsichtlich des nicht bestandskräftigen Bescheids vom 10.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.1.2009, mit dem Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2008 bewilligt wurden, beurteilt sich die materielle Rechtmäßigkeit allein nach § 19 Abs 1, §§ 7 ff, § 22 SGB II. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerinnen auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung in den streitbefangenen Monaten sind aufgrund der Sanktion des Beklagten gegenüber S. und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Ansprüche der Klägerinnen erfüllt.

12

3. Die in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II niedergelegten Voraussetzungen für den Erhalt von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit und ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland - erfüllte nach den Feststellungen des LSG(§ 163 Sozialgerichtsgesetz) die Klägerin zu 1 in der strittigen Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008. Ein Ausschlusstatbestand gemäß § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II war in ihrer Person nicht gegeben. Die Klägerin zu 1 bildete mit der minderjährigen Klägerin zu 2 durchgehend eine Bedarfsgemeinschaft.

13

Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war nach den Feststellungen des LSG zumindest zeitweise auch der Sohn S. der Klägerin zu 1, weil er am 30.9.1990 geboren, unverheiratet und in ihrem Haushalt lebend war sowie kein ausreichendes Einkommen und Vermögen hatte, sondern für ihn lediglich Kindergeld gezahlt wurde.

14

4. Die Klägerinnen haben über die vom LSG zugesprochenen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von September bis November 2008 hinaus weitere Ansprüche gegen den Beklagten für den Zeitraum vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008, in dem die Leistungen an den S. wegen einer Sanktion vollständig abgesenkt worden waren. Der Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II ergibt sich wegen einer gebotenen Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen(dazu unter a). Dies gilt allerdings nur insoweit, als der sanktionierte Dritte (also S.) über kein Einkommen und Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann (dazu unter b).

15

a) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).

16

aa) Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn die leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere mit anderen Familienangehörigen, nutzt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Hintergrund dieses "Kopfteilprinzips" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (stRspr: vgl nur BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 18).

17

bb) Bei der aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität vorgenommenen Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzend festgeschrieben ist(BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 19). Demgemäß hat das BSG schon mehrfach Abweichungen vom Kopfteilprinzip als möglich und notwendig angesehen (vgl BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 20, mwN).

18

cc) In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der 4. Senat des BSG für den Fall, dass bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion die Leistungen für Unterkunft und Heizung weggefallen sind, eine Abweichung von Kopfteilprinzip hinsichtlich der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder aus bedarfsbezogenen Gründen bejaht. Diese könnten nicht darauf verwiesen werden, von einem Dritten seinen Anteil zu verlangen, wenn das Jobcenter mit bestandskräftigem Bescheid den vollständigen Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung verfügt und der Dritte auch kein Einkommen oder Vermögen habe, aus dem er seinen Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestreiten könne (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 21 f).

19

dd) Dem schließt sich der erkennende Senat an, weil nur so ein menschenwürdiges Existenzminimum gemäß Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvR 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), zu dem auch die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gehören, der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gewährleistet werden kann. Diese können nicht darauf verwiesen werden, ihre mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig zu erfüllen und sich der Gefahr einer entsprechenden Klage des Vermieters auszusetzen oder die fehlende Zahlung des Jobcenters an den Dritten aus eigenen Mitteln, wie nicht zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen oder zB aus ihrem Regelbedarf, zu ersetzen.

20

Zudem ist, ausgehend von den das SGB II prägenden Einzelansprüchen der in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12), keine Rechtsvorschrift ersichtlich, aus der eine Art Mithaftung der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des Dritten oder eine Zurechnung der Sanktionsfolgen ihnen gegenüber zu entnehmen ist. Dagegen sprechen vielmehr die Regelungen im heutigen § 31a Abs 3 Satz 2, 3 SGB II, zB zum Schutz von Minderjährigen. Die Rechtsfolgen, die aus dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft erwachsen und auf die das LSG verweist, sind auf die Leistungshöhe (vgl § 20 SGB II) sowie die Verteilung des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens (§ 9 Abs 2 SGB II) beschränkt.

21

Eine "Abmilderung" der Sanktion gegenüber dem Dritten, wie sie das LSG sieht, erfolgt dadurch allenfalls faktisch und mittelbar, nicht aber auf der rechtlichen Ebene der Einzelansprüche. Dementsprechend werden - entgegen der Ansicht des LSG - auch keine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von Dritten übernommen, sondern nur die Leistungen für andere Bedarfsgemeinschaftsmitglieder erhöht, um die Erfüllung von deren Ansprüchen auf ihr Existenzminimum sicherzustellen. Deshalb geht der Verweis auf einen Gleichheitsverstoß gemäß Art 3 Abs 1 GG im Verhältnis des Dritten zu anderen Personen, die eine Sanktion erhalten und nicht in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ins Leere.

22

b) Voraussetzung für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip ist jedoch, worauf schon der 4. Senat hingewiesen hat, dass der sanktionierte Dritte über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 22). Es ist nämlich nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wirtschaftlich Leistungsfähigen ein kostenfreies Wohnen zu ermöglichen (vgl BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 14 AS 90/12 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 22 RdNr 53).

23

Zur Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens des Dritten ist auf die einschlägigen Vorschriften der §§ 11 ff SGB II abzustellen, weil nur in Höhe der Differenz zwischen seinem Kopfteil und des von ihm einzusetzenden Einkommens und Vermögens ein ungedeckter Bedarf vorliegt, der eine entsprechende Abweichung vom Kopfteilprinzip und höhere Leistungen an die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus den zuvor genannten Gründen rechtfertigt.

24

Aufgrund der Sanktion des Beklagten gegenüber dem S. wurden an diesen für die Zeit von September bis November 2008 keine Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. Lediglich für die Zeit seines Kurzarrestes vom 13.10. bis 4.11.2008 hat der Beklagte den Klägerinnen hälftig Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. In der übrigen Zeit ist der "Kopfteil" des S. im Rahmen einer Abweichung vom Kopfteilprinzip jedoch nicht vollständig bei den Klägerinnen zu berücksichtigen, weil dem im Übrigen einkommens- und vermögenslosen S. nach den Feststellungen des LSG als Einkommen das an die Klägerin zu 1 für ihn gezahlte Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro zuzurechnen ist (vgl § 11 Abs 1 SGB II). Verringert um die Versicherungspauschale von 30 Euro nach § 6 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II-Verordnung, weil S. am 30.9.2008 volljährig geworden ist, bleibt ein zu berücksichtigendes Einkommen von monatlich 124 Euro. Nur die Differenz aus dem Kopfteil des S. abzüglich dieses zu berücksichtigenden Einkommens verbleibt als ungedeckter Bedarf der Klägerinnen für Unterkunft und Heizung, der mangels entgegenstehender Regelungen zu gleichen Teilen dem Bedarf der beiden Klägerinnen für Unterkunft und Heizung zuzuweisen ist.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 wird zurückgewiesen. Der Tenor des Urteils des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 wird in der Hauptsache klarstellend dahingehend berichtigt, dass der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 für die Zeit vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 jeweils weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 87,75 Euro zu erbringen sind.

Der Beklagte hat den Klägern auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe der Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in der Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009.

2

Die Klägerin zu 1 (geb 1960) sowie die mit ihr zusammenlebenden Söhne A (geb 1994), Kläger zu 2, und D (geb 1987 <22 Jahre>; im Folgenden: D) bezogen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die KdU, welche der Beklagte direkt an den Vermieter zahlte, beliefen sich für die 63 qm große Wohnung auf 526,50 Euro monatlich (Kaltmiete in Höhe von 406,50 Euro, Heizkostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 50 Euro, Hausmeisterpauschale in Höhe von 12 Euro, SAT-Antennenpauschale in Höhe von 8 Euro). Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1 und ihren Söhnen als Bedarfsgemeinschaft SGB II-Leistungen für die Zeit vom 1.11.2008 bis 30.4.2009. Unter Berücksichtigung eines geringen Einkommens der Klägerin zu 1 aus Beschäftigung sowie des Kindergeldes bewilligte er jeweils Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die KdU übernahm er in tatsächlicher Höhe und berücksichtigte den "Kopfanteilen" entsprechend bei jedem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft KdU in Höhe von 175,50 Euro (Bescheid vom 13.10.2008). Nach vorangegangenen Sanktionen entzog er dem Sohn D die SGB II-Leistungen wegen des Abbruchs einer Bildungsmaßnahme für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 vollständig (bestandskräftiger Bescheid vom 6.1.2009).

3

Für den bewilligten Zeitraum errechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen mehrfach neu (Bescheide vom 6.1., 1.2., 18.2. und 18.3.2009) und setzte den auf D entfallenden KdU-Anteil für die Monate Februar bis April 2009 mit "0 Euro" fest. Mit dem von den Klägern (erstmals) mit Widerspruch angefochtenen weiteren Bescheid vom 2.4.2009 bewilligte er die SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung des wechselnden Einkommens der Klägerin zu 1 und der Sanktion für D für den streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 erneut (dabei ergab sich für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 jeweils ein verbleibender Betrag an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; KdU wurden in bisheriger Höhe übernommen; für D entfielen wegen des "Minderungsbetrags aufgrund von Sanktionen" die KdU vollständig). Den Widerspruch, mit dem die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 den Wegfall des KdU-Anteils für D beanstandeten, wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2009).

4

Das SG hat den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 weitere KdU-Leistungen in Höhe von 175,50 Euro monatlich zu gewähren (Urteil vom 16.8.2010). Das LSG hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 22.3.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, der von den Klägern angefochtene Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 sei ein sogenannter Zweitbescheid, der ungeachtet der zuvor über denselben Gegenstand getroffenen bestandkräftigen Regelungen erneut den Rechtsweg eröffnet habe. Der Beklagte habe spätestens im Widerspruchsbescheid erneut über die den Klägern zustehende KdU entschieden. Er habe hervorgehoben, dass er die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Sanktion und auf die Höhe der KdU für die Kläger als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft erneut und intensiv geprüft habe. Hierbei habe er sich bewusst dafür entschieden, den durch die Sanktion entstandenen KdU-Anteil der Bedarfsgemeinschaft als Ausfall zuzuordnen. Auf die Inhalte der ab 6.1.2009 ergangenen Bescheide und deren (fragliche) Bekanntgabe komme es daher nicht an. Für die Zeit vom 1.2. bis zum 30.4.2009 bestehe ein Anspruch der Kläger auf Übernahme des jeweils hälftigen KdU-Anteils ohne Abzug des Kopfanteils für D. Es könne offen bleiben, ob D im streitigen Zeitraum noch Mitglied der dreiköpfigen Bedarfsgemeinschaft gewesen sei. Für eine Obliegenheit der Kläger zur Kostensenkung fehle es an einer Kostensenkungsaufforderung. Selbst wenn man eine solche als bereits mit den ab 1.6.2009 erteilten Bescheiden verbundene ansehe, fehle eine zeitliche Vorgabe zur Reduzierung. Auch sei es nur bei einer absehbar längerfristigen und endgültigen Veränderung in der Mitgliederzahl der Bedarfsgemeinschaft für die verbliebenen Mitglieder möglich und zumutbar, die Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung durch nur zwei Personen anzupassen. Seien die KdU-Aufwendungen daher angemessen oder als unangemessene Kosten zu übernehmen und habe die Bedarfsgemeinschaft fortbestanden, stehe der Anrechnung eines "fiktiven" Kopfanteils entgegen, dass die (tatsächlichen) Aufwendungen der Kläger nicht mehr gedeckt seien. Die Aufteilung nach Kopfanteilen setze voraus, dass der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Der anteilige Wegfall bei der Übernahme der Wohnungsaufwendungen führe zu einer (vorübergehenden) Unterdeckung eines bisher durch die gemeinsame Nutzung der Wohnung gedeckten Bedarfs. Dann bestehe ein Anspruch auf Tragung der tatsächlichen bzw angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch den SGB II-Träger, weil die Verpflichtung der Leistungsberechtigten zur Zahlung der KdU im Außenverhältnis unverändert fortbestehe. Den übrigen Mitgliedern dürfe nicht (mittelbar) ein Fehlverhalten zugerechnet werden, auf das sie jedenfalls bei über 18jährigen Mitgliedern ihrer Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich keinen rechtlich relevanten Einfluss hätten. Es bestehe ein ungelöster Wertungswiderspruch, weil die Umsetzung einer Sanktion anderen Kriterien zu genügen habe als die Senkung unangemessener KdU. Während eine Sanktion rasch umgesetzt werden müsse, werde bei der Senkung der KdU eine Zeitspanne eingeräumt, um dem konkreten Wohnbedarf in seinen rechtlichen wie tatsächlichen Aspekten Rechnung zu tragen.

5

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend, es bestehe kein Anlass für eine Abweichung von dem Prinzip des Individualanspruchs. Eine Lücke im eigenen Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Wegen der Höhe der durch die Sanktion entstehenden Mietschulden bestehe in der Regel kein Kündigungsgrund. In vergleichbaren Fallkonstellationen werde die Aufteilung der KdU nach Kopfteilen auf die Nutzer der Wohnung ausnahmslos bestätigt ("fiktiver" Kopfanteil), obwohl auch dort das Argument hinsichtlich der Außenwirkung zum Vermieter und möglicher Wohnungslosigkeit greife. Das angefochtene Urteil verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Jugendliche einen Wohnungsverlust nur durch eine Arbeitsaufnahme oder ein Darlehen vermeiden könnten. Dies sei auch den in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Jugendlichen zumutbar, weil deren Sanktionierung ansonsten regelmäßig und teilweise "ins Leere laufe".

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. März 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 16. August 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

7

Die Kläger beantragen,
die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

8

Sie führen aus, die Aufteilung nach Kopfteilen sei nicht wegen einer gemeinsamen Nutzung der Wohnung, sondern deshalb gerechtfertigt, weil der aktuell bestehende Unterkunftsbedarf von mehreren Personen gedeckt werde. Eine strikte Anwendung des Kopfteilprinzips führe dazu, dass die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in "sippenhaftähnlicher Weise" für ein Fehlverhalten eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft haften würden.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Kläger in dem hier streitigen Zeitraum jeweils Anspruch auf höhere Aufwendungen für KdU in der zuerkannten Höhe haben.

10

1. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.9.2009, mit dem der Beklagte KdU für die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 weiterhin nur in Höhe der bisher zuerkannten Leistungen von je 175,50 Euro bewilligt hat. Ausgehend von dem objektiven Regelungsgehalt des angefochtenen Bescheids und dem Klageantrag ist Streitgegenstand hingegen nicht die direkte Auszahlung der bewilligten Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter der Kläger. Der Beklagte hat mit der Bestimmung eines anderen Empfängers der den Klägern bewilligten Leistungen lediglich die Auszahlungsmodalitäten modifiziert, nicht jedoch die Bewilligung der Leistungen dem Grunde und der Höhe nach verändert. Das zuvor behandelte Begehren der Kläger auf höhere Leistungen umfasst nicht die Auszahlung der gesamten Leistungen an sie. Der Beklagte hat die Bestimmung eines anderen Empfängers zudem im Bescheid vom 2.4.2009 in einem selbstständigen Verfügungssatz geregelt. Insoweit haben die Kläger den Bescheid jedoch nicht angefochten (vgl hierzu Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 12/12 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 18 RdNr 12).

11

Die Kläger wenden sich gegen den Bescheid vom 2.4.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 zurecht mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG). Wegen des sanktionsbedingten Wegfalls der KdU für D im streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 ist ihr Begehren auf höhere KdU gerichtet, als diese in den vorangegangenen Bescheiden für den streitigen Zeitraum jeweils bewilligt wurden. Das LSG hat zurecht angenommen, dass es sich bei dem angefochtenen Bescheid vom 2.4.2009 um einen Zweitbescheid handelte, mit dem der Beklagte die Individualansprüche für den streitigen Zeitraum erneut und in vollem Umfang überprüfbar geregelt hat. Die Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 können jeweils höhere Leistungen in der von den Vorinstanzen angenommenen Höhe beanspruchen. Insofern ist - als Besonderheit des SGB II - zu berücksichtigen, dass kein Anspruch der Bedarfsgemeinschaft oder Teilen der Bedarfsgemeinschaft als solcher existiert, sondern Anspruchsinhaber jeweils - individuell - die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sind (grundlegend BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12). Mit dem Bescheid vom 2.4.2009 hat der Beklagte - in getrennt zu betrachtenden Verfügungen - Einzelansprüche der Klägerin zu 1 und ihrer beiden Söhne bewilligt. Der Tenor der erstinstanzlichen Entscheidung ist daher dahin zu korrigieren, dass der ausgeurteilte Gesamtbetrag in Höhe von 175,50 Euro jeweils anteilig auf die Klägerin zu 1 und den Kläger zu 2 verteilt wird.

12

Die Kläger haben den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Insofern haben sie keine Einwände gegen das erstinstanzliche Urteil erhoben, mit dem das SG ausdrücklich nur weitere KdU zugesprochen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass die in den Bewilligungsbescheiden gleichfalls geregelte Höhe der Regelleistung sowie die Berücksichtigung des Einkommens der Klägerin zu 1, das schon ihren eigenen Regelbedarf nicht deckte, nicht Gegenstand des Verfahrens sind. Bei den KdU handelt es sich um abtrennbare Verfügungen des Gesamtbescheids, ohne dass eine weitere Aufspaltung in die Leistungen für Unterkunft und Heizung rechtlich möglich ist (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 18 f). Dies gilt zumindest für laufende Verfahren über vor dem 1.1.2011 abgeschlossene Bewilligungsabschnitte (BSG Urteil vom 13.4.2011 - B 14 AS 106/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 46 RdNr 11; Urteil des Senats vom 20.12.2011 - B 4 AS 19/11 R - BSGE 110, 52 = SozR 4-4200 § 22 Nr 51, RdNr 11).

13

2. Die materielle Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheids vom 2.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2009 beurteilt sich nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB X). Wegen § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 S 1 SGB III ist diese Rechtsfolge zwingend. Haben sich Veränderungen in den rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnissen ergeben, die dazu führen, dass der Verwaltungsakt dem Grunde oder der Höhe nach so nicht mehr ergehen dürfte, so liegt eine wesentliche Änderung vor (Brandenburg in jurisPK-SGB X, 2013, § 48 RdNr 60). Eine Änderungswirkung zugunsten des Berechtigten liegt vor, wenn die Änderung nach objektiver Betrachtungsweise "per saldo" einen Vorteil bewirkt (BSG SozR 2200 § 1255a Nr 19).

14

Dies ist hier ausgehend von den Individualansprüchen der Kläger zu 1 und 2 auf SGB II-Leistungen der Fall. Gegenüber den Verhältnissen, die dem Bewilligungsbescheid vom 13.10.2008 und den weiteren Änderungsbescheiden zugrundelagen, mit denen der Beklagte den Klägern jeweils 175,50 Euro als KdU bewilligte, ist eine Änderung eingetreten, weil sie für die Zeit vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 Ansprüche auf weitere KdU-Leistungen in Höhe von 87,75 Euro hatten. Bezogen auf die Kläger zu 1 und 2 wird durch den tatsächlichen Wegfall des bisher an den Vermieter direkt überwiesenen KdU-Anteils für D auf der Grundlage der Kürzung des Individualanspruchs des D durch den Bescheid vom 2.4.2009 zeitgleich eine wesentliche Änderung bewirkt, weil bei ihnen ein höherer Bedarf an KdU entstand, den sie nicht durch Einkommen oder Vermögen innerhalb der Bedarfsgemeinschaft decken konnten. Dieser Sonderfall rechtfertigt eine Abweichung vom "Kopfteilprinzip".

15

3. Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die für einen Anspruch der Kläger auf höhere Leistungen notwendigen Anspruchsvoraussetzungen für Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II dem Grunde nach vorlagen. Insofern hat das LSG für den Senat bindend festgestellt, dass sie zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II gehörten und dem Grunde nach Anspruch auf Übernahme der KdU hatten. Beide hatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 4 SGB II). Die im Jahre 1960 geborene Klägerin zu 1 war erwerbsfähig (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 2 SGB II), hatte das 15. Lebensjahr vollendet, die Altersgrenze nach § 7a SGB II aber noch nicht erreicht(§ 7 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB II). Der 1994 geborene Kläger zu 2 lebte mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft, beide waren hilfebedürftig, der Kläger zu 2 verfügte - mit Ausnahme des Kindergeldes - über kein eigenes Einkommen oder Vermögen, die Klägerin zu 1 erzielte in dem hier in Rede stehenden Zeitraum nur das berücksichtigte Einkommen, welches schon ihren eigenen Bedarf nicht deckte (§ 7 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB II).

16

4. a) Die Kläger können in dem hier streitigen Zeitraum vom 1.2.2009 bis 30.4.2009 die Übernahme der KdU in tatsächlicher Höhe und jeweils zur Hälfte unmittelbar aus § 22 Abs 1 S 1 SGB II beanspruchen.

17

Nach § 22 Abs 1 S 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Von § 22 Abs 1 S 1 SGB II erfasst sind sämtliche Zahlungsverpflichtungen, die sich aus dem Mietvertrag bzw einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung für die Unterkunft ergeben und tatsächlich gezahlt werden(BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 20 RdNr 19 ff zum Nutzungsentgelt für die Küchenmöblierung; BSGE 102, 274 = SozR 4-4200 § 22 Nr 18, RdNr 15 ff zu den Kosten eines Kabelanschlusses). Angeknüpft wird an die rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Mietzinszahlung im Rahmen des Mietverhältnisses. Ausreichend ist, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 21 RdNr 16 ff; BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 2/10 R - juris RdNr 15).

18

b) Von den tatsächlichen und - mit den Überlegungen des LSG - zumindest als angemessenen zu unterstellenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im streitigen Zeitraum in Höhe von 526,50 Euro ist nicht der auf D entfallende Anteil an den KdU abzuziehen. Zwar sind die KdU im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn Hilfebedürftige eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere anderen Familienangehörigen, nutzen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht (stRspr BSG Urteil vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R - BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28; BSG Urteil vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07AS 7/07 R - juris RdNr 19; BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 = SGb 2010, 163 ff, RdNr 18 f; BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/11b AS 61/0AS 61/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 19; BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; BSG Urteil vom 24.2.2011 - B 14 AS 61/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 44 RdNr 18). Hintergrund für dieses auf die Rechtsprechung des BVerwG (vom 21.1.1988 - 5 C 68/85 - BVerwGE 79, 17) zurückgehende "Kopfteilprinzip" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt.

19

Bei der Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf KdU begrenzend festgeschrieben ist. Insofern findet sich in § 22 Abs 1 SGB II keine bedarfsbeschränkende Festlegung des Gesetzgebers auf das Prinzip der anteiligen Verteilung der KdU nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen. Bei den KdU greift der Individualisierungsgrundsatz mit der Anknüpfung an die tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, deren Angemessenheit als begrenzend wirkt. Es besteht ein Unterschied zu den Regelleistungen nach dem SGB II, bei denen eine anspruchsbegrenzende Pauschalierung der Bedarfe gesetzlich vorgesehen ist.

20

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BVerwG, das eine Korrektur des Grundsatzes der Pro-Kopf-Aufteilung zugelassen hat, wenn und soweit der Hilfefall durch "sozialhilferechtlich bedeutsame Umstände" gekennzeichnet war, die "ohne weiteres objektivierbar" und "dem Träger der Sozialhilfe möglicherweise sogar bereits bekannt" waren (BVerwGE 79, 17 ff, zB Behinderung oder Pflegebedürftigkeit, die ein anerkennenswertes Maß an Unterkunftsbedarf in der Person der oder des Hilfebedürftigen oder eines anderen Mitglieds der Haushaltsgemeinschaft ausmachten), hat es auch das BSG als möglich und notwendig angesehen, im Einzelfall vom "Kopfteilprinzip" abzuweichen (BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4, RdNr 19 "Sonderfälle"). Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip hat der 14. Senat des BSG bei gemeinsam in einer Wohnung, aber nicht in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen bejaht, wenn eine andere Aufteilung aufgrund eines Vertrags bei objektiver Betrachtung aufgrund eines schon vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit vereinbarten notariellen Vertrags und der daraus folgenden Stellung als Eigentümer angezeigt sei (BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 36/12 R - RdNr 28, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; bereits angedeutet in BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12, RdNr 19). Weiter haben die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG eine Abweichung vom Prinzip der Aufteilung nach "Kopfanteilen" in Fallgestaltungen erörtert, in denen durch eine Berücksichtigung der KdU nach Kopfanteilen eine Bedarfsunterdeckung in Frage stand (vgl zB BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19; vgl hierzu auch Frank in GK-SGB II § 22 RdNr 19, Stand März 2010).

21

c) Hier sind die Voraussetzungen für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen gegeben, die auch bei gemeinsamer Nutzung der Wohnung durch eine Bedarfsgemeinschaft vorliegen können (vgl zur Übernahme der KdU bei vorübergehender Ortsabwesenheit eines Partners: BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 42).

22

Aus "bedarfsbezogenen Gründen", nämlich wegen des vollständigen Wegfalls der KdU-Leistungen für D, entstanden der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 in dem streitigen Zeitraum höhere Kosten für die Wohnung und Heizung. Sie konnten schon deshalb nicht darauf verwiesen werden, den KdU-Anteil von D zu verlangen, weil der Beklagte mit dem rechtskräftigen Bescheid vom 6.1.2009 sowie mit dem Bewilligungsbescheid vom 2.4.2009 als der zur Sicherstellung des Existenzminimums zuständige Träger den vollständigen Wegfall des KdU-Anteils für D in dem hier streitigen Zeitraum verfügte. Zwar ist zweifelhaft, ob dies berechtigt war. § 31 Abs 5 S 6 SGB II iVm § 31 Abs 3 S 6 SGB II sieht vor, dass der zuständige Träger bei einer Minderung des Alg II um mehr als 30 vH der nach § 20 maßgebenden Regelleistung in angemessenen Umfang ergänzende Sachleistungen und geldwerte Leistungen erbringen kann und diese nach § 31 Abs 3 S 7 SGB II erbringen soll, wenn der Hilfebedürftige mit minderjährigen Kindern in Bedarfsgemeinschaft lebt. Letzteres war hier der Fall, weil auch der minderjährige Bruder des Klägers in der Bedarfsgemeinschaft lebte. D hat jedoch - ausgehend von den seitens der Beteiligten nicht gerügten, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) - den Sanktionsbescheid vom 6.1.2009 und den seinen Individualanspruch betreffenden Teil des Bescheides vom 2.4.2009 nicht angegriffen, ohne dass die Klägerin zu 1 bei ihrem volljährigen Sohn hierauf Einfluss hatte. Nach dem Inhalt der vom LSG in Bezug genommenen Bewilligungsbescheide war bei D auch kein Einkommen oder Vermögen vorhanden, aus dem er den auf ihn entfallenden KdU-Anteil während des Sanktionszeitraums hätte bestreiten können. Dem Beklagten war daher bekannt, dass der durch die von ihm veranlasste Sanktion eine Bedarfsunterdeckung bei den KdU auch bei den Klägerin zu 1 und dem minderjährigen Kläger zu 2 eingetreten war.

23

d) Die Kläger können auch nicht darauf verwiesen werden, ihren tatsächlichen mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig nachzukommen und eine weitere Erhöhung der hier nach den Feststellungen des LSG bereits vorhandenen Mietschulden hinzunehmen. Im Bereich der KdU sind die existenzsichernden Leistungen dergestalt geregelt, dass ein Anspruch auf Übernahme der KdU-Aufwendungen nicht erst besteht, wenn eine Kündigung des Mietverhältnisses unmittelbar bevorsteht. Es besteht mit dieser Maßgabe eine Verpflichtung des SGB II-Trägers zur Deckung des (hier vorübergehend erhöhten) individuellen Bedarfs jedes Grundrechtsträgers (BVerfGE 125, 175 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12, juris RdNr 137; Wersig in info also 2011, 51 ff, 52).

24

Der Einwand des Beklagten, dass durch die Erhöhung des KdU-Anteils für die Kläger die Sanktionierung von D "abgemildert" werde, kann aus Rechtsgründen zu keinem anderen Ergebnis führen. Die Klägerin zu 1 ist wegen der vom SGB II vorgesehenen Konstruktion der Bedarfsgemeinschaft zum Einsatz ihres Einkommens und Vermögens auch für D verpflichtet. Eine darüberhinausgehende faktische Mithaftung für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des volljährigen Kindes durch Hinnahme einer Bedarfsunterdeckung ist nicht vorgesehen (vgl zur Vermeidung von personenübergreifenden Sanktionsfolgen: Geiger in info also 2010, 3 ff; Berlit in Existenzsicherungsrecht, 2. Aufl 2013, Kapitel 28, RdNr 34). Zudem ist die Sanktion für D nicht vollständig entfallen, weil auch der Regelbedarf teilweise gekürzt bzw als Sachleistung erbracht worden ist. Ob ein KdU-Anteil in diesen Fallgestaltungen zu übernehmen ist, muss einzelfall- und bedarfsbezogen geprüft werden. Die von dem Beklagten als mögliche Folge beschriebene Ungleichbehandlung des D mit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit Angehörigen lebenden Personen bei einer Sanktionierung liegt schon deshalb nicht vor, weil eine andere Ausgangslage gegeben ist und wirkt sich im Übrigen auch nicht auf den Anspruch der Klägerin zu 1 und den minderjährigen Kläger zu 2 aus.

25

Unschädlich ist schließlich, dass bei der Klägerin zu 1 und dem Kläger zu 2 eine höhere Belastung durch KdU während des Mietverhältnisses eingetreten ist. § 22 Abs 1 S 1 SGB II enthält keine Beschränkung der zu übernehmenden tatsächlichen Unterkunftskosten auf solche Kosten, die bereits bei Eintritt der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II zu zahlen waren(zu einer möglicherweise zivilrechtlich unwirksamen Staffelmietvereinbarung: BSGE 104, 179 = SozR 4-4200 § 22 Nr 24, RdNr 16 ff; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 61 zu erhöhten Mietkosten wegen einer Modernisierungsmaßnahme nach Eintritt der Hilfebedürftigkeit).

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revisionen der Klägerinnen werden die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2013 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 und vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 sowie der Bescheid vom 28. Juli 2008 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerinnen für September bis November 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils zur Hälfte für den weggefallenen Kopfteil von S.
unter Berücksichtigung eines monatlichen Einkommens desselben in Höhe von 124,00 Euro zu zahlen.

Im Übrigen werden die Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägerinnen ein Drittel ihrer Kosten des Rechtsstreits für alle Instanzen zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten sind weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008.

2

Die im Jahr 1965 geborene Klägerin zu 1 ist die Mutter der am 4.12.2002 geborenen Klägerin zu 2 sowie des am 30.9.1990 geborenen Sohnes S. Zusammen bewohnten sie in der strittigen Zeit eine Mietwohnung. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28.7.2008 hatte der Beklagte ihnen als Bedarfsgemeinschaft vom 1.8. bis 31.10.2008 Leistungen bewilligt, wobei auf den Bedarf des S. das für ihn an die Klägerin zu 1 gezahlte Kindergeld angerechnet wurde. Die Kosten der Unterkunft und Heizung wurden zu je einem Drittel auf die Klägerinnen und S. aufgeteilt. Anschließend wurde der Leistungsanspruch des S. für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008 wegen mangelnder Arbeitsbereitschaft vollständig abgesenkt und der Bewilligungsbescheid vom 28.7.2008 insoweit gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufgehoben(bestandskräftige Bescheide vom 1.8.2008 und 8.8.2008). Vom 13.10. bis zum 4.11.2008 befand sich S. in einem gerichtlich angeordneten Kurzarrest. Mit Bescheid vom 10.12.2008 wurden den Klägerinnen für November 2008 Leistungen für Unterkunft und Heizung bewilligt, die vom 1.11. bis 4.11.2008 hälftig auf die Klägerinnen und anschließend zu je einem Drittel - wegen Berücksichtigung des S. - aufgeteilt wurden. Der Widerspruch dagegen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9.1.2009).

3

Ein Überprüfungsantrag der Klägerinnen hinsichtlich des Bewilligungsbescheides vom 28.7.2008 wurde vom Beklagten abgelehnt (Bescheid vom 12.2.2009, Widerspruchsbescheid vom 6.3.2009).

4

Das Sozialgericht (SG) hat, nachdem der Beklagte sich durch ein Teilanerkenntnis verpflichtet hatte, an die Klägerinnen weitere Leistungen für Unterkunft für die streitbefangenen Monate zu zahlen, die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.8.2010). Das Landessozialgericht (LSG) hat unter Änderung des Urteils des SG den Beklagten unter Aufhebung sowie Änderung seiner Bescheide verurteilt, an die Klägerin zu 2 weitere Leistungen zu zahlen und die Berufung im Übrigen zurückgewiesen (Urteil vom 30.1.2013). Zur Begründung der Zurückweisung ist ausgeführt, für die Zeit des Kurzarrestes des S. habe der Beklagte zu Recht die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung je zur Hälfte auf die Klägerinnen aufgeteilt, da S. in dieser Zeit die Wohnung nicht bewohnt und gemäß § 7 Abs 4 Satz 1 und 2 SGB II keinen Leistungsanspruch gehabt habe. Eine Abweichung vom Kopfteilprinzip für die Zeit vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008 zugunsten der Klägerinnen sei dagegen nicht geboten gewesen. Die Auswirkungen der Sanktion eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft auf die anderen Mitglieder seien Ausdruck der verstärkten Mitverantwortung der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft untereinander im Sinne einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft, die in Grenzen auch für das Fehlverhalten ihrer Mitglieder einzustehen habe. Anderenfalls läge im Falle einer Sanktion eine Besserstellung der unter 25jährigen vor, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung von § 22 Abs 1 SGB II, des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes durch das Urteil des LSG. Auch in den vom LSG verneinten Zeiten sei eine Abweichung vom Kopfteilprinzip geboten, wie sich aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.5.2013 (B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68) ergebe.

6

Die Klägerinnen beantragen,
die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 30. Januar 2013 und des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 20. August 2010 sowie die Bescheide des Beklagten vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Januar 2009 und vom 12. Februar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. März 2009 sowie den Bescheid vom 28. Juli 2008 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für September bis November 2008 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung jeweils zur Hälfte für den weggefallenen Kopfteil von S. zu zahlen.

7

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass im Unterschied zu dem vom BSG entschiedenen im vorliegenden Fall der S. über Einkommen aus Kindergeld verfügt habe, aus dem sein Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung habe bestritten werden können.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässigen Revisionen der Klägerinnen waren zum Teil erfolgreich. Die Klägerinnen haben nicht nur für die Zeit, die S. im Kurzarrest verbrachte, sondern auch für den Zeitraum vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008, in dem Leistungen an den S. wegen einer Sanktion vollständig abgesenkt worden waren, Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung.

10

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind zum einen die Änderung der vorinstanzlichen Entscheidungen und der Bescheide des Beklagten vom 10.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.1.2009 und vom 12.2.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6.3.2009 sowie des Bescheids vom 28.7.2008, zum anderen das Begehren der Klägerinnen, für die Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008 über den vom LSG bereits zuerkannten Betrag hinaus höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Diese Beschränkung auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung ist zulässig (stRspr: vgl nur BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - vorgesehen für SozR 4-4200 § 22 Nr 78).

11

2. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind hinsichtlich der Monate September und Oktober 2008 aufgrund des abgelehnten Überprüfungsantrags der Klägerinnen hinsichtlich des bestandskräftigen Bescheids vom 28.7.2008 § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X sowie § 19 Abs 1, §§ 7 ff und § 22 SGB II. Hinsichtlich des nicht bestandskräftigen Bescheids vom 10.12.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.1.2009, mit dem Leistungen für Unterkunft und Heizung für November 2008 bewilligt wurden, beurteilt sich die materielle Rechtmäßigkeit allein nach § 19 Abs 1, §§ 7 ff, § 22 SGB II. Die Voraussetzungen für einen Anspruch der Klägerinnen auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung in den streitbefangenen Monaten sind aufgrund der Sanktion des Beklagten gegenüber S. und den sich daraus ergebenden Auswirkungen auf die Ansprüche der Klägerinnen erfüllt.

12

3. Die in § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II niedergelegten Voraussetzungen für den Erhalt von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II - Alter, Erwerbsfähigkeit, Hilfebedürftigkeit und ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland - erfüllte nach den Feststellungen des LSG(§ 163 Sozialgerichtsgesetz) die Klägerin zu 1 in der strittigen Zeit vom 1.9. bis 30.11.2008. Ein Ausschlusstatbestand gemäß § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4, 5 SGB II war in ihrer Person nicht gegeben. Die Klägerin zu 1 bildete mit der minderjährigen Klägerin zu 2 durchgehend eine Bedarfsgemeinschaft.

13

Mitglied der Bedarfsgemeinschaft war nach den Feststellungen des LSG zumindest zeitweise auch der Sohn S. der Klägerin zu 1, weil er am 30.9.1990 geboren, unverheiratet und in ihrem Haushalt lebend war sowie kein ausreichendes Einkommen und Vermögen hatte, sondern für ihn lediglich Kindergeld gezahlt wurde.

14

4. Die Klägerinnen haben über die vom LSG zugesprochenen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von September bis November 2008 hinaus weitere Ansprüche gegen den Beklagten für den Zeitraum vom 1.9. bis 12.10.2008 und vom 5.11. bis 30.11.2008, in dem die Leistungen an den S. wegen einer Sanktion vollständig abgesenkt worden waren. Der Anspruch auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II ergibt sich wegen einer gebotenen Abweichung vom Kopfteilprinzip aus bedarfsbezogenen Gründen(dazu unter a). Dies gilt allerdings nur insoweit, als der sanktionierte Dritte (also S.) über kein Einkommen und Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann (dazu unter b).

15

a) Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs 1 Satz 1 SGB II).

16

aa) Die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind im Regelfall unabhängig von Alter und Nutzungsintensität anteilig pro Kopf aufzuteilen, wenn die leistungsberechtigte Person eine Unterkunft gemeinsam mit anderen Personen, insbesondere mit anderen Familienangehörigen, nutzt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Personen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Hintergrund dieses "Kopfteilprinzips" sind Gründe der Verwaltungsvereinfachung sowie die Überlegung, dass die gemeinsame Nutzung einer Wohnung durch mehrere Personen deren Unterkunftsbedarf insgesamt abdeckt und in aller Regel eine an der unterschiedlichen Intensität der Nutzung ausgerichtete Aufteilung der Aufwendungen für die Erfüllung des Grundbedürfnisses Wohnen nicht zulässt (stRspr: vgl nur BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 18).

17

bb) Bei der aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität vorgenommenen Aufteilung nach Kopfteilen im Rahmen des § 22 Abs 1 SGB II handelt es sich um eine generalisierende und typisierende Annahme, die jedoch nicht gesetzlich als den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung begrenzend festgeschrieben ist(BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 19). Demgemäß hat das BSG schon mehrfach Abweichungen vom Kopfteilprinzip als möglich und notwendig angesehen (vgl BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 20, mwN).

18

cc) In Fortführung dieser Rechtsprechung hat der 4. Senat des BSG für den Fall, dass bei einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aufgrund einer Sanktion die Leistungen für Unterkunft und Heizung weggefallen sind, eine Abweichung von Kopfteilprinzip hinsichtlich der weiteren Bedarfsgemeinschaftsmitglieder aus bedarfsbezogenen Gründen bejaht. Diese könnten nicht darauf verwiesen werden, von einem Dritten seinen Anteil zu verlangen, wenn das Jobcenter mit bestandskräftigem Bescheid den vollständigen Wegfall der Leistungen für Unterkunft und Heizung verfügt und der Dritte auch kein Einkommen oder Vermögen habe, aus dem er seinen Anteil an den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bestreiten könne (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 21 f).

19

dd) Dem schließt sich der erkennende Senat an, weil nur so ein menschenwürdiges Existenzminimum gemäß Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvR 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), zu dem auch die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gehören, der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft gewährleistet werden kann. Diese können nicht darauf verwiesen werden, ihre mietvertraglichen Verpflichtungen nicht vollständig zu erfüllen und sich der Gefahr einer entsprechenden Klage des Vermieters auszusetzen oder die fehlende Zahlung des Jobcenters an den Dritten aus eigenen Mitteln, wie nicht zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen oder zB aus ihrem Regelbedarf, zu ersetzen.

20

Zudem ist, ausgehend von den das SGB II prägenden Einzelansprüchen der in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen (stRspr seit BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 12), keine Rechtsvorschrift ersichtlich, aus der eine Art Mithaftung der weiteren Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für ein nach dem SGB II sanktioniertes Verhalten des Dritten oder eine Zurechnung der Sanktionsfolgen ihnen gegenüber zu entnehmen ist. Dagegen sprechen vielmehr die Regelungen im heutigen § 31a Abs 3 Satz 2, 3 SGB II, zB zum Schutz von Minderjährigen. Die Rechtsfolgen, die aus dem Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft erwachsen und auf die das LSG verweist, sind auf die Leistungshöhe (vgl § 20 SGB II) sowie die Verteilung des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens (§ 9 Abs 2 SGB II) beschränkt.

21

Eine "Abmilderung" der Sanktion gegenüber dem Dritten, wie sie das LSG sieht, erfolgt dadurch allenfalls faktisch und mittelbar, nicht aber auf der rechtlichen Ebene der Einzelansprüche. Dementsprechend werden - entgegen der Ansicht des LSG - auch keine Aufwendungen für Unterkunft und Heizung von Dritten übernommen, sondern nur die Leistungen für andere Bedarfsgemeinschaftsmitglieder erhöht, um die Erfüllung von deren Ansprüchen auf ihr Existenzminimum sicherzustellen. Deshalb geht der Verweis auf einen Gleichheitsverstoß gemäß Art 3 Abs 1 GG im Verhältnis des Dritten zu anderen Personen, die eine Sanktion erhalten und nicht in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ins Leere.

22

b) Voraussetzung für eine Abweichung vom Kopfteilprinzip ist jedoch, worauf schon der 4. Senat hingewiesen hat, dass der sanktionierte Dritte über kein Einkommen oder Vermögen verfügt, aus dem er seinen Kopfteil - oder ggf Teile davon - bestreiten kann (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68, RdNr 22). Es ist nämlich nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende, wirtschaftlich Leistungsfähigen ein kostenfreies Wohnen zu ermöglichen (vgl BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 14 AS 90/12 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 22 RdNr 53).

23

Zur Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens und Vermögens des Dritten ist auf die einschlägigen Vorschriften der §§ 11 ff SGB II abzustellen, weil nur in Höhe der Differenz zwischen seinem Kopfteil und des von ihm einzusetzenden Einkommens und Vermögens ein ungedeckter Bedarf vorliegt, der eine entsprechende Abweichung vom Kopfteilprinzip und höhere Leistungen an die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aus den zuvor genannten Gründen rechtfertigt.

24

Aufgrund der Sanktion des Beklagten gegenüber dem S. wurden an diesen für die Zeit von September bis November 2008 keine Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. Lediglich für die Zeit seines Kurzarrestes vom 13.10. bis 4.11.2008 hat der Beklagte den Klägerinnen hälftig Leistungen für Unterkunft und Heizung gezahlt. In der übrigen Zeit ist der "Kopfteil" des S. im Rahmen einer Abweichung vom Kopfteilprinzip jedoch nicht vollständig bei den Klägerinnen zu berücksichtigen, weil dem im Übrigen einkommens- und vermögenslosen S. nach den Feststellungen des LSG als Einkommen das an die Klägerin zu 1 für ihn gezahlte Kindergeld in Höhe von monatlich 154 Euro zuzurechnen ist (vgl § 11 Abs 1 SGB II). Verringert um die Versicherungspauschale von 30 Euro nach § 6 Abs 1 Nr 1 Arbeitslosengeld II-Verordnung, weil S. am 30.9.2008 volljährig geworden ist, bleibt ein zu berücksichtigendes Einkommen von monatlich 124 Euro. Nur die Differenz aus dem Kopfteil des S. abzüglich dieses zu berücksichtigenden Einkommens verbleibt als ungedeckter Bedarf der Klägerinnen für Unterkunft und Heizung, der mangels entgegenstehender Regelungen zu gleichen Teilen dem Bedarf der beiden Klägerinnen für Unterkunft und Heizung zuzuweisen ist.

25

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert.

(2) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung wegen Pflegebedürftigkeit, wegen Arbeitsunfähigkeit, wegen Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit, anerkannten Schädigungsfolgen oder wegen Arbeitslosigkeit beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 62 bis 65 nicht nach und ist unter Würdigung aller Umstände mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß deshalb die Fähigkeit zur selbständigen Lebensführung, die Arbeits-, Erwerbs- oder Vermittlungsfähigkeit beeinträchtigt oder nicht verbessert wird, kann der Leistungsträger die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen.

(3) Sozialleistungen dürfen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt oder entzogen werden, nachdem der Leistungsberechtigte auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

A.

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von November 2006 bis März 2007. Sie richtet sich mittelbar gegen die im Jahr 2006 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, die sogenannte Bedarfsgemeinschaft im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zu erweitern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil zusammenleben. Danach erhalten diese Kinder, auch wenn sie gegen die Eltern keinen durchsetzbaren Unterhaltsanspruch haben, 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden, dabei wird das Einkommen und Vermögen ihrer Eltern bei ihrem Leistungsanspruch berücksichtigt.

I.

2

Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch regelt mit den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts die Grundsicherung für Arbeitsuchende. Mit diesen Leistungen sollen vom Gesetzgeber anerkannte, eine menschenwürdige Existenz sichernde Bedarfe abgedeckt werden. Dabei wird leistungsmindernd berücksichtigt, wenn Bedürftige mit Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft leben. Dies ist im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (dazu 1) anders ausgestaltet als in der im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) geregelten Sozialhilfe (dazu 2).

3

1. Leistungsberechtigt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch sind erwerbsfähige Hilfebedürftige. Dazu gehören nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II und hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

4

Darüber hinaus sind nach § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch diejenigen Personen leistungsberechtigt, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Nach der abschließenden Regelung des § 7 Abs. 3 SGB II können eine Bedarfsgemeinschaft nur Eltern und Kinder - nach der hier angegriffenen Erweiterung auch volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres - sowie Menschen in Ehe und Lebenspartnerschaft oder in ehe- und lebenspartnerschaftsähnlicher Beziehung bilden. Zur Bedarfsgemeinschaft können diese Personen auch gehören, wenn sie nicht erwerbsfähig sind und keine Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erhalten, weil sie beispielsweise nicht nur vorübergehend in einer stationären Einrichtung untergebracht sind, Altersrente oder ähnliche Leistungen beziehen (§ 7 Abs. 4 SGB II) oder sie einen Anspruch auf Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch haben (§ 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der damals maßgeblichen Fassung; heute § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II); dann handelt es sich - wie im Ausgangsverfahren angenommen - um eine "gemischte Bedarfsgemeinschaft" (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, juris, Rn. 31, 48). Eine Bedarfsgemeinschaft setzt jedoch stets voraus, dass die Beteiligten zusammenleben.

5

a) Die Grundsicherung für Arbeitsuchende dient dazu, zur Sicherung des Lebensunterhalts unterschiedliche Bedarfe durch staatliche Leistungen zu decken. Zentral ist die Regelleistung nach § 20 SGB II. Sie wird pauschal gewährt, dient der Sicherung des Lebensunterhalts und umfasst nach dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen § 20 Abs. 1 SGB II insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung entfallenden Anteile, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben. Zudem besteht Anspruch auf Leistungen für etwaige Mehrbedarfe nach § 21 SGB II und auf Leistungen für die tatsächlichen, angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten nach § 22 SGB II. Dazu kommen weitere Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen sowie Vorschüsse, Zuschüsse und Darlehen für besondere Bedarfe. Unter 25-Jährige, die allerdings auch besonderen Sanktionsregeln unterliegen, sind zudem nach § 3 Abs. 2 Satz 1 SGB II vordringlich in Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln. In dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Bewilligungsabschnitt bis zum 31. Dezember 2010 bestand nach § 24 SGB II binnen zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld auch ein Anspruch auf Zuschläge, um den Übergang in die Grundsicherung abzufedern (aufgehoben durch Art. 15 Nr. 4 Haushaltsbegleitgesetz 2011 vom 9. Dezember 2010, BGBl I S. 1885).

6

Bei der Regelleistung wird nach dem Lebensalter und der Lebenssituation der Bedürftigen unterschieden. So erfolgen Festsetzungen für alleinstehende erwachsene Hilfebedürftige, für Erwachsene, die mit anderen zusammen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, für Familienhaushalte, in denen Erwachsene Kinder versorgen (nach der im Ausgangsverfahren maßgeblichen Fassung des § 20 Abs. 2 und 3 - heute Abs. 4 - SGB II) und eigenständig für Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre (nach der damaligen Fassung des § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II; heute § 23 Nr. 1 SGB II). Die volle Regelleistung erhalten grundsätzlich Alleinstehende und Alleinerziehende; sie wird auch denen zuerkannt, die mit einer oder einem Minderjährigen in ehelicher, lebenspartnerschaftlicher oder ähnlicher Beziehung leben (§ 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II). Ihre Höhe lag in dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II bei monatlich 345 €.

7

b) Auf Grundsicherungsleistungen bestehen auch im Falle einer Bedarfsgemeinschaft immer individuelle Ansprüche der einzelnen Mitglieder (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R -, juris, Rn. 12). Das Gesetz berücksichtigt allerdings, ob Leistungsberechtigte mit weiteren Personen zusammenleben. Es geht davon aus, dass mit dem Zusammenleben von Angehörigen in häuslicher Gemeinschaft Einsparungen einhergehen und die Beteiligten gemeinsam wirtschaften. Daher wird grundsätzlich das anrechenbare Einkommen und verwertbare Vermögen aller Angehörigen dieser Bedarfsgemeinschaft zugerechnet (§ 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II) und alle individuellen Ansprüche werden mit Blick auf den Gesamtbedarf dieser Bedarfsgemeinschaft berechnet (§ 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II). Dies wird als "horizontale Berechnungsmethode" bezeichnet (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R -, juris, Rn. 14 ff., und vom 28. Oktober 2009 - B 14 AS 55/08 R -, juris, Rn. 23). Das Einkommen und Vermögen von Kindern wirkt sich allerdings lediglich auf ihre eigene Bedürftigkeit aus, was sich im Umkehrschluss aus § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II ergibt. Leben Kinder außerhalb des elterlichen Haushalts und damit nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern, wird elterliches Einkommen, unabhängig vom Alter des Kindes, nur berücksichtigt (und dann als eigenes Einkommen des Kindes angerechnet), wenn Zahlungen tatsächlich geleistet werden.

8

c) Für als Partnerin oder Partner in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Erwachsene (§ 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB II) werden je 90 % der vollen Regelleistung anerkannt (damals nach § 20 Abs. 3 SGB II; heute in § 20 Abs. 4 SGB II). Dies waren in dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum monatlich 311 €. Sonstige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft erhalten 80 % der vollen Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II; heute in § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II als Leistungsbetrag ausgewiesen). Dies waren im maßgeblichen Zeitraum 276 €. Auch wenn ein Elternteil mit einem volljährigen, aber unter 25-jährigen Kind zusammen lebt, wird davon ausgegangen, dass der Elternteil die volle Regelleistung und das Kind als sonstiger erwerbsfähiger Angehöriger 80 % hiervon erhält (vgl. Saitzek, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 20 Rn. 26).

9

Erwachsene Kinder, die trotz Bedürftigkeit ohne Zusicherung des Trägers der Grundsicherungsleistung nach dem damals geltenden § 22 Abs. 2a SGB II (heute § 22 Abs. 5 SGB II) aus dem elterlichen Haushalt auszogen, erhielten nach dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum geltenden § 20 Abs. 2a SGB II (heute § 20 Abs. 3 SGB II) weiter nur die auf 80 % abgesenkte Regelleistung. Zudem erhielten sie bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nach § 22 Abs. 2a SGB II keine Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung, wenn dies nicht zugesichert war, und gemäß dem damaligen § 23 Abs. 6 SGB II (heute § 24 Abs. 6 SGB II) keine Leistungen zur Erstausstattung für die Wohnung.

10

2. In der Sozialhilfe - nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - sind die Einstandspflichten zusammenlebender Personen anders geregelt als im Grundsicherungsrecht. Das betrifft insbesondere die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen bei der Bestimmung des Leistungsanspruchs. Grundsätzlich ist zwar auch in der Sozialhilfe eigenes Einkommen und Vermögen zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Das gilt für die Hilfe zum Lebensunterhalt (insbesondere bei vorübergehender voller Erwerbsminderung) nach § 19 Abs. 1 SGB XII und im Alter oder bei dauerhafter voller Erwerbsminderung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII (jeweils in der Fassung von Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl I S. 3022). Jedoch hat der Gesetzgeber hier die sogenannte Einsatz- oder Einstandsgemeinschaft normiert. Auch sie dient dazu, das gemeinsame Wirtschaften im häuslichen Näheverhältnis zu berücksichtigen. Doch muss hier anders als in der Bedarfsgemeinschaft das eigene Einkommen und Vermögen nur insoweit für andere eingesetzt werden, wie dies den eigenen notwendigen Lebensunterhalt übersteigt. Dies wird als "vertikale Berechnungsmethode" bezeichnet.

11

Elterliches Einkommen wird bei - dem elterlichen Haushalt angehörenden - minderjährigen unverheirateten Kindern nur in der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch berücksichtigt und auch nur dann, wenn sie den notwendigen Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen und Vermögen nicht selbst beschaffen können (zum Zeitpunkt des Ausgangsverfahrens nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB XII). Darüber hinaus ist elterliches Einkommen nur im Rahmen der Vermutungsregelung zur Bedarfsdeckung in der Haushaltsgemeinschaft nach dem damaligen § 36 Satz 1 SGB XII (heute § 39 Satz 1 SGB XII) zu berücksichtigen. Im Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Viertes Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch) findet eine Anrechnung elterlichen Einkommens nicht statt.

II.

12

Der Gesetzgeber hat die im vorliegenden Verfahren zentralen Regelungen im Jahr 2006 mit dem Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S. 558) in Kraft gesetzt. Seitdem sind nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4 SGB II auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die mit ihren Eltern zusammenleben, im System der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu betrachten. Dies führt nach der damals geltenden Fassung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II zur Absenkung ihrer Grundsicherungsleistungen auf 80 % der Regelleistung. Zudem hat der Gesetzgeber mit der Änderung von § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II die Anrechnung des elterlichen Einkommens und Vermögens auf ihren Bedarf vorgegeben.

13

Die der angegriffenen Entscheidung zugrundeliegenden und mittelbar angegriffenen Regelungen lauten in der damals geltenden Fassung des Art. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I S. 2954), Art. 1 des Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24. März 2006 (BGBl I S. 558) und Art. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706):

§ 7 SGB II

Berechtigte

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

2. erwerbsfähig sind,

3. hilfebedürftig sind und

4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben

(erwerbsfähige Hilfebedürftige). […]

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einer Bedarfsgemeinschaft leben. […]

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1. die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen,

2. die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,

3. als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen

a) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,

b) der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,

c) eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen,

4. die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

[…]

§ 9 SGB II

Hilfebedürftigkeit

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht

1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit,

2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

(2) 1Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. 2Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. 3Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

[…]

§ 20 SGB II

Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts

[…]

(2) 1Die monatliche Regelleistung beträgt für Personen, die allein stehend oder allein erziehend sind oder deren Partner minderjährig ist, 345 €. 2Die Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft beträgt 80 vom Hundert der Regelleistung nach Satz 1.

(2a) Abweichend von Absatz 2 Satz 1 erhalten Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ohne Zusicherung des zuständigen kommunalen Trägers nach § 22 Abs. 2a umziehen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres 80 vom Hundert der Regelleistung.

(3) Haben zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet, beträgt die Regelleistung jeweils 90 vom Hundert der Regelleistung nach Absatz 2.

[…]

§ 22 SGB II

Leistungen für Unterkunft und Heizung

[…]

(2a) 1Sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, werden ihnen Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert hat. 2Der kommunale Träger ist zur Zusicherung verpflichtet, wenn

1. der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden kann,

2. der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich ist oder

3. ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliegt.

3Unter den Voraussetzungen des Satzes 2 kann vom Erfordernis der Zusicherung abgesehen werden, wenn es dem Betroffenen aus wichtigem Grund nicht zumutbar war, die Zusicherung einzuholen.

[…]

14

Diese Regelungen gehen auf einen Gesetzentwurf der Bundesregierung zurück, der im Gesetzgebungsverfahren durch den Ausschuss des Deutschen Bundestages für Arbeit und Soziales vollständig neu gefasst wurde. Der Ausschuss hat zur Begründung ausgeführt, Kinder trügen keine zur allgemeinen Haushaltsführung gehörenden Aufwendungen wie für Versicherungen, Strom oder haushaltstechnische Geräte (Ausschuss für Arbeit und Soziales, Beschlussempfehlung und Bericht vom 15. Februar 2006, BTDrucks 16/688, S. 13 f. zu Nr. 2, Buchstabe b). Zudem sollten auch erwachsene Kinder nicht frühzeitig und ohne sozial hinreichende Sicherung ausziehen (ebd., S. 14 zu Nr. 6, Buchstabe a).

15

Die Regelungen wurden durch nachfolgende Gesetzgebung geschlechtergerecht gefasst und einzelne Absätze innerhalb der Vorschriften neu eingeordnet, bestehen jedoch inhaltlich im Wesentlichen fort. Den nach § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II geltenden Regelsatz, von dem die hier maßgeblichen Leistungen nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II abgeleitet sind, hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil des Ersten Senats vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09 - (BVerfGE 125, 175) für mit dem Grundgesetz unvereinbar, jedoch bis zu einer Neuregelung für weiter anwendbar erklärt. Die Regelsätze wurden wiederholt erhöht und erwiesen sich nach dem Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juli 2014 - 1 BvL 10, 12/12, 1 BvR 1691/13 - (BVerfGE 137, 34) in der Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl I S. 453) sowie der bis zu dieser Entscheidung ergangenen weiteren Fassungen und Nachfolgeregelungen als noch mit dem Grundgesetz vereinbar.

III.

16

1. Der im September 1985 geborene, ledige Beschwerdeführer, der über eine abgeschlossene Ausbildung verfügt, war in der Zeit von Juni bis September 2006 als Maler berufstätig und seitdem (erneut) arbeitslos. Im fachgerichtlich zunächst streitigen Zeitraum von Oktober 2006 bis März 2007 lebte er mit seiner ein Jahr jüngeren Schwester und seinem 1961 geborenen Vater zusammen. Der Vater bezog eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer in Höhe von monatlich 615,84 €.

17

a) Auf Antrag des Beschwerdeführers bewilligte der Träger der Grundsicherungsleistung ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch für Oktober 2006 bis März 2007. Die Höhe der Leistungen berechnete er ab November 2006 mit monatlich 175,64 €. Dem Beschwerdeführer stünden im Ausgangspunkt 276 € als Regelleistung, 80 € als befristeter Zuschlag nach Bezug von Arbeitslosengeld gemäß dem damaligen § 24 SGB II und anteilige 10,92 € als Kosten der Unterkunft und Heizung zu. Er lebe jedoch mit dem Vater in einer Bedarfsgemeinschaft. Dieser gehöre die Schwester nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II nicht an, da sie ihren Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen bestreite. Der Vater sei zudem zwar aufgrund seiner Erwerbsunfähigkeit von Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ausgeschlossen. Doch müsse der Anteil seiner Rente, der seinen dann fiktiv zu berechnenden Grundsicherungsbedarf nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (vgl. BSG, Urteil vom 15. April 2008 - B 14/7b AS 58/06 R -, juris, Rn. 40) übersteige, bei der Berechnung des Anspruchs des Beschwerdeführers bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Der (fiktive) Bedarf des Vaters liege bei 355,92 €, was sich aus 345 € Regelleistung und 10,92 € anteiligen Kosten der Unterkunft und Heizung ergebe. Damit verbleibe dem Vater nach Bereinigung des monatlichen Rentenzahlbetrags ein anrechenbares Einkommen in Höhe von 547,20 €. Dies übersteige seinen Bedarf um 191,28 €. Damit stünden dem Beschwerdeführer Leistungen in entsprechend verringerter Höhe zu.

18

b) Das Sozialgericht wies die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage des Beschwerdeführers und seines Vaters ab. Das Landessozialgericht wies die Berufung unter Nichtzulassung der Revision durch Beschluss zurück.

19

c) Das Bundessozialgericht wies die von ihm zugelassene Revision als unbegründet zurück. Der Vater des Beschwerdeführers sei nicht klagebefugt; dem Beschwerdeführer stehe im streitgegenständlichen, in der Revisionsinstanz auf November 2006 bis März 2007 begrenzten Zeitraum kein Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen zu. Es bestünden keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen, dass ihm lediglich 80 % der Regelleistung eines Alleinstehenden zuerkannt worden seien. Die Vorschrift des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II in der ab dem 1. Juli 2006 geltenden Fassung sei nicht verfassungswidrig. Der Beschwerdeführer weise zwar zu Recht darauf hin, dass angesichts der geringen Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente und dem Schutz des Selbstbehalts seines Vaters nach § 1603 Abs. 1 BGB wohl kein zivilrechtlicher Unterhaltsanspruch gegen diesen bestehe. Der fürsorgerechtliche Gesetzgeber dürfe jedoch bei der Frage, ob der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt sei, von den Regelungen des Unterhaltsrechts abweichen und typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige sich unterstützten. Dies gelte zumal, wenn diese in gerader Linie verwandt seien. In der Wahl der Altersgrenze von 25 Jahren könne kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG erkannt werden; dem Gesetzgeber komme hier ein weiter Ermessensspielraum zu. Die mit einem starren Stichtag verbundenen Härten seien grundsätzlich hinzunehmen. Überdies habe der Gesetzgeber mit der Einführung dieser Altersgrenze verfassungsrechtlich legitime Zwecke verfolgt. Er habe insbesondere verhindern wollen, dass Kinder, die im Haushalt der Eltern lebten, mit Erreichen der Volljährigkeit automatisch eine eigene Bedarfsgemeinschaft bildeten. Eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung sei auch nicht darin zu sehen, dass nur das Einkommen des Elternteils berücksichtigt werde, der mit dem erwachsenen Kind in einem Haushalt lebe, nicht hingegen das Einkommen eines dort nicht lebenden Elternteils.

20

2. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 und von Art. 3 Abs. 1 GG.

21

Er wendet sich gegen zu niedrige Sozialleistungen aufgrund der Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft mit seinem Vater und greift insbesondere die Revisionsentscheidung des Bundessozialgerichts an. Mittelbar richtet sich die Verfassungsbeschwerde gegen die im Ausgangsverfahren maßgeblichen Regelungen der § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II; sie seien verfassungswidrig, soweit sie zu der Konstruktion einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und seinem Vater mit der Folge der Regelleistungskürzung aufgrund der Einkommensanrechnung führten. Sein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sei verletzt. Die ihm gewährten Leistungen seien evident unzureichend. Der Auszahlbetrag von 175,64 € bleibe noch hinter den Leistungen von 184,07 € zurück, die einer alleinstehenden hilfebedürftigen Person nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zustünden. Er müsse einen Teil seines Bedarfs mit Mitteln seines Vaters decken, auf die er dem Grunde oder zumindest der Höhe nach keinen Anspruch habe, insbesondere nicht nach bürgerlich-rechtlichem Unterhaltsrecht. Der Rückgriff auf fremde Mittel für die Bedarfsdeckung könne nur dann zugelassen werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass diese Mittel ihm auch tatsächlich zur Verfügung stünden. Zudem sei die Höhe der Regelleistung für junge Erwachsene mit 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden "gegriffen" und nicht mittels eines sachgerechten und transparenten Verfahrens ermittelt worden. Der Gesetzgeber habe den Bedarf junger Erwachsener und seine Deckung im Haushalt der Familie in keiner Form erfasst.

22

Es verstoße gegen den Gleichheitssatz, unter 25-jährige schlechter zu behandeln als ältere Personen. Die tatsächlichen Lebensverhältnisse änderten sich mit Erreichen dieser Altersgrenze nicht. Nicht einzusehen sei auch, weshalb der Bedarf nach Eintritt der Volljährigkeit bei Erwerbsfähigen geringer sein solle als bei Erwerbsunfähigen. Eine weitere, nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung zeige sich im Vergleich zum Bereich der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Dort gebe es keine vergleichbare Anrechnungsregelung. Ein erwerbsgeminderter junger Erwachsener sei dort nicht Teil einer Bedarfsgemeinschaft mit seinen Eltern, obwohl eine allgemeine Fürsorgepflicht der Eltern sogar eher angenommen werden könne.

23

3. Der Vater des Beschwerdeführers hatte zeitgleich Verfassungsbeschwerde eingelegt, mit der er eine Verletzung von Art. 14 GG rügte. Durch die Anrechnung eines Teils seiner Rente auf den Bedarf seines Sohnes werde ihm die Rente insoweit entzogen. Die 3. Kammer des Ersten Senats hat diese Verfassungsbeschwerde mit Beschluss vom 6. Dezember 2011 - 1 BvR 371/11 - nicht zur Entscheidung angenommen. Der Vater selbst beantragte im Ausgangsverfahren keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sein Rentenzahlbetrag wurde ungemindert an ihn ausgezahlt.

IV.

24

Die Bundesregierung hält die Verfassungsbeschwerde für teilweise unzulässig, da der Beschwerdeführer nicht von allen mittelbar angegriffenen Regelungen betroffen und eine Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei. Jedenfalls sei die Verfassungsbeschwerde unbegründet, denn die Höhe der Regelleistung in der Bedarfsgemeinschaft sei transparent und sachgerecht festgestellt worden; bessere Methoden gebe es nicht. Das Existenzminimum sei jedenfalls nicht evident unterschritten. Der Gesetzgeber dürfe im Fürsorgerecht vom Unterhaltsrecht abweichen, sich an der Lebenswirklichkeit orientieren und daher bei der Familiengemeinschaft von einem wechselseitigen Einstandswillen ausgehen. Fehle dieser, habe der Gesetzgeber mit § 22 Abs. 2a SGB II in der damals geltenden Fassung die Möglichkeit eingeräumt, eine eigene Bedarfsgemeinschaft außerhalb des Elternhauses zu begründen.

25

Die für Verfahren aus dem Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des Bundessozialgerichts haben mitgeteilt, dass die mittelbar angegriffenen Regelungen bisher von ihnen angewandt und nicht für verfassungswidrig gehalten worden seien.

26

Die Niedersächsische Landesregierung, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Deutsche Caritasverband, der Deutsche Familiengerichtstag, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Diakonie Deutschland - Evangelischer Bundesverband - und der Sozialverband Deutschland gehen davon aus, dass die Verfassungsbeschwerde zulässig und begründet ist. Durch die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft mit der Folge der reduzierten Regelleistung sowie der Anrechnung des elterlichen Einkommens seien das aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG folgende Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sowie der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.

B.

27

Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.

I.

28

Das Vorbringen des Beschwerdeführers bedarf allerdings der Auslegung.

29

Das Bundesverfassungsgericht ist bei der Bestimmung des prozessualen Begehrens nicht an die wörtliche Fassung des Antrages gebunden. Bei dessen Auslegung ist insbesondere die Antragsbegründung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 1, 14 <39>; 54, 53 <64 f.>; 68, 1 <68 f.>; 103, 242 <257>; 139, 194 <220 Rn. 97>).

30

Die Verfassungsbeschwerde zielt im Wesentlichen auf die Regelungen in § 7 Abs. 3 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu den Grundsicherungsleistungen, wenn Eltern in die Bedarfsgemeinschaft mit ihren volljährigen Kindern einbezogen werden. Demgegenüber ist § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II zur Einbeziehung von Kindern in die Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern nicht Gegenstand des Verfahrens. Diese Regelung findet auf den Beschwerdeführer keine Anwendung und auf ihr beruht auch die unmittelbar angegriffene Entscheidung nicht.

II.

31

Die Verfassungsbeschwerde ist hinreichend substantiiert (zu den Substantiierungsanforderungen vgl. BVerfGE 130, 1 <21> m.w.N.). Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers erscheint es möglich, dass er in seinem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzt ist. Dies kann sich daraus ergeben, dass die für ihn maßgebliche Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht gesondert berechnet wird, aber unter dem sonst für ihn anzusetzenden Regelleistungsbetrag für Alleinstehende liegt. Die Grundrechtsverletzung kann sich zudem daraus ergeben, dass die Grundsicherungsleistung zu Lasten des Beschwerdeführers in der Bedarfsgemeinschaft ungleich verteilt wird und dass ein Teil des Einkommens seines Vaters nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf seine Leistungen angerechnet wird, ohne dass ihm ein korrespondierender Unterhaltsanspruch zustünde.

C.

32

Die Verfassungsbeschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des Gesetzgebers, die Bedarfsgemeinschaft im Grundsicherungsrecht nach § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II auf volljährige Kinder zu erweitern, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist sowohl mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Abs. 1 GG als auch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Dies gilt - unabhängig von der Festlegung der Regelleistung selbst (zu § 20 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB II vgl. BVerfGE 125, 175 <221 ff.>) - jedenfalls bei einer aus zwei Personen bestehenden Bedarfsgemeinschaft für die Bestimmung der existenzsichernden Leistungen gemäß dem damals geltenden § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II, auch wenn bei dem erwachsenen Kind eine Regelleistung von 80 % der Regelleistung für Alleinstehende angesetzt und elterliches Einkommen und Vermögen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II berücksichtigt wird, obwohl diesem kein Unterhaltsanspruch korrespondiert.

I.

33

Die mittelbar angegriffenen Regelungen und die auf ihnen beruhende Entscheidung des Bundessozialgerichts verletzen den Beschwerdeführer durch die Einbeziehung in eine Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil nicht in seinem grundrechtlich gesicherten Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG.

34

1. Die im Ausgangsverfahren maßgebliche Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Angehörige einer Bedarfsgemeinschaft nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II genügt dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums allerdings insoweit nicht, als sie von der vollen Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in der bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung abgeleitet ist. Diese hat das Bundesverfassungsgericht für mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt (vgl. zur Ableitung der Regelleistung für in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebende Partnerinnen und Partner BVerfGE 125, 175 <244 f.> sowie zum Sozialgeld a.a.O. <245>). Doch wurde die Vorgabe zur Bestimmung der Regelleistung in § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II vom Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 9. Februar 2010 nicht für nichtig, sondern für übergangsweise weiter anwendbar erklärt, um die Anspruchsgrundlage für existenzsichernde Leistungen zu erhalten (vgl. BVerfGE 125, 175 <255 f.>). Sie war folglich im entscheidungserheblichen Zeitraum auch der Bestimmung der Höhe der existenzsichernden Leistungen für den Beschwerdeführer zugrunde zu legen. Davon geht auch der Beschwerdeführer selbst aus, der sich mit seiner Verfassungsbeschwerde ausdrücklich nicht gegen die Ableitung der Regelleistung für sonstige erwerbsfähige Hilfebedürftige nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II von der bis zum 31. Dezember 2010 fortgeltenden vollen Regelleistung wendet.

35

2. Der Beschwerdeführer ist durch die Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil nicht in seinen Grundrechten verletzt.

36

a) Das Grundgesetz garantiert mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Art. 1 Abs. 1 GG begründet diesen Anspruch; das Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG erteilt dem Gesetzgeber den Auftrag, ein menschenwürdiges Existenzminimum tatsächlich zu sichern. Das Grundrecht ist dem Grunde nach unverfügbar und muss durch einen Leistungsanspruch eingelöst werden, bedarf aber der Konkretisierung und stetigen Aktualisierung durch den Gesetzgeber, der die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten hat. Dem Gesetzgeber steht ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>; 132, 134 <159 Rn. 62>). Bei dessen Ausfüllung hat er auch völkerrechtliche Verpflichtungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 132, 134 <161 f. Rn. 68>; 137, 34 <72 Rn. 74>).

37

aa) Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf die unbedingt erforderlichen Mittel zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. BVerfGE 125, 175 <223>; 132, 134 <160 Rn. 64>; 137, 34 <72 Rn. 75>).

38

bb) Der Gesetzgeber muss bei der Ausgestaltung der Leistungen zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums die entsprechenden Bedarfe der Hilfebedürftigen zeit- und realitätsgerecht erfassen. Ihm kommt ein Gestaltungsspielraum bei der Bestimmung von Art und Höhe der Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums zu. Er hat einen Entscheidungsspielraum bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse ebenso wie bei der wertenden Einschätzung des notwendigen Bedarfs, muss seine Entscheidung jedoch an den konkreten Bedarfen der Hilfebedürftigen ausrichten (vgl. BVerfGE 125, 175 <224 f.>; 132, 134 <160 f. Rn. 67>; 137, 34 <72 f. Rn. 76>) und die Leistungen zur Konkretisierung des grundrechtlich fundierten Anspruchs müssen tragfähig, also durch realitätsgerechte, schlüssige Berechnungen sachlich differenziert begründet werden können (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 ff. Rn. 76 f.>). Die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, dürfen im Ergebnis nicht verfehlt werden (BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>).

39

cc) Der Staat hat im Rahmen seines Auftrags zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrags dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins erfüllt werden, wenn einem Menschen die hierfür erforderlichen notwendigen materiellen Mittel weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus seinem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>). Auch der soziale Rechtsstaat ist darauf angewiesen, dass Mittel der Allgemeinheit, die zur Hilfe für deren bedürftige Mitglieder bestimmt sind, nur in Fällen in Anspruch genommen werden, in denen wirkliche Bedürftigkeit vorliegt. Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit kann daher grundsätzlich auch das Einkommen und Vermögen von Personen einbezogen werden, von denen in einer Gemeinschaft ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (vgl. BVerfGE 87, 234 <264 f.>, auch BVerfGE 75, 382 <394 f.>). Das gilt jedenfalls im Rahmen einer Ehe oder einer Lebenspartnerschaft und im Verhältnis einander unterhaltspflichtiger Verwandter, soweit wechselseitige Unterhaltsansprüche bestehen (vgl. BVerfGE 75, 382 <394 f.>). Allerdings ist eine Anrechnung auch dann nicht ausgeschlossen, wenn zivilrechtlich kein (vgl. BVerfGE 9, 20 <30 ff.>) oder nur ein geringerer Unterhaltsanspruch (vgl. BVerfGE 71, 146 <155 f.>) besteht. Die Anrechnung darf nur nicht zu einer Benachteiligung von Ehe und Familie führen (Art. 6 Abs. 1 GG; vgl. BVerfGE 87, 234 <256 ff.>). Maßgebend sind aber insoweit nicht möglicherweise bestehende Rechtsansprüche, sondern die faktischen wirtschaftlichen Verhältnisse der Hilfebedürftigen, also das tatsächliche Wirtschaften "aus einem Topf" (vgl. BVerfGE 9, 20 <30 ff.>). Nicht angerechnet werden darf, was zu leisten die Verpflichteten außerstande sind (vgl. zum Unterhaltsrecht BVerfGE 28, 324 <352>) oder was sie ohne rechtliche Verpflichtungen erkennbar nicht zu leisten bereit sind (vgl. BVerfGE 71, 146 <156>; 87, 234 <256; 265>). Eine Grenze kann die Anrechnung auch in der Selbstbestimmung der Beteiligten (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Freiheit in der Gestaltung des familiären Zusammenlebens (Art. 6 Abs. 1 GG) finden.

40

b) Dem Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Bemessung des Existenzminimums entspricht eine zurückhaltende Kontrolle durch das Bundesverfassungsgericht.

41

aa) Da das Grundgesetz selbst keine exakte Bezifferung des Anspruchs auf existenzsichernde Leistungen vorgibt, beschränkt sich die materielle Kontrolle der Höhe von Sozialleistungen zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz darauf, ob die Leistungen evident unzureichend sind (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 Rn. 78>; 137, 34 <75 Rn. 81>). Diese Kontrolle bezieht sich im Wege einer Gesamtschau (vgl. BVerfGE 130, 263 <295>) auf die Höhe der Leistungen insgesamt und nicht auf einzelne Berechnungselemente, die dazu dienen, diese Höhe zu bestimmen. Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfGE 137, 34 <75 Rn. 81>).

42

bb) Jenseits dieser Evidenzkontrolle überprüft das Bundesverfassungsgericht, ob Leistungen jeweils aktuell auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren im Ergebnis zu rechtfertigen sind. Lassen sich die Leistungen nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen, stehen sie mit Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in Einklang (vgl. BVerfGE 125, 175 <225 f.>; 132, 134 <165 f. Rn. 79>; 137, 34 <75 Rn. 82>).

43

c) Andere Grundrechte vermögen für die Bemessung des Existenzminimums im Sozialrecht grundsätzlich keine weiteren Maßstäbe zu setzen. Entscheidend ist zur Sicherung des nach Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Existenzminimums von Verfassungs wegen allein, dass dieses für jede individuelle hilfebedürftige Person ausreichend bemessen ist (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>).

44

3. Die angegriffene Entscheidung des Bundessozialgerichts und die mittelbar angegriffenen Regelungen zu den Grundsicherungsleistungen in einer Bedarfsgemeinschaft erwachsener Kinder mit einem Elternteil genügen diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen.

45

Mit den der gerichtlichen Entscheidung zugrundeliegenden Regelungen nimmt der Gesetzgeber eine pauschale Bestimmung existenzsichernder Leistungen in Bedarfsgemeinschaften vor, indem er den Bedarf für einen Elternteil mit einem volljährigen, unter 25-jährigen Kind mit insgesamt 180 % des entsprechenden Bedarfs zweier Alleinstehender berechnet, hiervon 100 % auf den Elternteil und 80 % auf das Kind verteilt, zudem elterliches Vermögen berücksichtigt und elterliches Einkommen auf den Bedarf des Kindes anrechnet, auch wenn diesem kein Unterhaltsanspruch gegen den Elternteil zusteht. Damit ist die anerkannte Leistung zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nicht evident unterschritten (a). Die Leistungen lassen sich auch nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen (b). Mit dem Grundgesetz ist es vereinbar, Sozialleistungen an der Bedürftigkeit der Betroffenen zu orientieren und insoweit Einsparungen zu berücksichtigen, die im familiären Zusammenleben typischerweise auftreten (aa). Desgleichen bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Entscheidung des Gesetzgebers, in eine solche Bedarfsgemeinschaft auch erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres einzubeziehen (bb). Es ist mit dem Grundgesetz vereinbar, wenn elterliches Einkommen berücksichtigt wird, obwohl keine korrespondierende Unterhaltsverpflichtung besteht. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Elternteil tatsächlich zum Unterhalt beiträgt und das Kind deshalb in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen ist. Dasselbe gilt, wenn dem Kind anderenfalls ein Auszug aus der Wohnung ohne nachteilige Folgen ermöglicht wird (cc).

46

a) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, die ihm monatlich ausgezahlten Leistungen in Höhe von 175,64 € seien evident unzureichend, überzeugt dies nicht.

47

aa) Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (BVerfGE 137, 34 <75 Rn. 81>; zu einer solchen Situation BVerfGE 132, 134 <166 ff. Rn. 80 ff.>).

48

bb) Anhaltspunkte für eine derartige oder eine vergleichbare Situation sind hier nicht erkennbar.

49

(1) Der Gesamtbetrag der Leistungen, die für die Existenzsicherung des Beschwerdeführers anerkannt wurden, unterschreitet das zu gewährleistende menschenwürdige Existenzminimum nicht evident. Im Ausgangspunkt wurde ein Bedarf in Höhe von 80 % der Regelleistung für Alleinstehende konkret in Höhe von 276 € anerkannt. Dazu kam der nach der damaligen Rechtslage nach § 24 SGB II anerkannte Zuschlag in Höhe von 80 €. Die Gesamtsumme ist damit höher als die damalige Regelleistung für Alleinstehende. Dass diese im entscheidungserheblichen Zeitraum nicht evident unzureichend war, hat der Senat bereits entschieden (vgl. BVerfGE 125, 175 <227>).

50

(2) Auch im Hinblick auf die Höhe der tatsächlich gewährten Leistungen ist eine evidente Unterdeckung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht ersichtlich. Zwar sind dem Beschwerdeführer nicht Leistungen in Höhe des im Ausgangspunkt anerkannten Bedarfs, sondern nur ein geringerer Betrag bewilligt worden. Diese Höhe der Leistungen folgt jedoch aus der teilweisen Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters auf den anerkannten Bedarf des Beschwerdeführers, weil der Gesetzgeber mit den angegriffenen Regelungen unterstellt, dass sein Bedarf durch entsprechende Zuwendungen des Vaters gedeckt ist. Die Berücksichtigung des Einkommens des Vaters betrifft insofern nicht die Anerkennung notwendiger Bedarfe zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz, sondern die Ausgestaltung der Leistungen mit Blick auf die Bedürftigkeit. Eine evidente Unterdeckung ist mit Blick auf derartige Anrechnungen nur denkbar, wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass auch mit dem angerechneten Einkommen eine menschenwürdige Existenz überhaupt nicht zu sichern wäre. Dafür ist hier jedoch nichts ersichtlich. Der Vater verfügte jedenfalls tatsächlich über hinreichende Mittel, um zur Existenzsicherung seines Sohnes beizutragen. Die Tatsache, dass sein Einkommen die unterhaltsrechtlichen Freibeträge nicht übersteigt, ändert daran nichts, denn diese sind nicht auf das zur menschenwürdigen Existenz Notwendige beschränkt.

51

b) Auch jenseits evidenter Verfassungswidrigkeit kann ein Verfassungsverstoß nicht festgestellt werden, weil sich die Leistungen in ihrer Gesamthöhe nachvollziehbar und sachlich differenziert tragfähig begründen lassen.

52

aa) Die mittelbar angegriffene Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II, die der Entscheidung des Bundessozialgerichts zugrunde liegt, ist - unbeschadet ihrer Ableitung von einer mit der Verfassung nicht vereinbaren Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II (dazu unter A II, Rn. 15, und C I 1, Rn. 34; vgl. BVerfGE 125, 175) - mit den Anforderungen des Grundgesetzes vereinbar. Es ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, zur Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz anerkannte Sozialleistungen in Orientierung an der Bedürftigkeit der Betroffenen pauschal um Einsparungen zu kürzen, die im familiären häuslichen Zusammenleben typisch sind.

53

(1) Die Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II führt im Ergebnis dazu, dass bei einer Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem erwachsenen Kind Sozialleistungen, die den existenznotwendigen Bedarf sichern, nur in Höhe von insgesamt 180 % der Regelleistung für Alleinstehende berücksichtigt werden. Der Gesetzgeber geht davon aus, dies sei durch geringere Kosten und daraus resultierende Einsparungen aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens zu rechtfertigen. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es ist hinreichend plausibel, dass jedenfalls in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige umfassend "aus einem Topf" wirtschaften. Das hat zur Folge, dass zwei in einem solchen Näheverhältnis zusammenlebende Personen einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem Doppelten des Bedarfs einer alleinwirtschaftenden Person liegt (vgl. BVerfGE 75, 382 <394>; 87, 234 <256>). Daher kann die familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft durchaus Anknüpfungspunkt für wirtschaftliche Rechtsfolgen sein, sofern damit keine Benachteiligung von Ehe oder Familie einhergeht, die mit Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar wäre (vgl. BVerfGE 17, 210 <217>; 28, 324 <347>; 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>). Eine solche Absenkung der Regelleistung aufgrund des gemeinsamen Wirtschaftens in häuslicher Gemeinschaft ist als Orientierung von Sozialleistungen an der Bedürftigkeit auch im Sinne des sozialen Rechtsstaats gerechtfertigt (vgl. BVerfGE 9, 20 <35>; 22, 100 <105>).

54

(2) Der Einwand des Beschwerdeführers, die Höhe der Regelleistung für junge Erwachsene sei mit 80 % der Regelleistung von Alleinstehenden schlicht gegriffen und nicht mittels eines sachgerechten und transparenten Verfahrens ermittelt worden, verkennt, dass die Verfassung keine besonderen Vorgaben für das Gesetzgebungsverfahren macht; verlangt ist vielmehr die sachlich differenzierende, im Ergebnis tragfähige Begründbarkeit der festgesetzten Beträge in ihrer Gesamthöhe (zuletzt BVerfGE 137, 34 <74 ff. Rn. 78 ff.>). Davon ist hier unter Berücksichtigung des Entscheidungsspielraumes des Gesetzgebers in der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 f. Rn. 76>) auszugehen.

55

Die Annahme, das Hinzutreten eines weiteren Erwachsenen zu einer Bedarfsgemeinschaft führe zu einer regelbedarfsrelevanten Einsparung von 20 %, kann sich zumindest für die Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft in der Gesamtbetrachtung auf eine ausreichende empirische Grundlage stützen. Das Bundesverfassungsgericht hat für Partnerinnen und Partner bereits ausdrücklich gebilligt, dass der Bedarf einer weiteren erwachsenen Person in einer Bedarfsgemeinschaft in einer Höhe von insgesamt 180 % für zwei Personen von dem statistisch ermittelten Bedarf der Alleinstehenden abgeleitet werden darf (vgl. BVerfGE 125, 175 <245>), da die Erhebung nach Haushalten geeignet sei, den tatsächlichen Bedarf auch für solche Lebenssituationen zu ermitteln. Insofern ist die Bestimmung des Regelbedarfs zweier zusammenlebender und gemeinsam wirtschaftender Erwachsener in Höhe von 90 % des im SGB II für eine alleinstehende Person geltenden Regelbedarfs nicht zu beanstanden (vgl. BVerfGE 137, 34 <83 Rn. 100>). Nach wie vor fehlen zwar Daten zu den relevanten Haushalten, zum Verwandtschaftsverhältnis oder zum Konsumverhalten in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), die der Gesetzgeber zur Bestimmung des existenzsichernden Bedarfs nutzt (vgl. BVerfGE 125, 175 <232 ff.>). Doch sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, warum ein erwachsenes Kind, das - wie der Beschwerdeführer - nur mit einem Elternteil zusammen lebt, einen höheren Bedarf haben soll als der hinzutretende Erwachsene in einem Paarhaushalt (vgl. Dudel/Garbuszus/Ott/Werdig, Überprüfung der bestehenden und Entwicklung neuer Verteilungsschlüssel zur Ermittlung von Regelbedarfen auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2008, 2013, S. 286). Nicht zu entscheiden ist im vorliegenden Verfahren allerdings, ob und gegebenenfalls ab welcher Anzahl hinzutretender Personen eine Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums nicht mehr gewährleistet ist, wenn für jede dieser weiteren Personen eine um 20 % geringere Regelleistung berechnet wird. Die Annahme, dass der familiäre Zweipersonenhaushalt Einsparungen ermöglicht, aufgrund derer eine menschenwürdige Existenz auch mit auf 180 % der Regelleistung verminderten Leistungen gesichert ist, bewegt sich jedenfalls in dem Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers.

56

(3) Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, die Leistungen in der Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft - abweichend von in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partnerinnen und Partnern (vgl. damals § 20 Abs. 3 SGB II) - ungleich zu verteilen. Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II werden in der Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem erwachsenen Kind diesem nur 80 % der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II gewährt, dem Elternteil hingegen die volle Regelleistung. Auch hier ist der Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Beurteilung der tatsächlichen Verhältnisse und sein Gestaltungsspielraum bei der Art und Höhe der jeweiligen Leistungen zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 137, 34 <72 f. Rn. 76>). Es erscheint hinreichend plausibel, wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass Eltern in häuslicher Gemeinschaft auch mit einem erwachsenen Kind regelmäßig den überwiegenden Teil der Kosten von Wohnungsausstattung, Hausrat oder etwa einer Tageszeitung oder anderen Mediendienstleistungen tragen und auf genaue Abrechnungen wie unter Fremden verzichten (BTDrucks 16/688, S. 13 f. zu Nr. 2, Buchstabe b). Daher ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber in der Bedarfsgemeinschaft in § 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II für ein Kind einen geringeren Existenzsicherungsbedarf ansetzt als für den Elternteil.

57

bb) Es ist mit den Anforderungen des Grundgesetzes auch vereinbar, dass der Gesetzgeber die Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II auf erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ausgeweitet und deren Leistungshöhe nach dem Lebensalter bestimmt hat. Entgegen dem zentralen Einwand des Beschwerdeführers bestehen gegen die Einbeziehung erwachsener Kinder in die Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

58

(1) Der Anspruch auf existenzsichernde Leistungen ist nach Maßgabe von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG so auszugestalten, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers deckt (vgl. BVerfGE 87, 153 <172>; 91, 93 <111>; 99, 246 <261>; 120, 125 <155 und 166>; 125, 175 <224>; 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Der Bedarf muss damit auch für Menschen unterschiedlichen Alters realitätsgerecht bestimmt werden. So dürfen etwa Kinder nicht pauschal als "kleine Erwachsene" behandelt werden, sondern ihr Bedarf ist orientiert an tragfähigen Erkenntnissen sachgerecht zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 125, 175 <245 f., 249 f.>; 137, 34 <93 Rn. 123 f.>). Ein schlichter Verweis auf die Lebenserfahrung genügt für Differenzierungen in der Leistungshöhe nicht. Vielmehr muss der Gesetzgeber, wenn er Sozialleistungen nach dem Lebensalter staffelt, auf die alterstypische Entwicklung (vgl. BVerfGE 40, 121 <135 f.>) Rücksicht nehmen. Dabei hat er auch zu berücksichtigen, dass mit zunehmendem Alter eines Kindes sein Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe an Gewicht zunimmt (vgl. BVerfGE 59, 360 <387 f.>; 88, 87 <97 ff.>); der Gesetzgeber kann die Ausgestaltung der Sozialleistungen insoweit auch dann an den tatsächlichen Umständen orientieren, wenn die Betroffenen die Volljährigkeit erreicht haben und diese Rechte uneingeschränkt genießen.

59

(2) Mit diesen Anforderungen ist die Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II zu vereinbaren, wonach auch ein erwachsenes Kind bis zum vollendeten 25. Lebensjahr in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Elternteil geringere Leistungen erhält als ein über 25-jähriges Kind. Diese Altersgrenze der Einbeziehung von Kindern in die Bedarfsgemeinschaft ist sachlich begründbar. Der Gesetzgeber orientiert sich mit dem Ende des 25. Lebensjahres an einem häufigen, jedenfalls nicht untypischen Zeitpunkt des Erreichens ökonomischer Eigenständigkeit sowie am empirisch belegten längeren Verbleib von Kindern im Elternhaus (vgl. Statistisches Bundesamt, Datenreport 2006, Auszug aus Teil II "Lebenssituation von Jugendlichen und jungen Erwachsenen", S. 545 ff. und "Frauen und Männer in verschiedenen Lebensphasen", 2010, S. 10). Zwar trifft der Einwand des Beschwerdeführers und der Verbände zu, dass sich mit Vollendung des 25. Lebensjahres die Eltern-Kind-Beziehung nicht automatisch wesentlich ändert. Doch gilt dies für jede - auch für die vormalige, auf 18 Jahre gesetzte - Altersgrenze; denn die leibliche und seelische Entwicklung ist nicht an das numerische Alter gebunden, sondern einem individuell sehr unterschiedlichen Prozess unterworfen. Auch trifft es zu, dass die berufliche Ausbildung nicht immer mit einem bestimmten Lebensalter in dem Sinne abgeschlossen ist, dass Menschen dann ökonomisch auf eigenen Füßen stünden (vgl. zur Volljährigkeitsgrenze von damals 21 Jahren BVerfGE 44, 1 <19 f.>). Doch liegt es im Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers, eine Regelung zur Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen in Orientierung an der konkreten Bedürftigkeit der Leistungsberechtigten auf diese typisierende Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse zu gründen, die auch im Übrigen nicht sachwidrig erscheint. So trägt der Gesetzgeber mit der Grenze der Vollendung des 25. Lebensjahres auch dem Einwand der Verbände Rechnung, dass der Einstandswille von Eltern mit dem Alter ihrer Kinder abnimmt.

60

cc) Die angegriffene Entscheidung des Bundessozialgerichts und die ihr zugrundeliegenden Regelungen verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinem Grundrecht auf Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums, soweit sie bei der Bestimmung der Leistungshöhe unterstellen, sein Vater werde ihn in der Bedarfsgemeinschaft unterhalten, auch wenn es an einem korrespondierenden, rechtlich durchsetzbaren Unterhaltsanspruch fehlt.

61

(1) Der Beschwerdeführer hat keinen Unterhaltsanspruch nach §§ 1601 ff. BGB gegen seinen Vater, weil er eine Ausbildung abgeschlossen hat und der Vater nicht über Mittel in für die Unterhaltspflicht maßgeblicher Höhe verfügt. Damit besteht das Risiko einer Unterdeckung in der familiären Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft, wenn der Vater sich ernsthaft weigert, zur Existenzsicherung des Kindes beizutragen, elterliches Einkommen und Vermögen aber gleichwohl nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II bedarfsmindernd berücksichtigt wird. Folglich hat der Einwand, der Beschwerdeführer könne nur auf Leistungen verwiesen werden, die ihm auch tatsächlich zur Verfügung stünden, durchaus Gewicht. Existenzsichernde Leistungen müssen durch einen Anspruch gesichert sein (vgl. BVerfGE 125, 175 <223 f.>) und der Gesetzgeber muss dafür Sorge tragen, dass der existenzielle Bedarf tatsächlich gesichert ist und so die Gewährleistung einer menschenwürdigen Existenz nicht verfehlt wird (vgl. BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Daher müssen auftretende Unterdeckungen entweder ausgeglichen werden können oder es muss ein gesonderter Anspruch auf Ausgleich im Bedarfsfall bestehen (vgl. BVerfGE 137, 34 <76 Rn. 84>).

62

(2) Doch spricht es nicht grundsätzlich gegen die Anrechnung elterlichen Einkommens und Vermögens auf die Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz, dass das Kind nicht immer einen konkreten durchsetzbaren Unterhaltsanspruch in Höhe des angerechneten Einkommens hat. Die Anforderung, das Existenzminimum müsse durch einen Anspruch gesichert sein, bezieht sich auf das Erfordernis eines Parlamentsgesetzes zur Bestimmung der existenzsichernden Leistungen, weil diese nicht der freien Entscheidung der Verwaltung überlassen bleiben dürfen. Ein solches Gesetz ist hier mit dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und speziell mit den Regelungen in §§ 7, 9 und 20 SGB II vorhanden. Indem die gesetzlichen Bestimmungen zur Höhe des Anspruchs eine Anrechnung des elterlichen Einkommens vorsehen, wird der gesetzliche Anspruch auf Existenzsicherung nicht beseitigt, sondern nur der individuelle Leistungsanspruch gegen den Träger der Grundsicherung in Anknüpfung an die tatsächlichen Umstände beschränkt.

63

Dies begegnet auch in der Sache keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Gesetzgeber ist zur Bereitstellung von Mitteln zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz nur in dem Umfang verpflichtet, in dem die hierfür erforderlichen materiellen Mittel nicht aus eigener Erwerbstätigkeit, eigenem Vermögen oder durch Zuwendungen Dritter zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 125, 175 <222>). Er geht hier plausibel begründbar davon aus, dass die (ergänzende) Existenzsicherung durch Grundsicherungsleistungen nur in einem Umfang erforderlich ist, in dem sie nicht durch Mitglieder einer häuslichen und familiären Gemeinschaft erfolgt, weil anzunehmen ist, dass diese in besonderer Weise füreinander einstehen und bereit sind, ihren Lebensunterhalt auch jenseits zwingender rechtlicher Verpflichtungen gegenseitig zu sichern. Im Verhältnis zwischen Eltern und (volljährigen) Kindern im gemeinsamen Haushalt wird der Beschwerdeführer also nicht auf im Belieben Dritter stehende Almosen verwiesen, sondern auf Mittel innerhalb der Familie, bei denen der Gesetzgeber davon ausgehen darf, dass sie in familiärer Verbundenheit und Solidarität tatsächlich erbracht werden. Diese Einkommensanrechnung verletzt auch nicht die durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden (vgl. BVerfGE 61, 319 <347>; 99, 216 <231>; 133, 59 <84>), denn der Gesetzgeber knüpft hier für wirtschaftliche Rechtsfolgen - ohne die Familie zu diskriminieren - lediglich an die familiäre Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft an (vgl. BVerfGE 17, 210 <217>; 28, 324 <347>; 69, 188 <205 f.>; 75, 382 <393>). Grundsätzlich bestimmt § 3 Abs. 3 SGB II, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nur erbracht werden, wenn die Hilfebedürftigkeit nicht anderweitig beseitigt werden kann. Hier kann der Gesetzgeber davon ausgehen, dass einander nahestehende Menschen zur Sicherung ihrer Existenz typischerweise ihre vorhandenen Mittel - wie hier die Erwerbsunfähigkeitsrente des Vaters - miteinander teilen (vgl. BVerfGE 87, 234 <264 f.>).

64

(3) Entscheidend ist damit, dass eine Unterdeckung tatsächlich verhindert wird. Das ist vorliegend der Fall, weil das Kind im Fall der Verweigerung der Existenzsicherung durch den Vater entweder nicht in die Bedarfsgemeinschaft einbezogen und folglich kein Einkommen und Vermögen angerechnet wird, oder aber ein Auszug aus der häuslichen Gemeinschaft ohne leistungsrechtlich nachteilige Folge möglich ist.

65

(a) Stehen Eltern und Kinder im konkreten Fall tatsächlich nicht füreinander ein, greift die Fiktion einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihnen nicht. Zwar setzt die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft nach der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ausdrücklich keinen Einstandswillen voraus; gefordert wird jedoch nicht etwa nur das bloße Zusammenwohnen, sondern die Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen Haushalt. Von einer solchen kann nur ausgegangen werden, wenn Menschen tatsächlich füreinander einstehen. Der Gesetzgeber darf sich von der plausiblen Annahme leiten lassen, dass eine verwandtschaftliche Bindung in der Kernfamilie, also zwischen Eltern und Kindern, grundsätzlich so eng ist, dass ein gegenseitiges Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann und regelmäßig "aus einem Topf" gewirtschaftet wird (vgl. BVerfGE 75, 382 <394>; 87, 234 <256; 265>). Weigern sich Eltern aber ernsthaft, für ihre nicht unterhaltsberechtigten Kinder einzustehen, fehlt es an einem gemeinsamen Haushalt und damit auch an der Voraussetzung einer Bedarfsgemeinschaft; eine Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II scheidet dann aus (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R -, juris, Rn. 29).

66

(b) Das in der damals maßgeblichen Fassung des § 22 Abs. 2a SGB II (heute § 22 Abs. 5 SGB II) normierte Erfordernis, vor einem Umzug, mit dem ein Kind sich aus der Bedarfsgemeinschaft mit den Eltern löst, die Zustimmung des Leistungsträgers zur Berücksichtigung der künftigen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung einzuholen, steht der Anrechnung elterlichen Einkommens ebenfalls nicht entgegen. Dabei ist hier nicht zu entscheiden, ob es verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist, Bedürftigen bei Auszug aus der Wohnung einer Bedarfsgemeinschaft ohne Zustimmung des Leistungsträgers weiter nur 80 % der existenzsichernden Regelleistung für Alleinstehende und keinerlei Kosten der Unterkunft und Heizung zu zahlen, obgleich der existenznotwendige Bedarf stets zu sichern ist (vgl. BVerfGE 137, 34 <73 f. Rn. 77>). Der Beschwerdeführer will ausdrücklich nicht ausziehen und hat diese Regelung auch nicht mittelbar angegriffen. Die Vorgabe des (damaligen) § 22 Abs. 2a SGB II ist aber insofern zu berücksichtigen, als sie Teil der hier mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen gesetzgeberischen Entscheidung ist, auch erwachsene Kinder als Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil zu betrachten, und damit die Möglichkeit eines Kindes beschränkt wird, die volle Regelleistung ohne Anrechnung elterlichen Einkommens und Vermögens zu erlangen. Die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft in § 7 Abs. 3 Nr. 2 und 4 SGB II auf volljährige Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wurde zusammen mit dem Umzugsvorbehalt (damals) in § 22 Abs. 2a SGB II normiert, denn der Gesetzgeber wollte damit unerwünschte Anreizeffekte verhindern (vgl. BTDrucks 16/688, S. 14 zu Nr. 5, Buchstabe c und Nr. 6, Buchstabe a). Die Regelungen sollten ausweislich der Ausführungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag den Anreiz vermindern, durch Auszug in eine eigene Wohnung einen Anspruch auf die Regelleistung in voller Höhe zu erlangen (BTDrucks 16/688, S. 13 f.). Der Gesetzgeber mutet es den Betroffenen daher zu, bei einem Umzug ohne Zusicherung des Leistungsträgers bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres auch in einem eigenen Haushalt lediglich 80 % der Regelleistung für Alleinstehende und keine Leistungen für Unterkunft und Heizung zu erhalten. Zur Begründung heißt es, dass der Leistungsausschluss regelmäßig nur von kürzerer Dauer sei, da Jugendliche nach § 3 Abs. 2 SGB II unverzüglich in eine Arbeit, Ausbildung oder Arbeitsgelegenheit zu vermitteln seien (BTDrucks 16/688, S. 14).

67

Die Norm statuiert lediglich einen Vorbehalt, kein Verbot. In Fällen, in denen das Existenzminimum durch die Familie tatsächlich nicht gewährleistet wird, ist daher auch die Zustimmung zum Umzug im Wege der Zusicherung nach § 22 Abs. 2a SGB II - heute nach § 22 Abs. 5 SGB II - zu erteilen. Wenn es unüberbrückbare Zerwürfnisse zwischen Eltern und Kindern gibt oder die Eltern ernsthaft eine über die Unterhaltspflichten hinausgehende Unterstützung verweigern, trägt die Annahme wechselseitigen Einstehens füreinander offensichtlich nicht mehr. Die Vorschrift ist auch nach der fachgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 17/11 R -, juris, Rn. 30; Berlit, in: Münder, SGB II, 5. Auflage 2013, § 22 Rn. 149 ff.; Luik, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 186 ff.) so zu verstehen, dass an die Erteilung der Zusicherung auch unter angemessener Berücksichtigung des Selbstbestimmungsrechts des erwachsenen Kindes keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden dürfen. Damit wird die Möglichkeit, die Bedarfsgemeinschaft im Fall tatsächlich fehlender Unterstützung zu verlassen und dann Ansprüche auf Existenzsicherung in voller Höhe und auch hinsichtlich der Kosten für eine eigene Wohnung geltend zu machen, zwar erschwert, aber nicht verstellt. Verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen wäre das nur, wenn das Nachsuchen um die vorherige Zusicherung des Leistungsträgers unzumutbar wäre. Dafür ist nichts ersichtlich. Auch das Wissen um Missstände in Familien verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, sich am Regelfall zu orientieren, dass Mitglieder einer Familie füreinander einstehen. Zudem kann der Verbleib im elterlichen Haushalt über die Volljährigkeit hinaus als Indiz für die dort erfahrene (auch finanzielle) Unterstützung verstanden werden (oben C I 3 b bb (2), Rn. 59). Schließlich ist das Zusicherungserfordernis, das dazu dient, die eigene Bedürftigkeit nicht zu vergrößern, wenn sie zumutbar geringer gehalten werden kann, als Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts des Kindes zu rechtfertigen.

II.

68

Die unterschiedliche Ausgestaltung der Leistungen zur Existenzsicherung für unter- und über 25-jährige Kinder in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil sowie zwischen im elterlichen Haushalt lebenden volljährigen Kindern im Zweiten Buch und Zwölften Buch Sozialgesetzbuch ist mit den Anforderungen des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

69

1. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Anforderungen an den die Ungleichbehandlung tragenden Sachgrund ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen können. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus Freiheitsrechten ergeben. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind (stRspr; BVerfGE 139, 285 <309 Rn. 70 f.>). Ein solches Merkmal ist das Lebensalter (vgl. BVerfGE 60, 123 <133 f.>; 88, 87 <96 ff.>). Umgekehrt erweitern sich mit abnehmender Prüfungsstrenge die Gestaltungs- und Bewertungsspielräume des Gesetzgebers bei steigender "Typisierungstoleranz" (vgl. BVerfGE 133, 377 <413 Rn. 88>). Diese ist im Bereich der leistenden Massenverwaltung besonders groß.

70

2. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts und die mittelbar angegriffenen Regelungen genügen diesen Anforderungen.

71

a) Die mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffene Regelung über die Zugehörigkeit von erwachsenen Kindern zur Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern oder eines Elternteils in § 7 Abs. 3 Nr. 2 SGB II berührt das Selbstbestimmungsrecht des Kindes aus Art. 2 Abs. 1 GG und das Grundrecht auf freie Gestaltung des familiären Zusammenlebens aus Art. 6 Abs. 1 GG. Zudem knüpft der Gesetzgeber an das Lebensalter als individuell unverfügbares Merkmal an. Daher genügt zur Rechtfertigung der Unterscheidung zwischen unter- und über 25-jährigen Kindern nicht die schlichte Willkürfreiheit. Die Regelung hält jedoch auch strengeren Rechtfertigungsanforderungen stand. Sie verfolgt ein legitimes Ziel und ist zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich und angemessen.

72

Der Gesetzgeber bezieht erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres in die Bedarfsgemeinschaft ein, weil er damit das legitime Ziel verfolgt, Ansprüche auf Sozialleistungen in Schonung der Solidargemeinschaft an der konkreten Bedürftigkeit der leistungsberechtigten Personen auszurichten. Dafür ist die Orientierung am Zusammenleben und am Lebensalter geeignet, denn die Annahme, dass zusammenlebende Eltern und Kinder über das 18. Lebensjahr hinaus "aus einem Topf" wirtschaften, ist plausibel. Diese Berücksichtigung von Einsparungen durch gemeinsames Haushalten ist auch angezeigt, weil dies nicht notwendige Leistungen vermeidet. Ein milderes Mittel, das hier gleiche Effekte für die Schonung der Solidargemeinschaft erzielen könnte wie die Reduzierung der Regelleistung und die Berücksichtigung von Vermögen und Einkommen des Elternteils auf grundsätzlich anerkannte existenzsichernde Leistungen bis zu einer bestimmten Altersgrenze, ist nicht ersichtlich. Die Ungleichbehandlung zwischen über und unter 25-jährigen Kindern im elterlichen Haushalt ist auch zumutbar. Kommt es zu einer ernstlichen Verweigerung der Unterstützung, scheiden Kinder bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres aus der Bedarfsgemeinschaft mit der Folge aus, dass ihnen die volle Regelleistung zusteht und eine Einkommensanrechnung nicht stattfindet; sie dürfen dann ohne Anspruchsverluste ausziehen.

73

b) Die Ungleichbehandlung des Beschwerdeführers im Vergleich mit Personen, die Ansprüche aus anderen Sicherungssystemen haben, ist im Lichte der allgemeinen Anforderungen aus Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls zu rechtfertigen.

74

Der Gesetzgeber hat Leistungen zur Existenzsicherung für Eltern und Kinder in unterschiedlichen Leistungssystemen unterschiedlich ausgestaltet. Er behandelt hier den Beschwerdeführer im System des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit den Regeln der Bedarfsgemeinschaft zu seinem Nachteil anders als ein volljähriges Kind in der Einstandsgemeinschaft, wie sie im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch normiert ist. Dort wird Einkommen und Vermögen nicht über das 18. Lebensjahr hinaus angerechnet. Die Zielgruppen der jeweiligen Sicherungssysteme unterscheiden sich in einem Maße voneinander, das es bereits fraglich erscheinen lässt, ob überhaupt vergleichbare Sachverhalte vorliegen; jedenfalls sind unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich gerechtfertigt. Das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch erfasst Hilfebedürftige, die entweder insbesondere vorübergehend (Drittes Kapitel) oder dauerhaft voll erwerbsgemindert (Viertes Kapitel), deren Möglichkeiten, sich selbst zu unterhalten, also deutlich eingeschränkt sind. Deshalb hat der Gesetzgeber entschieden, dass Einkommen der Eltern nicht auf Leistungen an entsprechend erwerbsgeminderte, volljährige Kinder anzurechnen ist, die noch bei ihren Eltern wohnen, um so ihre Selbstständigkeit zu stärken. Demgegenüber zielt das Zweite Buch Sozialgesetzbuch auf Bedürftige, die ihren Lebensunterhalt grundsätzlich selbst sichern könnten. Die Leistungen zur Existenzsicherung werden vorübergehend gewährt und sie werden durch Leistungen zur Vermittlung in Arbeit ergänzt. Diese Unterschiede genügen, um auch unterschiedliche Anrechnungsregeln sachlich zu begründen.

D.

75

Soweit der angegriffene Satz von 80 % der Regelleistung (§ 20 Abs. 2 Satz 2 SGB II) von der bis zum 31. Dezember 2010 fortgeltenden vollen Regelleistung abgeleitet ist, bezieht er sich zwar auf einen Ausgangspunkt, der den Anforderungen des Grundgesetzes nicht entsprach (vgl. BVerfGE 125, 175 <227 ff.>). Die volle Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II galt jedoch trotz Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz bis zur Neuregelung fort (vgl. BVerfGE 125, 175 <255 f.>). Das Bundessozialgericht musste die Vorschrift damit auch insoweit seiner Entscheidung zugrunde legen. Die dann rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft getretene volle Regelleistung ist verfassungsgemäß (vgl. BVerfGE 137, 34 <36 f.>).

76

Im Übrigen sind die mittelbar angegriffenen Vorschriften der § 7 Abs. 3 Nr. 2, § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 20 Abs. 2 Satz 2 (heute § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2) SGB II mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) und, soweit daneben von Bedeutung, dem Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar, soweit es sich um eine Bedarfsgemeinschaft aus einem Elternteil und einem Kind handelt, diese tatsächlich zusammen leben und wirtschaften und auch ein Auszug für erwachsene Kinder ohne nachteilige Folgen möglich ist, falls in der Gemeinschaft aufgrund ernsthafter Weigerung tatsächlich keine menschenwürdige Existenz gesichert ist. Die Verfassungsbeschwerde ist daher zurückzuweisen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 30.4.2007.

2

Die am 8.8.1986 geborene Klägerin und ihr am 10.1.1990 geborener Bruder R sind die Kinder von M O Ihr leiblicher Vater lebt mit unbekanntem Aufenthalt in A Die Mutter heiratete 1998 A O, die Klägerin und ihr Bruder tragen den Namen des Stiefvaters. Die Klägerin, ihr Bruder R, die Eheleute sowie deren am 22.1.1995 und am 27.12.1995 geborenen gemeinsamen Kinder P und Ry wohnten im streitigen Zeitraum in einem im Eigentum der Eheleute stehenden Haus mit einer Wohnfläche von 231,58 qm, für das monatliche Wohnkosten (inklusive Heizung) in Höhe von 1120,36 Euro anfielen.

3

Die Klägerin absolvierte ein Berufskolleg und anschließend bis zum 31.12.2006 ein Praktikum. Zum 1.7.2007 zog sie zu einer Freundin, nachdem ihr Stiefvater sie aufgefordert hatte, den gemeinsamen Haushalt zu verlassen. Seit dem 1.8.2007 wohnte sie wieder im Haus der Eltern, wobei nach ihrem Vortrag von diesem Zeitpunkt an die Zahlung von 385 Euro monatlich an die Eltern (185 Euro als Kosten der Unterkunft und 200 Euro als Kostgeld) vereinbart war.

4

Am 5.12.2006 beantragten die Klägerin und ihr Bruder R, die bis dahin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bezogen hatten, bei der Rechtsvorgängerin des Beklagten die Fortzahlung dieser Leistungen ab dem 1.1.2007. Die Mutter gab in diesem Zusammenhang an, sie erhalte von ihrem Ehemann monatlich 650 Euro Haushaltsgeld und 600 Euro für die Klägerin und R als Darlehen, da die Zahlungen des Beklagten nicht immer pünktlich gewesen seien. Sie habe im Übrigen kein eigenes Einkommen. Der Stiefvater erklärte, er habe die Klägerin und ihren Bruder bisher finanziell nicht unterstützt und werde dies auch weiterhin nicht tun.

5

Der Stiefvater bezog im streitigen Zeitraum ein monatliches Bruttoerwerbseinkommen in Höhe von 3819,36 Euro monatlich brutto inklusive eines Gehaltsbestandteils "Besitzstand Kind" von 362,28 Euro. Auf seiner Steuerkarte waren vier Kinderfreibeträge eingetragen. Von dem Nettobetrag in Höhe von 2536,12 Euro (nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) wurden weitere Beiträge für Vermögensbildung sowie für eine RZVK-Zusatzrente (in Höhe von 150 Euro) und ein Firmenticket (in Höhe von 47,50 Euro) abgezogen. Daneben zahlte der Dienstherr ihm Kindergeld in Höhe von monatlich insgesamt 641 Euro aus, sodass der Auszahlbetrag im Februar 2007 insgesamt 2939,62 Euro betrug. Für die übrigen Monate ergaben sich teilweise geringfügig höhere Beträge. Die Klägerin und ihr Bruder waren im streitigen Zeitraum über ihren Stiefvater in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert.

6

Der Beklagte lehnte die Anträge der Klägerin und ihres Bruders R unter Hinweis auf die Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft ihrer Mutter und deren Ehemannes ab, in der der Bedarf durch das Einkommen des Stiefvaters gedeckt sei (Bescheid vom 23.1.2007; Widerspruchsbescheid vom 18.4.2007).

7

Im Laufe der hiergegen von der Klägerin und ihrem Bruder R geführten Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Köln hat der Beklagte mit angenommenem Teilanerkenntnis vom 18.12.2007 die angefochtenen Bescheide geändert und der Klägerin für die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 30.6.2007 monatliche Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 3 Euro bewilligt. Im Übrigen hat das SG die Klagen abgewiesen (Urteil vom 18.12.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen der Klägerin und ihres Bruders zurückgewiesen (Urteil vom 22.7.2010). Die Klägerin sei Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft, zu der neben ihr ihre Mutter, ihr Stiefvater und ihre (Halb)Geschwister gehörten. Sie könne ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten, da sie außer dem Kindergeld über keine eigenen Einkünfte verfüge. Allerdings sei über § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II das Einkommen des Stiefvaters zu berücksichtigen. Ohne Belang sei, ob sich im Verhältnis des Stiefvaters zu ihr ein Einstandswille feststellen ließe. Die § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II zugrunde liegende Typisierung, dass für die der Bedarfsgemeinschaft angehörenden Kinder ausreichende finanzielle Mittel durch das Zusammenleben mit dem Partner des Elternteils zur Verfügung stehen, treffe auf die Klägerin zu. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Klägerin - wie ihrem Bruder R von ihrem Stiefvater faktisch Unterhalt gewährt worden sei. Sie habe freie Unterkunft erhalten. Der Krankenversicherungsschutz sei im Rahmen der Familienversicherung sichergestellt gewesen. Der Stiefvater habe andererseits die steuerrechtlichen Möglichkeiten durch Eintragung von Steuerfreibeträgen genutzt und einen Gehaltsbestandteil "Besitzstand Kind" erhalten. Darüber hinaus habe die Mutter der Klägerin mit einem Großteil des den Klägern zustehenden Kindergeldes und weiteren 650 Euro Haushaltsgeld für sämtliche Familienmitglieder gewirtschaftet und insbesondere für die Verpflegung der gesamten Familie gesorgt. Der Stiefvater habe stets betont, dass er sich für die gesamte Familie verantwortlich fühle und lediglich finanziell nicht für die Klägerin und ihren Bruder R aufkommen wolle. Ein Indiz für die gelebte Gemeinsamkeit sei auch der gemeinsame Familienname, der nach außen keine Differenzierung zwischen den Kindern der "Patchworkfamilie" mehr möglich mache.

8

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin. Sie macht geltend, § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II verstoße so, wie ihn das LSG ausgelegt habe, gegen Verfassungsrecht. Ein Haushalt bestehe ausschließlich mit ihrer Mutter. Ihr Recht auf Sicherstellung des Existenzminimums durch den Staat aus Art 1 iVm Art 20 Grundgesetz (GG) werde verletzt. Obwohl ihr der Anspruch auf Sozialleistungen mit Verweis auf das Einkommen ihres Stiefvaters genommen werde, gebe es keine Anspruchsgrundlage zur Geltendmachung von Unterhalt ihm gegenüber. Er gewähre ihr tatsächlich aber keinen Unterhalt. Auch wenn er finanzielle Vorteile durch das Zusammenleben mit ihr habe, kompensierten diese Vorteile die Lasten nicht annähernd. Die gesetzgeberische Annahme einer uneingeschränkten Einstandspflicht des Stiefelternteils für seine Stiefkinder entspreche nicht der Lebenswirklichkeit, insbesondere wenn dieser und seine leiblichen Kinder bei einem finanziellen Einstehen für die Stiefkinder selbst auf Sozialhilfeniveau leben müssten. Die Regelung sei unverhältnismäßig. Es sei nicht ersichtlich, weshalb das gesetzgeberische Ziel, die Besserstellung unverheirateter Partner gegenüber Stiefeltern in § 9 Abs 5 SGB II alte Fassung (aF) zu beseitigen, nicht mit einer Aufnahme der unverheirateten Partner in § 9 Abs 5 SGB II aF hätte erreicht werden können. Ihre allgemeine Handlungsfreiheit werde verletzt. Solange sie mit ihrer Mutter und dem Stiefvater in einem gemeinsamen Haushalt lebe, würden ihr staatliche Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums nicht gewährt. Überdies sei ihre Gleichbehandlung mit leiblichen Kindern unzulässig, weil ihr anders als diesen kein zivilrechtlich statuierter und durchsetzbarer Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Stiefvater zur Seite stehe.

9

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 22. Juli 2010 und des Sozialgerichts Köln vom 18. Dezember 2007 zu ändern sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2007 in der Fassung durch das Teilanerkenntnis vom 18. Dezember 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis zum 30. April 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von monatlich 337,89 Euro zu gewähren.

10

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er ist der Auffassung, die Klägerin sei als Volljährige anders als minderjährige Kinder in der Lage, ihren Verbleib in der Bedarfsgemeinschaft selbstständig zu bestimmen. Falls die Klägerin tatsächlich ihr Existenzminimum in der Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Stiefvater gefährdet gesehen habe, sei sie rechtlich nicht gehindert gewesen, sich eine eigene Wohnung zu suchen. Dann liege jedenfalls ein schwerwiegender sozialer Grund iS des § 22 Abs 2a Satz 2 Nr 1 SGB II vor. Entscheide sie sich dennoch für einen Verbleib in der Bedarfsgemeinschaft, sei dies die Kehrseite der allgemeinen Handlungsfreiheit.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision ist unbegründet. Ein Anspruch auf (höhere) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ergibt sich nicht. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass die Klägerin nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft zwischen ihrer Mutter, deren Partner und den übrigen Geschwistern ist. Damit kommt zu ihren Lasten die Regelung des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II zur Anwendung mit dem Ergebnis, dass ihr Bedarf - wie der Bedarf der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft - durch das Einkommen des Stiefvaters gedeckt ist (im Einzelnen unter 2). Die zur Anwendung kommenden Regelungen verstoßen weder gegen Art 1 iVm Art 20 GG (dazu unter 3) noch gegen Verfassungsrecht im Übrigen (dazu unter 4).

13

1. Streitgegenstand sind allein höhere Leistungen an die Klägerin für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum 30.4.2007. Soweit der Bruder der Klägerin im Klage- und Berufungsverfahren eigene Ansprüche geltend gemacht hat, ist das Verfahren nach Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Senat mit Beschluss vom 15.12.2010 rechtskräftig abgeschlossen. Die ursprüngliche Ablehnung der Leistungen zur Gänze hat der Beklagte mit (angenommenem) Teilanerkenntnis vom 18.12.2007 dahin geändert, dass er der Klägerin vom 1.1.2007 bis zum 30.6.2007 Leistungen in Höhe von monatlich 3 Euro gewährt hat. Darüber hinaus hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Streitgegenstand weitergehend auf die Zeit vom 1.1.2007 bis zum 30.4.2007 beschränkt, nachdem die Beteiligten zuvor einen Teilvergleich betreffend den Zeitraum vom 1.5.2007 bis zum 30.6.2007 geschlossen haben. Gegenstand des Rechtsstreits ist damit nur (noch) der Bescheid vom 23.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2007. Der auf einen erneuten Antrag für Zeiträume ab dem 1.5.2007 ergangene Bescheid vom 22.6.2007, über den das LSG mitentschieden hat, ist dagegen nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens, denn er trifft keine Regelung für den noch streitigen Zeitraum.

14

2. Ein Anspruch auf (höhere) Leistungen besteht für die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Buch Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Die Klägerin erfüllt nach den Feststellungen des LSG zwar die in Abs 1 Nr 1, 2 und 4 genannten Voraussetzungen. Sie ist aber nicht hilfebedürftig iS des § 7 Abs 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 und 2 SGB II, sodass über das die Klägerin (rechtswidrig) begünstigende Anerkenntnis des Beklagten in Höhe von 3 Euro monatlich hinaus ein Anspruch nicht besteht.

15

a) Zur Ermittlung der Hilfebedürftigkeit hat das LSG in einem ersten Schritt den monatlichen Bedarf der Klägerin im streitigen Zeitraum zutreffend ermittelt, indem es gemäß § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II in der vorliegend maßgeblichen Fassung durch das Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 24.3.2006 (SGB II-ÄndG ) für die Klägerin als "sonstige erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft" (dazu sogleich) 276 Euro als monatliche Regelleistung zu Grunde gelegt und hierzu den auf sie entfallenden Kopfteil der Unterkunftskosten (1/6 von 1120,36 Euro) addiert hat. Von diesem Gesamtbedarf in Höhe von 462,73 Euro ist in einem ersten Schritt das für sie gezahlte Kindergeld (154 Euro abzüglich einer Versicherungspauschale) abzusetzen (vgl § 11 Abs 1 Satz 4 SGB II iVm § 3 Nr 1 Alg II-V), sodass ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 338,73 Euro verbleibt.

16

b) Den so ermittelten Bedarf kann die Klägerin zwar nicht durch eigenes Einkommen und Vermögen decken. Zutreffend hat das LSG aber entschieden, dass die Klägerin einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihren (Halb)Geschwistern nach § 7 Abs 3 Nr 1, 3 und 4 SGB II in der ab dem 1.7.2006 geltenden Fassung durch das SGB II-ÄndG angehört und deshalb das Einkommen ihres Stiefvaters nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II in der seit dem 1.8.2006 geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006 (BGBl I 1706) bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen ist.

17

Gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II gehören zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den § 7 Abs 3 Nr 1 bis 3 SGB II genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen beschaffen können.

18

Eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 1 und 3 SGB II besteht - insoweit von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogen - zwischen den Eheleuten O, die nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG beide im streitigen Zeitraum erwerbsfähig sind, das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und (bei gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland) nicht dauernd getrennt in einem Haushalt leben.

19

Die Klägerin gehört nach § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II als unter 25-jähriges, leibliches Kind eines der erwerbsfähigen Partner dieser Bedarfsgemeinschaft an, weil sie zum einen - wie bereits dargelegt - in Ansehung ihres eigenen Einkommens und Vermögens hilfebedürftig ist. Daneben ist entscheidend, dass sie dem Haushalt der Mutter (der gemeinsam mit deren Ehemann besteht) angehört, der sich als Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt (im Einzelnen unter 3).

20

c) Der zu ermittelnde monatliche Gesamtbedarf dieser Bedarfsgemeinschaft beträgt 2097,36 Euro. Neben dem Bedarf der Klägerin umfasst er den Bedarf ihrer Mutter und ihres Stiefvaters in Höhe von jeweils 497,73 Euro (Regelleistung in Höhe von 311 Euro zuzüglich Unterkunftskosten), ihres Bruders R in Höhe von 308,73 Euro, ihres älteren Halbbruders in Höhe von 239,72 Euro und ihres jüngeren Halbbruders in Höhe von 214,72 Euro. Dabei ist auch bei den minderjährigen Kindern, die ihren Bedarf nicht vollständig aus eigenem Einkommen und Vermögen decken können, das für sie gezahlte Kindergeld bereits bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen, anders als bei der volljährigen Klägerin aber keine Versicherungspauschale abzusetzen (vgl zuletzt BSG vom 16.2.2012 - B 4 AS 89/11 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 19 mwN).

21

d) Dieser Gesamtbedarf ist durch das (bereinigte) Einkommen des erwerbstätigen Partners der Bedarfsgemeinschaft, also des Stiefvaters der Klägerin, vollständig gedeckt. Auszugehen ist vom Nettoerwerbseinkommen in Höhe von 2536,12 Euro (Bruttoeinnahmen abzüglich Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) bereinigt um die weiteren Absetzungen gemäß § 11 Abs 2 SGB II. Dies sind nach den Feststellungen des LSG die Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 SGB II iVm § 3 Abs 1 Nr 1 Alg II-V), die Kosten für die Fahrkarte in Höhe von 47,50 Euro (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr 5 SGB II iVm § 3 Abs 1 Nr 3a Alg II-V) und Beiträge zur Riester-Rente (§ 11 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II). Offen bleiben kann, ob und ggf inwieweit die Beiträge zur Riester-Rente vorliegend den in § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB II in Bezug genommenen Mindesteigenbeitrag nach § 86 des Einkommensteuergesetzes (EStG) übersteigen. Das zu dessen Ermittlung erforderliche Jahreseinkommen des Vorjahres hat das LSG nicht mitgeteilt. Jedenfalls verbleibt nach Abzug des Erwerbstätigen-Freibetrages nach § 30 SGB II in Höhe von 210 Euro ein zu berücksichtigendes Einkommen von 2098,62 Euro, das den Gesamtbedarf übersteigt. Der Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II in Höhe von 100 Euro geht dabei in den Absetzbeträgen nach Satz 1 Nr 3 bis 5 auf und ist nicht gesondert abzuziehen(vgl § 11 Abs 2 Satz 3 SGB II).

22

3. Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG, das jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zusichert, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind (dazu Bundesverfassungsgericht Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua - BVerfGE 125, 175 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12), ist durch die Einbeziehung volljähriger Kinder in die Bedarfsgemeinschaft ihres leiblichen Elternteils und dessen Partner und die Folgeregelungen des § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II und § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II nicht verletzt.

23

a) Der Gesetzgeber knüpft nicht an jedes Zusammenleben von einander nicht zur materiellen Unterstützung verpflichteten Personen unter einem Dach die dargestellten Rechtsfolgen, sondern lediglich an das Zusammenleben in einer Bedarfsgemeinschaft. Die Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 SGB II ist im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG zur Bedürftigkeitsprüfung im Recht der Arbeitslosenhilfe bei eheähnlichen Gemeinschaften im Ausgangspunkt als eine Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft zu verstehen, die über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht(vgl BVerfG Urteil vom 17.11.1992 - 1 BvL 8/87 - BVerfGE 87, 234 = SozR 3-4100 § 137 Nr 3). Im Anschluss an diese Rechtsprechung schließt der Gesetzgeber bei Vorliegen bestimmter typisierter (familiär geprägter) Lebensumstände auf (typisierte) Haushaltseinsparungen und Unterstützungsleistungen innerhalb der Gemeinschaft, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur noch in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen lassen. Vor dem Hintergrund der dargestellten staatlichen Verpflichtung aus Art 1 iVm Art 20 GG bedarf es indes einer besonderen Rechtfertigung, weshalb typisierend von so engen Bindungen ausgegangen werden kann, dass von den Mitgliedern dieser Gemeinschaft ein Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann. Eine entsprechende gesetzgeberische Typisierung muss in den Lebensumständen der (ansonsten ggf) hilfebedürftigen Personen im Einzelfall ihren Niederschlag finden.

24

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats genügt bei einem minderjährigen Kind das rechtliche Band zwischen ihm und seinem leiblichen Elternteil als Grundlage für die gesetzgeberische Typisierung, die der Einbeziehung des minderjährigen Kindes in die Bedarfsgemeinschaft zwischen erwachsenen Partnern zugrunde liegt (BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7). Die gesteigerte Elternverantwortung des einen Partners gegenüber dem minderjährigen Kind (vgl § 1626 Abs 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch) und das Wissen des anderen Partners um diese Pflicht werden von vornherein Grundlage des Zusammenlebens der Partner und der Lebensgestaltung in der Bedarfsgemeinschaft sein. Hieran darf der Gesetzgeber die Vermutung knüpfen, das gemeinsame Wirtschaften unter diesen Voraussetzungen beeinflusse auch die tatsächlichen Lebensumstände der minderjährigen Kinder der Partner. Kommen die erwachsenen Partner der gesetzgeberischen ("typisierten") Erwartung nicht nach, für das minderjährige Kind zu sorgen, ist (nur) zu prüfen, ob die Bedarfsgemeinschaft zwischen ihnen (fort)besteht. Nur die entsprechende partnerschaftliche Bindung zwischen den Erwachsenen, nicht auch ein gesonderter "Einstandswille" gegenüber den minderjährigen Kindern des Partners, bedarf der Überprüfung im Einzelfall.

25

bb) Auch bei volljährigen Kindern kommt als gesetzgeberische Rechtfertigung für die Einbeziehung in eine Bedarfsgemeinschaft ihrer Eltern bzw eines Elternteils, an die die Rechtsfolgen des § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II und (seit dem 1.8.2006) des § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II geknüpft sind, nur das besondere Eltern-Kind-Verhältnis in Betracht. Allerdings reicht im Hinblick auf ein Eltern-Kind-Verhältnis bei volljährigen Kindern der Hinweis auf die elterliche Sorge nicht aus. Die entsprechenden Verpflichtungen der leiblichen Eltern entfallen im Grundsatz mit Vollendung des 18. Lebensjahres, auch wenn die engen Eltern-Kind-Beziehungen im Übrigen nicht kalendermäßig mit dem Eintritt der Volljährigkeit enden.

26

Für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft eines erwachsenen Kindes im Verhältnis zu seinen (leiblichen) Eltern ist damit entscheidend die Zugehörigkeit zum Haushalt des Elternteils (vgl bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23 RdNr 19). Das Bundessozialgericht (BSG) hat das Tatbestandsmerkmal der "Haushaltsaufnahme" von Kindern (das sich etwa in § 2 Abs 1 Bundeskindergeldgesetz, in § 56 Abs 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch oder in § 48 Abs 3 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch findet) im Laufe der Zeit mit unterschiedlichen Formulierungen umschrieben und hat insoweit zuletzt auf das Bestehen einer Familiengemeinschaft abgestellt, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt (vgl zu § 48 SGB VI BSG Urteil vom 31.1.2002 - B 5 RJ 34/01 R - SozR 3-2600 § 48 Nr 6 S 33 mwN). Die Herstellung einer lediglich räumlichen Verbindung im Sinne einer Duldung der Anwesenheit in der Wohnung genügt dagegen nicht (vgl bereits BSGE 29, 292, 293; BSGE 45, 67, 69). Dieser Auslegung schließt sich der Senat für das Recht der Grundsicherung an. Ein weitergehendes Verständnis des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II dahin, dass jedes Zusammenwohnen erwachsener Kinder mit ihren Eltern unter einem Dach unterschiedslos ein entsprechendes Einstehen für einander zur Folge hat, kann vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG zur eheähnlichen Gemeinschaft nicht als verfassungsgemäß angesehen werden.

27

Dabei geht es allerdings ausschließlich um die Beschreibung der Zugehörigkeit eines volljährigen Kindes zum Haushalt des leiblichen Elternteils. Wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, kommt es zur Auslegung des Begriffes "Kind" in § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II unmittelbar nicht auf die in § 32 Abs 1, § 63 EStG bzw § 2 Abs 1 BKGG normierte Stief- bzw Pflegeelternbeziehung an(BSG Urteil vom 29.3.2007 - B 7b AS 12/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 3 RdNr 14 und BSG Urteil vom 27.1.2009 - B 14/7b AS 8/07 R - SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 14). Ist das Kind also in den Haushalt des leiblichen Elternteils aufgenommen, gehört es der über diesen Elternteil vermittelten Bedarfsgemeinschaft zwischen den Partnern an, ohne dass es einer weitergehenden Prüfung der familienhaften Beziehungen zwischen Kind und Stiefelternteil bedarf. Ein zusätzlicher Einstandswille seitens des Stiefelternteils ist auch bei erwachsenen Stiefkindern nicht zu fordern (vgl zum minderjährigen Kind bereits BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 30).

28

Mit dieser Auslegung des Begriffs "dem Haushalt angehörenden" Kinder werden nur solche (auch faktische) Elterngemeinschaften erfasst, in denen einerseits die Bindungen zwischen Elternteil und Partner so eng sind, dass von ihnen ein gegenseitiges - auch wirtschaftliches - Einstehen in den Not- und Wechselfällen des Lebens erwartet werden kann (BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 46) und in denen andererseits zumindest zwischen leiblichem Elternteil und erwachsenem Kind über das bloße Zusammenleben hinaus eine weitergehende Familienbeziehung erkennbar wird. Dies ist notwendig, aber auch ausreichend für die gesetzgeberische Annahme, dass das Existenzminimum in solchen Gemeinschaften auch durch das Einkommen und Vermögen des Stiefelternteils gesichert ist.

29

cc) Ist die Haushaltsaufnahme einmal erfolgt, kann sie vom Elternteil oder vom volljährigen Kind durch willentliches Verhalten dadurch beendet werden, das die Voraussetzungen mindestens eines der drei genannten Kriterien für die Begründung der Haushaltsaufnahme dauerhaft nicht mehr erfüllt wird (vgl erneut zu § 48 SGB VI BSG Urteil vom 30.8.2001 - B 4 RA 109/00 R - SozR 3-2600 § 48 Nr 5 S 29). Auch bei einem Zusammenleben unter einem Dach (nicht notwendigerweise in getrennten Wohnungen) kann bei erwachsenen Kindern damit von getrennten Haushalten und also zwei Bedarfsgemeinschaften auszugehen sein.

30

Dies macht der vorliegende Fall anschaulich, denn die Konflikte haben hier zumindest vorübergehend zu einer Auflösung des gemeinsamen Haushalts und damit der Bedarfsgemeinschaft geführt. Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass die mit dem SGB II-ÄndG zum 1.4.2006 bzw 1.7.2006 eingeführten, einschränkenden Regelungen des § 22 Abs 2a SGB II(nunmehr § 22 Abs 5 SGB II) und des § 20 Abs 2a SGB II(nunmehr § 20 Abs 3 SGB II) vorliegend für die Zeit ab dem 1.7.2007 keine Anwendung finden konnten. Ein Konflikt zwischen den Mitgliedern einer Bedarfsgemeinschaft, der in der (ernstlichen) Weigerung einer materiellen und/oder immateriellen Unterstützung der Eltern für ihre erwachsenen Kinder mündet, berechtigt (volljährige) Kinder und Eltern zur grundsicherungsrechtlich folgenlosen Auflösung des gemeinsamen Haushalts. Nur eine entsprechend enge Auslegung des § 22 Abs 2a SGB II wahrt die von Verfassungs wegen zu schützenden Belange der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft.

31

b) Die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Zugehörigkeit zum Haushalt ergibt auf Grundlage der Feststellungen des LSG vorliegend, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum in den Haushalt ihrer Mutter aufgenommen war. Diese Feststellungen des LSG hat die Klägerin im Revisionsverfahren nicht mit zulässigen Rügen angegriffen.

32

Das Bestehen einer gemeinsamen Familienwohnung ist von der Klägerin eingeräumt. Die Mutter leistete auch materielle Unterstützung. Sie hat als Miteigentümerin des Hauses gemeinsam mit ihrem Mann der Klägerin dort eine kostenfreie Unterkunft eingeräumt. Sie sorgte mit dem Haushaltsgeld in Höhe von 650 Euro im Einverständnis mit ihrem Partner für die Mahlzeiten der Klägerin. Vorliegend hat im Übrigen auch der Stiefvater einen nicht unerheblichen Teil an materieller Unterstützung durch die Vermittlung eines Krankenversicherungsschutzes geleistet. Soweit er nunmehr vorträgt, die Klägerin (entgegen der Voraussetzung in § 10 Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch) tatsächlich nicht überwiegend unterhalten zu haben, ist dies für die vorliegende Entscheidung im Ergebnis ohne Belang. Für die Leistungsgewährung nach dem SGB II ist (wie auch für die Haushaltsaufnahme im Sinne der zitierten Rechtsprechung) unerheblich, ob und wie Unterhaltsansprüche nach bürgerlichem Recht gegen ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft bestehen und ggf realisiert werden. Folglich können gesetzgeberische Typisierungen im SGB II nicht an das Bestehen von Unterhaltspflichten geknüpft werden (vgl BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23 RdNr 16). Deshalb ist aber auch unerheblich, ob die Klägerin im vorliegenden Fall ihrer Mutter gegenüber Unterhaltspflichten geltend machen könnte und dass solche Verpflichtungen dem Stiefvater gegenüber (unmittelbar) nicht bestehen.

33

Auch die immaterielle Zuwendung im Sinne eines familienhaften Bandes hat nach den Feststellungen des LSG zwischen der Klägerin und der Mutter über den Eintritt der Volljährigkeit hinaus bestanden. Anzuknüpfen ist insoweit an das bis zum Eintritt der Volljährigkeit bestehende Betreuungs- und Erziehungsverhältnis des leiblichen Elternteils zum Kind, das mit zunehmendem Alter des Kindes abnimmt. Bei gemeinschaftlichem Zusammenleben unter einem Dach nach Eintritt der Volljährigkeit wird gleichwohl eine enge familiäre Verbundenheit mit der entsprechenden elterlichen Zuwendung (etwa eine Unterstützung bei Entscheidungen hinsichtlich der Berufswahl, im Umgang mit Behörden etc) eine gewisse Zeit lang über den Eintritt der Volljährigkeit fortbestehen. Die der Altersgrenze des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II zugrunde liegende gesetzgeberische Typisierung, dies könne bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres regelhaft angenommen werden, hat der Senat nicht beanstandet (vgl bereits BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23). Die Überprüfung im Einzelfall ergibt nach den Feststellungen des LSG auch vorliegend, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum nicht lediglich im Haus der (Stief)Eltern geduldet, sondern in den Familienverband eingebunden war. Vorliegend ist nach den Feststellungen des LSG eine Verantwortlichkeit nicht nur der Mutter, sondern auch des Stiefvaters für alle Kinder erkennbar geworden. Lediglich der Wille des Stiefvaters, für die Klägerin (und ihren minderjährigen Bruder) uneingeschränkt materiell sorgen zu wollen, ist bestritten worden, was allein das immaterielle Band zwischen der Klägerin und ihrer Mutter nicht entfallen lässt. Erst mit dem Auszug der Klägerin zum 1.7.2007 sind Konflikte mit dem Stiefvater offenbar geworden, die typischerweise auch das Verhältnis zwischen leiblichem Elternteil und Kind nicht unbeeinträchtigt lassen. Im streitigen Zeitraum sind dagegen keine solchen Anhaltspunkte erkennbar geworden, die die entsprechende Verbundenheit zwischen der Klägerin und ihrer Mutter haben entfallen lassen.

34

4. Die Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft um erwachsene Kinder bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres mit der gesetzlichen Folge des § 20 Abs 2 Satz 2 SGB II (auf 80 vom Hundert abgesenkter Regelbedarf trotz Volljährigkeit) einerseits und die Einbeziehung auch des Einkommens und Vermögens von (echten oder faktischen) Stiefelternteilen in die Bedarfsprüfung bei solchen Bedarfsgemeinschaften nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II andererseits erweisen sich auch im Übrigen als verfassungsgemäß. Die allgemeine Handlungsfreiheit der Klägerin (Art 2 Abs 1 GG), der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG und der Schutz von Ehe und Familie (Art 6 Abs 1 GG) sind nicht verletzt. Im Kern ergibt sich kein Unterschied zu den entsprechenden Konstellationen beim minderjährigen Kind (dazu BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7) und der Bedarfsgemeinschaft von volljährigen Kindern allein mit ihren leiblichen Eltern (dazu BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23).

35

a) Die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs 1 GG ist durch § 7 Abs 3 Nr 4 iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II nicht verletzt(dazu bereits BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 38 ff). Zwar beeinflusst der über § 7 Abs 3 Nr 4 iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II (mittelbar) ausgeübte finanzielle Druck die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in ihrer gemeinsamen Lebensgestaltung, wobei von der Rechtsordnung Konflikte innerhalb der Bedarfsgemeinschaft in Kauf genommen werden. Diese Beeinträchtigungen der Handlungsfreiheit der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft durch § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II erweist sich aber vor Hintergrund des mit der Gewährung von Fürsorgeleistungen in sachlichem Zusammenhang stehenden Zwecks, Personen von der Gewährung staatlicher Hilfen zur Sicherung des Existenzminimums auszuschließen, die dieser Hilfe nicht bedürfen, als verhältnismäßig. Mit der Ausgestaltung der Bedarfsgemeinschaft zwischen erwachsenen Partnern in § 7 Abs 3 Nr 3 SGB II zum einen und der Anknüpfung das Tatbestandsmerkmals der Haushaltsaufnahme in § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II zum anderen, führt nicht jede Wohn- und Lebensgemeinschaft zu einer Bedarfsgemeinschaft. Wie bereits dargelegt, ist vor allem § 22 Abs 2a Satz 2 Nr 1 SGB II aF (und damit auch § 20 Abs 2a SGB II aF) dahin auszulegen, dass die ernstliche Weigerung der Verteilung der Mittel durch die Eltern bzw den Elternteil einen schwerwiegenden Konflikt im Sinne dieser Vorschrift darstellt, der zur grundsicherungsrechtlich folgenlosen Auflösung des gemeinsamen Haushalts berechtigt. Macht die junge Erwachsene - wie vorliegend - von diesem Entscheidungsrecht keinen Gebrauch, verknüpft der Gesetzgeber damit zulässig die Vermutung, sie könne ihren Hilfebedarf ganz oder teilweise durch innerhalb der Bedarfsgemeinschaft vorhandenes Einkommen oder Vermögen decken.

36

Die wirtschaftlichen Folgen der Einbeziehung nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft werden durch die Regelungen über die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ausreichend abgemildert, was der Senat bereits im Einzelnen ausgeführt hat(vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 42 f). Die weitergehenden, im EStG normierten Vorteile für miteinander verheiratete Partner, die wie § 7 Abs 3 SGB II an die Erwartung der finanziellen Unterstützung des Stiefkindes anknüpfen, hat der Stiefvater für sich in Anspruch genommen. Für die Annahme einer besonderen finanziellen Härte (vgl BSG Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R, aaO RdNr 44) gibt auch der vorliegende Sachverhalt keine Anhaltspunkte.

37

b) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG ist nicht verletzt. Auch insoweit ist auf die Ausführungen des Senats zur Bedarfsgemeinschaft mit minderjährigen Kindern (Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R - BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7 RdNr 45 ff) sowie zu Bedarfsgemeinschaften zwischen alleinstehenden Elternteilen mit volljährigen Kindern (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 51/09 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 23 RdNr 18 ff) zu verweisen. Die Bedarfsgemeinschaft erweist sich nach der vom Senat vorgenommenen Auslegung des § 7 Abs 3 Nr 1, 3 und 4 SGB II als ein familienähnliches Band, das über die in § 9 Abs 5 SGB II geforderte Haushaltsgemeinschaft hinausgeht (zum Begriff BSG Urteil vom 19.2.2009 - B 4 AS 68/07 R - BSGE 102, 258 ff = SozR 4-4225 § 1 Nr 1 RdNr 13; Urteil vom 27.1.2009 - B 14 AS 6/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 6 RdNr 15; Urteil vom 18.2.2010 - B 14 AS 32/08 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 9 RdNr 21). Indem § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II - ausgedrückt in dem Merkmal der auch immateriellen Unterstützung - typisierend das Erfordernis einer Kernfamilienbindung zwischen Kind und Elternteil aufstellt, ist der im Verhältnis zu § 9 Abs 5 SGB II erfasste Personenkreis enger. Dies rechtfertigt die Ungleichbehandlung gegenüber den Haushaltsgemeinschaften des § 9 Abs 5 SGB II.

38

c) Art 6 Abs 1 GG stellt die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Als Freiheitsrecht verpflichtet Art 6 Abs 1 GG den Staat, Eingriffe in die Familie zu unterlassen. Es berechtigt die Familienmitglieder, ihre Gemeinschaft nach innen in familiärer Verantwortlichkeit und Rücksicht frei zu gestalten (BVerfG Beschluss vom 18.4.1989 - 2 BvR 1169/84 - BVerfGE 80, 81, 92). Der Schutz erfasst auch die häusliche Gemeinschaft zwischen Kindern und ihren Stiefeltern.

39

§ 7 Abs 3 Nr 4 iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II verletzt Art 6 Abs 1 GG nicht, weil er nicht imperativ anordnet, dass der Stiefelternteil einen bestimmten Teil seines Einkommens an das Stiefkind weiterleiten muss, sondern - wie dargestellt - den Beteiligten gerade nicht vorgibt, wie die zur Deckung des Existenzminimums notwendigen Gelder verteilt werden. Erfährt das volljährige Kind durch seinen Elternteil (und damit mittelbar durch den Stiefelternteil) überhaupt keine finanzielle Unterstützung, werden die Voraussetzungen des § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II nicht vorliegen, sodass auch § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II keine Anwendung findet. Gehört das volljährige Kind dem Haushalt an, wird es also (auch) in materieller Hinsicht unterstützt, spiegelt § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II nur die tatsächliche Lebenssituation wieder. In solchen Bedarfsgemeinschaften, die auf einer Eheschließung der Partner beruhen, räumt der Gesetzgeber vor dem Hintergrund des Art 6 Abs 1 GG weitgehende Möglichkeiten des Ausgleichs der finanziellen Lasten für die Unterstützung der Kinder ein. Dem entsprechend hat der Stiefvater sich nach § 32 Abs 6 Satz 10 EStG den steuerlichen Kinderfreibetrag übertragen lassen. Zudem stammt ein Teil der Einkünfte des Stiefvaters aus einem Gehaltsbestandteil "Besitzstand Kind". Stiefkinder partizipieren schließlich faktisch an dem Anspruch auf Familienunterhalt, der ihrem Elternteil in rechtlich gesicherter Form aus §§ 1360, 1360a BGB gegen den anderen Partner zusteht(vgl BVerfG Beschluss vom 10.12.2004 - 1 BvR 2320/98 - SozR 4-3800 § 1 Nr 6 RdNr 14).

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

(1) Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen sichern können, sind auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebender Partnerin oder lebenden Partners zu berücksichtigen. Ist in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt, gilt jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, dabei bleiben die Bedarfe nach § 28 außer Betracht. In den Fällen des § 7 Absatz 2 Satz 3 ist Einkommen und Vermögen, soweit es die nach Satz 3 zu berücksichtigenden Bedarfe übersteigt, im Verhältnis mehrerer Leistungsberechtigter zueinander zu gleichen Teilen zu berücksichtigen.

(3) Absatz 2 Satz 2 findet keine Anwendung auf ein Kind, das schwanger ist oder sein Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres betreut.

(4) Hilfebedürftig ist auch derjenige, dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für den dies eine besondere Härte bedeuten würde.

(5) Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten, so wird vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.

(1) Leistungen nach diesem Buch erhalten Personen, die

1.
das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben,
2.
erwerbsfähig sind,
3.
hilfebedürftig sind und
4.
ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte).
Ausgenommen sind
1.
Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts,
2.
Ausländerinnen und Ausländer,
a)
die kein Aufenthaltsrecht haben oder
b)
deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt,
und ihre Familienangehörigen,
3.
Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Satz 2 Nummer 1 gilt nicht für Ausländerinnen und Ausländer, die sich mit einem Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Abweichend von Satz 2 Nummer 2 erhalten Ausländerinnen und Ausländer und ihre Familienangehörigen Leistungen nach diesem Buch, wenn sie seit mindestens fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben; dies gilt nicht, wenn der Verlust des Rechts nach § 2 Absatz 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU festgestellt wurde. Die Frist nach Satz 4 beginnt mit der Anmeldung bei der zuständigen Meldebehörde. Zeiten des nicht rechtmäßigen Aufenthalts, in denen eine Ausreisepflicht besteht, werden auf Zeiten des gewöhnlichen Aufenthalts nicht angerechnet. Aufenthaltsrechtliche Bestimmungen bleiben unberührt.

(2) Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Dienstleistungen und Sachleistungen werden ihnen nur erbracht, wenn dadurch Hemmnisse bei der Eingliederung der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beseitigt oder vermindert werden. Zur Deckung der Bedarfe nach § 28 erhalten die dort genannten Personen auch dann Leistungen für Bildung und Teilhabe, wenn sie mit Personen in einem Haushalt zusammenleben, mit denen sie nur deshalb keine Bedarfsgemeinschaft bilden, weil diese aufgrund des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens selbst nicht leistungsberechtigt sind.

(3) Zur Bedarfsgemeinschaft gehören

1.
die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten,
2.
die im Haushalt lebenden Eltern oder der im Haushalt lebende Elternteil eines unverheirateten erwerbsfähigen Kindes, welches das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, und die im Haushalt lebende Partnerin oder der im Haushalt lebende Partner dieses Elternteils,
3.
als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten
a)
die nicht dauernd getrennt lebende Ehegattin oder der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte,
b)
die nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartnerin oder der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner,
c)
eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.
4.
die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder der in den Nummern 1 bis 3 genannten Personen, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können.

(3a) Ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, wird vermutet, wenn Partner

1.
länger als ein Jahr zusammenleben,
2.
mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben,
3.
Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder
4.
befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

(4) Leistungen nach diesem Buch erhält nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht. Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung gleichgestellt. Abweichend von Satz 1 erhält Leistungen nach diesem Buch,

1.
wer voraussichtlich für weniger als sechs Monate in einem Krankenhaus (§ 107 des Fünften Buches) untergebracht ist oder
2.
wer in einer stationären Einrichtung nach Satz 1 untergebracht und unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist.
Die Sätze 1 und 3 Nummer 2 gelten für Bewohner von Räumlichkeiten im Sinne des § 42a Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und Satz 3 des Zwölften Buches entsprechend.

(4a) (weggefallen)

(5) Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2, § 62 Absatz 3, § 123 Nummer 2 sowie § 124 Nummer 2 des Dritten Buches bemisst.

(6) Absatz 5 Satz 1 ist nicht anzuwenden auf Auszubildende,

1.
die aufgrund von § 2 Absatz 1a des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben,
2.
deren Bedarf sich nach den §§ 12, 13 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1 oder nach § 13 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 2 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes bemisst und die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz
a)
erhalten oder nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht erhalten oder
b)
beantragt haben und über deren Antrag das zuständige Amt für Ausbildungsförderung noch nicht entschieden hat; lehnt das zuständige Amt für Ausbildungsförderung die Leistungen ab, findet Absatz 5 mit Beginn des folgenden Monats Anwendung, oder
3.
die eine Abendhauptschule, eine Abendrealschule oder ein Abendgymnasium besuchen, sofern sie aufgrund des § 10 Absatz 3 des Bundesausbildungsförderungsgesetzes keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Gewährung höherer Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU) für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008.

2

Der 1957 geborene Kläger (ursprünglich Kläger zu 1) und der 1977 geborene chinesische Staatsangehörige Y, der das vorliegende Verfahren im Klage- und Berufungsverfahren als Kläger zu 2 betrieben hatte, waren im streitigen Zeitraum eingetragene Lebenspartner nach dem Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz ). Sie bezogen seit dem 1.1.2005 von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Für die von ihnen bewohnte 61,44 qm große 2,5 Zimmerwohnung in Berlin-Schöneberg zahlten sie nach den Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg im streitigen Zeitraum eine Miete einschließlich Heizkosten von insgesamt 532,49 Euro monatlich. Der Beklagte teilte ihnen mit Schreiben vom 29.1.2007 mit, dass ihre KdU nicht angemessen seien. Für einen Zwei-Personen-Haushalt gelte insoweit ein Richtwert in Höhe von 444 Euro. Sie seien daher verpflichtet, ihre KdU zu senken. Er, der Beklagte, sei bereit, die tatsächlichen KdU noch für sechs Monate nach Zugang seines Schreibens zu übernehmen.

3

Mit Bescheid vom 27.6.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger und seinem Partner für die Zeit vom 1.7.2007 bis zum 31.8.2007 Leistungen in Höhe von 916,49 Euro monatlich. Als Bedarf legte er dabei jeweils den Regelsatz für Partner einer Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 312 Euro und berücksichtigungsfähige KdU in Höhe von 532,49 Euro zugrunde. Hierauf rechnete er zunächst Einkommen an. Nach Widerspruch wegen der Berücksichtigung von Einkommen und nachdem Y mitgeteilt hatte, er werde vom 2.8.2007 an für voraussichtlich vier Monate wegen familiärer Verpflichtungen nach Peking reisen, bewilligte der Beklagte dem Kläger für August 2007 Leistungen in Höhe von insgesamt 578,24 Euro (312 Euro Regelleistung und 266,24 Euro KdU). Der Bescheid berücksichtige als Änderungen die unerlaubte Ortsabwesenheit des Y Dadurch sei dessen Leistungsanspruch weggefallen (Änderungsbescheid vom 7.8.2007). Mit Bescheid vom 23.8.2007 in der Fassung des Bescheides vom 25.9.2007 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1.9.2007 bis zum 29.2.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (312 Euro Regelleistung und 222 Euro KdU). Die hiergegen gerichteten Widersprüche blieben ohne Erfolg (Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007).

4

Während des hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin geführten Klageverfahrens kehrte Y am 6.12.2007 nach Deutschland zurück. Für die Zeit vom 6.12.2007 bis zum 29.2.2008 bewilligte ihm der Beklagte daraufhin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 534 Euro monatlich (für Dezember 2007 anteilig in Höhe von 437,60 Euro; Bescheid vom 28.12.2007).

5

Das SG hat den Beklagten mit Urteil vom 18.1.2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit der Ortsabwesenheit des Y Leistungen in Höhe des Regelsatzes für Alleinstehende von 347 Euro zu gewähren. Während der Ortsabwesenheit des Y sei zwar nicht die Bedarfsgemeinschaft aufgelöst worden, weil keine dauerhafte Trennungsabsicht vorgelegen habe. Jedoch seien mit der Abreise das gemeinsame Wirtschaften aus einem Topf und damit die Grundlage der Bildung des Mischregelsatzes entfallen. Zu Recht habe der Beklagte dagegen nur die Hälfte der Kaltmiete und der Nebenkosten berücksichtigt. Dies entspreche der Kopfteilmethode, die solange anzuwenden sei, wie die Kläger eine Bedarfsgemeinschaft bildeten. Die angemessene Bruttokaltmiete für einen Zwei-Personen-Haushalt betrage ausgehend von den obersten Spannenwerten im Berliner Mietspiegel 407,40 Euro (Kaltmiete von 293,40 Euro zuzüglich angemessener kalter Betriebskosten in Höhe von 114 Euro). Zusätzlich gehöre die tatsächliche Heizkostenvorauszahlung abzüglich der Warmwasser- und Kochgaspauschale zu den angemessenen Kosten für Heizung.

6

Die hiergegen vom Kläger und Y zum LSG eingelegten Berufungen sind ohne Erfolg geblieben (Urteil vom 9.6.2009). Streitgegenstand seien im Berufungsverfahren nach zulässiger Beschränkung des Streitgegenstandes noch der Anspruch des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 5.8.2007 bis zum 29.2.2008 und des Y für die Zeit nach seiner Rückkehr aus Peking, also vom 7.12.2007 bis zum 29.2.2008. Gegenstand des Verfahrens seien damit die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Die Änderungsbescheide des Beklagten vom 7.8.2007 und vom 6.9.2007 seien dagegen nicht Gegenstand dieses Verfahrens geworden, denn die Verfügungssätze dieser Bescheide erschöpften sich in der Aufhebung der Leistungsbewilligung für Y ab dem 8.7.2007 bzw ab August 2007 wegen Ortsabwesenheit. Nachdem der Beklagte seine Berufung zurückgenommen habe, sei das erstinstanzliche Urteil im Übrigen insoweit rechtskräftig und damit für die Beteiligten bindend, als das SG den Beklagten verpflichtet habe, dem Kläger für die Dauer der Ortsabwesenheit des Y die höhere Regelleistung nach § 20 Abs 2 Satz 1 SGB II zu gewähren.

7

Beide Berufungskläger seien Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II(in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004, BGBl I 2014), insbesondere hätten sie während des streitigen Zeitraums ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II)gehabt und seien auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II in Verbindung mit § 9 SGB II gewesen. Neben der Regelleistung nach § 20 SGB II, deren Höhe nicht mehr streitig sei, hätten sie Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen, soweit diese angemessen seien. Ansprüche auf weitergehende KdU als von dem Beklagten bewilligt ergäben sich nach Bestimmung der abstrakt angemessenen Kosten nach der sog Produkttheorie nicht.

8

Hinsichtlich der Feststellung der angemessenen Wohnungsgröße sei die für Wohnberechtigte im sozialen Wohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße zugrunde zu legen, für die in Berlin - in Ermangelung von Richtlinien zu § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung - Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) - zum einen an die Bestimmungen zur Vergabe von Wohnberechtigungsscheinen zur Belegung von nach dem WoFG belegungsgebundenen Wohnungen(insoweit an die Mitteilung Nr 8/2004 vom 15.12.2004 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung) und zum anderen - wegen fehlender Bestimmungen über den Mietwohnungsbau - an die Richtlinien über Förderungssätze für eigengenutztes Wohneigentum der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr vom 25.5.1999 (Eigentumsförderungssätze 1999, ABl 1999, 2918 ff) anzuknüpfen sei. Nach Maßgabe dieser Regelungen sei eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm für die Kläger angemessen.

9

Für die weitere Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), der sich der Senat anschließe, die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Hierfür seien die sich aus der Berliner Mietspiegeltabelle 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) ergebenden durchschnittlichen Mittelwerte für einfache Wohnlagen und Ausstattungen für Neu- und Altbauten zugrunde zu legen. Für eine Wohnfläche von vierzig bis unter sechzig Quadratmetern in einfacher Lage ergebe sich eine Nettokaltmiete von gerundet 4,54 Euro pro qm (Summe aus sämtlichen Mittelwerten geteilt durch 9), und also eine monatliche Nettokaltmiete in Höhe von insgesamt 272,40 Euro (4,54 Euro x 60 qm). Hierzu seien als angemessene kalte Betriebskosten die durchschnittlichen kalten Betriebskosten, die regelmäßig mit dem Mietzins zu entrichten seien, unter Zugrundelegung der vom Deutschen Mieterbund (DMB) mit dem "Betriebskostenspiegel 2007" veröffentlichten Angaben (www.mieterbund.de) zu bestimmen, die sich auf 1,79 Euro pro qm (einschließlich Steuern und Abgaben), mithin für eine Wohnung von 60 qm auf 107,40 Euro monatlich beliefen. Zuzüglich einer angemessenen Bruttokaltmiete von insgesamt 379,80 Euro seien Heizkosten in Höhe von 0,85 Euro pro qm (ebenfalls unter Rückgriff auf den Betriebskostenspiegel 2007) als angemessen anzusehen, sodass sich bei einer Wohnungsgröße von 60 qm eine angemessene monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von insgesamt 430,80 Euro (379,80 Euro + 51 Euro) ergebe. Zur Überzeugung des Senats stehe in Berlin eine ausreichende Zahl gerade auch von Zwei-Zimmer-Wohnungen in diesem Mietsegment mit dem vorgenannten Mietniveau zur Verfügung. Ein "Bestandsschutz" nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II bestehe nicht mehr. Der Kläger habe auch während der Dauer der Ortsabwesenheit des Y keinen Anspruch auf Leistungen für die KdU in Höhe der gesamten Kosten der Mietwohnung, sondern nur in Höhe der Hälfte dieser Kosten. Besonderheiten, die ein Abweichen vom Prinzip der Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Kopfzahl der Wohnungsnutzer rechtfertigen könnten, bestünden im vorliegenden Fall nicht. Unerheblich sei, dass ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft wegen einer länger als sechs Wochen währenden Ortsabwesenheit vorübergehend vom Leistungsbezug ausgeschlossen (vgl § 7 Abs 4a SGB II in Verbindung mit § 3 Abs 4 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit zur Pflicht des Arbeitslosen, Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten zu können vom 23.10.1997 , geändert durch Art 1 1. ÄndAnO vom 16.11.2001 ) und infolgedessen außer Stande gewesen sei, den auf ihn entfallenden Anteil der Unterkunftskosten aufzubringen. Denn insoweit handele es sich um eine von dem Lebenspartner des Klägers selbst zu verantwortende Entscheidung, sich länger als sechs Wochen von seinem Wohnsitz zeit- und ortsfern aufzuhalten. Diese Entscheidung könne den Beklagten nicht verpflichten, dem anderen Hilfebedürftigen nunmehr nicht nur Leistungen für die KdU in Höhe seines Kopfteils, sondern in Höhe der gesamten tatsächlichen KdU zu erbringen.

10

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Klägers. An dem Revisionsverfahren hat sich Y, der mittlerweile vom Kläger dauernd getrennt lebt, nicht beteiligt. Der Kläger rügt die fehlerhafte Anwendung des § 22 Abs 1 SGB II durch das LSG. Während der Ortsabwesenheit des Y liege ein Sachverhalt vor, der ein Abweichen vom Grundsatz der Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahl rechtfertige. Y habe aufgrund der Ortsabwesenheit keinen Beitrag zu den KdU beisteuern können, sodass die bei der Bedarfsgemeinschaft vermuteten Synergieeffekte ausfielen. Es seien für diesen Zeitraum die angemessenen KdU entsprechend einem Ein-Personen-Haushalt in Höhe von 422,50 Euro abzüglich der Warmwasserpauschale in Ansatz zu bringen. Die abstrakte Angemessenheit der Wohnungskosten sei unter Rückgriff auf den günstigsten Spannenhöchstwert innerhalb der verschiedenen Bauklassen für Wohnungen mit Bad und WC in einfacher Wohnlage zu bestimmen, solange der Träger der Grundsicherung dem Hilfebedürftigen nicht die konkrete Möglichkeit der Anmietung von günstigeren Wohnungen nachweise. Nur bei Zugrundelegung des Spannenoberwerts könne ausreichend sicher geschlussfolgert werden, dass eine angemessene Wohnung tatsächlich gefunden werden könne. Dies gelte auch für die kalten Betriebskosten. Zwar ergebe sich nach dem Betriebskostenspiegel des DMB ein deutlich niedrigerer Mittelwert. Dieser bundesdeutsche Wert könne aber nicht maßgeblich sein, sondern es sei auf die mutmaßlichen Betriebskosten aus dem Berliner Mietspiegel für eine konkret in Berlin anzumietende Wohnung zurückzugreifen. Ausgehend von einer Nettokaltmiete in Höhe von 4,71 Euro pro qm (einfache Wohnlage Baujahre 1965-1972), kalten Betriebskosten in Höhe von 2,59 Euro pro qm und Heizkosten in Höhe von 1,15 Euro ergebe sich (bei einer Wohnungsgröße für eine Person in Höhe von 50 qm) eine angemessene Gesamtmiete in Höhe von 422,50 Euro, die um 6,53 Euro für Warmwasser zu bereinigen sei (Hinweis auf LSG Berlin-Brandenburg Beschlüsse vom 4.4.2008 - L 32 AS 458/08 AS ER und vom 5.9.2007 - L 32 AS 1312/07 AS ER). Entsprechend seien die Kosten für einen Zwei-Personen-Haushalt zu berechnen.

11

           

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Juni 2009 aufzuheben und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. Januar 2008 sowie die Bescheide des Beklagten vom 27. Juni 2007, vom 7. August 2007, vom 23. August 2007 und vom 25. September 2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. September 2007 und 26. September 2007 sowie den Bescheid vom 28. Dezember 2007 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger weitere Kosten der Unterkunft und Heizung abzüglich bereits gezahlter Kosten für den Bewilligungszeitraum

        

vom 5. August 2007 bis 31. August 2007 in Höhe von 370,01 Euro,

        

vom 1. September 2007 bis 30. November 2007 in Höhe von monatlich 411,12 Euro,

        

vom 1. Dezember 2007 bis 6. Dezember 2007 in Höhe von 82,22 Euro,

        

vom 7. Dezember 2007 bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 221,87 Euro,

        

vom 1. Januar 2008 bis 31. Januar 2008 in Höhe von 266,07 Euro und

        

vom 1. Februar 2008 bis 29. Februar 2008 in Höhe von 270,07 Euro

        

zu gewähren.

12

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Er hält das angefochtene Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des LSG kann nicht beurteilt werden, ob der Kläger höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II beanspruchen kann, als sie das SG zugesprochen hat.

15

1. Streitgegenstand sind allein Ansprüche des Klägers auf höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit von August 2007 bis Februar 2008. Der Kläger ist durch das Urteil des SG im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung nicht beschwert und hat dementsprechend den Streitstoff in der Sache auf die KdU beschränkt (zur Zulässigkeit einer solchen Beschränkung vgl nur BSGE 97, 217, 222 f = SozR 4-4200 § 22 Nr 1 S 6 f, jeweils RdNr 18). Er hat bereits im Widerspruchs- und Klageverfahren für den Fall, dass Y höhere KdU nicht zuständen, die gesamten Unterkunftskosten geltend gemacht, sodass er insoweit durch das SG-Urteil beschwert und seine Berufung statthaft ist. Nachdem der Beklagte die von ihm geführte Berufung zurückgenommen hat, ist das SG-Urteil bindend geworden, auch soweit es höhere KdU (nämlich hinsichtlich der Kosten der Heizung) zugesprochen hat als ursprünglich bewilligt. Das LSG wird nach Zurückverweisung des Rechtsstreits die weitergehende, im Revisionsverfahren vorgenommene betragsmäßige Beschränkung des Streitstoffs zu beachten haben.

16

Bei diesem auf die KdU beschränkten Streitgegenstand sind Gegenstand des Verfahrens die Bescheide des Beklagten vom 27.6.2007, vom 7.8.2007, vom 23.8.2007 und vom 25.9.2007 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25.9.2007 und 26.9.2007 sowie der Bescheid vom 28.12.2007. Unzutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 7.8.2007 nicht Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Mit diesem als Änderungsbescheid bezeichneten Bescheid sollte ausdrücklich den Änderungen Rechnung getragen werden, die sich aus der Ortsabwesenheit des Y ergeben haben. Der Bescheid beinhaltet damit sinngemäß auch die Regelung, dass aus der Ortsabwesenheit des Y für den Kläger weder ein Anspruch auf höhere Regelleistung noch auf höhere KdU folgt. Diese Regelung hat der Kläger schon mit seinem Widerspruch angegriffen und damit zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Lediglich der ergänzend am 6.9.2007 ergangene, ausschließlich an Y gerichtete Aufhebungsbescheid ist nicht (mehr) Gegenstand des Verfahrens, denn er betrifft nur die Aufhebung von Bewilligungen an Y

17

2. Der Kläger gehört nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG)dem Grunde nach zum leistungsberechtigten Personenkreis nach dem SGB II, weil er das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsfähig und hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Auch die rechtliche Würdigung des LSG, er habe im streitigen Zeitraum mit Y in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst b SGB II gelebt, ist nicht zu beanstanden. Nach dem Vortrag des Klägers und seines damaligen Partners, den das LSG bei seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, bestand ein Trennungswille im zweiten Halbjahr 2007 nicht, auf den es insoweit nach § 15 Abs 5 LPartG wie nach § 1567 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) maßgeblich ankommt(vgl im Einzelnen BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16).

18

3. a) Leistungen für Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (vgl § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II). Welche Aufwendungen für die Unterkunft vorliegend tatsächlich angefallen sind, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht abschließend entnehmen. Das LSG hat die Gesamtaufwendungen für Unterkunft nicht von denen der Heizung getrennt ausgewiesen. Lediglich aus dem Tatbestand des SG-Urteils lässt sich ersehen, dass sich die tatsächlichen Kosten aus einer Nettokaltmiete in Höhe von 393,27 Euro und 70,68 Euro Betriebskosten sowie einem nicht an den Vermieter zu entrichtenden Abschlag für die Gasversorgung (wohl bei einer Gasetagenheizung) in Höhe von 89 Euro zusammengesetzt haben, von denen der Beklagte nur einen Teil anerkannt hat. Das LSG wird dies nach Zurückverweisung des Rechtsstreits im Einzelnen nachzuvollziehen und die Prüfung der Unterkunftskosten getrennt von den Kosten der Heizung durchzuführen haben (vgl nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23).

19

b) Die tatsächlich aufgewandten KdU bis zur Höhe ihrer Angemessenheit stehen dem Kläger in der Zeit vom 5.8.2007 bis zum 6.12.2007 allein zu. Für die Anwendung des Kopfteilprinzips ist in dieser Zeit entgegen der Auffassung des LSG kein Raum, weil der Kläger die Wohnung nach den Feststellungen des LSG während dieser Zeit nicht mit weiteren Personen gemeinsam, sondern allein genutzt hat. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG setzt die Aufteilung der KdU nach Köpfen voraus, dass die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen genutzt wird (vgl BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, jeweils RdNr 28; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 18; BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 6 RdNr 13; BSG SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 33; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 4 RdNr 19). Entscheidend ist mithin, dass neben dem Hilfebedürftigen die Wohnung den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf weiterer Personen abdeckt. Daran fehlt es, soweit ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt, der zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a SGB II führt. Entgegen der Auffassung des LSG steht der Sinn und Zweck des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4a SGB II dem nicht entgegen. Der Leistungsausschluss wegen Ortsabwesenheit nach § 7 Abs 4a SGB II findet - bezogen auf die KdU - seine Begründung gerade darin, dass die Notwendigkeit der Übernahme der Wohnungskosten dann nicht erkennbar ist, wenn die Wohnung nicht genutzt wird. Diesem Ausschluss von KdU entspricht es durchaus, wenn bei der Verteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen ein nur "fiktiver" Anteil des ortsabwesenden Partners nicht eingestellt wird. Es ist dem verbliebenen Partner einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II, die trotz der Abwesenheit des Partners ausnahmsweise nicht aufgelöst wird, jedenfalls bei einer im Vorhinein auf bis zu sechs Monate beschränkten Abwesenheit des Partners nicht zumutbar, die KdU vorübergehend zu senken(dazu im Einzelnen unter 4.a). Es geht damit in solchen Konstellationen nicht darum, den verbliebenen Partner in die Lage zu versetzen, etwaigen Unterhalts- oder Unterstützungspflichten gegenüber seinem ortsabwesenden Partner nachzukommen, sondern es ihm selbst zu ermöglichen, den eigenen Wohnbedarf (zumindest für eine Übergangszeit) voll zu decken.

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4. Die Angemessenheit von KdU ist unter Zugrundelegung der sog Produkttheorie in einem mehrstufigen Verfahren zu konkretisieren: Zunächst ist die angemessene Wohnungsgröße zu ermitteln (dazu unter a). Alsdann ist festzustellen, ob die angemietete Wohnung dem Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard entspricht, der sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Vergleichsmaßstab sind insoweit die räumlichen Gegebenheiten am Wohnort des Hilfebedürftigen (dazu unter b), wobei die örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt zu ermitteln und zu berücksichtigen sind (dazu unter c). Der Begriff der "Angemessenheit" unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der uneingeschränkten richterlichen Kontrolle. Im Streitfall ist das der Bestimmung der Kosten zugrunde liegende Konzept damit von den Gerichten in vollem Umfang zu überprüfen und ggf ein solches Konzept durch eigene Ermittlungen zu ergänzen. Diese Prüfung haben weder der Beklagte noch SG und LSG rechtsfehlerfrei vorgenommen.

21

a) Zutreffend hat das LSG eine Wohnungsgröße von 60 qm als angemessen für einen Zwei-Personen-Haushalt zugrunde gelegt. Die im Vorhinein auf vier Monate begrenzte Ortsabwesenheit des Y führt nicht dazu, dass wegen der Prüfung der Angemessenheit auf die Wohnungsgröße für eine Person abzustellen wäre.

22

Bei der Bestimmung der angemessenen Wohnfläche ist auf die anerkannte Wohnraumgröße für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau abzustellen (stRspr seit BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 19). Hinsichtlich der Überlassung von gefördertem Mietwohnungsraum gilt § 27 Abs 1 bis 5 WoFG vom 13.9.2001 (BGBI I 2376) iVm § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung (nF) der Bekanntmachung vom 13.9.2001 (BGBl I 2404). Wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße verweist § 27 Abs 4 WoFG(als Nachfolgeregelung zu § 5 Abs 2 WoBindG in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung) auf die nach § 10 WoFG von den Ländern festgelegten Wohnungsgrößen. Das Land Berlin hat allerdings zu § 10 WoFG keine Ausführungsvorschriften erlassen. Zu § 5 WoBindG nF und § 27 WoFG liegen nur (unveröffentlichte) Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15.12.2004 vor, die wegen der maßgeblichen Wohnungsgröße an die zuvor ergangenen Bekanntmachungen anknüpfen (vgl Hinweis 8). Danach darf entsprechend der Bekanntmachung der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen vom 20.10.1995 (Amtsblatt für Berlin 1995, 4462) an Einzelpersonen Wohnraum bis zu 50 qm und an Zwei-Personen-Haushalte Wohnraum von bis zu 60 qm überlassen werden. An diese Regelungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF, die auch nach Inkrafttreten von § 27 WoFG und § 5 WoBindG nF Grundlage für die Belegung von gefördertem Wohnraum sind, ist auch für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs 1 SGB II anzuknüpfen(vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14). Die weitergehenden Differenzierungen nach der Raumzahl sind für die Auslegung des § 22 Abs 1 SGB II unbeachtlich. Dies haben die für die Grundsicherung zuständigen Senate bereits für andere Bundesländer entschieden, in denen neben der Wohnungsgröße auch die Raumzahl entscheidend ist (vgl für Bayern BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 20.8.2009 - B 14 AS 41/08 R, juris RdNr 15; für Rheinland-Pfalz BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26 RdNr 14 und BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 34; für Nordrhein-Westfalen BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 16). Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb für das Land Berlin anderes gelten sollte. Auf die (unterschiedlichen) Wohnungsgrößen in den (zum 31.12.1999 außer Kraft getretenen) Richtlinien der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen für die Förderung der Neuschaffung von Wohnraum im sozialen Wohnungsbau (Wohnungsbauförderungsbestimmungen 1990 vom 16.7.1990 in der Fassung der Änderungsvorschriften vom 13.12.1992) und den Richtlinien über die Förderung von eigengenutztem Wohneigentum (Eigentumsförderungssätze 1999 vom 25.5.1999), die das LSG ergänzend herangezogen hat, kommt es nicht an. Diese mögen Auswirkungen auf die üblichen Wohnungsgrößen im geförderten Wohnungsbau nach 1992 haben (und damit ohnehin nur für ein Teilsegment des in Bezug zu nehmenden Wohnungsmarktes), es handelt sich aber nicht um Bestimmungen auf Grundlage des § 5 Abs 2 WoBindG aF.

23

Soweit die landesrechtlichen Bestimmungen an die Personenzahl in einem Haushalt anknüpfen, hat der Senat bereits mehrfach entschieden, dass Ausgangspunkt für die Berechnung der Wohnfläche die Zahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft ist (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 12 RdNr 21). Dies gilt im Ausgangspunkt auch, wenn Partner der Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II dauerhaft in getrennten Wohnungen leben, ohne dass ein Trennungswille vorliegt, und eine Haushaltsgemeinschaft deshalb nicht besteht. Insgesamt können KdU nur in einer Höhe beansprucht werden, wie sie Partnern in einer gemeinsamen Wohnung zustehen (BSG Urteil vom 18.2.2010 - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, jeweils RdNr 17). Besonderheiten hinsichtlich der Feststellung der maßgeblichen Wohnungsgröße sind allerdings für Fälle denkbar, in denen zwar eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a oder b SGB II trotz Auflösung der Haushaltsgemeinschaft wegen eines fehlenden Trennungswillens iS des § 1567 Abs 1 BGB bzw des § 15 Abs 5 LPartG fortbesteht, ein Partner der Bedarfsgemeinschaft aber wegen eines dauerhaften auswärtigen Aufenthalts die Wohnung nicht nutzt und Leistungen nach dem SGB II nicht erhalten kann. Namentlich die Auflösung der Haushaltsgemeinschaft bei längerem Aufenthalt eines Partners außerhalb des in § 7 Abs 4a SGB II genannten Bereichs (wie etwa einem langfristigen Auslandsaufenthalt) oder bei einem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung mit der Folge des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 4 SGB II (etwa der Verbüßung einer Freiheitsstrafe) kann es für den verbliebenen Partner zumutbar werden lassen, die entstehenden Gesamtkosten zu mindern und seine Wohnverhältnisse an die dauerhafte alleinige Nutzung der Wohnung anzupassen. Der Erhalt einer größeren, für zwei Personen zugeschnittenen Wohnung mit Hilfe von Leistungen nach dem SGB II ist zeitlich nicht unbegrenzt schutzwürdig. Anlass zu weitergehender Festlegung, von welchem Zeitpunkt an Maßnahmen zur Kostensenkung vom Träger nach § 22 Abs 1 Satz 3 SGB II verlangt werden können, bietet der vorliegende Fall nicht. Jedenfalls wenn der auswärtige Aufenthalt im Vorhinein auf unter sechs Monate beschränkt ist, ergibt sich eine solche Obliegenheit für den verbliebenen Partner der Bedarfsgemeinschaft nicht.

24

b) Zutreffend hat das LSG bei der Bestimmung der angemessenen KdU als maßgeblichen Vergleichsraum das gesamte Stadtgebiet von Berlin herangezogen. Ausgangspunkt für die Bestimmung des Vergleichsraumes ist zunächst der Wohnort des Hilfebedürftigen. Nach der Rechtsprechung des BSG muss es sich bei dem Vergleichsraum im Übrigen um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der aufgrund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Annahme des LSG sprechen, dass es sich bei der Stadt Berlin insgesamt um einen solchen Vergleichsraum handelt. Die Stadt Berlin ist mit einer Einwohnerzahl von rund 3,4 Millionen (Stand 2006; Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg) und einer Fläche von rund 891 qkm zwar nahezu dreimal so groß wie die Stadt München (rund 1,36 Millionen Einwohner bei einer Fläche von rund 310 qkm; Quelle: Statistisches Amt München), für die der 4. Senat des BSG einen homogenen Lebens- und Wohnbereich angenommen hat ( vgl BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19). Die einen Vergleichsraum prägenden Merkmale liegen aber - trotz dieser Größe - auch bezogen auf das Stadtgebiet von Berlin vor. Der öffentliche Nahverkehr ist auf die Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen her ausgerichtet. Von den Randlagen aus ergeben sich in die innerstädtischen Bezirke insoweit lediglich Fahrzeiten, wie sie auch erwerbstätigen Pendlern zugemutet werden (vgl § 121 Abs 4 Satz 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch). Eine Beschränkung auf bestimmte Bezirke (oder Ortsteile) mit besonders verdichteter Bebauung und damit vorwiegend günstigem Wohnraum birgt zudem das Risiko einer Gettoisierung. Außerdem zeigt die Wohnlagenkarte als Anlage zu dem vom LSG in Bezug genommenen Berliner Mietspiegel, dass ohnehin in allen Bezirken auch einfache Wohnlagen, an deren Mietniveau sich die Referenzmieten orientieren (dazu sogleich), vorhanden sind, sodass auch von daher die Bildung eines engeren Vergleichsraums nicht erforderlich erscheint. Es steht nicht zu befürchten, dass mit einem ggf zur Kostensenkung erforderlichen Umzug regelmäßig das nähere soziale Umfeld verlassen werden muss. Soweit ein solcher Umzug über die Orts- oder auch Bezirksgrenzen hinweg im Einzelfall gleichwohl notwendig wird, ist dies im Interesse einer gleichmäßigen Behandlung aller Hilfebedürftigen hinzunehmen (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 18).

25

c) Ausgehend von dem gesamten Stadtgebiet Berlin als dem räumlichen Vergleichsmaßstab lässt sich der den Wohnungsstandard widerspiegelnde angemessene Quadratmeterpreis (die Angemessenheitsgrenze) im streitgegenständlichen Zeitraum mangels ausreichender Feststellungen revisionsgerichtlich nicht abschließend bestimmen. Zugrunde zu legen ist ein einfacher, im unteren Marktsegment liegender Standard (BSGE 97, 231 = SozR 4-4200 § 22 Nr 2, jeweils RdNr 24); die Wohnung muss hinsichtlich ihrer Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügen (BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3, jeweils RdNr 20). Die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze muss mithin so gewählt werden, dass es dem Hilfebedürftigen möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten. Die Mietobergrenze ist nach der Rechtsprechung des BSG auf Grundlage eines diese Vorgaben beachtenden schlüssigen Konzepts zu ermitteln ( vgl BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R ).

26

aa) Die Träger der Grundsicherung entscheiden in Berlin über die Angemessenheit von Unterkunftskosten auf Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes Berlin vom 7.6.2005 (Amtsblatt für Berlin 2005, 3743), für den streitigen Zeitraum geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30.5.2006 (Amtsblatt für Berlin 2006, 2062; im Folgenden: AV-Wohnen). Es handelt sich dabei um bloße Verwaltungsvorschriften, die keine unmittelbare Rechtswirkung für die Betroffenen entfalten. Weder aus den AV-Wohnen selbst noch aus dem Vortrag des Beklagten wird erkennbar, dass den dort genannten Oberwerten (444 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt) ein schlüssiges Konzept im Sinne der zitierten Rechtsprechung des BSG zugrunde liegt. Ob zur Ermittlung des Wertes die Produkttheorie unter Zugrundelegung der oben genannten Wohnungsgrößen angewandt und bezogen auf die verschiedenen Wohnungsgrößen Daten gesammelt und ausgewertet worden sind, wird nicht erkennbar und ist von dem Beklagten nicht vorgetragen. Im Übrigen ist der in den AV-Wohnen genannte Referenzwert schon deshalb zur Bewertung angemessener Wohnkosten ungeeignet, weil er eine Bruttowarmmiete ausweist, obwohl die Beurteilung von Unterkunftskosten von der Beurteilung der Heizkosten unabhängig zu erfolgen hat (ausdrücklich bereits BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23, jeweils RdNr 19).

27

bb) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das LSG daher in einem dritten Schritt die angemessene Referenzmiete auf Grundlage des Berliner Mietspiegels 2007 (Amtsblatt für Berlin 2007, 1797) bestimmt. Qualifizierte Mietspiegel iS des § 558d BGB (wie der Berliner Mietspiegel) können - wie auch einfache Mietspiegel - Grundlage der Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs 1 SGB II sein(vgl bereits BSG Urteil vom 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R, juris RdNr 16; BSGE 102, 263 = SozR 4-4200 § 22 Nr 19, jeweils RdNr 25 und zuletzt BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 27 RdNr 25). Es ergeben sich aus der Funktion von einfachen und qualifizierten Mietspiegeln im Anwendungsbereich des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff BGB zwar einige Vorgaben, die für die Ermittlung der grundsicherungsrelevanten Vergleichsmiete nicht in gleichem Maße Bedeutung haben(zum Folgenden auch Butzer/Keller, NZS 2009, 65). Vor allem dürfen bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nach § 558 Abs 2 BGB, zu deren Darstellung Mietspiegel dienen, nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt werden, bei denen die Miete in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder, von Veränderungen der Betriebskosten nach § 560 BGB abgesehen, geändert worden ist. Daran orientiert sollen (wie dies auch bezogen auf den Berliner Mietspiegel der Fall ist) nur solche Wohnungen zur Erstellung eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden (vgl Hinweise zur Erstellung von Mietspiegeln, herausgegeben vom Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Berlin 2002, S 17). Zudem darf bei der Erstellung eines Mietspiegels Wohnraum nicht berücksichtigt werden, bei dem die Miethöhe durch Gesetz oder im Zusammenhang mit einer Förderzusage festgelegt worden ist, denn §§ 558 ff BGB finden nur auf frei vermieteten Wohnraum Anwendung. Aus diesem Grund kann gegen die Heranziehung einfacher und qualifizierter Mietspiegel im Anwendungsbereich des § 22 SGB II vor allem eingewandt werden, sie bildeten das Mietniveau hinsichtlich der Bestandsmieten im einfachen Marktsegment nur teilweise, nämlich lediglich bezogen auf sog Neuvertragswohnungen und geänderte Bestandswohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt ab. Allerdings ist - wie bereits ausgeführt - auch bei der Prüfung nach § 22 Abs 1 SGB II letztlich entscheidend, ob im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten wäre für den Fall, dass die Bestandswohnung unangemessen teuer ist. Im Hinblick auf das mit dem Mietspiegel nicht erfasste Marktsegment der preisgebundenen Wohnungen bestehen - jedenfalls bezogen auf Berlin - keine weitergehenden Bedenken. Mit dem Wegfall der Anschlussförderung für Objekte des Sozialen Wohnungsbaus, bei denen die 15jährige Grundförderung ab dem 1.1.2003 endet (dazu BVerwGE 126, 33), und dem Verzicht auf die entsprechenden Belegungsbindungen sank der Anteil mietpreisgebundener Sozialwohnungen bis Ende 2006 auf knapp 12 % des Gesamtwohnungsbestandes (vgl Wohnungsmarktbericht der Investitionsbank Berlin 2007, S 30 unter Bezugnahme auf Daten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung). Hilfebedürftige werden damit in erster Linie auf die Wohnungssuche auf dem freien Wohnungsmarkt angewiesen sein.

28

Sollen aus Daten eines qualifizierten Mietspiegels grundsicherungsrelevante Schlüsse abgeleitet werden, ist eine Beschränkung auf Daten bestimmter Bauklassen grundsätzlich nicht zulässig, wovon das LSG im Ausgangspunkt zutreffend ausgegangen ist (vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Über das Baualter können zwar sehr vergröbernd Rückschlüsse auf die Bauweise und den Baustandard gezogen werden. Insbesondere liegt der Ausstattungsgrad von Neubauten im Regelfall über dem Ausstattungsgrad in Gebäuden älterer Bauklassen. Gerade Wohnungen, die in der Nachkriegszeit erbaut worden sind, haben häufig einen wesentlich geringeren Ausstattungsgrad. Aus dem Mietspiegel allein lässt sich jedoch nicht ersehen, inwieweit gerade Wohnungen einer bestimmten Baualtersklasse in einem Umfang zur Verfügung stehen, die den Rückschluss zulassen, im konkreten Vergleichsraum sei eine "angemessene" Wohnung tatsächlich anmietbar. Zudem birgt die Verweisung auf bestimmte Bauklassen verdeckt die Gefahr einer Gettoisierung. Solange nicht statistisch valides Material vorliegt, das eine Aussage darüber zulässt, welche Bauklassen in welchem Umfang tatsächlich die gesamte Stadt als Vergleichsraum - und nicht lediglich ganz bestimmte, als sozial problematisch einzuschätzende Teile einer Stadt - prägen, erscheint es nicht zulässig, allein bestimmte Bauklassen in Bezug zu nehmen. Dies gilt auch hinsichtlich der Bauklassen, die den Standard von Neubauten abbilden. Zwar werden eine ganze Anzahl von Neubauten einen Ausstattungsgrad haben, der über das in Bezug zu nehmende Segment nach § 22 SGB II hinausgeht. Eine generelle Festlegung, der Hilfeempfänger sei schlechterdings von der Anmietung einer solchen Wohnung ausgeschlossen, lässt sich aber nicht treffen (vgl auch BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 19 RdNr 25). Erst wenn weitergehendes Material erkennen lässt, dass Gebäude dieser Bauklassen den Mietmarkt des unteren Marktsegments nicht maßgeblich mitprägen, kommt eine Außerachtlassung der Mietpreise für solche Bauklassen in Betracht.

29

Allerdings weist der Berliner Mietspiegel in den Spalten 1 und 3 innerhalb der Bauklassen bis 1918 und bis 1949 Wohnungen mit besonders niedrigem Ausstattungsgrad (Wohnungen ohne Sammelheizung und/oder ohne Bad) gesondert aus. Es handelt sich einerseits um Wohnungen mit "Ofenheizung", bei denen sich der Mieter der Wohnung mit der Versorgung mit Kohlen und der Entsorgung der Asche befassen muss (vgl LG Berlin Urteil vom 15.1.2007 - 67 S 305/06 - juris RdNr 13), und andererseits oder kumulativ um Wohnungen ohne Bad (mit Innen-WC), in denen sich die Bewohner nur mit fließendem Wasser am Waschbecken (sei es in WC oder Küche) waschen, aber nicht duschen können. Zur Bildung eines grundsicherungsrelevanten Mietwertes sind diese Werte nicht mit heranzuziehen, denn auf Wohnungen mit diesem untersten Ausstattungsgrad können Hilfebedürftige bei der Wohnungssuche grundsätzlich nicht verwiesen werden. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, diese Werte seien einzubeziehen, um eine möglichst breite Datenbasis zu erhalten. Wenn solche Wohnungen nicht den unteren, sondern den untersten Standard abbilden, gehören sie von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist. Deshalb dürfen sie in eine Auswertung des qualifizierten Mietspiegels unter dem Blickwinkel des § 22 SGB II nicht einfließen, unabhängig davon, ob sich in diesem Mietsegment (noch) eine nennenswerte Zahl an Wohnungen findet.

30

cc) Die Bildung eines arithmetischen Mittelwerts aus den (verbleibenden) Mittelwerten der Bauklassen als abschließenden Schritt zur Berechnung einer grundsicherungsrelevanten Nettokalt-Vergleichsmiete, wie ihn das LSG vorgenommen hat, erfüllt die Anforderungen an ein mathematisch-statistisch nachvollziehbares Konzept nicht. Die Bildung arithmetischer Werte bietet gerade bei einem so weitgehend ausdifferenzierten Tabellen-Mietspiegel wie dem Berliner Mietspiegel nicht die Gewähr dafür, dass der abgebildete Wert als solcher tatsächlich den Schwerpunkt eines Mietpreises im einfachen Segment abbildet. Die sog Tabellenmethode, nach der der Berliner Mietspiegel erstellt ist, stellt die Daten als Mietspannen nach den einzelnen Wohnwertmerkmalen (hier Bauklassen, Größe der Wohnungen und Lage) in Rasterfeldern zusammen. Zwischen den einzelnen (insgesamt 107 besetzten) Rasterfeldern bestehen keine Beziehungen. Sie spiegeln allein die Datenerhebung in dem einzelnen, mit den drei Parametern beschriebenen Teilmietmarkt wider. Einzelne Felder haben also je nach der Anzahl von Wohnungen, die in diesem Segment vertreten sind, eine unterschiedliche Aussagekraft für den Gesamtmarkt. Weil die Rasterfelder nicht (im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der hier wiedergegebenen Mietpreise) aufeinander aufbauen, bleiben arithmetische Mittelwerte mit einem hohen Grad an Zufälligkeit belastet, besonders wenn einzelne Werte - wie vorliegend der Wert für Neubauwohnungen der letzten 15 Jahre - stark von den übrigen Werten abweichen. Das arithmetische Mittel für sich genommen bietet damit nicht die Gewähr, dass das einfache Mietsegment realistisch abgebildet wird.

31

Das LSG wird daher nach Wiedereröffnung des Berufungsverfahrens zu prüfen haben, ob sich aus den Grundlagendaten des qualifizierten Mietspiegels oder anderen Quellen weitergehende Schlüsse grundsicherungsspezifischer Art ziehen lassen. Solche Rückschlüsse, die aus weitergehendem Material (das etwa auch der Träger der Grundsicherung aufgrund eigener Erhebungen einführen könnte) getroffen werden, müssen gerichtlich überprüfbar sein. Dies trifft auf die Grundlagendaten für qualifizierte Mietspiegel zu. Für einen qualifizierten Mietspiegel ist immer eine Primärdatenerhebung erforderlich, also die Erhebung von Daten, die ausschließlich zum Zweck der Mietspiegelerstellung erhoben wurden. Die Daten der Primärdatenerhebung müssen repräsentativ sein, die gezogene Stichprobe muss ein getreues Abbild des Wohnungsmarktes abgeben (vgl im Einzelnen Börstinghaus in Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl 2008, § 558d RdNr 7). Die Einhaltung der anerkannten wissenschaftlichen Grundsätze muss in einer öffentlich zugänglichen Dokumentation niedergelegt sein (aaO RdNr 10). Es erscheint damit durchaus sinnvoll, solche Grundlagendaten bei Erstellung eines grundsicherungsrelevanten Konzepts heranzuziehen. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Auswertung dieser bereits vorhandenen Daten zu einem erhöhten (über einfache Rechenschritte hinausgehenden) Aufwand bei den Gerichten führen muss. Wie der Senat bereits entschieden hat, ist in erster Linie der kommunale Träger für solche notwendig erscheinenden Auswertungen im Rahmen der Mitwirkungspflichten heranzuziehen (grundlegend dazu BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 26). Dies gilt erst recht dann, wenn die vom Grundsicherungsträger bei seiner Entscheidung herangezogenen Daten als Entscheidungsgrundlage ungeeignet sind, wie dies in Berlin mit der AV-Wohnen der Fall ist.

32

Es könnten sich im Ergebnis weitergehender Auswertungen durch den Träger der Grundsicherung durchaus Anhaltspunkte ergeben, dass eine bestimmte Baualtersklasse statistisch nachvollziehbar über alle Bezirke hinweg so häufig vorhanden ist und zugleich den einfachen Standard nachvollziehbar abbildet, dass allein auf diesen Wert (ggf um einen Aufschlag erhöht) zurückzugreifen ist. Lassen sich solche weitergehenden Schlüsse aus vorhandenem Datenmaterial nicht ziehen, bietet es sich an, einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (dazu Schifferdecker/Irgang/Silbermann, Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit 2010, 28; SG Berlin Urteil vom 30.6.2010 - S 174 AS 21949/07 - juris RdNr 46). Ein solcher Mittelwert böte immerhin die Gewähr, dass ein einzelner Wert für eine bestimmte Baualtersklasse entsprechend seiner tatsächlichen Häufigkeit auf dem Markt in einen grundsicherungsrelevanten Mittelwert einfließt. Dabei erscheint es - wovon auch das LSG ausgegangen ist - zulässig, einen Wert auf Grundlage der jeweiligen Mittelwerte der Rasterfelder zu bilden. Er bestimmt eine nach den weiteren Ausstattungsmerkmalen, die im Mietspiegel nicht schon in den Rasterfeldern ihren Niederschlag finden (Bad, Küche, Wohnung, Gebäude, Wohnumfeld), durchschnittliche Wohnung. Also gibt der Mittelwert sowohl die schlecht ausgestatteten Wohnungen in einer bevorzugten, einfachen Wohnlage als auch die gut ausgestatteten Wohnungen in sehr einfachen Wohnlagen (zB an einer Durchgangsstraße) wieder. Mit dem Mittelwert aus der einfachen Wohnlage werden schließlich auch schlechter ausgestattete Wohnungen in mittlerer und guter Wohnlage erfasst.

33

d) Zutreffend geht das LSG davon aus, dass neben der Nettokaltmiete auch die angemessenen Betriebskosten iS des § 556 BGB - mit Ausnahme der Heizkosten - abstrakt zu bestimmen und als Faktor in das Produkt mit einzubeziehen sind. Schon der Wortlaut des § 22 Abs 1 SGB II zeigt, dass diese Kosten zu den KdU für einen Hilfebedürftigen gehören und nicht - wie die Heizkosten - getrennt erfasst werden sollen. Zur realistischen Abbildung eines abstrakt angemessenen Mietpreises ist die Einbeziehung des Faktors "kalte Betriebskosten" erforderlich. Dies entspricht den mietrechtlichen Vorgaben im Mietwohnungsbau, an denen sich der Gesetzgeber des SGB II wegen der KdU orientiert. Eine vertragliche Vereinbarung über die Umlage der Betriebskosten auf den Mieter erfolgt bei Abschluss eines Mietvertrages nahezu ausnahmslos, denn ohne eine solche Regelung können die in § 556 BGB genannten Betriebskosten vom Vermieter nicht auf den Mieter umgelegt werden (vgl nur Blank in Blank/Börstinghaus, aaO § 556 RdNr 1). Auch der Vermieter von preisgebundenem Wohnraum kann Betriebskosten nur als gesondert abzurechnende Kosten auf den Mieter abwälzen (vgl § 20 der Verordnung über die Ermittlung der zulässigen Miete für preisgebundene Wohnungen - Neubaumietenverordnung - BGBl I 1990, 2204 idF BGBl I 2003, 2346).

34

Eine Umlagevereinbarung bei der Miete über Wohnraum muss die in § 556 Abs 1 und 2 BGB iVm der Verordnung zur Berechnung der Wohnfläche, über die Aufhebung von Betriebskosten und zur Änderung anderer Verordnungen(BetrKV; vom 25.11.2003, BGBl I 2346 ) normierten Vorgaben beachten. Wegen der abstrakt angemessenen Kosten iS des § 22 Abs 1 SGB II sind die dort genannten Betriebskosten maßgebend. Auch insoweit erscheint es zulässig, zur Erstellung eines Konzepts auf bereits vorliegende Daten aus Betriebskostenübersichten zurückzugreifen, im Ausgangspunkt allerdings auf örtliche Übersichten und insoweit auf die sich daraus ergebenden Durchschnittswerte. Insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen ergeben sich regional deutliche Unterschiede, auf die Rücksicht genommen werden muss. Eine weitergehende Gewichtung scheint dagegen nicht notwendig, da nicht erkennbar ist, welche zuverlässigen (weitergehenden) Aussagen sich hieraus ableiten lassen sollten. Neben den (nichtamtlichen) Übersichten in Mietspiegeln kommen auch Übersichten der örtlichen Interessenverbände in Betracht, die an der Anerkennung des Mietspiegels beteiligt waren. Soweit die örtlich erfassten Werte nicht aktuell sind, liegt es nahe, vom Träger der Grundsicherung entsprechende Rückfragen bei den örtlichen Interessenverbänden durchführen zu lassen bzw die Werte an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Nur wenn sich konkret Anhaltspunkte dafür ergeben, dass vom Deutschen Mieterbund für das gesamte Bundesgebiet aufgestellte Übersichten gerade das örtliche Niveau besser abbilden, kann auf diese zurückgegriffen werden. Solche Gründe, weshalb die Werte des Deutschen Mieterbundes ein realistischeres Bild des örtlichen Preisniveaus von Berlin abgeben sollten, sind bislang nicht ersichtlich.

35

5. Das LSG wird abschließend die Heizkosten getrennt von den Unterkunftskosten zu bestimmen haben (dazu nur BSGE 104, 41 = SozR 4-4200 § 22 Nr 23). Auszugehen ist dabei zunächst von den tatsächlichen Kosten. Diese Kosten, die nach den Feststellungen des SG in einer Gasabschlagszahlung von 89 Euro monatlich an ein Berliner Gasversorgungsunternehmen bestehen, sind sodann um die Kosten der Warmwasserbereitung zu bereinigen, wenn feststeht, dass die Erwärmung des Wassers wie die Heizung über eine Gasetagenheizung (Gastherme) erfolgt ist (vgl BSGE 100, 94 = SozR 4-4200 § 22 Nr 5). Ferner lässt sich dem Urteil des SG entnehmen, dass durch den Beklagten von den Gasabschlagszahlungen zusätzlich eine Pauschale für Kochenergie abgezogen worden ist. Soweit die notwendigen Feststellungen des LSG hierzu ergeben, dass vorliegend mit einem Gasherd gekocht wird und die Kosten hierfür ebenfalls in den Gasabschlagszahlungen enthalten sind, ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese Kosten wie die Kosten für das Warmwasser insoweit bereits in der Regelleistung unter der Position Haushaltsenergie enthalten sind. Allerdings erschließt sich dem Senat nicht, woraus sich die Höhe der vom Beklagten und dem SG zugrunde gelegten Pauschale ergeben soll. Maßgeblich kann auch insoweit allein der Anteil sein, der bereits in der Regelleistung für das Kochen (im Regelfall das Kochen mit einem Elektroherd) enthalten ist (vgl BSG aaO RdNr 23 ff). Offenbar vertritt der Beklagte (und ihm folgend das SG Berlin) wie die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin die Auffassung, dieser Anteil sei mit 22,3 Prozent des in der Regelleistung enthalten Anteils für Haushaltsenergie zu bestimmen. Erläuternd heißt es dazu etwa in dem Rundschreiben I Nr 5/2009 der Senatsverwaltung: abrufbar über die Internetpräsenz der Senatsverwaltung: http://www.berlin.de/sen/soziales/berliner-sozialrecht/archiv/rdschr/2009_05_anlage.html) ua über die Pauschalen für Haushaltsenergie (sog Energiepauschalen): "Der Anteil der Pauschale für Haushaltsenergie am Regelsatz insgesamt ist durch die Regelsatzbemessung auf Grundlage der EVS 2003 vorgegeben, die Verteilung der Bestandteile jedoch nicht. Die prozentualen Anteile wurden anhand der in Berlin zugrunde gelegten Werte für das Bezugsjahr 2003 ermittelt." Das LSG wird zu ermitteln haben, ob entsprechende Unterlagen bei der Senatsverwaltung vorliegen, die eine realistische Abbildung des Verbrauchsanteils für die Kochenergie (sei es mit Strom, sei es mit Gas) zulassen. Dies erscheint nach bisherigem Stand zumindest zweifelhaft. Lässt sich ein Bezugspunkt für eine realitätsnahe Schätzung des Energieanteils, der für das Kochen in der Regelleistung enthalten sein soll, nicht finden, hat ein entsprechender Abzug von den Heizkosten im Falle der Versorgung mit Gas für Haushaltsenergie zu unterbleiben.

36

Die tatsächlichen (bereinigten) Kosten für Heizung sind solange als angemessen von dem Beklagten zu übernehmen, wie der nach der Rechtsprechung des Senats maßgebliche Grenzwert nicht überschritten wird (vgl BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 25).

37

Das LSG wird abschließend auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Februar 2012 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1.11.2007 bis zum 30.4.2008 zusteht.

2

Die 1949 geborene Klägerin lebte bis zum 13.4.2007 gemeinsam mit ihrem 1945 geborenen Ehemann in einem ursprünglich ihr allein gehörenden Wohnhaus. Im Jahre 2004 hatte die Klägerin ihrem Sohn das Haus zur Hälfte übertragen. Das Grundstück war seither mit einem lebenslänglichen dinglich gesicherten Wohnrecht zugunsten der Klägerin und ihres Ehemanns belastet. Die Eheleute zahlten auf ein Bauspardarlehen monatlich 420 Euro, wobei darin zum Darlehensrückzahlungsbeginn im September 2007 130,26 Euro auf Zinszahlungen entfielen. Die Nebenkosten wurden mit 137,52 Euro, die Heizkosten mit 142 Euro monatlich nachgewiesen. Die Angaben bezogen sich auf das gesamte Haus.

3

Am 13.4.2007 erlitt der Ehemann der Klägerin einen Herzinfarkt. Er befand sich seither im Wachkoma und wurde zunächst im Krankenhaus und seit dem 17.7.2007 in einem Pflegeheim betreut. Der Ehemann erhielt in dem streitgegenständlichen Zeitraum eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine Betriebsrente in Höhe von zusammen 1466,08 Euro monatlich. Die Pflegekasse gewährte ihm Leistungen in Höhe von 1432 Euro monatlich.

4

Der Heimvertrag zwischen dem Pflegeheim und dem Ehemann sah ein Gesamtentgelt in Höhe von 2696,70 Euro vor. Dieses schlüsselte sich auf in ein Einzelentgelt für Unterkunft und Verpflegung in Höhe von 470,40 Euro, ein Einzelentgelt für allgemeine Pflegeleistungen in Höhe von 1911,30 Euro und ein Einzelentgelt für nicht geförderte Investitionskosten in Höhe von 315 Euro. Das Pflegeheim verlangte von dem Ehemann monatlich den Differenzbetrag zwischen dem Gesamtentgelt und den von der Pflegekasse gezahlten Leistungen. Einen bei dem Beigeladenen gestellten Antrag auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten hat dieser mit Bescheid vom 2.1.2008 abgelehnt, der Bescheid ist bestandskräftig geworden. Am 25.4.2011 verstarb der Ehemann der Klägerin.

5

Die Klägerin, die über keine eigenen Einnahmen verfügte, beantragte am 5.11.2007 bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23.11.2007 ab, der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 21.12.2007).

6

Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 23.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2007 verurteilt, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 1.11.2007 bis zum 30.4.2008 zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Land Berlin beigeladen und sodann die gegen das Urteil des SG gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, es könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin und ihr Ehemann im streitgegenständlichen Zeitraum noch eine Bedarfsgemeinschaft gebildet hätten, denn selbst in diesem Falle übersteige der Bedarf die zur Verfügung stehenden Einnahmen. Gehe man von einer gemischten Bedarfsgemeinschaft aus, richte sich der maßgebliche Bedarf auch des Ehemanns nach dem SGB II. Als Einkommen des Ehemanns seien die Rentenzahlungen anzurechnen, die Leistungen der Pflegekasse blieben dagegen als zweckbestimmte Leistungen zur Mitfinanzierung der Pflege unberücksichtigt. Als Einkommen sei aber noch die bereitgestellte Vollverpflegung im Heim zu berücksichtigen. Nach Abzug der Versicherungspauschale habe der Bedarfsgemeinschaft ein Betrag in Höhe von 1641,08 Euro zur Verfügung gestanden. Unter Berücksichtigung der zu tragenden Heimkosten sei anrechenbares Einkommen des Ehemanns nicht verblieben. Welche Leistungen der Klägerin in welcher Höhe konkret zu gewähren seien, was von den genauen Wohnverhältnissen abhänge, könne dahingestellt bleiben. Das SG habe den Beklagten nur dem Grunde nach zur Leistung verpflichtet, deren Höhe noch nicht feststehe.

7

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Revision des Beklagten, mit der er eine Verletzung des § 19 Abs 1 SGB II rügt. Der Bedarf eines nach § 7 Abs 4 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossenen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft zur Deckung der Pflegekosten sei beim kommunalen Sozialleistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geltend zu machen, weil Pflegekosten keinen Bedarf iS von § 19 Abs 1 SGB II darstellten. Da der Ehemann der Klägerin Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen sei, ergebe sich ein Bedarf in Höhe von insgesamt 1493,74 Euro (2 x 312 Euro Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 399,34 Euro und Kosten der Unterkunft des Ehemanns in Höhe von 470,40 Euro). Das Gesamteinkommen habe 1529,68 Euro betragen (1436,08 Euro bereinigte Renteneinkünfte und 93,60 Euro bereitgestellte Verpflegung), sodass der Bedarf nach dem SGB II habe gedeckt werden können.

8

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Februar 2012 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. Mai 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

9

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält das angegriffene Urteil des LSG für zutreffend.

11

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Beklagten hat im Sinne der Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung und der Zurückverweisung der Sache an das LSG Erfolg (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz). Auf der Grundlage der Feststellungen des LSG konnte nicht entschieden werden, ob der Klägerin ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II zusteht.

13

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 23.11.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2007, mit dem der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1.11.2007 bis zum 30.4.2008 abgelehnt worden ist. Inwieweit hinsichtlich des Leistungszeitraums Korrekturen anzubringen sind, weil die Antragstellung erst am Montag, den 5.11.2007 erfolgte, wird das LSG dabei - auch unter dem Aspekt der Erreichbarkeit des Jobcenters - zu prüfen haben.

14

Gegen die genannten Bescheide hat sich die Klägerin in zulässiger Weise mit einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGG) gewandt, wobei sie allerdings keinen bezifferten Antrag gestellt, sondern nur eine Verurteilung dem Grunde nach beantragt hat. Das SG hat, wie sich aus der Begründung seiner Entscheidung ergibt, zur Zahlung eines konkreten monatlichen Betrages verurteilt und ist damit zu Unrecht über den Antrag der Klägerin hinausgegangen. Dies hat das LSG korrigiert, indem es nach Maßgabe der Entscheidungsgründe nur zu einer Leistung dem Grunde nach verurteilt hat, wozu es aufgrund des nur von dem Beklagten eingelegten Rechtsmittels befugt war.

15

2. Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend entscheiden zu können, ob der Klägerin die geltend gemachte Leistung dem Grunde nach zusteht. Nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014) erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr 1), die erwerbsfähig (Nr 2) und hilfebedürftig (Nr 3) sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr 4). Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen im angefochtenen Urteil kann zwar entnommen werden, dass die Klägerin die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II hinsichtlich des Lebensalters und des gewöhnlichen Aufenthalts erfüllt. Auch eine Erwerbsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum liegt nahe, wenngleich hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen wurden. Ausreichende Feststellungen fehlen in jedem Fall zur Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB II.

16

3. Nach § 9 Abs 1 SGB II(idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus zu berücksichtigendem Einkommen und Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Nach § 9 Abs 2 Satz 1 SGB II ist bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ua auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen. Nach § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II gilt schließlich (im Grundsatz) jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig, wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt ist. Wegen dieser gesetzlichen Vorgaben, wonach Hilfebedürftigkeit ausnahmslos vom Bedarf aller Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft einerseits und des der Bedarfsgemeinschaft zufließenden Einkommens und des vorhandenen Vermögens andererseits abhängig ist, darf bei Prüfung der Hilfebedürftigkeit als Teil der Anspruchsvoraussetzungen nicht offenbleiben, welche Personen der Bedarfsgemeinschaft angehören. Eine wahlweise Feststellung, wie sie das LSG vorgenommen hat, genügt zur Feststellung der Tatbestandsvoraussetzungen auch dann nicht, wenn es lediglich um die Verurteilung dem Grunde nach geht.

17

Die Klägerin bildete mit ihrem Ehemann im streitigen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft, wenn sie auch während der Zeit, in der dieser stationär versorgt wurde, von ihm nicht dauernd getrennt lebte. Die Auslegung des Begriffs "Getrenntleben" richtet sich auch im Rahmen des SGB II nach familienrechtlichen Grundsätzen (Bundessozialgericht Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, RdNr 13 ff; Urteil des Senats vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42 RdNr 17). Gemäß § 1567 Bürgerliches Gesetzbuch leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Maßgebend ist also ein objektiv hervortretender Trennungswille. Demgegenüber können Ehegatten zwar häuslich getrennt sein und dennoch - mit den Einbußen, die sich aus dem Fehlen der häuslichen Gemeinschaft notwendig ergeben - die eheliche Lebensgemeinschaft bejahen und verwirklichen (Bundesgerichtshof Urteil vom 25.1.1989 - IVb ZR 34/88 - FamRZ 1989, 479 = juris RdNr 8). Auch wenn sich bei einer unfreiwilligen Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft die allein noch mögliche Kontaktpflege auf Besuche beschränkt, so ist dies doch der Restbestand der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft (BGH, aaO). Zur Aufgabe einer solchen, wenn auch nur rudimentär verwirklichten Lebensgemeinschaft und damit zum Getrenntleben kommt es nur, wenn der trennungswillige Ehegatte seine Verhaltensabsicht unmissverständlich zu erkennen gibt. Da es sich dabei nicht um eine Willenserklärung handelt, kann auch ein Geschäftsunfähiger diesen Willen äußern (BGH, aaO, juris RdNr 9 mwN; vgl zum Begriff des Getrenntlebens auch OLG Bamberg, FamRZ 1981, 52).

18

Daran anschließend ist das BSG auch für den Bereich des SGB II davon ausgegangen, dass eine Bedarfsgemeinschaft bei Eheleuten (noch) bestehen kann, wenn diese wegen des pflegebedingten Aufenthalts eines Ehegatten in einem Heim räumlich voneinander getrennt leben (BSG Urteil vom 18.2.2010 - B 4 AS 49/09 R - BSGE 105, 291 = SozR 4-4200 § 7 Nr 16, RdNr 14 mwN; mit anderen Akzenten, aber im Wesentlichen mit gleichem Ergebnis zum SGB XII Coseriu, juris PK, SGB XII, 1. Aufl 2011, § 19, RdNr 14 f). Das LSG wird hierzu weitere Feststellungen zu treffen und dabei zu berücksichtigen haben, dass nach den dargelegten Grundsätzen der Trennungswille "unmissverständlich" zum Ausdruck gekommen sein muss und dass insofern die bloße Erklärung des Getrenntlebens für sich genommen ohne weitere objektive Anhaltspunkte nicht genügt.

19

Die Tatsache, dass der Ehemann wegen seiner Unterbringung in einer stationären Einrichtung einerseits und als Bezieher einer Rente wegen Alters andererseits aufgrund der Regelung des § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II selbst keine Leistungen nach dem SGB II erhalten konnte, steht seiner Einbeziehung in die Bedarfsgemeinschaft nicht entgegen(vgl nur BSG Urteile vom 7.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 11 und 15; vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 31).

20

4. Hat zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann im streitgegenständlichen Zeitraum eine Bedarfsgemeinschaft bestanden, so richtet sich die Prüfung der Hilfebedürftigkeit der Klägerin nach den Grundsätzen, die das BSG für derartige "gemischte Bedarfsgemeinschaften" entwickelt hat (vgl grundlegend BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 29 ff). Danach ist in einem ersten Schritt der Bedarf der Klägerin zu bestimmen und in einem zweiten Schritt zu prüfen, in welchem Umfang dem Bedarf der Klägerin eigenes Einkommen oder Einkommen ihres Ehemanns gegenübersteht (dazu unter 5.). In einem letzten Schritt ist zu erörtern, ob der Hilfebedürftigkeit der Klägerin verwertbares Vermögen entgegensteht (dazu unter 6.).

21

Der Bedarf der Klägerin setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts (§ 20 SGB II, dazu unter a)und den Bedarfen für Unterkunft und Heizung (§ 22 SGB II, dazu unter b).

22

a) Auch wenn die Feststellungen des LSG ergeben, dass mangels Trennungswillens ein "dauerndes Getrenntleben" nicht vorgelegen hat, ist gleichwohl der für die Klägerin maßgebliche Regelbedarf in Höhe der Regelleistung für Alleinstehende oder alleinerziehende anzusetzen, der im Streitzeitraum nach § 20 Abs 2 SGB II(idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 - BGBl I 2954) iVm § 20 Abs 4 Satz 3 SGB II in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.6.2007 (BGBl I 1139) damals 347 Euro betrug. Nach den Grundsätzen, die der Senat im Urteil vom 6.10.2011 (B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20 Nr 16) aufgestellt hat, ist eine Regelleistung von 90 vH nur dann gerechtfertigt, wenn beide Partner in einer Haushaltsgemeinschaft umfassend "aus einem Topf" wirtschaften mit der Folge, dass zwei zusammenlebende Partner einen finanziellen Mindestbedarf haben, der unter dem doppelten des Bedarfs eines Alleinwirtschaftenden liegt (vgl auch Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, K § 20 RdNr 67, Stand: 4/2010 mwN). Wenn dagegen nicht mehr "aus einem Topf" gewirtschaftet werden kann, besteht zwar weiterhin eine Bedarfsgemeinschaft, die genannten Einsparmöglichkeiten durch das gemeinsame Wirtschaften entfallen jedoch. Es ergibt sich deshalb ein Anspruch der Klägerin auf Berücksichtigung der vollen Regelleistung aus der analogen Anwendung des § 20 Abs 2 SGB II, denn ihre Bedarfslage entspricht der einer Alleinstehenden. Dies entspricht auch verfassungsrechtlichen Vorgaben, weil im Referenzsystem des SGB XII in der hier maßgeblichen Fassung der Regelsatzverordnung (RSV) in § 3 Abs 3 RSV eine Regelleistung in Höhe von jeweils 90 vH ausdrücklich nur für zusammenlebende Ehegatten oder Lebenspartner vorgesehen war und eine vom Eckregelsatz abweichende noch niedrigere Regelleistung nur für Haushaltsangehörige normiert war(vgl dazu im Einzelnen BSG Urteil vom 6.10.2011 - B 14 AS 171/10 R - BSGE 109, 176 = SozR 4-4200 § 20, RdNr 24, 25), sodass eine Regelleistung von 90 vH in Fällen wie dem vorliegenden unter Gleichheitsgesichtspunkten (Art 3 Abs 1 Grundgesetz) nicht vertretbar wäre. Dementsprechend hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1.1.2011 die Regelung des § 8 Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz in seinem Abs 1 Nr 2 dahingehend gefasst, dass sich der Regelbedarf von jeweils 90 vH - wie in § 3 Abs 3 RSV - ausdrücklich auf zwei erwachsene Leistungsberechtigte, die als Ehegatten … einen gemeinsamen Haushalt führen, bezieht.

23

b) Hinzu kommen für die Bedarfsberechnung die Leistungen für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II. Danach werden die Leistungen grundsätzlich in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Die tatsächlich aufgewandten Kosten für Unterkunft und Heizung sind für die Klägerin berücksichtigungsfähig jedoch nur in dem Umfang, in dem sie auf ihre Nutzung des Wohnhauses entfallen. Wenn neben der Klägerin auch ihr Sohn das Haus bewohnt hat, sind die Kosten für die Nutzung des Wohnhauses (regelmäßig) unabhängig von Alter, Nutzungsintensität oder Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft pro Kopf aufzuteilen (vgl BSG Urteile vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9; vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 7/07 R; vom 23.11.2006 - B 11b AS 1/06 R- BSGE 97, 265 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 28 unter Hinweis auf BVerwGE 79, 17 zur Sozialhilfe). Die tatsächlichen Verhältnisse werden im wiedereröffneten Berufungsverfahren weiter aufzuklären sein. Dagegen ist für die Anwendung des Kopfteilprinzips auch in Bezug auf den im Pflegeheim lebenden Ehemann der Klägerin kein Raum. Die Aufteilung der Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Kopfteilprinzip setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass die Wohnung gemeinsam mit anderen Personen genutzt wird, also den aktuellen Unterkunftsbedarf weiterer Personen abdeckt. Daran fehlt es, wenn ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft die Wohnung über einen Zeitraum nicht nutzt, der auch zu einem Ausschluss von Leistungen nach § 7 Abs 4, 4a SGB II führt(vgl dazu BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42). Inwieweit es bei einer solchen Konstellation dem verbliebenen Partner zugemutet werden kann, die Gesamtkosten der Unterkunft zu mindern und die Wohnverhältnisse einer dauerhaften alleinigen Nutzung der Wohnung anzupassen, braucht hier nicht entschieden zu werden, denn es fehlt bereits an einer Kostensenkungsaufforderung seitens des Beklagten. Es kann somit auch weiter offenbleiben, ab welchem Zeitpunkt bei mehr als sechsmonatiger Abwesenheit Maßnahmen zur Kostensenkung verlangt werden können.

24

5. Da die Klägerin selbst nicht über Einkommen verfügte, bleibt bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft zu klären, ob und ggf in welchem Umfang Einkommen ihres Ehemanns zu berücksichtigen ist. Da nur eine sog "gemischte Bedarfsgemeinschaft" in Betracht kommt, ist in Modifikation der Grundregel des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II nur das den Bedarf des nicht leistungsberechtigten Mitglieds übersteigende Einkommen auf die hilfebedürftigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft entsprechend dem Anteil ihres individuellen Bedarfs am Gesamtbedarf zu verteilen(Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 49).

25

Wenn der Ehemann im streitigen Zeitraum dauerhaft in einer stationären Einrichtung iS des § 13 SGB XII untergebracht war, wofür nach den bisherigen Feststellungen des LSG vieles spricht, ist sein Bedarf - abweichend vom Regelfall einer gemischten Bedarfsgemeinschaft(vgl BSG, aaO, RdNr 40) - nicht nach dem SGB II zu bestimmen, sondern nach dem SGB XII. Zwar ist in gemischten Bedarfsgemeinschaften grundsätzlich auch der Bedarf des anderen - von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossenen - Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II zu ermitteln (BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 40 unter Hinweis auf BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 3, RdNr 24; BSG Urteil vom 29.3.2007 - B 7b AS 2/06 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 4). Der Senat hat in der genannten Entscheidung aber bereits angedeutet, dass in besonderen Fällen eine Abweichung von diesem Grundsatz geboten sein kann. Eine abweichende Bedarfsbestimmung ist insbesondere dann erforderlich, wenn Besonderheiten vorliegen, die mit einer fiktiven Bedarfsberechnung nach dem SGB II nicht abgebildet werden können. Dies ist der Fall, wenn der von Leistungen nach dem SGB II Ausgeschlossene in einer stationären Einrichtung versorgt wird und sein notwendiger Lebensunterhalt daher nach den besonderen Vorschriften des § 35 SGB XII(ab dem 1.1.2011: § 27b SGB XII) ermittelt wird, die wiederum in engem Zusammenhang mit den §§ 75 ff SGB XII stehen. Für diese besondere Bedarfssituation enthält das SGB II keine Grundlage, weil die Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Hilfe in Einrichtungen nicht kennt (vgl Behrend, juris PK, SGB XII, Stand 4.2.2013, § 27b, RdNr 5)und den Fall eines solchen nur im SGB XII berücksichtigten Bedarfs als Teil des Gesamtbedarfs bei fortbestehender Bedarfsgemeinschaft nicht regelt. Die unzulängliche Abstimmung der Leistungssysteme des SGB II und des SGB XII machen an dieser Schnittstelle deshalb eine nach dem SGB XII vergleichende Berechnung des Bedarfs und des Einkommens erforderlich (ähnlich bereits BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 20/09 R - BSGE 108, 241 = SozR 4-3500 § 82 Nr 8, RdNr 20 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 15.4.2008 - B 14/7b AS 58/06 R - SozR 4-4200 § 9 Nr 5 RdNr 49). Das LSG wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren also im Falle der Betreuung in einer stationären Einrichtung den Bedarf des Ehemanns nach den Maßstäben des § 35 SGB XII zu ermitteln haben, nach dessen Abs 1 Satz 1 der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen den darin erbrachten sowie in stationären Einrichtungen zusätzlich den weiteren notwendigen Lebensunterhalt umfasst.

26

Auch die Frage, inwieweit der Ehemann sein Einkommen aus Rentenzahlungen sowie den Leistungen der Pflegekasse nach den Regelungen des SGB XI für die genannten Bedarfe nach § 35 SGB XII einzusetzen hat, ist nach den allgemeinen Regelungen zur Einkommensberücksichtigung gemäß §§ 82 ff, 92, 92a SGB XII zu entscheiden. Danach erfolgt ein Einsatz seines Einkommens für die stationären Leistungen der Einrichtung nur bis zur Höhe des (fiktiven) Anteils der Hilfe zum Lebensunterhalt an dem notwendigen Lebensunterhalt in Einrichtungen (vgl Behrend, juris PK, SGB XII, Stand 4.2.2013, § 27b, RdNr 34). Soweit im Übrigen eine fiktive Zuordnung zu den Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII erfolgt, sind die besonderen Regelungen der §§ 85 ff SGB XII maßgebend. Hierbei ist zu beachten, dass bei der Klägerin Einkommen ihres Ehemanns nur insoweit berücksichtigt werden darf, als es nach sozialhilferechtlichen Maßstäben einzusetzen ist (vgl BSG Urteil vom 9.6.2011 - B 8 SO 20/09 R - BSGE 108, 241 = SozR 4-3500 § 82 Nr 8, RdNr 24).

27

6. Bei der Prüfung, ob die Klägerin einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, ist neben der Berücksichtigung eigenen Einkommens und ggf (überschießenden) Einkommens ihres Ehemanns zu ermitteln, ob der Hilfebedürftigkeit der Klägerin verwertbares Vermögen entgegengestanden hat. Als einzusetzendes Vermögen gemäß § 12 Abs 1 SGB II könnte vorbehaltlich einer Privilegierung gemäß § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II das der Klägerin gehörende hälftige Hausgrundstück zählen. Ob ausgehend von der Gesamtwohnfläche des Hauses und der Gesamtgrundstücksfläche sowie nach der Bewohnerzahl eine Berücksichtigung als Vermögen in Betracht kommt, kann aufgrund fehlender tatsächlicher Feststellungen nicht entschieden werden. Auch zur Verwertbarkeit des Miteigentumsanteils sind keine Feststellungen getroffen worden. Ggf wäre auch zu klären, ob eine mögliche Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich wäre oder eine besondere Härte darstellen würde (§ 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 SGB II). Ferner ist auch ein möglicher Schenkungsrückforderungsanspruch als Vermögenswert in Betracht zu ziehen (zur Berücksichtigung eines Schenkungsrückforderungsanspruchs im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung nach dem SGB XII BSG Urteil vom 2.2.2010 - B 8 SO 21/08 R - juris RdNr 13 ff).

28

Das LSG wird über die Kosten des Verfahrens einschließlich des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner Kosten für alle Instanzen zu erstatten. Im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Umstritten ist die Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung (KdUH) vom 9.9.2013 bis zum 28.2.2014.

2

Die 1970 geborene Klägerin ist die Mutter des am 29.9.1997 geborenen Klägers. Beide sind kubanische Staatsangehörige. Im strittigen Zeitraum besaß die Klägerin eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG, während der Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs 2 AufenthG hatte. Die von den Klägern bewohnte Wohnung in D. (im Folgenden: Familienwohnung) hatte eine Wohnfläche von 70 qm und kostete monatlich insgesamt 426 Euro. Bis Ende August 2013 erhielten beide Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom beklagten Jobcenter.

3

Von der zu 2. beigeladenen Bundesagentur für Arbeit (BA) wurde dem Kläger wegen einer Lernbehinderung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 112 ff SGB III ein Berufsvorbereitungslehrgang in R. für die Zeit vom 9.9.2013 bis zum 31.7.2014 mit internatsmäßiger Unterbringung sowie Ausbildungsgeld in Höhe von monatlich 104 Euro und Reisekosten für Familienheimfahrten gewährt. Ab dem 9.9.2013 wohnte der Kläger während der Woche im Internat. An den Wochenenden und in den Schulferien hielt er sich in der Familienwohnung auf.

4

Mit Bescheid vom 19.8.2013 bewilligte das beklagte Jobcenter nur noch der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.9.2013 bis 28.2.2014. Nachdem die Kläger hiergegen Widerspruch eingelegt hatten, bewilligte der Beklagte auch dem Kläger Leistungen vom 1.9. bis 8.9.2013 (Änderungsbescheid vom 11.9.2013) und wies den Widerspruch im Übrigen zurück (Widerspruchsbescheid vom 16.9.2013). Während des hiergegen geführten Klageverfahrens hat der Beklagte aufgrund der Anhebung des Regelbedarfs und des Mehrbedarfs für Warmwasserbereitung der Klägerin für die Monate Januar und Februar 2014 höhere Leistungen bewilligt (Änderungsbescheid am 23.11.2013).

5

Das SG hat den Landkreis D. und die BA zum Verfahren beigeladen. Der beigeladene Landkreis hat den Antrag der Kläger auf Gewährung von Wohngeld mit Bescheid vom 10.12.2013, der nicht angefochten wurde, abgelehnt. Das SG hat unter Abweisung der Klagen im Übrigen die beigeladene BA verurteilt, dem Kläger die Kosten der Unterkunft in Höhe von 213 Euro monatlich vom 9.9.2013 bis 28.2.2014 für die Familienwohnung in D. zu bezahlen (Urteil vom 7.7.2014); der Kläger sei von Leistungen des SGB II nach § 7 Abs 5 und 6 SGB II ausgeschlossen, die Voraussetzungen von § 27 Abs 2 und 3 SGB II lägen nicht vor, mit einem Härtefalldarlehen nach dessen Abs 4 sei ihm nicht gedient. Eine Lösung könne nur über die "Generalklausel" in § 127 Abs 1 Satz 2 SGB III erfolgen, zumal der Kläger nicht dauerhaft im Internat bleiben könne und regelmäßig in die Familienwohnung zurückkehre.

6

Auf die Berufung der beigeladenen BA und die Anschlussberufungen der Kläger hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten unter Änderung der Bescheide verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 9.9.2013 bis 28.2.2014 ein Darlehen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren; im Übrigen hat es die Klagen abgewiesen und die Anschlussberufungen zurückgewiesen (Urteil vom 23.7.2015). Die Verurteilung der beigeladenen BA zur Übernahme des Unterkunftskostenanteils des Klägers an der Familienwohnung sei zu Unrecht erfolgt. Der Kläger habe keine Ansprüche gegen die beigeladene BA, weder nach den Vorschriften des SGB III noch des SGB IX. Auch der Klägerin stünden keine höheren Leistungen zu als ihr bewilligt worden seien, insbesondere nicht die vollen Kosten der Familienwohnung. Eine nur temporäre Bedarfsgemeinschaft zwischen ihr und dem Kläger habe trotz dessen Internatsaufenthalts während der Woche nicht vorgelegen, weil er im strittigen Zeitraum seinen Lebensmittelpunkt weiterhin in der Familienwohnung gehabt habe. Die Kosten der Familienwohnung seien daher nach dem Kopfteilprinzip zwischen der Klägerin und dem Kläger aufzuteilen gewesen. Hiervon ausgehend seien der Klägerin sämtliche ihr zustehenden Leistungen im strittigen Zeitraum bewilligt worden. Der Kläger seinerseits sei von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs 5 SGB II mit Ausnahme von Leistungen nach § 27 SGB II ausgeschlossen, weil er im strittigen Zeitraum eine berufsvorbereitende Maßnahme nach §§ 51, 112 ff SGB III absolviert habe. Eine Rückausnahme nach § 7 Abs 6 SGB II liege nicht vor. Der Kläger habe gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf Gewährung eines Darlehens aufgrund eines besonderen Härtefalls nach § 27 Abs 4 SGB II. Dies sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Kläger entgegen der Entscheidung des beigeladenen Landkreises wahrscheinlich einen Anspruch auf Wohngeld gegen diesen habe. Das Risiko der Verwirklichung des Wohngeldanspruchs im vielgliedrigen System sozialer Leistungen sei nicht dem Kläger aufzubürden. Zwar stehe der Anspruch auf ein Darlehen nach § 27 Abs 4 Satz 1 SGB II im Ermessen des Beklagten, dieses sei aber hinsichtlich des "Ob" beim Vorliegen eines besonderen Härtefalls auf Null reduziert, weshalb er zur Gewährung eines Darlehens habe verurteilt werden können, jedoch nicht in einer bestimmten Höhe.

7

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung der §§ 64, 127 SGB III und von § 27 Abs 4 SGB II. Das LSG gehe zu Unrecht davon aus, dass kein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Familienwohnung gegen die beigeladene BA bestehe. Ein Härtefall iS des § 27 Abs 4 SGB II liege nicht vor. Die berufsvorbereitende Maßnahme stelle nicht die einzige objektiv belegbare Zugangsmöglichkeit des Klägers zum Arbeitsmarkt dar. Die Ausschlussregelung des § 7 Abs 5 SGB II solle die Grundsicherung davon befreien, eine versteckte Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen. Dies würde unterlaufen, wenn bei behinderten Personen, die aufgrund der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Maßnahme von Leistungen ausgeschlossen seien, ein Härtefall angenommen werde.

8

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23. Juli 2015 insoweit aufzuheben, wie er zur Gewährung eines Darlehens an den Kläger für die Zeit vom 9. September 2013 bis zum 28. Februar 2014 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt wurde, und die Anschlussberufungen der Kläger insgesamt zurückzuweisen.

9

Die Kläger und die Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Revision des beklagten Jobcenters ist nicht begründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat den Beklagten unter Änderung seiner Bescheide zu Recht verurteilt, dem Kläger für die strittige Zeit ein Darlehen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts zu gewähren (dazu 4.). Ansprüche des Klägers gegen die beigeladene BA bestehen nicht (dazu 3.). Weitere Ansprüche der Klägerin, die trotz des Fehlens eines Antrags ihrerseits im Revisionsverfahren zu prüfen sind (dazu 1.), gegen den Beklagten sind ebenfalls nicht gegeben (dazu 5.).

11

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den Urteilen von LSG und SG sowie den angefochtenen Bescheiden des Beklagten der gesamte beim LSG anhängig gewesene Streitstoff, also nicht nur der vom LSG zugesprochene Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten, sondern auch sein möglicher Anspruch gegenüber der beigeladenen BA sowie ein möglicher Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten, obwohl die Kläger im Revisionsverfahren nicht vertreten sind und keine Anträge gestellt haben.

12

Dies ergibt sich aus der durch § 75 Abs 5 SGG eröffneten Befugnis, anstelle des verklagten Leistungsträgers nach Beiladung den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten Träger zu verurteilen. Um den mit dieser Vorschrift verfolgten Zwecken der Prozessökonomie gerecht zu werden, muss das Revisionsgericht über alle in Frage kommenden Ansprüche entscheiden können, wenn nur der unterlegene Leistungsträger Rechtsmittel eingelegt hat. Andernfalls könnten einander widersprechende Entscheidungen ergehen mit der Folge, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Leistungsträger und in einer weiteren Instanz gegen den anderen Träger nicht durchdringt, obwohl feststeht, dass gegen einen von beiden jedenfalls der Anspruch besteht. Der Kläger müsste ggf ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG betreiben, was durch die Regelung des § 75 Abs 5 SGG gerade vermieden werden soll(stRspr vgl nur BSGE 9, 67, 69 f; letztens etwa BSG Urteil vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/07 KR R - BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, jeweils RdNr 10 mwN).

13

Diese gesetzlichen Anforderungen gelten nicht nur im Falle der subjektiven Klagehäufung auf Beklagtenseite, sondern auch bei einer subjektiven Klagehäufung auf Klägerseite, wenn die in einem Klageverfahren geltend gemachten Ansprüche der mehreren Kläger in einem Alternativverhältnis zueinander stehen und sich daher gegenseitig ausschließen. Auch dann kann es zu widersprechenden Entscheidungen dergestalt kommen, dass der eine Kläger mit seinem Klagebegehren zunächst gegen den einen Leistungsträger durchdringt und in einer weiteren Instanz aufgrund des Rechtsmittels des verurteilten Leistungsträgers diese Entscheidung aufgehoben wird, weil der andere Kläger einen Anspruch gegen den anderen Träger hat. Auch in einem solchen Fall könnte nur durch ein ggf durchzuführendes Wiederaufnahmeverfahren nach § 180 SGG Abhilfe geschaffen werden, wenn nicht der gesamte Rechtsstreit in den Rechtsmittelinstanzen angefallen ist. Dies setzt für die Ansprüche der Kläger gegen die Beklagten keine Rechtsbeziehungen wie bei einer notwendigen Beiladung nach § 75 Abs 2 SGG voraus, zumal diese eine Beteiligung Dritter an "dem" Rechtsverhältnis erfordert, während es sich in Fällen der vorliegenden Art um mehrpolige Rechtsbeziehungen handelt, die in einer bestimmten Weise miteinander verbunden sind(vgl zur Verneinung einer notwendigen Beiladung anderer Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft nur BSG Urteil vom 7.11.2006 - B 7b AS 14/06 R - BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 18).

14

Die aufgezeigte Fallkonstellation ist vorliegend gegeben, weil die Übernahme der umstrittenen restlichen KdUH der Familienwohnung nicht nur durch Ansprüche des Klägers gegen das beklagte Jobcenter, insbesondere nach § 27 SGB II, und gegen die beigeladene BA, insbesondere nach § 127 SGB III, sondern auch durch Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten nach § 22 SGB II befriedigt werden könnte.

15

Ansprüche der Kläger gegenüber dem beigeladenen Landkreis als Wohngeldstelle scheiden aus, weil er insofern von der Regelung des § 75 Abs 5 SGG nicht umfasst wird und sein Bescheid vom 10.12.2013 über die Ablehnung von Leistungen nach dem WoGG bestandskräftig geworden ist (vgl BSG Urteil vom 9.3.2016 - B 14 KG 1/15 R - vorgesehen für SozR 4-5870 § 6a Nr 6 - RdNr 44). Ob seitens des Beklagten aufgrund seiner Verurteilung zur Leistungsgewährung an den Kläger ein Erstattungsanspruch gegen den beigeladenen Landkreis besteht, ist vorliegend nicht zu entscheiden.

16

2. Verfahrensrechtliche Hindernisse stehen einer Sachentscheidung des Senats nicht entgegen. Die Kläger haben die von ihnen begehrte Übernahme der restlichen KdUH für die Familienwohnung zu Recht mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) gegen den Beklagten und zudem gegen die nach § 75 SGG beigeladene BA verfolgt. Die isolierte Geltendmachung von Ansprüchen auf Übernahme der KdUH ist nach der ständigen Rechtsprechung der für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG zulässig, soweit sie - wie vorliegend - Gegenstand einer abtrennbaren Verfügung des angegriffenen Bescheids sind (letztens etwa BSG Urteil vom 4.6.2014 - B 14 AS 42/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 78 RdNr 10; BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254 = SozR 4-4200 § 7 Nr 38, jeweils RdNr 12).

17

3. Der Kläger hat gegen die beigeladene BA keinen Anspruch auf weitere und im Verhältnis zum Beklagten vorrangige (vgl § 5 SGB II)Leistungen auf Übernahme der restlichen KdUH für die Familienwohnung im Rahmen der ihm bewilligten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 51 ff, 112 ff SGB III.

18

a) Die Voraussetzungen des § 127 Abs 1 Satz 2 Alt 2 SGB III "für Sonderfälle der Unterkunft" liegen nicht vor, weil diese nach § 128 SGB III erfordern, dass keine Unterbringung ua in einem Internat erfolgt, die aber dem Kläger gerade bewilligt wurde. Angesichts der genauen gesetzlichen Umschreibung der Sonderfälle in § 128 SGB III scheidet auch eine Auslegung der Norm im Sinne einer Generalklausel, wie sie seitens des SG vorgenommen wurde, aus.

19

b) Ebenso wenig sind die Voraussetzungen des § 127 Abs 1 Satz 1 SGB III iVm dem hier allein in Betracht kommenden § 33 SGB IX erfüllt. Nach § 33 Abs 3 SGB IX umfassen die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben insbesondere nach dessen Nr 6 "sonstige Hilfen", die nach § 33 Abs 8 Satz 1 Nr 6 SGB IX "Kosten der Beschaffung, der Ausstattung und der Erhaltung einer behinderungsgerechten Wohnung" umfassen. Derartige spezifische Kosten sind jedoch nicht im Streit, es geht "nur" um einen Teil der Kosten der normalen Familienwohnung der Kläger.

20

c) Gleichfalls nicht gegeben sind die Voraussetzungen für die Übernahme der Kosten als sonstige Aufwendungen nach § 64 Abs 3 Satz 2 SGB III. Nach § 64 Abs 3 Satz 2 SGB III können bei einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sonstige Kosten als Bedarf anerkannt werden, 1. soweit sie durch die Teilnahme an der Maßnahme unvermeidbar entstehen, 2. soweit die Teilnahme an der Maßnahme andernfalls gefährdet ist und 3. wenn die Aufwendungen von der oder dem Auszubildenden oder ihren oder seinen Erziehungsberechtigten zu tragen sind. Die aufgezählten Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen, wie sich aus der Verwendung der Konjunktion "und" ergibt. Demgemäß greift die Vorschrift hier nicht ein, weil die strittigen KdUH für die Familienwohnung nicht erst durch die Teilnahme an der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme entstanden sind, sondern auch schon vorher bestanden und daher der kausale Zusammenhang zwischen Teilnahme an der Maßnahme und Entstehung der Kosten nicht vorliegt (vgl zu diesem Kausalitätserfordernis auch Buser in Eicher/Schlegel, SGB III nF, § 64 RdNr 58, Stand der Einzelkommentierung Juli 2014; Petzold in Hauck/Noftz, SGB III, 2. Aufl, K § 64 RdNr 10, Stand der Einzelkommentierung 3/2014).

21

4. Der Kläger hat jedoch gegen das beklagte Jobcenter Anspruch auf Übernahme der KdUH als Darlehen nach Absatz 4 Satz 1 des § 27 SGB II in der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I 2854; im Folgenden SGB II aF). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden.

22

a) Ob bei dem im Jahr 1997 geborenen Kläger die Voraussetzungen als erwerbsfähiger Leistungsberechtigter nach § 7 Abs 1 SGB II gegeben waren oder mangels Erwerbsfähigkeit iS des § 8 Abs 2 SGB II nicht, hat das LSG zu Recht offenlassen können. Denn er bildete zumindest gemäß § 7 Abs 3 Nr 4 SGB II eine Bedarfsgemeinschaft mit seiner Mutter, der Klägerin, die in ihrer Person die Voraussetzungen einer erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach § 7 Abs 1 SGB II erfüllte. Insbesondere verfügte sie über eine Niederlassungserlaubnis nach § 9 AufenthG und galt damit als erwerbsfähig nach dem § 8 Abs 2 SGB II. Trotz der Teilnahme an der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme mit internatsmäßiger Unterbringung in R. gehörte der damals minderjährige Kläger weiterhin dem Haushalt seiner Mutter an, weil er an den Wochenenden und in den Ferien in der gemeinsam mit der Mutter bewohnten Familienwohnung lebte und dort seinen Lebensmittelpunkt beibehalten hatte (vgl zur Situation bei Volljährigen: BSG Urteil vom 6.8.2014 - B 4 AS 55/13 R - BSGE 116, 254 = SozR 4-4200 § 7 Nr 38 sowie unter 5.). Er war auch nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt aus eigenem Einkommen und Vermögen zu bestreiten, weil er nach den Feststellungen des LSG über kein Vermögen und an Einkommen nur über monatlich 104 Euro Ausbildungsgeld sowie 184 Euro Kindergeld verfügte. Eine solche Bedarfsgemeinschaft wird durch das Bestehen eines Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 5 SGB II nicht ausgeschlossen(BSG aaO RdNr 31 mwN).

23

Der Kläger war aufgrund der Teilnahme an der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme von der Gewährung von über die Leistungen nach § 27 SGB II aF hinausgehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 7 Abs 5 SGB II aF ausgeschlossen. Denn bei der von ihm absolvierten berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme handelte es sich um eine dem Grunde nach förderungsfähige Ausbildung iS des § 7 Abs 5 SGB II aF, die zum Leistungsausschluss führt(vgl zum Leistungsausschluss bei Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme ausführlich BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 AS 25/14 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 40 RdNr 20 ff). Die Voraussetzungen für eine Rückausnahme nach § 7 Abs 6 SGB II aF lagen nicht vor.

24

b) Von den Leistungen nach § 27 SGB II aF sind die Voraussetzungen derjenigen nach Abs 2 und Abs 3 nicht erfüllt, wohl aber die für die Härtefallregelung nach Abs 4.

25

Die in § 27 Abs 2 SGB II aF vorgesehenen Leistungen in Höhe der Mehrbedarfe nach § 21 Abs 2, 3, 5 und 6 SGB II sowie in Höhe der Leistungen nach § 24 Abs 3 Nr 2 SGB II werden vom Kläger nicht geltend gemacht. Streitgegenständlich sind allein die auf ihn entfallenden KdUH für die Familienwohnung.

26

Auch die in § 27 Abs 3 SGB II aF vorgesehenen Leistungen scheiden bei dem Kläger aus. Er erhielt zwar während seiner Teilnahme an der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme Ausbildungsgeld, sein Bedarf bemaß sich aber nicht nach den in § 27 Abs 3 SGB II aF genannten Vorschriften, sondern nach § 124 Abs 3 iVm § 123 Abs 1 Nr 2 SGB III, denn er war aufgrund der Maßnahme am Maßnahmeort R. internatsmäßig untergebracht (vgl BSG Urteil vom 17.2.2015 - B 14 AS 25/14 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 40 RdNr 45).

27

c) Es stellt jedoch für den Kläger eine besondere Härte iS des § 27 Abs 4 Satz 1 SGB II aF dar, dass er von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs 5 SGB II aF ausgeschlossen ist.

28

Bei dem Begriff der "besonderen Härte" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch die Gerichte unterliegt. Die Verwaltung hat keinen Beurteilungsspielraum; ihr steht auch keine Einschätzungsprärogative zu (BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, jeweils RdNr 22; BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 28/07 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 9 RdNr 20). § 27 SGB II wurde durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453) eingefügt. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs ist Satz 1 des § 27 Abs 4 SGB II an den bisherigen § 7 Abs 5 Satz 2 SGB II aF angelehnt(vgl BT-Drucks 17/3404 S 103), sodass auf die zum dortigen Begriff des "besonderen Härtefalls" ergangene Rechtsprechung des BSG zurückgegriffen werden kann. Ein solcher Härtefall wurde insbesondere dann angenommen, wenn wegen einer Ausbildungssituation ein Hilfebedarf entstanden war, der nicht durch Leistungen des BAföG oder Berufsausbildungsbeihilfe gedeckt werden konnte, und deswegen begründeter Anlass für die Annahme bestand, dass die vor dem Abschluss stehende Ausbildung nicht beendet werde und damit das Risiko zukünftiger Erwerbslosigkeit drohe (vgl BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 4 AS 26/13 R - BSGE 115, 210 = SozR 4-4200 § 15 Nr 3, jeweils RdNr 46).

29

Darauf aufbauend kann auch dann eine "besondere Härte" des Leistungsausschlusses nach dem SGB II angenommen werden, wenn eine Ausbildung oder Berufsvorbereitungsmaßnahme notwendig ist, um den Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben zu integrieren, der Abbruch der Ausbildung oder Maßnahme aufgrund einer nicht gedeckten Bedarfslage des Hilfebedürftigen droht und eine besondere Schutzbedürftigkeit des Hilfebedürftigen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls besteht, die den Leistungsausschluss als unzumutbar oder in hohem Maße unbillig erscheinen lässt. Denn eine Ausbildung - oder wie beim Kläger eine Berufsvorbereitungsmaßnahme - ist insbesondere für junge Menschen nach den allgemeinen Grundsätzen des SGB II die Maßnahme, die bei ihnen im Vordergrund steht (vgl § 3 Abs 2 SGB II aF), um sie in Arbeit und Erwerbstätigkeit einzugliedern, damit sie ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können (§§ 1 bis 3 SGB II aF). Schon nach dieser in der strittigen Zeit geltenden Rechtslage stand daher bei dieser Personengruppe entgegen der Ansicht der Revision eine Ausbildung als Eingliederungsmaßnahme im Vordergrund. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass dies durch zahlreiche Neuregelungen des SGB II im Rahmen des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - und zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016 (BGBl I 1824, im Folgenden SGB II nF) bestätigt wird, in denen nunmehr spezielle Leistungen zur Eingliederung in Ausbildung vorgesehen (§ 1 Abs 3, § 3 Abs 2, § 16h SGB II nF) und der Leistungsausschluss in § 7 Abs 5 SGB II nF enger gefasst und die Rückausnahmen in § 7 Abs 6 SGB II nF erweitert werden(vgl auch Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drucks 18/8041 S 24, 29). Dass eine solche Konkretisierung der Härteregelung entgegen der Ausschlussregelung in § 7 Abs 5 SGB II nicht eine versteckte Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene ermöglicht - so die Sorge der Revision -, folgt aus ihren engen Voraussetzungen; sie ist vielmehr ein notwendiges Korrektiv für die Ausschlussregelung (vgl zur "gesetzgeberischen Motivation" des § 27 SGB II nur Bernzen in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 27 RdNr 4 ff).

30

Die Voraussetzungen eines solchen Härtefalls sind hier gegeben. Die berufsvorbereitende Maßnahme war erforderlich, um den Kläger in das Erwerbsleben integrieren zu können. Dies folgt schon aus der Bewilligung einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, denn eine solche Maßnahme kann gemäß § 51 Abs 1, § 52 Abs 1 Nr 1 SGB III von der BA nur erbracht werden, wenn der junge Mensch förderungsbedürftig ist, was wiederum nur der Fall ist, wenn die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme zur Vorbereitung auf eine Berufsausbildung oder zur beruflichen Eingliederung erforderlich ist. Ohne Annahme eines Härtefalls und zumindest der Gewährung eines Darlehens für die restlichen KdUH für die Familienwohnung drohte ein Abbruch der Maßnahme durch den Kläger, weil anderenfalls während der Dauer der Maßnahme dieser Teil der KdUH nicht gedeckt war.

31

Die besondere Schutzbedürftigkeit des Klägers ergibt sich im konkreten Fall dadurch, dass er noch minderjährig war und während der Dauer der berufsvorbereitenden Maßnahme trotz internatsmäßiger Unterbringung in der Woche eine weitere Unterkunft für die Wochenenden und die Ferien benötigte. Denn er hielt sich zu diesen Zeiten nicht im Internat in R., sondern bei seiner Mutter in der Familienwohnung auf, die ihrerseits als Leistungsberechtigte nach dem SGB II nicht in der Lage war, allein für die Kosten der Familienwohnung aufzukommen und auch keine weitergehenden Ansprüche gegen den Beklagten aus eigenem Recht hatte (dazu 5.). Das LSG ist zu Recht davon ausgegangen, dass es für den Unterkunftsbedarf des Klägers am Wochenende und in den Ferien unerheblich ist, ob das Internat zu diesen Zeiten geschlossen war, weil dem im streitgegenständlichen Zeitraum noch minderjährigen Kläger es nicht zuzumuten war, an den Wochenenden und in den Ferien im Internat und nicht bei seiner Mutter zu leben.

32

Der Annahme einer besonderen Härte steht nicht entgegen, dass ein Wohngeldanspruch der Kläger gegen den beigeladenen Landkreis bestanden haben könnte, gegen dessen Ablehnung jedoch kein gerichtlicher Rechtsschutz in Anspruch genommen worden ist. Einer etwaigen Lastenverschiebung zum Nachteil des Beklagten kann dieser durch Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs gegenüber dem vorrangig verpflichteten Leistungsträger nach § 104 SGB X begegnen.

33

d) Die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung eines Darlehens statt nur zur Bescheidung eines Antrags auf Gewährung eines Darlehens wegen einer besonderen Härte iS des § 27 Abs 4 Satz 1 SGB II aF durch das LSG ist nicht zu beanstanden. Liegt eine besondere Härte vor, hat die Verwaltung unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens Art und Umfang der Leistungsgewährung zu prüfen (vgl zusammenfassend zur Ermessensausübung BSG Urteil vom 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R - BSGE 119, 17 = SozR 4-4200 § 31a Nr 1, jeweils RdNr 35). Im Hinblick auf das "Ob" der Leistungsgewährung wird jedoch im Regelfall von einer Ermessensreduktion auf Null auszugehen sein (BSG Urteil vom 6.9.2007 - B 14/7b AS 36/06 R - BSGE 99, 67 = SozR 4-4200 § 7 Nr 6, jeweils RdNr 21).

34

Angesichts der oben aufgezeigten und im Ergebnis vorliegend bejahten hohen Voraussetzungen für eine besondere Härte ist nicht zu erkennen, wie eine andere Entscheidung als die Gewährung eines Darlehens ermessensfehlerfrei getroffen werden kann. Auch der Wortlaut des § 27 Abs 4 Satz 1 SGB II aF sieht beim Vorliegen einer besonderen Härte als Leistung des Beklagten nur ein Darlehen, nicht aber eine andere Leistung vor.

35

e) Bei der Umsetzung des Urteils und der Ausübung seines Ermessens hinsichtlich der Darlehensgewährung wird der Beklagte die beschränkte Haftung von Minderjährigen in Bezug auf ihnen aus verfassungsrechtlichen Gründen zumutbare Schulden und die zwischenzeitlich eingetretene Volljährigkeit des Klägers zu beachten haben (vgl BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, jeweils RdNr 41 ff mwN; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 4 AS 12/14 R - SozR 4-1300 § 50 Nr 5).

36

Ausgehend vom Beschluss des BVerfG vom 13.5.1986 (1 BvR 1542/84 - BVerfGE 72, 155) zum Recht auf Selbstbestimmung nach Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG und der Verschuldung Minderjähriger hat der Gesetzgeber im Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz vom 25.8.1998 (BGBl I 2487) einen neuen § 1629a BGB geschaffen um zu verhindern, dass der volljährig Gewordene nicht mehr als eine scheinbare Freiheit erreicht. Nach § 1629a BGB ist die Haftung des ehemaligen Minderjährigen und nun volljährig Gewordenen für Verbindlichkeiten, die Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht mit Wirkung für den Minderjährigen begründet haben, auf den Bestand des Vermögens des Minderjährigen bei Eintritt der Volljährigkeit beschränkt; dasselbe gilt für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die der Minderjährige gemäß §§ 107, 108 oder 111 BGB mit Zustimmung seiner Eltern vorgenommen hat oder für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, zu denen die Eltern die Genehmigung des Familiengerichts erhalten haben. Die Regelung gilt nicht für Verbindlichkeiten aus dem selbstständigen Betrieb eines Erwerbsgeschäfts, soweit der Minderjährige hierzu nach § 112 BGB ermächtigt war, und für Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften, die allein der Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse dienten.

37

Diese in Ausführung der verfassungsrechtlichen Vorgaben erfolgte gesetzgeberische Entscheidung gilt mangels anderer Anhaltspunkte für die "Minderjährigenhaftung" im SGB II entsprechend (BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, jeweils RdNr 43 f). Übertragen auf die Darlehensgewährung nach § 27 Abs 4 Satz 1 SGB II aF an Minderjährige durch Jobcenter bedeutet dies, dass sie im Rahmen ihrer Ermessensausübung bei der Gewährung von Darlehen an minderjährige Leistungsberechtigte überprüfen müssen, inwieweit diese aufgrund ihrer absehbaren Einkommens- und Vermögensverhältnisse in der Lage sind, das Darlehen bei Eintritt der Volljährigkeit tilgen zu können. Denn andernfalls wäre die Darlehensgewährung trotz des eingeräumten Ermessens von Anfang an wegen eines Verstoßes gegen die aufgezeigten Grundsätze der beschränkten Haftung Minderjähriger rechtswidrig.

38

Vorliegend ist aufgrund des Zeitablaufs als spezifische Besonderheit zu beachten, dass der Beklagte bei seiner nun im Jahr 2016/2017 erfolgenden Umsetzung des Urteils des LSG über die strittige Leistung und Darlehensgewährung an den Kläger für die Zeit vom 9.9.2013 bis 28.2.2014 dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei Eintritt der Volljährigkeit am 29.9.2015 ermitteln kann. Um ein mögliches Spannungsverhältnis zwischen der sich aus § 27 Abs 4 Satz 1 SGB II aF ergebenden Gewährung eines Darlehens auch an Minderjährige und der sich mittlerweile aufgrund des Zeitablaufs realisierten Beschränkung der Haftung Minderjähriger zum Zeitpunkt des Eintritts der Volljährigkeit nach § 1629a BGB zu lösen, ist ggf § 44 SGB II über die Veränderung von Ansprüchen in den Blick zu nehmen.

39

Nur zur Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass die Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung nicht zu den persönlichen Bedürfnissen iS des § 1629a Abs 2 BGB gehören, weil die Regelung entsprechend dem Begriff "persönliche Bedürfnisse" nicht auf diese durch das SGB II abgedeckten Aufwendungen, sondern auf Kleingeschäfte des täglichen Lebens seitens des Minderjährigen oder größere altersgerechte Anschaffungen wie ein Fahrrad oder einen Computer abzielt(BSG Urteil vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, jeweils RdNr 49 ff; vgl auch BT-Drucks 17/3404 S 113).

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5. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Leistungen für die Unterkunft und Heizung gegen den Beklagten.

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Die Klägerin war eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte und bildete mit dem Kläger eine Bedarfsgemeinschaft, wie ausgeführt. Die KdUH nach § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind auf die in einer Unterkunft lebenden Personen grundsätzlich nach Kopfteilen aufzuteilen(stRspr: BSG Urteil vom 27.2.2008 - B 14/11b AS 55/0AS 55/06 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 9 RdNr 17 ff; letztens etwa BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68 RdNr 18 f). Den so auf die Klägerin entfallenden Kopfteil hat ihr der Beklagte durch die angefochtenen Bescheide bewilligt.

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Höhere Leistungen als nach ihrem Kopfteil stehen der Klägerin nicht zu. Die tatsächlichen Bedingungen für eine der nach der Rechtsprechung des BSG anzuerkennenden Ausnahmen vom Kopfteilprinzip sind nicht gegeben: Es lag kein Fall einer Ortsabwesenheit eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft (BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 50/10 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 42) oder einer Änderung in der Bewohnerzahl vor (BSG Urteil vom 16.4.2013 - B 14 AS 28/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 67), weil der Kläger in der Wohnung wohnen blieb, nur unter der Woche im Internat war und diese Situation deutlich länger als sechs Monate dauerte. Es lag keine Sanktion gegenüber dem Kläger vor, die seinen Anspruch entfallen ließ (BSG Urteil vom 23.5.2013 - B 4 AS 67/12 R - BSGE 113, 270 = SozR 4-4200 § 22 Nr 68; BSG Urteil vom 2.12.2014 - B 14 AS 50/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 82). Auch die Rechtsprechung zur temporären Bedarfsgemeinschaft, nach der höhere Wohnkosten, die einem umgangsberechtigten Elternteil wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinem Kind entstehen, einen zusätzlichen Bedarf dieses Elternteils darstellen (BSG Urteil vom 17.2.2016 - B 4 AS 2/15 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 89), ist nicht einschlägig.

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Der Hintergrund für diese vom Kopfteil als Maßstab für die Aufteilung der KdUH bestehenden Ausnahmen ist die Sicherung des Grundbedürfnisses Wohnen, die in diesen Fällen nur über Ansprüche der jeweiligen leistungsberechtigten Person - hier also der Klägerin - sichergestellt werden kann. So ist es vorliegend aber gerade nicht, weil der Gesetzgeber in § 27 SGB II Leistungen für die Unterkunft und Heizung für Auszubildende, die wie der Kläger von den Leistungen im Übrigen nach § 7 Abs 5 SGB II ausgeschlossen sind, vorsieht.

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6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG und trägt dem teilweisen Obsiegen des Klägers Rechnung.

Wird die Mitwirkung nachgeholt und liegen die Leistungsvoraussetzungen vor, kann der Leistungsträger Sozialleistungen, die er nach § 66 versagt oder entzogen hat, nachträglich ganz oder teilweise erbringen.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Dies gilt auch, wenn der Widerspruch nur deshalb keinen Erfolg hat, weil die Verletzung einer Verfahrens- oder Formvorschrift nach § 41 unbeachtlich ist. Aufwendungen, die durch das Verschulden eines Erstattungsberechtigten entstanden sind, hat dieser selbst zu tragen; das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

(3) Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest; hat ein Ausschuss oder Beirat die Kostenentscheidung getroffen, obliegt die Kostenfestsetzung der Behörde, bei der der Ausschuss oder Beirat gebildet ist. Die Kostenentscheidung bestimmt auch, ob die Zuziehung eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten notwendig war.