Bundessozialgericht Urteil, 08. März 2018 - B 10 EG 7/16 R

ECLI:ECLI:DE:BSG:2018:080318UB10EG716R0
bei uns veröffentlicht am08.03.2018

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Mai 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger für einen Monat Elterngeld zusteht, obwohl er die Adoptionspflege nur etwa drei Wochen ausüben konnte.

2

Der Kläger und seine Ehefrau nahmen am 22.2.2010 ein Kind (geboren am 16.2.2010) zur Adoptionspflege in ihren Haushalt auf.

3

Am 24.2.2010 beantragte der Kläger bei seiner Arbeitgeberin eine siebenmonatige Elternzeit. Ab dem vereinbarten Beginn der Elternzeit am 25.2.2010 unterbrach der Kläger seine Erwerbstätigkeit vollständig und erzielte ab diesem Zeitpunkt sowie im Monat März 2010 keine Einkünfte. Bereits am 12.3.2010 nahmen die leiblichen Eltern das Kind wieder in ihren Haushalt auf. Gleichzeitig hob das Jugendamt den Adoptionspflegevertrag auf.

4

Der Kläger beantragte ohne die Unterschrift seiner Ehefrau am 14.3.2010 schriftlich Elterngeld "für den ersten Lebensmonat" des Kindes. Die Beklagte lehnte eine Bewilligung mit der Begründung ab, dass Elterngeld nur für mindestens zwei Monate bezogen werden könne (Bescheid vom 11.5.2010, Widerspruchsbescheid vom 26.4.2011).

5

Auf die Berufung des Klägers gegen das die Klage abweisende Urteil des SG (Urteil vom 4.9.2012) hat das LSG die Beklagte - wie beantragt - dem Grunde nach zur Gewährung von Elterngeld für den Zeitraum vom 25.2.2010 bis 21.3.2010 verurteilt: Zum Zeitpunkt der Haushaltsaufnahme des Kindes am 22.2.2010 seien einschließlich der gesetzlich vorgesehenen Mindestbezugszeit alle Anspruchsvoraussetzungen für das Elterngeld prognostisch erfüllt gewesen. Fielen die Anspruchsvoraussetzungen später weg, sei keine neue Prognoseentscheidung zu treffen (Urteil vom 11.5.2016).

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 4 Abs 3 S 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in der ab 24.1.2009 geltenden Fassung. Hiernach sei eine Mindestbezugsdauer von zwei Monaten als Anspruchsvoraussetzung für das Elterngeld geregelt, bei deren Nichterreichung kein Elterngeld zu bewilligen sei.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. Mai 2016 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 4. September 2012 zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die Rechtsauslegung durch die Vorinstanz für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Das LSG hat im Ergebnis zutreffend auf die in zulässiger Weise auf ein Grundurteil beschränkte Klage (dazu 1.) entschieden, dass die Beklagte dem Kläger Elterngeld zu gewähren hat (dazu 2.).

11

1. Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 11.5.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.4.2011 über die Ablehnung des vom Kläger geltend gemachten Elterngeldanspruchs für einen Monat. Gegen die genannten Entscheidungen der Beklagten wendet sich der Kläger in zulässiger Weise mit der auf die Gewährung von Elterngeld gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, Abs 4, § 56 SGG), die er zulässigerweise auf den Erlass eines Grundurteils beschränkt hat (§ 130 Abs 1 SGG; stRspr vgl BSG Urteil vom 29.6.2017 - B 10 EG 5/16 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 32 RdNr 9 mwN).

12

2. Die Revision der Beklagten gegen das hiernach ergangene Grundurteil des LSG hat - unbeschadet der insoweit unzutreffenden Zeitangaben im Tenor - keinen Erfolg. Dem Kläger steht Elterngeld für einen vollen Monat nach Beginn der Kindesbetreuung zu. Er hat seinen Elterngeldantrag rechtzeitig und wirksam rückwirkend gestellt (hierzu a) und erfüllt die Grundvoraussetzungen für den Elterngeldanspruch bei Übernahme der Kindesbetreuung (hierzu b). Sein Leistungsanspruch ist mit dem Tag der Haushaltsaufnahme des in Adoptionspflege genommenen Kindes entstanden (hierzu c) und bleibt für einen vollen Monat bestehen (hierzu d). Bei einer mit dem Wegfall der Adoptionspflege verbundenen Entziehung der Kindesbetreuung steht die Regelung zur Mindestbezugsdauer der Gewährung von Elterngeld nicht entgegen (hierzu e).

13

a) Der Kläger hat Elterngeld am 14.3.2010 wie erforderlich schriftlich und zulässigerweise rückwirkend, dh innerhalb der dreimonatigen Ausschlussfrist (vgl § 7 Abs 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, BGBl I 2748) für den Monat nach Aufnahme des Kindes beantragt. Sein Antrag ist trotz der fehlenden Unterschrift seiner Ehefrau wirksam. Die im Elterngeldantrag zusätzlich beizubringende Unterschrift der anderen berechtigten Person soll nach dem Wortlaut des § 7 Abs 3 S 1 BEEG(in der ab 24.1.2009 gültigen Fassung durch das Erste Gesetz zur Änderung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes vom 17.1.2009, BGBl I 61) lediglich deren Kenntnis bekunden und damit das gegenseitige Wissen um die jeweils erhobenen und ggf konkurrierenden Ansprüche insbesondere im Zusammenhang mit der Mindestbezugszeit nach § 4 Abs 3 S 1 BEEG(s hierzu unter e) gewährleisten (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zu einem Gesetz zur Einführung des Elterngeldes, BT-Drucks 16/1889 S 25). Selbst wenn die weitere Unterschrift als Zustimmung erklärt bzw gewertet werden kann, ist die andere berechtigte Person nicht gehindert, konkurrierend Elterngeld zu beantragen (§ 7 Abs 3 S 2 BEEG idF durch das Erste Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, aaO). Dass eine von der anderen berechtigten Person verweigerte Unterschrift und damit auch eine fehlende Unterschrift der Gewährung nicht entgegensteht, kann bereits § 7 Abs 3 S 3 2. Halbs BEEG (idF durch das Erste Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, aaO) mittelbar entnommen werden. Denn der andere Elternteil soll durch eine unterlassene Mitwirkung die Auszahlung des Elterngelds nicht verhindern können (vgl Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 7 BEEG RdNr 44 mwN). Zudem folgt aus den in § 5 Abs 2 BEEG(idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) geregelten Anspruchskonkurrenzen, dass der materielle Anspruch unabhängig von der mit der zweiten Unterschrift bekundeten Kenntnis oder gar Zustimmung ist und dass die zweite Unterschrift weder formelle noch materielle Voraussetzung für die Entstehung bzw Geltendmachung des Elterngeldanspruchs ist.

14

b) Der Anspruch des Klägers auf Elterngeld ist für einen Betreuungsmonat entstanden, nachdem ab dem 22.2.2010 die sich aus § 1 Abs 1 Nr 1 bis 4 BEEG(idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) ergebenden materiellen Grundvoraussetzungen vorlagen. Hiernach steht Elterngeld in Deutschland wohnenden bzw sich hier gewöhnlich aufhaltenden Personen zu, wenn sie die Betreuung und Erziehung eines im Haushalt lebenden eigenen Kindes selbst übernommen haben und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben.

15

aa) Eigenen Kindern stehen jene gleich, die - wie hier - mit dem Ziel der Annahme als Kind in den Haushalt aufgenommen werden (§ 1 Abs 3 S 1 Nr 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Die Formulierung und Reichweite dieser Gleichstellung entspricht § 1 Abs 3 Nr 1 Bundeserziehungsgeldgesetz(BErzGG in der letzten Fassung durch Art 2 Nr 1 des Tagesbetreuungsausbaugesetzes vom 27.12.2004, BGBl I 3852). Diese Norm ordnete eine Gleichstellung der mit dem Ziel der Annahme aufgenommenen Kinder mit einem Kind an, für das die Personensorge zustand (vgl § 1 Abs 1 Nr 2 BErzGG gemäß Bekanntmachung der Neufassung des BErzGG vom 9.2.2004, BGBl I 206). Bereits im Geltungszeitraum des BErzGG war mit "Haushaltsaufnahme zur späteren Annahme als Kind" die Adoptionspflege umschrieben, deren Besonderheiten die Gleichstellung erfordert. Schon während der Adoptionspflege sollte eine dauerhafte oder zumindest auf Dauer angelegte Familienbeziehung anzunehmen sein (vgl die Entwurfsbegründung zu § 1 Abs 3 Nr 1 BErzGG im Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einem Gesetz über die Gewährung von Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub, BT-Drucks 10/3792 S 15), sodass zukünftige Adoptiveltern nicht aus dem Kreis der nach dem BErzGG Anspruchsberechtigten ausgeschlossen werden sollten (BSG Urteil vom 15.8.2000 - B 14 EG 4/99 R - SozR 3-7833 § 1 Nr 23 S 118).

16

Das Bürgerliche Recht erlaubt eine Adoption nur, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht (§ 1741 Abs 1 S 1 BGB). Die für eine Adoption wesentliche Prognoseentscheidung über das Entstehen eines Eltern-Kind-Verhältnisses kann am ehesten aufgrund praktischer Erfahrungen gestellt werden, sodass das Kind gemäß § 1744 BGB vor einer Adoption im Regelfall für eine angemessene Zeit in Adoptionspflege gegeben werden soll(vgl Bericht und Antrag des Rechtsausschusses zum Entwurf eines Gesetzes über die Annahme als Kind, BT-Drucks 7/5087 S 5; Othmer in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 1 BEEG RdNr 39). Die Adoptionspflege ist mithin ein notwendiger Schritt bei der Vorbereitung der Adoption (vgl Heiderhoff in Herberger/Martinek/Rüßmann ua, juris-PK BGB, 8. Aufl 2017, § 1744 BGB RdNr 4) und geht in der Regel in eine Adoption über. Hieraus bzw aus den im Gesetz zugelassenen Ausnahmen vom Erfordernis der Personensorge (§ 1 Abs 1 Nr 2 BErzGG gemäß Bekanntmachung der Neufassung des BErzGG vom 9.2.2004, aaO) folgte aber auch, dass andere tatsächlich dauerhafte Pflegschaftsverhältnisse ohne entsprechende rechtliche Fundierung die Grundvoraussetzungen nicht begründen konnten (vgl BSG Urteil vom 9.9.1992 - 14b/4 REg 15/91 - BSGE 71, 128, 130 = SozR 3-7833 § 1 Nr 9 S 38).

17

Diese Grundsätze und Gründe für die Gleichbehandlung gelten mit der Übernahme der Gleichstellung zur Annahme als Kind aufgenommener Kinder mit leiblichen Kindern aus dem BErzGG in das BEEG unverändert fort. Auch der Verzicht auf das Merkmal der Personensorge in § 1 Abs 1 Nr 2 BEEG(idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) bedeutet keine Rechtsänderung. Es wird nur deutlicher als bisher betont, dass vorrangig die leiblichen Eltern anspruchsberechtigt sein sollen (vgl BT-Drucks 16/1889 S 18), nach wie vor aber die Adoptionspflege iS des § 1744 BGB gleichgestellt wird(BT-Drucks 16/1889 S 19; vgl BSG Urteil vom 15.8.2000 - B 14 EG 4/99 R - SozR 3-7833 § 1 Nr 23 S 116).

18

bb) Den Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) kann auch entnommen werden, dass der zuvor erwerbstätige Kläger zum Zeitpunkt der Erfüllung der übrigen Grundvoraussetzungen ab dem 22.2.2010 keine volle Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG mehr ausübte. Keine volle Erwerbstätigkeit liegt vor, wenn die wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt (§ 1 Abs 6 Alt 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO).

19

Als Konsequenz der rechtlichen Gleichstellung von Adoptionspflege ist der Umfang der Erwerbstätigkeit hier erst ab der Haushaltsaufnahme ausschlaggebend. Das Lebensmonatsprinzip (vgl BSG Urteil vom 15.12.2015 - B 10 EG 3/14 R - BSGE 120, 189 = SozR 4-7837 § 1 Nr 8, RdNr 11) wird für die Adoptionspflege abgewandelt, weil die Vorschriften des BEEG mit der Maßgabe anzuwenden sind, dass statt des Zeitpunkts der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme bei der berechtigten Person maßgeblich ist (§ 1 Abs 3 S 2 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Damit schreibt der Gesetzgeber die Gleichbehandlung gegenüber Berechtigten mit leiblichen Kindern in der gebotenen Weise fort (zu einer entsprechenden Auslegung des BErzGG vgl BSG Urteil vom 15.8.2000 - B 14 EG 4/99 R - SozR 3-7833 § 1 Nr 23 S 115).

20

Die Feststellungen des LSG ergeben hinreichend, dass der Kläger ab der Haushaltsaufnahme (hier dem 22.2.2010) nicht mehr voll erwerbstätig war. Auch wenn das LSG keine Feststellungen zur Arbeitszeit des Klägers getroffen hat, betrug der auf den Monatsdurchschnitt zu rechnende (vgl Othmer in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 1 BEEG RdNr 28) Umfang der Erwerbstätigkeit in jedem Fall unter 30 Wochenstunden, wenn der Kläger - wie festgestellt - ab dem 22.2.2010 bis zum 21.3.2010 lediglich drei Tage erwerbstätig war.

21

c) Der Elterngeldanspruch des Klägers ist für einen Monat entstanden.

22

Ein monatlicher Elterngeldanspruch kann bei Adoptionspflege frühestens ab der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person für bis zu 14 Monate und längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bestehen (§ 4 Abs 1 S 2 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Auch diese Regelung dient der Gleichstellung der (zukünftigen) Adoptiveltern und Eltern leiblicher Kinder, weil bereits mit dem Beginn des Zusammenlebens regelmäßig besondere Anforderungen an die fürsorgliche Leistung der Eltern einhergehen (BT-Drucks 16/1889 S 23). Der einer Betreuung neugeborener Kinder vergleichbar anspruchsvolle Aufbau einer Eltern-Kind-Beziehung soll gefördert werden (vgl die Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drucks 11/4708 S 2 zu dem entsprechenden § 4 Abs 1 S 3 BErzGG und dessen ab dem 1.7.1989 geltende Fassung durch das Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 30.6.1989, BGBl I 1297). Der Anspruch entsteht bei Adoptionspflege eigenständig und wird nicht durch Inanspruchnahme des Elterngelds durch die leiblichen Eltern verbraucht (vgl Becker in Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 6).

23

Ab der Aufnahme des Adoptionspflegekindes entsteht der Anspruch monatsweise. Nach § 4 Abs 2 S 1 BEEG(idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) wird Elterngeld in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Obwohl der Wortlaut darauf hindeutet, wird damit nicht die Zahlweise geregelt, sondern die in § 6 S 1 BEEG erwähnte Anspruchsbestimmung bzw das Lebensmonatsprinzip(vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 30 mwN). Entsprechendes gilt bei einer Adoptionspflege für Betreuungsmonate (§ 4 Abs 5 S 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO), sodass in Verbindung mit § 4 Abs 1 S 2 BEEG der Elterngeldanspruch für die mit dem Aufnahmetag beginnenden Monate der Betreuung entsteht.

24

Danach ist der Elterngeldanspruch des Klägers ab dem 22.2.2010 für den ersten Betreuungsmonat entstanden, nachdem er das zur Adoptionspflege gegebene Kind an diesem Datum in seinen Haushalt aufnahm.

25

d) Der Elterngeldanspruch ist trotz der Beendigung der Adoptionspflege vor Ablauf des ersten Betreuungsmonats für diesen Betreuungsmonat weder vollständig noch teilweise weggefallen, sondern bleibt bis zu dessen Ablauf bestandsgeschützt.

26

Nach § 1 Abs 5 BEEG bleibt der Anspruch auf Elterngeld zwar unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder unterbrochen werden muss. Werden die Betreuung und Erziehung des Kindes aber dauerhaft unmöglich, führt dies zum Wegfall des Elterngeldanspruchs (BT-Drucks 16/1889 S 19). Ein solcher Fall ist mit der Beendigung der Adoptionspflege und der Betreuung ab dem 12.3.2010 eingetreten. Die wesentlichste Grundvoraussetzung für den Elterngeldanspruch ist damit noch vor dem Ende des ersten Betreuungsmonats auf Dauer entfallen.

27

Gleichwohl belässt das BEEG grundsätzlich den Eltern einen einmal entstandenen Elterngeldanspruch zumindest noch als Zahlungsanspruch für den gesamten Lebens- bzw Betreuungsmonat, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist (§ 4 Abs 4 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Nach dem Wortlaut des § 4 Abs 4 BEEG, der systematischen Stellung der Regelung, ihrem Normzweck und ihrer Entstehungsgeschichte gilt dieser Bestandsschutz bei dem Verlust des Kindes durch Tod und in gleicher Weise bei dem Verlust des Kindes durch Entziehung der Adoptionspflege.

28

Nach seinem Wortlaut erfasst § 4 Abs 4 BEEG zunächst sämtliche Gründe für den Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen. Dies entspricht der systematischen Stellung im Kontext des Lebensmonatsprinzips (§ 4 Abs 2 S 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO) und wird durch die Entstehungsgeschichte sowie den Normzweck bestätigt.

29

Erst mit der Neufassung der seit dem 1.1.2004 geltenden Vorläuferregelung in § 4 Abs 3 BErzGG(idF durch Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom 29.12.2003, BGBl I 3076) entfiel eine Ausnahmeregelung im Fall des Todes des Kindes und endete der Erziehungsgeldanspruch stets mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine der Anspruchsvoraussetzungen entfallen ist. Zuvor galt der Tod des Kindes während der Elternzeit als einzige Ausnahme, bei der das Erziehungsgeld bis zur Beendigung der Elternzeit weitergezahlt wurde (§ 4 Abs 3 S 2 BErzGG idF durch die Bekanntmachung der Neufassung vom 7.12.2001, BGBl I 3358). Dadurch endete der Erziehungsgeldanspruch wie die Elternzeit gemäß § 16 Abs 4 BErzGG spätestens drei Wochen nach dem Tod des Kindes; Elternzeit und Erziehungsgeldanspruch gingen bis zum frühestmöglichen Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit parallel (BT-Drucks 10/3792 S 16). Mit der ersatzlosen Streichung dieser Ausnahmeregelung sollte klargestellt werden, dass auch Eltern, die ihr Kind in der Elternzeit durch Tod verlieren, Erziehungsgeld bis zum Ablauf des betreffenden Monats erhalten (Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zu Art 14 Nr 2 Buchst c des Haushaltsbegleitgesetzes 2004, BT-Drucks 15/1502 S 34). Als Folge der rechtlichen Gleichstellung des Adoptionspflegekindes mit dem leiblichen Kind unterfiel dementsprechend auch der Verlust des Adoptionspflegekindes infolge der Rückforderung durch die leiblichen Eltern dem Bestandsschutz des § 4 Abs 3 BErzGG.

30

Hieran knüpft § 4 Abs 4 BEEG ohne inhaltliche Änderung der Rechtslage an. Für den Elterngeldanspruch verbleibt es bei der beschriebenen allgemeinen Regel des § 4 Abs 3 BErzGG(Becker in Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 26), nicht zuletzt im Interesse der Verwaltungsvereinfachung (BT-Drucks 16/1889 S 24). Wegen der vom BEEG vorgesehenen umfassenden Gleichstellung der Elternschaft und der Adoptionspflege im Bereich der Anspruchsvoraussetzungen und Anspruchsgestaltung gilt der Bestandsschutz auch weiterhin im Fall des endgültigen Verlustes des in Adoptionspflege genommenen Kindes.

31

Dementsprechend ist trotz Haushaltsaufnahme durch die leiblichen Eltern und Beendigung des Adoptionspflegevertrags der Elterngeldanspruch des Klägers bis zum Ablauf des ersten Betreuungsmonats begründet.

32

Entgegen der Rechtsaufassung der Beklagten beeinflusst die Möglichkeit rückwirkender Antragstellung (§ 7 Abs 1 BEEG, dazu unter 2. a) die Fortdauer des Elterngeldanspruchs bis zum Ablauf des Monats nach Wegfall der Anspruchsvoraussetzungen nicht. Denn die Möglichkeit rückwirkender Antragstellung ist - wenn auch mit abweichender Frist - ebenfalls dem BErzGG entlehnt (§ 4 Abs 2 BErzGG), welches ursprünglich allein für den Fall des Kindstodes eine Ausnahme von der beschriebenen Grundregel des § 4 Abs 3 BErzGG vorsah(BT-Drucks 10/3792 S 16) und späterhin gar keine Ausnahme mehr zuließ.

33

e) Der Elterngeldanspruch für den Betreuungsmonat ist nicht dadurch entfallen, dass der Kläger die vorgegebene Mindestbezugszeit von zwei Monaten nicht erfüllt.

34

Auch bei Adoptionspflege kann eine berechtigte Person grundsätzlich nur mindestens für zwei (die sog "Mindestbezugszeit") und höchstens für zwölf Monate Elterngeld beziehen (§ 4 Abs 3 S 1 BEEG in der ab 24.1.2009 gültigen Fassung durch das Erste Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009, BGBl I 61 iVm § 4 Abs 5 S 1 BEEG idF durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Die Mindestbezugsdauer findet auf die unter d) beschriebenen Verlustfälle jedoch keine Anwendung. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Kontext sowie Historie und Zielsetzung der erst später durch das Erste Gesetz zur Änderung des BEEG vom 17.1.2009 (aaO) geschaffenen Regelung.

35

Der Wortlaut des § 4 Abs 3 S 1 BEEG bringt den Regelungsinhalt der Mindestbezugszeit sprachlich auf der Tatbestandseite nur unvollkommen und hinsichtlich der Rechtsfolgen gar nicht zum Ausdruck. Eltern "können" nicht nur für die Mindestbezugszeit und darüber hinaus Elterngeld beziehen. Die Mindestbezugszeit "muss" vielmehr von der leistungsberechtigten Person selbst erreicht werden, was eine entsprechende Mindestbetreuungsdauer voraussetzt. Sprachlich ungekürzt kann der Regelungsinhalt zur Mindestbezugszeit wie folgt formuliert werden: Ein Elterngeldanspruch besteht ua nur, wenn eine elterngeldberechtigte Person die Betreuung für mindestens zwei Lebens- bzw Betreuungsmonate übernimmt. Wird die umschriebene Mindestbezugsdauer nicht erreicht, weil die Betreuung von vornherein für weniger als zwei Monate ausgeübt wird, besteht insgesamt kein Anspruch auf Elterngeld. Stellt sich erst später heraus, dass die an sich erreichbare Mindestbezugszeit nicht erreicht wird, führt dies rückwirkend zu einem Wegfall des Elterngeldanspruchs auch für den ersten Betreuungsmonat. Diese Betrachtungsweise trägt dem Umstand Rechnung, dass der Bezug des Elterngelds durch die Mindestbezugszeit ansonsten nicht erschwert werden soll. Insbesondere bleibt es weiter möglich, die Elterngeld- und damit auch die Partnermonate frei über die Rahmenfrist zu verteilen, ohne sie "am Stück" nehmen zu müssen (vgl Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des BEEG, BT-Drucks 16/9415 S 6; Jaritz in Roos/Bieresborn, MuSchG/BEEG, 2014, § 4 BEEG RdNr 38). Hieran ändert sich deshalb auch dann nichts, wenn die Elterngeldstelle bei der in die Zukunft gerichteten Elterngeldbewilligung ggf eine vorausschauende Betrachtungsweise (Prognose) über die Mindestbetreuung anzustellen hat (vgl BMFSFJ, Richtlinien zum BEEG, Teil I, 4.5.2, S 188, Stand Mai 2017). Hierbei handelt es sich ersichtlich nicht um eine echte (richtige) Prognose über langfristige zukünftige Entwicklungen (vgl hierzu BSG Urteil vom 6.4.2006 - B 7a AL 20/05 R - SozR 4-4300 § 324 Nr 2 RdNr 22), deren rückwirkend abweichende Betrachtung mit dem Wesen der Leistung nicht vereinbar wäre (vgl zu Statusentscheidungen BSG Urteil vom 2.4.2014 - B 3 KS 4/13 R - SozR 4-5425 § 3 Nr 3 RdNr 29; BSG Urteil vom 27.7.2011 - B 12 R 15/09 R - SozR 4-2600 § 5 Nr 6 RdNr 17).

36

Die Mindestbezugszeit stellt sich danach zwar - bestätigt durch ihre systematische Stellung innerhalb des § 4 BEEG - als Ausnahme vom Lebensmonatsprinzip einerseits und dem daran gekoppelten Ende der Dauer des Elterngeldanspruchs andererseits dar. Als Ausnahme vom Lebensmonatsprinzip erfasst die Mindestbezugszeit jedoch weder den Tod des Kindes noch den gleichzustellenden Verlust des Adoptionspflegekindes. Die Regelung zur Mindestbezugszeit ist insoweit aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte und ihrem Sinn und Zweck sowie im Kontext insbesondere zum Lebensmonatsprinzip einschränkend auszulegen (teleologische Reduktion; zu den Grundsätzen vgl BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 33/16 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 17 RdNr 38; BSG Urteil vom 4.12.2014 - B 2 U 18/13 R - BSGE 118, 18 = SozR 4-2700 § 101 Nr 2, RdNr 27).

37

Entstehungsgeschichtlich hat die Mindestbezugszeit anders als die Regelung in § 4 Abs 4 BEEG kein Vorbild im BErzGG und verfolgt ein davon abweichendes elterngeldspezifisches Ziel. Der Sinn und Zweck der Einführung einer Mindestbezugszeit zum 24.1.2009 bestand darin, eine vermehrte Inanspruchnahme der mit dem BEEG zum 1.1.2007 eingeführten zusätzlichen zwei "Partnermonate" zu erreichen. Die für eine leistungsberechtigte Person in der Regel geltende Höchstbezugsdauer von 12 Monaten konnte danach erstmalig um zwei weitere Monatsbeträge ("Partnermonate") verlängert werden, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs 3 S 1, Abs 2 S 2 BEEG in der bis 31.12.2014 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006, aaO). Mit den Partnermonaten förderte das BEEG von vornherein in besonderer Weise die Elternzeit für Väter, indem es ihnen die Übernahme einer aktiveren Rolle in der Familie erlauben wollte sowie gegenüber Dritten die Entscheidung erleichtern sollte, sich eine Zeitlang der Betreuung ihres neugeborenen Kindes zu widmen (BT-Drucks 16/1889 S 16). Dabei sollten Eltern schon vor der Einführung der Mindestbezugszeit wählen können, wer in welchem Umfang und wann in der gesamten möglichen Bezugsdauer die mindestens zwei Monate garantierte Leistung in Anspruch nimmt (BT-Drucks 16/1889 S 2). Nach den ersten Erfahrungen mit dem BEEG sollte mit der Mindestbezugszeit eine noch bessere Rechtfertigung für eine längere Elternzeit gegenüber Dritten geschaffen und eine intensivere Bindung des zweiten Elternteils zum Kind gefördert werden (vgl Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des BEEG, BT-Drucks 16/9415 S 6). Anders ausgedrückt soll verhindert werden, dass ein Elternteil - vor allem der Vater - oftmals nur einen der beiden "Partnermonate" beansprucht (Wiegand in Wiegand, BEEG, § 4 RdNr 11a, Werksstand Dezember 2017). Die Mindestbezugszeit zielt demnach vor allem auf die Motivation des zweiten Partners zu einer ernsthafteren Betreuung und liefert insbesondere gegenüber einem Arbeitgeber ein gewichtigeres Argument für eine wenigstens zweimonatige Reduzierung der Erwerbstätigkeit, weil nur so der Zugang zum Elterngeldanspruch geschaffen wird.

38

Nach diesen Regelungszielen ist nicht zu erkennen, dass die Mindestbezugszeit außerhalb ihres speziellen Anliegens an den sonstigen Anspruchsumständen etwas ändert. Sie schränkt auch den nach übergeordneten Merkmalen zu bestimmenden Personenkreis im Geltungsbereich des BEEG ebenso wenig ein, wie dies bei den Partnermonaten der Fall ist (vgl BSG Urteil vom 15.12.2015 - B 10 EG 3/14 R - BSGE 120, 189 = SozR 4-7837 § 1 Nr 8, RdNr 22). Der durch die Mindestbezugszeit bewirkte Verlust des Elterngeldanspruchs ist vielmehr die Folge einer Entscheidung im Verantwortungsbereich der Berechtigten für eine Elternzeit unterhalb des vom Gesetz geforderten Schwellenwerts. Die hier einschlägigen Verlustfälle werden deshalb von der Mindestbezugszeit nicht erfasst und verbleiben weiterhin im Regelungsbereich der Grundnorm des § 4 Abs 4 BEEG.

39

Die Grundnorm des § 4 Abs 4 BEEG ist hiernach durch die jüngere Regelung zur Mindestbezugszeit nicht "überholt"(vgl zum Grundsatz des Vorrangs des jüngeren Gesetzes BSG Urteil vom 20.3.2013 - B 5 R 2/12 R - SozR 4-2600 § 88 Nr 2 RdNr 18; BSG Urteil vom 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 25). Die Mindestbezugszeit hat lediglich die Bedeutung der Partnermonate gestärkt. Nur mit diesem speziellen Anliegen beansprucht sie zeitlich und inhaltlich Vorrang. Auch nach der Einführung der Mindestbezugszeit bleibt es dabei, dass ein einmal begründeter Elterngeldanspruch mit dem Ablauf des Lebens- oder Betreuungsmonats endet, in dem der Verlust des Kindes eintritt.

40

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 163


Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 170


(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision eb

Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit


Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 1 Berechtigte


(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer 1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.Bei

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 56


Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 130


(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet w

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 4 Bezugsdauer, Anspruchsumfang


(1) Elterngeld wird als Basiselterngeld oder als Elterngeld Plus gewährt. Es kann ab dem Tag der Geburt bezogen werden. Basiselterngeld kann bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Elterngeld Plus kann bis zur Vollendung de

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1741 Zulässigkeit der Annahme


(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung ein

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 7 Antragstellung


(1) Elterngeld ist schriftlich zu beantragen. Es wird rückwirkend nur für die letzten drei Lebensmonate vor Beginn des Lebensmonats geleistet, in dem der Antrag auf Elterngeld eingegangen ist. Im Antrag ist anzugeben, für welche Lebensmonate Basiselt

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 6 Auszahlung


Elterngeld wird im Laufe des Lebensmonats gezahlt, für den es bestimmt ist.

Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG | § 5 Zusammentreffen von Ansprüchen


(1) Erfüllen beide Elternteile die Anspruchsvoraussetzungen, bestimmen sie, wer von ihnen die Monatsbeträge für welche Lebensmonate des Kindes in Anspruch nimmt. (2) Beanspruchen beide Elternteile zusammen mehr als die ihnen nach § 4 Absatz 3 und

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1744 Probezeit


Die Annahme soll in der Regel erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat.

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Tenor Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2009 wird zurückgewiesen.

Referenzen

(1) Ist die Revision unbegründet, so weist das Bundessozialgericht die Revision zurück. Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Gesetzesverletzung, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision ebenfalls zurückzuweisen.

(2) Ist die Revision begründet, so hat das Bundessozialgericht in der Sache selbst zu entscheiden. Sofern dies untunlich ist, kann es das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht zurückverweisen, welches das angefochtene Urteil erlassen hat.

(3) Die Entscheidung über die Revision braucht nicht begründet zu werden, soweit das Bundessozialgericht Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt nicht für Rügen nach § 202 in Verbindung mit § 547 der Zivilprozeßordnung und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

(4) Verweist das Bundessozialgericht die Sache bei der Sprungrevision nach § 161 zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück, so kann es nach seinem Ermessen auch an das Landessozialgericht zurückverweisen, das für die Berufung zuständig gewesen wäre. Für das Verfahren vor dem Landessozialgericht gelten dann die gleichen Grundsätze, wie wenn der Rechtsstreit auf eine ordnungsgemäß eingelegte Berufung beim Landessozialgericht anhängig geworden wäre.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichts zugrunde zu legen.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Mehrere Klagebegehren können vom Kläger in einer Klage zusammen verfolgt werden, wenn sie sich gegen denselben Beklagten richten, im Zusammenhang stehen und dasselbe Gericht zuständig ist.

(1) Wird gemäß § 54 Abs. 4 oder 5 eine Leistung in Geld begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann auch zur Leistung nur dem Grunde nach verurteilt werden. Hierbei kann im Urteil eine einmalige oder laufende vorläufige Leistung angeordnet werden. Die Anordnung der vorläufigen Leistung ist nicht anfechtbar.

(2) Das Gericht kann durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Mai 2016 aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2015 zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob das der Klägerin bewilligte Elterngeld unter Berücksichtigung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld höher zu bemessen ist.

2

Die Klägerin war vor der Geburt ihrer Tochter am 8.6.2014 bei der C. GmbH (Arbeitgeberin) beschäftigt. Entsprechend dem Arbeitsvertrag zahlte die Arbeitgeberin eine monatliche Vergütung in Höhe von je 1/14 des vereinbarten Jahresgrundgehalts an die Klägerin. Nach dem Arbeitsvertrag standen der Klägerin weitere je 1/14 des Jahresgrundgehalts als "Urlaubsgeld" zum Ende des Monats Mai bzw "Weihnachtsgeld" zum Ende des Monats November zu. Bis zum Ablauf des Monats November 2013 arbeitete die Klägerin in Teilzeit und danach in Vollzeit. In entsprechend unterschiedlicher Höhe gewährte ihr die Arbeitgeberin im Mai 2013 "Urlaubsgeld" in Höhe von 3195,32 Euro brutto und im November 2013 "Weihnachtsgeld" in Höhe von 3243,25 Euro brutto. Vom 28.4.2014 bis 4.8.2014 zahlte die Techniker Krankenkasse an die Klägerin Mutterschaftsgeld in Höhe von 13 Euro kalendertäglich.

3

Der Beklagte bewilligte der Klägerin für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes Elterngeld auf Grundlage des im Zeitraum von April 2013 bis März 2014 monatlich gezahlten Bruttolohns, ohne das "Urlaubs-" und "Weihnachtsgeld" zu berücksichtigen. Das Mutterschaftsgeld sowie den Arbeitgeberzuschuss rechnete er auf den Anspruch an. Für den ersten Lebensmonat der Tochter ergab dies keinen Auszahlungsbetrag, für den zweiten Lebensmonat eine Bewilligung in Höhe von 132,27 Euro und für den dritten bis 12. Lebensmonat eine Bewilligung in Höhe von monatlich 1366,83 Euro (Bescheid vom 15.8.2014). Den auf die Einbeziehung des "Urlaubs-" und "Weihnachtsgeldes" in die Bemessung gerichteten Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 7.11.2014).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 29.6.2015). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 8.6.2014 bis 7.6.2015 höheres Elterngeld unter Berücksichtigung des im Mai und November 2013 gezahlten "Urlaubs-" und "Weihnachtsgeldes" zu gewähren (Urteil vom 25.5.2016). Anders als vom SG angenommen, handele es sich bei den Jahressonderzahlungen um laufenden Arbeitslohn, weil entsprechend den Kriterien der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Abgrenzung des laufenden Arbeitslohns von sonstigen Bezügen mehrmals (zweimal) Zahlungen als Teil der Gesamtvergütung im Bemessungszeitraum erfolgt seien.

5

Mit seiner Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 2c Abs 1 S 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz - BEEG -(in der ab 18.9.2012 bis 31.12.2014 geltenden Fassung), wonach solche Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden. Die Lohnsteuerrichtlinie (LStR) R 39b.2 Abs 2 zähle sowohl Urlaubs- und Weihnachtsgeld als auch das 13. und 14. Monatsgehalt zu den sonstigen Bezügen. Der Gesetzgeber habe nicht beabsichtigt, das Elterngeld als vollständigen Lohnausgleich zu regeln. Er sei zutreffend davon ausgegangen, dass einmaliger Arbeitslohn die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht so nachhaltig präge wie die laufenden Einnahmen. Mit der Begründung zur Neuregelung in § 2c Abs 1 S 2 BEEG habe der Gesetzgeber unterstrichen, dass alle Lohnbestandteile, die richtigerweise nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge behandelt werden müssen, auch für das Elterngeld als sonstige Bezüge gelten.

6

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 25. Mai 2016 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 29. Juni 2015 zurückzuweisen.

7

Die anwaltlich nicht vertretene Klägerin hält die Entscheidungen der Vorinstanz unter Hinweis auf die Teilung des vereinbarten Jahreseinkommens in 14 gleiche Teile für zutreffend. Unabhängig davon, ob das Gehalt in 12 oder in 14 Teile zerlegt werde, bleibe es wirtschaftlich insgesamt gleichwertig und präge in der Summe ihre wirtschaftlichen Verhältnisse.

Entscheidungsgründe

8

Die zulässige Revision des Beklagten ist begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG zurückzuweisen (§ 170 Abs 2 S 1 SGG).

9

1. Streitgegenstand ist der Elterngeldanspruch der Klägerin, wie ihn der Elterngeldbescheid des Beklagten vom 15.8.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7.11.2014 nach ihrer Ansicht zu niedrig festgesetzt hat. Hiergegen wendet sich die Klägerin in zulässiger Weise mit der auf die Gewährung höheren Elterngelds gerichteten kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1, Abs 4 SGG). Hierauf kann gemäß § 130 Abs 1 SGG auch ein Grundurteil ergehen(vgl BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42, 43 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10, RdNr 14 mwN; BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 2/13 R - RdNr 9 mwN; BSG Urteil vom 21.6.2016 - B 10 EG 8/15 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-7837 § 2b Nr 1 vorgesehen).

10

2. Die Klage ist hingegen nicht begründet. Das LSG hat den Beklagten zu Unrecht verurteilt, höheres Elterngeld für den ersten bis 12. Lebensmonat unter Berücksichtigung der als Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezeichneten Monatsgehälter des Jahres 2013 zu gewähren. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld. Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

11

a) Der Klägerin steht Elterngeld für die Zeit ab dem 8.6.2014 bis zum 7.6.2015 zu. Die Grundvoraussetzungen des Elterngelds richten sich aufgrund der Geburt der Tochter der Klägerin vor dem 1.1.2015 gemäß § 27 Abs 1 S 1 BEEG(idF der Bek vom 27.1.2015, BGBl I 33) noch nach der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung des § 1 Abs 1 BEEG(vom 5.12.2006, BGBl I 2748). Wie von § 1 Abs 1 Nr 1 bis 4 BEEG vorausgesetzt, hatte die Klägerin nach den für den Senat bindenden(§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellungen des LSG im Bezugszeitraum des Elterngelds ihren Wohnsitz in Deutschland, lebte in einem Haushalt mit der von ihr selbst betreuten und erzogenen Tochter und übte zumindest keine volle Erwerbstätigkeit aus iS von § 1 Abs 6 BEEG(idF des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs vom 10.9.2012, BGBl I 1878).

12

b) Zur Bemessung des Elterngelds sind neben den regelmäßig gezahlten laufenden Arbeitslöhnen nicht noch zusätzlich die als Urlaubs- und Weihnachtsgeld bezeichneten Einnahmen heranzuziehen. Letztere gehören zwar auch iS des § 2 Abs 1 S 1 BEEG zu den im Bemessungszeitraum erzielten Einnahmen in Geld und rühren aus der Erwerbstätigkeit her, hier einer nichtselbstständigen Tätigkeit iS des § 2 Abs 1 S 3 Nr 1 BEEG(dazu unter aa). Sie unterfallen außerdem dem Einkommensbegriff des § 2c Abs 1 S 1 BEEG. Die Regelung in § 2c Abs 1 S 2 BEEG schließt sie aber von der Berücksichtigung aus, weil sie im Sinne dieser Vorschrift lohnsteuerrechtlich als sonstige Bezüge einer nichtselbstständig erwerbstätigen Person behandelt werden(dazu unter bb). Anders als das LSG und die Klägerin meinen, ist eine aufgrund der Besonderheiten des Elterngeldrechts abweichende Zuordnung zum laufenden Arbeitslohn nicht möglich (dazu unter cc). Verfassungsrechtliche Bedenken hiergegen bestehen nicht (dazu unter dd).

13

aa) Wie § 2 Abs 1 BEEG(idF des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs, aaO) bestimmt, wird Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. Es erhöht sich gegebenenfalls um einen Geschwisterbonus und Mehrlingszuschlag nach § 2a BEEG(S 1 und 2). Das Einkommen errechnet sich aus dem im Bemessungszeitraum (§ 2b BEEG) erzielten Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Dieses ist nach den näheren Bestimmungen der §§ 2c bis 2f BEEG zu ermitteln(S 3).

14

Als Bemessungszeitraum hat der Beklagte zutreffend den Zeitraum von April 2013 bis März 2014 herangezogen. Wurde - wie vom LSG festgestellt - vor der Geburt des Kindes nur Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit iS von § 2c BEEG erzielt, erstreckt sich der Bemessungszeitraum gemäß § 2b Abs 1 S 1 BEEG(idF des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs, aaO) auf die zwölf Kalendermonate vor dem Geburtsmonat des Kindes. Für die Klägerin verschiebt sich das Ende des zwölfmonatigen Bemessungszeitraums auf den März 2014, weil Kalendermonate mit Bezug von Mutterschaftsgeld, das sie ab dem April 2014 erhielt, aus dem Bemessungszeitraum auszunehmen sind (§ 2b Abs 1 S 2 Nr 2 BEEG idF des Gesetzes zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung vom 23.10.2012, BGBl I 2246).

15

Wie der Beklagte zutreffend angenommen hat, ist deshalb der Durchschnittsverdienst nach den Lohnabrechnungen für den Zeitraum ab dem Monat April 2013 bis zum Monat März 2014 zu berücksichtigen. Das einkommensabhängige Elterngeld errechnet sich gemäß § 2 Abs 1 S 3 Nr 1 BEEG aus der Summe der im Bemessungszeitraum zu berücksichtigenden positiven, im Inland zu versteuernden Einkünfte. Auf der Grundlage von Einkünften aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit ergibt sich das Einkommen nach § 2c Abs 1 BEEG(idF des Gesetzes zur Vereinfachung des Elterngeldvollzugs, aaO) aus dem monatlich durchschnittlich zu berücksichtigenden Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über einem Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f BEEG(S 1).

16

Gegen die nach diesen Vorgaben durchgeführte Elterngeldberechnung unter Einbeziehung der monatlich fortlaufend gezahlten Löhne sind von den Beteiligten ansonsten keine Bedenken geäußert noch für den Senat ersichtlich.

17

bb) Das an die Klägerin gezahlte "Urlaubs-" und "Weihnachtsgeld" kann entgegen der Rechtsauffassung des LSG nicht zur Ermittlung des Durchschnittsverdienstes und Bemessung des Elterngelds hinzugezogen werden. Unabhängig von der Bezeichnung im Arbeitsvertrag wird es anlassbezogen und nicht im Bemessungszeitraum mehrmals wiederholt oder regelmäßig gezahlt. Es zählt daher zu den von der Bemessung ausgeschlossenen sonstigen Bezügen.

18

Gemäß der hier anzuwendenden Fassung des § 2c Abs 1 S 2 BEEG vom 10.9.2012 (aaO) werden solche Einnahmen nicht berücksichtigt, "die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden". Noch nicht maßgeblich ist die ab dem 1.1.2015 geltende geänderte Fassung. Danach bleiben solche Einnahmen ausgeschlossen, "die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind" (§ 2c Abs 1 S 2 BEEG idF des Gesetzes zur Einführung des Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus und einer flexibleren Elternzeit im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz vom 18.12.2014, BGBl I 2325). Dies folgt daraus, dass sich der vorliegende Sachverhalt vor ihrem Inkrafttreten verwirklicht hat (zum Leistungsfallprinzip BSG Urteil vom 4.9.2013 - B 10 EG 6/12 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 24 RdNr 37).

19

§ 2c Abs 1 S 2 BEEG idF vom 10.9.2012 (aaO) knüpft - wie die bis zum 17.9.2012 geltende Vorgängerregelung in § 2 Abs 7 S 2 BEEG(idF des Haushaltsbegleitgesetzes vom 9.12.2010, BGBl I 1885) - an den Unterschied zwischen der Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn (§ 38a Abs 1 S 2 und Abs 3 S 1 Einkommensteuergesetz in der ab 1.1.2012 gültigen Fassung) und sonstigen Bezügen (§ 38a Abs 1 S 3 und Abs 3 S 2 EStG)an, wie sie in den Vorschriften des EStG angelegt ist. Weder § 38a EStG noch § 39b Abs 2 und 3 EStG definieren aber die Begriffe laufender Arbeitslohn und sonstige Bezüge. Lediglich die Lohnsteuerrichtlinien (LStR idF der Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien 2013 vom 8.7.2013, BStBl I 851) erläutern beide Begriffe unter Darstellung von Anwendungsbeispielen. Laufender Arbeitslohn ist nach LStR R 39b.2 Abs 1 Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, insbesondere: 1. Monatsgehälter, 2. Wochen- und Tagelöhne, 3. Mehrarbeitsvergütungen, 4. Zuschläge und Zulagen, 5. geldwerte Vorteile aus der ständigen Überlassung von Dienstwagen zur privaten Nutzung, 6. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden, und 7. Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt.

20

Fließt Arbeitslohn nicht iS des LStR R 39b.2 Abs 1 laufend (also nicht regelmäßig fortlaufend) zu, zählt LStR R 39b.2 Abs 2 S 1 ihn zu den sonstigen Bezügen. Hierzu gehören nach LStR R 39b.2 Abs 2 S 2 insbesondere: 13. und 14. Monatsgehälter (Nr 1), einmalige Abfindungen und Entschädigungen (Nr 2), Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden (Nr 3), Jubiläumszuwendungen (Nr 4), nicht fortlaufend gezahlte Urlaubsgelder und Entschädigungen zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs (Nr 5), Vergütungen für Erfindungen (Nr 6), Weihnachtszuwendungen (Nr 7) und Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden. Nachzahlungen liegen auch vor, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt (Nr 8). Eine vom regelmäßigen Turnus der Abrechnung der Arbeitsleistung abweichende Lohnzahlung setzt die Zuweisung nach LStR R 39b.2 Abs 2 S 1 gerade voraus, so dass damit richtigerweise - aber im Grunde klarstellend - insbesondere die 13. und 14. Monatsgehälter sowie Urlaubsgelder und Weihnachtszuwendungen als sonstige Bezüge zu behandeln sind.

21

Dabei liegt der Zweck der lohnsteuerrechtlichen Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen nicht darin, die sonstigen Bezüge von der Bemessung der Lohn- und Einkommensteuer auszunehmen, wie sich aus § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG ergibt. Die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen wirkt sich lediglich auf die Höhe der Lohnsteuervorauszahlung aus. Sonstige Bezüge werden im Lohnsteuerabzugsverfahren im Interesse der Steuerpflichtigen anders behandelt als laufender Arbeitslohn. Damit soll die monatlich vorauszuzahlende Lohnsteuer der späteren Belastung mit Einkommensteuer angenähert werden, die auf die jährlichen Einkünfte berechnet wird. Im Ergebnis wird der Arbeitnehmer für die Ermittlung der Lohnsteuer eines sonstigen Bezuges so behandelt, als hätte er in jedem Lohnzahlungszeitraum (Monat) ein Zwölftel des sonstigen Bezuges erhalten (vgl ausführlich BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R - BSGE 115, 198, 203 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, RdNr 23).

22

Die LStR haben zwar als Verwaltungsanweisungen keine Normqualität und binden deshalb die für den Vollzug des Elterngeldrechts zuständigen Verwaltungen und Gerichte nicht (BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R - BSGE 115, 198, 203 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, RdNr 26). Indem das Elterngeldrecht mit § 2c Abs 1 S 2 BEEG(idF des Gesetzes vom 10.9.2012, aaO) an die dargestellte, im EStG angelegte Differenzierung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen anknüpft, übernimmt es aber die ua durch die LStR lohnsteuerlich vorgeprägten Begriffe. Gleichzeitig verfolgt das BEEG eine ganz andere Zielrichtung. Im Elterngeldrecht glättet die Einordnung als sonstiger Bezug nicht, wie im Lohnsteuerrecht, die Steuerlast, sondern klammert die sonstigen Bezüge vollständig aus der Bemessungsgrundlage aus.

23

Wie der Senat bereits entschieden hat, kommt es für die Zuordnung zum laufenden Arbeitslohn auf eine Regelmäßigkeit im Sinne einer wiederholten Gewährung im Gegensatz vor allem zur "Einmaligkeit" an, nicht dagegen auf eine regelmäßig gleichbleibende Höhe (BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R - BSGE 115, 198, 203 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, RdNr 21). Dabei hat der Senat die Anknüpfung an die steuerrechtliche Behandlung bestimmter Einnahmen als sonstige Bezüge als sachliche Rechtfertigung angesehen, um sie bei der Einkommensberechnung im Elterngeldrecht außer Betracht zu lassen, solange davon einmalig oder ausnahmsweise gezahlte Entgeltkomponenten betroffen sind wie zB eine Abfindung, Gratifikation oder ähnliches. Denn solche "klassischen" Einmalzahlungen sind aufgrund ihres Ausnahmecharakters bei typisierender Betrachtung nicht geeignet, die wirtschaftliche Situation des Arbeitnehmers hinreichend rechtssicher und dauerhaft zu prägen (BSG aaO, RdNr 27 und 32). An diese Wertung knüpft auch die bisherige Rechtsprechung des Senats zum Urlaubs- und Weihnachtsgeld an. Handelt es sich dabei um einmalige, anlassbezogene Zahlungen, so sind diese als sonstige Bezüge nicht Teil der Bemessungsgrundlage des Elterngelds, weil sie die wirtschaftliche Situation der Begünstigten typischerweise weniger prägen, als der laufende Arbeitslohn. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn mehrere solcher nicht zeitraumbezogen erwirtschafteten, ggf jedoch arbeitsrechtlich begründeten Zahlungen aus verschiedenen Anlässen im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum geleistet werden, wie dies in der Regel bei Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen der Fall ist (vgl BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 48 ff, 52). Nur wenn es sich um mindestens zwei zusammenhängende Zahlungen aus demselben Anlass innerhalb des Bemessungszeitraums handelt, kann laufender Arbeitslohn vorliegen, der zur Bemessungsgrundlage des Elterngelds zählt.

24

cc) Wortlaut, Sinn und Zweck sowie dessen historische Auslegung lassen eine einschränkende Interpretation des § 2c Abs 1 S 2 BEEG(idF des Gesetzes vom 10.9.2012, aaO) selbst dann nicht zu, wenn das Urlaubs- und Weihnachtsgeld jeweils beanspruchbarer Teil der Gesamtvergütung im Zwölfmonatszeitraum ist und so gesehen wiederholt im Bemessungszeitraum gezahlt wird.

25

Schon bei Inkrafttreten des BEEG am 1.1.2007 galt, "sonstige Bezüge im Sinne von § 38a Abs 1 S 3 EStG werden nicht als Einnahmen berücksichtigt"(§ 2 Abs 7 S 2 BEEG). Diese bis zum Inkrafttreten des HBeglG 2011 (aaO) geltende Ursprungsfassung der Vorläuferreglung des § 2c Abs 1 S 2 BEEG ging auf den Wunsch des Bundesrates zurück, einen am Steuerrecht orientierten Einkommensbegriff zu verwenden. Ursprünglich sah der Gesetzentwurf vor, "einmalige Einnahmen" nicht zu berücksichtigen. Im Anschluss an diesen Rechtsgedanken sollten für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbstständiger Arbeit die sonstigen Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG, also etwa 13. und 14. Monatsgehälter, Gratifikationen und Weihnachtszuwendungen, nicht als Einkommen zu berücksichtigen sein (BT-Drucks 16/1889 S 5; BT-Drucks 16/2785 S 37).

26

Zur Ursprungsfassung hat der Senat entschieden (BSG Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84, 90 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4), dass Arbeitslohn laufend ist, wenn er zeitraumbezogen und regelmäßig wiederkehrend gezahlt wird; dabei ist ein rein zeitliches Verständnis zu Grunde zu legen. Das Kriterium der regelmäßig wiederkehrenden Zahlung ist erfüllt, wenn im Kalenderjahr zumindest zwei Zahlungen erfolgen. Notwendig war nach dieser Rechtsprechung nicht eine Wiederholung im steuerrechtlich maßgebenden Kalenderjahr, sondern im zwölfmonatigen Bemessungszeitraum. Bezüge, die dagegen im Bemessungszeitraum nur einmal geleistet werden, sind sonstige Bezüge, auch wenn sie sich in späteren Kalenderjahren wiederholen. Dementsprechend hat der Senat einmalig jährlich gezahlte Arbeitslöhne und also auch Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen als sonstige Bezüge und nicht als laufenden Arbeitslohn betrachtet. Denn jede dieser Zahlungen wird einmalig zugewandt, einmal anlässlich des (bevorstehenden) Urlaubs und einmal anlässlich der bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit. Beides sind einmalige Ereignisse innerhalb des zu betrachtenden Bemessungszeitraums (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18, SozR 4-7837 § 4 Nr 4 RdNr 58).

27

Zwischenzeitlich verwies die durch das HBeglG 2011 (aaO) geänderte Fassung nicht mehr eindeutig auf § 38a Abs 1 S 3 EStG, sondern regelte, "im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt"(§ 2 Abs 7 S 2 BEEG idF des Gesetzes vom 9.12.2010, aaO). Nach den Gesetzesmaterialien sollte diese neue Fassung es den Elterngeldbehörden ua ermöglichen, sonstige Bezüge im Sinne des Einkommensteuergesetzes mit vertretbarem Aufwand festzustellen. Im Lohnsteuerabzugsverfahren nach § 38a Abs 1 S 3 und § 39b EStG als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen sollten bei der Elterngeldberechnung nicht zu berücksichtigen sein. Wie der Senat indes inzwischen klargestellt hat, hat die Neufassung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG idF des HBeglG 2011(aaO) der früheren Rechtsprechung des Senats zur Maßgeblichkeit der zutreffenden lohnsteuerrechtlichen Einordnung bestimmter Einnahmen nicht die Grundlage entzogen (BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R - BSGE 115, 198, 206 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, SozR 4-7410 § 39b Nr 1 RdNr 25).

28

Die hier anzuwendende Fassung des § 2c Abs 1 S 2 BEEG idF des Gesetzes vom 10.9.2012 (aaO) sollte die vorherige Regelung in § 2 Abs 7 S 2 BEEG idF des HBeglG 2011(aaO) ohne inhaltliche Änderungen weiterführen (BT-Drucks 17/9841 S 22). Wortlaut und die Begründung des Gesetzes stellten in verschiedenen Fassungen mithin seit jeher durchgehend darauf ab, die lohnsteuerlich als Besonderheit geltenden sonstigen Bezüge aus der Bemessung des Elterngelds auszuscheiden. Dieser Ansatz wird im Übrigen durch die aktuelle Fassung des § 2c Abs 1 S 2 BEEG idF des Gesetzes vom 18.12.2014 (aaO) fortgeführt. Seit dem 1.1.2015 gilt, "nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind". Wie die Gesetzgebungsmaterialen hierzu bestätigen, dient die Regelung der Klarstellung, dass allein die lohnsteuerlichen Vorgaben in § 38a Abs 1 S 3 EStG iVm den LStR für die Einordnung maßgebend sein sollen(BT-Drucks 18/2583 S 24). Die Formulierung eröffnet und beschränkt gleichzeitig die Möglichkeit einer Nachprüfung der Lohnsteuerabführung darauf, ob alle Lohn- und Gehaltsbestandteile, die richtigerweise nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind (ua nach LStR R 39b.2 Abs 2), auch tatsächlich so behandelt wurden (BT-Drucks 18/2583 S 25). Damit folgt sie dem normativen Ansatz der Senatsrechtsprechung (BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 14/13 R - BSGE 115, 198 = SozR 4-7837 § 2 Nr 25, SozR 4-7410 § 39b Nr 1; zur Widerlegung der Richtigkeitsvermutung der Lohnabrechnungen vgl Röhl, jM 2015, 246, 250). Insgesamt verwendet demnach § 2c Abs 1 S 2 BEEG(idF des Gesetzes vom 10.9.2012, aaO) nach seinem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte den Begriff der sonstigen Bezüge im lohnsteuerrechtlichen Sinn.

29

Ebenso wenig gebieten es Sinn und Zweck des Elterngelds, Urlaubs- und Weihnachtsgeld als laufenden Arbeitslohn einzuordnen. Insbesondere der Gedanke, dass der Zweck der Bemessung des Elterngelds in der Abbildung der vorgeburtlichen Lebenssituation liegt, rechtfertigt keine abweichende Behandlung. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Gestaltungsspielräume bei der Regelung von Lebenssachverhalten zugunsten der Betroffenen voll auszuschöpfen. So hat er auch zulässigerweise den Höchstbetrag des Elterngelds begrenzt und steuerfreie Lohnersatzleistungen aus der Bemessungsgrundlage ausgeklammert, obwohl dadurch die vorgeburtliche Lebenssituation von Beziehern mittlerer und höherer Einkommen nur teilweise abgebildet wird.

30

Nach diesen normativen Vorgaben sind auch hier das 13. und 14. Monatsgehalt bzw das so bezeichnete "Urlaubs-" und "Weihnachtsgeld" als sonstige Bezüge zu qualifizieren, weil die Arbeitgeberin sie an die Klägerin tatsächlich anlassbezogen als einmalige Zahlungen geleistet hat. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts folgt aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin nichts Anderes. An die tatrichterliche Beurteilung, welchen Inhalt ein Vertrag hat, ist das Revisionsgericht zwar grundsätzlich gebunden. Die Auslegung der zu Grunde liegenden individuellen Willenserklärungen ist regelmäßig Tatfrage, die der Beurteilung des Revisionsgerichts entzogen ist (vgl § 163 SGG). Anders verhält es sich aber, wenn das Tatsachengericht die von ihm selbst festgestellten tatsächlichen Umstände im Zusammenhang mit den individuellen Vertragserklärungen nicht vollständig verwertet. Dann kann und muss das Revisionsgericht sie in die Rechtsanwendung einbeziehen (s insgesamt BSG Urteil vom 27.9.1994 - 10 RAr 1/93 - BSGE 75, 92, 96 = SozR 3-4100 § 141b Nr 10, jeweils mwN; BSG Urteil vom 20.12.2012 - B 10 LW 2/11 R - SozR 4-5868 § 12 Nr 1). Eine solche Lücke besteht hier. Das LSG hat den Arbeitsvertrag der Klägerin nur unvollständig verwertet. Bei der Auslegung des Vertrags hat das LSG maßgeblich den Aspekt jeweils gleicher Teile der rechtlich verpflichtenden Gesamtvergütung hervorgehoben. Völlig unbeachtet gelassen hat es dagegen aber die in § 4 Abs 1 festgelegten Zeitpunkte der Auszahlung des "Urlaubsgelds" und "Weihnachtsgelds". Urlaubs- und Weihnachtsgeld können aber nicht deshalb als einander wiederholende Zahlungen angesehen werden, weil sie in gleicher Höhe gezahlt werden. Maßgeblich für das Kriterium der wiederholten Zahlung ist vielmehr, daran hält der Senat fest, die zeitliche Wiederholung der Leistung. Hieran fehlt es, wenn - wie bei der Klägerin - der Arbeitsvertrag einen jährlichen Turnus für die konkrete Zahlung festgelegt hat. Die vorliegende Besonderheit, dass der Arbeitsvertrag eine in vierzehn gleichen Teilen zu zahlende Gesamtjahresvergütung regelt, führt nur zu einer gleichen Zahlungshöhe, aber nicht zu einer mehrmaligen Zahlung gleichartiger Lohnbestandteile im Bemessungszeitraum. Laufender Arbeitslohn soll den allgemeinen Lebensunterhalt decken. Das "Weihnachts-" und "Urlaubsgeld" der Klägerin zahlt ihre Arbeitgeberin dagegen in Monaten, nach denen üblicherweise besondere Kosten entstehen - für Reisen bzw für Geschenke - und beglichen werden müssen. Bezeichnung und Zahlungszeitpunkt legen damit dem 13. und 14. Monatsgehalt einen Verwendungszweck bei, der über die Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs hinausgeht und sich jeweils auf einen besonderen, kostenträchtigen Anlass bezieht. Die Klägerin bekommt zweimal eine Sonderzahlung, zwar in derselben Höhe, aber aus unterschiedlichem Anlass. Deshalb handelt es sich jeweils um eine einmalige Leistung und damit um einen sonstigen Bezug, der ihr Elterngeld nicht erhöht.

31

dd) Wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat, begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass sich gemäß § 2c Abs 1 S 2 BEEG idF des Gesetzes vom 10.9.2012 im Bemessungszeitraum geleistete einmalige, anlassbezogene Zahlungen nicht erhöhend auf den Elterngeldanspruch auswirken (BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4 7837 § 2 Nr 18 RdNr 65 ff). Insbesondere wird dadurch der sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebende Gleichheitssatz nicht verletzt. Zwar wird die Klägerin anders gestellt als nichtselbstständig Tätige, die ein ebenso hohes durchschnittliches Bruttogehalt ohne Sonderzahlungen erhalten. Unter Berücksichtigung des im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers ist die ungleiche Behandlung verfassungsrechtlich aber nicht zu beanstanden. Die Regelungen des BEEG zielen von vornherein nicht auf einen vollständigen Lohnersatz ab. Danach ist es nicht willkürlich benachteiligend, einmalige Zahlungen von dem für Nichtselbstständige geltenden Einkommensbegriff auszunehmen. Die Höhe des Elterngelds bleibt an dem Einkommen orientiert, das regel- und gleichmäßig im vorgeburtlichen Bemessungszeitraum zur Verfügung steht. Schließlich kann sich die Ausnahme möglicherweise sogar günstig auswirken, weil auch die während des Elterngeldbezuges zufließenden sonstigen Bezüge unbeachtlich bleiben, wodurch Leistungsunterbrechungen vermieden werden können (vgl BT-Drucks 16/2785, S 37). Nicht zuletzt knüpft der Gesetzgeber mit der Regelung an die von den Tarif- bzw Arbeitsvertragsparteien gewählte konkret zwischen einzelnen Lohnbestandteilen differenzierende Gestaltung des Arbeitsvertrages an und schließt nicht von sich aus Teile eines einheitlichen Anspruchs bzw gleichartige Ansprüche aus.

32

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Elterngeld ist schriftlich zu beantragen. Es wird rückwirkend nur für die letzten drei Lebensmonate vor Beginn des Lebensmonats geleistet, in dem der Antrag auf Elterngeld eingegangen ist. Im Antrag ist anzugeben, für welche Lebensmonate Basiselterngeld, für welche Lebensmonate Elterngeld Plus oder für welche Lebensmonate Partnerschaftsbonus beantragt wird.

(2) Die im Antrag getroffenen Entscheidungen können bis zum Ende des Bezugszeitraums geändert werden. Eine Änderung kann rückwirkend nur für die letzten drei Lebensmonate vor Beginn des Lebensmonats verlangt werden, in dem der Änderungsantrag eingegangen ist. Sie ist außer in den Fällen besonderer Härte unzulässig, soweit Monatsbeträge bereits ausgezahlt sind. Abweichend von den Sätzen 2 und 3 kann für einen Lebensmonat, in dem bereits Elterngeld Plus bezogen wurde, nachträglich Basiselterngeld beantragt werden. Im Übrigen finden die für die Antragstellung geltenden Vorschriften auch auf den Änderungsantrag Anwendung.

(3) Der Antrag ist, außer im Fall des § 4c und der Antragstellung durch eine allein sorgeberechtigte Person, zu unterschreiben von der Person, die ihn stellt, und zur Bestätigung der Kenntnisnahme auch von der anderen berechtigten Person. Die andere berechtigte Person kann gleichzeitig

1.
einen Antrag auf Elterngeld stellen oder
2.
der Behörde anzeigen, wie viele Monatsbeträge sie beansprucht, wenn mit ihrem Anspruch die Höchstgrenzen nach § 4 Absatz 3 in Verbindung mit § 4b überschritten würden.
Liegt der Behörde von der anderen berechtigten Person weder ein Antrag auf Elterngeld noch eine Anzeige nach Satz 2 vor, so werden sämtliche Monatsbeträge der berechtigten Person ausgezahlt, die den Antrag gestellt hat; die andere berechtigte Person kann bei einem späteren Antrag abweichend von § 5 Absatz 2 nur die unter Berücksichtigung von § 4 Absatz 3 in Verbindung mit § 4b vom Gesamtanspruch verbleibenden Monatsbeträge erhalten.

(1) Elterngeld wird als Basiselterngeld oder als Elterngeld Plus gewährt. Es kann ab dem Tag der Geburt bezogen werden. Basiselterngeld kann bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Elterngeld Plus kann bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats bezogen werden, solange es ab dem 15. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 kann Elterngeld ab Aufnahme bei der berechtigten Person längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

(2) Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Der Anspruch endet mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen.

(3) Die Eltern haben gemeinsam Anspruch auf zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld. Ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eines Elternteils in zwei Lebensmonaten gemindert, haben die Eltern gemeinsam Anspruch auf zwei weitere Monate Basiselterngeld (Partnermonate). Statt für einen Lebensmonat Basiselterngeld zu beanspruchen, kann die berechtigte Person jeweils zwei Lebensmonate Elterngeld Plus beziehen.

(4) Ein Elternteil hat Anspruch auf höchstens zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b. Ein Elternteil hat nur Anspruch auf Elterngeld, wenn er es mindestens für zwei Lebensmonate bezieht. Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 anzurechnende Leistungen oder nach § 192 Absatz 5 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes Versicherungsleistungen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Basiselterngeld nach § 4a Absatz 1 bezieht.

(5) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 beträgt der gemeinsame Anspruch der Eltern auf Basiselterngeld für ein Kind, das

1.
mindestens sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 13 Monatsbeträge Basiselterngeld;
2.
mindestens acht Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 14 Monatsbeträge Basiselterngeld;
3.
mindestens zwölf Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 15 Monatsbeträge Basiselterngeld;
4.
mindestens 16 Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 16 Monatsbeträge Basiselterngeld.
Für die Berechnung des Zeitraums zwischen dem voraussichtlichen Tag der Entbindung und dem tatsächlichen Tag der Geburt ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt.
Im Fall von
1.
Satz 1 Nummer 1
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 13 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 16. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
2.
Satz 1 Nummer 2
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 14 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 16. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 17. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
3.
Satz 1 Nummer 3
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 15 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 17. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 18. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
4.
Satz 1 Nummer 4
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 16 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 19. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird.

(1) Elterngeld ist schriftlich zu beantragen. Es wird rückwirkend nur für die letzten drei Lebensmonate vor Beginn des Lebensmonats geleistet, in dem der Antrag auf Elterngeld eingegangen ist. Im Antrag ist anzugeben, für welche Lebensmonate Basiselterngeld, für welche Lebensmonate Elterngeld Plus oder für welche Lebensmonate Partnerschaftsbonus beantragt wird.

(2) Die im Antrag getroffenen Entscheidungen können bis zum Ende des Bezugszeitraums geändert werden. Eine Änderung kann rückwirkend nur für die letzten drei Lebensmonate vor Beginn des Lebensmonats verlangt werden, in dem der Änderungsantrag eingegangen ist. Sie ist außer in den Fällen besonderer Härte unzulässig, soweit Monatsbeträge bereits ausgezahlt sind. Abweichend von den Sätzen 2 und 3 kann für einen Lebensmonat, in dem bereits Elterngeld Plus bezogen wurde, nachträglich Basiselterngeld beantragt werden. Im Übrigen finden die für die Antragstellung geltenden Vorschriften auch auf den Änderungsantrag Anwendung.

(3) Der Antrag ist, außer im Fall des § 4c und der Antragstellung durch eine allein sorgeberechtigte Person, zu unterschreiben von der Person, die ihn stellt, und zur Bestätigung der Kenntnisnahme auch von der anderen berechtigten Person. Die andere berechtigte Person kann gleichzeitig

1.
einen Antrag auf Elterngeld stellen oder
2.
der Behörde anzeigen, wie viele Monatsbeträge sie beansprucht, wenn mit ihrem Anspruch die Höchstgrenzen nach § 4 Absatz 3 in Verbindung mit § 4b überschritten würden.
Liegt der Behörde von der anderen berechtigten Person weder ein Antrag auf Elterngeld noch eine Anzeige nach Satz 2 vor, so werden sämtliche Monatsbeträge der berechtigten Person ausgezahlt, die den Antrag gestellt hat; die andere berechtigte Person kann bei einem späteren Antrag abweichend von § 5 Absatz 2 nur die unter Berücksichtigung von § 4 Absatz 3 in Verbindung mit § 4b vom Gesamtanspruch verbleibenden Monatsbeträge erhalten.

(1) Erfüllen beide Elternteile die Anspruchsvoraussetzungen, bestimmen sie, wer von ihnen die Monatsbeträge für welche Lebensmonate des Kindes in Anspruch nimmt.

(2) Beanspruchen beide Elternteile zusammen mehr als die ihnen nach § 4 Absatz 3 und § 4b oder nach § 4 Absatz 3 und § 4b in Verbindung mit § 4d zustehenden Monatsbeträge, so besteht der Anspruch eines Elternteils, der nicht über die Hälfte der zustehenden Monatsbeträge hinausgeht, ungekürzt; der Anspruch des anderen Elternteils wird gekürzt auf die vom Gesamtanspruch verbleibenden Monatsbeträge. Beansprucht jeder der beiden Elternteile mehr als die Hälfte der ihm zustehenden Monatsbeträge, steht jedem Elternteil die Hälfte des Gesamtanspruchs der Monatsbeträge zu.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten in den Fällen des § 1 Absatz 3 und 4 entsprechend. Wird eine Einigung mit einem nicht sorgeberechtigten Elternteil oder einer Person, die nach § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 Anspruch auf Elterngeld hat, nicht erzielt, so kommt es abweichend von Absatz 2 allein auf die Entscheidung des sorgeberechtigten Elternteils an.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

(1) Die Annahme als Kind ist zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Wer an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes zum Zwecke der Annahme mitgewirkt oder einen Dritten hiermit beauftragt oder hierfür belohnt hat, soll ein Kind nur dann annehmen, wenn dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist.

(2) Wer nicht verheiratet ist, kann ein Kind nur allein annehmen. Ein Ehepaar kann ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen. Ein Ehegatte kann ein Kind seines Ehegatten allein annehmen. Er kann ein Kind auch dann allein annehmen, wenn der andere Ehegatte das Kind nicht annehmen kann, weil er geschäftsunfähig ist oder das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Die Annahme soll in der Regel erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

Die Annahme soll in der Regel erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

Die Annahme soll in der Regel erst ausgesprochen werden, wenn der Annehmende das Kind eine angemessene Zeit in Pflege gehabt hat.

Das Bundessozialgericht ist an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden, außer wenn in bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Revisionsgründe vorgebracht sind.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

Tenor

Auf die Revision des beklagten Freistaats wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2014 abgeändert und das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Dezember 2012 in vollem Umfang aufgehoben sowie die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt den Höchstbetrag an Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat seines Kindes.

2

Der Kläger ist Vater des am 3.3.2008 geborenen E. Für diesen bezog die Ehefrau des Klägers Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat. Der Kläger beantragte Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat. Er gab zunächst an, in dieser Zeit Erholungsurlaub in Anspruch nehmen zu wollen, legte im Nachhinein aber eine Bestätigung über die Inanspruchnahme von Elternzeit in diesem Zeitraum vor. Später stellte er klar, er habe sich nicht direkt in Elternzeit befunden, sondern bezahlten Urlaub aus dem Vorjahr genommen. Die vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen für März und April 2009 ergaben ein monatliches Bruttogehalt von
 Euro.

3

Der beklagte Freistaat lehnte die Bewilligung von Elterngeld wegen ausgeübter Vollzeittätigkeit ab (Bescheid vom 7.7.2009; Widerspruchsbescheid vom 21.9.2009). Im Klageverfahren verurteilte das SG den Beklagten, dem Kläger Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat in Höhe von 1800 Euro monatlich ohne Anrechnung des gezahlten Urlaubsentgelts zu gewähren. Das BSG habe bei Freistellung von der Arbeit bis zum Ablauf einer ausgesprochenen Kündigung angenommen, die tatsächliche Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit während des Bezugszeitraums sei ausreichend, um den Anspruch auf Elterngeld zu begründen (Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 7/11 R). Komme es danach auf die faktischen Verhältnisse an, gebe es keinen Grund Erholungsurlaub anders zu behandeln als die Freistellung von der Arbeitspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (Urteil vom 11.12.2012). Auf die Berufung des beklagten Freistaats hat das LSG die Verurteilung des Beklagten auf den Sockelbetrag begrenzt. Der Kläger habe sich nicht in Elternzeit, sondern im Erholungsurlaub befunden. Das BSG habe die Frage des Elterngeldbezugs während eines Erholungsurlaubs bisher ausdrücklich offengelassen. Rein faktisch führe der Erholungsurlaub zwar zur Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit und begründe deshalb einen Elterngeldanspruch dem Grunde nach. Das im Bezugszeitraum gezahlte Urlaubsentgelt sei jedoch als Einnahme im Bezugszeitraum zu berücksichtigen, sodass nur der Sockelbetrag anrechnungsfrei bleibe (Urteil vom 29.1.2014).

4

Hiergegen wenden sich beide Beteiligten mit der Revision. Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs 3 S 1, § 3 Abs 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz). Bei faktischer Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit sei das Urlaubsentgelt für den aus dem Vorjahr im Bezugszeitraum stammenden Urlaub kein berücksichtigungsfähiges Einkommen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2014 abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Dezember 2012 in vollem Umfang zurückzuweisen

und die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

6

Der beklagte Freistaat beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2014 abzuändern und das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Dezember 2012 in vollem Umfang aufzuheben und die Klage abzuweisen

und die Revision des Klägers zurückzuweisen.

7

Der Beklagte rügt ebenfalls eine Verletzung materiellen Rechts (§ 1 Abs 1 Nr 4 und Abs 6 BEEG). Der Kläger habe im Bezugszeitraum eine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt, die eine Inanspruchnahme von Elterngeld ausschließe.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des beklagten Freistaats ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG), die Revision des Klägers hingegen unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die Revisionen beider Beteiligter sind zulässig. Das LSG hat die Revision unbeschränkt zugelassen (dazu 1.). Die angefochtenen Bescheide sind zu Recht ergangen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld für die von ihm geltend gemachten Partnermonate während seines Erholungsurlaubs (dazu 2.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluss von Elterngeld für die Dauer von Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis bestehen weder im Hinblick auf Art 3 GG noch Art 6 GG (dazu 3.).

9

1. Die form- und fristgerechten Revisionen (§ 164 SGG) der Beteiligten sind zulässig. Das LSG hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das LSG die Revision nicht allein zu seinen Gunsten wegen der Frage der Gleichstellung von Erholungsurlaub und Erwerbstätigkeit, sondern im Tenor unbeschränkt zugelassen (§ 160 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 SGG). Soweit das LSG am Ende der Entscheidungsgründe zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nähere Ausführungen gemacht hat, hat es lediglich den für die Zulassung maßgebenden Grund genannt (vgl BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - RdNr 19). Die unbeschränkte Zulassung ist für den Senat bindend (§ 160 Abs 3 SGG). Die zulässigen Revisionen beider Beteiligter führen zur vollumfänglichen Überprüfung des Klagebegehrens.

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld. Die Voraussetzungen des zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) geltend gemachten Anspruchs auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat seines am 3.3.2008 geborenen Sohnes (sog Partnermonate) sind nicht erfüllt. Während der Inanspruchnahme bezahlten Erholungsurlaubs kommt die Gewährung von Elterngeld nicht in Betracht. Das Gesetz trennt klar zwischen der Inanspruchnahme von Erholungsurlaub (§ 17 BEEG) und der davon zu unterscheidenden Inanspruchnahme von durch Elterngeld flankierter Elternzeit (§ 16 BEEG).

11

a) Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 1 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.2.2009, BGBl I 160 mWv 12.2.2009). Nach dessen Absatz 1 hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Der persönliche Geltungsbereich erfasst damit sowohl die Personengruppe, die von vornherein keiner solchen Tätigkeit nachgeht (zB Hausfrauen und -männer) als auch die Personengruppe der Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätigen. Eine Person ist ua nicht voll erwerbstätig, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt (Absatz 6). Elterngeld kann in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden (§ 4 Abs 1 S 1 BEEG idF vom 5.12.2006, BGBl I 2748). Es wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt (§ 4 Abs 2 S 1 BEEG idF vom 5.12.2006, aaO). Eltern haben insgesamt Anspruch auf 12 Monatsbeträge (§ 4 Abs 2 S 2 BEEG idF vom 5.12.2006, aaO). Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn sie sich in der Erziehung abwechseln (§ 4 Abs 3 S 1 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, BGBl I 61) und für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs 2 S 3 BEEG idF vom 5.12.2006, aaO). Das Elterngeld ist danach als lebensmonatliche Leistung ausgestaltet mit der Folge, dass die Anspruchsvoraussetzungen für das Elterngeld untrennbar mit der Bezugszeit Lebensmonat verknüpft sind. Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen müssen grundsätzlich für jeden einzelnen Lebensmonat vorliegen (zu Ausnahmen etwa § 1 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 5 BEEG; § 4 Abs 4 BEEG idF vom 5.12.2006, aaO; vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit des Lebensmonatsprinzips BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18).

12

Die Ehefrau des Klägers erfüllt die Grundvoraussetzungen für den 1. bis 12. Lebensmonat des gemeinsamen Kindes. Ebenso erfüllt der Kläger für die geltend gemachten Partnermonate die Voraussetzungen des gewöhnlichen Aufenthalts, des gemeinsamen Haushalts und der selbsttätigen Betreuung und Erziehung in seiner Person. Bei ihm aber fehlt es an dem für die Inanspruchnahme des einkommensabhängigen Elterngeldes und des Sockelbetrags weiteren Erfordernis "der Ausübung keiner oder keiner vollen Erwerbstätigkeit" iS des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG für die Dauer des 13. und 14. Lebensmonats seines Kindes. In dieser Zeit befand sich der Kläger nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im Erholungsurlaub.

13

b) Die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub im unverändert fortbestehenden Vollzeitarbeitsverhältnis führt nicht dazu, dass iS von § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Dies steht mit dem Wortlaut der Norm, der Zielsetzung und Entstehungsgeschichte unter Berücksichtigung des besonderen systematischen Gesamtzusammenhangs zur Elternzeit (§§ 15 ff BEEG) und zum Urlaubsrecht (§§ 1 ff Bundesurlaubsgesetz) im Einklang.

14

aa) Der Wortlaut des Gesetzes knüpft mit dem Erfordernis "keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben" zunächst an ein tatsächliches Verhalten an. Dieses liegt beim Kläger vor, denn er hat während des 13. und 14. Lebensmonats seines Kindes wegen Erholungsurlaubs nicht gearbeitet. Er ist in dieser Zeit, auch wenn sein Beschäftigungsverhältnis unverändert fortbestand, einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit nicht nachgegangen. Das Erfordernis "keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben" und das danach maßgebliche Fehlen eines Tätigseins entspricht der in den Materialien zum BEEG zum Ausdruck kommenden Zielrichtung des Elterngeldes: Dieses soll die tatsächliche Verfügbarkeit von Zeit, die zuvor mit Arbeit verbracht wurde, für die Betreuung und Erziehung des Kindes sicherstellen; das Elterngeld beschränkt sich insoweit nicht lediglich auf seine Entgeltersatzfunktion (BT-Drucks 16/1889 S 18, hieran anschließend BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 7/11 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 3 RdNr 32). Hiervon ausgehend hatte der Senat seinem Urteil vom 29.8.2012 (B 10 EG 7/11 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 3 RdNr 36)den Elterngeldbezug in Fällen einer - bezahlten - endgültigen Freistellung von der Arbeitsleistung im Rahmen eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses ermöglicht, hingegen hatte er in Fällen eines - bezahlten oder unbezahlten - Erholungs- oder Sonderurlaubs bzw Sabbaticals (vgl Salaw-Hanslmaier, Sabbatical und Elterngeld - geht das zusammen? ZRP 2009, 179) die Antwort auf die Frage, ob die Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit den Zugang zum Elterngeld ermöglicht, bisher offengelassen. Der Senat verneint diese Frage in Bezug auf den Erholungsurlaub nunmehr: Während der Zeit bezahlten Urlaubs besteht kein Anspruch auf Elterngeld. Für die Betreuung und Erziehung eines Kindes stellt das Gesetz nicht Erholungsurlaub zur Verfügung, sondern den davon zu unterscheidenden Anspruch auf Elternzeit (§ 15 BEEG), welcher vom Arbeitnehmer vorab schriftlich vom Arbeitgeber zu verlangen ist (§ 16 BEEG; dazu unten cc).

15

bb) Erholungsurlaub im laufenden Vollzeitarbeitsverhältnis beendet entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz die bis dahin ausgeübte Erwerbstätigkeit nicht. Zwar knüpft der Wortlaut des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG an ein tatsächliches Verhalten an, das beim Kläger insoweit vorliegt als er wegen seines Erholungsurlaubs nicht gearbeitet hat. Schon dem allgemeinen Sprachgebrauch nach führt die Inanspruchnahme des dem Arbeitnehmer zustehenden Erholungsurlaubs (§ 1 BUrlG) aber nicht dazu, dass er seine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt (vgl Othmer in Roos/Bieresborn, MuschG-BEEG, 2014, § 1 BEEG RdNr 25; wohl auch Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit/Betreuungsgeld, 4. Aufl 2015, § 1 BEEG RdNr 8). Eine solche Betrachtungsweise ließe sich in Bezug auf die Personengruppe der Erwerbstätigen auch nicht mit dem in § 1 Abs 6 BEEG näher konkretisierten Anliegen des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG in Einklang bringen, dass eine vor der Geburt ausgeübte volle Erwerbstätigkeit reduziert oder aufgegeben wird, um der Erziehung und Betreuung des Kindes Vorrang gegenüber der Erwerbstätigkeit einzuräumen. Auch wenn das BEEG nicht zwingend voraussetzt, dass "wegen" Erziehung eines Kindes die Arbeitszeit reduziert und dadurch keine oder keine volle Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt wird, so ist doch erkennbar, dass das Elterngeld als Lohnersatzleistung gerade diesen Fall im Auge hat und die erziehungsbedingte Lohneinbuße zumindest teilweise kompensieren soll. Neben allen anderen Zielsetzungen (s oben) soll das Elterngeld gerade jene Eltern aus dem Kreise der Erwerbstätigen unterstützen, die durch die Entscheidung, das eigene Kind in einem Maße zu betreuen, das über das hinaus geht, was bei voller Erwerbstätigkeit möglich ist, im Hinblick auf ihre individuelle wirtschaftliche Situation und späteren Möglichkeiten der Daseinsvorsorge in eine besondere Lage gebracht werden (BT-Drucks 16/1889 S 18).

16

Das Gesetz setzt danach voraus, dass jede anspruchsberechtigte Person aus dem Kreis der Arbeitnehmer ihre bis dahin ausgeübte Erwerbstätigkeit aufgibt oder - wenigstens in den durch § 1 Abs 6 BEEG vorgegebenen Grenzen - rechtsrelevant zugunsten der Betreuung des Kindes reduziert. Bei dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Betrachtungsweise wird der Betreuung des Kindes kein Vorrang eingeräumt, wenn eine bis dahin ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit unverändert als Erholungsurlaub fortgesetzt wird. Denn der Erholungsurlaub ergibt sich ohnehin für jeden Arbeitnehmer als unverzichtbarer Bestandteil seines Arbeitsverhältnisses (§ 13 Abs 1 S 1 BUrlG) und rechtsverbindlicher Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis mit der Konsequenz, dass zwar die Arbeitspflicht für die Dauer des Erholungsurlaubs beseitigt wird, an deren Stelle aber das Erholungsbedürfnis vom Gesetz für die Dauer des Urlaubs unwiderleglich vermutet wird (Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 104 RdNr 2 ff; zum Unionsrecht und den Auswirkungen bei Arbeitsunfähigkeit EuGH NZA 2009, 135 - Schultz-Hoff vgl BAGE 130, 119 = NZA 2009, 538 und BAGE 134, 1 = NZA 2010, 810).

17

cc) Für die Betreuung und Erziehung eines Kindes stellt das Gesetz Arbeitnehmern nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen den vom Erholungsurlaub zu unterscheidenden Anspruch auf Elternzeit (§ 15 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, aaO) zur Verfügung, und zwar selbst dann, wenn mangels Lohneinbuße allein der Sockelbetrag als allgemeine pauschale Anerkennung der Erziehungsleistung in Betracht kommt. Die Elternzeit entspricht dem früheren Erziehungsurlaub iS des § 15 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Dieser war ursprünglich als notwendige Ergänzung zu § 1 Abs 1 Nr 4 BErzGG ausgestaltet und stand dem Arbeitnehmer zu, wenn er einen Anspruch auf Erziehungsgeld hatte oder nur deshalb nicht hatte, weil das Einkommen die seinerzeitige Einkommensgrenze überstieg(vgl BT-Drucks 10/3792 S 6, 19). Die spätere Abkoppelung des Erziehungsurlaubs vom Erziehungsgeldanspruch durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 6.12.1991 (BGBl I 2142) erfolgte nicht aus Gründen fehlender Kohärenz. Vielmehr musste der mit der Neuregelung einhergehenden Verlängerung des Erziehungsurlaubs bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres rechtstechnisch Rechnung getragen werden (BT-Drucks 12/1125 S 8). Dies entspricht bis heute dem gesetzlichen Regelungskonzept.

18

Der Sache nach hat sich auch im Geltungsbereich des BEEG nichts daran geändert, dass die Voraussetzungen für das Elterngeld von Arbeitnehmern nicht durch Erholungsurlaub geschaffen werden, sondern durch Elternzeit, welche bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes genommen werden kann (vgl § 15 Abs 2 S 1 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, aaO; BT-Drucks 16/1889 S 27) und vorab schriftlich vom Arbeitgeber zu verlangen ist (§ 16 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, aaO). Während der Elternzeit, die im Unterschied zum Erholungsurlaub zu einer Suspendierung beider Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses führt, entstehen allerdings Ansprüche auf Erholungsurlaub (BAG Urteil vom 17.5.2011 - 9 AZR 197/10 - BAGE 138, 58 RdNr 24). Deren in § 17 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) geregeltes Verhältnis zur Elternzeit bestätigt, dass beide Ansprüche nicht deckungsgleich oder "austauschbar" sind. Insbesondere kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit nur um ein Zwölftel kürzen und nicht etwa - bei nur kurzzeitiger Inanspruchnahme von Elternzeit - im Verhältnis 1:1 (zur Kürzungsbefugnis vgl zuletzt BAG NZA 2015, 989, zur Veröffentlichung vorgesehen in BAGE). Die gesetzliche Aussage ist danach unmissverständlich: Der Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis steht nicht stellvertretend für eine Elternzeit. Er trägt dem besonderen Anliegen des Gesetzgebers nach einer anspruchsbegründenden Vorrangentscheidung zugunsten der Betreuung und Erziehung des Kindes nicht Rechnung (zum Erziehungsurlaub vgl Sächsisches LSG Urteil vom 18.1.2007 - L 3 EG 4/04; aA Dau juris-SozR 4/2013 Anm 6). Jede andere Betrachtungsweise unterliefe das genannte Anliegen des Gesetzgebers, und zwar auch gerade dann, wenn Vätern in leitenden Positionen die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub aus betriebsorganisatorischen Gründen im Bereich des Arbeitgebers als einzige Möglichkeit der Inanspruchnahme von Elternzeit erschiene (Revisionsbegründung des Klägers S 6; zur Verfassungsmäßigkeit s unten II 3.). Ob es sich bei diesem Urlaub um (bezahlten) Erholungsurlaub aus dem laufenden Jahr oder um (bezahlten) Resturlaub aus den Vorjahren (vgl § 7 Abs 3 S 2 BUrlG) handelt, spielt demgegenüber für die Beurteilung, ob der Betreuung und Erziehung des Kindes Vorrang eingeräumt wird, keine entscheidende Rolle.

19

dd) Für die Grundvoraussetzung der Ausübung keiner oder keiner vollen Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG ist es ohne Bedeutung, dass das für die Dauer eines Erholungsurlaubs zu zahlende Urlaubsentgelt als laufender Arbeitslohn zu den zu versteuernden Einkünften iS des § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 Einkommensteuergesetz gehört(vgl Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 104 RdNr 100; Küttner, Personalhandbuch, 22. Aufl 2015, Stichwort Urlaubsentgelt), die der Berechnung des Elterngeldes nach § 2 Abs 1 S 2 und Abs 7 S 1 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) zugrunde zu legen sind (Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Stand 8/2015, BEEG § 1 RdNr 49; anders zum Urlaubsgeld als einmaligem Bezug BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 48 ff). Das kann zwar auch dazu führen, dass Urlaubsentgelt als Einkommen im Zeitraum des Bezugs von Elterngeld iS des § 2 Abs 3 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) berücksichtigungsfähig ist, wenn es durchschnittlich geringer ist als bereits im Bemessungszeitraum nach § 2 Abs 1 S 1 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) erzieltes Arbeitseinkommen (vgl zur Berechnung des Urlaubsentgelts § 11 BUrlG). Dies ist dann Folge des durch § 1 BEEG eröffneten Geltungsbereichs für Arbeitsverhältnisse mit elterngeldunschädlichen Arbeitszeiten, also etwa Teilzeitarbeitsverhältnissen während der Elternzeit(vgl Othmer in Roos/Bieresborn, MuschG-BEEG, 2014, § 17 BEEG RdNr 10) und nicht umgekehrt - wie die Vorinstanzen meinen - ein valides Kriterium für die Einbeziehung von Vollzeitarbeitsverhältnissen im Modus des Erholungsurlaubs in den Geltungsbereich des § 1 BEEG mit der Folge (mindestens) des Sockelbetrags oder gar des Höchstsatzes.

20

Erst recht ist es für die Grundvoraussetzung der Ausübung keiner oder keiner vollen Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG ohne Relevanz, dass schon nach bisherigem Recht andere Einnahmen nach der Geburt des Kindes, die ihrer Zweckbestimmung nach Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes ganz oder teilweise ersetzen, auf das den Grundvoraussetzungen nach gegebene Elterngeld angerechnet werden, soweit letzteres den Sockelbetrag von 300 Euro monatlich übersteigt(§ 3 Abs 2 S 1 Halbs 1 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO). Unter den genannten Voraussetzungen ist Urlaubsentgelt als laufender Arbeitslohn keine Entgeltersatzleistung, wie etwa Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Renten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 22; BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 78 f). Der von der Vorinstanz ins Feld geführte konzeptionelle Aspekt des Gesetzes (Urteilsumdruck S 8, 9), dem Arbeitnehmer während des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Unterschied zur Vorgängerreglung des BErzGG (§ 2 Abs 2 S 1 BErzGG) wenigstens den Sockelbetrag zu belassen (§ 3 Abs 2 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) geht jedenfalls ins Leere, wenn Urlaubsentgelt zuvor als Einkommen im Bezugszeitraum berücksichtigt wurde. Dies stellt nunmehr die Neufassung des § 3 Abs 1 S 1 Nr 5 BEEG(idF des Gesetzes vom 10.9.2012, BGBl I 1878) dadurch klar, dass auf das Elterngeld Einnahmen angerechnet werden, die der berechtigten Person als Ersatz für Erwerbseinkommen zustehen und a) die nicht bereits für die Berechnung des Elterngeldes nach § 2 BEEG (nF) berücksichtigt werden oder b) bei deren Berechnung das Elterngeld nicht berücksichtigt wird(BT-Drucks 17/9841 S 27 f).

21

ee) Die Annahme, dass die bisherige Vollzeiterwerbstätigkeit bei Inanspruchnahme von Erholungsurlaub weiter anspruchsausschließend ausgeübt wird, steht im Einklang mit den besonderen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der sog Partnermonate iS des § 4 BEEG.

22

Eltern haben danach insgesamt Anspruch nur auf 12 Monatsbeträge (§ 4 Abs 2 S 2 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO). Sie haben aber Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt. Ein Elternteil kann mindestens für zwei und höchstens für 12 Monate Elterngeld beziehen (§ 4 Abs 2 S 2 und 3, Abs 3 S 1 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, BGBl l 61; zur grundsätzlichen Neustrukturierung durch das Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus vgl Gesetz vom 18.12.2014, BGBl I 2325). Für die Inanspruchnahme der Partnermonate ist es ohne Belang, welcher Elternteil wann und in welchem Umfang innerhalb des 14-monatigen Bezugszeitraums diese spezielle Voraussetzung der Einkommensminderung aus Erwerbstätigkeit erfüllt. In Anbetracht der Minderung des Erwerbseinkommens der Ehefrau in den ersten 12 Lebensmonaten des Sohnes wären die zusätzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs 2 S 3 BEEG (idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) für den Erwerb der Partnermonate durch den Kläger deshalb auch ohne Einschränkung seines eigenen Erwerbseinkommens gegeben. Das ändert aber nichts daran, dass die Fortsetzung der Vollzeittätigkeit nicht geeignet ist, den Anspruch auf Elterngeld zu begründen. Mit den Partnermonaten sollte vornehmlich ein Anreiz geschaffen werden, nicht einem Elternteil allein die Erwerbsarbeit und dem anderen Teil die Betreuungsarbeit zu übertragen (vgl BT-Drucks 16/1889, S 23; auch Jaritz in Roos/Bieresborn, MuschG-BEEG, 2014, § 4 BEEG RdNr 25; Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 9; Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit/Betreuungsgeld, 4. Aufl 2015, § 4 BEEG RdNr 1). Dieses spezielle Anliegen des Gesetzgebers ist legitim (vgl zur Verfassungsmäßigkeit der Partnermonate vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 26.10.2011 - 1 BvR 2075/11 - NJW 2012, 216; ferner BSG SozR 4-7837 § 4 Nr 5), beeinflusst aber im Übrigen nicht den nach übergeordneten Merkmalen zu bestimmenden Personenkreis im Geltungsbereich des BEEG. Der spezielle Zweck der Partnermonate wird nicht dadurch unterlaufen, dass ohnehin beide Elternteile berufstätig sind und sich die Betreuungs- und Erziehungsarbeit teilen wollen.

23

3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluss von Elterngeld für die Dauer von Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis bestehen nicht.

24

a) Es verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG, wenn Eltern aufgrund der Regelung des § 1 Abs 1 Nr 4 und Abs 6 BEEG wegen Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis von einkommensabhängigem Elterngeld als auch Mindestelterngeld(§ 2 Abs 5 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) ausgeschlossen sind. Unter Berücksichtigung der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der familienpolitischen Leistung des Elterngeldes unter Einschluss der Partnermonate (hierzu BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 10 EG 3/10 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 1 RdNr 22, nachgehend BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 26.10.2011 - 1 BvR 2075/11 - NJW 2012, 216; BSG Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 42 f; BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 6/13 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 5 RdNr 17 mwN)ist die unterschiedliche Behandlung von Elternteilen in Vollzeitarbeitsverhältnissen unter wertender Einbeziehung des Erholungsurlaubs im Vergleich zu Eltern, die eine Erwerbstätigkeit nicht oder nur in den Grenzen des § 1 Abs 6 BEEG ausüben und deshalb anders als der Erholungsurlauber im Vollzeitarbeitsverhältnis grundsätzlich Elterngeld als Sockelbetrag oder einkommensabhängige Leistung beziehen können, hinreichend sachlich gerechtfertigt. Die Differenzierung ist die Folge der legitimen Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen nur zu unterstützen, wenn sie sich bei generalisierender, typisierender und pauschalierender Betrachtungsweise in der Frühphase der Elternschaft vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern wollen und kümmern können (zum Ausschluss nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 1/13 R - Juris RdNr 19 ff; BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 5/14 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 6). Dementsprechend ist der Gesetzgeber auch frei darin, die Erziehungs- und Betreuungsleistungen im Falle fehlenden Erwerbseinkommens mit Basisbeträgen zu honorieren (BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 55 f) und im Übrigen das Elterngeld als Lohnersatzleistung nur dann zu gewähren, wenn durch die Erziehungs- und Betreuungsleistung Einkommenseinbußen hinzunehmen sind (BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 38 ff).

25

b) Es liegt auch keine Verletzung des besonderen Gleichbehandlungsgebots in Art 3 Abs 2 S 1 GG oder des Benachteiligungsverbots in Art 3 Abs 3 S 1 GG vor, wenn männliche Erwerbstätige in leitenden Vollzeitpositionen häufiger von der Inanspruchnahme des Elterngeldes ausgeschlossen sind als weibliche Erwerbstätige in entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnissen. Die Schutzbereiche der genannten Grundrechte sind nicht einmal mittelbar betroffen, wenn überwiegend Männer durch ihre höhere Repräsentanz in den vorbezeichneten Tätigkeiten vom Leistungsausschluss dadurch betroffen sind, dass ihnen keine Elternzeit gewährt wird (vgl BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/19 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 51 f mwN). Unbeschadet der Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise des Arbeitgebers im Einzelfall sichert das Gesetz nämlich Gleichbehandlung durch einen einklagbaren Anspruch auf Elternzeit (§ 15 Abs 1 S 1 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, aaO).

26

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

(1) Elterngeld wird als Basiselterngeld oder als Elterngeld Plus gewährt. Es kann ab dem Tag der Geburt bezogen werden. Basiselterngeld kann bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Elterngeld Plus kann bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats bezogen werden, solange es ab dem 15. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 kann Elterngeld ab Aufnahme bei der berechtigten Person längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

(2) Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Der Anspruch endet mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen.

(3) Die Eltern haben gemeinsam Anspruch auf zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld. Ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eines Elternteils in zwei Lebensmonaten gemindert, haben die Eltern gemeinsam Anspruch auf zwei weitere Monate Basiselterngeld (Partnermonate). Statt für einen Lebensmonat Basiselterngeld zu beanspruchen, kann die berechtigte Person jeweils zwei Lebensmonate Elterngeld Plus beziehen.

(4) Ein Elternteil hat Anspruch auf höchstens zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b. Ein Elternteil hat nur Anspruch auf Elterngeld, wenn er es mindestens für zwei Lebensmonate bezieht. Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 anzurechnende Leistungen oder nach § 192 Absatz 5 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes Versicherungsleistungen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Basiselterngeld nach § 4a Absatz 1 bezieht.

(5) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 beträgt der gemeinsame Anspruch der Eltern auf Basiselterngeld für ein Kind, das

1.
mindestens sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 13 Monatsbeträge Basiselterngeld;
2.
mindestens acht Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 14 Monatsbeträge Basiselterngeld;
3.
mindestens zwölf Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 15 Monatsbeträge Basiselterngeld;
4.
mindestens 16 Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 16 Monatsbeträge Basiselterngeld.
Für die Berechnung des Zeitraums zwischen dem voraussichtlichen Tag der Entbindung und dem tatsächlichen Tag der Geburt ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt.
Im Fall von
1.
Satz 1 Nummer 1
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 13 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 16. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
2.
Satz 1 Nummer 2
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 14 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 16. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 17. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
3.
Satz 1 Nummer 3
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 15 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 17. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 18. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
4.
Satz 1 Nummer 4
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 16 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 19. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird.

Elterngeld wird im Laufe des Lebensmonats gezahlt, für den es bestimmt ist.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. Juni 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers.

2

Der Kläger wurde am 19.6.2007 Vater eines Sohnes und beantragte am 18.9.2007 bei der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg Elterngeld. Dazu legte er eine Bestätigung seines Arbeitgebers über die vom 1.10.2007 bis 30.11.2007 beantragte Elternzeit vor. Mit Bescheid vom 20.9.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Elterngeld für den vierten und fünften Lebensmonat seines Sohnes. Für den vierten Lebensmonat (19.9.2007 bis 18.10.2007) errechnete sie einen Elterngeldanspruch in Höhe von 848,65 Euro, für den fünften Lebensmonat (19.10.2007 bis 18.11.2007) in Höhe von 1423,25 Euro. Die Beklagte legte ihrer Berechnung ein im Zeitraum von Juni 2006 bis Mai 2007 erzieltes, durchschnittliches monatliches Erwerbseinkommen des Klägers in Höhe von 1931,13 Euro netto zugrunde, wobei sie das dem Kläger von seinem Arbeitgeber im Juni 2006 ausgezahlte Urlaubsgeld in Höhe von 993 Euro sowie das im November 2006 ausgezahlte Weihnachtsgeld in Höhe eines regelmäßigen festen Bruttomonatsgehaltes von 3236 Euro außer Acht ließ. Für den vierten Lebensmonat des Sohnes berücksichtigte die Beklagte das vom Kläger in der Zeit vom 19.9. bis 30.9.2007 erzielte Einkommen. Schließlich erhöhte sie das danach zustehende Elterngeld wegen eines weiteren unter dreijährigen, im selben Haushalt lebenden Kindes um zehn Prozent.

3

Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung Widerspruch und machte geltend: Die Bewilligung für den vierten und fünften Lebensmonat entspreche nicht seinem Antrag. Vielmehr habe er Elterngeld für die beiden Kalendermonate Oktober und November 2007 beantragt. Die davon abweichenden Eintragungen im Vordruck habe die Beklagte gegen seinen Willen vorgenommen. Die Anknüpfung an die Lebensmonate des Kindes sei rechtswidrig und verstoße gegen Art 6 Grundgesetz (GG). § 4 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass ihm Elterngeld für die Kalendermonate Oktober und November 2007 zu zahlen sei. Ferner seien die Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen ebenfalls in die Berechnung miteinzubeziehen. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.4.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

4

Die hiergegen beim Sozialgericht Hamburg (SG) erhobene Klage ist mit Urteil vom 5.8.2009 abgewiesen worden. Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat die Berufung des Klägers durch Urteil vom 24.6.2011 im Wesentlichen mit folgenden Erwägungen zurückgewiesen:

Der Kläger habe keinen Anspruch auf höheres Elterngeld; insbesondere müssten die in den letzten zwölf Monaten vor der Geburt des Kindes ausgezahlten Sonderzuwendungen (Urlaubs- und Weihnachtsgeld) unberücksichtigt bleiben. Denn gemäß § 2 Abs 7 S 2 BEEG seien sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht als Einnahmen in die Bemessung des Elterngeldanspruchs einzubeziehen, da sie keinen laufenden Arbeitslohn darstellten. Diese Zahlungen wiesen keinen Bezug zur laufenden Arbeitsleistung und zu einzelnen Lohnabrechnungszeiträumen auf, sondern würden für die Arbeit des Jahres geleistet. Die Nichtberücksichtigung eines dreizehnten und vierzehnten Monatsgehaltes laufe dem Sinn und Zweck des Elterngeldes nicht zuwider, denn ein vollständiger Ausgleich der mit der Kinderbetreuung einhergehenden Einkommenseinbußen habe der Gesetzgeber, wie bereits die Begrenzung des Elterngeldanspruchs auf 1800 Euro monatlich zeige, nicht beabsichtigt. Zudem prägten diese Zahlungen die maßgeblichen Verhältnisse nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit wie das laufende monatliche Arbeitsentgelt.

5

Dass das Elterngeld für Lebensmonate des Kindes gewährt werde, begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Regelungen über den Anspruch auf Elternzeit sollten ebenso wie die Bestimmungen über den Bezug von Elterngeld die Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ersten Lebensjahren durch einen Elternteil fördern. Dazu schaffe das Gesetz einen Anspruch auf Freistellung von der Arbeit ohne Verlust des Arbeitsplatzes sowie einen finanziellen Teilausgleich für das entfallende Erwerbseinkommen. Für die Inanspruchnahme von Elternzeit sei keine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber erforderlich. Eine Benachteiligung, insbesondere ein Eingriff in Grundrechte, sei mit den bestehenden Regelungen insoweit nicht verbunden. Die Lebensmonatsregelung knüpfe vielmehr an den einer näheren Begründung nicht bedürfenden besonderen Betreuungsbedarf des neugeborenen Kindes an.

6

Da eine "Verschiebung des Bezugszeitraums" nicht in Betracht komme, sei das vom Kläger ab dem 19.9.2007 erwirtschaftete Erwerbseinkommen auf den Elterngeldanspruch anzurechnen. Die von der Beklagten in der Anlage zum Bewilligungsbescheid vorgenommene Berechnung nach § 2 Abs 3 BEEG sei nicht zu beanstanden.

7

Mit seiner vom LSG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision macht der Kläger insbesondere geltend:

Die Nichtberücksichtigung des ihm ausgezahlten Urlaubs- und Weihnachtsgeldes bei der Berechnung der Höhe des Elterngeldanspruchs sowie die Auszahlung der Leistung nach Lebensmonaten verletze materielles Bundesrecht. Weder das BEEG noch das EStG enthalte eine Definition des Begriffs der sonstigen Bezüge. Er habe arbeitsvertraglich einen Anspruch auf die beiden zusätzlichen Entgeltzahlungen. Die Zahlungen seien im Rahmen des Gesamtjahresgehaltes vereinbart worden, wobei er die Wahl gehabt habe, dieses Gehalt in zwölf oder vierzehn Teilbeträgen ausgezahlt zu bekommen. Beide Zahlungen stellten daher laufenden Arbeitslohn dar und seien bei der Berechnung des Elterngeldanspruchs dementsprechend zu berücksichtigen. Da durch das Elterngeld die wirtschaftliche Existenz während der Kinderbetreuung abgesichert werden solle, müsse tatsächlich vorhandenes, regelmäßig erzieltes Einkommen berücksichtigt werden. Andernfalls erfolge eine Schlechterstellung gegenüber Arbeitnehmern, die ihr Entgelt anteilig auf zwölf Monatsbeträge verteilt erhielten. Zudem prägten diese Zahlungen auch das Familieneinkommen nachhaltig. Arbeitslohn im Sinne des zu berücksichtigenden Einkommens nach dem BEEG sei daher dann laufender Arbeitslohn, wenn er auf einen bestimmten Zeitraum bezogen und regelmäßig wiederkehrend gezahlt werde, wobei es dem Grunde nach ausreiche, wenn bestimmte Einkommensbestandteile periodisch wiederkehrten. Die nunmehrige Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG, wonach die im Lohnsteuerabzugsverfahren als besondere Bezüge behandelten Einnahmen keine Berücksichtigung mehr fänden, zeige, dass die ursprüngliche Fassung die Berücksichtigung zusätzlicher, nicht monatlich gezahlter Entgelte zugelassen habe.

8

Ein striktes Lebensmonatsprinzip bei der Leistungsgewährung verkehre den Zweck des Elterngeldes ins Gegenteil. Denn es stelle einen in den Schutz der Familie eingreifenden Zwang dar, zur Vermeidung erheblicher finanzieller Nachteile die Elternzeit gerade in Lebensmonatsabschnitten in Anspruch nehmen zu müssen. Dadurch werde er in seinen Grundrechten aus Art 6 GG verletzt, wonach der Staat verpflichtet sei, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form zu fördern und dafür Sorge zu tragen, dass es beiden Elternteilen gleichermaßen möglich sei, Familie und Erwerbstätigkeit miteinander zu verknüpfen. Der Gesetzgeber müsse die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Eltern dieses Wahlrecht tatsächlich ausüben könnten. § 4 Abs 2 S 1 BEEG regele lediglich die verwaltungstechnische Abwicklung der Auszahlung und stehe einer Bemessung des Elterngeldes nach Kalendermonaten nicht entgegen. Darüber hinaus verletze die gegenteilige Auffassung ihn auch in seinen Grundrechten aus Art 3 und Art 12 iVm Art 2 und Art 1 GG.

9

Schließlich beruhe die Entscheidung des LSG auf Verfahrensmängeln. Zum einen hätte das LSG eine Vorlage zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) veranlassen müssen. Zum anderen sei sein Anspruch auf ein faires und rechtsstaatliches Verfahren verletzt worden, da die Entscheidungsgründe des LSG erst unmittelbar vor Ablauf der Fünfmonatsfrist abgesetzt worden seien, sodass der Inhalt der Beratung des vollständigen Senats nicht zwingend in die abgefassten Entscheidungsgründe habe mit einfließen können.

10

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG Hamburg vom 24.6.2011 und des SG Hamburg vom 5.8.2009 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 20.9.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2008 zu verurteilen, ihm Elterngeld für die Zeit vom 1.10.2007 bis 30.11.2007 in ungekürzter Form unter Einbeziehung des im Juni 2006 ausgezahlten Urlaubsgeldes sowie des im November 2006 ausgezahlten dreizehnten Monatsgehalts zu gewähren.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

13

Die Beteiligten haben dem Senat gegenüber unstreitig gestellt, dass beim Kläger in den streitbefangenen Zeiträumen (1.10. bis 30.11.2007 bzw 19.9. bis 18.11.2007) alle anspruchsberechtigenden Tatsachen nach § 1 BEEG vorlagen. Ferner haben sie ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt (§ 124 Abs 2 SGG).

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Klägers ist zulässig.

15

Allerdings hat der Kläger die von ihm geltend gemachten Verfahrensfehler nicht ausreichend begründet (vgl § 164 Abs 2 SGG). Gemäß § 164 Abs 2 S 3 SGG müssen bei Verfahrensrügen die Tatsachen bezeichnet werden, die den Mangel ergeben. Die maßgeblichen Vorgänge müssen so genau angegeben sein, dass das Revisionsgericht sie, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, ohne weitere Ermittlungen beurteilen kann (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 164 RdNr 12 mwN). Daran fehlt es hier.

16

Mit seiner Behauptung, das zur Überprüfung vorliegende Urteil sei bereits deshalb verfahrensfehlerhaft ergangen, weil es erst unmittelbar vor Ablauf von fünf Monaten nach seiner Verkündung abgefasst worden sei, rügt der Kläger sinngemäß das Fehlen von Tatbestand und Entscheidungsgründen (§ 136 Abs 1 Nr 5 und 6 SGG), also das Vorliegen des absoluten Revisionsgrundes gemäß § 202 SGG iVm § 547 Nr 6 ZPO(idF der Bekanntmachung der Neufassung der Zivilprozessordnung vom 5.12.2005, BGBl I 3202). Sein Vorbringen reicht jedoch nicht aus, um einen solchen Mangel hinreichend darzutun.

17

Eine Entscheidung ist stets als auf einer Verletzung des Rechts beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung entgegen den Bestimmungen des Gesetzes nicht mit Gründen versehen ist. Dem steht es gleich, wenn das Urteil erst so spät schriftlich abgesetzt wird, dass Zweifel angebracht erscheinen, ob es dem der Verkündung zugrunde liegenden Beratungsergebnis entspricht (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 134 RdNr 4). Zwar soll gemäß § 134 Abs 2 S 1 SGG(idF durch Art 4 Nr 12 Buchst a Gesetz über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz vom 22.3.2005, BGBl I 837) das Urteil vor Ablauf eines Monats, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefasst der Geschäftsstelle übermittelt werden, jedoch liegt in der Überschreitung dieser Monatsfrist noch keine Verletzung des § 547 Nr 6 ZPO. Denn es handelt sich nicht um eine zwingende Bestimmung, sondern um eine Sollvorschrift. Ein Verstoß hiergegen ist grundsätzlich unschädlich (Keller, aaO, RdNr 3 f).

18

Nach dem Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) vom 27.4.1993 (BVerwGE 92, 367 = SozR 3-1750 § 551 Nr 4) gilt ein bei Verkündung noch nicht vollständig abgefasstes Urteil dann als nicht mit Gründen versehen, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Die vom GmSOGB gezogene Fünfmonatsgrenze trägt dem Erfordernis Rechnung, dass die abgefassten Entscheidungsgründe auf der Überzeugung des Gerichts im Zeitpunkt der Entscheidung und Verkündung beruhen müssen (Keller, aaO, § 134 RdNr 4) und konkretisiert die Anforderungen des Rechtsstaatsprinzips an das gerichtliche Verfahren in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 26.3.2001 - 1 BvR 383/00 - NJW 2001, 2161, 2162). Denn mit zunehmendem Abstand zwischen Beratung der Entscheidung und ihrer Begründung wird die Gefahr eines Auseinanderfallens von Beratungsergebnis und Entscheidungsgründen zwangsläufig ständig größer (BVerfG aaO). Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich dieser Grundsatzentscheidung in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (vgl Urteil vom 22.9.1993 - 12 RK 39/93 - SozR 3-1750 § 551 Nr 5 S 14 f; Urteil vom 3.3.1994 - 1 RK 6/93 - SozR 3-1750 § 551 Nr 7 S 20 f; Urteil vom 10.3.1994 - 12 RK 47/93 - USK 9405 S 20 = juris RdNr 15; Urteil vom 24.3.1994 - 5 RJ 30/91 - juris RdNr 12; Urteil vom 6.3.1996 - 9 RVg 3/94 - juris RdNr 11; Urteil vom 14.9.1994 - 3/1 RK 36/93 - BSGE 75, 74, 75 = SozR 3-2500 § 33 Nr 12 S 43; Beschluss vom 6.3.2003 - B 11 AL 129/02 B - juris RdNr 14; Urteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 41/03 R - BSGE 91, 283 = SozR 4-1500 § 120 Nr 1, RdNr 4; Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 16).

19

Wie der Kläger selbst eingeräumt hat, ist das Urteil des LSG kurz vor Ablauf der insoweit maßgeblichen Fünfmonatsfrist abgefasst worden (und auch mit den Unterschriften der Richter zur Geschäftsstelle gelangt). Demnach kann er die Rüge eines Fehlens von Gründen nicht allein auf die zwischen Verkündung und Absetzung des Berufungsurteils verstrichene Zeit stützen.

20

Ausnahmsweise kann auch bei Einhaltung der maßgeblichen Fünfmonatsgrenze ein Verfahrensmangel vorliegen, wenn sich aus den Umständen des Falls ergibt, dass infolge der verzögerten Absetzung der Entscheidungsgründe die zuverlässige Wiedergabe des Beratungsergebnisses nicht mehr gewährleistet ist (Keller, aaO, § 134 RdNr 4). Dafür müssen bei summarischer Überprüfung jedoch konkrete fallbezogene Anhaltspunkte ersichtlich sein, wie etwa die Maßgeblichkeit einer aufwendigen Beweisaufnahme (BSG Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B - SozR 4-1500 § 10 Nr 3 RdNr 17).

21

Solche Umstände werden in der klägerischen Revisionsbegründung nicht aufgezeigt. Insbesondere lässt sich - entgegen der Ansicht des Klägers - allein daraus, dass die an der Entscheidung beteiligt gewesenen beiden ehrenamtlichen Richter die abgefasste Entscheidung - wie im Berufungsverfahren üblich - nicht zur Kenntnis erhalten haben, keine Verpflichtung zu einer zeitnäheren Abfassung der Entscheidungsgründe herleiten. Anderenfalls wäre die Fünfmonatsfrist bei allen unter Beiziehung ehrenamtlicher Richter getroffenen erst- und zweitinstanzlichen Hauptsacheentscheidungen praktisch hinfällig.

22

Auch der vom Kläger angenommene Verstoß gegen das sich aus dem GG ergebende Prinzip des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 S 2 GG) ist nicht ausreichend bezeichnet worden. Zwar kann ein solcher Verfahrensmangel auch in der Nichtvorlage der dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Rechtsnormen im Wege eines konkreten Normenkontrollverfahrens gemäß Art 100 Abs 1 GG an das BVerfG liegen. Eine Verpflichtung des LSG, den Rechtsstreit auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen, ergibt sich jedoch bereits aus dem klägerischen Vortrag nicht.

23

Art 101 Abs 1 S 2 GG garantiert, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Diese Garantie kann verletzt sein, wenn ein Gericht in willkürlicher Weise gegen die sich aus Art 100 Abs 1 GG ergebende Vorlagepflicht verstößt (BVerfG Beschluss vom 16.6.2009 - 1 BvR 2269/07 - juris RdNr 3 mit Verweis auf stRspr). Art 100 Abs 1 S 1 GG verpflichtet die Fachgerichte ua, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, wenn sie von der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, überzeugt sind.

24

Der Kläger hat nicht geltend gemacht, dass das LSG von der Verfassungswidrigkeit der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Rechtsnormen, auf die es für die Entscheidung maßgeblich ankommt, ausgegangen ist. Eine solche Behauptung wäre angesichts der Entscheidungsgründe auch nicht ernstlich aufzustellen gewesen. Denn aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung ergibt sich eindeutig, dass das Berufungsgericht keine Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Vorschriften des BEEG angenommen hat.

25

Mit seiner Rüge einer Verletzung materiellen Rechts hat der Kläger die Anforderungen des § 164 Abs 2 S 3 SGG erfüllt, indem er die seiner Ansicht nach verletzten Rechtsnormen in Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des LSG bezeichnet hat.

26

Die Revision ist im Sinne einer Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Für eine abschließende Entscheidung reichen die berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nicht aus.

27

Der vom Kläger verfolgte Anspruch auf Elterngeld wegen seines am 19.6.2007 geborenen Sohnes richtet sich nach dem am 1.1.2007 durch das Gesetz zur Einführung des Elterngeldes vom 5.12.2006 (BGBl I 2748) in Kraft getretenen BEEG.

28

Der Kläger ist dem Grunde nach berechtigt, Elterngeld für seinen am 19.6.2007 geborenen Sohn zu beziehen. Gemäß § 1 Abs 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Zwar hat das LSG dazu keine konkreten Tatsachenfeststellungen getroffen. Im Hinblick auf die erfolgte Leistungsbewilligung und die dem Senat gegenüber abgegebenen übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten geht der Senat jedoch davon aus, dass der Kläger diese Voraussetzungen erfüllt und daher anspruchsberechtigt ist.

29

Der angefochtene Verwaltungsakt (Bescheid der Beklagten vom 20.9.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.4.2008) ist zunächst insoweit nicht zu beanstanden, als dem Kläger Elterngeld für zwei Lebensmonate seines am 19.6.2007 geborenen Sohnes gewährt worden ist. Der Kläger kann keine Leistungsbewilligung nach Kalendermonaten beanspruchen.

30

Nach § 4 Abs 1 S 1 kann Elterngeld in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des vierzehnten Lebensmonats des Kindes bezogen werden. § 4 Abs 2 S 1 BEEG bestimmt insoweit konkretisierend: "Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt." Auch wenn der Gesetzgeber die Begriffe Monatsbeträge und Lebensmonate abwechselnd verwendet, sind hinsichtlich der Anspruchsausgestaltung stets die Lebensmonate entscheidend (Buchner/Becker, MuSchG/BEEG, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 7; Lenz in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit 2. Aufl 2010, § 4 BEEG RdNr 1). Entgegen der Ansicht des Klägers beinhaltet § 4 BEEG nicht lediglich eine verwaltungstechnische Berechnungsmodalität, sondern gestaltet den Elterngeldanspruch selbst aus. Dabei ist das sog Lebensmonatsprinzip festgelegt worden (Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 29; Teil-Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38; BSG Urteile vom 26.5.2011 - B 10 EG 11/10 R - RdNr 14 und - B 10 EG 12/10 R - RdNr 20, letzteres zur Veröffentlichung in SozR 4-7837 § 4 Nr 2 vorgesehen). Dazu hat der Senat bereits unter Hinweis auf die auch in Rechtsprechung und Literatur vertretene Auffassung ausgeführt, dass § 4 Abs 2 S 1 BEEG nicht nur die Zahlungsweise, sondern auch die Entstehung monatlicher Zahlungsansprüche regelt(Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38 mwN).

31

Soweit sich der Kläger dadurch in seinen Grundrechten verletzt sieht, dass das Elterngeld als eine an den Lebensmonaten des Kindes orientierte Leistung ausgestaltet worden ist, vermag der Senat ihm nicht zu folgen. Er ist insbesondere nicht davon überzeugt, dass ein Verstoß gegen Art 6 bzw Art 12 GG vorliegt.

32

Nach Art 6 Abs 1 GG stehen Ehe und Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft (Art 6 Abs 2 GG).

33

Zum Umfang des Schutzbereichs von Art 6 Abs 1 GG hat das BVerfG gerade betreffend die Förderung durch das Elterngeld ausgeführt (vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - ZFSH/SGB 2011, 337, 338 = juris RdNr 9):

        

"Zwar garantiert Art. 6 Abs. 1 GG als Abwehrrecht die Freiheit, über die Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren. Demgemäß dürfen die Eltern ihr familiäres Leben nach ihren Vorstellungen planen und verwirklichen und insbesondere in ihrer Erziehungsverantwortung entscheiden, ob und in welchem Entwicklungsstadium das Kind überwiegend von einem Elternteil allein, von beiden Eltern in wechselseitiger Ergänzung oder von einem Dritten betreut werden soll (vgl. BVerfGE 99, 216 <231>). Neben der Pflicht, die von den Eltern im Dienst des Kindeswohls getroffenen Entscheidungen anzuerkennen und daran keine benachteiligenden Rechtsfolgen zu knüpfen, ergibt sich aus der Schutzpflicht des Art. 6 Abs. 1 GG auch die Aufgabe des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern. Der Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass es Eltern gleichermaßen möglich ist, teilweise und zeitweise auf eine eigene Erwerbstätigkeit zugunsten der persönlichen Betreuung ihrer Kinder zu verzichten wie auch Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu verbinden (vgl. BVerfGE 99, 216 <234>). Dabei ist allerdings in Rechnung zu stellen, dass dem Gesetzgeber im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit für die Abgrenzung der begünstigten Personengruppen grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt (vgl. BVerfGE 99, 165 <178>; 106, 166 <175 f.>). Weit ist der Gestaltungsspielraum auch hinsichtlich der Ausgestaltung der Familienförderung (vgl. BVerfGE 87, 1 <35 f.>; 103, 242 <260>)."

34

Der Gesetzgeber hat den ihm zukommenden Gestaltungsspielraum bei der Regelung des Elterngeldanspruchs nach Lebensmonaten des Kindes eingehalten. Aus der allgemeinen Verpflichtung des Staates, die Kinderbetreuung in der jeweils von den Eltern gewählten Form in ihren tatsächlichen Voraussetzungen zu ermöglichen und zu fördern, folgt kein unbegrenzter Anspruch auf Ausweitung und Individualisierung bestehender Förderungsinstrumente. Dabei ist für den Bereich des BEEG auch zu beachten, dass der Gesetzgeber bereits eine beachtliche Förderung der Eigenbetreuung von Kindern durch die Eltern vorgesehen hat (vgl Senatsurteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 46; BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870). Deshalb können insoweit aus verfassungsrechtlicher Sicht grundsätzlich keine weitergehenden Verpflichtungen des Gesetzgebers angenommen werden (BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870).

35

Zwar kann die Gewährung von Elterngeld, wie vom Kläger behauptet, durchaus Einfluss darauf haben, wie Eltern ihre grundrechtlich verankerte Erziehungsverantwortung wahrnehmen und das Leben in der Familie gestalten (so bereits BVerfG Beschluss vom 20.4.2011 - 1 BvR 1811/08 - juris RdNr 8). Mit Rücksicht auf die durch das Elterngeld bezweckte Förderung der erziehungsbedingten Unterbrechung bzw Einschränkung der Erwerbstätigkeit, erweist sich dieser mögliche faktische Einfluss jedoch allenfalls als "Nebenwirkung" der jeweiligen elterlichen Ausübung des freien Wahlrechts, ob und wie die Eltern Elterngeld und Elternzeit in Anspruch nehmen wollen.

36

Das dem Bewilligungsanspruch auf Elterngeld zugrundeliegende Lebensmonatsprinzip ist daher sachlich nicht zu beanstanden und folgerichtig. Denn es trägt nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers dem besonderen Betreuungsbedarf des neugeborenen Kindes Rechnung, wobei die Regelungen zur Elternzeit von dieser Ausgestaltung unberührt bleiben sollten (BT-Drucks 16/1889 S 23). Dieser besondere Betreuungsbedarf entsteht mit der Geburt des Kindes und damit unabhängig vom Beginn eines Kalendermonats. Deshalb ist ein Anknüpfen des Elterngeldanspruchs an die Lebensmonate des Kindes sachgerecht.

37

Das Lebensmonatsprinzip im Elterngeldrecht steht darüber hinaus im Einklang mit den Vorschriften zur Elternzeit. Entsprechend der Entscheidungsfreiheit beim Elterngeld (vgl §§ 4, 5 BEEG) hat der Gesetzgeber durch die Regelungen zur Elternzeit für Eltern ebenfalls freie Gestaltungsmöglichkeiten geschaffen. Eltern können selbst bestimmen, ob und inwieweit sie die zur Betreuung des Kindes vorgesehene Freistellung von der Arbeitspflicht in Anspruch nehmen wollen.

38

Der Anspruch auf Elternzeit besteht grundsätzlich bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres eines Kindes (§ 15 Abs 2 S 1 BEEG) und kann von den Elternteilen anteilig, allein oder von beiden gemeinsam genommen werden (§ 15 Abs 3 S 1 BEEG). Zur tatsächlichen Umsetzung dieses Anspruchs auf Elternzeit sieht das Gesetz vor, dass ein Ausschluss oder eine Beschränkung durch Vertrag nicht möglich (§ 15 Abs 2 S 6 BEEG)und die Inanspruchnahme lediglich von einer einseitigen Anzeige und Erklärung gegenüber dem Arbeitgeber abhängig ist (§ 16 Abs 1 S 1 BEEG). Einer Zustimmung zur Freistellung seitens des Arbeitgebers bedarf es gerade nicht, worauf die Vorinstanzen bereits zutreffend hingewiesen haben. Ferner hat der Gesetzgeber den Eltern einen Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit gegenüber dem Arbeitgeber während der Elternzeit (§ 15 Abs 6 iVm Abs 7 BEEG) eingeräumt sowie weitgehende Kündigungsschutzvorschriften geschaffen (§§ 18, 19 BEEG).

39

Der vom Kläger eingewandte Umstand, die "moderne Arbeitswelt" verhindere eine Inanspruchnahme der Elternzeit nach Lebensmonaten, führt zu keiner anderen verfassungsrechtlichen Beurteilung. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, vom Lebensmonatsprinzip des Elterngeldes allein deshalb abzuweichen, weil es möglicherweise praktische Schwierigkeiten bei der Inanspruchnahme von Elternzeit nach Lebensmonaten gibt.

40

Die vom Kläger gerügte Verletzung seiner Berufsausübungsfreiheit (Art 12 Abs 1 GG) durch das Lebensmonatsprinzip liegt fern. Nach Art 12 Abs 1 S 1 GG haben alle Deutschen das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden (Art 12 Abs 1 S 2 GG). Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht (Art 12 Abs 2 GG).

41

Dem BEEG kommt keine den Schutzbereich der Berufswahl- und Berufsausübungsfreiheit berührende Tendenz zu. Die sich aus dem BEEG ergebende Förderung einer frei wählbaren Unterbrechung der Erwerbstätigkeit wirkt sich vollständig berufsneutral aus. Die Entscheidung über die Inanspruchnahme von Elterngeld obliegt den Eltern. Ebenso wenig - und darauf hat der Senat bereits hingewiesen (Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 45) - wie durch die Gewährung von Elterngeld ein mittelbarer Zwang zur Aufnahme oder Fortführung einer Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, gibt das BEEG vor, ab und ggf zu welchem bestimmten Zeitpunkt die Erwerbstätigkeit unterbrochen wird. Vielmehr bietet die Einkommensersatzfunktion des Elterngeldes vielen Eltern gerade erst die Möglichkeit, eine Unterbrechung oder Reduzierung der Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung eines Kindes zu wagen (dazu bereits BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24 = juris RdNr 36 mwN; Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - aaO).

42

Danach hat die Beklagte zwar zu Recht eine Bewilligung des Elterngeldes des Klägers nach Lebensmonaten des Kindes vorgenommen. Zu prüfen bleibt jedoch, ob sie dabei die richtigen Lebensmonate erfasst hat. Da der Kläger sein Begehren bislang auf eine Leistungsgewährung für Kalendermonate beschränkt hat, ist ihm nunmehr - auch im Hinblick auf Unklarheiten im Antragsformular - Gelegenheit zu geben, sein Anspruchsbegehren hinsichtlich der Bezugsmonate klarzustellen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es sich für den Kläger als günstiger erweisen könnte, nicht für den vierten und fünften, sondern für den fünften und sechsten Lebensmonat seines Sohnes Elterngeld zu beziehen. Das hängt von der Höhe des jeweiligen gemäß § 2 Abs 3 S 1 BEEG anrechenbaren Einkommens aus Erwerbstätigkeit ab.

43

Die Höhe des dem Kläger zustehenden Anspruchs auf Elterngeld lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen des LSG nicht abschließend bestimmen.

44

Für die Höhe des Elterngeldanspruchs des Klägers bestimmt § 2 Abs 1 S 1 BEEG, dass Elterngeld in Höhe von 67 Prozent des in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes durchschnittlich erzielten monatlichen Einkommens aus Erwerbstätigkeit bis zu einem Höchstbetrag von 1800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt wird, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. § 2 Abs 3 BEEG regelt die Leistungshöhe, wenn für die Zeit nach der Geburt des Kindes Erwerbseinkommen zu berücksichtigen ist.

45

Als Bemessungszeitraum hat die Beklagte hier rechtsfehlerfrei die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.5.2007 zugrunde gelegt. Da der Sohn des Klägers am 19.6.2007 geboren wurde, entspricht dieser Zeitraum den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat der Geburt des Kindes. Die in § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG geregelten Abweichungen kommen hier nicht in Betracht.

46

Bei der Ermittlung des für den Bemessungszeitraum zugrunde zu legenden Bemessungseinkommens ist gemäß § 2 Abs 1 S 2 BEEG zwischen dem Einkommen aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit und nichtselbstständiger Arbeit iS von § 2 Abs 1 S 1 Nr 1 bis 4 des EStG zu unterscheiden.

47

Da der Kläger vor der Geburt seines Sohnes eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Einkäufer einer Baumarktkette ausgeübt hat, ist für die Bestimmung des maßgeblichen Einkommens § 2 Abs 7 BEEG einschlägig. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist als Einkommen aus nichtselbstständiger Arbeit der um die auf dieses Einkommen entfallenden Steuern und die aufgrund dieser Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe des gesetzlichen Anteils der beschäftigten Person einschließlich der Beiträge zur Arbeitsförderung verminderte Überschuss der Einnahmen in Geld oder Geldeswert über die mit einem Zwölftel des Pauschbetrags nach § 9a Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a EStG anzusetzenden Werbungskosten zu berücksichtigen. Als auf die Einnahmen entfallende Steuern gelten die abgeführte Lohnsteuer einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer, im Falle einer Steuervorauszahlung der auf die Einnahmen entfallende monatliche Anteil. Grundlage der Einkommensermittlung sind die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers (vgl § 2 Abs 7 S 3 und 4 BEEG). § 2 Abs 7 S 2 BEEG bestimmt, dass sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG dabei nicht als Einnahmen berücksichtigt werden.

48

Streitig ist hier, ob die vom Kläger bezogenen Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen als sonstige Bezüge iS von § 38a Abs 1 S 3 EStG anzusehen sind. Bereits die Bezugnahme auf § 38a Abs 1 S 3 EStG macht deutlich, dass sich die nähere Bestimmung des in § 2 Abs 7 S 2 BEEG gebrauchten Begriffs der sonstigen Bezüge am Steuerrecht auszurichten hat(so bereits Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 28).

49

§ 38a Abs 1 S 3 EStG(idF vom 19.10.2002, gültig vom 21.9.2002 bis 31.8.2009) regelt für die Bemessung der Jahreslohnsteuer, dass Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), in dem Kalenderjahr bezogen wird, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Sonstige Bezüge iS des § 2 Abs 7 S 2 BEEG sind demnach Teile des Arbeitslohns, die nicht als laufender Lohn gezahlt werden(so bereits Senatsurteil vom 3.12.2009, aaO). Die sonstigen Bezüge stellen somit auch Arbeitslohn dar. Es handelt sich nicht um gegensätzliche Begrifflichkeiten. Entscheidend ist, ob eine Lohnzahlung dem laufenden Arbeitslohn zuzuordnen ist oder nicht (vgl Krüger in Schmidt, EStG, 31. Aufl 2012, § 38a RdNr 2).

50

Wie der Senat bereits ausgeführt hat, enthält § 38a Abs 1 S 2 EStG selbst keine Definition des Arbeitslohnbegriffs. Allerdings ergibt sich aus § 38 Abs 1 S 1 EStG, der als Lohnsteuer die durch Abzug vom Arbeitslohn zu erhebende Einkommensteuer "bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit" bezeichnet, dass unter dem Begriff des Arbeitslohns Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu verstehen sind, wozu wiederum § 19 EStG nähere Bestimmungen enthält(Senatsurteil vom 3.12.2009, aaO).

51

Gemäß § 19 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG gehören insbesondere Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Dabei müssen solche Einkünfte nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) abstrakt durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst und im weitesten Sinne die Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft des Arbeitnehmers sein, mithin aus dem Dienstverhältnis heraus zufließen (vgl zB BFH Urteil vom 20.5.2010 - VI R 41/09 - BFHE 229, 346, 348 RdNr 9 mwN sowie zuletzt BSG Urteile vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 16 mwN und - B 10 EG 17/11 R - juris RdNr 20 mwN; Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 13).

52

Danach gehören die im Juni bzw November 2006 erfolgten, als Urlaubs- bzw Weihnachtsgeld deklarierten Zahlungen zum Arbeitslohn des Klägers. Zu prüfen bleibt, ob diese Zahlungen als laufender Arbeitslohn oder als sonstige Bezüge anzusehen sind. Nach Auffassung des Senats stellen Arbeitsentgeltbeträge im Rahmen des BEEG dann keine sonstigen Bezüge, sondern laufenden Arbeitslohn dar, wenn es sich um mindestens zwei zusammenhängende Zahlungen innerhalb des Bemessungszeitraums handelt, die nicht anlassgebunden, sondern zeitraumbezogen geleistet werden und eine hinreichende Beziehung zu der tatsächlich erbrachten Arbeit haben. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

53

Wann Arbeitslöhne laufend sind oder wann sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 EStG vorliegen, definiert das Gesetz nicht. Es findet sich lediglich eine negative Abgrenzung, wonach jedweder Arbeitslohn, der nicht als laufend geleistet wird, sonstiger Bezug ist (vgl Eisgruber in Kirchhof, EStG, 10. Aufl 2011, § 38a RdNr 5; Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 21; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 8/2012, § 38a B7). Das Erfordernis einer Abgrenzung der beiden Begriffe ergibt sich nach der Rechtsprechung des BFH bereits aus § 39b EStG und R 30 Abs 2 S 2 Nr 1 Buchst a Lohnsteuer-Richtlinien(vgl BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 153 RdNr 13).

54

Der Senat ist im Jahre 2009 davon ausgegangen, dass auch höchstrichterlich nicht näher bestimmt ist, was laufender Arbeitslohn ist (Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 30 mwN der bis dahin ergangenen Entscheidungen). Die bereits in dieser Entscheidung getroffene Feststellung, dass vor allem einige Entscheidungen des BFH existieren, in denen sich Ausführungen dazu finden, wann kein laufender Arbeitslohn vorliegt, mithin nur eine Negativabgrenzung vorgenommen worden ist, trifft weiterhin zu (vgl beispielhaft: BFH Beschluss vom 15.12.2011 - VI R 26/11 - BFHE 236, 127). Jetzt gibt es auch Entscheidungen des BFH, in denen weitere Konkretisierungen des Begriffs des laufenden Arbeitslohns formuliert werden. So hat der BFH ausgeführt (vgl BFH Urteil vom 16.12.2010 - VI R 27/10 - BFHE 232, 174, 181 RdNr 12; Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 153 f RdNr 13): "Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen)". Der laufende Arbeitslohn könne der Höhe nach schwanken, jedoch sei kein laufender Bezug und damit ein sonstiger Bezug im Falle von einmalig zugewandten Bezügen "wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Jubiläumszuwendungen, Gratifikationen und das 13. Monatsgehalt" gegeben (BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr 13). Der sonstige Bezug unterscheide sich vom laufenden Arbeitslohn durch die Einmaligkeit des Bezugs (BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr 15).

55

Das in diesen Entscheidungen hervorgehobene Kriterium des regelmäßigen Bezuges steht nicht allein für sich, sondern wird im EStG stets auf den Kontext des Lohnzahlungszeitraums bezogen (vgl zB § 3b Abs 2 S 1; § 38a Abs 1 S 2 Halbs 1; § 38a Abs 3; § 39b Abs 2 S 1 EStG). Dementsprechend wird auch von Seiten der steuerrechtlichen Literatur für das Vorliegen eines laufenden Arbeitslohns gefordert, dass es sich um einen zeitraumbezogenen, fortlaufenden, regelmäßig wiederkehrenden Bezug handeln muss (vgl Eisgruber in Kirchhof, EStG, 10. Aufl 2011, § 38a RdNr 4). Maßstab dieser Zeitraumbezogenheit ist insoweit entsprechend der Bemessung der Einkommensteuer das Kalenderjahr, mit der Folge, dass Zahlungen, die lediglich einmal jährlich geleistet werden, steuerrechtlich kein Teil des laufenden Arbeitslohns, sondern vielmehr sonstige Bezüge sind, wobei es unerheblich ist, ob sie jährlich wiederkehrend geleistet werden (Tillmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Stand 11/2010, § 38a RdNr 17; Trzaskalik in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, Stand 8/2012, § 38a B3). Für die erforderliche zeitliche Zuordnung ist bei sonstigen Bezügen steuerrechtlich der tatsächliche Zuflusszeitpunkt maßgeblich, mithin das Erlangen der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Arbeitnehmers über den Arbeitslohn (vgl BFH Urteil vom 3.2.2011 - VI R 66/09 - BFHE 232, 497, 499 RdNr 12, mwN; Heß in Lademann, EStG, Stand 7/2012, § 38a RdNr 16).

56

Demnach kann auch an der bisherigen Auffassung des Senats festgehalten werden, dass bei dem Begriff des laufenden Arbeitslohnes ein rein zeitliches Verständnis zugrunde zu legen ist (Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 19/09 R - BSGE 107, 18 = SozR 4-7837 § 2 Nr 6, RdNr 22; Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 31). Den insoweit maßgeblichen Zeitraum gibt das BEEG selbst vor, weshalb nicht auf das steuerrechtliche Kalenderjahr zurückzugreifen ist. Entsprechend der Regelung des § 2 Abs 1 S 1 iVm § 2 Abs 7 S 5 und 6 BEEG ist der gesetzlich vorgesehene zwölfmonatige Bemessungszeitraum für die Abgrenzung des laufenden Arbeitslohns von den sonstigen Bezügen maßgeblich.

57

Liegen einmalige, anlassbezogene Zahlungen vor, sind diese als sonstige Bezüge nicht Teil der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn mehrere solcher nicht zeitraumbezogen erwirtschafteten, ggf jedoch arbeitsrechtlich begründeten Zahlungen aus verschiedenen Anlässen im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum geleistet werden, wie dies in der Regel bei Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen der Fall ist. Denn jede dieser Zahlungen wird einmalig zugewandt, einmal anlässlich des (bevorstehenden) Urlaubs und einmal anlässlich der bevorstehenden Advents- und Weihnachtszeit. Beides sind einmalige Ereignisse innerhalb des zu betrachtenden Bemessungszeitraums (so im Ergebnis für das Kalenderjahr auch: BFH Urteil vom 17.6.2010 - VI R 50/09 - BFHE 230, 150, 154 RdNr 13).

58

Aufgrund des in § 2 Abs 7 S 2 BEEG enthaltenen eindeutigen Verweises auf die steuerrechtliche Vorschrift des § 38a Abs 1 S 3 EStG ergibt sich demnach, dass zu den sonstige Bezügen, die bei der Bestimmung des für die Berechnung des Elterngeldanspruchs maßgeblichen Einkommens unberücksichtigt bleiben, grundsätzlich auch das ausgezahlte Urlaubs- und Weihnachtsgeld gehört(so im Ergebnis auch: LSG Baden-Württemberg Urteil vom 24.10.2011 - L 11 EG 1929/10 - juris RdNr 33 ff; Jung/Wiegand in Wiegand, BEEG, Stand Februar 2011, § 2 RdNr 27 f; Lenz in Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit, 2. Aufl 2010, § 2 BEEG RdNr 18; Fuchsloch/Scheiwe, Leitfaden Elterngeld, RdNr 176 ff: Wersig, jurisPK, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, 2009, § 2 BEEG RdNr 12; Oyda, Probleme bei der Ermittlung des Elterngeldes, NZS 2010, 194, 195).

59

In Ermangelung von Regelungen des BEEG zum Ausgleich von Härtefällen wird teilweise angeregt, jedenfalls solches Arbeitsentgelt bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs zu berücksichtigen, auf das ein Anspruch bestanden habe. Da sich der Gesetzgeber für eine individuelle Ermittlung des Elterngeldanspruchs entschieden habe, überzeuge das Argument nicht, mittels eines typisierten und pauschalierten Verweises auf die steuerrechtlichen Regelungen eine leichtere Bearbeitung von Massenverfahren zu ermöglichen (so Eberhardt, Berücksichtigung von Gehaltsnachzahlungen beim Elterngeld, NZS 2011, 575, 577). Auch spreche der Umstand, dass von den Folgen der Ausklammerung bestimmter Lohnbestandteile primär abhängig Beschäftigte betroffen seien, wohingegen bei Selbstständigen stets sämtliche Einnahmen berücksichtigt würden, für eine enge Interpretation des Begriffs der "sonstigen Bezüge" (so Dau, jurisPR-SozR 21/2009, Anm 5 C).

60

Die Auswirkungen der "steuerrechtlichen" Ausgestaltung der elterngeldlichen Bemessungsgrundlage mögen im Einzelfall kritisch zu sehen sein, angesichts des Gesetzeswortlauts, der ins Steuerrecht verweisenden Systematik und des sich in der Gesetzesentwicklung bereits ausdrücklich bestätigten Willens des Gesetzgebers sieht der Senat jedoch keinen gangbaren Auslegungsweg, diesen Bedenken Rechnung zu tragen, zumal auch der Sinn und Zweck des Elterngeldes keine Einbeziehung der während der vorgeburtlichen zwölf Kalendermonate erzielten sonstigen Bezüge gebietet.

61

Bereits aus den Gesetzesmaterialien zur Einführung des BEEG ergibt sich, dass der Gesetzgeber bewusst gerade das 13. und 14. Monatsgehalt nicht in das Bemessungseinkommen mit einfließen lassen wollte (BT-Drucks 16/1889 S 21; BT-Drucks 16/2785 S 32). Die Bemessung des Elterngeldanspruchs sollte sich nach dem Willen des Gesetzgebers an dem zuletzt tatsächlich monatlich zur Verfügung stehenden Einkommen ausrichten (BT-Drucks 16/1889 S 21), um insbesondere auch Reduzierungen des Elterngeldanspruchs durch den Zufluss einmaliger Bezüge in der Zeit nach der Geburt des Kindes zu vermeiden (BT-Drucks 16/2785 S 37).

62

Dieser Wille des Gesetzgebers hat zwischenzeitlich in der zum 1.1.2011 erfolgten Änderung des § 2 Abs 7 S 2 BEEG durch Art 14 Nr 2 Buchst c bb des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 - HBeglG 2011 - vom 9.12.2010 (BGBl I 1885) seinen Niederschlag gefunden. Denn der bis dahin geltende Verweis auf § 38a Abs 1 S 3 EStG wurde durch folgenden Wortlaut ersetzt: "Im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelte Einnahmen werden nicht berücksichtigt." Aus den Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass damit die Auswirkungen der Rechtsprechung des Senats in seinem Urteil vom 3.12.2009 (B 10 EG 3/09 R) korrigiert werden sollten, mit der Folge, dass künftig sonstige Bezüge iS des § 38a Abs 1 S 3 und § 39b EStG als Einnahmen bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs unberücksichtigt bleiben, um eine verwaltungspraktikable Feststellbarkeit der maßgeblichen Bezüge sicherzustellen(vgl BT-Drucks 17/3030 S 48; dazu Dau, Das Elterngeld nach dem Haushaltsbegleitgesetz 2011, SGb 2011, 198, 201).

63

Im Hinblick auf den Sinn und Zweck des Elterngeldes muss allerdings bei mehrmals, dh mindestens zweimal, im Bemessungszeitraum erfolgten Zahlungen genau geprüft werden, ob es sich dabei um sonstige Bezüge oder um laufenden Arbeitslohn handelt. So hat der Senat bereits entschieden, dass im Bemessungszeitraum fortlaufend wiederkehrende Einkommensbestandteile, die wegen der in diesem Zeitraum geleisteten Arbeitstätigkeit gezahlt werden, keine sonstigen Bezüge iS des § 2 Abs 7 S 2 iVm § 38a Abs 1 S 3 EStG darstellen(vgl Urteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 3/09 R - BSGE 105, 84 = SozR 4-7837 § 2 Nr 4, RdNr 34), wobei nicht erforderlich ist, dass diese monatlich ausgezahlt werden. Sonstige Bezüge liegen danach nicht vor, wenn mit den Zahlungen ein verbindlich geschuldeter Teil des tatsächlich erwirtschafteten Gesamtarbeitslohnes befriedigt und die Auszahlungen dieser Lohnanteile zwar unterjährig, jedoch nicht monatlich mit dem Grundgehalt erfolgen. Zwar können die in der Lohn- und Gehaltsabrechnung enthaltenen Bezeichnungen solcher Zahlungen als "Urlaubs- bzw Weihnachtsgeld" ein Indiz für im Bemessungszeitraum jeweils einmalige, anlassbezogene Zahlungen sein, jedoch ist im Zweifelsfall zu klären, ob sie "Monat für Monat" erwirtschaftet wurden, mithin Teil der Gesamtvergütung der Arbeitsleistung im Zwölfmonatszeitraum sind.

64

Um sie als laufenden Arbeitslohn einzuordnen, müssen den Zahlungen jeweils unterjährige Arbeitszeiträume entsprechen. Davon kann im Regelfall ausgegangen werden, wenn diese zusätzlich zum Monatsentgelt geleisteten Zahlungen ausdrücklich Teil des Jahresgesamtlohnanspruchs sind und ihre mindestens zwei Fälligkeitszeitpunkte arbeitsvertraglich einem unterjährigen Intervall zugeordnet werden können (erstes Kriterium). Je enger die vereinbarten regelmäßigen unterjährigen Zahlungsintervalle beieinander liegen, desto eher kann von einem laufenden Arbeitslohn ausgegangen werden. Ferner müssen Vereinbarungen vorliegen, die einen der erbrachten Arbeitsleistung entsprechenden anteiligen Auszahlungsanspruch begründen (zweites Kriterium). Besteht ein Anspruch auf anteilsmäßig angemessene Auszahlung der unterjährigen Lohntantiemen auch etwa für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Beschäftigungsverhältnis bzw einer Unterbrechung der Arbeitstätigkeit, spricht dies für die anlassunabhängige Zahlung von weiteren laufenden Arbeitslohnbestandteilen. Ergeben sich solche konkreten "Abfindungsansprüche" arbeitsvertraglich oder aus der bestehenden betrieblichen Übung nicht, ist im Regelfall von einmaligen, anlassbezogenen Zuwendungen auszugehen. Gleiches gilt für Regelungen betreffend die Höhe des Auszahlungsanspruchs bei Eintritt bzw Rückkehr in das Unternehmen nach Ablauf des letzten Fälligkeitszeitpunkts. Bleibt der auf den (Wieder)eintritt folgende Auszahlungsanspruch der Höhe nach vom geleisteten Arbeitszeitraum unberührt, ist dies ein Indiz dafür, dass gerade nicht die bis dahin geleistete Arbeitstätigkeit, sondern ein von ihr unabhängiger Anlass maßgebend für den Zahlungsanspruch ist.

65

Nach Überzeugung des Senats begegnet es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass sich nach diesen Maßgaben im Bemessungszeitraum geleistete einmalige, anlassbezogene Zahlungen nicht erhöhend auf den Elterngeldanspruch auswirken. Insbesondere wird dadurch der sich aus Art 3 Abs 1 GG ergebende Gleichheitssatz nicht verletzt.

66

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln; dies gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen. Der allgemeine Gleichheitssatz untersagt dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung. Vielmehr bedürfen Differenzierungen stets einer Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes liegt immer dann vor, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG Beschlüsse vom 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 - SozR 4-7835 Art 1 Nr 1 RdNr 40 mwN; vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215 mwN; vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870 und vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - BVerfGE 126, 400, 416 mwN).

67

Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmal ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Dem Gesetzgeber werden dabei umso engere Grenzen gesetzt, je stärker sich die Ungleichbehandlung auf verfassungsrechtlich gewährleistete Freiheiten auswirkt und je weniger der Einzelne nachteilige Folgen durch eigenes Verhalten vermeiden kann (zB BVerfG Beschluss vom 21.7.2010 - 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07 - aaO, 418 mwN).

68

Dadurch, dass § 2 Abs 7 S 2 BEEG auf § 38a Abs 1 S 3 EStG verweist und damit einmalige Einnahmen aus der Bemessungsgrundlage für den Elterngeldanspruch ausgeschlossen werden, werden Berechtigte je nach Ausgestaltung ihres Arbeitslohns unterschiedlich behandelt. Bei Arbeitnehmern, die ihre Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen bzw ein 13. bzw 14. Monatsgehalt nicht gesondert, sondern als regelmäßigen Anteil ihres Monatsgehalts erhalten, fließen diese Zahlungen ohne Weiteres als Teil des laufenden Arbeitslohns in die Berechnung des Elterngeldanspruchs erhöhend ein. Anders verhält es sich bei Arbeitnehmern, die Urlaubs- und Weihnachtsgeld als einmalige, anlassbezogene Zahlungen erhalten.

69

Unter Berücksichtigung des im Rahmen der gewährenden Staatstätigkeit weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers (vgl BVerfG Beschluss vom 6.6.2011 - 1 BvR 2712/09 - NJW 2011, 2869, 2870; BSG Urteil vom 18.8.2011 - B 10 EG 8/10 R - ZFSH/SGB 2012, 24, 26) ist diese Ungleichbehandlung von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die Unterscheidung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen bei der Bemessung des Elterngeldanspruchs lässt sich hinreichend sachlich rechtfertigen. Beachtlich ist insoweit, dass die Regelungen zur Höhe des Elterngeldanspruchs nicht an Persönlichkeitsmerkmalen anknüpfen, die dem Einzelnen nicht verfügbar sind (vgl BVerfG Beschluss vom 9.11.2011 - 1 BvR 1853/11 - NJW 2012, 214, 215). Dasselbe gilt für die vertragliche Ausgestaltung der Entgeltansprüche aus abhängiger Beschäftigung.

70

Gesetzgeberisch formuliertes Ziel der Leistung ist es, jedem betreuenden Elternteil, der seine Erwerbstätigkeit unterbricht oder reduziert, einen an seinem individuellen Einkommen orientierten Ausgleich für finanzielle Einschränkungen im ersten Lebensjahr des Kindes und eine Unterstützung bei der Sicherung der Lebensgrundlage der Familie zu gewähren (vgl BT-Drucks 16/1889 S 2; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, BT-Drucks 16/2785 S 2). Die Orientierung der Leistung am individuellen Einkommen soll dazu beitragen, dass es Müttern und Vätern auf Dauer besser gelingt, ihre wirtschaftliche Existenz möglichst unabhängig von staatlichen Fürsorgeleistungen zu sichern (BT-Drucks 16/1889 S 15, 19). Damit ist das Elterngeld, soweit es über den Mindestbetrag von 300 Euro als Entgeltersatzleistung ausgestaltet ist (§ 2 Abs 5 S 1 BEEG), eine an die unterschiedlichen Lebensumstände der jeweiligen Familie anknüpfende Leistung (BT-Drucks 16/1889 S 19), wobei es jedoch - und das geht aus den Beratungen zum Gesetzentwurf sowie aus der gesetzgeberischen Ausgestaltung eindeutig hervor - nicht um einen vollständigen Lohnersatz geht (vgl ausführlich dazu Senatsurteile vom 5.4.2012 - B 10 EG 3/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 16 RdNr 25 ff und - B 10 EG 17/11 R - juris RdNr 29 ff).

71

Gemessen daran ist es jedenfalls nicht willkürlich, einmalige Einnahmen und Entgeltansprüche, die nicht Teil des erwirtschafteten Arbeitslohns sind und lediglich anlassbezogen gewährt werden, von der Bemessung anhand des individuellen Einkommens auszunehmen und die Höhe des Elterngeldes an dem Einkommen zu orientieren, das regelmäßig im vorgeburtlichen Bemessungszeitraum zur Verfügung steht. Denn der zwölf Kalendermonate umfassende Bemessungszeitraum bildet die familiäre Lebenssituation, in die das Kind geboren wird, für dessen Betreuung die Erwerbstätigkeit reduziert bzw unterbrochen wird, zeitraumaktuell und konkret ab. In diesem Zeitrahmen kann von einem regelmäßigen Einkommenszufluss nur dann im Wortsinne und auch tatsächlich ausgegangen werden, wenn es sich nicht um lediglich einmalig erfolgende, sondern um anlassunabhängige, wiederkehrende und verbindlich geschuldete Lohnzahlungen handelt. Eine Berücksichtigung einmalig zufließender Zahlungen könnte die Höhe des Elterngeldanspruchs letztlich mehr von der Zufälligkeit des Zuflusszeitpunkts als von der vorgeburtlich tatsächlich bestehenden Einkommenssituation abhängig machen.

72

Schließlich ist ebenfalls beachtlich, dass Art und Weise der Zahlungsvereinbarung sowie die Gesamthöhe des laufenden Arbeitslohns Umstände sind, die nicht vom Gesetzgeber vorgegeben, sondern in der Regel von den Arbeitsvertragsparteien frei verhandelt werden. Handelt es sich nach deren eindeutigem und nachweisbarem Willen bei den nicht nur einmaligen unterjährigen Zahlungen um verbindliche Teile der Gesamtjahresvergütung, deren Fälligkeit lediglich in mehrmonatigen Intervallen festgelegt wurde und auf deren anteilige Erbringung der Arbeitnehmer auch im Falle des Nichterreichens des Zahlungszeitpunkts einen Anspruch hat, prägen sie die individuelle vorgeburtliche Lebenssituation in gleicher Weise wie das monatliche Grundgehalt. Insofern ist es sachgerecht, dass sie - anders als anlassbezogene Zahlungen - auch in die Bemessungsgrundlage des Elterngeldanspruchs mit einfließen.

73

Ob die vom Kläger im Bemessungszeitraum bezogenen Urlaubs- und Weihnachtsgeldzahlungen nach den vom Senat für richtig gehaltenen Kriterien von der Beklagten zu Recht als sonstige Bezüge eingeordnet worden sind, vermag der erkennende Senat anhand der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG nicht zu beurteilen. Es fehlt an genaueren Feststellungen zur Eigenart und Ausgestaltung der betreffenden Zahlungen. Der Senat kann die erforderlichen Ermittlungen im Revisionsverfahren nicht selbst durchführen (vgl § 163 SGG). Deshalb ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

74

Bei der Bewertung der rechtlichen Ausgestaltung der dem Kläger geleisteten zusätzlichen Zahlungen wird das LSG auch zu prüfen haben, inwieweit im Einzelfall die auf den Verdienstabrechnungen für Juni und November 2006 enthaltenen Hinweise einer arbeitsrechtlichen Anspruchsbegründung entgegenstehen. Dort heißt es:

75

"Soweit der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen zum Urlaub leistet, handelt es sich um einmalige, freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen. Sie begründen keinen rechtlichen Anspruch des/der Arbeitnehmers/in, weder dem Grunde noch der Höhe nach, weder für die Vergangenheit noch für die Zukunft und führen auch für den Fall der wiederholten Leistung ohne ausdrückliche Wiederholung dieses Freiwilligkeitsvorbehaltes zu keinem Anspruch des/der Arbeitnehmers/in." (Verdienstabrechnung 06.06., Bl 35 der Verwaltungsakte)

76

Bzw. in der Novemberabrechnung:

"Soweit der Arbeitgeber freiwillige Sonderzahlungen leistet, z. B. im Zusammenhang mit Weihnachtsgeld oder Altersvorsorge, handelt es sich um einmalige freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistungen. Sie begründen keinen rechtlichen Anspruch des/der Arbeitnehmers/in, weder dem Grunde noch der Höhe nach.." (Verdienstabrechnung 11.06., Bl 40 der Verwaltungsakte)

77

Darüber hinaus wird das LSG die Eigenart der im November 2006 neben den regelmäßigen Zahlungen zugeflossenen Zuwendungen ("AG-Zuschuss zur HPK" und "VWL AG-Zuschuss" sowie "Altersvorsorge AG-An") näher zu ermitteln haben, um darüber befinden zu können, ob diese Zahlungen zutreffend bei der Bemessung des Elterngeldanspruchs außer Betracht geblieben sind.

78

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

(1) Elterngeld wird als Basiselterngeld oder als Elterngeld Plus gewährt. Es kann ab dem Tag der Geburt bezogen werden. Basiselterngeld kann bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Elterngeld Plus kann bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats bezogen werden, solange es ab dem 15. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 kann Elterngeld ab Aufnahme bei der berechtigten Person längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

(2) Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Der Anspruch endet mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen.

(3) Die Eltern haben gemeinsam Anspruch auf zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld. Ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eines Elternteils in zwei Lebensmonaten gemindert, haben die Eltern gemeinsam Anspruch auf zwei weitere Monate Basiselterngeld (Partnermonate). Statt für einen Lebensmonat Basiselterngeld zu beanspruchen, kann die berechtigte Person jeweils zwei Lebensmonate Elterngeld Plus beziehen.

(4) Ein Elternteil hat Anspruch auf höchstens zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b. Ein Elternteil hat nur Anspruch auf Elterngeld, wenn er es mindestens für zwei Lebensmonate bezieht. Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 anzurechnende Leistungen oder nach § 192 Absatz 5 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes Versicherungsleistungen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Basiselterngeld nach § 4a Absatz 1 bezieht.

(5) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 beträgt der gemeinsame Anspruch der Eltern auf Basiselterngeld für ein Kind, das

1.
mindestens sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 13 Monatsbeträge Basiselterngeld;
2.
mindestens acht Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 14 Monatsbeträge Basiselterngeld;
3.
mindestens zwölf Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 15 Monatsbeträge Basiselterngeld;
4.
mindestens 16 Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 16 Monatsbeträge Basiselterngeld.
Für die Berechnung des Zeitraums zwischen dem voraussichtlichen Tag der Entbindung und dem tatsächlichen Tag der Geburt ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt.
Im Fall von
1.
Satz 1 Nummer 1
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 13 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 16. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
2.
Satz 1 Nummer 2
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 14 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 16. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 17. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
3.
Satz 1 Nummer 3
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 15 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 17. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 18. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
4.
Satz 1 Nummer 4
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 16 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 19. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird.

(1) Anspruch auf Elterngeld hat, wer

1.
einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2.
mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3.
dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4.
keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.
Bei Mehrlingsgeburten besteht nur ein Anspruch auf Elterngeld.

(2) Anspruch auf Elterngeld hat auch, wer, ohne eine der Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 zu erfüllen,

1.
nach § 4 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch dem deutschen Sozialversicherungsrecht unterliegt oder im Rahmen seines in Deutschland bestehenden öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses vorübergehend ins Ausland abgeordnet, versetzt oder kommandiert ist,
2.
Entwicklungshelfer oder Entwicklungshelferin im Sinne des § 1 des Entwicklungshelfer-Gesetzes ist oder als Missionar oder Missionarin der Missionswerke und -gesellschaften, die Mitglieder oder Vereinbarungspartner des Evangelischen Missionswerkes Hamburg, der Arbeitsgemeinschaft Evangelikaler Missionen e. V. oder der Arbeitsgemeinschaft pfingstlich-charismatischer Missionen sind, tätig ist oder
3.
die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und nur vorübergehend bei einer zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung tätig ist, insbesondere nach den Entsenderichtlinien des Bundes beurlaubte Beamte und Beamtinnen, oder wer vorübergehend eine nach § 123a des Beamtenrechtsrahmengesetzes oder § 29 des Bundesbeamtengesetzes zugewiesene Tätigkeit im Ausland wahrnimmt.
Dies gilt auch für mit der nach Satz 1 berechtigten Person in einem Haushalt lebende Ehegatten oder Ehegattinnen.

(3) Anspruch auf Elterngeld hat abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 auch, wer

1.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt, das er mit dem Ziel der Annahme als Kind aufgenommen hat,
2.
ein Kind des Ehegatten oder der Ehegattin in seinen Haushalt aufgenommen hat oder
3.
mit einem Kind in einem Haushalt lebt und die von ihm erklärte Anerkennung der Vaterschaft nach § 1594 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht wirksam oder über die von ihm beantragte Vaterschaftsfeststellung nach § 1600d des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch nicht entschieden ist.
Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des Satzes 1 Nummer 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass statt des Zeitpunktes der Geburt der Zeitpunkt der Aufnahme des Kindes bei der berechtigten Person maßgeblich ist.

(4) Können die Eltern wegen einer schweren Krankheit, Schwerbehinderung oder Todes der Eltern ihr Kind nicht betreuen, haben Verwandte bis zum dritten Grad und ihre Ehegatten oder Ehegattinnen Anspruch auf Elterngeld, wenn sie die übrigen Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllen und wenn von anderen Berechtigten Elterngeld nicht in Anspruch genommen wird.

(5) Der Anspruch auf Elterngeld bleibt unberührt, wenn die Betreuung und Erziehung des Kindes aus einem wichtigen Grund nicht sofort aufgenommen werden kann oder wenn sie unterbrochen werden muss.

(6) Eine Person ist nicht voll erwerbstätig, wenn ihre Arbeitszeit 32 Wochenstunden im Durchschnitt des Lebensmonats nicht übersteigt, sie eine Beschäftigung zur Berufsbildung ausübt oder sie eine geeignete Tagespflegeperson im Sinne des § 23 des Achten Buches Sozialgesetzbuch ist und nicht mehr als fünf Kinder in Tagespflege betreut.

(7) Ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin ist nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person

1.
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzt,
2.
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
a)
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Absatz 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
b)
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
c)
nach § 23 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Absatz 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
3.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt,
4.
eine in Nummer 2 Buchstabe c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit mindestens 15 Monaten erlaubt, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhält oder
5.
eine Beschäftigungsduldung gemäß § 60d in Verbindung mit § 60a Absatz 2 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes besitzt.
Abweichend von Satz 1 Nummer 3 erste Alternative ist ein minderjähriger nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine minderjährige nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin unabhängig von einer Erwerbstätigkeit anspruchsberechtigt.

(8) Ein Anspruch entfällt, wenn die berechtigte Person im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt des Kindes ein zu versteuerndes Einkommen nach § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes in Höhe von mehr als 250 000 Euro erzielt hat. Erfüllt auch eine andere Person die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 oder der Absätze 3 oder 4, entfällt abweichend von Satz 1 der Anspruch, wenn die Summe des zu versteuernden Einkommens beider Personen mehr als 300 000 Euro beträgt.

(1) Elterngeld wird als Basiselterngeld oder als Elterngeld Plus gewährt. Es kann ab dem Tag der Geburt bezogen werden. Basiselterngeld kann bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Elterngeld Plus kann bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats bezogen werden, solange es ab dem 15. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 kann Elterngeld ab Aufnahme bei der berechtigten Person längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

(2) Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Der Anspruch endet mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen.

(3) Die Eltern haben gemeinsam Anspruch auf zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld. Ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eines Elternteils in zwei Lebensmonaten gemindert, haben die Eltern gemeinsam Anspruch auf zwei weitere Monate Basiselterngeld (Partnermonate). Statt für einen Lebensmonat Basiselterngeld zu beanspruchen, kann die berechtigte Person jeweils zwei Lebensmonate Elterngeld Plus beziehen.

(4) Ein Elternteil hat Anspruch auf höchstens zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b. Ein Elternteil hat nur Anspruch auf Elterngeld, wenn er es mindestens für zwei Lebensmonate bezieht. Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 anzurechnende Leistungen oder nach § 192 Absatz 5 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes Versicherungsleistungen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Basiselterngeld nach § 4a Absatz 1 bezieht.

(5) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 beträgt der gemeinsame Anspruch der Eltern auf Basiselterngeld für ein Kind, das

1.
mindestens sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 13 Monatsbeträge Basiselterngeld;
2.
mindestens acht Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 14 Monatsbeträge Basiselterngeld;
3.
mindestens zwölf Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 15 Monatsbeträge Basiselterngeld;
4.
mindestens 16 Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 16 Monatsbeträge Basiselterngeld.
Für die Berechnung des Zeitraums zwischen dem voraussichtlichen Tag der Entbindung und dem tatsächlichen Tag der Geburt ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt.
Im Fall von
1.
Satz 1 Nummer 1
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 13 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 16. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
2.
Satz 1 Nummer 2
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 14 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 16. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 17. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
3.
Satz 1 Nummer 3
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 15 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 17. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 18. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
4.
Satz 1 Nummer 4
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 16 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 19. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird.

(1) Elterngeld ist schriftlich zu beantragen. Es wird rückwirkend nur für die letzten drei Lebensmonate vor Beginn des Lebensmonats geleistet, in dem der Antrag auf Elterngeld eingegangen ist. Im Antrag ist anzugeben, für welche Lebensmonate Basiselterngeld, für welche Lebensmonate Elterngeld Plus oder für welche Lebensmonate Partnerschaftsbonus beantragt wird.

(2) Die im Antrag getroffenen Entscheidungen können bis zum Ende des Bezugszeitraums geändert werden. Eine Änderung kann rückwirkend nur für die letzten drei Lebensmonate vor Beginn des Lebensmonats verlangt werden, in dem der Änderungsantrag eingegangen ist. Sie ist außer in den Fällen besonderer Härte unzulässig, soweit Monatsbeträge bereits ausgezahlt sind. Abweichend von den Sätzen 2 und 3 kann für einen Lebensmonat, in dem bereits Elterngeld Plus bezogen wurde, nachträglich Basiselterngeld beantragt werden. Im Übrigen finden die für die Antragstellung geltenden Vorschriften auch auf den Änderungsantrag Anwendung.

(3) Der Antrag ist, außer im Fall des § 4c und der Antragstellung durch eine allein sorgeberechtigte Person, zu unterschreiben von der Person, die ihn stellt, und zur Bestätigung der Kenntnisnahme auch von der anderen berechtigten Person. Die andere berechtigte Person kann gleichzeitig

1.
einen Antrag auf Elterngeld stellen oder
2.
der Behörde anzeigen, wie viele Monatsbeträge sie beansprucht, wenn mit ihrem Anspruch die Höchstgrenzen nach § 4 Absatz 3 in Verbindung mit § 4b überschritten würden.
Liegt der Behörde von der anderen berechtigten Person weder ein Antrag auf Elterngeld noch eine Anzeige nach Satz 2 vor, so werden sämtliche Monatsbeträge der berechtigten Person ausgezahlt, die den Antrag gestellt hat; die andere berechtigte Person kann bei einem späteren Antrag abweichend von § 5 Absatz 2 nur die unter Berücksichtigung von § 4 Absatz 3 in Verbindung mit § 4b vom Gesamtanspruch verbleibenden Monatsbeträge erhalten.

(1) Elterngeld wird als Basiselterngeld oder als Elterngeld Plus gewährt. Es kann ab dem Tag der Geburt bezogen werden. Basiselterngeld kann bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Elterngeld Plus kann bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats bezogen werden, solange es ab dem 15. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 kann Elterngeld ab Aufnahme bei der berechtigten Person längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

(2) Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Der Anspruch endet mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen.

(3) Die Eltern haben gemeinsam Anspruch auf zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld. Ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eines Elternteils in zwei Lebensmonaten gemindert, haben die Eltern gemeinsam Anspruch auf zwei weitere Monate Basiselterngeld (Partnermonate). Statt für einen Lebensmonat Basiselterngeld zu beanspruchen, kann die berechtigte Person jeweils zwei Lebensmonate Elterngeld Plus beziehen.

(4) Ein Elternteil hat Anspruch auf höchstens zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b. Ein Elternteil hat nur Anspruch auf Elterngeld, wenn er es mindestens für zwei Lebensmonate bezieht. Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 anzurechnende Leistungen oder nach § 192 Absatz 5 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes Versicherungsleistungen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Basiselterngeld nach § 4a Absatz 1 bezieht.

(5) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 beträgt der gemeinsame Anspruch der Eltern auf Basiselterngeld für ein Kind, das

1.
mindestens sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 13 Monatsbeträge Basiselterngeld;
2.
mindestens acht Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 14 Monatsbeträge Basiselterngeld;
3.
mindestens zwölf Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 15 Monatsbeträge Basiselterngeld;
4.
mindestens 16 Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 16 Monatsbeträge Basiselterngeld.
Für die Berechnung des Zeitraums zwischen dem voraussichtlichen Tag der Entbindung und dem tatsächlichen Tag der Geburt ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt.
Im Fall von
1.
Satz 1 Nummer 1
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 13 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 16. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
2.
Satz 1 Nummer 2
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 14 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 16. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 17. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
3.
Satz 1 Nummer 3
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 15 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 17. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 18. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
4.
Satz 1 Nummer 4
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 16 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 19. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Bescheides, mit dem die Beklagte die Versicherungsfreiheit der Klägerin nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) ab 1.4.2007 festgestellt hat.

2

Die 1959 geborene Klägerin ist seit 1986 als Malerin, Zeichnerin und Graphikerin selbstständig tätig und nach dem KSVG versichert. Aus ihren Einkommensteuerbescheiden ergaben sich für das Jahr 2002 Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 1713 Euro und für die Jahre 2003 bis 2005 lediglich negative Einkünfte (für 2003 -5485 Euro, für 2004 -6464 Euro und für 2005 -3635 Euro). Im Dezember 2006 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtige, den Bescheid vom 23.5.1986 über die Versicherungspflicht bzw Zuschussberechtigung nach dem KSVG aufzuheben und Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG festzustellen, da Tatsachen, die eine Steigerung des Einkommens bis über die sozialversicherungsrechtliche Geringfügigkeitsgrenze erwarten lassen könnten, nach den Werten der Vorjahre nicht ersichtlich seien.

3

Darauf teilte die Klägerin mit Schreiben vom 24.12.2006 mit, die geringen Einnahmen in den Jahren 2004/2005 seien durch die mit einem Atelierumzug verbundenen Kosten und die Neupositionierung in anderem Umfeld verursacht. 2006 habe sich ihre Einkommenslage verbessert. Sie sei als qualifizierte und professionelle Künstlerin bekannt und habe 2005 mit erheblichem Aufwand eine Produzentengalerie aufgebaut, die ihr gleichzeitig als Schauraum diene. Mit Schreiben vom 30.1.2007 gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit, ihre aktuelle Einkommenssituation durch die Vorlage aller Einnahmebelege (Rechnungen und Kontoauszüge) aus dem Jahr 2006 darzustellen. Nachdem keine weiteren Unterlagen eingegangen waren, stellte die Beklagte Versicherungsfreiheit nach dem KSVG ab 1.4.2007 fest (Bescheid vom 20.3.2007). Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos, nachdem sie ua eine ebenfalls mit negativen Einkünften (-2498,74 Euro) abschließende Gewinnermittlung für das Jahr 2006 vorgelegt hatte (Widerspruchsbescheid vom 18.7.2007).

4

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat die Klägerin Rechnungen aus dem ersten Halbjahr 2007 über insgesamt 3600 Euro sowie das Unternehmenskonzept einer Diplombetriebswirtin vorgelegt, wonach die Einnahmen im ersten Halbjahr 2007 bei 5100 Euro liegen sollten und für das zweite Halbjahr Einnahmen in Höhe 6000 Euro prognostiziert wurden. Abzüglich der zu erwartenden Ausgaben über 6600 Euro ergebe sich für 2007 ein Betriebsergebnis in Höhe von 4500 Euro - mit steigender Tendenz für die Jahre 2008 und 2009. Die späteren Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 bestätigten jeweils Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze (5074 und 8429 Euro). Für das Jahr 2009 weist der Einkommensteuerbescheid allerdings wieder einen Verlust (-5565 Euro) aus.

5

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteile des SG vom 22.9.2010 und des LSG vom 19.6.2013): Es sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte als Grundlage ihrer Einkommensprognose für die Zeit ab 1.4.2007 ausschließlich die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2005 herangezogen habe, da die Klägerin die Gelegenheit zur Vorlage weiterer Einkommensbelege aus dem Jahr 2006 nicht wahrgenommen habe. Die im Juli 2007 vorgelegten Rechnungsbelege für das erste Halbjahr 2007 führten - bezogen auf das gesamte Jahr 2007 - lediglich zu einem geschätzten Gewinn von 3000 Euro und könnten zudem frühestens ab 1.8.2007 berücksichtigt werden. Die erst im Klageverfahren vorgelegten weiteren Unterlagen ließen ebenfalls keine positive Prognose zu und könnten zudem nicht Grundlage einer Einkommensschätzung für das Kalenderjahr 2007 sein. Die Gründe für den Einkommensrückgang seien nach dem Gesetz unbeachtlich. Die Versicherungsfreiheit bestehe bis heute fort.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung der verfahrensrechtlichen Grundsätze, die bei einer Schätzung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit zu berücksichtigen seien (§§ 3, 8, 12, 13 KSVG). Insbesondere habe das LSG bei der Überprüfung der Prognoseentscheidung die Grenzen der freien Beweiswürdigung überschritten und unberücksichtigt gelassen, dass alle bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides bekannten und ermittelbaren Umstände der Schätzung zugrunde zu legen seien. Die Einkommensprognose sei in vollem Umfang in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen. Schließlich habe das Berufungsgericht der Feststellung der Versicherungsfreiheit rechtsfehlerhaft eine Dauerwirkung zugemessen.

7

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Berlin-Brandenburg vom 19.6.2013 und des SG Berlin vom 22.9.2010 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 20.3.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.7.2007 aufzuheben.

8

Die Beklagte hält die Urteile für zutreffend und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision ist unbegründet.

10

1. Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG) zulässig. Die Beklagte hat mit der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach dem KSVG ab 1.4.2007 (Bescheid vom 20.3.2007, Widerspruchsbescheid vom 18.7.2007) ihren Bescheid vom 23.5.1986 aufgehoben, mit dem sie die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG in der Renten- und Krankenversicherung festgestellt hatte. Die Klägerin kann daher ihr Anliegen der Sicherung einer ununterbrochenen Versicherungspflicht in der Künstlersozialversicherung (KSV) durch eine schlichte Aufhebung des angefochtenen Bescheides erreichen. Einer zusätzlichen Feststellung der Versicherungspflicht über den 31.3.2007 hinaus bedarf es dafür nicht.

11

2. Der Gegenstand der Anfechtungsklage ist auf die im angefochtenen Bescheid getroffene Feststellung der Versicherungsfreiheit ab 1.4.2007 sowie die darin gleichzeitig liegende Aufhebung des Verwaltungsaktes über die Feststellung der Versicherungspflicht (Bescheid vom 23.5.1986) beschränkt. Entscheidend dafür ist grundsätzlich nur die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes zum Zeitpunkt seines Erlasses (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 33 mwN). Denn ein Verwaltungsakt, der Versicherungsfreiheit feststellt, hat keine Dauerwirkung. Anders als bei der Feststellung der Versicherungspflicht nach §§ 1 und 8 KSVG wird bei der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 3 KSVG gerade kein fortdauerndes Rechtsverhältnis mit Leistungs- und Beitragspflichten festgestellt. Vergleichbar einer ablehnenden Entscheidung über einen Leistungsantrag entfaltet eine negative Feststellung über ein Versicherungsverhältnis über den Zeitpunkt seiner Bekanntgabe hinaus grundsätzlich keine rechtliche Wirkung (vgl hierzu Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 45 RdNr 63 ff mwN). Daher ist die Frage, wie lange eine rechtmäßig festgestellte Versicherungsfreiheit fortbesteht, entgegen der Auffassung des LSG, nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Klägerin kann jederzeit einen neuen Antrag auf Feststellung der Versicherungspflicht stellen, über den zunächst durch Verwaltungsakt und möglicherweise anschließendem Widerspruchs- und Klageverfahren als eigenständiger Streitgegenstand zu entscheiden ist. Ein solcher Antrag kann unter Umständen auch konkludent, zB durch die Vorlage neuer Einkommensbelege gestellt werden. Die Prüfung, ob die Klägerin zwischenzeitlich einen neuen Antrag auf Pflichtmitgliedschaft in der KSV gestellt hat, gehört daher nicht zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, sondern ist Aufgabe der Beklagten. Sollte dies der Fall und der Antrag auch begründet sein, hätte die Beklagte zugleich zu prüfen, ob die Versicherungspflicht nach dem KSVG mit dem Umzug der Klägerin ins Ausland wieder entfallen sein könnte. Gegebenenfalls wäre der Bescheid über die erneute Feststellung der Versicherungspflicht entsprechend zu befristen.

12

3. Die Klage musste auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für das Revisionsgericht bindenden Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfolglos bleiben, weil die Beklagte ihre im Jahre 1986 getroffene Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG in der Renten- und Krankenversicherung nach § 8 Abs 2 S 2 KSVG(idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Künstlersozialversicherungsgesetzes und anderer Gesetze <2. KSVG-ÄndG> vom 13.6.2001, BGBl I 1027) iVm § 48 Abs 1 S 1 SGB X(idF der Bekanntmachung der Neufassung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch vom 18.1.2001, BGBl I 130) wegen Änderung der Verhältnisse rechtmäßig aufgehoben hat.

13

Nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Infolge der Eigenart der künstlerischen und publizistischen Tätigkeit findet § 48 SGB X nach § 8 Abs 2 KSVG nur eine modifizierte Anwendung, denn nur in den in § 8 Abs 2 S 1 KSVG aufgeführten Fällen lässt sich genau feststellen, wann eine Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. In den übrigen Fällen (§ 8 Abs 2 S 2 KSVG) ist daher der Bescheid über die Versicherungspflicht bei Änderung der Verhältnisse nur mit Wirkung vom Ersten des Monats an aufzuheben, der auf den Monat folgt, in dem die Künstlersozialkasse (KSK) von der Änderung Kenntnis erhält, es sei denn, der Versicherte hat vorsätzlich oder grob fahrlässig falsche Angaben gemacht (vgl dazu Finke/Brachmann/Nordhausen, KSVG, 4. Aufl 2009, § 8 RdNr 8). Soweit mit der Aufhebung in Rechte eines Beteiligten eingegriffen wird, ist diesem nach § 24 Abs 1 SGB X Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

14

a) Der angefochtene Verwaltungsakt ist in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 12.12.2006 zu der beabsichtigten Aufhebung des Bescheides über die Versicherungspflicht bzw Zuschussberechtigung nach dem KSVG und der Feststellung der Versicherungsfreiheit nach § 24 Abs 1 SGB X ordnungsgemäß angehört.

15

b) Der Verwaltungsakt, mit dem die Beklagte die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 1 KSVG festgestellt hatte(im Bescheid vom 23.5.1986), entfaltet eine Dauerwirkung, da er ein zeitlich nicht befristetes Rechtsverhältnis mit Leistungs- und Beitragspflichten begründet, das sich nicht in einer einmaligen Gestaltung der Rechtslage erschöpft (vgl dazu Schütze, aaO, § 45 RdNr 63 ff).

16

c) In den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses feststellenden Verwaltungsaktes vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung eingetreten. Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse liegt vor, wenn sich die für den Erlass des Verwaltungsaktes entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände so erheblich verändert haben, dass sie rechtlich anders zu bewerten sind und daher der Verwaltungsakt unter Zugrundelegung des geänderten Sachverhalts so, wie er ergangen ist, nicht mehr erlassen werden dürfte (vgl zB BSGE 59, 111 = SozR 1300 § 48 Nr 19; BSGE 74, 131 = SozR 3-5870 § 2 Nr 25; BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4; BSGE 81, 134 = SozR 3-4100 § 142 Nr 2; BSG SozR 1300 § 48 Nr 22, 44).

17

Bei Erlass des Verwaltungsaktes zur Feststellung der Versicherungspflicht im Mai 1986 galt die Klägerin zunächst noch als Berufsanfängerin, für die nach § 3 Abs 2 KSVG(in der bis zum 31.12.1988 gültigen Fassung durch Gesetz zur Konsolidierung der Arbeitsförderung - Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz - AFKG - vom 22.12.1981, BGBl I 1497) Versicherungspflicht bis zum Ablauf von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit unabhängig vom Erreichen eines Mindesteinkommens bestand.

18

Entscheidungserheblich sind nach § 48 Abs 1 S 1 SGB X nur die bei Erlass des Ausgangsbescheides vorliegenden Umstände. Lediglich diese bilden die Vergleichsgrundlage für den Eintritt einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die zum Erlass des Aufhebungsbescheides geführt hat (vgl Waschull in: Diering/Timme/Waschull, SGB X, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl 2011, § 48 RdNr 27 ff, mwN). Deshalb kommt es nicht darauf an, dass der Fünf-Jahres-Zeitraum bereits seit langer Zeit abgelaufen war und die Beklagte möglicherweise schon viel früher einen Aufhebungsbescheid mit der Feststellung der Versicherungsfreiheit hätte erlassen können.

19

Der Ausgangsbescheid mit der Feststellung der Versicherungspflicht war nach § 39 Abs 2 SGB X bis zum 31.3.2007 wirksam, da er bis dahin nicht zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich aber die entscheidungserheblichen Umstände wesentlich geändert; denn ein die Versicherungspflicht feststellender Verwaltungsakt hätte jedenfalls ab 1.4.2007 nicht mehr erlassen werden dürfen, weil die Klägerin zu dieser Zeit nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG(idF 2. KSVG-ÄndG vom 13.6.2001, BGBl I 1027) versicherungsfrei war.

20

aa) Gemäß § 3 Abs 1 S 1 KSVG ist nach diesem Gesetz versicherungsfrei, wer in dem Kalenderjahr aus selbstständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeit voraussichtlich ein Arbeitseinkommen erzielt, das 3900 Euro nicht übersteigt. Abweichend davon bleibt nach § 3 Abs 3 KSVG(idF des 2. KSVG-ÄndG) die Versicherungspflicht bestehen, solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die dort genannte Grenze nicht übersteigt.

21

Arbeitseinkommen ist nach der Legaldefinition in § 15 Abs 1 SGB IV(in der insoweit bis heute unveränderten Neufassung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch durch Bekanntmachung vom 23.1.2006, BGBl I 86) der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Aufgrund der Anknüpfung des maßgeblichen Arbeitseinkommens an das Einkommensteuerrecht könnte es für den Künstler überlegenswert sein, gegenüber dem Finanzamt in Wahrnehmung seiner steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Werbungskosten nur in begrenztem Umfang geltend zu machen, wenn dadurch ein Arbeitseinkommen oberhalb der Mindestarbeitseinkommensgrenze des § 3 Abs 1 S 1 KSVG verbleibt. Die Abwägung, aus diesem Grund einen steuerrechtlichen Nachteil in Kauf nehmen zu wollen, ist Sache des Künstlers. Insoweit obliegen weder der Beklagten noch den Sozialgerichten Hinweis- oder Beratungspflichten; denn es handelt sich um eine ausschließlich steuerrechtliche Gestaltungsmöglichkeit. Weitergehende sozialversicherungsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen nicht; die anzustellende Prognose hat sich ausschließlich an den objektiven Gegebenheiten zu orientieren.

22

Versicherte und Zuschussberechtigte haben nach § 12 Abs 1 S 1 KSVG(idF durch Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9.12.2004, BGBl I 3242) der KSK bis zum 1. Dezember eines Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen, das sie aus der Tätigkeit als selbstständige Künstler und Publizisten erzielen, bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das folgende Kalenderjahr zu melden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift schätzt die KSK die Höhe des Arbeitseinkommens, wenn der Versicherte trotz Aufforderung die Meldung nach Satz 1 nicht erstattet oder die Meldung mit den Verhältnissen unvereinbar ist, die dem Versicherten als Grundlage für seine Meldung bekannt waren.

23

Ausgangspunkt der nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG anzustellenden Prognose für das voraussichtlich zu erzielende Arbeitseinkommen sind danach zunächst die Angaben des Versicherten nach § 12 Abs 1 S 1 KSVG. Erst wenn seine Meldung mit den ihr zugrundeliegenden Verhältnissen unvereinbar ist, nimmt die KSK selbst die für die weiteren Entscheidungen maßgebliche Einschätzung des voraussichtlichen Arbeitseinkommens vor.

24

bb) Sachgerechte Prognosen beruhen in der Regel auf erhobenen Daten und Fakten und damit auf Erkenntnissen der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für die Zukunft getroffen wird. Daher wird nach der Rechtsprechung des BSG (vgl nur BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 mwN) in anderen Zusammenhängen, in denen prognostische Beurteilungen über Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen anzustellen sind, auf die Verhältnisse in der Vergangenheit Bezug genommen. Insbesondere bei schwankendem Arbeitsentgelt sei der zu erwartende Verdienst unter Heranziehung der in den Vorjahren erzielten Einkünfte zu schätzen (BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO). Entsprechendes gilt bei selbstständig Tätigen, deren Arbeitseinkommen fast immer schwankt (BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO; BSG SozR 2200 § 205 Nr 41). Dabei wird nach ständiger Rechtsprechung zur Beurteilung des regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommens iS des § 205 Abs 1 S 1 Halbs 1 RVO sowie iS des § 10 Abs 1 S 1 Nr 5 SGB V für die auf das Jahr bezogene Prognose von dem bekannten letzten Jahreseinkommen ausgegangen(vgl BSG SozR 2200 § 205 Nr 41; SozR 3-2500 § 10 Nr 19; SozR 4-2600 § 5 Nr 6; für Einkünfte aus Kapitalvermögen: BSG SozR 2200 § 205 Nr 52).

25

Der Gesetzgeber ist auch in Bezug auf die Einkommensprognose nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG davon ausgegangen, dass Rückschlüsse für das voraussichtliche Einkommen insbesondere aus dem in der Vergangenheit erzielten Einkommen zu ziehen sind. Dies ergibt sich aus verschiedenen Bestimmungen des Gesetzes: Nach der Regelung des § 3 Abs 3 KSVG bleibt die Versicherungspflicht bestehen, solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die Mindestarbeitseinkommensgrenze nach § 3 Abs 1 KSVG nicht übersteigt. Die Regelung soll einen allzu häufigen und kurzzeitigen Wechsel zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit vermeiden. Sie bietet aber zugleich Anhaltspunkte dafür, dass das in der Vergangenheit erzielte Einkommen für die Einkommensprognose nicht unberücksichtigt bleiben kann. Insbesondere wenn sich das Arbeitseinkommen aus der selbstständigen künstlerischen oder publizistischen Tätigkeit in den letzten Jahren dicht an der Mindestgrenze des § 3 Abs 1 KSVG bewegte, kann es für eine sachgerechte Prognose erforderlich sein, das Einkommen der letzten sechs Kalenderjahre zu ermitteln und bei der Prognose zu berücksichtigen. Durch die recht langen Zeiträume wird auch dem Umstand Rechnung getragen, dass Künstler möglicherweise längere Zeiträume für die Fertigstellung und/oder den Verkauf eines Werkes benötigen, dann aber unter Umständen höhere Gewinne erzielen können. Für den Nachweis der Angaben zur Höhe des Arbeitseinkommens kann die KSK die Vorlage der erforderlichen Unterlagen, insbesondere von Einkommensteuerbescheiden oder Gewinn- und Verlustrechnungen, verlangen (§ 13 S 3 KSVG). Diese Unterlagen beziehen sich regelmäßig auf bereits vergangene Zeiträume. Es macht aber nur dann einen Sinn, der KSK das Recht zur Anforderung von Unterlagen aus der Vergangenheit einzuräumen, wenn sie diese für die Einkommensprognose benötigt, die auch zur Ermittlung der Beitragshöhe erforderlich ist. Schließlich zeigt auch die Regelung des § 12 Abs 1 S 3 KSVG, dass sich die Einkommensprognose insbesondere am Einkommen der letzten Jahre orientiert. Nach dieser Vorschrift haben Versicherte, deren voraussichtliches Arbeitseinkommen in dem in § 3 Abs 2 KSVG genannten Zeitraum (regelmäßig drei Jahre nach erstmaliger Aufnahme der Tätigkeit, verlängert um Zeiten nach Satz 2) mindestens einmal die in § 3 Abs 1 KSVG genannte Grenze nicht überschritten hat, der ersten Meldung nach Ablauf dieses Zeitraums vorhandene Unterlagen über ihr voraussichtliches Arbeitseinkommen beizufügen.

26

Insgesamt haben für eine vorausschauende Betrachtung regelmäßig die unmittelbar zurückliegenden Jahre eine größere Bedeutung als die weiter zurückliegende Vergangenheit, und Einkommensentwicklungen ist angemessen Rechnung zu tragen.

27

cc) Eine von den Verhältnissen der Vergangenheit abweichende Einschätzung ist aber geboten, wenn Verhältnisse dargelegt werden, die das Erzielen hiervon abweichender Einkünfte nahelegen. Dabei sind grundsätzlich alle Verhältnisse heranzuziehen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und die Einfluss auf das voraussichtliche Arbeitseinkommen haben. Hierbei wird von der Rechtsprechung in anderen Zusammenhängen keine alle Eventualitäten berücksichtigende genaue Vorhersage gefordert, sondern lediglich eine ungefähre Einschätzung, welches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (vgl BSG SozR 4-2600 § 5 Nr 6 mwN). Lediglich vage Verdienstaussichten ohne jegliche Verbindlichkeit können - wenn sich in den vergangenen Jahren keine gewinnbringenden Verdienste realisieren ließen - nur dann bei einer Prognose positiv berücksichtigt werden, wenn objektive Umstände solche Verdienstaussichten hinreichend wahrscheinlich machen. Dabei ist zu berücksichtigen, wie häufig und mit welcher Differenz die Mindestgrenze in den letzten Jahren verfehlt wurde und welche Veränderungen der Verhältnisse bessere Verdienstaussichten nahelegen. Denn erforderlich ist, dass die Möglichkeit von Verdiensten oberhalb der Mindestgrenze näher liegt als ein Einkommen unterhalb dieser Grenze.

28

dd) Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung. Nach § 12 Abs 3 S 1 KSVG sind Änderungen in den Verhältnissen, die für die Ermittlung des voraussichtlichen Jahreseinkommens maßgebend waren, auf Antrag mit Wirkung vom Ersten des Monats an zu berücksichtigen, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag bei der KSK eingeht. Dies gilt entsprechend, wenn das Jahresarbeitseinkommen geschätzt worden ist (§ 12 Abs 3 S 2 KSVG). Neue Unterlagen, die eine treffsicherere Prognose erlauben oder zeigen, dass das prognostizierte Einkommen tatsächlich nicht erzielt wurde, können daher nur zukunftsbezogen berücksichtigt werden.

29

Für - richtige - Prognosen gilt ohnehin grundsätzlich, dass sie für die Vergangenheit auch dann maßgebend bleiben, wenn sie sich im Nachhinein infolge nicht vorhersehbarer Umstände als unzutreffend erweisen. Solche Umstände können die versicherungsrechtliche Stellung dann nicht in die Vergangenheit hinein verändern. Stimmt die - richtige - Prognose mit dem späteren Verlauf nicht überein, so kann das jedoch Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Betrachtung sein (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1; SozR 3-2500 § 10 Nr 19; SozR 4-2600 § 5 Nr 6).

30

Grundlage der Prognose können daher nur bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens, also spätestens bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides erkennbare Umstände sein. Maßgebend ist der aufgrund der Angaben des Antragstellers bzw Versicherten verfahrensfehlerfrei ermittelte Kenntnisstand der Verwaltung (vgl BSG SozR 4-7833 § 6 Nr 4 RdNr 16).

31

Allerdings ist die Prognoseentscheidung der Sozialverwaltung bezüglich des voraussichtlichen Arbeitseinkommens gerichtlich voll überprüfbar. Der Sozialverwaltung steht dabei kein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum zu (vgl hierzu zB Wagner in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl 2011, § 39 RdNr 34). Die Gerichte haben insbesondere zu prüfen, ob die Grundlagen für die Prognose richtig festgestellt und alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend und sachgerecht gewürdigt sind (vgl BSGE 112, 90 = SozR 4-2500 § 95 Nr 26; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 162 RdNr 3a).

32

ee) Nach diesen Grundsätzen war die Einschätzung der Klägerin, sie werde im Jahre 2007 ein Arbeitseinkommen von mehr als 3900 Euro erzielen, mit den Verhältnissen unvereinbar, die ihr als Grundlage für ihre Meldung bekannt waren, und die Beklagte durfte deshalb das voraussichtliche Arbeitseinkommen unterhalb des Mindesteinkommens von 3900 Euro einschätzen.

33

(1) Die Versicherungspflicht konnte nicht nach § 3 Abs 3 KSVG bestehen bleiben, weil das Arbeitseinkommen der Klägerin schon in den letzten fünf Kalenderjahren (2002 bis 2006) die Mindesteinkommensgrenze nicht mehr erreicht hatte.

34

(2) Das Arbeitseinkommen der Klägerin aus selbstständiger künstlerischer Tätigkeit verfehlte in den letzten fünf Jahren vor Feststellung der Versicherungsfreiheit die Mindesteinkommensgrenze des § 3 Abs 1 KSVG deutlich, ohne dass eine positive Einkommensentwicklung erkennbar gewesen wäre. Die Klägerin konnte lediglich im Jahr 2002 positive Einkünfte in Höhe von 1713 Euro erzielen; für die Jahre 2003 bis 2005 weisen die Einkommensteuerbescheide durchgängig negatives Arbeitseinkommen aus, und auch aus der Gewinnermittlung für 2006 ergab sich ein negatives Einkommen. Vor diesem Hintergrund waren Ermittlungen für weiter zurückliegende Zeiträume nicht mehr erforderlich. Wegen der deutlichen Verfehlung der Mindestgrenze konnten weiter zurückliegende Zeiträume für die Prognose außer Betracht bleiben, da den unmittelbar zurückliegenden fünf Jahren für die vorausschauende Betrachtung eine größere Bedeutung zukommen als der weiter zurückliegenden Vergangenheit. Umstände, nach denen bei dieser Sachlage Einkommensmöglichkeiten ab 1.4.2007 oberhalb der Mindestgrenze näher lagen als ein Einkommen unterhalb dieser Grenze, waren zur Zeit der Verwaltungsentscheidung nicht ersichtlich.

35

(3) Bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens hat die Klägerin von (nur) einem Atelierumzug 2004/2005 berichtet und auf die damit verbundenen Kosten sowie die Neupositionierung auf dem Markt hingewiesen. Besondere Kosten in den Jahren 2004/2005, bei deren Wegfall das Erreichen oder Überschreiten der Mindesteinkommensgrenze nahe läge, lassen sich den Einkommensteuerbescheiden nicht entnehmen, denn die Klägerin hat in den Jahren 2003 und 2006 Verluste in ähnlicher Höhe erzielt wie 2004/2005.

36

(4) Die Klägerin hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, aus welchen Gründen die mit dem Atelierumzug verbundene Neupositionierung ab 1.4.2007 ein Arbeitseinkommen oberhalb der Mindestgrenze nahe legen könnte. Es kann offenbleiben, ob das im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vorgelegte Unternehmenskonzept einer Diplombetriebswirtin der Beklagten noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides zugegangen ist, da selbst unter dessen Berücksichtigung eine Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze nicht gerechtfertigt war. Das Unternehmenskonzept trägt eine solche Prognose nicht, da die dort zugrunde gelegten Einnahmen für das erste Halbjahr 2007 in Höhe von 5100 Euro im Widerspruch zu den für diesen Zeitraum zeitgleich vorgelegten Rechnungen über lediglich 3600 Euro stehen. Denn es ist nicht ersichtlich, worauf - neben Einnahmen aus Verkäufen - eine Einkommenserwartung noch basieren könnte. Werden der Prognose für das erste Halbjahr 2007 lediglich Einnahmen in Höhe der vorgelegten Rechnungen zugrunde gelegt, wird die Mindesteinkommensgrenze im Jahr 2007 nicht erreicht, auch wenn für das zweite Halbjahr die von der Diplombetriebswirtin prognostizierten Zahlen übernommen werden. Denn unter Berücksichtigung der prognostizierten Ausgaben in Höhe von 6600 Euro war im Zeitpunkt der Vorlage der Unterlagen für 2007 lediglich ein Einkommen von etwa 3000 Euro zu erwarten (Einnahmen 1. Halbjahr: 3600 Euro plus Einnahmen 2. Halbjahr: 6000 Euro minus Ausgaben: 6600 Euro). Insoweit sind die Feststellungen des LSG im Revisionsverfahren unangegriffen geblieben und daher bindend. Eine Änderung der Vermarktungs- und Verkaufsstrategie durch einen Atelierumzug und ein neues Vermarktungskonzept führen nicht zu einer Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze, wenn unter Berücksichtigung des dazu erstellten Unternehmenskonzeptes und der nach der Umstellung tatsächlich erzielten Einnahmen Verdienste oberhalb der Mindestgrenze nicht zu erwarten sind.

37

(5) Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 28.11.2013 - B 3 KS 2/12 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen), dass eine Einkommensprognose über der Geringfügigkeitsgrenze nicht allein auf den Bekanntheitsgrad eines Künstlers oder die Anerkennung seiner Werke in Fachkreisen gestützt werden kann, wenn in den letzten Jahren trotz des Bekanntheitsgrades und der fachlichen Anerkennung lediglich Verluste erzielt wurden und eine positive Einkommensentwicklung nicht erkennbar ist. Denn Bekanntheit und Anerkennung durch Andere stellen regelmäßig keine plötzlichen Ereignisse dar, sondern gehen regelmäßig mit einer entsprechenden Entwicklung einher. Das Einkommen der Klägerin aus den letzten Jahren lässt aber keine Entwicklung in der Weise erkennen, dass bei weiterem stetigem Verlauf voraussichtlich ein Einkommen oberhalb der Mindestgrenze zu erwarten wäre.

38

(6) Dass sich die Prognose nicht verwirklicht hat, weil im später erstellten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 tatsächlich Einkünfte oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze ausgewiesen sind, ändert am Ergebnis nichts, denn die - richtige - Prognose bleibt für die Vergangenheit maßgebend. Die versicherungsrechtliche Stellung wird dadurch nicht in die Vergangenheit hinein verändert. Die Beklagte wird jedoch - wie bereits ausgeführt - zu prüfen haben, ob und ggf ab wann aufgrund des Einkommensteuerbescheides für das Jahr 2007 Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Betrachtung für eine erneute Feststellung der Versicherungspflicht in der KSV bestand.

39

d) Die Aufhebung des Verwaltungsaktes zur Feststellung der Versicherungspflicht mit Wirkung ab 1.4.2007 war rechtmäßig. Der Bescheid vom 23.5.1986 war nach § 48 SGB X iVm § 8 Abs 2 KSVG mit Wirkung vom Ersten des Monats an aufzuheben, der auf den Monat folgt, in dem die KSK von der Änderung Kenntnis erhält; denn ein Fall des § 8 Abs 2 S 1 KSVG liegt nicht vor. Nach der Anhörung der Klägerin musste die Beklagte, als ihre weitere Nachfrage vom 30.1.2007 nach Belegen zur aktuellen Einkommenssituation bis zum Erlass des Aufhebungsbescheides am 20.3.2007 unbeantwortet blieb, davon ausgehen, dass Belege, die eine Einkommensprognose oberhalb der Mindestgrenze für das Kalenderjahr 2007 rechtfertigen könnten, nicht beigebracht werden, und hatte damit seit diesem Zeitpunkt Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse.

40

4. Diese Auslegung der §§ 3, 8 und 12 KSVG verletzt die Klägerin nicht in ihren Grundrechten. Von Verfassungs wegen ist insbesondere eine andere Auslegung der Vorschriften über die Versicherungsfreiheit bei mehrfacher Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze von 3900 Euro nicht geboten. Wie alle Grundrechte begründet auch die nach Art 5 Abs 3 GG geschützte Kunstfreiheit zunächst und vor allem ein Abwehrrecht gegen hoheitliche Eingriffe in den jeweiligen Schutzbereich. Konkrete Pflichten des Staates, Kunst oder Künstler zu fördern, ergeben sich daraus nicht. Zwar enthält das Grundrecht auch eine wertentscheidende Grundsatznorm, weil sich aus ihm die Staatszielbestimmung eines Kulturstaates ergibt, mit der Aufgabe, ein freiheitliches Kunst- und Wissenschaftsleben zu erhalten und zu fördern. Dabei verbleibt dem Gesetzgeber aber insbesondere im Hinblick auf Förderpflichten bzw sozialversicherungsrechtliche Schutzpflichten ein weiter Gestaltungsspielraum. Soweit der Gesetzgeber eine Förderung vornimmt, steht das Verfahren und die Gleichbehandlung der Betroffenen nach Art 3 Abs 1 GG im Vordergrund (vgl hierzu zB BVerfGE 36, 321, 331 ff; Wittreck in: Dreier, Grundgesetz, 3. Aufl 2013, Art 5 III (Kunst) RdNr 4, 33, 69 ff mwN; Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 12. Aufl 2012, Art 5 RdNr 105 ff, 110a f mwN). Gleiches gilt für die sozialversicherungsrechtliche Absicherung der Künstler. Die Versicherungsfreiheit der Klägerin ist nicht an den Kunstbegriff oder eine bestimmte Form der Kunst geknüpft. § 3 Abs 1 S 1 KSVG bindet die Sozialversicherung nach dem KSVG vielmehr an ein mit der selbstständigen künstlerischen Tätigkeit zu erzielendes Mindesteinkommen. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 9/26, S 18, betreffend das KSVG in der ursprünglichen Fassung vom 27.7.1981, BGBl I 705) ist die Versicherungsfreiheit nach § 3 Abs 1 S 1 KSVG an die allgemeinen Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts angelehnt, nach denen geringfügige Beschäftigung prinzipiell versicherungsfrei ist, und trägt der Besonderheit Rechnung, dass Einkommen aus selbstständiger künstlerischer oder publizistischer Tätigkeit außerordentlichen Schwankungen unterliegen können. Die Geringfügigkeitsgrenze wird deshalb nicht - wie sonst üblich - auf einen Monat, sondern auf ein Jahr bezogen. Zudem gelten Ausnahmen für Berufsanfänger (§ 3 Abs 2 KSVG) und solange das Arbeitseinkommen nicht mehr als zweimal innerhalb von sechs Kalenderjahren die Mindestarbeitseinkommensgrenze nicht übersteigt (§ 3 Abs 3 KSVG). Eine darüber hinausgehende sozialversicherungsrechtliche Absicherung geringfügiger Beschäftigung oder Tätigkeit im künstlerischen/publizistischen Bereich ist verfassungsrechtlich gerade im Hinblick auf eine Gleichbehandlung mit anderen geringfügig Tätigen nicht geboten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass insbesondere der volle Versicherungsschutz in der Kranken- und Pflegeversicherung bei einem nach geringfügigem Einkommen bemessenen Beitrag eine erhebliche Anforderung an die Solidargemeinschaft darstellt.

41

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei einer vom Kläger auf Antrag begründeten Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit im Jahr 2005 Versicherungsfreiheit eingetreten war, und über die Erstattung hierfür entrichteter Beiträge.

2

Der 1956 geborene Kläger, der seit Mai 1997 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erhält, betreibt seit November 1995 ein als Maschinenvermietung angemeldetes Gewerbe. Unter dem 10.5.2005 gab er dem beklagten Rentenversicherungsträger (Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) gegenüber an, dass er aus dieser selbstständigen Tätigkeit ein monatliches Bruttoeinkommen in Höhe von 930 Euro erziele, und fügte hierzu einen Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2003 bei (positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 11 169 Euro). Im Februar 2007 legte er den Einkommensteuerbescheid für den Veranlagungszeitraum 2005 vor, der negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 11 600 Euro auswies. Nach den insoweit maßgebenden Einkommensteuerbescheiden erzielte der Kläger in den Jahren 2002, 2004 und 2006 positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 13 980 Euro bzw 6882 Euro bzw 14 373 Euro.

3

Im Hinblick auf seine selbstständige Tätigkeit ist der Kläger bei der Beklagten seit 1.6.1992 auf seinen Antrag in der gesetzlichen Rentenversicherung pflichtversichert. Diese setzte einkommensgerechte Rentenversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.5.2005 in Höhe von 234,65 Euro, danach in Höhe von 185,45 Euro und für die Zeit vom 1.11. bis zum 31.12.2005 in Höhe von 112,37 Euro monatlich fest (insgesamt 2325,24 Euro; ua Bescheide vom 10.6.2005 und 27.6.2006).

4

Nachdem die Beklagte die für den Veranlagungszeitraum 2005 ausgewiesenen negativen Einkünfte aus Gewerbebetrieb bei der Beitragshöhe in der Weise berücksichtigt hatte, dass ab 1.3.2007 - dem auf die Vorlage des Einkommensteuerbescheides folgenden Monat - nur noch ein Mindestbeitrag in Höhe von 79,60 Euro monatlich zu zahlen war (Bescheid vom 22.2.2007), wandte sich der Kläger an diese mit dem Antrag, für das Kalenderjahr 2005 "nachträglich Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit festzustellen". Mit Bescheid vom 27.3.2007 und Widerspruchsbescheid vom 3.8.2007 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Eine rückwirkende Feststellung der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit komme nicht in Betracht, weil eine solche vorausschauend auf der Grundlage des zu erwartenden Arbeitseinkommens festzustellen sei. Der spätere Nachweis eines niedrigeren Arbeitseinkommens könne nach § 165 Abs 1 Satz 8 SGB VI lediglich beitragsrechtlich und dort auch nur für die Zukunft berücksichtigt werden.

5

Mit Urteil vom 4.6.2008 hat das SG die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Das LSG hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 16.6.2009 zurückgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Nach Mitteilung des niedrigeren Arbeitseinkommens für das Jahr 2005 habe die Beklagte dieses nach § 165 Abs 1 Satz 8 SGB VI zutreffend bei der Beitragshöhe und dort für die Zukunft berücksichtigt. Die im Jahr 2005 gezahlten Rentenversicherungsbeiträge seien auch nicht deshalb zu Unrecht entrichtet worden, weil rückwirkend Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit festzustellen wäre. Die Anwendung der Vorschriften über die Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger selbstständiger Tätigkeit auf eine Antragspflichtversicherung sei nicht möglich. Die Regelung des § 4 Abs 4 Satz 2 SGB VI über die Beendigung eines Pflichtversicherungsverhältnisses auf Antrag sei abschließend. Bei sinkenden Einnahmen eines antragspflichtversicherten Selbstständigen bestehe danach in Fällen wie dem vorliegenden systemkonform nur die in § 165 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI vorgesehene Möglichkeit, die Beiträge nach Mindesteinnahmen zu bemessen. Das komme dem Kläger auch zugute, weil er bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung im Anschluss an das Jahr 2005 wegen abgelaufener Antragsfrist nicht wieder Aufnahme in die Antragspflichtversicherung hätte finden können. Dessen ungeachtet habe im Jahr 2005 nicht vorausschauend davon ausgegangen werden können, dass der Kläger nur ein geringfügiges Arbeitseinkommen aus seiner selbstständigen Tätigkeit erzielen werde.

6

Der Kläger hat Revision eingelegt und rügt eine Verletzung von § 5 Abs 2 Satz 1 Halbs 1 Nr 2 SGB VI iVm § 8 Abs 1 und 3 SGB IV. Im Jahr 2005 habe kraft Gesetzes in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherungsfreiheit wegen einer geringfügigen selbstständigen Tätigkeit bestanden. Einer rückwirkenden Feststellung dieser Versicherungsfreiheit stehe § 165 SGB VI nicht entgegen, weil die Frage der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit unabhängig und losgelöst von der Frage der Beitragsbemessung zu prüfen sei. Diese Vorschrift komme nur zur Anwendung, wenn eine versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde. Ohne Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, ob die Rentenversicherungspflicht Selbstständiger kraft Gesetzes oder auf Antrag bestehe. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Antragspflichtversicherung ende mit dem Beginn der Versicherungsfreiheit, und, nach deren Ende bedürfe es eines erneuten Antrags, sei unzutreffend. Die auf Antrag begründete Pflichtversicherung werde durch eine geringfügige selbstständige Tätigkeit lediglich unterbrochen. Andernfalls könne für antragspflichtversicherte Selbstständige eine Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit niemals eintreten. Schließlich stelle die Beklagte in der Praxis - im umgekehrten Fall - rückwirkend Rentenversicherungspflicht fest und erhebe Beiträge nach.

7

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Urteile des Sozialgerichts Mannheim vom 4. Juni 2008 und des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 2009 sowie den Bescheid vom 27. März 2007 und den Widerspruchsbescheid vom 3. August 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seinem Antrag auf Überprüfung der Bescheide vom 10. Juni 2005 und 27. Juni 2006 zu entsprechen, für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Geringfügigkeit festzustellen, und die von ihm entrichteten Beiträge in Höhe von 2325,24 Euro zu erstatten.

8

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Mit der (Wieder)Einführung einer Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für rentenversicherungspflichtige Selbstständige ab 1.1.1999 habe der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass für die rückwirkende Annahme von Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs 2 SGB VI kein Raum sei, wenn das monatliche Arbeitseinkommen später unter die Geringfügigkeitsgrenze absinke. Das ergebe sich auch aus Sinn und Zweck der Antragspflichtversicherung. Unabhängig hiervon habe trotz der negativen Einkünfte im Jahr 2005 eine geringfügige selbstständige Tätigkeit nicht vorgelegen, weil diese bei vorausschauender Beurteilung nicht darauf gerichtet gewesen sei, ständig und über Jahre hinweg Einkünfte von weniger als 400 Euro monatlich zu erzielen.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Die vorinstanzlichen Urteile sind im Ergebnis zutreffend. Soweit es um das auf nachträgliche Feststellung der Versicherungsfreiheit im Jahr 2005 gerichtete Begehren geht, ist die Klage unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 27.3.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.8.2007 ist rechtmäßig. Soweit es um das Beitragserstattungsverlangen des Klägers geht, ist die Klage indessen mangels durchgeführten Vorverfahrens bereits unzulässig, weil die Beklagte über eine Erstattung von Beiträgen in den angefochtenen Bescheiden nicht befunden hat.

11

1. Im Revisionsverfahren zu überprüfen sind nur die genannten Bescheide der Beklagten. Der Kläger hatte bei ihr einzig den Antrag gestellt, für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.2005 nachträglich Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen geringfügiger selbstständiger Tätigkeit festzustellen, und damit das Ziel verfolgt, die Versicherungs- und Beitragspflicht als Voraussetzung(en) einer Beitragserhebung in dieser Zeit überhaupt zu "beseitigen". Nur hierüber hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden auch entschieden. Sie hat es darin zu Recht abgelehnt, für die vom Kläger ausgeübte selbstständige Tätigkeit der Maschinenvermietung im Jahr 2005 rückwirkend Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Geringfügigkeit festzustellen.

12

2. Der Kläger kann eine solche nachträgliche Feststellung bereits deshalb nicht verlangen, weil Versicherungsfreiheit wegen geringfügiger selbstständiger Tätigkeit in der Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.2005 nicht bestand. Denn bei der für diesen Zeitraum vorzunehmenden vorausschauenden Betrachtung auf der Grundlage des damaligen Erkenntnisstandes, auf die es auch im Rahmen der nachträglichen gerichtlichen Rechtskontrolle ankommt, war die für die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit maßgebende Entgeltgrenze im streitigen Zeitraum nicht regelmäßig im Monat unterschritten.

13

Im Hinblick darauf kann der Senat offenlassen, ob eine nachträgliche Feststellung der Versicherungsfreiheit auch aus anderen Gründen ausgeschlossen wäre. Auf die Erwägungen des LSG, der Beklagten und des Klägers zu § 165 Abs 1 und § 4 Abs 4 Satz 2 SGB VI kommt es deshalb nicht an. So braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob - wie der Kläger meint - bei versicherungspflichtigen selbstständig Tätigen "die Frage von bestehender Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit unabhängig und losgelöst von der Frage der Beitragsbemessung zu prüfen" ist, oder - wie das Berufungsgericht und die Beklagte unter Hinweis auf die für diese Personengruppe geltende Mindesteinnahmengrenze in § 165 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI ausführen - "für eine Versicherungsfreiheit nach § 5 Abs 2 SGB VI kein Raum" ist, weil der Gesetzgeber mit der (Wieder)Einführung einer Mindesteinnahmengrenze die Vorstellung verbunden habe, eine Beitragspflicht bestehe stets auch dann (weiter), wenn sich später herausstelle, dass das monatliche Arbeitseinkommen die Entgeltgrenze unterschreite. Nicht beantwortet werden muss ferner, ob die Auffassung des LSG zutrifft, wonach eine Anwendung der Vorschriften über die Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit bei der hier bestehenden Versicherungspflicht auf Antrag (vgl § 4 SGB VI)nicht in Betracht kommt, weil die Regelung über die Beendigung der Antragspflichtversicherung (vgl § 4 Abs 4 Satz 2 SGB VI) abschließend sei, oder die gegenteilige, unter Hinweis darauf begründete Auffassung des Klägers, dass das Gesetz insoweit zwischen der Rentenversicherungspflicht Selbstständiger kraft Gesetzes und der Rentenversicherungspflicht Selbstständiger auf Antrag keine Unterscheidung treffe. Der Senat braucht schließlich der Frage nicht nachzugehen, ob ein auf Antrag begründetes Pflichtversicherungsverhältnis bei Eintritt von Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit lediglich unterbrochen wird oder seine Beendigung durch Verwaltungsakt festzustellen ist und eine "Fortsetzung" der Antragspflichtversicherung deshalb später neu beantragt werden müsste.

14

a) Gemäß § 5 Abs 2 Satz 1 Halbs 1 Nr 2 SGB VI besteht für Personen, die eine geringfügige selbstständige Tätigkeit(§ 8 Abs 3, § 8a SGB IV) ausüben, in der gesetzlichen Rentenversicherung in dieser selbstständigen Tätigkeit Versicherungsfreiheit. Nach der - hier einschlägigen - Nummer 1 des § 8 Abs 1 SGB IV in dessen im Jahr 2005 maßgebender Fassung(Gesetz vom 23.12.2002, BGBl I 4621) ist eine Beschäftigung (entgelt)geringfügig, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung regelmäßig im Monat 400 Euro nicht übersteigt. § 8 Abs 3 Satz 1 SGB IV ordnet an, dass ua Absatz 1 entsprechend gilt, soweit anstelle einer Beschäftigung eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird. Für die Annahme einer geringfügigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit ist nach § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV Voraussetzung, dass das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen regelmäßig im Monat - und nicht nur gelegentlich - die Grenze von 400 Euro unterschreitet(zum Begriff der "Regelmäßigkeit" bei geringfügig Beschäftigten und den sich hieraus ergebenden Anforderungen vgl BSG Urteil vom 28.2.1984 - 12 RK 21/83 - SozR 2100 § 8 Nr 4 S 4 ff und Urteil vom 11.5.1993 - 12 RK 23/91 - SozR 3-2400 § 8 Nr 3 S 10 ff).

15

b) Ob die für die Geringfügigkeit maßgebende Entgeltgrenze regelmäßig im Monat oder nur gelegentlich unterschritten bzw regelmäßig im Monat oder nur gelegentlich überstiegen wird, beurteilt sich im Wege einer vorausschauenden Betrachtung.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG erfordert die Beurteilung der Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit eine Prognose bzw vorausschauende Schätzung (vgl schon Entwurf der Bundesregierung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung, BT-Drucks 7/4122 S 43 zu Artikel I § 8 Abs 1 Nr 1). Das hat das BSG allgemein zu Statusentscheidungen im Sozialversicherungsrecht wiederholt entschieden, etwa im Zusammenhang mit der Jahresarbeitsverdienstgrenze des § 165 Abs 1 Nr 2 RVO bzw der Jahresarbeitsentgeltgrenze des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB V(Großer Senat BSGE 23, 129 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO; BSGE 24, 262 = SozR Nr 50 zu § 165 RVO; SozR Nr 59 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 165 Nr 15; SozR 3-2500 § 6 Nr 15), der Geringfügigkeitsgrenze des § 168 RVO und des § 4 Abs 1 Nr 5 AVG sowie des § 8 SGB IV(SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1; SozR 2100 § 8 Nr 4; SozR 3-2400 § 8 Nr 3; zu einer Regelung in der Arbeitslosenversicherung: BSGE 13, 98 = SozR Nr 1 zu § 75a AVAVG aF) und schließlich im Zusammenhang mit dem regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommen iS des § 205 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 RVO sowie des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V(Urteil vom 4.6.1981 - 3 RK 5/80 - SozR 2200 § 205 Nr 41; Urteil vom 26.10.1982 - 3 RK 35/81 - SozR 2200 § 205 Nr 52; Urteil vom 7.12.2000 - B 10 KR 3/99 R - SozR 3-2500 § 10 Nr 19 und Urteil vom 9.10.2007 - B 5b/8 KN 1/06 KR R - SozR 4-2500 § 10 Nr 8). Zur Begründung hat das BSG darauf verwiesen, dass eine rückwirkende Betrachtung mit dem Wesen der Sozialversicherung nicht vereinbar sei, und es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn zu klären, weil dies nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflicht von entscheidender Bedeutung ist (vgl SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103). Gründe, die dafür sprechen könnten, an dieser Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten, sind nicht ersichtlich.

17

Die hiernach erforderliche Prognose erfordert keine alle Eventualitäten berücksichtigende genaue Vorhersage, sondern lediglich eine ungefähre Einschätzung, welches Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nach der bisherigen Übung mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist (vgl BSG SozR 3-2400 § 8 Nr 3 S 12 mwN). Im Prognosezeitpunkt muss davon auszugehen sein, dass sich Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bei normalem Ablauf der Dinge nicht relevant verändern. Grundlage der Prognose können dabei lediglich Umstände sein, von denen in diesem Zeitpunkt anzunehmen ist, dass sie das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bestimmen werden (vgl BSG SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2). Erweist sich eine - richtige - Prognose im Nachhinein infolge nicht vorhersehbarer Umstände als unzutreffend, so bleibt sie für die Vergangenheit gleichwohl maßgebend (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 81). Solche Umstände können die versicherungsrechtliche Stellung dann nicht in die Vergangenheit hinein verändern. Stimmt die - richtige - Prognose mit dem späteren Verlauf nicht überein, so kann das jedoch Anlass für eine neue Prüfung und - wiederum vorausschauende - Betrachtung sein (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO; SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2; SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 81). Es kommt dann darauf an, ob es sich bei dem mit der ursprünglichen Prognose nicht mehr übereinstimmenden Sachverhalt um vorübergehende, mehr zufällige Abweichungen handelt, oder ob hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die bisher das Arbeitsentgelt oder das Arbeitseinkommen bestimmenden Umstände sich nicht nur vorübergehend geändert haben und zu einem anderen regelmäßigen Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen im Monat führen.

18

Diese Grundsätze gelten auch für rückwirkende Entscheidungen (vgl BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 81 mwN). Ist im Nachhinein zu entscheiden, ob etwa während eines in der Vergangenheit liegenden Zeitraums Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit bestand, so ist nachträglich eine vorausschauende Betrachtung vorzunehmen. Auszugehen ist dabei von dem Erkenntnisstand, der damals vorhanden war. Danach besteht eine Versicherungsfreiheit wegen Geringfügigkeit erst ab dem Zeitpunkt, zu dem aus damaliger Sicht mit hinreichender Sicherheit feststand, dass die Entgeltgrenze regelmäßig im Monat unterschritten wird.

19

c) Ausgehend von den unter b) dargestellten Grundsätzen ist vorliegend nicht erkennbar, dass zu Beginn des hier streitigen Zeitraums, also zu Beginn des Jahres 2005 vorausschauend ein Arbeitseinkommen des Klägers aus seinem Gewerbebetrieb in der Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.2005 zu schätzen war, das regelmäßig im Monat 400 Euro nicht übersteigen würde.

20

Bei Beschäftigten hat es das BSG in der Vergangenheit für die prognostische Beurteilung als zutreffend angesehen, wenn für die voraussichtliche Gestaltung des Arbeitsverhältnisses an den Arbeitsvertrag oder, wenn sich daraus Hinweise nicht ergaben, an die Erfahrungen der Vergangenheit bei demselben oder anderen Arbeitern oder Angestellten angeknüpft wurde (vgl BSG SozR 2200 § 1228 Nr 1 S 2). Insbesondere bei schwankendem Arbeitsentgelt sei der zu erwartende Verdienst unter Heranziehung der in den Vorjahren erzielten Einkünfte oder des Verdienstes vergleichbarer Personen zu schätzen (vgl - für die Ermittlung des zukünftigen Jahresarbeitsverdienstes - BSG SozR Nr 6 zu § 168 RVO und BSGE 23, 129, 131, 135 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO). Auch einmalige Bezüge sind so als berücksichtigungsfähig angesehen worden, soweit mit ihnen mit hinreichender Sicherheit gerechnet werden konnte (vgl BSG SozR 2200 § 205 Nr 41 S 102 mwN). Als Zeitraum, auf den die vorausschauende Betrachtung bei Beschäftigten zu erstrecken ist, hat das BSG, insbesondere auch bei der Anwendung der (Entgelt)Geringfügigkeitsgrenze, den Zeitraum eines Jahres angesehen (vgl hierzu und zu den Gründen für diesen zeitlichen Maßstab BSG SozR 2100 § 8 Nr 4 S 5, 6; zur Jahresarbeitsentgeltgrenze siehe heute § 6 Abs 4 SGB V).

21

Entsprechendes gilt bei selbstständig Tätigen, deren Arbeitseinkommen fast immer schwankend ist (so BSGE 23, 129, 135 = SozR Nr 49 zu § 165 RVO; SozR 2200 § 205 Nr 41 S 103). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, die bisher aber nur die Beurteilung des regelmäßigen monatlichen Gesamteinkommens iS des § 205 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 RVO sowie des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V betraf, darf hier für die auf das Jahr bezogene Prognose von dem bekannten letzten Jahreseinkommen ausgegangen werden(vgl SozR 2200 § 205 Nr 41 S 104 f; ferner SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 81; für Einkünfte aus Kapitalvermögen: BSG SozR 2200 § 205 Nr 52 S 145). Bei selbstständig Tätigen, die ihre Einnahmen zum Teil - zB durch entsprechende Rechnungsstellung - zeitlich disponieren könnten, biete sich nämlich als oft allein praktikable Möglichkeit an, aus den regelmäßigen Einnahmen über einen längeren Zeitraum (zB über ein Jahr) einen Monatsbetrag zu ermitteln.

22

In Anbetracht des vom Kläger als Maschinenvermietung betriebenen Gewerbes und der schwankenden Einnahmen aus dieser selbstständigen Tätigkeit konnte das für die Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.2005 zu erwartende regelmäßige monatliche Arbeitseinkommen iS des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV nach damaligem Erkenntnisstand - mangels weiterer Umstände - nur aus dem zu Beginn des Jahres 2005 bekannten letzten Jahreseinkommen erschlossen werden. Zu Beginn des Jahres 2005 sicher vorhersehbare Umstände, die ein anderes regelmäßiges monatliches Arbeitseinkommen im laufenden Jahr erwarten ließen, also ein solches, das die für die Geringfügigkeit geltende Entgeltgrenze regelmäßig im Monat unterschritt, und den Rückgriff auf das letzte bekannte Jahreseinkommen ausschlossen oder einschränkten, lagen nach den Feststellungen des LSG nicht vor. Bekannt war der Beklagten zu Beginn des Jahres 2005 lediglich das Arbeitseinkommen für den Veranlagungszeitraum 2002, das ihr im Mai 2004 durch Vorlage des entsprechenden Einkommensteuerbescheides nachgewiesen worden war. Danach hat der Kläger im Veranlagungszeitraum 2002 positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 13 980 Euro (1165 Euro monatlich) erzielt. Der Kläger hatte damit im Veranlagungszeitraum 2002 noch positive Einkünfte, die deutlich über der Entgeltgrenze von 400 Euro monatlich lagen. Die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für den Veranlagungszeitraum 2003 im Mai 2005 gab zwar Anlass zu einer neuen prognostischen Beurteilung. Jedoch war auch hiernach nicht die Annahme gerechtfertigt, das Arbeitseinkommen des Klägers werde in der Folgezeit (bis zum 31.12.2005) die für die Geringfügigkeit geltende Entgeltgrenze von 400 Euro regelmäßig im Monat nicht übersteigen. Denn der Kläger erzielte im Veranlagungszeitraum 2003 positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 11 169 Euro (931 Euro monatlich). Darüber hinaus hatte er selbst der Beklagten gegenüber unter dem 10.5.2005 angegeben, sein monatliches Arbeitseinkommen aus der Maschinenvermietung betrage (aktuell) 930 Euro im Monat. Auch wenn sich daraus keine Bestätigung für die Richtigkeit der Prognose, bezogen auf den hier maßgebenden (Prognose)Zeitraum 2005, entnehmen lässt, so ergibt sich - weiterhin - aus der Entwicklung des Arbeitseinkommens im Folgejahr 2006 gleichwohl, dass es sich bei der Negativbilanz des Jahres 2005 lediglich um eine vorübergehende zufällige Abweichung in der Einkommensentwicklung gehandelt hat und sich die Erwerbsverhältnisse des Klägers ständig über die Jahre hinweg auch tatsächlich nicht relevant verändert haben. Nach den Feststellungen des LSG erzielte der Kläger im Veranlagungszeitraum 2006 nämlich wieder positive Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 14 373 Euro (1198 Euro monatlich).

23

Verfahrensrügen, die die Feststellung der für die vorausschauende Betrachtung - nach damali-gem Erkenntnisstand - erforderlichen Tatsachen, insbesondere der die Prognosegrundlage bildenden Tatsachen, betreffen, hat der Kläger nicht erhoben, sodass die Feststellungen des LSG insoweit für den Senat bindend sind (§ 163 SGG).

24

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Elterngeld wird als Basiselterngeld oder als Elterngeld Plus gewährt. Es kann ab dem Tag der Geburt bezogen werden. Basiselterngeld kann bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Elterngeld Plus kann bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats bezogen werden, solange es ab dem 15. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 kann Elterngeld ab Aufnahme bei der berechtigten Person längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

(2) Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Der Anspruch endet mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen.

(3) Die Eltern haben gemeinsam Anspruch auf zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld. Ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eines Elternteils in zwei Lebensmonaten gemindert, haben die Eltern gemeinsam Anspruch auf zwei weitere Monate Basiselterngeld (Partnermonate). Statt für einen Lebensmonat Basiselterngeld zu beanspruchen, kann die berechtigte Person jeweils zwei Lebensmonate Elterngeld Plus beziehen.

(4) Ein Elternteil hat Anspruch auf höchstens zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b. Ein Elternteil hat nur Anspruch auf Elterngeld, wenn er es mindestens für zwei Lebensmonate bezieht. Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 anzurechnende Leistungen oder nach § 192 Absatz 5 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes Versicherungsleistungen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Basiselterngeld nach § 4a Absatz 1 bezieht.

(5) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 beträgt der gemeinsame Anspruch der Eltern auf Basiselterngeld für ein Kind, das

1.
mindestens sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 13 Monatsbeträge Basiselterngeld;
2.
mindestens acht Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 14 Monatsbeträge Basiselterngeld;
3.
mindestens zwölf Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 15 Monatsbeträge Basiselterngeld;
4.
mindestens 16 Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 16 Monatsbeträge Basiselterngeld.
Für die Berechnung des Zeitraums zwischen dem voraussichtlichen Tag der Entbindung und dem tatsächlichen Tag der Geburt ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt.
Im Fall von
1.
Satz 1 Nummer 1
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 13 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 16. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
2.
Satz 1 Nummer 2
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 14 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 16. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 17. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
3.
Satz 1 Nummer 3
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 15 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 17. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 18. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
4.
Satz 1 Nummer 4
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 16 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 19. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 2016 und des Sozialgerichts Münster vom 3. März 2015 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 wird geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 21. November 2011 in der Gestalt des Bescheides vom 3. Mai 2012 zu ändern und dem Kläger für die Monate April bis September 2011 unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses vom 10. November 2015 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe zu zahlen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten für alle Rechtszüge zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist die Berücksichtigung eines Krankengeldzuschusses (KrgZ) als rentenschädlicher Hinzuverdienst bei einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

2

Der 1952 geborene Kläger erhält seit Dezember 2004 vom beklagten RV-Träger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf unbestimmte Zeit. Seine Beschäftigung im öffentlichen Dienst setzte er nach Rentenbeginn in Teilzeit mit 25,32 Wochenstunden fort. Das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung betrug ab Mai 2010 laufend monatlich 1759,62 Euro (brutto) und die in voller Höhe geleistete Rente 496,73 Euro (brutto), sodass er insgesamt ein Bruttoeinkommen von 2256,35 Euro erzielte. Die Hinzuverdienstgrenze des Klägers für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe belief sich auf 1826,36 Euro, die für eine Rente in Höhe der Hälfte auf 2223,39 Euro.

3

Ende Januar 2011 erkrankte der Kläger längerfristig. Er erhielt im Januar ein Bruttoarbeitsentgelt (einschließlich Sonderzahlung) von 1929,94 Euro, im Februar von 1770,23 Euro und im März (Entgeltfortzahlung bis 5.3.2011) von 284,29 Euro. Ab 6.3. bis zum 23.8.2011 bezog der Kläger Krankengeld (Krg) auf der Grundlage eines Regelentgelts von kalendertäglich 82,65 Euro. Vom 24.8. bis zum 21.10.2011 erhielt er während einer Maßnahme der medizinischen Rehabilitation von der Beklagten Übergangsgeld (Übg), das nach einem auf das Nettoarbeitsentgelt begrenzten Regelentgelt von kalendertäglich 65,90 Euro berechnet wurde. Zur Aufstockung dieser Sozialleistungen zahlte der Arbeitgeber dem Kläger bis einschließlich September 2011 den in § 22 Abs 2 TVöD vorgesehenen KrgZ in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem Zahlbetrag der Sozialleistungen und dem Nettoentgelt. Dieser belief sich nach den Feststellungen des LSG im März 2011 auf 121,73 Euro und in den Folgemonaten bis einschließlich September 2011 auf jeweils 146,08 Euro.

4

Am 1.7.2011 legte der Kläger die von der Beklagten angeforderten Nachweise zur Überprüfung einer weiteren Rentenberechtigung vor. Daraufhin stellte die Beklagte die Rentenzahlung ab September 2011 vorläufig ein und hörte den Kläger mit Schreiben vom 5.9.2011 zur beabsichtigten Aufhebung der Rentenzahlung wegen einer Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen an. Mit Bescheid vom 21.11.2011 berechnete sie die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum ab 1.10.2010 neu. Sie verfügte, dass die Rente ab April 2011 nicht mehr zu zahlen sei, weil die Hinzuverdienstgrenze von 2223,39 Euro für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in Höhe der Hälfte durch das dem Krg zugrunde liegende Bemessungsentgelt von monatlich (82,65 Euro x 30 =) 2479,50 Euro und den KrgZ überschritten werde; das zweimalige Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze im Januar und März 2011 sei unschädlich. Die entstandene Überzahlung für die Monate April bis August 2011 iHv 2234,17 Euro sei zu erstatten. Der Bescheid vom 21.11.2011 wurde bestandskräftig.

5

Der Kläger beantragte Anfang 2012 eine Überprüfung des Bescheids vom 21.11.2011. Das dem Krg zugrunde liegende Regelentgelt sei zu hoch angesetzt und der KrgZ sei nicht als Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Daraufhin bewilligte die Beklagte zunächst im Bescheid vom 6.3.2012 die erneute Zahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe ab 1.12.2011, doch wurde die Nachzahlung für Dezember 2011 bis März 2012 iHv 1797,92 Euro zunächst einbehalten. Nach weiteren Ermittlungen entschied die Beklagte im Bescheid vom 3.5.2012, dass die Rente ab 1.3.2011 neu berechnet und für den Zeitraum 1.3.2011 bis 30.6.2012 eine Nachzahlung iHv 1791,32 Euro geleistet werde. In Anlage 10 des Bescheids ist ausgeführt, dass in Anlehnung an das Urteil des BSG vom 20.11.2003 (B 13 RJ 43/02 R - BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3) nunmehr als Hinzuverdienst lediglich die Bemessungsgrundlagen für das Krg bzw Übg ohne Einbeziehung von Einmalzahlungen herangezogen würden, dh für das Krg 58,09 Euro und für das Übg 58,65 Euro täglich. Somit seien zu berücksichtigen:

- für März 2011:

Arbeitsentgelt (1.-5.3.)

284,29 €

        

dem Krg zugrunde liegendes Entgelt (26 x 58,09 €)

1510,34 €

        

KrgZ   

 121,73 €

                 

1916,36 €

                 

        

- für April bis Juli 2011 jeweils:

dem Krg zugrunde liegendes Entgelt (30 x 58,09 €)

1742,70 €

        

KrgZ   

 146,08 €

                 

1888,78 €

                 

        

- für August 2011:

dem Krg zugrunde liegendes Entgelt (23 x 58,09 €)

1336,07 €

        

dem Übg zugrunde liegendes Entgelt (8 x 58,65 €)

469,20 €

        

KrgZ   

 146,08 €

                 

1951,35 €

                 

        

- für September 2011:

dem Übg zugrunde liegendes Entgelt (30 x 58,65 €)

1759,50 €

        

KrgZ   

 146,08 €

                 

1905,58 €

6

Damit werde die Hinzuverdienstgrenze für eine volle Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von 1826,36 Euro in allen Monaten überschritten, die Hinzuverdienstgrenze für eine halbe Rente iHv 2223,39 Euro jedoch nicht. Somit stehe dem Kläger für März 2011 - zweites Überschreiten im Jahr - noch die volle Rente zu, für die Monate April bis September 2011 allerdings nur die Rente zur Hälfte. Da zudem der Kläger für Oktober 2011 die volle Rente beanspruchen könne, für November 2011 (Zahlung von Weihnachtsgeld) aber überhaupt keine Leistung, ergebe sich aus dem Bescheid vom 21.11.2011 für den Zeitraum 1.4. bis 30.11.2011 eine Überzahlung iHv 442,88 Euro. Diese Überzahlung werde mit der aus dem Bescheid vom 6.3.2012 noch zustehenden Nachzahlung iHv 1797,92 Euro verrechnet, sodass noch eine Nachzahlung iHv 1355,04 Euro zur Auszahlung gelange.

7

Der Kläger machte mit seinem Widerspruch sinngemäß geltend, ihm stehe auch für April bis September 2011 die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe zu. Der sozialversicherungsbeitragsfrei ausgezahlte KrgZ sei entsprechend dem BSG-Urteil vom 20.11.2003 (B 13 RJ 43/02 R) nicht als Hinzuverdienst anzurechnen. Die in § 23c SGB IV hinsichtlich der Beitragspflicht ausdrücklich geregelte Ausnahme müsse auch für die Leistungshöhe angewandt werden. Es sei erklärtes Ziel des Gesetzgebers gewesen, Zuschüsse in der vorliegenden Höhe von der Leistungsberechnung zu entkoppeln.

8

Widerspruch und Klage sind ohne Erfolg geblieben (Widerspruchsbescheid vom 12.10.2012; Urteil des SG Münster vom 3.3.2015). Im Berufungsverfahren hat das LSG auf die Rechtsprechung des BSG zur Begrenzung von Rückforderungen nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X hingewiesen(vgl Senatsurteil vom 23.3.1995 - 13 RJ 39/94 - SozR 3-1300 § 48 Nr 37). Daraufhin hat die Beklagte am 10.11.2015 ein vom Kläger angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben und sich unter Zugrundelegung einer streitigen Rest-Nettorente von 1791,32 Euro und des die Hinzuverdienstgrenze von März bis September 2011 um insgesamt 543,89 Euro übersteigenden Betrags zu einer weiteren Zahlung an den Kläger iHv 1247,43 Euro verpflichtet. Die weitergehende Berufung des Klägers hat das LSG zurückgewiesen (Urteil vom 14.6.2016).

9

Das LSG hat ausgeführt, richtige Klageart sei die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs 1 SGG. Ihr Gegenstand sei nur der als sog Zweitbescheid erlassene Bescheid vom 3.5.2012, durch den der Bescheid vom 21.11.2011 konkludent aufgehoben worden sei. In der Sache stehe dem Kläger für den Zeitraum 1.4.2011 bis 30.9.2011 kein höherer Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu. Der KrgZ falle unter den Begriff des Arbeitsentgelts nach § 96a Abs 1 S 1 SGB VI iVm § 14 SGB IV, denn der Kläger habe die Zuschüsse nur aufgrund seines Beschäftigungsverhältnisses erhalten. Aus der fehlenden Beitragspflicht nach § 23c SGB IV könne nicht geschlossen werden, dass der KrgZ kein Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV sei, denn gegen ein solches Verständnis spreche die systematische Stellung der Norm.

10

Es bestehe auch keine durch Auslegung zu schließende Regelungslücke. Ohne auf die Gesetzesmaterialien zurückgreifen oder die Gesetzessystematik bemühen zu müssen, ergebe sich bereits aus § 96a Abs 1 und Abs 3 SGB VI, dass unter den Begriff "Hinzuverdienst" neben dem unmittelbar durch eine Erwerbstätigkeit Erwirtschafteten auch all das falle, was bei Unterbrechung der Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen anstelle dessen geleistet werde. Es sei auch keine unzulässige Doppelberücksichtigung desselben Einkommens festzustellen. Zwar sei nicht zu verkennen, dass der Kläger aufgrund der Anrechnung des KrgZ als Hinzuverdienst insgesamt nicht denselben Betrag zur Verfügung gehabt habe wie vor seiner Erkrankung und dass er sich ohne Zahlung des KrgZ finanziell besser gestanden hätte. Es sei jedoch nicht Aufgabe der GRV, die Umsetzung arbeits- oder tarifvertraglicher Ziele sozialversicherungsrechtlich zu ermöglichen. Eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG liege nicht vor, da Rentner grundsätzlich einer anderen Gruppe angehörten als Nichtrentner.

11

Der Kläger rügt mit der vom LSG zugelassenen Revision eine Verletzung des § 96a SGB VI iVm §§ 14, 23c Abs 1 S 1 SGB IV sowie des Art 3 Abs 1 GG. Hinsichtlich der Behandlung des KrgZ bestehe eine Regelungslücke, die der Gesetzgeber mit Einführung des § 23c SGB IV durch das Verwaltungsvereinfachungsgesetz(vom 21.3.2005 mWv 30.3.2005, BGBl I 818) lediglich beitragsrechtlich - allerdings mit dem Ziel der Vermeidung künftiger höherer Leistungen - geschlossen habe. Hieraus folge, dass beitragsfreie Arbeitgeberzuschüsse als Hinzuverdienst bei Renten wegen Erwerbsminderung unbeachtlich seien. Auch § 49 Abs 1 Nr 1 SGB V zeige, dass nur "beitragspflichtiges Arbeitsentgelt" zum Ruhen des Anspruchs auf Krg führen solle, nicht aber der nach § 23c SGB IV beitragsfreie KrgZ. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Straffung des § 49 SGB V zugleich eine Verschärfung der Regelungen zum Hinzuverdienst im SGB VI intendiert habe; vielmehr sei von einem Redaktionsversehen auszugehen.

12

Der Kläger beantragt,

        

die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 14. Juni 2016 und des Sozialgerichts Münster vom 3. März 2015 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 3. Mai 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 zu ändern sowie die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 21. November 2011 in der Gestalt des Bescheides vom 3. Mai 2012 zu ändern und sie zu verurteilen, dem Kläger für die Monate April bis einschließlich September 2011 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe zu zahlen.

13

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

14

Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das LSG hat den Bescheid der Beklagten vom 3.5.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2012, soweit er nach dem angenommenen Teilanerkenntnis noch streitbefangen ist, zu Unrecht als rechtmäßig und den Bescheid vom 21.11.2011 fehlerhaft als nicht streitgegenständlich erachtet. Der Kläger kann im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens für die Monate April bis September 2011 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe beanspruchen, weil in diesem Zeitraum sein Arbeitsentgelt und das Krg bzw Übg die hierfür maßgebliche Hinzuverdienstgrenze nicht überstieg. Der KrgZ, den der Kläger von seinem Arbeitgeber zusätzlich zum Krg bzw Übg erhielt, ist nicht als rentenschädlicher Hinzuverdienst anzusehen.

16

A) Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die vorinstanzlichen Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der Beklagten vom 21.11.2011 und 3.5.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2012 und in Gestalt des im Berufungsverfahren am 10.11.2015 angenommenen Teilanerkenntnisses. Im Bescheid vom 3.5.2012 verfügte die Beklagte, dass die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung "ab 01.03.2011 neu berechnet" werde. Diese Neuberechnung bewirkte gegenüber dem bestandskräftig gewordenen, den Rentenbezug ab 1.1.2010 bis 30.11.2011 regelnden Bescheid vom 21.11.2011 eine Änderung nur für die Monate April bis Oktober 2011. Sie führte dazu, dass nunmehr dem Kläger für die Monate April bis September 2011 die Rente in Höhe der Hälfte und für Oktober 2011 in voller Höhe zuerkannt wurde. Die im Bescheid vom 21.11.2011 noch verfügte Erstattung einer Überzahlung iHv 2234,17 Euro für April bis September 2011 wurde (unter Saldierung mit Nachzahlungen für weitere Zeiträume) durch die Anordnung einer Nachzahlung iHv 1791,32 Euro ersetzt. Auf den Überprüfungsantrag des Klägers nach § 44 SGB X ist somit der Bescheid vom 3.5.2012 gerade insoweit streitbefangen, als er eine weitergehende Korrektur des Bescheids vom 21.11.2011 für die Monate April bis September 2011 und eine noch höhere Nachzahlung versagt und soweit das Teilanerkenntnis die vom Kläger beanspruchte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe noch nicht vollständig zuerkannt hat.

17

Zutreffende Klageart hierfür ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 S 1 und Abs 4 iVm § 56 SGG - s hierzu zB BSG Urteil vom 13.2.2014 - B 4 AS 19/13 R - BSGE 115, 121 = SozR 4-1300 § 44 Nr 29, RdNr 11; Senatsurteil vom 20.4.2014 - B 13 R 3/13 R - SozR 4-1300 § 44 Nr 30 RdNr 13). Das Verbot von Klageänderungen im Revisionsverfahren (§ 168 S 1 SGG) steht einer Ergänzung der ursprünglich erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage um eine Leistungsklage noch im Revisionsverfahren nicht entgegen (vgl § 99 Abs 3 Nr 2 SGG), weil eine Änderung des Klagegrundes iS des § 99 Abs 3 SGG damit nicht verbunden ist(BSG Urteil vom 20.9.1989 - 7 RAr 110/87 - BSGE 65, 272, 275 = SozR 4100 § 78 Nr 8 S 34 - Juris RdNr 32; BSG Urteil vom 15.12.2016 - B 9 V 3/15 R - SozR 4-3800 § 1 Nr 23 RdNr 13).

18

B) Die auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachtenden Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor. Insbesondere war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG statthaft, obgleich eine Zulassung des Rechtsmittels nicht erfolgte. Der Beschwerdegegenstand des Berufungsverfahrens betraf zum maßgeblichen Zeitpunkt der Einlegung der Berufung (§ 202 S 1 SGG iVm § 4 Abs 1 ZPO; vgl BSG Urteil vom 24.5.2006 - B 3 KR 15/05 R - SozR 4-1500 § 144 Nr 4 RdNr 13 mwN) einen Verwaltungsakt über eine Geldleistung, welche die Berufungssumme von 750 Euro überstieg, sodass es einer Berufungszulassung nicht bedurfte (§ 144 Abs 1 S 1 Nr 1 SGG). Denn es errechnet sich auf der Grundlage eines Zahlbetrags der begehrten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe von monatlich 445,07 Euro (April bis Juni) bzw 449,48 Euro (Juli bis September) und des bewilligten Zahlbetrags der halben Rente von monatlich 222,54 Euro bzw 224,74 Euro eine Beschwer des Klägers iHv (3 x 222,53 + 3 x 224,74 =) 1341,81 Euro. Die im Bescheid vom 3.5.2012 saldierten Rückzahlungs- und Nachzahlungsbeträge für andere Zeiträume, über die zwischen den Beteiligten kein Streit besteht, sind für die Berufungssumme ebenso ohne Belang wie das im Verlauf des Berufungsverfahrens von der Beklagten abgegebene Teilanerkenntnis über 1247,43 Euro.

19

C) Die Revision hat in der Sache Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 3.5.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2012 und des Teilanerkenntnisses ist rechtswidrig und beschwert den Kläger (§ 54 Abs 2 S 1 SGG), soweit er für die Monate April bis September 2011 eine vollständige Korrektur des Bescheids vom 21.11.2011 ablehnt, Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für diesen Zeitraum lediglich in Höhe der Hälfte zuerkennt und die Differenz zu der bereits in voller Höhe gezahlten Rente zurückfordert. Die Beklagte ist verpflichtet, insoweit den Bescheid vom 21.11.2011 in Gestalt des Bescheids vom 3.5.2012 zu ändern. Denn der Kläger kann auch in diesem Zeitraum die Zahlung der Rente in voller Höhe, dh hier die Nachzahlung des Betrags verlangen, der unter Berücksichtigung bereits vorgenommener Saldierungen mit Nachzahlungsbeträgen für andere Zeiträume sowie des Teilanerkenntnisses noch offen ist.

20

Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers auf eine weitergehende Korrektur des bestandskräftig gewordenen Bescheids vom 21.11.2011 ist § 44 SGB X. Gemäß § 44 Abs 1 S 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich - unter anderem - im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt worden ist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Der Bescheid vom 21.11.2011 ist insofern ein nicht begünstigender Verwaltungsakt, als er verfügte, dass die ursprünglich bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit einem Zahlbetrag in voller Höhe für den Zeitraum ab April 2011 im Hinblick auf die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenzen nicht mehr gezahlt wird. Diese Belastung hat in der Gestalt, die die Rentenbewilligung für Zeiträume ab März 2011 in dem Bescheid vom 3.5.2011 gefunden hat, insoweit noch Bestand, als darin für die Monate April bis September 2011 die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nur in Höhe der Hälfte zuerkannt wurde, mithin in Höhe der zweiten Hälfte.

21

Die Voraussetzung für einen Anspruch auf Bescheidkorrektur nach § 44 Abs 1 S 1 SGB X, dass bei Erlass des Bescheids vom 21.11.2011 das Recht unrichtig angewandt worden ist, ist hier erfüllt. Denn als Rechtsgrundlage für die in jenem Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit verfügte Aufhebung der Bewilligung eines Zahlbetrags an Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum ab April 2011 im Hinblick auf Hinzuverdienst kommt allein § 48 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 3 SGB X iVm § 96a Abs 1, Abs 2 Nr 1 und Abs 3 SGB VI(die Bestimmungen des SGB VI in der bis zum 30.6.2017 geltenden Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 8.4.2008 - BGBl I 681; im Folgenden: aF) in Betracht. Nach § 48 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 3 SGB X soll ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, soweit eine wesentliche Änderung in den bei seinem Erlass vorliegenden tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eintritt, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Gemäß § 48 Abs 1 S 3 SGB X gilt in Fällen der Einkommensanrechnung auf einen zurückliegenden Zeitraum der Beginn des Anrechnungszeitraums als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse. Rechtsgrundlage für die angeordnete Erstattung überzahlter Rentenleistungen infolge der Aufhebung eines Verwaltungsakts ist § 50 Abs 1 SGB X.

22

Die genannten Voraussetzungen des § 48 Abs 1 S 1 und 2 SGB X für eine Bescheidkorrektur zu Lasten des Klägers lagen jedoch nicht vor. Eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Bewilligung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit einem Zahlbetrag in voller Höhe vorgelegen haben (s hierzu Senatsurteil vom 6.5.2010 - B 13 R 16/09 R - SozR 4-1300 § 48 Nr 19 RdNr 15 mwN), trat hier nicht ein. Denn der vom Arbeitgeber des Klägers gemäß § 22 Abs 2 TVöD gezahlte KrgZ war kein rentenschädlicher Hinzuverdienst iS von § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF(s nachfolgend unter I.). Bei Außerachtlassung des KrgZ wurde die Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe in den noch streitbefangenen Monaten April bis September 2011 aufgrund der zu berücksichtigenden Einnahmen nicht überschritten (dazu unter II.). Somit steht dem Kläger für diese Monate die Rente in voller Höhe zu und ist für eine teilweise Erstattung der bereits geleisteten Rentenzahlungen nach § 50 SGB X kein Raum(dazu unter III.).

23

I. Der vom Arbeitgeber des Klägers auf der Grundlage des § 22 Abs 2 TVöD während des Bezugs von Krg und Übg gezahlte KrgZ ist nicht als Hinzuverdienst auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzurechnen. Zwar handelt es sich um Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung (dazu unter 1.) und auch um einen während des Rentenbezugs erzielten Hinzuverdienst (dazu unter 2.). Es ist jedoch geboten, einen KrgZ, soweit er gemäß § 23c SGB IV nicht als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt gilt, bei Anwendung des § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF nicht als rentenschädlichen Hinzuverdienst zu behandeln(dazu unter 3.).

24

1. Der KrgZ nach § 22 Abs 2 TVöD ist "Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung" iS des § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF.

25

Nach § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF wird die in § 96a Abs 2 SGB VI aF näher bestimmte Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in Abs 2 aaO genannten Beträge nicht übersteigt. Danach ist als Hinzuverdienst insbesondere Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung zu berücksichtigen. Was als "Arbeitsentgelt" iS dieser Bestimmung anzusehen ist, bestimmt sich (a) im Ausgangspunkt nach den für alle Versicherungszweige geltenden Regelungen in § 14 SGB IV(stRspr - s zuletzt Senatsurteil vom 10.7.2012 - B 13 R 85/11 R - SozR 4-2600 § 96a Nr 14 RdNr 30 mwN). Ergänzend sind (b) die Bestimmungen der auf der Grundlage von § 17 Abs 1 SGB IV erlassenen "Verordnung über die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Zuwendungen des Arbeitgebers als Arbeitsentgelt"(Sozialversicherungsentgeltverordnung - SvEV vom 21.12.2006, BGBl I 3385) heranzuziehen (vgl BSG Urteil vom 16.2.1989 - 4 RA 2/88 - SozR 2200 § 1241f Nr 4 S 8 - Juris RdNr 14 - noch zu der am 31.12.2006 außer Kraft getretenen Arbeitsentgeltverordnung; s auch Gürtner in Kasseler Komm, § 34 SGB VI RdNr 19, Stand der Einzelkommentierung März 2017; Kamprad in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 96a RdNr 11, Stand der Einzelkommentierung Juni 2015; Fichte in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 34 RdNr 34, Stand der Einzelkommentierung April 2013). Schließlich ist (c) in einem dritten Schritt zu untersuchen, ob Sonderregelungen außerhalb der §§ 14, 17 SGB IV das Arbeitsentgelt abweichend regeln(§ 1 Abs 3 SGB IV, vgl hierzu zB Knospe in Hauck/Noftz, SGB IV, K § 14 RdNr 70, Stand der Einzelkommentierung Februar 2016).

26

a) Der nach § 22 TVöD gezahlte KrgZ ist Arbeitsentgelt iS des § 14 SGB IV.

27

aa) Gemäß § 14 Abs 1 S 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung(§ 7 SGB IV), gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Diese weite Begriffsbestimmung umfasst alle Einnahmen, die dem Versicherten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen. Hierunter fallen insbesondere die Gegenleistungen des Arbeitgebers für eine bestimmte Arbeitsleistung. Arbeitsentgelt sind aber auch alle Zahlungen, denen ein Anspruch auf eine konkrete Arbeitsleistung nicht gegenübersteht, wie zB die Entgeltfortzahlung an Feiertagen, im Krankheitsfall sowie bei Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation nach §§ 2, 3, 3a und 9 Entgeltfortzahlungsgesetz(EFZG - vgl BSG Urteil vom 28.1.1999 - B 12 KR 14/98 R - BSGE 83, 266, 267 = SozR 3-2400 § 14 Nr 17 S 38; BSG Urteil vom 7.3.2007 - B 12 KR 4/06 R - SozR 4-2400 § 14 Nr 8 RdNr 15). Dasselbe gilt für einen KrgZ, der vom Arbeitgeber für Zeiträume einer Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit zur Ergänzung der deshalb gewährten Sozialleistungen gezahlt wird (zum KrgZ als Arbeitsentgelt s bereits BSG Urteil vom 30.1.1963 - 3 RK 16/59 - BSGE 18, 236 = SozR Nr 3 zu § 189 RVO - Juris RdNr 11, 14, 16; BSG Urteil vom 15.12.1970 - 10 RV 789/68 - BSGE 32, 150 = SozR Nr 4 zu § 14 BVG - Juris RdNr 17 f; BSG Urteil vom 10.11.1977 - 3 RK 11/76 - Juris RdNr 13 f; s auch BAG Urteil vom 26.3.1991 - 3 AZR 47/90 - AP Nr 29 zu § 1 BetrAVG Unterstützungskassen - Juris RdNr 15). Der vom Arbeitgeber gemäß § 22 TVöD zu leistende KrgZ ist Bestandteil des arbeitsrechtlich geschuldeten Entgelts. Zur Zahlung eines solchen KrgZ war der Arbeitgeber vormals gesetzlich verpflichtet, als das Krg aus der GKV noch deutlich niedriger war als heute und es noch keinen allgemeinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gab (vgl § 1 des Gesetzes zur Verbesserung der wirtschaftlichen Stellung der Arbeiter im Krankheitsfall vom 26.6.1957 - ArbKrankhG - BGBl I 649). Mit Schaffung des Lohnfortzahlungsgesetzes (Art 1 des Gesetzes vom 27.7.1969 - BGBl I 946) wurde die Zahlung eines KrgZ durch den Arbeitgeber zu einer aufgrund Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag geschuldeten Zusatzleistung (vgl Steffan in vom Stein/Rothe/Schlegel , Gesundheitsmanagement und Krankheit im Arbeitsverhältnis, 2015, Kap 4 § 4 RdNr 50; Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 98 RdNr 158 ff).

28

bb) Der Einordnung des KrgZ als arbeitsrechtlich geschuldetes Entgelt steht hier nicht entgegen, dass diese Leistung vom Arbeitgeber des Klägers lediglich als Vorschuss auf die Rente gezahlt wurde (vgl BSG Urteil vom 29.1.2014 - B 5 R 36/12 R - BSGE 115, 110 = SozR 4-1200 § 53 Nr 4, RdNr 22; s auch Abschn R 3.1.1 und 3.1.12 der Gemeinsamen Rechtlichen Anweisungen der DRV zu § 96a SGB VI, Stand 31.5.2017). Zwar sieht § 22 Abs 4 TVöD eine solche Ausgestaltung an sich vor. Nach S 2 dieser Regelung wird der KrgZ nicht über den Zeitpunkt hinaus gezahlt, von dem an der Beschäftigte eine Rente aus eigener Versicherung aus der GRV erhält. Nach § 22 Abs 4 S 4 Halbs 1 TVöD gilt ein überzahlter KrgZ als Vorschuss auf die in demselben Zeitraum zustehende Rentenleistung; gemäß Halbs 2 dieser Regelung gehen die Ansprüche der Beschäftigten insoweit auf den Arbeitgeber über (zur Unwirksamkeit nur dieses Forderungsübergangs vgl BSG Urteil vom 29.1.2014 - B 5 R 36/12 R - aaO, RdNr 23 ff; BAG Urteil vom 12.5.2016 - 6 AZR 365/15 - BAGE 155, 88 = AP Nr 1 zu § 22 TVöD - Juris RdNr 19). Diese tarifliche Regelung ist auch auf eine rückwirkend bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung anzuwenden, sodass grundsätzlich neben einer solchen Rente kein KrgZ beansprucht werden kann; ein gleichwohl gewährter KrgZ ist an den Arbeitgeber zurückzuzahlen (BAG Urteil vom 12.5.2016 - 6 AZR 365/15 - aaO, RdNr 13 ff). Das gilt jedoch nicht, wenn ein Beschäftigter im Rahmen einer neben dem Bezug von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ausgeübten Weiterbeschäftigung wegen Krankheit arbeitsunfähig wird. In einer solchen Konstellation steht ihm neben dem Anspruch auf Krg auch der tarifliche KrgZ zu (BAG Urteil vom 12.5.2016 - aaO, RdNr 35), sodass dessen Zahlung nicht lediglich vorschussweise erfolgt.

29

cc) Ein Ausschluss des KrgZ vom Begriff des Arbeitsentgelts iS des § 14 SGB IV ergibt sich auch nicht aus § 14 Abs 1 S 3 SGB IV(in der bis zum 21.4.2015 geltenden und hier noch maßgeblichen Fassung; nunmehr: § 1 Abs 1 S 1 Nr 16 SvEV idF des 5. SGB IV-ÄndG vom 15.4.2015, BGBl I 583). Hiernach waren steuerfreie Aufwandsentschädigungen und die in § 3 Nr 26 und 26a EStG genannten steuerfreien Einnahmen - insbesondere im Rahmen von ehrenamtlichen Tätigkeiten - nicht als Arbeitsentgelt zu behandeln. Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krg oder zu anderen Sozialleistungen gehören dazu jedoch nicht.

30

b) Die ergänzenden Regelungen der SvEV (in der hier maßgeblichen, ab 1.1.2011 geltenden Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung der SvEV vom 10.11.2010, BGBl I 1751) gestatten es nicht, den KrgZ von einer Behandlung als Arbeitsentgelt auszunehmen.

31

Der KrgZ nach § 22 Abs 2 TVöD fällt nicht unter die Ausnahmebestimmung in § 1 Abs 1 S 1 Nr 1 SvEV. Nach dieser Regelung sind ua laufende Zuschläge, Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen, die zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährt werden, dem Arbeitsentgelt nicht zuzurechnen, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Der KrgZ ist zwar ein solcher laufender Zuschuss, doch fehlt es an der weiteren Voraussetzung der Lohnsteuerfreiheit. Allerdings war ursprünglich in Abschn 2 Ziff 2 des Gemeinsamen Erlasses des Reichsministers der Finanzen und des Reichsarbeitsministers vom 10.9.1944 ebenso wie später in Abschn 10 Abs 2 Ziff 4 der Lohnsteuerrichtlinien 1952 bestimmt, dass Kranken- und Hausgeldzuschüsse lohnsteuerfrei sind. Diese Regelung lehnte sich an die Bestimmung in § 189 Abs 1 S 3 RVO an, nach der Zuschüsse des Arbeitgebers zum Kranken- oder Hausgeld ohne Rücksicht auf ihre Höhe nicht als Arbeitsentgelt galten(hierzu näher BFH Urteil vom 21.11.1958 - VI 48/57 S - BFHE 68, 176 - Juris RdNr 12, 25; ebenso der zum 1.8.1961 eingefügte, bis 31.12.1969 geltende § 160 Abs 4 RVO idF des Gesetzes vom 12.7.1961, BGBl I 913). Seit dem 1.1.1963 gehörten jedoch gemäß § 2 Abs 3 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) vom 25.7.1962 die Zuschüsse im Krankheitsfall in vollem Umfang zum steuerpflichtigen Arbeitslohn (vgl Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Bescheid vom 7.2.1963 - BB 1963, 394 sowie Anmerkung hierzu). Daran hat sich bis heute nichts geändert. Nach § 2 Abs 2 Nr 5 LStDV(idF des Steuerbereinigungsgesetzes vom 22.12.1999, BGBl I 2601) gehören zum Arbeitslohn auch die besonderen Zuwendungen, die aufgrund des Dienstverhältnisses gewährt werden, "zum Beispiel Zuschüsse im Krankheitsfall" (s auch Kirchhof, EStG, 16. Aufl 2017, § 19 RdNr 78, Stichwort "Krankengeldzuschüsse"; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck, TVöD, § 22 RdNr 158, Stand der Einzelkommentierung Februar 2017).

32

Ein Ausschluss der Zuordnung des KrgZ zum Arbeitsentgelt findet sich auch nicht in den weiteren Regelungen von § 1 Abs 1 S 1 Nr 2 bis Nr 15 SvEV(in der ab 1.1.2011 geltenden Fassung). § 1 Abs 1 S 1 Nr 5 SvEV nimmt nur die Beträge nach § 10 EFZG von der Zurechnung zum Arbeitsentgelt aus. Hierbei handelt es sich um Zuschläge zum Arbeitsentgelt, die speziell für in Heimarbeit Beschäftigte zur wirtschaftlichen Sicherung im Krankheitsfall zu zahlen sind. § 1 Abs 1 S 1 Nr 6 SvEV nimmt lediglich die Zuschläge des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG vom Arbeitsentgelt aus(zur Steuerfreiheit dieser Zuschläge s auch § 3 Nr 1 Buchst d EStG). § 1 Abs 1 S 1 Nr 8 SvEV betrifft nur die Ausklammerung von Zuschüssen des Arbeitgebers zum Kurzarbeitergeld und Saison-Kurzarbeitergeld, soweit sie zusammen mit dem Kurzarbeitergeld 80 Prozent des Unterschiedsbetrages zwischen dem Sollentgelt und dem Ist-Entgelt nach § 179 SGB III nicht übersteigen. Krankengeldzuschüsse können auch nicht als "sonstige Bezüge" iS von § 1 Abs 1 S 1 Nr 2 SvEV aufgrund einer Pauschalbesteuerung durch den Arbeitgeber(§ 40 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG)vom Arbeitsentgelt ausgeklammert werden. Denn "sonstige Bezüge" iS dieser Vorschriften ist nach der Definition in § 38a Abs 1 S 3 EStG nur Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird, was beim KrgZ jedoch der Fall ist.

33

c) Sonderregelungen in den einzelnen Sozialleistungsbereichen, die gemäß § 1 Abs 3 SGB IV den allgemeinen Regelungen in den §§ 14, 17 SGB IV vorgehen, sind für den KrgZ ebenfalls nicht einschlägig.

34

Dies gilt zum einen für die in § 96a Abs 1 S 3 SGB VI aF normierte Ausnahme von der Behandlung als Arbeitsentgelt hinsichtlich derjenigen Entgelte, die an Pflegepersonen oder an behinderte Menschen in Einrichtungen gezahlt werden(nunmehr § 96a Abs 2 S 2 SGB VI in der ab 1.7.2017 geltenden Fassung).

35

Aber auch die Regelung in § 49 Abs 1 Nr 1 Teils 3 SGB V aF(in der bis zum 29.3.2005 geltenden Fassung des RRG 1992 vom 18.12.1989, BGBl I 2261), die speziell die Einordnung des KrgZ behandelte, ist nicht mehr anwendbar. Dort war bestimmt, dass Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krg nicht als Arbeitsentgelt gelten, soweit sie zusammen mit dem Krg das Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Damit führte § 49 SGB V jene Regelung inhaltlich modifiziert fort, die zuvor nach § 189 Abs 1 S 3 RVO(idF von § 8 Nr 3 ArbKrankhG vom 26.6.1957) die Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krg "ohne Rücksicht auf ihre Höhe" vom Begriff des Arbeitsentgelts ausklammerte (s früher auch § 160 Abs 4 RVO in der ab 1.8.1961 bis 31.12.1969 geltenden Fassung). Art 4 Nr 3 des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes (vom 21.3.2005, BGBl I 818) hat die Bestimmung in § 49 Abs 1 Nr 1 Teils 3 SGB V jedoch mWv 30.3.2005 gestrichen und durch die Vorschrift in § 23c SGB IV ersetzt. § 23c Abs 1 S 1 SGB IV(vom 30.3.2005 bis 31.12.2007 sowie vom 1.1.2017 bis 10.4.2017: § 23c S 1 SGB IV) regelt nach seinem Wortlaut nur noch, dass die Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krg, Verletztengeld, Übg usw und sonstige Einnahmen aus einer Beschäftigung, die für die Zeit des Bezugs von Krg usw weiter erzielt werden, nicht als "beitragspflichtiges Arbeitsentgelt" gelten, soweit die Einnahmen zusammen mit den genannten Sozialleistungen das Nettoarbeitsentgelt (§ 47 SGB V) nicht um mehr als 50 Euro im Monat übersteigen. Damit sondert diese Vorschrift den KrgZ nicht mehr insgesamt in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht aus dem Begriff des Arbeitsentgelts aus, was ohne Weiteres auch im Rahmen des § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF maßgeblich wäre. Vielmehr trifft § 23c SGB IV nach seinem Wortlaut eine spezifische Regelung zur Erhebung von Beiträgen. Das ergibt sich auch aus der Eingliederung in den Zweiten Titel "Beiträge" des Zweiten Abschnitts des SGB IV (dh nicht in den Ersten Abschnitt "Grundsätze und Begriffsbestimmungen", der ua die §§ 14, 17 SGB IV enthält).

36

2. Der nach vorstehenden Ausführungen als Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung einzuordnende KrgZ wäre dem Grunde nach auch Hinzuverdienst. Ein Hinzuverdienst iS des § 96a Abs 1 S 2 SGB VI liegt vor, wenn das Arbeitsentgelt - unabhängig vom Zeitpunkt seines Zuflusses - der Zeit des Rentenbezugs rechtlich zugeordnet werden kann(s hierzu ausführlich Senatsurteil vom 6.9.2017 - B 13 R 21/15 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Eine solche rechtlich-zeitliche Kongruenz zwischen dem KrgZ und dem Rentenbezug ist hier bereits aufgrund der fortlaufend und parallel zur monatlichen Rentenzahlung für denselben Zeitraum erfolgenden Auszahlung des KrgZ zu bejahen.

37

3. Gleichwohl ist es mit Rücksicht auf den Sinn und Zweck der Regelung geboten, einen vom Arbeitgeber ergänzend zum Krg oder Übg gezahlten KrgZ iS des § 23c Abs 1 S 1 SGB IV nicht zusätzlich zum Krg als rentenschädlichen Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Insoweit ist die Regelung in § 96a Abs 1 S 2 und 3 iVm Abs 3 S 1 und 3 SGB VI aF im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend auszulegen.

38

Die teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs einer Norm gehört zu den anerkannten, bei Beachtung ihrer Voraussetzungen auch mit Rücksicht auf Art 20 Abs 2 S 2 und Abs 3 GG nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (BVerfG Beschluss vom 30.3.1993 - 1 BvR 1045/89 ua - BVerfGE 88, 145, 167; BVerfG Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13 ua - NVwZ 2017, 617 RdNr 22; s auch Senatsurteil vom 24.2.2016 - B 13 R 22/15 R - BSGE 121, 18 = SozR 4-2600 § 118 Nr 14, RdNr 32 mwN). Sie ist dann vorzunehmen, wenn die auszulegende Vorschrift auf einen Teil der vom Wortlaut erfassten Fälle nicht angewandt werden soll, weil der Sinn und Zweck der Norm (a), ihre Entstehungsgeschichte (b) und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen (c) gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13 ua - aaO). Die Grenzen der Auslegung sind dabei weiter, soweit die vom Gericht im Wege der Rechtsfortbildung gewählte Lösung dazu dient, den verfassungsmäßigen Rechten des Einzelnen zum Durchbruch zu verhelfen (BVerfG Beschluss vom 31.10.2016 - 1 BvR 871/13 ua - aaO, RdNr 20 mwN) (d). Eine reine Wortinterpretation schreibt die Verfassung nicht vor. Die Erfüllung des Wortlauts einer Norm zwingt deshalb nicht ausnahmslos dazu, deren Rechtsfolgen wirksam werden zu lassen (vgl BVerfG Beschluss vom 23.5.2016 - 1 BvR 2230/15 ua - NJW-RR 2016, 1366 RdNr 50 mwN).

39

a) Die Besonderheit des KrgZ nach § 22 Abs 2 TVöD besteht darin, dass er einerseits - wie gezeigt - Arbeitsentgelt aus einer Beschäftigung iS der §§ 14, 17 SGB IV darstellt. Andererseits gelangt der KrgZ aber stets nur dann zur Auszahlung, wenn auch eine Entgeltersatzleistung bezogen wird, die im Rahmen der Hinzuverdienstanrechnung nicht nur mit ihrem Netto-Zahlbetrag, sondern - insoweit fiktiv - mit dem ihr zugrunde liegenden Brutto-Arbeitsentgelt berücksichtigt wird (§ 96a Abs 3 S 3 SGB VI aF - zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung s Senatsurteil vom 31.1.2008 - B 13 R 23/07 R - Juris RdNr 35 ff). Bei wirtschaftlicher Betrachtung führt der KrgZ lediglich dazu, dass das mit dem verbliebenen Restleistungsvermögen in einer Beschäftigung ergänzend zum Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (also entsprechend der Konzeption des § 43 Abs 1 SGB VI) erzielte Arbeitsentgelt im Netto-Betrag auch dann erhalten bleibt, wenn infolge Arbeitsunfähigkeit Entgeltersatzleistungen das originäre Arbeitsentgelt ersetzen müssen. Sein Zweck besteht darin, den Lebensstandard auch in Arbeitsunfähigkeitszeiten auf dem bisherigen Niveau zu sichern, indem Einbußen aufgrund der das Nettoarbeitsentgelt nicht erreichenden Sozialleistungen (Krg oder Übg) ausgeglichen werden. Dies macht deutlich, dass der KrgZ gerade nicht zu einer Übersicherung führt, die mit den Regelungen zum Hinzuverdienst in § 96a SGB VI aF verhindert werden soll(Senatsurteil vom 31.1.2008 - B 13 R 23/07 R - Juris RdNr 34). Trotz des Nichtvorliegens einer Übersicherung im Netto-Betrag kann aber, wie der Fall des Klägers anschaulich zeigt, gerade die Zusammenrechnung des KrgZ mit dem der Zahlung des Krg zugrunde liegenden Brutto-Arbeitsentgelt zu einer Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze für die daneben bezogene Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe führen, obwohl das vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit durch "aktive" Arbeit in derselben Höhe erzielte Nettoarbeitsentgelt rentenunschädlich war.

40

Mit der in § 96a Abs 3 SGB VI aF angeordneten Einbeziehung des Erwerbsersatzeinkommens als Hinzuverdienst sollte aber, wie der Senat bereits entschieden hat, nicht grundsätzlich etwas anderes bewirkt - insbesondere keine zusätzliche Belastung eingeführt - werden als bei der originären Berücksichtigung eines durch Arbeit erzielten Hinzuverdienstes(Senatsurteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 43/02 R - BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3, RdNr 17). Vielmehr sollte mit der zum 1.1.1999 in Kraft getretenen Ergänzung des § 96a SGB VI aF um die Abs 3 und 4(idF des RRG 1999 vom 16.12.1997 - BGBl I 2998; zur weiteren Gesetzesentwicklung s Senatsurteil vom 31.1.2008 - B 13 R 23/07 R - Juris RdNr 33) lediglich sichergestellt werden, "dass ein Versicherter, dessen Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wegen eines Hinzuverdienstes gekürzt wird, nicht besser gestellt wird, wenn an die Stelle des Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens eine kurzfristige Lohnersatzleistung tritt" (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 13/8671 S 118 - zu Nr 47a ). Eine Schlechterstellung der Bezieher kurzfristiger Entgeltersatzleistungen gegenüber Versicherten, die neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Arbeitsentgelt aus einer aktiven Beschäftigung erzielen, war mit der Regelung nicht beabsichtigt (Senatsurteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 43/02 R - aaO, RdNr 18). Zu solch einer im Lichte des Art 3 Abs 1 GG kaum zu rechtfertigenden Schlechterstellung würde es aber führen, wenn für Zeiten, in denen der Bezieher einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung die Entgeltersatzleistung Krg und zudem einen das bisherige Arbeitsentgelt bis zur Höhe des Nettolohns aufstockenden KrgZ bezieht, die Hinzuverdienstgrenze rentenschädlich als überschritten angesehen würde, obwohl bei aktiver Beschäftigung mit einem Nettolohn in derselben Höhe die Hinzuverdienstgrenze nicht erreicht und daher die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ungeschmälert geleistet wird. Aus diesem Grund gebietet es der Sinn und Zweck der Regelung des § 96a SGB VI aF zur Berücksichtigung von Hinzuverdienst unter Einbeziehung von Entgeltersatzleistungen, einen zusätzlich zum Krg, aber innerhalb der Grenzen des § 23c Abs 1 S 1 SGB IV gezahlten KrgZ als Hinzuverdienst unberücksichtigt zu lassen.

41

b) Aus der Entstehungsgeschichte und Entwicklung der gesetzlichen Regelungen ergibt sich nichts Gegenteiliges. Die Vorschrift des § 96a SGB VI aF zur rentenschädlichen Berücksichtigung von Hinzuverdienst wurde erstmals mWv 1.1.1996 in das Gesetz aufgenommen. Damals war allerdings noch keine Regelung zur Berücksichtigung von Entgeltersatzeinkommen enthalten, sodass die hier zugrunde liegende Problematik einer Zusammenrechnung von Krg und KrgZ ohne Bedeutung war. Eine solche Konstellation wurde erstmals mit Einfügung des § 96a Abs 3 SGB VI aF zum 1.1.1999 relevant. Diese Bestimmung sollte jedoch - wie oben ausgeführt - nur eine Besserstellung der Bezieher von Entgeltersatzleistungen verhindern, die hätte eintreten können, wenn neben einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung im Fall der Arbeitsunfähigkeit anstelle des Brutto-Arbeitsentgelts nur der niedrigere Netto-Zahlbetrag des Krg als Hinzuverdienst angerechnet worden wäre. Die Frage, ob ein KrgZ zusätzlich zu dem Arbeitsentgelt, das dem Krg zugrunde liegt, als Hinzuverdienst zu berücksichtigen ist, wurde im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung, der vorschlug, die Regelung in das RRG 1999 einzufügen, nicht erörtert.

42

Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber des Verwaltungsvereinfachungsgesetzes (vom 21.3.2005 - BGBl I 818) mit der Streichung der Bestimmung in § 49 Abs 1 Nr 1 Teils 3 SGB V und der Neuregelung in § 23c SGB IV gerade auch eine Berücksichtigung des KrgZ als Hinzuverdienst im Rahmen des § 96a SGB VI bewirken wollte. Vielmehr sollte mit dem Gesetzesvorhaben eine langjährige Praxis der Sozialversicherungsträger anerkannt und die Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krg und zu anderen Entgeltersatzleistungen weiterhin von der Beitragspflicht in der Sozialversicherung ausgenommen werden (Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks 15/4228 - S 2 , S 21 und S 22 - zu Nr 5 <§ 23c>). Die Folgewirkungen der zur Vereinfachung des Beitragseinzugs vorgenommenen Änderungen für die Leistungsseite der Sozialversicherung hatte der Gesetzgeber dabei nur insoweit im Blick, als er die weitere Ausklammerung des KrgZ bei der Beitragserhebung auch damit begründete, dass dadurch später höhere Sozialleistungen - insbesondere höhere Rentenanwartschaften im Alter - vermieden werden sollten. Denn es sei "Ziel dieser Zusatzleistungen, die Abdeckung der konkreten Bedarfssituation zu erreichen" (BT-Drucks 15/4228 S 22 - zu Nr 5 <§ 23c> Abs 2). Damit hat der Gesetzgeber das sozialpolitische Ziel der arbeitsvertraglichen oder tariflichen Regelungen zum KrgZ im Grundsatz als berechtigt anerkannt. Es ist aber nicht ansatzweise zu erkennen, dass mit der Gesetzesänderung im Ergebnis eine Absenkung von Rentenleistungen gerade wegen der Zahlung dieser Zusatzleistungen bewirkt werden sollte.

43

c) Unter systematischen Gesichtspunkten ist zudem zu berücksichtigen, dass in der Regelung des § 49 Abs 1 Nr 1 SGB V letztlich auch zum Ausdruck kommt, dass bei Erhalt eines KrgZ zusätzlich zum Krg(in den Grenzen des § 23c SGB IV) eine Übersicherung nicht vorliegt. Denn sie ordnet ein Ruhen des Anspruchs auf Krg zur Vermeidung einer Übersicherung nur an, soweit der Versicherte "beitragspflichtiges Arbeitsentgelt" erhält. Nach § 23c Abs 1 S 1 SGB IV gelten aber die Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krg nicht als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, soweit sie zusammen mit dem Krg das Nettoarbeitsentgelt nicht um mehr als 50 Euro im Monat übersteigen.

44

d) Die im Wege der teleologischen Reduktion gebotene Nichtberücksichtigung des KrgZ als rentenschädlicher Hinzuverdienst zusätzlich zu dem Arbeitsentgelt, das dem Krg zugrunde liegt, dient nicht zuletzt auch dazu, dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG Geltung zu verschaffen. Insofern ist von Bedeutung, dass gemäß § 1 Abs 1 S 1 Nr 5 bis 8 SvEV nur bestimmte Zuschüsse des Arbeitgebers, die an sich Arbeitsentgelt darstellen, dennoch nicht dem Arbeitsentgelt zugerechnet werden, sodass sie auch im Rahmen des § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF nicht als rentenschädlich anzusehen sind(s oben RdNr 32); vgl hierzu auch die Übersicht von Werner in juris-PK SGB IV, 3. Aufl 2016, § 14 RdNr 187). Das mag bei den Beträgen nach § 10 EFZG, die Auftraggeber an Heimarbeiter zum Ausgleich des Einkommensverlusts im Krankheitsfall zu zahlen haben(s § 1 Abs 1 S 1 Nr 5 SvEV), mit den Besonderheiten der Entgeltgestaltung in der Heimarbeit zu rechtfertigen sein. Auch die Ausklammerung der Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG(s § 1 Abs 1 S 1 Nr 6 SvEV) vom ggf rentenschädlichen Arbeitsentgelt mag ihren rechtfertigenden Grund in der gebotenen besonderen Fürsorge für Mütter (Art 6 Abs 4 GG) haben. Dagegen ist nicht erkennbar, welchen sachlichen Grund es dafür geben könnte, dass ein Arbeitnehmer, der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezieht und zugleich Kurzarbeitergeld oder Saison-Kurzarbeitergeld erhält, sich einen Zuschuss des Arbeitgebers zu diesen Sozialleistungen in bestimmten Grenzen nicht als Arbeitsentgelt zurechnen lassen muss (s § 1 Abs 1 S 1 Nr 8 SvEV), während im Krankheitsfall ein Zuschuss des Arbeitgebers zum Krg Arbeitsentgelt und somit im Rahmen des § 96a SGB VI aF rentenschädlich sein soll. Insofern enthält die Vorschrift des § 1 Abs 1 S 1 SvEV wegen der bislang fehlenden Einbeziehung von Krankengeldzuschüssen mit Blick auf die Anrechnung von Arbeitsentgelt als Hinzuverdienst eine Regelungslücke, die im Lichte des Art 3 Abs 1 GG im Leistungsrecht durch eine teleologische Reduktion des § 96a SGB VI aF zu schließen ist.

45

II. Ist nach alledem der KrgZ, den der Kläger in den Monaten April bis September 2011 von seinem Arbeitgeber gemäß § 22 Abs 2 TVöD zusätzlich zum Krg erhielt, nicht als rentenschädlicher Hinzuverdienst iS von § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF zu berücksichtigen, so ist in diesem Zeitraum ein Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe nicht festzustellen. Diese Hinzuverdienstgrenze betrug gemäß § 96a Abs 2 Nr 1 Buchst a SGB VI aF das 0,23-fache der monatlichen Bezugsgröße, die mit der Summe der Entgeltpunkte der letzten drei Kalenderjahre vor Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung, mindestens jedoch mit 1,5 Entgeltpunkten, zu vervielfältigen ist. Das ergibt nach der Berechnung in Anlage 19 des Bescheids vom 3.5.2012 1826,36 Euro. Beanstandungen insoweit hat der Kläger nicht vorgebracht; auch sonst sind Fehler nicht ersichtlich. Das vom Kläger bezogene Krg bzw Übg war gemäß § 96a Abs 3 S 1 Nr 1 und 3 iVm S 3 SGB VI aF lediglich in Höhe des der Sozialleistung zugrunde liegenden monatlichen Arbeitsentgelts - begrenzt auf den Höchstbetrag des im Falle der Erzielung von Arbeitsentgelt anrechenbaren Hinzuverdiensts(Senatsurteil vom 20.11.2003 - B 13 RJ 43/02 R - BSGE 91, 277 = SozR 4-2600 § 96a Nr 3, RdNr 19) - zu berücksichtigen. Es umfasste 1742,70 Euro (April bis Juli 2011), 1805,27 Euro (August 2011) bzw 1759,50 Euro (September 2011) und blieb damit im gesamten hier bedeutsamen Zeitraum unter der genannten Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe.

46

III. Wurde aber die Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung in voller Höhe im hier streitbefangenen Zeitraum nicht überschritten, so lagen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 SGB X für eine Aufhebung der Rentenbewilligung für die Monate April bis September 2011, wie sie im Bescheid vom 21.11.2011 verfügt wurde, nicht vor. Dieser Bescheid erweist sich insoweit als unrichtig iS von § 44 Abs 1 SGB X. Die Beklagte ist verpflichtet, den Bescheid vom 21.11.2011 hinsichtlich der Versagung einer Rentenzahlung in voller Höhe für die Monate April bis September 2011 zurückzunehmen und die Rente für diese Monate, soweit sie aufgrund des Bescheids vom 3.5.2012 und unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses noch nicht geleistet wurde, nachzuzahlen. Die Begrenzung in § 44 Abs 4 S 1 SGB X steht dem nicht entgegen, da der Kläger die Korrektur des Bescheids vom 21.11.2011 bereits im Januar 2012 beantragt hat (§ 44 Abs 4 S 3 SGB X).

47

D) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. November 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Hinterbliebenenleistungen nach dem Tod ihres Ehemanns (Versicherter).

2

Der im Jahre 1943 geborene Versicherte war als Verwaltungsangestellter und Amtsbetreuer auch für eine Vielzahl von Koma-Patienten verantwortlich. Am 7.9.2006 wurde er auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause von einem herannahenden Motorrad erfasst und schlug mit dem Kopf ohne Helm auf der Bordsteinkante auf. Hierbei zog er sich ua ein schweres Schädelhirntrauma zu und verlor das Bewusstsein. Als Folge des Schädelhirntraumas bestand ein apallisches Syndrom (Wachkoma); willkürliche Reaktionen waren nicht mehr möglich. Der Versicherte war vollständig auf pflegerische Hilfe angewiesen. Die Extremitäten waren tetraplegisch. Wegen einer Dysphagie war der Versicherte seither mit einem Tracheostoma versorgt und wurde künstlich über eine Magensonde ernährt. Er war stuhl- und harninkontinent. Der Versicherte wurde Ende 2006 zur zustandserhaltenden Pflege in ein Wachkomazentrum verlegt und dort stationär pflegerisch, physiotherapeutisch, ergotherapeutisch und logopädisch behandelt; am fortbestehenden Wachkoma änderte sich nichts.

3

Die Klägerin wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Bernau vom 19.3.2007 für alle Angelegenheiten des Versicherten zur Betreuerin bestellt. Die Beklagte erkannte mit Bescheid vom 18.3.2008 das Ereignis vom 7.9.2006 als Arbeitsunfall an. Sie gewährte dem Versicherten eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 vH. In der Folgezeit setzte die Beklagte die Verletztenrente wegen des Zusammentreffens mit der Heimunterbringung auf die Hälfte herab (Bescheid vom 1.12.2009 und Widerspruchsbescheid vom 23.9.2010).

4

Das Unfallkrankenhaus B stellte in einem Bericht vom 29.3.2010 ua fest, dass eine positive Veränderung des Gesundheitszustands des Versicherten nicht mehr zu erwarten sei. In der Folgezeit reifte bei der Klägerin der Entschluss, bei dem Versicherten die Versorgung über die Magensonde einzustellen. Die Klägerin und ihre erwachsenen Söhne erstellten am 9.7.2010 einen von ihnen unterschriebenen Vermerk, in dem sie festhielten, dass der Versicherte, bei dem keine Patientenverfügung in schriftlicher Form vorlag, "zu Zeiten vor seinem Unfall wiederholt und ganz klar geäußert hat, niemals nur durch lebensverlängernde Maßnahmen weiterleben zu wollen". Die Klägerin und ihre Söhne hätten deshalb am 4.7.2010 einvernehmlich entschieden "sein Leiden nach fast vier Jahren zu beenden und ihn sterben zu lassen".

5

Die Klägerin durchtrennte nach Absprache mit der Heimleitung am 12.7.2010 die der Ernährung des Versicherten dienende Magensonde. Der Versicherte verstarb am 20.7.2010 an Unterernährung, ohne nach dem Unfall das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Als Todesursache wurde Marasmus infolge Beendigung der Nahrungszufuhr festgestellt. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 26.8.2010 die von der Klägerin beantragte Hinterbliebenenrente und die Gewährung von Sterbegeld ab. Ein rechtlich wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen den anerkannten Unfallfolgen und dem Tod des Versicherten lasse sich nicht feststellen. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 23.2.2011).

6

Die Klägerin hat Klage zum SG Berlin erhoben und geltend gemacht, es sei ausgeschlossen gewesen, dass sich der Gesundheitszustand des Versicherten wieder bessern würde. Unter dem Eindruck des zur Straflosigkeit eines Behandlungsabbruchs ergangenen Urteils des BGH vom 25.6.2010 (2 StR 454/09) habe sie sich zusammen mit ihren Söhnen entschlossen, den Versicherten sterben zu lassen.

7

Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das strafrechtliche Ermittlungsverfahren gegen die Klägerin mangels hinreichenden Tatverdachts eines Tötungsdelikts mit Verfügung vom 26.11.2012 gemäß § 170 Abs 2 StPO eingestellt.

8

Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und diese verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenrente und Sterbegeld zu zahlen (Urteil vom 16.1.2012). Das LSG hat durch Urteil vom 7.11.2013 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe als Witwe des Versicherten einen Anspruch auf Sterbegeld gemäß § 64 Abs 1 SGB VII und auf Witwenrente aus § 65 SGB VII iVm § 63 Abs 1 SGB VII, weil der Tod des Versicherten infolge des Versicherungsfalls eingetreten sei und kein Anspruchsausschluss nach § 101 Abs 1 SGB VII vorliege. Es liege ein Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII vor, weil der Versicherte "im Wesentlichen" wegen der Folgen des Unfalls vom 7.9.2006 verstorben sei. In dem aufgrund des Unfallereignisses eingetretenen Gesundheitserstschaden, der zunächst zu einem Wachkoma geführt habe, liege eine wesentliche Ursache für den am 20.7.2010 eingetretenen Tod des Versicherten. Der Versicherte habe so schwere Verletzungen davongetragen, dass der Todeseintritt durch die intensivmedizinische Sofortbehandlung und die unmittelbar anschließende, ununterbrochene Intensivpflege letztlich nur aufgeschoben habe werden können. Der Versicherte sei unfallbedingt nicht mehr selbständig lebensfähig gewesen, sondern todgeweiht. Nach Ablauf von fast vier Jahren sei nach Meinung der behandelnden Ärzte eine funktionelle Erholung letztlich ausgeschlossen gewesen. Dementsprechend sei der Tod schließlich allein schon nach dem Unterlassen weiterer künstlicher Ernährung eingetreten. Dieses Unterlassen könne dem Unfall das Gepräge der alles überragenden Ursache für das Versterben des Versicherten nicht nehmen; es ebene dem nach dem Unfall natürlichen Sterbeprozess letztlich nur wieder den Weg. Hiernach könne dahinstehen, ob darin, dass die Klägerin die Magensonde durchtrennt habe, eine (weitere) wesentliche Ursache zu sehen sei, denn die Durchtrennung der Magensonde ändere nichts daran, dass wesentliche Todesursache die beim Unfall zugezogenen Verletzungen gewesen seien.

9

Der Anspruch sei auch nicht nach § 101 Abs 1 SGB VII ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift haben Personen, welche den Tod von Versicherten vorsätzlich herbeigeführt haben, keinen Anspruch auf Leistungen. Die Vorschrift regele einen Sonderfall der Verwirkung, nach der ein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten nicht durch eine Entschädigung aus der Sozialversicherung "belohnt" werden solle. Der Ausschluss setze mithin nicht nur strafrechtliche Vorwerfbarkeit voraus, sondern greife seinem Sinn und Zweck nach selbst dann nicht, wenn eine Tötung auf Verlangen iS von § 216 StGB vorliege. Strafrechtlich nicht sanktionierte Sterbehilfe für einen Schwerstverletzten durch Behandlungsabbruch mit seinem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen, die den Tod als mittelbare Unfallfolge herbeiführe, schließe daher Ansprüche nicht aus. Bei der von der Klägerin am Versicherten vorgenommenen Sterbehilfe sei kein von der Rechtsordnung missbilligtes Verhalten zu erkennen, welches nach dem Sinn und Zweck des § 101 SGB VII Hinterbliebenenansprüche ausschließen könne. Es liege kein strafbewehrtes Tötungsdelikt vor. Die Staatsanwaltschaft Berlin habe das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wegen eines Tötungsdelikts mangels hinreichenden Tatverdachts im Hinblick auf das Urteil des BGH vom 25.6.2010 - 2 StR 454/09 - nachvollziehbar eingestellt. Hiernach sei Sterbehilfe durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung (Behandlungsabbruch) gerechtfertigt, wenn dies dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspreche (vgl §§ 1901a ff BGB)und dazu diene, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen. Ebenso wie die Staatsanwaltschaft Berlin habe der Senat keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Behandlungsabbruch dem mutmaßlichen Willen des Versicherten entsprochen habe. Nach der von der Klägerin und den gemeinsamen drei erwachsenen Söhnen unterschriebenen Erklärung habe der Versicherte keine bloß lebensverlängernden Maßnahmen über sich ergehen lassen wollen. Dass er sich zu Lebzeiten gegenüber seinen Angehörigen in diesem Sinne geäußert habe, erscheine angesichts seiner beruflichen Tätigkeit als Betreuer für Koma-Patienten ohne weiteres nachvollziehbar. Die Klägerin habe sich zu einem derart behaupteten Patientenwillen auch nicht selbst in Widerspruch gesetzt, indem sie noch kurz vor dem Tod des Versicherten der Durchführung einer Blasen- und einer Zahnoperation zugestimmt, auf der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der zwischenzeitlich nicht mehr durchlässigen Magensonde bestanden und ferner auf die weitere Durchführung von Ergotherapie und Logopädie Wert gelegt habe. Hierzu habe die Klägerin plausibel ausgeführt, dass sie, als diese Behandlungsmaßnahmen notwendig geworden seien, schnell auf den Behandlungsbedarf habe reagieren müssen und nicht unter dem Eindruck dieses Behandlungsbedarfs über eine etwaige Sterbehilfe habe entscheiden wollen. Dass der Entschluss zur Sterbehilfe letztlich erst durch das Urteil des BGH vom 25.6.2010 befördert worden sei, sei nachvollziehbar. Auch die zweite Voraussetzung einer straffreien Sterbehilfe, dass der Behandlungsabbruch dazu diente, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen, liege vor.

10

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt insbesondere eine Verletzung des § 101 SGB VII. Anders als in § 101 Abs 2 SGB VII bedürfe es nach dem Wortlaut des § 101 Abs 1 SGB VII keiner Verurteilung wegen eines Verbrechens oder vorsätzlichen Vergehens. § 101 Abs 1 SGB VII setze für den Leistungsausschluss lediglich vorsätzliches Handeln voraus. Das LSG setze sich mit seiner Rechtsprechung insoweit in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BSG zu § 105 SGB VI(Hinweis auf BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/10 B). Die vom LSG hinzugezogene Kommentarliteratur sei in ihrer Argumentation zirkulär, weil sie sich für ihre Rechtsansicht weitgehend auf das erstinstanzliche Urteil des SG Berlin beziehe. Es werde zudem "Aufklärungsrüge" erhoben. Das LSG hätte den "Patientenwillen" des Versicherten im Sinne der Patientenverfügung gemäß § 1901a BGB aufklären und hierzu die Klägerin und deren Söhne persönlich anhören müssen. Des Weiteren hätte sich das LSG gedrängt fühlen müssen, zu den Voraussetzungen des § 1904 Abs 2 und Abs 4 BGB Ermittlungen durchzuführen. Es sei unklar geblieben, ob zwischen den behandelnden Ärzten und der Klägerin Einvernehmen über den Patientenwillen bestanden habe. Wenn ein Einvernehmen bestanden hätte, dann hätte es eines Durchtrennens der Magensonde durch die Klägerin persönlich überhaupt nicht bedurft. Schließlich sei auch der Tod des Versicherten nicht infolge des Arbeitsunfalls eingetreten. Soweit das LSG davon ausgehe, dass der Versicherte infolge des unfallbedingten Wachkomas todgeweiht gewesen sei, widerspreche dies der herrschenden medizinischen Lehrmeinung, weil der Wachkomapatient gerade kein sterbender und damit todgeweihter Patient sei.

11

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 7. November 2013 und des Sozialgerichts Berlin vom 16. Januar 2012 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

13

Sie beruft sich auf die angefochtenen Entscheidungen. Ergänzend trägt sie vor, sie habe sich bei dem zuständigen Betreuungsgericht um eine Zustimmung zum Behandlungsabbruch bemüht. Dort habe man ihr mitgeteilt, einer Zustimmung des Gerichts bedürfe es nicht. Sie sei sich mit der Heimleitung und den behandelnden Ärzten einig gewesen, dass eine Unterbrechung der Magensonde dem Patientenwillen entspreche.

Entscheidungsgründe

14

Die statthafte und zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass der Klägerin Ansprüche auf Leistungen bei Tod gemäß § 63 Abs 1 SGB VII zustehen. Der Tod des Versicherten am 20.7.2010 ist infolge eines Arbeitsunfalls iS des § 8 Abs 1 SGB VII eingetreten(vgl unter 1.). Leistungen an die Klägerin aus diesem Versicherungsfall sind auch nicht gemäß § 101 Abs 1 SGB VII ausgeschlossen(iE unter 2.).

15

Wie der Senat bereits entschieden hat (vgl BSG vom 29.11.2011 - B 2 U 26/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 412; vom 12.1.2010 - B 2 U 5/08 R - SozR 4-2700 § 9 Nr 17 RdNr 26 ff), umfasst der von der Klägerin bestimmte Streitgegenstand das Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Zahlung einer Witwenrente und von Sterbegeld unter jedem rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkt. Diesen Anspruch hat die Beklagte mit den Ablehnungsentscheidungen in ihren Bescheiden verneint. Nach § 63 Abs 1 SGB VII ist Voraussetzung eines jeden Hinterbliebenenrechts(§§ 64 bis 71 SGB VII), dass in der Person des Versicherten ein Versicherungsfall eingetreten war und er infolgedessen verstorben ist. Die Frage, ob ein Versicherungsfall vorgelegen hat und welcher es genau war, ist kein selbstständiger Gegenstand des Verwaltungsverfahrens, über den durch Verwaltungsakt entschieden werden dürfte, sondern nur eine Tatbestandsvoraussetzung des streitgegenständlichen Anspruchs. Wird dieser Anspruch durch negativ feststellenden Verwaltungsakt verneint, ist die Äußerung des Trägers, ein Versicherungsfall habe nicht vorgelegen, nur ein unselbstständiges Begründungselement des Verwaltungsakts. Der Hinterbliebene kann sich daher darauf beschränken vorzutragen, beim Versicherten habe ein Versicherungsfall vorgelegen, der dessen Tod herbeigeführt habe. Der Träger muss dann allein darüber entscheiden, ob das vom Hinterbliebenen verfolgte Recht auf Hinterbliebenenleistungen besteht oder nicht besteht.

16

1. Der Tod des Versicherten am 20.7.2010 ist infolge eines Arbeitsunfalls gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII eingetreten. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach § 8 Abs 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität; vgl BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R und B 2 U 7/13 R -; vom 15.5.2012 - B 2 U 16/11 R - BSGE 111, 52 = SozR 4-2700 § 2 Nr 21, RdNr 10 mwN; vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 26 f; vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 20; vom 18.6.2013 - B 2 U 10/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 47 RdNr 12; vom 4.7.2013 - B 2 U 3/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 50 RdNr 10 und B 2 U 12/12 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 49 RdNr 14).

17

Der Tod des Versicherten ist rechtlich wesentlich aufgrund des Arbeitsunfalls/Wegeunfalls vom 7.9.2006 eingetreten. An diesem Tag wurde der Ehemann der Klägerin auf dem versicherten Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause (§ 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII) von einem herannahenden Motorrad erfasst (äußeres Ereignis) und schlug mit dem Kopf auf der Bordsteinkante unbehelmt auf, wodurch er sich erhebliche Verletzungen zuzog und seitdem im Koma lag.

18

Der am 20.7.2010 eingetretene Tod des Versicherten hat seine rechtlich wesentliche Ursache in dieser durch den Sturz auf die Bordsteinkante bedingten Einwirkung auf den Körper des Versicherten und den dadurch verursachten Gesundheitsschäden "infolge" der Verrichtung der versicherten Tätigkeit (Heimweg von der Arbeitsstelle).

19

Bei der objektiven Verursachung kommt es darauf an, dass die versicherte Verrichtung für das Unfallereignis und dadurch für den Gesundheitserstschaden oder hier den Tod eine (Wirk-) Ursache war (BSG vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R; vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 31 ff; hierzu auch Ricke, WzS 2013, 241). (Wirk-) Ursachen sind nur solche Bedingungen, die erfahrungsgemäß die infrage stehende Wirkung ihrer Art nach notwendig oder hinreichend herbeiführen. Insoweit ist Ausgangspunkt die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der schon jeder beliebige Umstand als notwendige Bedingung eines Erfolgs gilt, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Ob die versicherte Verrichtung eine Wirkursache in diesem Sinne war, ist eine rein tatsächliche Frage. Sie muss aus der nachträglichen Sicht (ex post) nach dem jeweils neuesten anerkannten Stand des Fach- und Erfahrungswissens über Kausalbeziehungen (ggf unter Einholung von Sachverständigengutachten) beantwortet werden (grundlegend BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 55 ff; BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 31 ff). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der (Wirk-) Ursachen fest, muss sich auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller weiteren auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr darstellen. Bei dieser reinen Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg der Einwirkung muss entschieden werden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37).

20

Hier trat zu dem Unfallereignis als weitere (Wirk-) Ursache des Todes der Behandlungsabbruch durch die Durchtrennung der Magensonde hinzu, der auf dem rechtlich geschützten Willen des Versicherten beruhte, keinen lebensverlängernden Maßnahmen ausgesetzt zu sein. Die Klägerin war durch Beschluss des Amtsgerichts Bernau vom 19.3.2007 zur Betreuerin des Versicherten bestellt worden. Dementsprechend war die Klägerin gemäß § 1901a Abs 1 Satz 2 BGB als Betreuerin verpflichtet, dem Willen des Betreuten in der medizinischen Behandlungssituation Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Das LSG hat hierzu für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, dass der Behandlungsabbruch bzw die Durchtrennung der Magensonde dem mutmaßlichen Willen des Versicherten entsprach. Nach § 1901a Abs 2 Satz 1 BGB hat der Betreuer den mutmaßlichen Willen des Patienten zu ermitteln, wenn - wie im vorliegenden Fall - keine Patientenverfügung vorlag. Das LSG hat seinerseits im Einzelnen Feststellungen dazu getroffen, dass und warum die Klägerin und ihre erwachsenen Söhne den mutmaßlichen Willen des Versicherten zutreffend wiedergegeben haben. Soweit die Beklagte hiergegen Verfahrensrügen erhebt, greifen diese nicht durch. Die Beklagte macht insbesondere geltend, die Klägerin und ihre Söhne hätten vom LSG als Zeugen gehört werden bzw das LSG habe sich selbst einen persönlichen Eindruck von der Klägerin verschaffen müssen. Eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge setzt die Bezeichnung der Tatsachen voraus, die den behaupteten Mangel ergeben (§ 164 Abs 2 Satz 3 SGG) und aus denen die Möglichkeit folgt, dass das Gericht ohne die geltend gemachte Verfahrensverletzung anders entschieden hätte. Das Revisionsgericht muss in die Lage versetzt werden, sich allein anhand der Revisionsbegründung ein Urteil darüber zu bilden, ob die angegriffene Entscheidung auf einem Verfahrensmangel beruhen kann (BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - UV-Recht Aktuell 2012, 42, Juris RdNr 20 ff; BSG vom 23.8.2007 - B 4 RS 3/06 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 31). Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung nicht gerecht. Sie hätte insoweit aufzeigen müssen, dass sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Dabei ist darzulegen, inwiefern nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden hat und die so zu ermittelnden Tatsachen nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserheblich sind. Außerdem ist anzugeben, wann und in welcher Form die zu ermittelnden Tatsachen in der Berufungsinstanz vorgebracht wurden (BSG vom 11.12.2008 - B 9 VS 1/08 R - BSGE 102, 149 = SozR 4-1100 Art 85 Nr 1, Juris RdNr 69 f).

21

(Wirk-) Ursachen für den Tod des Versicherten waren mithin der Unfall vom 7.9.2006 und die dabei erlittenen schwersten Verletzungen sowie das Durchtrennen der Magensonde aufgrund des rechtlich geschützten Willens des Verstorbenen, im Wachkoma keinen weiteren Behandlungsmaßnahmen ausgesetzt zu sein, den die Klägerin gemäß § 1901a Abs 1 Satz 2 BGB gehalten war, umzusetzen. Die reine Rechtsfrage nach der "Wesentlichkeit" der versicherten Verrichtung für den Erfolg ist hier - wie in jedem anderen Falle - danach zu entscheiden, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll (BSG vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - BSGE 112, 177 = SozR 4-2700 § 8 Nr 46, RdNr 37). Der Senat geht hier davon aus, dass die rechtlich wesentliche Ursache für den Tod des Versicherten in dem Zurücklegen des nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit zu erblicken ist. Der dabei erlittene Unfall hat bei ihm so schwere Verletzungen ausgelöst, dass sein - vom LSG bindend festgestellter - bereits zuvor bestehender Wunsch, keinen lebensverlängernden Maßnahmen ausgesetzt zu sein, durch den Versicherungsfall maßgebend zum Tragen kam. Vom Schutzzweck der Beschäftigtenversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII (noch) mitumfasst ist ein Unfallversicherungsschutz für ein Verhalten des Versicherten, das durch Verletzungen bedingt ist, die - wie hier unproblematisch - im versicherten Schutzbereich der unfallbringenden Tätigkeit erlitten bzw zugefügt wurden. Die versicherte Tätigkeit in der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII iVm § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII umfasst nach dem im 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetz vom 29.7.2009 (BGBI I 2286) insbesondere in § 1901a BGB zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers auch die durch die Autonomie und Menschenwürde(Art 1 GG) des einzelnen Versicherten getragene Entscheidung, keine lebensverlängernden Maßnahmen erdulden zu müssen, wenn aufgrund eines Arbeitsunfalls so schwere Verletzungen vorliegen wie im vorliegenden Fall. Rechtlich wesentliche und daher vom Schutzzweck des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII noch umfasste (Wirk-) Ursache für den Tod des Versicherten waren mithin seine Verletzungen aus dem Arbeitsunfall vom 7.9.2006.

22

Dem steht die frühere Rechtsprechung des Senats, wonach die Verweigerung einer Bluttransfusion durch ein Mitglied der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas als rechtlich wesentliche Ursache den Unfallversicherungsschutz ausschließt (BSG vom 9.12.2003 - B 2 U 8/03 R - SozR 4-2200 § 589 Nr 1), nicht entgegen. Die Verweigerung der Bluttransfusion war dort gerade nicht durch den Arbeitsunfall, sondern einzig durch die individuelle Glaubensausrichtung des Verletzten bedingt. Demgegenüber realisiert sich der in der mutmaßlichen Patientenverfügung niedergelegte Wille des Versicherten hier nur und gerade deshalb, weil der Versicherte einen Arbeitsunfall (mit schweren Folgen) erlitten hat. Infolgedessen kommt es auch nicht darauf an, ob die Verletzungen aus dem Wegeunfall ohnehin tödlich verlaufen wären, was hier für das LSG offensichtlich von entscheidender Bedeutung war. Soweit das LSG die Wesentlichkeit der unfallbedingten Verletzungen für den Tod des Versicherten daraus ableiten will, dass die Behandlungsmaßnahmen den Tod lediglich aufgeschoben hätten, werden hier allerdings rechtlich problematische Erwägungen zur überholenden Kausalität angestellt. Maßgebend ist nicht, ob die Verletzungen aus dem Arbeitsunfall ohnehin tödlich verlaufen wären, sondern, dass durch einen Versicherungsfall so schwere Verletzungen eingetreten sind, dass gerade dadurch der (verfassungs-)rechtlich geschützte autonome Wunsch des Versicherten, sterben zu wollen, zum Tragen gekommen ist.

23

2. Die beantragten Hinterbliebenenleistungen der Klägerin gemäß §§ 63 ff SGB VII sind auch nicht gemäß § 101 Abs 1 SGB VII ausgeschlossen. Diese Vorschrift bestimmt: "Personen, die den Tod von Versicherten vorsätzlich herbeigeführt haben, haben keinen Anspruch auf Leistungen". Die Klägerin hat den Tod des Versicherten zwar vorsätzlich herbeigeführt (hierzu unter a). Allerdings ist die Norm des § 101 Abs 1 SGB VII einschränkend im Wege der teleologischen Reduktion dahingehend auszulegen, dass jedenfalls bei einer strafrechtlich gerechtfertigten Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch iS der neueren Rechtsprechung des BGH(Urteil vom 25.6.2010 - 2 StR 454/09 - BGHSt 55, 191 = NJW 2010, 2963) ein Leistungsausschluss nicht in Betracht kommt. Dahinstehen kann insoweit, ob § 101 Abs 1 SGB VII generell dann nicht in Betracht kommt, wenn die zum Tode führende vorsätzliche Handlung straffrei ist(hierzu unter b). Schließlich hat das LSG auch zutreffend festgestellt und subsumiert, dass die vom BGH (aaO) im Einzelnen aufgestellten Kriterien für einen straffreien Behandlungsabbruch bei der Klägerin gegeben waren (vgl unter c).

24

a) Die Klägerin hat den Tod des Versicherten vorsätzlich herbeigeführt. Ein vorsätzliches Handeln liegt vor, wenn der Handelnde den Erfolg bewusst und gewollt herbeigeführt hat (vgl Fischer, StGB, 61. Aufl 2014, § 15 RdNr 2 ff). Der Vorwurf der Rechtsordnung lautet bei vorsätzlichem Handeln: "Du hast gewusst und gewollt, was du tatest" (iE Sternberg-Lieben/Schuster in Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl 2014, § 15 RdNr 8 ff). Nach dieser auch im Rahmen des § 101 Abs 1 SGB VII anwendbaren(vgl H. Becker in LPK-SGB VII, 4. Aufl 2014, § 101 RdNr 1b; Köhler in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 101 RdNr 5; XI/10) strafrechtlichen Definition hat die Klägerin vorsätzlich gehandelt. Sie hat die Magensonde bewusst und gewollt entfernt, um den Tod des Versicherten herbeizuführen.

25

b) § 101 Abs 1 SGB VII ist hingegen so auszulegen, dass er auch bei einem vorsätzlichen Herbeiführen des Todes im Falle einer gerechtfertigten Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch keine Anwendung findet. Die Leistungsausschlussnorm fordert für das Herbeiführen des Todes lediglich das vorsätzliche Handeln des Hinterbliebenen bzw der "Person", die Rechtsansprüche aus dem Tod ableiten möchte. Anders als § 101 Abs 2 SGB VII setzt § 101 Abs 1 SGB VII gerade nicht voraus, dass ein rechtskräftiges strafrechtliches Urteil hinsichtlich der Handlung vorliegt. § 101 Abs 1 SGB VII dürfte von daher einen engeren Begriff des Vorsatzes umfassen, der gerade nicht die strafrechtlichen Prüfungsschritte der Rechtswidrigkeit und Schuld umfasst. Demgegenüber wird vom LSG und einem Teil der Literatur in § 101 Abs 1 SGB VII entgegen dem Wortlaut der Norm das Erfordernis hineingelesen, dass auch die todbringende, vorsätzliche Handlung rechtswidrig und schuldhaft gewesen sein muss(vgl explizit Reyels in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 101 RdNr 21 ff; Lüdtke, SGb 2013, 309). Habe der Täter nicht rechtswidrig gehandelt (zB in Notwehr), so komme nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 101 Abs 1 SGB VII ein Leistungsausschluss nicht in Betracht. Das Gleiche gelte bei nicht schuldhaftem Handeln (Köhler in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 101 RdNr 5; XI/10). Darüber hinaus wird vereinzelt die Position vertreten, selbst bei strafbarem Verhalten, wie einer Tötung auf Verlangen gemäß § 216 StGB, sei der Geltungsbereich des § 101 Abs 1 SGB VII einzuschränken(Reyels in jurisPK-SGB VII, 2. Aufl 2014, § 101 RdNr 25).

26

Der Senat hat Bedenken gegen eine so weitgehende Auslegung des § 101 Abs 1 SGB VII, ist doch zu unterstellen, dass der Gesetzgeber des § 101 SGB VII sich im Klaren über die strafrechtlichen Begriffe war, als er zum 1.1.1997 mit dem UVEG § 101 SGB VII in der Nachfolge des § 553 RVO schuf. Jedenfalls erhellen auch die Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 13/2204, S 99) und der dort enthaltene Hinweis auf eine Fortführung der geltenden Rechtslage zu § 553 RVO nicht, dass mit dem bloßen Verwenden des Erfordernisses des Vorsatzes zugleich ein Abweichen von der strafrechtsdogmatischen Begrifflichkeit gemeint gewesen sein könnte, nach der hier ausnahmsweise mit Vorsatz ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln gemeint wäre. Auch soweit in der Literatur § 101 SGB VII als Verwirkungsvorschrift bezeichnet wird(Köhler in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 101 RdNr 1; XI/10), findet sich hierfür keinerlei Beleg. Betrachtet man § 101 SGB VII hingegen als Ausfluss des allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatzes des venire contra factum proprium, nach dem wer einen Schaden durch eigenes vorsätzliches Tun herbeigeführt hat, nicht aus diesem Schaden Ansprüche ableiten dürfe(so Merten in Eichenhofer/Wenner, SGB VII, 2010, § 101 RdNr 3), so wäre unter einem solchen versicherungsrechtlichen Blickwinkel ein Leistungsausschluss bei bloß vorsätzlichem Herbeiführen des Erfolgs durchaus zu rechtfertigen (vgl auch Voelzke, Die Herbeiführung des Versicherungsfalls im Sozialversicherungsrecht, 2004, S 48).

27

Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, weil auch dann, wenn man das hier zweifelsohne vorliegende vorsätzliche Handeln der Klägerin ausreichen lassen würde, um den Tatbestand des § 101 Abs 1 SGB VII auszulösen, die Vorschrift einschränkend auszulegen ist. Dies gilt jedenfalls für Fälle der gerechtfertigten Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch iS der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 25.6.2010 - 2 StR 454/09 - BGHSt 55, 191 = NJW 2010, 2963), denn für diesen Regelungsbereich ist § 101 Abs 1 SGB VII einschränkend anzuwenden. Der Senat hat zuletzt die Grenzen einer teleologischen Reduktion von sozialrechtlichen Normen aufgezeigt (vgl BSG vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R - SozR 4-2700 § 73 Nr 1 RdNr 20 ff). Die teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Auslegungsgrundsätzen (BVerfG Beschluss vom 15.10.2004 - 2 BvR 1316/04 - NJW 2005, 352, 353; BVerfG Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230, 2231; BVerfG Beschluss vom 14.3.2011 - 1 BvL 13/07 - NZS 2011, 812). Sie ist dadurch gekennzeichnet, dass sie die auszulegende Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle für unanwendbar hält, weil deren Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BVerfG Beschluss vom 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 - NJW 1997, 2230, 2231; BSG vom 18.8.2011 - B 10 EG 7/10 R - BSGE 109, 42 = SozR 4-7837 § 2 Nr 10). Bei einem nach wortlautgetreuer Auslegung drohenden Grundrechtsverstoß kann eine zulässige und mit der Verfassung zu vereinbarende Auslegung der Norm entgegen deren Wortlaut sogar geboten sein.

28
        

So liegen die Verhältnisse hier. Der Senat sieht sich durch die Neuregelungen des sog Patientenverfügungsgesetzes (3. Betreuungsrechtsänderungsgesetz, aaO) , das sich auf eine breite, überparteiliche Parlamentsmehrheit stützten konnte (vgl die den Gesetzentwurf vom 6.3.2008 tragenden Abgeordneten, BT-Drucks 16/8442) und die strafgerichtliche Rechtsprechung des BGH zum Behandlungsabbruch (aaO) veranlasst, jedenfalls die vorsätzliche Herbeiführung des Todes eines Versicherten, die strafrechtlich die Kriterien einer gerechtfertigten Sterbehilfe erfüllt, aus dem Anwendungsbereich des § 101 Abs 1 SGB VII auszuschließen. Der BGH hat in seinem Urteil vom 25.6.2010 eingehend die Motive des Gesetzgebers des 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes referiert (aaO, RdNr 23 f ):

        

"a) Der Gesetzgeber hat den betreuungsrechtlichen Rahmen einer am Patientenwillen orientierten Behandlungsbegrenzung durch Gesetz vom 29. Juli 2009 - so genanntes Patientenverfügungsgesetz - (BGBl I 2286) festgelegt. Das am 1. September 2009 in Kraft getretene Gesetz hatte vor allem auch zum Ziel, Rechts- und Verhaltenssicherheit zu schaffen (vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses BT-Drucks. 16/13314 S. 3 f. und 7 f.). Maßstäbe für die gesetzliche Neuordnung waren zum einen das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Person, welches das Recht zur Ablehnung medizinischer Behandlungen und gegebenenfalls auch lebensverlängernder Maßnahmen ohne Rücksicht auf ihre Erforderlichkeit einschließt, zum anderen der ebenfalls von der Verfassung gebotene Schutz des menschlichen Lebens, der unter anderem in den strafrechtlichen Normen der §§ 212, 216 StGB seinen Ausdruck findet.

        

In Abwägung dieser Grundsätze hat der Gesetzgeber des Dritten Betreuungsrechtsänderungsgesetzes nach umfassenden Beratungen und Anhörungen unter Einbeziehung einer Vielzahl von Erkenntnissen und Meinungen unterschiedlichster Art entschieden, dass der tatsächliche oder mutmaßliche, etwa in konkreten Behandlungswünschen zum Ausdruck gekommene Wille eines aktuell einwilligungsunfähigen Patienten unabhängig von Art und Stadium seiner Erkrankung verbindlich sein und den Betreuer sowie den behandelnden Arzt binden soll (§ 1901a Abs. 3 BGB; vgl. dazu die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks. 16/8442 S. 11 f.; Diederichsen in Palandt BGB 69. Aufl. § 1901a Rn. 16 ff. u. 29). Eine betreuungsgerichtliche Genehmigungsbedürftigkeit für Entscheidungen über die Vornahme, das Unterlassen oder den Abbruch medizinischer Maßnahmen ist auf Fälle von Meinungsdivergenzen zwischen Arzt und Betreuer oder Bevollmächtigtem über den Willen des nicht selbst äußerungsfähigen Patienten oder über die medizinische Indikation von Maßnahmen beschränkt (§ 1904 Abs. 2 und 4 BGB). Die Regelungen der §§ 1901a ff. BGB enthalten zudem betreuungsrechtliche Verfahrensregeln zur Ermittlung des wirklichen oder mutmaßlichen Willens des Betreuten (vgl. dazu Diederichsen aaO Rn. 4 ff. u. 21 ff.; Diehn/Rebhan NJW 2010, 326; Höfling NJW 2009, 2849, 2850 f.)."

29

Hieraus hat der BGH die Schlussfolgerung gezogen, dass diese Änderungen auch für das Strafrecht "Wirkung" zeigen müssten (aaO, RdNr 25) und ist bei ansonsten unveränderter Rechtslage im StGB zu einer Straffreiheit des Behandlungsabbruchs unter bestimmten Voraussetzungen gelangt. Dieses Urteil ist im Schrifttum weitgehend auf Zustimmung gestoßen (vgl nur Eidam, GA 2011, 232; Gaede, NJW 2010, 2925, Hirsch, JR 2011, 37; Lipp, FamRZ 2010, 1555; Rissing-van Saan, ZIS 2011, 544; Schumann, JR 2011, 142; Wolfslast/Weinrich, StV 2011, 286). Der Senat hält es daher auch mit Blick auf die dem Strafrecht immanente Legitimation staatlichen Strafens einerseits und das der Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit dienende Leistungsrecht des Sozialgesetzbuchs andererseits für geboten, die vom Gesetzgeber gewollten, weitgehenden Änderungen in § 1901a BGB und die diesen gesetzgeberischen Willen im Strafrecht umsetzende Rechtsprechung des BGH auch im Sozialrecht zur Geltung zu bringen. Liegen mithin die vom BGH in seinem Urteil vom 25.6.2010 genannten Kriterien vor, so kann ein straffreier Behandlungsabbruch, der den Willen des Patienten zum Ausdruck brachte, auch im Sozialrecht nicht mehr zu leistungsrechtlich negativen Konsequenzen für Personen führen, die diesen von der Rechtsordnung gebilligten Willen des Versicherten durch ihr vorsätzliches Handeln verwirklicht haben.

30

Auch schließt der "objektive Zweck" des § 101 Abs 1 SGB VII eine solche teleologische Reduktion des Geltungsbereichs der Norm nicht aus(hierzu Lüdtke, SGb 2013, 309, 310). § 101 SGB VII entsprach - wie bereits ausgeführt - weitgehend § 553 RVO, der seinerseits durch das Unfallversicherungsneuregelungsgesetz(UVNG vom 30.4.1963, BGBl I 241) an die Stelle des zuvor geltenden § 556 RVO getreten ist, der seit Inkrafttreten der Reichversicherungsordnung 1911 weitgehend unverändert bestimmte, dass dem "Verletzten und seinen Hinterbliebenen ein Anspruch nicht zu (steht), wenn sie den Unfall vorsätzlich herbeigeführt haben". Der Norm liegt damit der vom Senat grundsätzlich für weiterhin beachtlich gehaltene objektive Zweck zugrunde, das vorsätzliche Herbeiführen des Versicherungsfalls als leistungsausschließend zu berücksichtigen. Allerdings darf sich Rechtsprechung auch nicht den sich fortentwickelnden Lebensverhältnissen verschließen. Das Gesetz ist insofern nicht toter Buchstabe, sondern lebendig sich entwickelnder Geist, der mit den Lebensverhältnissen fortschreiten und ihnen sinnvoll angepasst weitergelten will, solange dies nicht die Form sprengt, in die er gegossen ist (Lüdtke, aaO unter Verweis auf BGH vom 29.1.1957 - 1 StR 333/56 - BGHSt 10, 157, 159). Das erst durch den medizinischen Fortschritt ermöglichte Überleben von schwerstverletzten Gehirngeschädigten durch die moderne Apparatemedizin mit seinen Implikationen für die Menschenwürde des behandelten Verunfallten war für den Gesetzgeber des Jahres 1911 ebenso wenig vorhersehbar wie für den Gesetzgeber des Jahres 1963 und auch partiell des Jahres 1996 (instruktiv zu den Problemen am Lebensende durch die Entwicklung der Apparatemedizin: Borasio, Über das Sterben, 2. Aufl 2012, insb S 107 ff und S 157 ff). Insofern geht der Senat - ebenso wie der BGH (aaO) - davon aus, dass dem 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetz (aaO) der objektive Wille des Gesetzgebers zu entnehmen ist, die Patientenautonomie am Lebensende mit Ausstrahlungswirkung in alle Rechtsbereiche zu schützen. Eine strikt auf diesen Geltungsbereich des gerechtfertigten Behandlungsabbruchs beschränkte Reduktion des Geltungsbereichs des § 101 SGB VII entspricht mithin dem objektiven Willen des Gesetzgebers des 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes (aaO).

31

Schließlich kann gegen dieses Ergebnis auch nicht - wie von der Beklagten - die rentenrechtliche Parallelvorschrift des § 105 SGB VI und die hierzu ergangene Rechtsprechung des BSG ins Feld geführt werden. Soweit sich die Beklagte auf den Beschluss des 13. Senats des BSG vom 17.4.2012 (B 13 R 347/10 B - SozR 4-2600 § 105 Nr 1 = SGb 2013, 307 mit Anm Lüdtke) bezieht, lag der zugrunde liegende Sachverhalt dort mehrere Jahre vor dem Inkrafttreten des 3. Betreuungsrechtsänderungsgesetzes aus dem Jahre 2009. Im Übrigen handelte es sich bei der dort vom 13. Senat entschiedenen Beschwerde um eine strafbare Tötung auf Verlangen iS des § 216 StGB (mit Strafurteil gegen die Rentenantragstellerin), die auch nach der Rechtsauffassung des Senats zu einer Anwendung des Leistungsausschlusses des § 101 SGB VII führen würde. Auch die früher zu § 1277 RVO - der Vorgängervorschrift des § 105 SGB VI - ergangene rentenrechtliche Rechtsprechung verhält sich ausschließlich zu Fallkonstellationen, in denen ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln mit strafgerichtlicher Verurteilung des Hinterbliebenen vorlag(BSG vom 26.11.1981 - 5b/5 RJ 138/80 - SozR 2200 § 1277 Nr 3, vom 1.6.1982 - 1 RA 45/81 - SozR 2200 § 1277 Nr 5). Liegt hingegen eine gerechtfertigte Sterbehilfe durch Behandlungsabbruch vor (sogleich noch unter c), so ist der Anwendungsbereich des § 101 Abs 1 SGB VII dahingehend einzuschränken, dass auch eine vorsätzliche Herbeiführung des Todes des Versicherten nicht zu einem Leistungsausschluss führt.

32

c) Das LSG hat auch zutreffend entschieden, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen eines straffreien Behandlungsabbruchs iS der neuen Rechtsprechung des BGH (aaO) vorlagen. Es hat insofern die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Berlin über die Einstellung des Strafverfahrens gegen die Klägerin nach § 170 Abs 2 StPO aufgrund eigener Feststellungen nochmals strafrechtlich nachvollzogen. Anders als in § 101 Abs 2 SGB VII besteht im Rahmen des § 101 Abs 1 SGB VII keine Bindungswirkung an die Entscheidungen der Strafgerichte. Das LSG hat hierbei die beiden Voraussetzungen für einen straffreien Behandlungsabbruch für den Senat gemäß § 163 SGG bindend festgestellt. Bei der Krankheit des Versicherten handelte es sich um einen ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess und der Patientenwille des Versicherten iS des § 1901a Abs 1 und Abs 2 BGB war auf einen Behandlungsabbruch im Sinne des nicht mehr Weiter-Ernährens gerichtet. Soweit die Beklagte rügt, der Sterbeprozess bei dem Versicherten sei nicht in der vom BGH geforderten Intensität festgestellt, weil der Wachkomapatient grundsätzlich kein sterbender Patient sei, so unterlässt sie es, im Einzelnen darzulegen, welcher medizinische Erfahrungssatz dieser von ihr behaupteten Aussage zugrunde liegt. Die Beklagte hat nicht konkret aufgezeigt, aufgrund welcher Erfahrungssätze das LSG davon ausgehen hätte müssen, dass aus der herrschenden medizinischen Lehrmeinung der einzig mögliche Schluss gezogen werden könne, dass der Versicherte kein sterbender Patient gewesen sei (vgl hierzu BSG vom 15.9.2011 - B 2 U 22/10 R - Juris RdNr 25 f). Insofern ist die für den Einzelfall des verstorbenen Versicherten getroffene tatsächliche Feststellung des LSG, dass dieser "todgeweiht" gewesen ist, nicht mit hinreichenden Verfahrensrügen angegriffen.

33

Soweit die Beklagte gegen die Feststellung des Willens des Versicherten durch eine unterlassene persönliche Einvernahme der Klägerin durch das LSG Verfahrensrügen erhoben hat, greifen diese, wie bereits oben unter 1. ausgeführt, nicht durch. Allerdings weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass auch unter Berücksichtigung neuerer Entscheidungen des BGH (insbesondere vom 17.9.2014 - XII ZB 202/13) für die Feststellung des behandlungsbezogenen Patientenwillens strenge Beweismaßstäbe gelten, insbesondere, wenn eine sog Patientenverfügung nicht vorliegt. Dabei mag in zukünftigen Fallkonstellationen auch eine Rolle spielen, dass mittlerweile das Erfordernis und die Möglichkeit einer Patientenverfügung in der Bevölkerung weitgehend bekannt sein dürften und das Internet zahlreiche Formulare leicht zugängig zur Verfügung hält. Da sich der hier ausschlaggebende Unfall jedoch 2006 ereignete, bleiben diese Gesichtspunkte vorliegend unberücksichtigt.

34

Soweit die Beklagte schließlich eine Zurückverweisung an das LSG anregt, um Feststellungen nachzuholen, ob eine Genehmigung des Betreuungsgerichts gemäß § 1904 BGB eingeholt wurde, so ist bereits zweifelhaft, welche rechtlichen Schlüsse aus einer solchen fehlenden Genehmigung überhaupt zu ziehen wären. Der Senat hat hier jedoch von einer weiteren Prüfung abgesehen, weil aus der Entscheidung der Berliner Staatsanwaltschaft über die Einstellung des Strafverfahrens nach § 170 Abs 2 StPO vom 26.11.2012, die vom LSG in Bezug genommen worden ist, hervorgeht, dass die Klägerin beim zuständigen Amtsgericht um eine solche Genehmigung nach § 1904 BGB nachgesucht hat, von dort aber von einem namentlich genannten Richter die Auskunft erhalten hat, einer solchen Genehmigung bedürfe es in ihrem Falle nicht.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.

(1) Elterngeld wird als Basiselterngeld oder als Elterngeld Plus gewährt. Es kann ab dem Tag der Geburt bezogen werden. Basiselterngeld kann bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Elterngeld Plus kann bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats bezogen werden, solange es ab dem 15. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 kann Elterngeld ab Aufnahme bei der berechtigten Person längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

(2) Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Der Anspruch endet mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen.

(3) Die Eltern haben gemeinsam Anspruch auf zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld. Ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eines Elternteils in zwei Lebensmonaten gemindert, haben die Eltern gemeinsam Anspruch auf zwei weitere Monate Basiselterngeld (Partnermonate). Statt für einen Lebensmonat Basiselterngeld zu beanspruchen, kann die berechtigte Person jeweils zwei Lebensmonate Elterngeld Plus beziehen.

(4) Ein Elternteil hat Anspruch auf höchstens zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b. Ein Elternteil hat nur Anspruch auf Elterngeld, wenn er es mindestens für zwei Lebensmonate bezieht. Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 anzurechnende Leistungen oder nach § 192 Absatz 5 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes Versicherungsleistungen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Basiselterngeld nach § 4a Absatz 1 bezieht.

(5) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 beträgt der gemeinsame Anspruch der Eltern auf Basiselterngeld für ein Kind, das

1.
mindestens sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 13 Monatsbeträge Basiselterngeld;
2.
mindestens acht Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 14 Monatsbeträge Basiselterngeld;
3.
mindestens zwölf Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 15 Monatsbeträge Basiselterngeld;
4.
mindestens 16 Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 16 Monatsbeträge Basiselterngeld.
Für die Berechnung des Zeitraums zwischen dem voraussichtlichen Tag der Entbindung und dem tatsächlichen Tag der Geburt ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt.
Im Fall von
1.
Satz 1 Nummer 1
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 13 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 16. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
2.
Satz 1 Nummer 2
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 14 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 16. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 17. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
3.
Satz 1 Nummer 3
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 15 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 17. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 18. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
4.
Satz 1 Nummer 4
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 16 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 19. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird.

Tenor

Auf die Revision des beklagten Freistaats wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2014 abgeändert und das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Dezember 2012 in vollem Umfang aufgehoben sowie die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen.

Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt den Höchstbetrag an Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat seines Kindes.

2

Der Kläger ist Vater des am 3.3.2008 geborenen E. Für diesen bezog die Ehefrau des Klägers Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat. Der Kläger beantragte Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat. Er gab zunächst an, in dieser Zeit Erholungsurlaub in Anspruch nehmen zu wollen, legte im Nachhinein aber eine Bestätigung über die Inanspruchnahme von Elternzeit in diesem Zeitraum vor. Später stellte er klar, er habe sich nicht direkt in Elternzeit befunden, sondern bezahlten Urlaub aus dem Vorjahr genommen. Die vorgelegten Lohn-/Gehaltsabrechnungen für März und April 2009 ergaben ein monatliches Bruttogehalt von
 Euro.

3

Der beklagte Freistaat lehnte die Bewilligung von Elterngeld wegen ausgeübter Vollzeittätigkeit ab (Bescheid vom 7.7.2009; Widerspruchsbescheid vom 21.9.2009). Im Klageverfahren verurteilte das SG den Beklagten, dem Kläger Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat in Höhe von 1800 Euro monatlich ohne Anrechnung des gezahlten Urlaubsentgelts zu gewähren. Das BSG habe bei Freistellung von der Arbeit bis zum Ablauf einer ausgesprochenen Kündigung angenommen, die tatsächliche Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit während des Bezugszeitraums sei ausreichend, um den Anspruch auf Elterngeld zu begründen (Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 7/11 R). Komme es danach auf die faktischen Verhältnisse an, gebe es keinen Grund Erholungsurlaub anders zu behandeln als die Freistellung von der Arbeitspflicht bis zum Ablauf der Kündigungsfrist (Urteil vom 11.12.2012). Auf die Berufung des beklagten Freistaats hat das LSG die Verurteilung des Beklagten auf den Sockelbetrag begrenzt. Der Kläger habe sich nicht in Elternzeit, sondern im Erholungsurlaub befunden. Das BSG habe die Frage des Elterngeldbezugs während eines Erholungsurlaubs bisher ausdrücklich offengelassen. Rein faktisch führe der Erholungsurlaub zwar zur Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit und begründe deshalb einen Elterngeldanspruch dem Grunde nach. Das im Bezugszeitraum gezahlte Urlaubsentgelt sei jedoch als Einnahme im Bezugszeitraum zu berücksichtigen, sodass nur der Sockelbetrag anrechnungsfrei bleibe (Urteil vom 29.1.2014).

4

Hiergegen wenden sich beide Beteiligten mit der Revision. Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs 3 S 1, § 3 Abs 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz). Bei faktischer Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit sei das Urlaubsentgelt für den aus dem Vorjahr im Bezugszeitraum stammenden Urlaub kein berücksichtigungsfähiges Einkommen.

5

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2014 abzuändern und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Dezember 2012 in vollem Umfang zurückzuweisen

und die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

6

Der beklagte Freistaat beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 29. Januar 2014 abzuändern und das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Dezember 2012 in vollem Umfang aufzuheben und die Klage abzuweisen

und die Revision des Klägers zurückzuweisen.

7

Der Beklagte rügt ebenfalls eine Verletzung materiellen Rechts (§ 1 Abs 1 Nr 4 und Abs 6 BEEG). Der Kläger habe im Bezugszeitraum eine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt, die eine Inanspruchnahme von Elterngeld ausschließe.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des beklagten Freistaats ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG), die Revision des Klägers hingegen unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Die Revisionen beider Beteiligter sind zulässig. Das LSG hat die Revision unbeschränkt zugelassen (dazu 1.). Die angefochtenen Bescheide sind zu Recht ergangen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld für die von ihm geltend gemachten Partnermonate während seines Erholungsurlaubs (dazu 2.). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluss von Elterngeld für die Dauer von Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis bestehen weder im Hinblick auf Art 3 GG noch Art 6 GG (dazu 3.).

9

1. Die form- und fristgerechten Revisionen (§ 164 SGG) der Beteiligten sind zulässig. Das LSG hat die Revision unbeschränkt zugelassen. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das LSG die Revision nicht allein zu seinen Gunsten wegen der Frage der Gleichstellung von Erholungsurlaub und Erwerbstätigkeit, sondern im Tenor unbeschränkt zugelassen (§ 160 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 SGG). Soweit das LSG am Ende der Entscheidungsgründe zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nähere Ausführungen gemacht hat, hat es lediglich den für die Zulassung maßgebenden Grund genannt (vgl BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 VG 1/08 R - RdNr 19). Die unbeschränkte Zulassung ist für den Senat bindend (§ 160 Abs 3 SGG). Die zulässigen Revisionen beider Beteiligter führen zur vollumfänglichen Überprüfung des Klagebegehrens.

10

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Elterngeld. Die Voraussetzungen des zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) geltend gemachten Anspruchs auf Elterngeld für den 13. und 14. Lebensmonat seines am 3.3.2008 geborenen Sohnes (sog Partnermonate) sind nicht erfüllt. Während der Inanspruchnahme bezahlten Erholungsurlaubs kommt die Gewährung von Elterngeld nicht in Betracht. Das Gesetz trennt klar zwischen der Inanspruchnahme von Erholungsurlaub (§ 17 BEEG) und der davon zu unterscheidenden Inanspruchnahme von durch Elterngeld flankierter Elternzeit (§ 16 BEEG).

11

a) Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 1 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.2.2009, BGBl I 160 mWv 12.2.2009). Nach dessen Absatz 1 hat Anspruch auf Elterngeld, wer einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat (Nr 1), mit seinem Kind in einem Haushalt lebt (Nr 2), dieses Kind selbst betreut und erzieht (Nr 3) und keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt (Nr 4). Der persönliche Geltungsbereich erfasst damit sowohl die Personengruppe, die von vornherein keiner solchen Tätigkeit nachgeht (zB Hausfrauen und -männer) als auch die Personengruppe der Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätigen. Eine Person ist ua nicht voll erwerbstätig, wenn ihre wöchentliche Arbeitszeit 30 Wochenstunden im Durchschnitt des Monats nicht übersteigt (Absatz 6). Elterngeld kann in der Zeit vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden (§ 4 Abs 1 S 1 BEEG idF vom 5.12.2006, BGBl I 2748). Es wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt (§ 4 Abs 2 S 1 BEEG idF vom 5.12.2006, aaO). Eltern haben insgesamt Anspruch auf 12 Monatsbeträge (§ 4 Abs 2 S 2 BEEG idF vom 5.12.2006, aaO). Sie haben Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn sie sich in der Erziehung abwechseln (§ 4 Abs 3 S 1 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, BGBl I 61) und für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt (§ 4 Abs 2 S 3 BEEG idF vom 5.12.2006, aaO). Das Elterngeld ist danach als lebensmonatliche Leistung ausgestaltet mit der Folge, dass die Anspruchsvoraussetzungen für das Elterngeld untrennbar mit der Bezugszeit Lebensmonat verknüpft sind. Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen müssen grundsätzlich für jeden einzelnen Lebensmonat vorliegen (zu Ausnahmen etwa § 1 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 5 BEEG; § 4 Abs 4 BEEG idF vom 5.12.2006, aaO; vgl hierzu BSG Urteil vom 30.9.2010 - B 10 EG 9/09 R - BSGE 107, 1 = SozR 4-7837 § 1 Nr 2, RdNr 38 mwN; zur Verfassungsmäßigkeit des Lebensmonatsprinzips BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18).

12

Die Ehefrau des Klägers erfüllt die Grundvoraussetzungen für den 1. bis 12. Lebensmonat des gemeinsamen Kindes. Ebenso erfüllt der Kläger für die geltend gemachten Partnermonate die Voraussetzungen des gewöhnlichen Aufenthalts, des gemeinsamen Haushalts und der selbsttätigen Betreuung und Erziehung in seiner Person. Bei ihm aber fehlt es an dem für die Inanspruchnahme des einkommensabhängigen Elterngeldes und des Sockelbetrags weiteren Erfordernis "der Ausübung keiner oder keiner vollen Erwerbstätigkeit" iS des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG für die Dauer des 13. und 14. Lebensmonats seines Kindes. In dieser Zeit befand sich der Kläger nach den nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) im Erholungsurlaub.

13

b) Die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub im unverändert fortbestehenden Vollzeitarbeitsverhältnis führt nicht dazu, dass iS von § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Dies steht mit dem Wortlaut der Norm, der Zielsetzung und Entstehungsgeschichte unter Berücksichtigung des besonderen systematischen Gesamtzusammenhangs zur Elternzeit (§§ 15 ff BEEG) und zum Urlaubsrecht (§§ 1 ff Bundesurlaubsgesetz) im Einklang.

14

aa) Der Wortlaut des Gesetzes knüpft mit dem Erfordernis "keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben" zunächst an ein tatsächliches Verhalten an. Dieses liegt beim Kläger vor, denn er hat während des 13. und 14. Lebensmonats seines Kindes wegen Erholungsurlaubs nicht gearbeitet. Er ist in dieser Zeit, auch wenn sein Beschäftigungsverhältnis unverändert fortbestand, einer tatsächlichen Erwerbstätigkeit nicht nachgegangen. Das Erfordernis "keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausüben" und das danach maßgebliche Fehlen eines Tätigseins entspricht der in den Materialien zum BEEG zum Ausdruck kommenden Zielrichtung des Elterngeldes: Dieses soll die tatsächliche Verfügbarkeit von Zeit, die zuvor mit Arbeit verbracht wurde, für die Betreuung und Erziehung des Kindes sicherstellen; das Elterngeld beschränkt sich insoweit nicht lediglich auf seine Entgeltersatzfunktion (BT-Drucks 16/1889 S 18, hieran anschließend BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 7/11 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 3 RdNr 32). Hiervon ausgehend hatte der Senat seinem Urteil vom 29.8.2012 (B 10 EG 7/11 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 3 RdNr 36)den Elterngeldbezug in Fällen einer - bezahlten - endgültigen Freistellung von der Arbeitsleistung im Rahmen eines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses ermöglicht, hingegen hatte er in Fällen eines - bezahlten oder unbezahlten - Erholungs- oder Sonderurlaubs bzw Sabbaticals (vgl Salaw-Hanslmaier, Sabbatical und Elterngeld - geht das zusammen? ZRP 2009, 179) die Antwort auf die Frage, ob die Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit den Zugang zum Elterngeld ermöglicht, bisher offengelassen. Der Senat verneint diese Frage in Bezug auf den Erholungsurlaub nunmehr: Während der Zeit bezahlten Urlaubs besteht kein Anspruch auf Elterngeld. Für die Betreuung und Erziehung eines Kindes stellt das Gesetz nicht Erholungsurlaub zur Verfügung, sondern den davon zu unterscheidenden Anspruch auf Elternzeit (§ 15 BEEG), welcher vom Arbeitnehmer vorab schriftlich vom Arbeitgeber zu verlangen ist (§ 16 BEEG; dazu unten cc).

15

bb) Erholungsurlaub im laufenden Vollzeitarbeitsverhältnis beendet entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz die bis dahin ausgeübte Erwerbstätigkeit nicht. Zwar knüpft der Wortlaut des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG an ein tatsächliches Verhalten an, das beim Kläger insoweit vorliegt als er wegen seines Erholungsurlaubs nicht gearbeitet hat. Schon dem allgemeinen Sprachgebrauch nach führt die Inanspruchnahme des dem Arbeitnehmer zustehenden Erholungsurlaubs (§ 1 BUrlG) aber nicht dazu, dass er seine Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt (vgl Othmer in Roos/Bieresborn, MuschG-BEEG, 2014, § 1 BEEG RdNr 25; wohl auch Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit/Betreuungsgeld, 4. Aufl 2015, § 1 BEEG RdNr 8). Eine solche Betrachtungsweise ließe sich in Bezug auf die Personengruppe der Erwerbstätigen auch nicht mit dem in § 1 Abs 6 BEEG näher konkretisierten Anliegen des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG in Einklang bringen, dass eine vor der Geburt ausgeübte volle Erwerbstätigkeit reduziert oder aufgegeben wird, um der Erziehung und Betreuung des Kindes Vorrang gegenüber der Erwerbstätigkeit einzuräumen. Auch wenn das BEEG nicht zwingend voraussetzt, dass "wegen" Erziehung eines Kindes die Arbeitszeit reduziert und dadurch keine oder keine volle Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt wird, so ist doch erkennbar, dass das Elterngeld als Lohnersatzleistung gerade diesen Fall im Auge hat und die erziehungsbedingte Lohneinbuße zumindest teilweise kompensieren soll. Neben allen anderen Zielsetzungen (s oben) soll das Elterngeld gerade jene Eltern aus dem Kreise der Erwerbstätigen unterstützen, die durch die Entscheidung, das eigene Kind in einem Maße zu betreuen, das über das hinaus geht, was bei voller Erwerbstätigkeit möglich ist, im Hinblick auf ihre individuelle wirtschaftliche Situation und späteren Möglichkeiten der Daseinsvorsorge in eine besondere Lage gebracht werden (BT-Drucks 16/1889 S 18).

16

Das Gesetz setzt danach voraus, dass jede anspruchsberechtigte Person aus dem Kreis der Arbeitnehmer ihre bis dahin ausgeübte Erwerbstätigkeit aufgibt oder - wenigstens in den durch § 1 Abs 6 BEEG vorgegebenen Grenzen - rechtsrelevant zugunsten der Betreuung des Kindes reduziert. Bei dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen Betrachtungsweise wird der Betreuung des Kindes kein Vorrang eingeräumt, wenn eine bis dahin ausgeübte Vollzeiterwerbstätigkeit unverändert als Erholungsurlaub fortgesetzt wird. Denn der Erholungsurlaub ergibt sich ohnehin für jeden Arbeitnehmer als unverzichtbarer Bestandteil seines Arbeitsverhältnisses (§ 13 Abs 1 S 1 BUrlG) und rechtsverbindlicher Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis mit der Konsequenz, dass zwar die Arbeitspflicht für die Dauer des Erholungsurlaubs beseitigt wird, an deren Stelle aber das Erholungsbedürfnis vom Gesetz für die Dauer des Urlaubs unwiderleglich vermutet wird (Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 104 RdNr 2 ff; zum Unionsrecht und den Auswirkungen bei Arbeitsunfähigkeit EuGH NZA 2009, 135 - Schultz-Hoff vgl BAGE 130, 119 = NZA 2009, 538 und BAGE 134, 1 = NZA 2010, 810).

17

cc) Für die Betreuung und Erziehung eines Kindes stellt das Gesetz Arbeitnehmern nach Maßgabe weiterer Voraussetzungen den vom Erholungsurlaub zu unterscheidenden Anspruch auf Elternzeit (§ 15 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, aaO) zur Verfügung, und zwar selbst dann, wenn mangels Lohneinbuße allein der Sockelbetrag als allgemeine pauschale Anerkennung der Erziehungsleistung in Betracht kommt. Die Elternzeit entspricht dem früheren Erziehungsurlaub iS des § 15 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Dieser war ursprünglich als notwendige Ergänzung zu § 1 Abs 1 Nr 4 BErzGG ausgestaltet und stand dem Arbeitnehmer zu, wenn er einen Anspruch auf Erziehungsgeld hatte oder nur deshalb nicht hatte, weil das Einkommen die seinerzeitige Einkommensgrenze überstieg(vgl BT-Drucks 10/3792 S 6, 19). Die spätere Abkoppelung des Erziehungsurlaubs vom Erziehungsgeldanspruch durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Bundeserziehungsgeldgesetzes und anderer Vorschriften vom 6.12.1991 (BGBl I 2142) erfolgte nicht aus Gründen fehlender Kohärenz. Vielmehr musste der mit der Neuregelung einhergehenden Verlängerung des Erziehungsurlaubs bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres rechtstechnisch Rechnung getragen werden (BT-Drucks 12/1125 S 8). Dies entspricht bis heute dem gesetzlichen Regelungskonzept.

18

Der Sache nach hat sich auch im Geltungsbereich des BEEG nichts daran geändert, dass die Voraussetzungen für das Elterngeld von Arbeitnehmern nicht durch Erholungsurlaub geschaffen werden, sondern durch Elternzeit, welche bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes genommen werden kann (vgl § 15 Abs 2 S 1 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, aaO; BT-Drucks 16/1889 S 27) und vorab schriftlich vom Arbeitgeber zu verlangen ist (§ 16 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, aaO). Während der Elternzeit, die im Unterschied zum Erholungsurlaub zu einer Suspendierung beider Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses führt, entstehen allerdings Ansprüche auf Erholungsurlaub (BAG Urteil vom 17.5.2011 - 9 AZR 197/10 - BAGE 138, 58 RdNr 24). Deren in § 17 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) geregeltes Verhältnis zur Elternzeit bestätigt, dass beide Ansprüche nicht deckungsgleich oder "austauschbar" sind. Insbesondere kann der Arbeitgeber den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit nur um ein Zwölftel kürzen und nicht etwa - bei nur kurzzeitiger Inanspruchnahme von Elternzeit - im Verhältnis 1:1 (zur Kürzungsbefugnis vgl zuletzt BAG NZA 2015, 989, zur Veröffentlichung vorgesehen in BAGE). Die gesetzliche Aussage ist danach unmissverständlich: Der Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis steht nicht stellvertretend für eine Elternzeit. Er trägt dem besonderen Anliegen des Gesetzgebers nach einer anspruchsbegründenden Vorrangentscheidung zugunsten der Betreuung und Erziehung des Kindes nicht Rechnung (zum Erziehungsurlaub vgl Sächsisches LSG Urteil vom 18.1.2007 - L 3 EG 4/04; aA Dau juris-SozR 4/2013 Anm 6). Jede andere Betrachtungsweise unterliefe das genannte Anliegen des Gesetzgebers, und zwar auch gerade dann, wenn Vätern in leitenden Positionen die Inanspruchnahme von Erholungsurlaub aus betriebsorganisatorischen Gründen im Bereich des Arbeitgebers als einzige Möglichkeit der Inanspruchnahme von Elternzeit erschiene (Revisionsbegründung des Klägers S 6; zur Verfassungsmäßigkeit s unten II 3.). Ob es sich bei diesem Urlaub um (bezahlten) Erholungsurlaub aus dem laufenden Jahr oder um (bezahlten) Resturlaub aus den Vorjahren (vgl § 7 Abs 3 S 2 BUrlG) handelt, spielt demgegenüber für die Beurteilung, ob der Betreuung und Erziehung des Kindes Vorrang eingeräumt wird, keine entscheidende Rolle.

19

dd) Für die Grundvoraussetzung der Ausübung keiner oder keiner vollen Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG ist es ohne Bedeutung, dass das für die Dauer eines Erholungsurlaubs zu zahlende Urlaubsentgelt als laufender Arbeitslohn zu den zu versteuernden Einkünften iS des § 2 Abs 1 S 1 Nr 4 Einkommensteuergesetz gehört(vgl Linck in Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 16. Aufl 2015, § 104 RdNr 100; Küttner, Personalhandbuch, 22. Aufl 2015, Stichwort Urlaubsentgelt), die der Berechnung des Elterngeldes nach § 2 Abs 1 S 2 und Abs 7 S 1 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) zugrunde zu legen sind (Helmke/Bauer, Familienleistungsausgleich, Stand 8/2015, BEEG § 1 RdNr 49; anders zum Urlaubsgeld als einmaligem Bezug BSG Urteil vom 29.8.2012 - B 10 EG 20/11 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 18 RdNr 48 ff). Das kann zwar auch dazu führen, dass Urlaubsentgelt als Einkommen im Zeitraum des Bezugs von Elterngeld iS des § 2 Abs 3 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) berücksichtigungsfähig ist, wenn es durchschnittlich geringer ist als bereits im Bemessungszeitraum nach § 2 Abs 1 S 1 BEEG(idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) erzieltes Arbeitseinkommen (vgl zur Berechnung des Urlaubsentgelts § 11 BUrlG). Dies ist dann Folge des durch § 1 BEEG eröffneten Geltungsbereichs für Arbeitsverhältnisse mit elterngeldunschädlichen Arbeitszeiten, also etwa Teilzeitarbeitsverhältnissen während der Elternzeit(vgl Othmer in Roos/Bieresborn, MuschG-BEEG, 2014, § 17 BEEG RdNr 10) und nicht umgekehrt - wie die Vorinstanzen meinen - ein valides Kriterium für die Einbeziehung von Vollzeitarbeitsverhältnissen im Modus des Erholungsurlaubs in den Geltungsbereich des § 1 BEEG mit der Folge (mindestens) des Sockelbetrags oder gar des Höchstsatzes.

20

Erst recht ist es für die Grundvoraussetzung der Ausübung keiner oder keiner vollen Erwerbstätigkeit iS des § 1 Abs 1 Nr 4 BEEG ohne Relevanz, dass schon nach bisherigem Recht andere Einnahmen nach der Geburt des Kindes, die ihrer Zweckbestimmung nach Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes ganz oder teilweise ersetzen, auf das den Grundvoraussetzungen nach gegebene Elterngeld angerechnet werden, soweit letzteres den Sockelbetrag von 300 Euro monatlich übersteigt(§ 3 Abs 2 S 1 Halbs 1 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO). Unter den genannten Voraussetzungen ist Urlaubsentgelt als laufender Arbeitslohn keine Entgeltersatzleistung, wie etwa Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Renten (vgl BT-Drucks 16/1889 S 22; BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 78 f). Der von der Vorinstanz ins Feld geführte konzeptionelle Aspekt des Gesetzes (Urteilsumdruck S 8, 9), dem Arbeitnehmer während des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Unterschied zur Vorgängerreglung des BErzGG (§ 2 Abs 2 S 1 BErzGG) wenigstens den Sockelbetrag zu belassen (§ 3 Abs 2 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) geht jedenfalls ins Leere, wenn Urlaubsentgelt zuvor als Einkommen im Bezugszeitraum berücksichtigt wurde. Dies stellt nunmehr die Neufassung des § 3 Abs 1 S 1 Nr 5 BEEG(idF des Gesetzes vom 10.9.2012, BGBl I 1878) dadurch klar, dass auf das Elterngeld Einnahmen angerechnet werden, die der berechtigten Person als Ersatz für Erwerbseinkommen zustehen und a) die nicht bereits für die Berechnung des Elterngeldes nach § 2 BEEG (nF) berücksichtigt werden oder b) bei deren Berechnung das Elterngeld nicht berücksichtigt wird(BT-Drucks 17/9841 S 27 f).

21

ee) Die Annahme, dass die bisherige Vollzeiterwerbstätigkeit bei Inanspruchnahme von Erholungsurlaub weiter anspruchsausschließend ausgeübt wird, steht im Einklang mit den besonderen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der sog Partnermonate iS des § 4 BEEG.

22

Eltern haben danach insgesamt Anspruch nur auf 12 Monatsbeträge (§ 4 Abs 2 S 2 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO). Sie haben aber Anspruch auf zwei weitere Monatsbeträge, wenn für zwei Monate eine Minderung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit erfolgt. Ein Elternteil kann mindestens für zwei und höchstens für 12 Monate Elterngeld beziehen (§ 4 Abs 2 S 2 und 3, Abs 3 S 1 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, BGBl l 61; zur grundsätzlichen Neustrukturierung durch das Elterngeld Plus mit Partnerschaftsbonus vgl Gesetz vom 18.12.2014, BGBl I 2325). Für die Inanspruchnahme der Partnermonate ist es ohne Belang, welcher Elternteil wann und in welchem Umfang innerhalb des 14-monatigen Bezugszeitraums diese spezielle Voraussetzung der Einkommensminderung aus Erwerbstätigkeit erfüllt. In Anbetracht der Minderung des Erwerbseinkommens der Ehefrau in den ersten 12 Lebensmonaten des Sohnes wären die zusätzlichen Voraussetzungen des § 4 Abs 2 S 3 BEEG (idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) für den Erwerb der Partnermonate durch den Kläger deshalb auch ohne Einschränkung seines eigenen Erwerbseinkommens gegeben. Das ändert aber nichts daran, dass die Fortsetzung der Vollzeittätigkeit nicht geeignet ist, den Anspruch auf Elterngeld zu begründen. Mit den Partnermonaten sollte vornehmlich ein Anreiz geschaffen werden, nicht einem Elternteil allein die Erwerbsarbeit und dem anderen Teil die Betreuungsarbeit zu übertragen (vgl BT-Drucks 16/1889, S 23; auch Jaritz in Roos/Bieresborn, MuschG-BEEG, 2014, § 4 BEEG RdNr 25; Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz und Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz, 8. Aufl 2008, § 4 BEEG RdNr 9; Rancke, Mutterschutz/Elterngeld/Elternzeit/Betreuungsgeld, 4. Aufl 2015, § 4 BEEG RdNr 1). Dieses spezielle Anliegen des Gesetzgebers ist legitim (vgl zur Verfassungsmäßigkeit der Partnermonate vgl BVerfG Kammerbeschluss vom 26.10.2011 - 1 BvR 2075/11 - NJW 2012, 216; ferner BSG SozR 4-7837 § 4 Nr 5), beeinflusst aber im Übrigen nicht den nach übergeordneten Merkmalen zu bestimmenden Personenkreis im Geltungsbereich des BEEG. Der spezielle Zweck der Partnermonate wird nicht dadurch unterlaufen, dass ohnehin beide Elternteile berufstätig sind und sich die Betreuungs- und Erziehungsarbeit teilen wollen.

23

3. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluss von Elterngeld für die Dauer von Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis bestehen nicht.

24

a) Es verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG iVm Art 6 Abs 1 GG, wenn Eltern aufgrund der Regelung des § 1 Abs 1 Nr 4 und Abs 6 BEEG wegen Erholungsurlaub im Vollzeitarbeitsverhältnis von einkommensabhängigem Elterngeld als auch Mindestelterngeld(§ 2 Abs 5 BEEG idF des Gesetzes vom 5.12.2006, aaO) ausgeschlossen sind. Unter Berücksichtigung der bereits ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der familienpolitischen Leistung des Elterngeldes unter Einschluss der Partnermonate (hierzu BSG Urteil vom 26.5.2011 - B 10 EG 3/10 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 1 RdNr 22, nachgehend BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 26.10.2011 - 1 BvR 2075/11 - NJW 2012, 216; BSG Urteil vom 15.12.2011 - B 10 EG 1/11 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 3 RdNr 42 f; BSG Urteil vom 26.3.2014 - B 10 EG 6/13 R - SozR 4-7837 § 4 Nr 5 RdNr 17 mwN)ist die unterschiedliche Behandlung von Elternteilen in Vollzeitarbeitsverhältnissen unter wertender Einbeziehung des Erholungsurlaubs im Vergleich zu Eltern, die eine Erwerbstätigkeit nicht oder nur in den Grenzen des § 1 Abs 6 BEEG ausüben und deshalb anders als der Erholungsurlauber im Vollzeitarbeitsverhältnis grundsätzlich Elterngeld als Sockelbetrag oder einkommensabhängige Leistung beziehen können, hinreichend sachlich gerechtfertigt. Die Differenzierung ist die Folge der legitimen Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers, Familien bei der Sicherung ihrer Lebensgrundlagen nur zu unterstützen, wenn sie sich bei generalisierender, typisierender und pauschalierender Betrachtungsweise in der Frühphase der Elternschaft vorrangig um die Betreuung ihrer Kinder kümmern wollen und kümmern können (zum Ausschluss nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 1/13 R - Juris RdNr 19 ff; BSG Urteil vom 10.7.2014 - B 10 EG 5/14 R - SozR 4-7837 § 1 Nr 6). Dementsprechend ist der Gesetzgeber auch frei darin, die Erziehungs- und Betreuungsleistungen im Falle fehlenden Erwerbseinkommens mit Basisbeträgen zu honorieren (BSG Urteil vom 25.6.2009 - B 10 EG 8/08 R - BSGE 103, 291 = SozR 4-7837 § 2 Nr 2, RdNr 55 f) und im Übrigen das Elterngeld als Lohnersatzleistung nur dann zu gewähren, wenn durch die Erziehungs- und Betreuungsleistung Einkommenseinbußen hinzunehmen sind (BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 20/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 8 RdNr 38 ff).

25

b) Es liegt auch keine Verletzung des besonderen Gleichbehandlungsgebots in Art 3 Abs 2 S 1 GG oder des Benachteiligungsverbots in Art 3 Abs 3 S 1 GG vor, wenn männliche Erwerbstätige in leitenden Vollzeitpositionen häufiger von der Inanspruchnahme des Elterngeldes ausgeschlossen sind als weibliche Erwerbstätige in entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnissen. Die Schutzbereiche der genannten Grundrechte sind nicht einmal mittelbar betroffen, wenn überwiegend Männer durch ihre höhere Repräsentanz in den vorbezeichneten Tätigkeiten vom Leistungsausschluss dadurch betroffen sind, dass ihnen keine Elternzeit gewährt wird (vgl BSG Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 17/19 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 7 RdNr 51 f mwN). Unbeschadet der Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise des Arbeitgebers im Einzelfall sichert das Gesetz nämlich Gleichbehandlung durch einen einklagbaren Anspruch auf Elternzeit (§ 15 Abs 1 S 1 BEEG idF des Gesetzes vom 17.1.2009, aaO).

26

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Elterngeld wird als Basiselterngeld oder als Elterngeld Plus gewährt. Es kann ab dem Tag der Geburt bezogen werden. Basiselterngeld kann bis zur Vollendung des 14. Lebensmonats des Kindes bezogen werden. Elterngeld Plus kann bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats bezogen werden, solange es ab dem 15. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird. Für angenommene Kinder und Kinder im Sinne des § 1 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 kann Elterngeld ab Aufnahme bei der berechtigten Person längstens bis zur Vollendung des achten Lebensjahres des Kindes bezogen werden.

(2) Elterngeld wird in Monatsbeträgen für Lebensmonate des Kindes gezahlt. Der Anspruch endet mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung entfallen ist. Die Eltern können die jeweiligen Monatsbeträge abwechselnd oder gleichzeitig beziehen.

(3) Die Eltern haben gemeinsam Anspruch auf zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld. Ist das Einkommen aus Erwerbstätigkeit eines Elternteils in zwei Lebensmonaten gemindert, haben die Eltern gemeinsam Anspruch auf zwei weitere Monate Basiselterngeld (Partnermonate). Statt für einen Lebensmonat Basiselterngeld zu beanspruchen, kann die berechtigte Person jeweils zwei Lebensmonate Elterngeld Plus beziehen.

(4) Ein Elternteil hat Anspruch auf höchstens zwölf Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b. Ein Elternteil hat nur Anspruch auf Elterngeld, wenn er es mindestens für zwei Lebensmonate bezieht. Lebensmonate des Kindes, in denen einem Elternteil nach § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 3 anzurechnende Leistungen oder nach § 192 Absatz 5 Satz 2 des Versicherungsvertragsgesetzes Versicherungsleistungen zustehen, gelten als Monate, für die dieser Elternteil Basiselterngeld nach § 4a Absatz 1 bezieht.

(5) Abweichend von Absatz 3 Satz 1 beträgt der gemeinsame Anspruch der Eltern auf Basiselterngeld für ein Kind, das

1.
mindestens sechs Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 13 Monatsbeträge Basiselterngeld;
2.
mindestens acht Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 14 Monatsbeträge Basiselterngeld;
3.
mindestens zwölf Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 15 Monatsbeträge Basiselterngeld;
4.
mindestens 16 Wochen vor dem voraussichtlichen Tag der Entbindung geboren wurde: 16 Monatsbeträge Basiselterngeld.
Für die Berechnung des Zeitraums zwischen dem voraussichtlichen Tag der Entbindung und dem tatsächlichen Tag der Geburt ist der voraussichtliche Tag der Entbindung maßgeblich, wie er sich aus dem ärztlichen Zeugnis oder dem Zeugnis einer Hebamme oder eines Entbindungspflegers ergibt.
Im Fall von
1.
Satz 1 Nummer 1
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 13 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 15. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 16. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
2.
Satz 1 Nummer 2
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 14 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 16. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 17. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
3.
Satz 1 Nummer 3
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 15 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 17. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 18. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird;
4.
Satz 1 Nummer 4
a)
hat ein Elternteil abweichend von Absatz 4 Satz 1 Anspruch auf höchstens 16 Monatsbeträge Basiselterngeld zuzüglich der höchstens vier zustehenden Monatsbeträge Partnerschaftsbonus nach § 4b,
b)
kann Basiselterngeld abweichend von Absatz 1 Satz 3 bis zur Vollendung des 18. Lebensmonats des Kindes bezogen werden und
c)
kann Elterngeld Plus abweichend von Absatz 1 Satz 4 bis zur Vollendung des 32. Lebensmonats des Kindes bezogen werden, solange es ab dem 19. Lebensmonat in aufeinander folgenden Lebensmonaten von zumindest einem Elternteil in Anspruch genommen wird.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Höhe einer großen Witwenrente.

2

Die Klägerin ist die Witwe des am 11.1.2011 verstorbenen Versicherten J. V. Dessen erste Ehe war geschieden und zu seinen Lasten ein Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Die ausgleichsberechtigte Ehefrau verstarb kurz nach der Scheidung. Der Versicherte erhielt vor seinem Tod ungemindert Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

3

Die Beklagte gewährte der Klägerin ab dem 1.2.2011 große Witwenrente und berücksichtigte bei der Ermittlung der Entgeltpunkte (EP) für die Ehezeit vom 1.7.1961 bis 29.2.1980 einen Abschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich von insgesamt 13,9145 EP (Bescheid vom 17.2.2011 und Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen (Urteil vom 6.1.2012): Die Beklagte habe die Witwenrente der Klägerin zu Recht auf Grund des durchgeführten Versorgungsausgleichs gemindert. Das Recht, einen Antrag gemäß § 37 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich (Versorgungsausgleichsgesetz - VersAusglG) vom 3.4.2009 (BGBl I 700) auf Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu stellen, stehe nach § 38 VersAusglG allein der ausgleichspflichtigen Person zu. Unerheblich sei, dass die Rente des Versicherten ungekürzt, dh ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs, gezahlt worden sei. Denn die Hinterbliebenenrente beruhe auf dem mit dem Tod des Versicherten 2011 eingetretenen Versicherungsfall. Für die Witwenrente seien deshalb die im Zeitpunkt dieses Versicherungsfalls geltenden gesetzlichen Bestimmungen anzuwenden, zu denen das am 1.9.2009 in Kraft getretene VersAusglG gehöre.

5

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 37, 38, 48 Abs 1, 49 VersAusglG iVm § 4 Abs 2 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG), das am 1.9.2009 außer Kraft getreten ist (vgl Art 23 S 2 Nr 2 des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs - VAStrRefG - vom 3.4.2009, BGBl I 700): Das SG verkenne die Übergangsvorschriften des VersAusglG. Die Bundesknappschaft habe den Abschlag aus dem Versorgungsausgleich, den sie noch im Altersrentenbescheid vom 28.2.1996 zu Lasten des Versicherten berücksichtigt habe, mit Bescheid vom 21.5.1996 ab dem 1.4.1996 wieder rückgängig gemacht und ausdrücklich festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 4 Abs 2 VAHRG vorlägen. Damit sei die Kürzung nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft entfallen. Konsequenterweise sei dem Versicherten mit Bescheid vom 13.3.2001 ungekürzte Regelaltersrente bewilligt worden, und zwar ohne jeden Hinweis auf einen zu berücksichtigenden Versorgungsausgleich. Dieser Rentenbescheid sei auch für die Hinterbliebenenrente maßgeblich. Denn gemäß §§ 48 Abs 1, 49 VersAusglG gelte noch das alte VAHRG und nicht das neue VersAusglG, weil der Versorgungsausgleich und das Verfahren nach § 4 VAHRG weit vor Inkrafttreten des VersAusglG am 1.9.2009 eingeleitet und durchgeführt worden seien. Unabhängig davon habe der Versicherte das Antragsrecht nach § 37 VersAusglG zu Lebzeiten gar nicht benötigt, weil seine Rente bis zum Tod nicht gekürzt worden sei.

6

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 6. Januar 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2011 und den Widerspruchsbescheid vom 14. April 2011 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, den Wert ihres Rechts auf große Witwenrente unter Feststellung des Rückausgleichs ohne Abschlag an Entgeltpunkten für den durchgeführten Versorgungsausgleich ab dem 1. Februar 2011 festzusetzen sowie diese zu verurteilen, ihr ab demselben Zeitpunkt entsprechend höhere Geldbeträge zu zahlen.

7

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

8

Die Übergangsregelungen des VersAusglG seien nicht einschlägig. § 48 VersAusglG sei unanwendbar, weil das Versorgungsausgleichsverfahren bereits im Februar 1980 und damit vor Inkrafttreten des VersAusglG rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Gleiches gelte bezüglich § 49 VersAusglG, denn das Verfahren nach § 4 VAHRG sei mit Erlass der Bescheide vom 21.5. und 24.6.1996 beendet worden. Folglich gelte für das Verfahren der Klägerin das VersAusglG, insbesondere dessen § 38 Abs 1 S 2. Nach dieser Vorschrift könne sie keine Anpassung beantragen. Vielmehr sei bei einer Witwenrente aus der Versicherung des ausgleichspflichtigen Verstorbenen die Kürzung aus einem früheren Versorgungsausgleich wieder zu berücksichtigen, auch wenn bei der Versichertenrente § 4 VAHRG angewendet worden sei. Nichts anderes gelte mit Blick auf den Besitzschutz für die persönlichen EP in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 88 Abs 2 S 1 SGB VI). Dieser erstrecke sich nur auf die persönlichen EP, die sich ohne die Anwendung von § 4 VAHRG für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergäben. Denn die EP aus § 4 VAHRG könnten - bedingt durch einen Hinterbliebenenrentenbezug aus der Versicherung der ausgleichsberechtigten Person - noch entfallen. Dies gelte selbst dann, wenn mangels bekannter eventuell anspruchsberechtigter Hinterbliebener im Einzelfall der Wegfall der Anwendung von § 4 VAHRG ausgeschlossen erscheine. Andernfalls entstünden erhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten insbesondere hinsichtlich möglicher weiterer Ansprüche auf Waisenrenten. Ließe man die uneingeschränkte Anwendung von § 88 SGB VI zu, wäre die nachträgliche Minderung bei einem Rentenbezug aus der Versicherung des verstorbenen ausgleichsberechtigten Versicherten für die weitere Rentenzahlung ohne Bedeutung mit der Konsequenz einer doppelten Belastung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung.

Entscheidungsgründe

9

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil weitere Tatsachenfeststellungen des SG erforderlich sind.

10

A. Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz (Sprungrevision) ist zulässig. Gemäß § 161 Abs 1 S 1 SGG steht den Beteiligten die Sprungrevision zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom SG zugelassen worden ist. Diese Voraussetzungen sind erfüllt: Das SG hat die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz im Tenor des angefochtenen Urteils ausdrücklich zugelassen. Die Beklagte hat ihre Zustimmung zur Einlegung der Sprungrevision in der mündlichen Verhandlung vom 6.1.2012 zur Niederschrift des SG erklärt. Dass dies vor der Urteilsverkündung und damit schon vor der Revisionszulassung geschah, ist unschädlich (BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Schließlich ist auch das Schriftformerfordernis erfüllt, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung gerichtlich beurkundet wurde, was sowohl der Bedeutung und Tragweite der Zustimmungserklärung als auch den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausreichend Rechnung trägt (GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 11 S 22, 24 mwN; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl 2012, § 161 RdNr 4b). Rechtssicherheit und Rechtsklarheit werden auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass die Beklagte der Einlegung der Sprungrevision nur "vorsorglich für den Fall des Obsiegens" zugestimmt hat. Denn diese (innerprozessuale) Bedingung ist jeder Zustimmungserklärung von vornherein immanent. Ferner ist unerheblich, dass die protokollierte Zustimmungserklärung, die mit Einlegung der Sprungrevision gemäß § 161 Abs 5 SGG als Verzicht auf die Berufung gilt, entgegen § 122 SGG iVm § 162 Abs 1 S 1, § 160 Abs 3 Nr 9 ZPO weder vorgelesen noch genehmigt wurde. Denn die Wirksamkeit der Zustimmung hängt nicht davon ab, ob sie ordnungsgemäß protokolliert worden ist (vgl BGH Beschlüsse vom 4.7.2007 - XII ZB 14/07 - NJW-RR 2007, 1451, 1452, vom 25.6.1986 - IVb ZB 75/85 - FamRZ 1986, 1089 und vom 18.1.1984 - IVb ZB 53/83 - FamRZ 1984, 372 ). Verlesung und Genehmigung von Protokollerklärungen sollen lediglich die Richtigkeit des Protokolls gewährleisten und damit seine Beweiskraft untermauern (vgl BGH aaO sowie BGHZ 107, 142, 145 f ). Ein Verstoß gegen die Verfahrensvorschrift des § 162 Abs 1 ZPO nimmt dem Protokoll deswegen lediglich die Beweiskraft als öffentliche Urkunde. Hier kommt es auf die besondere Beweiskraftwirkung des Protokolls aber nicht an, weil die Abgabe der Zustimmungserklärung mit dem protokollierten Inhalt zwischen den Beteiligten unstreitig ist, so dass eine entsprechende Klärung im Freibeweisverfahren entbehrlich ist. Die Klägerin erfüllt schließlich auch das Erfordernis des § 161 Abs 1 S 3 SGG, weil sie ihrer Revisionsschrift - was ausreicht - die beglaubigte Abschrift des Sitzungsprotokolls beigefügt hat(§§ 165 S 1, 153 Abs 1, 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 435 S 1 Halbs 1 ZPO), das die wirksame Zustimmungserklärung der Beklagten zur Einlegung der Sprungrevision enthält (vgl dazu GrS BSGE 12, 230, 232 f = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 4-5425 § 2 Nr 6 RdNr 11; BSGE 89, 271, 272 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43; Leitherer, aaO, § 161 RdNr 10a).

11

B. Die Sprungrevision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Ob der wertfestsetzende Verwaltungsakt (§ 31 S 1 SGB X) im Witwenrentenbescheid vom 17.2.2011 und der Widerspruchsbescheid vom 14.4.2011 (§ 95 SGG) rechtwidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 54 Abs 2 S 1 SGG), weil sie ihr die Festsetzung und Zahlung höherer Witwenrente versagen, kann der Senat auf Grund der Feststellungen des SG nicht abschließend entscheiden. Zwar steht der Klägerin entgegen der Revision übergangsrechtlich kein eigenes Antragsrecht nach dem VAHRG auf Feststellung des Rückausgleichsfalls und Festsetzung eines günstigeren Höchstwerts ihrer Hinterbliebenenrente zu. Das VersAusglG begrenzt ein derartiges - nach früherem Recht auch dem Hinterbliebenen selbst eröffnetes - Recht auf Antragstellungen vor dem 1.9.2009. Auch konnte der verstorbene Versicherte sein Antragsrecht nicht bereits vorweg zugunsten der Klägerin und mit Wirkung für deren abgeleitetes Recht auf Hinterbliebenenrente ausüben. Indessen bemisst sich der Wert des Rechts auf Hinterbliebenenrente nach der unverändert einschlägigen Besitzstandsregelung in § 88 Abs 2 SGB VI mindestens nach den bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten, wenn dieser eine Rente aus eigener Versicherung bezogen hat und spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente beginnt.

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1. Die Klägerin greift mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 2 SGG) den (wertfeststellenden) Verwaltungsakt über die Rentenhöhe an, macht mit der Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 S 1, Regelung 3 SGG) die Festsetzung eines höheren Rentenwerts unter Außerachtlassung des Abschlags aus dem Versorgungsausgleich sowie mit der unechten Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) die Zahlung eines höheren monatlichen Rentenbetrags geltend, und zwar zulässigerweise im Wege der objektiven Klagehäufung (§ 56 SGG).

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2. Der hier allein streitige Wert des Rechts auf große Witwenrente bestimmt sich nach der Rentenformel der §§ 63 Abs 6, 64 SGB VI. Danach ergibt sich der Monatsbetrag einer Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) ermittelten persönlichen EP mit dem Rentenartfaktor (§§ 67, 255 und §§ 82, 265 SGB VI) und dem aktuellen Rentenwert (§§ 63 Abs 7, 65, 68, 69 SGB VI) vervielfältigt werden. Da die große Witwenrente der Klägerin am 1.2.2011 begonnen hat, sind die genannten Vorschriften in der jeweils zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung anzuwenden (vgl § 300 Abs 1 und 2 SGB VI; Senatsurteil vom 27.4.2010 - B 5 R 62/08 R - SozR 4-2600 § 71 Nr 5 RdNr 16 und BSG SozR 4-2600 § 300 Nr 2 RdNr 9 f).

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3. Grundlage für die Ermittlung der persönlichen EP - dem 1. Faktor der Rentenformel - sind bei Witwenrenten die EP des verstorbenen Versicherten (§ 66 Abs 2 Nr 2 SGB VI). Die persönlichen EP für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente ergeben sich, indem die Summe der EP mit dem Zugangsfaktor vervielfältigt und ua bei Witwenrenten um einen Zuschlag erhöht wird (§ 66 Abs 1 SGB VI). Zu den Summanden, die durch Addition "die Summe der EP" ergeben, zählen gemäß § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI ua auch "Abschläge aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich", die ihrerseits aus einer Übertragung von Rentenanwartschaften zu Lasten des Versicherten resultieren(§ 76 Abs 3 SGB VI). Die Übertragung von Rentenanwartschaften regelte § 1587b Abs 1 S 1 BGB in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung (aF). Danach übertrug das Familiengericht im Rahmen des Scheidungsverfahrens vom Amts wegen (vgl § 623 Abs 1 S 3 ZPO in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) Rentenanwartschaften in Höhe der Hälfte des Wertunterschieds, wenn ein Ehegatte in der Ehezeit Rentenanwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung iS des § 1587a Abs 2 Nr 2 BGB aF erworben hatte und diese die Anwartschaften iS des § 1587a Abs 2 Nr 1, 2 BGB aF überstiegen, die der andere Ehegatte in der Ehezeit erworben hatte (sog Rentensplitting).

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4. Die rechtskräftige (vgl § 53g Abs 1 FGG in seiner bis zum 31.8.2009 geltenden Altfassung) und wirksame (§ 629d ZPO aF) Entscheidung des Familiengerichts über das Rentensplitting blieb mit ihrer Gestaltungswirkung auch dann bestehen, wenn es später nach § 4 VAHRG zu einem sog "Rückausgleich" kam: Hatte der Ausgleichsberechtigte vor seinem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten, so wurde die Versorgung des Verpflichteten oder seiner Hinterbliebenen nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt(Abs 1); war der Berechtigte gestorben und wurden aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht Leistungen gewährt, die insgesamt zwei Jahresbeträge eines auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Altersruhegeldes aus dem erworbenen Anrecht nicht überstiegen, so galt Abs 1 entsprechend, jedoch waren die gewährten Leistungen auf die sich aus Abs 1 ergebende Erhöhung anzurechnen (Abs 2). Diese Regelungen waren verfassungsrechtlich geboten, weil die Rechtfertigung des Versorgungsausgleichs durch Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 2 S 1 GG dann entfällt, wenn einerseits beim Verpflichteten eine spürbare Kürzung der Rentenansprüche erfolgt, ohne dass sich andererseits der Erwerb eines selbständigen Versicherungsschutzes angemessen für den Berechtigten auswirkt (BVerfG Urteil vom 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 ua - SozR 7610 § 1587 Nr 1). In einem solchen Fall erbringt der Verpflichtete ein Opfer, das nicht mehr dem Ausgleich zwischen den geschiedenen Ehegatten dient; es kommt vielmehr ausschließlich dem Rentenversicherungsträger, in der Sache der Solidargemeinschaft der Versicherten, zugute. Dies lässt sich weder mit den Nachwirkungen der Ehe (Art 6 Abs 1 GG) noch mit der Gleichberechtigung der Ehegatten (Art 3 Abs 2 S 1 GG) begründen. Um derart ungerechtfertigte Härten zu vermeiden, muss der Verpflichtete befugt sein, eine nachträgliche Korrektur zu beantragen (BVerfG SozR 7610 § 1587 Nr 1). In Umsetzung dieser verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung räumte das VAHRG dem (Ausgleichs-)Verpflichteten und, soweit sie belastet waren, seinen Hinterbliebenen die Möglichkeit ein, eine Aussetzung der Kürzung wegen Vorversterbens des Ausgleichsberechtigten ("Rückausgleich") zu beantragen (§ 9 Abs 2 VAHRG). Allerdings blieb auch nach einem durchgeführten Rückausgleich die Übertragung von Rentenanwartschaften und der damit verbundene Abschlag im Versicherungskonto des Ausgleichspflichtigen bestehen (Senatsurteile vom 20.9.1988 - 5/4a RJ 45/87 - BSGE 64, 75 ff = SozR 5795 § 4 Nr 6 und vom 22.11.1988 - 5/4a RJ 65/87 - Juris RdNr 14 f; BSG SozR 5795 § 4 Nr 9). Die Voraussetzungen für die Anwendung der Anpassungs- bzw Härteregelung des § 4 VAHRG musste bei jedem Rentenanspruch neu geprüft werden, weil in ihrem Rahmen keine "Rückübertragung" von Anrechten stattfand, sondern eine Rentenkürzung (vorübergehend) ausgesetzt wurde. Folglich war der Abschlag (Malus) aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen. Der Hinterbliebene konnte aber gemäß § 9 Abs 2 VAHRG seinerseits den "Rückausgleich" beantragen, was in aller Regel mit dem Antrag auf Hinterbliebenenrente zumindest konkludent geschah(BSG SozR 3-5795 § 5 Nr 2).

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5. Die Regelung des § 9 Abs 2 VAHRG trat jedoch - wie das gesamte VAHRG - am 1.9.2009 außer Kraft (Art 23 S 2 Nr 2 VAStrRefG). Sie ist übergangsrechtlich nach diesem Stichtag nur noch in Ausnahmefällen anwendbar: Dabei greift die allgemeine Übergangsvorschrift des § 48 VersAusglG nur ein, wenn das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem 1.9.2009 eingeleitet und an diesem Tag noch nicht beendet, sondern weiterhin anhängig war. Das ist nach den Feststellungen des SG vorliegend nicht der Fall. Darüber hinaus ist für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 VAHRG, in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1.9.2009 einging, das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden (§ 49 VersAusglG). Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind für Sterbefälle nach dem 31.8.2009 aber von vornherein nicht erfüllt, weil Hinterbliebene den "Rückausgleich" erst wirksam beantragen können, wenn ihre Anwartschaft auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch den Tod des Versicherten zum Vollrecht gegen den Versorgungsträger erstarkt ist (vgl BSGE 92, 113 = SozR 4-2600 § 46 Nr 1). Zu Lebzeiten des Versicherten waren sie (noch) nicht "Hinterbliebene", so dass ihnen die erforderliche Antragsberechtigung fehlte. Soweit der Versicherte zu Lebzeiten den "Rückausgleich" nach § 4 Abs 2 VAHRG erfolgreich beantragt hatte, konnte sich dieser Antrag (und der daraufhin erfolgte Rückausgleich) nur auf seine eigene Versicherten-, nicht jedoch auf künftige Hinterbliebenenleistungen seiner Angehörigen beziehen. Denn ein Antragsteller kann - schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen - immer nur in eigener Sache die Durchsetzung oder Wahrung individueller Rechte verfolgen (vgl dazu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 13. Aufl 2012, § 22 RdNr 68; Mutschler in Kass Komm, SGB X, Stand April 2012, § 18 RdNr 5). Auch wenn sich das Recht auf Hinterbliebenenrente aus dem Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und dem Rentenversicherungsträger ableitet, geht es keinesfalls kraft Rechtsnachfolge über, sondern vermittelt dem Hinterbliebenen ein eigenständiges Recht auf entsprechende Leistungen (BSG SozR 4-2600 § 307b Nr 4; BSGE 90, 102 = SozR 3-2600 § 307b Nr 10). Ist danach das VersAusglG einschlägig, richtet sich das Recht, die Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person zu beantragen (§ 37 VersAusglG), allein nach § 38 Abs 1 S 2 VersAusglG. Danach ist (nur) die ausgleichspflichtige Person antragsberechtigt; Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen steht - anders als nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden § 9 Abs 2 VAHRG - keine Antragsberechtigung mehr zu. Ihnen ist der Rückausgleich versperrt. Folglich ist der Abschlag aus dem früheren Versorgungsausgleich bei der Summenbildung der EP als (negativer) Summand und damit bei der Wertfestsetzung von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich wieder zu berücksichtigen.

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6. Allerdings besteht für Hinterbliebenenrenten, die sich an eine andere Rente anschließen (sog Folgerente), gemäß § 88 Abs 2 SGB VI ein Besitz- bzw Bestandsschutz. Dessen Satz 1 lautet: "Hat der verstorbene Versicherte eine Rente aus eigener Versicherung bezogen und beginnt spätestens innerhalb von 24 Kalendermonaten nach Ende des Bezugs dieser Rente eine Hinterbliebenenrente, werden ihr mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde gelegt". Nach den bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) des SG sind die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm erfüllt. Der verstorbene Versicherte hat bis zum 31.1.2011 eine Rente aus eigener Versicherung bezogen (§ 102 Abs 5 SGB VI), und die Hinterbliebenenrente (große Witwenrente) der Klägerin begann nahtlos am 1.2.2011, dh innerhalb von 24 Kalendermonaten. Folglich sind der großen Witwenrente "mindestens die bisherigen persönlichen EP des verstorbenen Versicherten zugrunde" zu legen. Die "persönlichen EP" sind das Produkt aus der Summe aller EP (§ 66 Abs 1 SGB VI) und des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) des verstorbenen Versicherten. Bei der hiernach erforderlichen Summierung aller EP ist der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich (§ 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI) unterblieben, weil die Versorgung des verstorbenen Versicherten gemäß § 4 VAHRG - von Anfang an(Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5) - nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt wurde. Damit erhöhten sich seine persönlichen EP. Dies sind zugleich die "bisherigen" persönlichen EP der maßgeblichen Vorrente, auf die der Versicherte zuletzt vor Beginn der Folgerente Anspruch hatte (Stahl in Hauck/Noftz, SGB VI, K § 88 RdNr 16), und die nunmehr bei der Berechnung der Folgerente "mindestens" zu Grunde zu legen sind. Dabei erstreckt sich der Besitzschutz auf die Gesamtzahl der persönlichen EP aus der Vorrente (BSG Urteil vom 22.10.1996 - 13/4 RA 111/94 - SozR 3-2600 § 88 Nr 2). Einem Hinterbliebenenrentner kommt unter diesen Voraussetzungen mittelbar zu Gute, dass der verstorbene Versicherte durch Antragstellung nach dem VAHRG aus verfassungsrechtlichen Gründen erreicht hatte, dass bei seiner eigenen Rente trotz des zu seinen Lasten durchgeführten Versorgungsausgleichs und entgegen der Grundregel des § 76 Abs 1 und 3, § 66 Abs 1 Nr 4 SGB VI kein Abschlag an EP erfolgt.

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Keinesfalls darf die Summe der persönlichen EP aus der Vorrente bei Berechnung der Folgerente in besitzgeschützte und nicht besitzgeschützte Anteile aufgespalten werden, so dass sich der Bestandsschutz nur auf die persönlichen EP erstreckt, die sich ohne Anwendung von Anpassungs- (§§ 32 ff VersAusglG) und Härteregelungen (§§ 4 bis 8 VAHRG) für die Rente des verstorbenen Ausgleichspflichtigen ergeben haben. Eine solche Befugnis zur Aufspaltung der besitzgeschützten Gesamtzahl der persönlichen EP sieht das Gesetz weder in § 88 SGB VI noch an anderer Stelle vor. Ein zeitlich (lex posterior derogat legi priori) oder inhaltlich (lex specialis derogat legi generali) vorrangiges Bundesgesetz, das den vertrauensschützenden Regelungsgehalt von § 88 Abs 2 S 1 SGB VI zu Lasten des Hinterbliebenen modifiziert(§ 31 SGB I), existiert nicht (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 14.2.2012 - L 18 R 684/11 - Juris RdNr 27). Deren Situation sollte - im Gegenteil - mit Einführung des § 88 SGB VI gerade in Abkehr von einem bloßen Zahlbetragsschutz, den noch die Vorgängerregelungen in § 1253 Abs 2 S 5, § 1254 Abs 2, § 1268 Abs 2 S 2 und § 1290 Abs 3 S 3 RVO vorsahen, durch Hinwendung zu einem Besitzschutz aller persönlichen EP verbessert werden, damit die Folgerente auf Basis der Vorrente dynamisiert (und damit oberhalb des bisherigen Zahlbetrags) geleistet werden kann(vgl Begründung zum Gesetzentwurf für das RRG 1992, BT-Drucks 11/4124, 173). Dieses gesetzgeberische Ziel lässt sich nur über den Besitzschutz der persönlichen EP in ihrer Gesamtheit erreichen, und zwar nach § 88 Abs 1 SGB VI für weitere Versichertenrenten und gemäß § 88 Abs 2 SGB VI für zukünftige Hinterbliebenenrenten. Damit sichert das Gesetz das bisherige Rentenniveau, wahrt den erworbenen Lebensstandard des Versicherten und seiner Hinterbliebenen und schützt ihr Vertrauen auf den Fortbestand der existenzsichernden Rentenleistungen in bisheriger Höhe. Diese Regelung blieb auch im Rahmen des VAStrRefG unangetastet, mit dem das Recht des Versorgungsausgleichs neu geordnet und auch das SGB VI umfangreich geändert worden ist.

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7. Soweit die Beklagte auf eine mögliche Doppelbelastung der Versichertengemeinschaft hinweist, wenn die Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten (wegen "Besitzschutzes des Rückausgleichs") einerseits und die Hinterbliebenen des ausgleichsberechtigten (geschiedenen) Ehegatten (aus dem im Versorgungsausgleich übertragenen Anrecht) andererseits jeweils ungekürzte Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, lässt sich mit dieser wirtschaftlichen Überlegung und dem Postulat einer "Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs" keine teleologische Reduktion des weit formulierten § 88 Abs 2 S 1 SGB VI rechtfertigen(zur ökonomischen Analyse des Rechts und zur Berücksichtigung ökonomischer Folgen vgl Vesting, Rechtstheorie, 2007, RdNr 199 mwN). Das VAHRG erzielte Kostenneutralität weitgehend dadurch, dass die Leistungen aus dem Versorgungsausgleich, zu denen Versicherten- und Hinterbliebenenrenten zählten, auf die rückausgleichsbedingte Rentenerhöhung angerechnet wurden (§ 4 Abs 2 aE VAHRG). Eine solche Anrechnung von Leistungen sieht das VersAusglG nicht mehr vor. Vielmehr wird gemäß § 37 VersAusglG auf Antrag ein Anrecht des Ausgleichspflichtigen nicht länger auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist(Abs 1) und die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat (Abs 2). Sind diese Voraussetzungen erfüllt, erhält die ausgleichspflichtige Person eine ungekürzte Rente, wobei allerdings Anrechte erlöschen, die sie ihrerseits aus dem Versorgungsausgleich von der verstorbenen ausgleichsberechtigten Person erworben hat (§ 37 Abs 3 VersAusglG). Gleichzeitig und davon unabhängig erhalten auch die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person ungekürzte Hinterbliebenenrenten auf der Grundlage der (familien-)gerichtlichen Versorgungsausgleichsentscheidung, so dass es im Ergebnis zu Doppelleistungen aus dem übertragenen Anrecht kommt. Um dies - zumindest partiell - auszugleichen, verlagert § 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG den Beginn der Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person auf den ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt. Damit entfällt die Rentenkürzung bei der ausgleichspflichtigen Person frühestens am Ende des Monats, in dem die ausgleichsberechtigte Person gestorben ist, und nicht mehr - wie nach bisherigem Recht - rückwirkend ab Durchführung des Versorgungsausgleichs (Senatsurteile vom 8.4.1987 - 5a RKn 6/86 - SozR 1300 § 48 Nr 36 und vom 29.9.1987 - 5b RJ 70/86 - AmtlMittLVA Rheinpr 1988, 136 sowie BSG SozR 5795 § 4 Nr 5). Mithin wird der Zuwachs an Versorgungen bei der ausgleichsberechtigten Person (und deren Hinterbliebenen) "im Wesentlichen" über die (temporäre) Kürzung der Anrechte der ausgleichspflichtigen Person kompensiert (BT-Drucks 16/10144 S 44 zu VI. 1.). Hierbei gilt: Je größer der zeitliche Abstand zwischen dem Beginn der (gekürzten) Versichertenrente und dem Vorversterben der ausgleichsberechtigten Person ist, desto mehr profitiert die Versichertengemeinschaft von der versorgungsausgleichsbedingten Kürzung der Versichertenrente. Im umgekehrten Fall kann es - schon nach dem gesetzlichen Konzept des VersAusglG - auch zu versorgungsausgleichsbedingten Mehrbelastungen der Versichertengemeinschaft kommen.

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Diese durch das VersAusglG geschaffene Grundkonstellation (ungekürzte Rentenleistungen sowohl an die ausgleichspflichtige Person als auch an die Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person) hält § 88 Abs 2 S 1 SGB VI für das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung im Todesfall der ausgleichspflichtigen Person insoweit aufrecht, als an ihre Stelle ihre Hinterbliebenen treten (können). Das ist (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstanden. Der Gesetzgeber stand vor der Aufgabe, die Interessen und Belange dreier Personengruppen unter- und gegeneinander abzuwägen: Die Versorgung der Hinterbliebenen des ausgleichspflichtigen Versicherten, die Versorgung der Hinterbliebenen der ausgleichsberechtigten Person und das Interesse der Versichertengemeinschaft an der Vermeidung finanzieller Mehrbelastungen durch den Versorgungsausgleich. Dem Interesse der Versichertengemeinschaft an der Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs trägt der Gesetzgeber durch die Anrechnungsregelung des § 4 Abs 2 VAHRG bzw durch den späten Beginn der Anpassung(§ 38 Abs 2 iVm § 34 Abs 3 VersAusglG) Rechnung. Außerdem erlaubt er die (zukunftsgerichtete) Anpassung ausschließlich in Härte- und damit nur in Ausnahmefällen; im Regelfall bleibt die Rentenminderung zu Lasten der ausgleichspflichtigen Person (und zu Gunsten der Versichertengemeinschaft) dauerhaft bestehen. Entscheidet sich der Gesetzgeber auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung in Härtefällen dafür, den Lebensstandard der Hinterbliebenen von ausgleichspflichtiger und ausgleichsberechtigter Person aus Vertrauensschutzgesichtspunkten auf dem bisherigen Niveau zu sichern, nimmt er damit Mehrbelastungen der Solidargemeinschaft bewusst in Kauf. Die Kostenneutralität des Versorgungsausgleichs ist jedoch kein übergesetzliches Strukturprinzip mit Verfassungsrang, hinter dem die Belange der Hinterbliebenen zurücktreten müssten. Vielmehr stehen Rentenversicherungsanwartschaften und -ansprüche in einem ausgeprägten sozialen Bezug und sind Bestandteil eines Leistungssystems, dem eine besondere soziale Funktion zukommt. Diese soziale Funktion erlaubt es, den Grundsatz der Kostenneutralität partiell zurückzustellen und der Lebensstandardsicherung von Hinterbliebenen durch § 88 Abs 2 S 1 SGB VI Vorrang einzuräumen. Jedenfalls ist nicht erkennbar und wird von der Beklagten auch nicht aufgezeigt, dass der Gesetzgeber bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen die Belange der Versichertengemeinschaft iS von Art 3 Abs 1 GG willkürlich vernachlässigt haben könnte.

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8. Das SG wird im wieder eröffneten Klageverfahren die Höhe der persönlichen EP feststellen müssen, die der zuletzt bezogenen Versichertenrente zu Grunde lagen. Übersteigen die in diesem Sinne besitzgeschützten persönlichen EP die bisher ermittelten persönlichen EP, so sind sie der Rentenberechnung zu Grunde zu legen. Die maßgeblichen persönlichen EP sind sodann mit dem jeweils zutreffenden aktuellen Rentenwert (§ 63 Abs 7, §§ 65, 68, 69 SGB VI) und dem Rentenartfaktor zu multiplizieren, wobei zu beachten ist, dass die Rentenartfaktoren für die ersten drei Monate nach dem Todesmonat (so genanntes Sterbevierteljahr) mit 1,3333 (knappschaftliche Rentenversicherung) bzw 1,0 (allgemeine Rentenversicherung) und anschließend mit 0,8 (knappschaftliche Rentenversicherung) und 0,6 (allgemeine Rentenversicherung) einzustellen sind (§ 67 Nr 6, § 255 Abs 1 und § 82 S 1 Nr 7, § 265 Abs 7 SGB VI).

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Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des SG vorbehalten.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2009 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Revisionsverfahren.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1.3.2009 bis zum 11.11.2009. Zwischen den Beteiligten ist insbesondere streitig, ob der Kläger als französischer Staatsangehöriger von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, weil sich sein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt.

2

Der 1971 geborene Kläger reiste am 18.12.2007 in die Bundesrepublik ein. Der französische Träger der Arbeitslosenversicherung hatte ihm zuvor auf dem Vordruck E 303 bescheinigt, dass er unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit habe. Seit diesem Tag wohnt er in Berlin. Der Kläger meldete sich am 28.1.2008 bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) arbeitslos und bezog zunächst bis zum 17.3.2008 Arbeitslosengeld. In der Folgezeit erhielt er ab dem 28.4.2008 und - bis auf wenige Tage Unterbrechung - bis zum 28.2.2009 Arbeitslosengeld II (Alg II). Seit dem 2.6.2008 ist er im Besitz einer Bescheinigung nach § 5 des Gesetzes über die Allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern(Freizügigkeitsgesetz/EU ).

3

Vom 1.2.2008 bis zum 23.6.2008 übte der Kläger eine Tätigkeit als Handwerkshelfer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden und einem monatlichen Entgelt von 100 Euro aus. Das Arbeitsverhältnis endete nach einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Zum 1.1.2009 meldete der Kläger ein Gewerbe "An- u. Verkauf, Trödel-Kafé, Kaffeeausschank" an. Da jedoch kein Vertrag über die Anmietung der Geschäftsräume zustande kam, zerschlug sich das Geschäftsgründungsvorhaben am 5.1.2009. Die Abmeldung des Gewerbes erfolgte erst im April 2009 "rückwirkend" zum 1.1.2009.

4

Am 9.2.2009 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Fortzahlungsantrag für den Zeitraum ab dem 1.3.2009. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31.3.2009 und Widerspruchsbescheid vom 27.7.2009 mit der Begründung ab, der Kläger sei nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II inzwischen von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen, weil er alleine wegen seiner Eigenschaft als Arbeitsuchender freizügigkeitsberechtigt sei. Nach dem Ende seiner Beschäftigung sei er gemäß § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU nur für die Dauer von weiteren sechs Monaten leistungsberechtigt nach dem SGB II gewesen.

5

Die Klage blieb ohne Erfolg (Urteil des Sozialgerichts vom 20.10.2009). Auf die Berufung des Klägers haben sich die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) am 11.11.2009 hinsichtlich der Kosten der Unterkunft verglichen. Im Übrigen hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und den Beklagten unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verurteilt, dem Kläger Alg II in Form der Regelleistung für die Zeit vom 1.3.2009 bis zum 11.11.2009 dem Grunde nach zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei leistungsberechtigt nach dem SGB II. Dem stehe der Leistungsausschluss in § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht entgegen. Zwar ergebe sich das Aufenthaltsrecht des Klägers im streitigen Zeitraum alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche (§ 2 Abs 2 Nr 1 Alt 2 FreizügG/EU). Ein Wegfall dieses Aufenthaltsrechts komme nur dann in Betracht, wenn aufgrund objektiver Umstände davon auszugehen sei, dass der Unionsbürger keinerlei ernsthafte Absichten verfolge, eine Beschäftigung aufzunehmen. Davon könne im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden. Auch könne letztlich dahinstehen, ob der Leistungsausschluss wegen Verstoßes gegen europäisches Gemeinschaftsrecht unanwendbar sei. Dies hänge maßgeblich davon ab, ob Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II als "Sozialhilfe" im Sinne von Art 24 Abs 2 der so genannten Unionsbürgerrichtlinie ( Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004, ABl 2004 L Nr 158, 77) anzusehen seien. Diese Frage bedürfe hier aber keiner abschließenden Entscheidung, weil der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II für solche Hilfebedürftigen einschränkend auszulegen sei, die durch das Europäische Fürsorgeabkommen( vom 11.12.1953 BGBl II 1956, 564) begünstigt würden. Nach Art 1 EFA habe der Kläger danach Anspruch auf "Fürsorge" wie ein deutscher Staatsangehöriger, der sich im Inland gewöhnlich aufhalte. Als Leistungen der Fürsorge seien nach dem Außerkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) am 31.12.2004 nicht nur die im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), sondern auch die im SGB II für Hilfebedürftige geregelten Leistungen anzusehen. Unerheblich sei, dass die Bundesrepublik Deutschland entgegen der sich aus Art 16 Abs a) und b) des EFA ergebenden Verpflichtung dem Generalsekretär des Europarates das Außerkrafttreten des BSHG bislang nicht mitgeteilt habe, weil die im Anhang I des Abkommens genannte Aufzählung der entsprechenden Fürsorgegesetze lediglich eine klarstellende Bedeutung zukomme. Auch sei nicht entscheidungserheblich, ob das EFA zur Vermeidung von Wanderungsbewegungen aus einem Sozialleistungssystem in ein anderes nur auf diejenigen Ausländer Anwendung finde, die sich zur Zeit des Eintritts der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhielten, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Einreise noch über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung verfügte habe.

6

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt eine Verletzung des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II und weist darauf hin, dass der Leistungsausschluss der Umsetzung des in Art 24 Abs 2 UBRL geregelten Vorbehalts diene. Diese Regelungen seien neuer und damit vorrangig vor dem EFA aus dem Jahr 1953. Zwar handele es sich bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II um "Sozialhilfe" iS des Art 24 Abs 2 UBRL. Das SGB II könne aber neben dem SGB XII gleichwohl nicht als "weiteres" Nachfolgegesetz zum BSHG angesehen werden. Denn im Wesentlichen habe das SGB II die Nachfolge der zuvor im Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelten Arbeitslosenhilfe (Alhi) angetreten. Die Alhi aber sei dem EFA nicht unterfallen. Im Übrigen finde das EFA nur auf die im Anhang von den Vertragsstaaten gemeldeten nationalen Fürsorgegesetze Anwendung.

7

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 11. November 2009 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 20. Oktober 2009 zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält das mit der Revision angegriffene Urteil für zutreffend und weist ergänzend darauf hin, dass ein Anspruch auch dann bestünde, wenn er nicht durch das EFA begünstigt würde. Denn der Leistungsausschluss verstoße auch gegen europäisches Primärrecht. Bei den Leistungen nach dem SGB II handele es sich um finanzielle Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats erleichtern sollen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei insoweit das Gleichbehandlungsgebot zu beachten.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision ist unbegründet.

11

Das LSG hat zutreffend entschieden, dass dem Kläger für den Zeitraum vom 1.3.2009 bis zum 11.11.2009 ein Anspruch auf Gewährung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II zusteht. Der Kläger erfüllt die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II(dazu unter 2). Seinem Anspruch steht der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II nicht entgegen(dazu unter 3).

12

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid des Beklagten vom 31.3.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.7.2009, mit dem der Beklagte die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit ab dem 1.3.2009 abgelehnt hat. Der streitige Zeitraum erstreckt sich in Fällen ablehnender Verwaltungsentscheidungen bis zur letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht (vgl nur Urteil des Senats vom 7.5.2009 - B 14 AS 41/07 R - juris mwN), hier also bis zum 11.11.2009. Die Beteiligten haben darüber hinaus den Streitgegenstand im Berufungsverfahren zulässigerweise beschränkt, indem sie über die Kosten der Unterkunft einen Teilvergleich abgeschlossen haben (vgl zur Zulässigkeit einer solchen Begrenzung des Streitgegenstandes nur BSGE 97, 217, 223 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 19 sowie zuletzt Urteil des Senats vom 21.12.2009 - B 14 AS 42/08 R -, zur Veröffentlichung vorgesehen).

13

2. Der Kläger erfüllt nach den Feststellungen des LSG die Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II. Er ist gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 2 iVm § 8 SGB II erwerbsfähig und - nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG(§ 163 Sozialgerichtsgesetz) - auch hilfebedürftig gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3 iVm § 9 SGB II. Der Kläger verfügt gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II iVm § 30 Abs 3 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) auch über einen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist bereits Ende 2007 in die Bundesrepublik eingereist. Seitdem hält er sich hier unter Umständen auf, die erkennen lassen, dass er nicht nur vorübergehend verweilt. Offen bleiben kann hier, ob der an tatsächlichen Umständen zu messende Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes bei Ausländern durch zusätzliche rechtliche Voraussetzungen eingeschränkt wird (BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 7 S 34). Zur alten Rechtslage bis zum 1.4.2006 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass Ausländer, die tatsächlich dauerhaft im Inland verweilen, nur dann einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, wenn sie sich berechtigterweise hier aufhalten (BSG aaO; BSGE 65, 261, 263 f = SozR 7833 § 1 Nr 7; vgl - speziell zu § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 4 SGB II - auch BSGE 98, 243, 246 f = SozR 4-4200 § 12 Nr 4, jeweils RdNr 19; Valgolio in Hauck/Noftz, Stand Juni 2010, § 7 SGB II RdNr 95; kritisch zu der Verrechtlichung des rein tatsächlichen Begriffs des gewöhnlichen Aufenthalts Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 7 RdNr 11).

14

Dass der Kläger sich rechtmäßig in der Bundesrepublik aufhält, ergibt sich bereits daraus, dass er über eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU verfügt(aA Hessisches LSG, FEVS 59, 110, 115 f). Gegen eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts spricht auch nicht, dass dieser Bescheinigung nach dem Wortlaut der Vorschrift ("… über das Aufenthaltsrecht ausgestellt") nur deklaratorischer Charakter im Hinblick auf das sich unmittelbar aus Gemeinschaftsrecht ergebende Freizügigkeitsrecht zukommt (vgl nur statt aller Geyer in HK-AuslR, 2008, § 5 FreizügG/EU RdNr 1)und es sich um keinen Aufenthaltstitel handelt (vgl § 2 Abs 4 Satz 1 FreizügG/EU). Denn es entspricht der gesetzlichen Konzeption des Freizügigkeitsrechts, von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen, solange die Ausländerbehörde nicht von ihrer Möglichkeit Gebrauch gemacht hat, den Verlust oder das Nichtbestehen des Aufenthaltsrechts nach § 5 Abs 5 FreizügG/EU festzustellen und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht einzuziehen(so auch die gesetzliche Begründung zum Zuwanderungsgesetz, vgl BT-Drucks 15/420, 106; vgl auch die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 7 SGB II in der Fassung vom 20.1.2010, Ziffer 7.2d, sowie Ziffer 5.5.1.3. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU vom 26.10.2009, GMBl 2009, 1270). Die Ausreisepflicht nach § 7 Abs 1 Satz 1 FreizügG/EU wird erst mit dieser Verlustfeststellung begründet.

15

3. Der Kläger ist auch nicht nach § 7 Abs 1 Satz 2 SGB II von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift sind ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II zunächst Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbstständige noch auf Grund des § 2 Abs 3 des FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts, des Weiteren Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen sowie zuletzt Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG).

16

Der Kläger ist als französischer Staatsangehöriger Ausländer im Sinne dieser Vorschrift. Er ist aber nicht leistungsberechtigt nach § 1 AsylbLG und hält sich nach den Feststellungen des LSG bereits seit Ende des Jahres 2007 in der Bundesrepublik auf. Er ist auch nicht deswegen nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen, weil sich sein Aufenthaltsrecht alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt(dazu unter a). Denn dieser Leistungsausschluss ist auf den Kläger als Staatsangehörigen eines Vertragsstaates des EFA vom 11.12.1953 (BGBl II 1956, 564) nicht anwendbar (dazu unter b).

17

a) Das Aufenthaltsrecht des Klägers ergibt sich gemäß § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 2 FreizügG/EU alleine aus dem Zweck der Arbeitsuche. Denn auf ein anderes Aufenthaltsrecht, das - wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt ("Aufenthaltsrecht […] allein aus dem Zweck der Arbeitsuche"; vgl auch BT-Drucks 16/688, 13) - den Leistungsausschluss von vornherein entfallen lassen würde, kann sich der Kläger nicht berufen.

18

Der Kläger ist insbesondere nicht als Arbeitnehmer, Selbstständiger oder Nicht-Erwerbstätiger freizügigkeitsberechtigt. Auch steht ihm (noch) kein Daueraufenthaltsrecht zu. Als "Arbeitnehmer" im Sinne von § 2 Abs 2 Nr 1 Alt 1 FreizügG/EU ist der Kläger nicht (mehr) aufenthaltsberechtigt. Während seiner Tätigkeit als Handwerkshelfer war er es, weil auch derjenige Arbeitnehmer im Sinne des Freizügigkeitsrechts ist, der nur über ein geringfügiges, das Existenzminimum nicht deckendes, Einkommen verfügt. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art 39 EG (hier anwendbar in der Fassung des Vertrages von Nizza, BGBl II 2001, 1666 - der Vertrag von Lissabon ist erst zum 1.12.2009 in Kraft getreten, BGBl II 2009, 1223) fällt jeder Arbeitnehmer, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt - mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt - unter die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (vgl ua EuGH, Rs 139/85 [Kempf], Slg 1986, 1741 [Rz 9 ff]; Rs 53/81 [Levin], Slg 1982, 1035 [Rz 17]; C-213/05 [Geven], Slg 2007, I-6347 [Rz 16]; so nun auch Ziffer 2.2.1.1. der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift des BMI zum FreizügG/EU; vgl zum gemeinschaftsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff ausführlich Epe in GK-AufenthG, § 2 FreizügG/EU RdNr 31 ff mwN). Zwar blieb dem Kläger gemäß § 2 Abs 3 Satz 2 FreizügG/EU seine Erwerbstätigeneigenschaft und damit sein Freizügigkeitsrecht "als Arbeitnehmer" für die Dauer von sechs Monaten nach der arbeitgeberseitigen Kündigung erhalten. Dieser Zeitraum war aber bereits abgelaufen, als er für den hier streitgegenständlichen Zeitraum Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes beantragte.

19

Dem Kläger stand auch zu keinem Zeitpunkt ein Aufenthaltsrecht als selbstständig Tätiger nach § 2 Abs 1 Nr 2 FreizügG/EU zu. Dies setzt voraus, dass eine Tätigkeit als Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat tatsächlich ausgeübt wird (vgl Art 7 Abs 1 Buchst a Alt 2 UBRL). Zwar ist auch insoweit nicht erforderlich, dass der Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit das notwendige Existenzminimum deckt (vgl zuletzt zB OVG Bremen Beschluss vom 21.6.2010 - 1 B 137/10 - juris). Voraussetzung ist aber nach Art 43 EGV, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auf unbestimmte Zeit mittels einer festen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat tatsächlich ausgeübt wird (EuGH, C-221/89 [Factortame], Slg 1991, I-3905 [Rz 20]), sodass alleine ein formaler Akt (EuGH, aaO, Rz 21; Bröhmer in Calliess/Ruffert, EUV/EGV, 3. Aufl 2007, Art 43 EG RdNr 12), wie die Registrierung eines Gewerbes nicht ausreichend ist. Ein weitergehendes Stadium aber hat die selbstständige Tätigkeit des Klägers nicht erreicht.

20

Der Kläger ist darüber hinaus nicht als Nicht-Erwerbstätiger, zu denen freizügigkeitsberechtigte Arbeitsuchende nicht zählen, nach § 2 Abs 2 Nr 5 iVm § 4 Satz 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, weil es ihm insoweit an ausreichenden Existenzmitteln fehlt. Schließlich hat der Kläger auch noch kein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 7 iVm § 4a FreizügG/EU erworben.

21

b) Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II ist allerdings hier deswegen nicht anwendbar, weil der Kläger sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA berufen kann(ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.1.2008 - L 8 SO 88/07 ER - FEVS 59, 369, 373 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 14.1.2010 - L 14 AS 1565/09 B ER - juris; SG Berlin Urteil vom 25.3.2010 - S 26 AS 8114/08 - juris; Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 7 RdNr 35; Valgolio in Hauck/Noftz, § 7 SGB II RdNr 128, Stand Juni 2010; aA Bayerisches LSG Beschluss vom 4.5.2009 - L 16 AS 130/09 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.12.2009 - L 34 AS 1350/09 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 25.11.2008 - L 5 B 801/08 AS ER - juris; SG Reutlingen Urteil vom 29.4.2008 - S 2 AS 2952/07 - juris; Schumacher in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Februar 2010, § 7 SGB II, RdNr 11a; offen gelassen von LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 26.2.2010 - L 6 B 154/09 AS ER - juris; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 16.7.2008 - L 19 B 111/08 AS ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 11.1.2010 - L 25 AS 1831/09 B ER - juris; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 30.5.2008 - L 14 B 282/08 AS ER - juris).

22

Nach Art 1 des Abkommens, das unter anderem die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich (und daneben Belgien, Dänemark, Estland, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, die Türkei und Großbritannien) unterzeichnet haben, ist jeder der Vertragschließenden verpflichtet, den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten, die sich in irgendeinem Teil seines Gebietes, auf das dieses Abkommen Anwendung findet, erlaubt aufhalten und nicht über ausreichende Mittel verfügen, in gleicher Weise wie seinen eigenen Staatsangehörigen und unter den gleichen Bedingungen die Leistungen der sozialen und Gesundheitsfürsorge zu gewähren, die in der in diesem Teil seines Gebietes geltenden Gesetzgebung vorgesehen sind.

23

Bei dieser Vorschrift handelt es sich um unmittelbar geltendes Bundesrecht (dazu unter aa), dessen Anwendbarkeit im konkreten Fall insbesondere kein jüngeres und deshalb vorrangig anzuwendendes Recht entgegensteht (dazu unter bb). Darüber hinaus steht seiner Anwendung nicht entgegen, dass inzwischen an die Stelle des Abkommens europäisches Koordinationsrecht getreten wäre (dazu unter cc). Auch liegen im Einzelnen die Voraussetzungen des Gleichbehandlungsgebots nach Art 1 EFA vor. Denn bei der beanspruchten Regelleistung nach § 20 SGB II handelt es sich um Fürsorge im Sinne des EFA(dd). Die Vorschrift des § 20 SGB II findet in Ermangelung eines von der Bundesrepublik abgegebenen Vorbebehalts auch auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten Anwendung(ee). Der Kläger hält sich in der Bundesrepublik zudem erlaubt im Sinne von Art 1 EFA auf (ff). Das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA findet schließlich auch nicht alleine auf solche Staatsangehörige anderer Vertragsstaaten Anwendung, die sich bereits vor Eintritt der Hilfebedürftigkeit im Aufenthaltsstaat aufgehalten haben (gg).

24

aa) Der Kläger kann sich auf Art 1 EFA als unmittelbar geltendes Bundesrecht berufen. Der Bundestag hat mit dem mit Zustimmung des Bundesrats beschlossenen Gesetz vom 15.5.1956 (BGBl II 563) dem Europäischen Fürsorgeabkommen zugestimmt (vgl Art 59 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz ) und dadurch dessen Inhalt insoweit in innerstaatlich anwendbares, Rechte und Pflichten des Einzelnen begründendes (revisibles) Bundesrecht transformiert, als die Vertragsbestimmungen nach Wortlaut, Zweck und Inhalt wie innerstaatliche Gesetzesvorschriften rechtliche Wirkungen auszulösen geeignet sind (vgl BVerfGE 29, 348, 360; BVerwGE 44, 156, 160). Dies trifft auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 1 des EFA zu (so auch Bundesverwaltungsgericht Urteil vom 18.5.2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200, 201; Urteil vom 14.3.1985 - 5 C 145/83 - BVerwGE 71, 139, 142; LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.1.2008 - L 8 SO 88/07 ER - FEVS 59, 369; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 13.12.1999 - 16 A 5587/97 - juris; vgl auch Bayerischer VGH, FEVS 48, 74 ff; OVG Lüneburg, FEVS 49, 118, 119; Hessischer VGH, FEVS 51, 190 ff; Schraml, Das Sozialhilferecht der Ausländerinnen und Ausländer, 1992, S 75; Schuler, Der Einfluss des Europäischen Fürsorgeabkommens auf den sozialhilfe- und aufenthaltsrechtlichen Status der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer in Barwig/Lörcher/Schumacher , Familiennachzug von Ausländern auf dem Hintergrund völkerrechtlicher Verträge, S 67, 69; aA Kokott, Die Staatsangehörigkeit als Unterschiedsmerkmal für soziale Rechte von Ausländern in Hailbronner , Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts, S 25, 33).

25

bb) Entgegen der Ansicht der Revision ist das EFA auch nicht in dem Sinne "überholt", dass seiner Anwendung neuere, denselben Sachverhalt regelnde gesetzliche Vorschriften entgegenstehen. Das Völkervertragsrecht wird gemäß Art 59 Abs 2 GG im Range von Bundesgesetzen umgesetzt. Aus dieser Rangzuweisung folgt, dass deutsche Gerichte das EFA wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden haben (so BVerfGE 111, 307 ff zur Europäischen Menschenrechtskonvention ). Innerstaatliches Recht ist grundsätzlich so auszulegen, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nicht entsteht. Dies entspricht dem Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes (vgl BVerfG aaO sowie BVerfGE 58, 1, 34; 59, 63, 89). Das einfache (Sozial-)Recht bietet darüber hinaus mit § 30 Abs 2 SGB I eine Vorschrift zur Lösung von möglichen Konflikten zwischen nationalem Recht und (transformiertem) Völkerrecht. § 30 Abs 2 SGB I beschränkt sich nicht auf die Regelung des gewöhnlichen Aufenthalts, sondern beinhaltet einen allgemeinen Rechtsgrundsatz(BSG, InfAuslR 2001, 181, 182; BSGE 52, 210, 213 = SozR 6180 Art 13 Nr 3 S 10). Bereits aus diesem Grund steht der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II entgegen der Ansicht der Revision der Verpflichtung zur Gleichbehandlung nach dem EFA nicht entgegen.

26

Im Übrigen hat das LSG zu Recht darauf hingewiesen, dass Art 1 EFA im Hinblick auf den persönlichen Anwendungsbereich spezieller ist. Die Vorschrift richtet sich gerade nicht an alle Ausländer (deren Aufenthaltsrecht sich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt), sondern nur an Staatsangehörige der Vertragsstaaten. Darüber hinaus sind Gesetze auch dann im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland auszulegen und anzuwenden, wenn sie zeitlich später erlassen worden sind als ein geltender völkerrechtlicher Vertrag. Es ist nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, sofern er dies nicht klar bekundet hat, von völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland abweichen oder die Verletzung solcher Verpflichtungen ermöglichen will (vgl BVerfGE 74, 358, 370 sowie - speziell zum EFA - BVerwGE 111, 200, 211). Ein solcher gesetzgeberischer Wille des späteren Gesetzgebers zur Abweichung vom EFA ist hier nicht erkennbar. Des Weiteren überzeugt auch das Argument der Revision nicht, § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II sei deshalb vorrangig vor dem EFA, weil § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II der Umsetzung des Art 24 Abs 2 UBRL diene(BT-Drucks 16/688 S 13), einer Vorschrift, an der sowohl Frankreich als auch die Bundesrepublik beteiligt waren (so aber auch LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 15.4.2010 - L 13 AS 1124/10 ER-B - juris). Es ist nichts dafür ersichtlich, dass diejenigen Mitglieder des Rats der Europäischen Union, die zugleich Vertragsstaaten des EFA sind, mit der in Art 24 Abs 2 UBRL eingeräumten Möglichkeit der nur beschränkten Leistung von Sozialhilfe an Freizügigkeitsberechtigte zugleich für ihren Zuständigkeitsbereich ein Abkommen des Europarats außer Kraft setzen wollten.

27

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das EFA selbst den Konfliktfall bereits regelt: Nach Art 18 EFA stehen die Bestimmungen des Abkommens solchen nationalen Vorschriften nicht entgegen, die für die Beteiligten günstiger sind. Dass eine Abweichung vom EFA zu Lasten des durch das EFA geschützten Personenkreises damit nicht zulässig ist, liegt dabei auf der Hand. Wenn die Bundesrepublik die sich aus dem EFA ergebenden Verpflichtungen nicht mehr tragen will, steht ihr nach Art 24 EFA die Möglichkeit offen, das Abkommen innerhalb der dort genannten Frist zu kündigen. Hiervon hat sie bislang keinen Gebrauch gemacht.

28

cc) Der Anwendbarkeit des EFA steht das koordinierende Sekundärrecht der Europäischen Union nicht entgegen (so aber Bayerisches LSG Beschluss vom 12.3.2008 - L 7 B 1104/07 AS ER - FEVS 60, 178).Gemeinschaftsrechtlicher Maßstab für den hier streitgegenständlichen Zeitraum (1.3.2009 bis 11.11.2009) ist die Kollisionsregel des Art 6 der "alten" Wanderarbeitnehmerverordnung EWG Nr 1408/71, weil die Nachfolgeverordnung (EG) Nr 883/2004 vom 29.4.2004 (ABl 2004 Nr L 166, 1 ff) gemäß deren Art 91 Satz 2 erst ab dem Inkrafttreten einer Durchführungsverordnung galt. Die Verordnung (EG) Nr 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.9.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ist aber erst am 1.5.2010 in Kraft (Art 97 der VO Nr 987/2009) getreten. Nach der Kollisionsregel in Art 6 EWGV 1408/71 tritt die Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs an die Stelle bestimmter (völkerrechtlicher) Abkommen über die soziale Sicherheit.

29

Die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unterfallen entweder gemäß Art 4 Abs 2a EWGV 1408/71 iVm dem Anhang IIA, Buchst E - entgegen dem Anwendungsausschluss für die Sozialhilfe nach Art 4 Abs 4 EWGV 1408/71 und mit konstitutiver Wirkung (vgl EuGH, Rs C-20/96 [Snares], Slg 1997, I-6082 [Rz 30]; differenzierend Rs C-215/99 [Jauch], Slg 2001, I-1901 [Rz 21] = SozR 3-6050 Art 10a Nr 1 S 5 f) - als so genannte besondere beitragsunabhängige Geldleistungen (so genannte "Mischleistungen", dazu ausführlich Beschorner, ZESAR 2009, 320 ff) bzw - soweit dem Grunde nach die Voraussetzungen nach § 24 Abs 1 SGB II vorliegen - als Leistungen bei Arbeitslosigkeit gemäß Art 4 Abs 1 Buchst g EWGV 1408/71 dem sachlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung.

30

Ob auch der persönliche Anwendungsbereich der Verordnung eröffnet ist, bedarf dagegen keiner Entscheidung. Denn die Kollisionsregel des Art 6 EWGV 1408/71 greift hier ohnehin nicht ein. Die Kollisionsregel des Art 6 EWGV 1408/71 ist nämlich nur anwendbar auf "Abkommen über die soziale Sicherheit", worunter nach der Begriffsbestimmung des Art 1 Buchst k) EWGV 1408/71 nur Vereinbarungen für die in Art 4 Abs 1 und 2 der Verordnung bezeichneten Zweige und Systeme zu verstehen sind. Art 4 Abs 2a VO 1408/71 ist dort gerade nicht genannt.

31

Darüber hinaus gilt die Kollisionsregel des Art 6 EWGV ohnehin nicht schrankenlos. Vielmehr kann es gemeinschaftsrechtlich geboten sein, eine Günstigkeitsprüfung vorzunehmen (EuGH, Rs C-227/89 [Rönfeldt], Slg 1991, I-323 [Rz 29] = SozR 3-6030 Art 48 Nr 3 S 8; ausführlich Steinmeyer in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 4. Aufl 2005, Art 6 VO 1408/71 RdNr 10 ff). Weiterhin erscheint es zweifelhaft, ob Abkommen des Europarats überhaupt unter die Kollisionsregel fallen (vgl insoweit Steinmeyer, aaO, Art 7 VO 1408/71 RdNr 1; allerdings zu der ausdrücklich in die Verordnung aufgenommenen Ausnahmeregelung des Art 7 Abs 1 Buchst b im Hinblick auf das sog Vorläufige Europäische Abkommen vom 11.12.1953 über die soziale Sicherheit). Hinzu kommt, dass nichts dafür spricht, dass die EWGV 1408/71, für die sich vor allem die Notwendigkeit der Klärung des Verhältnisses zwischen Koordinationsrecht und Sozialversicherungsabkommen ergab, ein internationales Fürsorgeabkommen außer Kraft setzen wollte. Hier greift vielmehr der Anwendungsausschluss auf die Sozialhilfe nach Art 4 Abs 4 VO 1408/71.

32

dd) Bei der hier noch streitgegenständlichen (siehe oben 1.) Regelleistung nach § 20 SGB II handelt es sich um "Fürsorge" im Sinne von Art 1 EFA. Ausweislich der Begriffsbestimmung in Art 2 Abs a Nr i EFA meint "Fürsorge" im Sinne des Abkommens jede Fürsorge, die jeder der Vertragschließenden nach den in dem jeweiligen Teile seines Gebietes geltenden Rechtsvorschriften gewährt und wonach Personen ohne ausreichende Mittel die Mittel für ihren Lebensbedarf sowie die Betreuung erhalten, die ihre Lage erfordert. Ausgenommen sind beitragsfreie Renten und Leistungen zugunsten der Kriegsopfer und der Besatzungsgeschädigten. Nach Art 2 Abs b EFA sind die Rechtsvorschriften, die in den Gebieten der Vertragschließenden, auf die dieses Abkommen Anwendung findet, in Kraft sind, sowie die von den Vertragschließenden formulierten Vorbehalte in den Anhängen I und II zum Abkommen aufgeführt.

33

Die Regelleistung nach § 20 SGB II als Bestandteil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach diesem Gesetz stellt ein solches, im Falle der Bedürftigkeit gewährtes "Mittel für den Lebensbedarf" dar(vgl auch Urteil des Senats vom 31.10.2007 - B 14/11b AS 5/07 R - BSGE 99, 170 = SozR 4-4200 § 24 Nr 1, wo im Hinblick auf das SGB II von einer "steuerfinanzierten Fürsorgeleistung" die Rede ist; vgl auch BT-Drucks 15/1516 S 56: "nachrangige Fürsorgeleistung"). Denn das SGB II ist - anders als bis zum 1.1.2005 die Alhi als Lohnersatzleistung (vgl zuletzt § 195 SGB III) - ein bedarfsabhängiges Leistungssystem (vgl Urteil des Senats vom 31.10.2007 - B 14 AS 30/07 R - SozR 4-4200 § 24 Nr 2). Darüber hinaus ist die Fürsorgegesetzgebung in der Bundesrepublik nach dem Außerkrafttreten des BSHG zum 1.1.2005 auch nicht auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (idR iVm § 42 Satz 1 SGB XII) beschränkt. Sozialhilfe und Grundsicherung für Arbeitsuchende unterscheiden sich zwar nach ihrem Adressatenkreis. Das SGB II verliert dadurch aber nicht seinen Charakter als Fürsorgegesetz.

34

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass im Anhang I zum EFA in der Fassung der Erklärung des ständigen Vertreters der Bundesrepublik Deutschland an den Generalsekretär des Europarats vom 26.10.2001 als anzuwendende Fürsorgegesetze noch immer (und entgegen der Verpflichtung der Bundesrepublik zur Mitteilung geänderter bzw neuer Rechtsvorschriften gemäß Art 16 Abs a und b EFA) das BSHG in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.3.1994 (BGBl I 646, 2975), "zuletzt" geändert durch Art 12 des Gesetzes vom 13.9.2001 (BGBl I 2376, 2398), und die §§ 27, 32 bis 35 und 41 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII), jeweils iVm § 39 SGB VIII, sowie die §§ 3, 19 und 69 des Infektionsschutzgesetzes genannt werden. Denn die Aufzählung der Fürsorgegesetze in der Anlage I ist nicht konstitutiv (so auch BVerwG Urteil vom 18.5.2000 - 5 C 29/98 - BVerwGE 111, 200, 206; LSG Niedersachsen-Bremen, FEVS 59, 369, 374; Mangold/Pattar, VSSR 2008, 243, 261; aA Bayerisches LSG Beschluss vom 4.5.2009 - L 16 AS 130/09 B ER - juris, sowie Schumacher in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand Februar 2010, § 7 SGB II, RdNr 11a). Dies entspricht auch der Rechtsansicht der Bundesregierung bei Ratifizierung des Abkommens (vgl die Denkschrift des BMI und des Bundesministers des Auswärtigen zum Europäischen Fürsorgeabkommen und dem Zusatzprotokoll, BT-Drucks 2/1882, 23: "Die Aufführung der Fürsorgegesetze im Anhang I dient der Klarstellung, damit sich die übrigen Vertragschließenden den notwendigen Überblick verschaffen können." Vgl darüber hinaus den am 21.11.2001 vom Ministerkomitee des Europarats verabschiedeten "Explanatory Report" zum EFA, Rz 49). Dafür spricht zuletzt Art 2 Abs a Nr ii EFA. Hiernach haben die Begriffe "Staatsangehörige" und "Gebiet" die Bedeutung, die ihnen von den Vertragschließenden in gesonderten Erklärungen zugewiesen werden. Demgegenüber definiert Art 2 Abs a Nr i EFA den Begriff der Fürsorge eigenständig (Mangold/Pattar, aaO, 260).

35

ee) Die Bundesrepublik Deutschland hat bis jetzt keinen Vorbehalt hinsichtlich der Anwendung des SGB II auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten abgegeben (vgl Art 16 Abs b Satz 2 EFA). Nach dem bislang abgegebenen Vorbehalt übernimmt die Bundesrepublik Deutschland keine Verpflichtung, die im BSHG "in der jeweils geltenden Fassung" vorgesehene Hilfe zum Aufbau oder zur Sicherung der Lebensgrundlage (vgl § 30 BSHG) und die dort vorgesehene Hilfe zur Überwindung besonderer sozialen Schwierigkeiten (vgl § 72 BSHG) an Staatsangehörige der übrigen Vertragsstaaten in gleicher Weise und unter den gleichen Bedingungen wie den eigenen Staatsangehörigen zu gewähren, ohne gleichwohl auszuschließen, dass diese Hilfen in geeigneten Fällen gewährt werden können (vgl Neubekanntmachung des Anhangs II zum EFA, BGBl II 2001, 1098). Es bedarf an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob dieser Vorbehalt nach dem Außerkrafttreten des BSHG durch Gesetz vom 27.12.2003 (BGBl I 3022) mit Wirkung vom 1.1.2005 "dynamisch" im Sinne einer Anwendung auf die Nachfolgegesetzgebung anzuwenden ist. Denn bereits im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 2. Abschnitt des BSHG hatte sich die Bundesrepublik gerade nicht die Möglichkeit der Ungleichbehandlung der Staatsangehörigen der Vertragsstaaten vorbehalten. Mit der Regelleistung nach § 20 SGB II beansprucht der Kläger aber alleine eine solche, den Lebensunterhalt sichernde, Hilfe.

36

ff) Der Kläger hält sich auch "erlaubt" im Sinne des Art 1 EFA in der Bundesrepublik auf. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, ob - wie es der Rechtsprechung des BVerwG zum BSHG entsprach (vgl nur BVerwGE 71, 139, 143 ff) - sich das Merkmal des erlaubten Aufenthalts nach Art 11 Abs a Satz 1 EFA bestimmt und dem Anhang insoweit konstitutive Wirkung zukommt. Bedenken könnten sich unter anderem deshalb ergeben, weil die - nach der Schlussformel des Abkommens im Gegensatz zur deutschen Fassung - verbindliche englische Fassung des EFA zwischen "lawfully present" nach Art 1 EFA und - enger - "lawfully resident" im Sinne der Rückschaffungsvorschriften nach Art 6 EFA unterscheidet. Art 11 definiert aber nur den Begriff "residence". Beides wird im Deutschen mit Aufenthalt übersetzt (wobei dann bei Art 6 EFA auf einen "gewöhnlichen" Aufenthalt abgestellt wird). Nach dem Abkommenstext spricht also einiges dafür, dass zwischen dem sozialrechtlichen Gleichbehandlungsgebot und dem Ausweisungsschutz im Hinblick auf die Qualität "des Aufenthalts" differenziert werden sollte.

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Diese Frage bedarf aber deshalb keiner Entscheidung, weil sich der Kläger auch bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerwG "erlaubt" in der Bundesrepublik aufhielt. Nach Art 11 Abs a Satz 1 EFA gilt der Aufenthalt eines Ausländers im Gebiet eines der Vertragschließenden solange als erlaubt im Sinne des Abkommens, als der Beteiligte im Besitz einer gültigen Aufenthaltserlaubnis oder einer anderen in den Rechtsvorschriften des betreffenden Staates vorgesehenen Erlaubnis ist, auf Grund welcher ihm der Aufenthalt in diesem Gebiet gestattet ist. Dabei kam dem im Anhang III zum EFA angeführten Verzeichnis der Urkunden, die als Nachweis des Aufenthalts im Sinne des Art 11 EFA anerkannt werden, nach der Rechtsprechung des BVerwG ein rechtsbegründender (konstitutiver) Charakter in der Weise zu, dass mit den dort aufgeführten Urkunden die Erlaubnistatbestände abschließend genannt seien, aufgrund derer der Aufenthalt des ausländischen Staatsangehörigen im Sinne des Abkommens als erlaubt gelte (BVerwGE 71, 139, 144). Auch nach der Rechtsprechung des BVerwG war es aber als unerheblich anzusehen, wenn die Bezeichnung eines Aufenthaltstitels lediglich redaktionell angepasst wurde (BVerwG, aaO). Indiz für eine lediglich andere Bezeichnung kann dabei auch das völkervertragliche Verhalten der Bundesrepublik Deutschland sein. Denn wenn sie den Generalsekretär des Europarates von einer Änderung ihrer Gesetzgebung nicht unterrichtet hat, obwohl sie nach Art 16 Abs a EFA hierzu verpflichtet gewesen wäre, ist sie augenscheinlich davon ausgegangen, die gesetzliche Änderung berühre nicht den Inhalt des Anhangs III (BVerwGE 111, 200, 204).

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Der Kläger verfügt über eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. Im Anhang III des EFA ist demgegenüber noch von einer "Aufenthaltserlaubnis für Angehörige eines Mitgliedstaats der EWG" die Rede (BGBl II 2001, 1100). Dies entspricht der Rechtslage nach § 1 Abs 4 des Gesetzes über Einreise und Aufenthalt von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (AufenthG/EWG) in der Fassung des Gesetzes vom 9.7.1990 (BGBl I 1354), aufgehoben mit Wirkung vom 1.1.2005 durch das Zuwanderungsgesetz 2004 vom 30.7.2004 (BGBl I 1950). Nach dieser Vorschrift erhielten freizügigkeitsberechtigte Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften eine so genannte Aufenthaltserlaubnis-EG. Eines Aufenthaltstitels bedarf es nach § 2 Abs 4 Satz 1 FreizügG/EU, Art 8 UBRL nicht mehr. An die Stelle der Aufenthaltserlaubnis-EG ist insoweit die Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügG/EU getreten. Der Aufenthalt des Klägers "gilt" aus diesem Grund als erlaubt im Sinne des Art 11 EFA. Dies entspricht auch der Praxis der Ausländerbehörden, wonach von der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts auszugehen ist, bis eine Verlustfeststellung mit entsprechender Einziehung der Aufenthaltsbescheinigung nach § 5 Abs 5 FreizügG/EU erfolgt(vgl bereits oben 2.).

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gg) Der Senat vermag schließlich auch keinen rechtlichen Ansatzpunkt dafür zu erkennen, das EFA nur auf diejenigen Ausländer anzuwenden, die sich zur Zeit des Eintritts der Hilfebedürftigkeit bereits in dem um Hilfe angegangenen Staat erlaubt aufhielten und mithin nicht auf diejenigen, die als bereits bedürftige Personen in einen Vertragsstaat einreisten (so aber LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 8.1.2010 - L 34 AS 2082/09 B ER, L 34 AS 2086/09 B PKH -, unter Verweis auf OVG Berlin Beschluss vom 22.4.2003 - 6 S 9.03 - FEVS 55, 186, 190). Mithin kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger ein irgendwie geartetes "missbräuchliches Verhalten" vorgeworfen werden kann, als er etwas mehr als vier Monate nach seiner Einreise (nämlich nach Auslaufen seines Anspruchs auf Gewährung von Arbeitslosengeld nach dem SGB III) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II beantragt hat. Der gesetzliche Rahmen des BSHG (und nunmehr des SGB XII) war ein gänzlich anderer. Nach § 120 Abs 1 Satz 1 BSHG war Ausländern, die sich in der Bundesrepublik Deutschland tatsächlich aufhielten, Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren. Nach § 120 Abs 3 Satz 1 BSHG(jetzt § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII in der Fassung des Gesetzes vom 2.12.2006, BGBl I 2670) hatten Ausländer, die sich in die Bundesrepublik Deutschland begeben haben, um Sozialhilfe zu erlangen, keinen Anspruch. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entsprach es offenbar allgemeiner Ansicht, § 120 Abs 3 Satz 1 BSHG auch auf vom EFA geschützte Personen anzuwenden(so OVG Berlin aaO unter Verweis auf die Denkschrift zum EFA, BT-Drucks 2/1882, 23; vgl auch Hamburgisches OVG Beschluss vom 8.2.1989 - Bs IV 8/89 -, NVwZ-RR 1990, 141 ff; OVG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 25.4.1985 - 8 A 266/84 -, NDV 1985, 367 ff; aA VG Würzburg Urteil vom 21.2.1990 - W 3 K 88.1363 -, NDV 1990, 187 ff).

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Es überzeugt nicht, eine - etwa § 23 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB XII vergleichbare - Regelung in das SGB II "hineinzulesen", wobei eine auf diese Weise vorgenommene Geltungserweiterung (Analogie) insbesondere auch vor dem Hintergrund des § 31 SGB I bedenklich erscheint. Im Übrigen dürfte die praktische Bedeutung eines solchen Anspruchsverlustes gering sein, weil das BVerwG jedenfalls im Rahmen der Vorgängernorm (§ 120 Abs 1 Satz 1 Halbs 1 BSHG in der Fassung vom 24.5.1983, BGBl I 613) einen finalen Zusammenhang im Sinne einer "prägenden Bedeutung" zwischen dem Einreiseentschluss und der Inanspruchnahme von Sozialhilfe (BVerwG Urteil vom 4.6.1992 - 5 C 22/87 - FEVS 43, 113 ff) verlangt hat. Schließlich hat auch die zu Art 1 EFA teilweise vertretene Ansicht, einen Aufenthalt zeitlich vor dem Eintritt der Hilfebedürftigkeit zu fordern (siehe oben), in dem Abkommen selbst keinen Ausdruck gefunden. Denn Art 1 EFA stellt allein auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ab, nicht aber auf eine bestimmte zeitliche Abfolge.

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Da der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II auf den Kläger mithin bereits aufgrund der vorrangigen Geltung des Gleichbehandlungsgebotes nach Art 1 EFA keine Anwendung findet, bedarf es an dieser Stelle keiner Entscheidung, ob der Leistungsausschluss zudem wegen Verstoßes gegen gemeinschaftsrechtliche Vorgaben unanwendbar ist.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.