Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2018 - XI ZR 736/16

published on 03/07/2018 00:00
Bundesgerichtshof Urteil, 03. Juli 2018 - XI ZR 736/16
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Previous court decisions
Landgericht Stuttgart, 12 O 84/15, 19/02/2016
Oberlandesgericht Stuttgart, 6 U 48/16, 22/11/2016

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 736/16
Verkündet am:
3. Juli 2018
Beširović
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
ECLI:DE:BGH:2018:030718UXIZR736.16.0

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juli 2018 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Maihold sowie die Richterinnen Dr. Menges und Dr. Derstadt
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 22. November 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien streiten in dritter Instanz noch um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf den Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen der Kläger.
2
Die Parteien schlossen am 1. Juni 2009 - nach dem Vortrag der Beklagten nicht als Fernabsatzgeschäft - einen Darlehensvertrag über 263.000 € mit einem bis zum 30. April 2019 festen Nominalzinssatz in Höhe von 3,99% p.a. Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten diente eine Grundschuld. Bei Abschluss des Darlehensvertrags belehrte die Beklagte die Kläger über ihr Widerrufsrecht wie folgt:
3
Die Kläger erbrachten Zins- und Tilgungsleistungen. Unter dem 8. September 2014 widerriefen sie durch ihre vorinstanzliche Prozessbevollmächtigte ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärungen.
4
Ihrer Klage (zuletzt) auf Feststellung, dass der Darlehensvertrag "durch den klägerischen Widerruf […] wirksam beendet" worden sei, auf "Freigabe" der Grundschuld Zug um Zug gegen Zahlung, auf "Abzug" von den Klägern laufend erbrachter Zahlungen (auf die der Beklagten von den Klägern zugestandene Forderung) und auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten hat das Landgericht insoweit entsprochen, als es die gewünschte Feststellung getroffen und die Beklagte zur Zahlung eines Teils der begehrten Anwaltskosten verurteilt hat. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
5
Auf die dagegen gerichtete Berufung beider Parteien, mit der die Kläger zuletzt beantragt haben festzustellen, dass sich der Darlehensvertrag durch ihren Widerruf vom 8. September 2014 in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt habe, und mit der sie ihren Antrag auf weitere Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten - soweit in erster Instanz erfolglos - weiterverfolgt haben, hat das Berufungsgericht dem Begehren der Beklagten entsprechend den Antrag auf Erstattung vorgerichtlich verauslagter Anwaltskosten insgesamt abgewiesen und auf die Berufung der Kläger das landgerichtliche Urteil dahin "zur Klarstellung […] neu gefasst", es werde festgestellt, dass sich der Darlehensvertrag durch den Widerruf der Kläger "in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis umgewandelt" habe. Im Übrigen hat es die Berufungen der Parteien zurückgewiesen. Im Umfang ihrer Beschwer richtet sich dagegen die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiterverfolgt.

Entscheidungsgründe:

6
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.

I.

7
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (OLG Stuttgart, Urteil vom 22. November 2016 - 6 U 48/16, juris) - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
8
Die Feststellungsklage sei zulässig. Ein "Rechtsschutzbedürfnis" bestehe. Auf die Leistungsklage könnten die Kläger nicht verwiesen werden, weil die Verrechnung der wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis keinen Saldo zugunsten der Kläger ergeben werde. Die Feststellungsklage sei auch begründet. Die Beklagte habe die Kläger unzureichend deutlich über das ihnen zukommende Widerrufsrecht belehrt. Der Ausübung des Widerrufsrechts habe § 242 BGB nicht entgegen gestanden.

II.

9
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
10
1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen. Für den Antrag festzustellen, die Darlehensverträge hätten sich aufgrund des Widerrufs in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt , fehlt, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (Senatsurteile vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 11 ff., vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 13 ff., vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 19, vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 16, vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 16 f. und vom 23. Januar 2018 - XI ZR 359/16, WM 2018, 664 Rn. 12), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 (aaO, Rn. 16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt.
11
2. Richtig ist dagegen die Einschätzung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Kläger unzureichend deutlich über die Voraussetzungen ihres Widerrufsrechts nach § 495 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 355 Abs. 1 und 2 BGB in der hier nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, §§ 32, 38 Abs. 1 Satz 1 EGBGB maßgeblichen, zwischen dem 1. August 2002 und dem 10. Juni 2010 geltenden Fassung belehrt. Haben die Parteien, was die Revision im Anschluss an den vorinstanzlichen Vortrag der Beklagten wegen der für Fernabsatzverträge offensichtlich unzureichenden Belehrung ausdrücklich geltend macht, keinen Fernabsatzvertrag geschlossen, verunklarte der Zusatz "nicht jedoch vor dem Tag des Abschlusses des Darlehensvertrags" die Angaben zu den Voraussetzungen für das Anlaufen der Widerrufsfrist (Senatsurteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 24). Aus dem Senatsurteil vom 24. Januar 2017 (XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 26), das anders als hier einen im Wege des Fernabsatzes zustande gekommenen Vertrag betraf, lässt sich entgegen der Auffassung der Revision zugunsten der Beklagten für den hier zur Entscheidung gestellten Fall nichts anderes herleiten (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 443/16, WM 2017, 2248 Rn. 24 und - XI ZR 450/16, juris Rn. 17).
12
3. Keinen revisionsrechtlichen Bedenken unterliegen außerdem die Ausführungen , mit denen das Berufungsgericht einen Verstoß der Kläger gegen Treu und Glauben verneint hat.

III.

13
Das Berufungsurteil unterliegt wegen der unzutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zur Zulässigkeit der Klage der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Eine Entscheidung in der Sache selbst ist dem Senat verwehrt (§ 563 Abs. 3 ZPO). Insbesondere kann der Senat nicht auf die Unzulässigkeit der Feststellungsklage erkennen, weil den Klägern - wie hier durch eine von der Berufungsbegründung gedeckte Erweiterung ihres Berufungsangriffs noch möglich (Senatsurteil vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 39 mwN; vgl. auch BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 6/99, WM 2000, 2439, 2440, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 145, 256) - zunächst Gelegenheit gegeben werden müsste, zu einem zulässigen Klageantrag überzugehen.
Ellenberger Grüneberg Maihold
Menges Derstadt
Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Entscheidung vom 19.02.2016 - 12 O 84/15 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 22.11.2016 - 6 U 48/16 -
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Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher
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BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL XI ZR 359/16 Verkündet am: 23. Januar 2018 Herrwerth Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja BGB § 495 Abs. 1
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Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. September 2015 aufgehoben.
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Annotations

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Dem Darlehensnehmer steht bei einem Verbraucherdarlehensvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu.

(2) Ein Widerrufsrecht besteht nicht bei Darlehensverträgen,

1.
die einen Darlehensvertrag, zu dessen Kündigung der Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers berechtigt ist, durch Rückzahlungsvereinbarungen ergänzen oder ersetzen, wenn dadurch ein gerichtliches Verfahren vermieden wird und wenn der Gesamtbetrag (Artikel 247 § 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche) geringer ist als die Restschuld des ursprünglichen Vertrags,
2.
die notariell zu beurkunden sind, wenn der Notar bestätigt, dass die Rechte des Darlehensnehmers aus den §§ 491a und 492 gewahrt sind, oder
3.
die § 504 Abs. 2 oder § 505 entsprechen.

(3) Bei Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträgen ist dem Darlehensnehmer in den Fällen des Absatzes 2 vor Vertragsschluss eine Bedenkzeit von zumindest sieben Tagen einzuräumen. Während des Laufs der Frist ist der Darlehensgeber an sein Angebot gebunden. Die Bedenkzeit beginnt mit der Aushändigung des Vertragsangebots an den Darlehensnehmer.

(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.

(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

Ergibt die Begründung des Berufungsurteils zwar eine Rechtsverletzung, stellt die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen sich als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.