Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - X ZR 66/14

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:271016UXZR66.14.0
27.10.2016
vorgehend
Bundespatentgericht, 4 Ni 18/12, 30.06.2014

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 66/14 Verkündet am:
27. Oktober 2016
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2016:271016UXZR66.14.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Oktober 2016 durch die Richter Dr. Bacher, Dr. Grabinski, die Richterin Schuster, den Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 30. Juni 2014 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Beklagte ist Inhaberin des am 31. August 2004 unter Inanspruch1 nahme einer deutschen Priorität aus dem Jahre 2003 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 527 678 (Streitpatents), das einen Mischer, insbesondere einen Futtermischwagen betrifft. Patentanspruch 1, auf den sich acht weitere Patentansprüche zurückbeziehen, lautet in der erteilten Fassung: "Mischer (1, 101, 201), insbesondere Futtermischwagen, mit einer von oben befüllbaren Mischkammer (4), die eine Wandung (5, 105, 205), einen Boden (6) und wenigstens zwei im Inneren der Mischkammer (4) angeordnete, rotierend antreibbare Mischwerkzeuge (8a, 8b) enthält, die jeweils einen auf den Boden (5) projizierten Arbeitskreis (A) überstreichen, wobei in Zwickelbereichen (13) zwischen zwei Arbeitskreisen (A) eine Durchtrittsöffnung (14) freilassende Leiteinrichtungen (15, 115, 215) angeordnet sind, die am Übergang zum Boden (6) der Krümmung des jeweiligen Arbeitskreises (A) bis in den Zwickelbereich (13) zwischen zwei Arbeitskreisen (A) folgen, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, d a s s die Wandung (5, 105, 205) in den Zwickelbereichen (13) nach innen gekrümmt ist und eine Vertiefung (17, 217) an der Außenseite der Mischkammer (4) bildet, wobei die Wandung (5, 105, 205) selbst ohne oder mit einer Wandungsverlängerung (218, 222) die jeweilige Leiteinrichtung (15, 115, 215) bildet."
2
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent zuletzt mit einem Hauptantrag und sieben Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit sein Ge3 genstand über die mit dem Hauptantrag verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Patentanspruch 1 hat danach folgende Fassung (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind hervorgehoben): "Futtermischwagen (1, 101, 201) mit einer von oben befüllbaren Mischkammer (4), die eine Wandung (5, 105, 205), einen Boden (6) und wenigstens zwei im Inneren der Mischkammer (4) angeordnete, rotierend antreibbare Mischwerkzeuge (8a, 8b) in Form von Vertikalschnecken enthält, die jeweils einen auf den Boden (6) projizierten Arbeitskreis (A) überstreichen, wobei in Zwickelbereichen (13) zwischen zwei Arbeitskreisen (A) eine Durchtrittsöffnung (14) freilassende Leiteinrichtungen (15, 115, 215) angeordnet sind, die am Übergang zum Boden (6) der Krümmung des jeweiligen Arbeitskreises (A) bis in den Zwickelbereich (13) zwischen zwei Arbeitskreisen (A) folgen, d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, d a s s die Wandung (5, 105, 205) in den Zwickelbereich (13) nach innen gekrümmt ist und eine Vertiefung (17, 217) an der Außenseite der Mischkammer (4) bildet, wobei die Wandung (5, 105, 205) selbst ohne oder mit einer Wandungsverlängerung (218, 222) die jeweilige Leiteinrichtung (15, 115, 215) bildet, und dass der Boden (6) im Bereich jedes Arbeitskreises (A) bis über die Hälfte seines Umfangs im Wesentlichen kreisförmig ist, dass die Wandung (5, 105, 205) am Übergang zum Boden (6) kreisbogenförmig gekrümmt ist und sich vom Boden (6) schräg nach oben außen neigt, und dass die Wandung (5, 105, 205) seitlich mit jeweils einer Abflachung (12, 112, 212) versehen ist, die parallel zu einer Tangente zum Arbeitskreis (A) des jeweils anliegenden Mischwerkzeugs (8a, b) verläuft und beidseitig von gekrümmten Bereichen der Wandung (5, 105, 205) begrenzt ist."
4
Gegen das Urteil des Patentgerichts richtet sich die Berufung der Klägerin , mit der sie ihren Antrag auf vollständige Nichtigerklärung des Streitpatents weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit den in erster Instanz gestellten Hilfsanträgen.

Entscheidungsgründe:


Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
5
I. Das Streitpatent betrifft in der von der Beklagten noch verteidigten
6
Fassung einen Futtermischwagen. 1. In der Patentbeschreibung werden unter anderem aus der internatio7 nalen Patentanmeldung WO 03/009929 (D2) und der europäischen Patentanmeldung 1 175 828 (D5) bekannte Futtermischwagen behandelt, die mit zwei rotierend antreibbaren Mischwerkzeugen und einer Leiteinrichtung, die eine Durchtrittsöffnung für das zu mischende Gut freilässt, ausgestattet sind. Die Patentbeschreibung kritisiert die eingesetzten Leiteinrichtungen als konstruktiv aufwendig; sie könnten bei Verwendung ausreichend großer gerader Seitenschieber zum Entleeren nicht verhindern, dass sich tote Ecken ausbildeten, in denen Futter liegen bleibe. 2. Vor diesem Hintergrund besteht die Aufgabe der Erfindung darin, ei8 nen Mischer der genannten Art derart weiterzubilden, dass "tote Ecken" auf konstruktiv einfache Weise auch bei mit mehreren Mischwerkzeugen ausgestatteten Mischern verhindert werden können (Abs. 5). 3. Als Lösung schlägt das Streitpatent in der Fassung nach dem Haupt9 antrag der Beklagten einen Futtermischwagen vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Merkmale des Patentgerichts in eckigen Klammern, Änderungen gegenüber der erteilten Fassung hervorgehoben): 1. Der Futtermischwagen weist eine von oben befüllbare Mischkammer (4) auf [1,2].
2. Die Mischkammer enthält [3] 2.1 eine Wandung (5, 105, 205), 2.2 einen Boden (6), 2.3 und wenigstens zwei im Inneren der Mischkammer angeordnete, rotierend antreibbare Mischwerkzeuge (8a, 8b) in Form von Vertikalschnecken , die jeweils einen auf den Boden projizierten Arbeitskreis (A) überstreichen [4].
3. In Zwickelbereichen (13) zwischen zwei Arbeitskreisen sind Leiteinrichtungen (15, 115, 215) angeordnet, 3.1 die eine Durchtrittsöffnung (14) freilassen [5] und 3.2 am Übergang zum Boden der Krümmung des jeweiligen Arbeitskreises bis in den Zwickelbereich zwischen zwei Arbeitskreisen folgen [6].
4. Der Boden ist im Bereich jedes Arbeitskreises bis über die Hälfte seines Umfangs im Wesentlichen kreisförmig [9].
5. Die Wandung 5.1 ist in den Zwickelbereichen nach innen gekrümmt und bildet eine Vertiefung (17, 217) an der Außenseite der Mischkammer [7]; 5.2 bildet selbst ohne oder mit einer Wandungsverlängerung (218, 222) die jeweilige Leiteinrichtung [8]; 5.3 ist am Übergang zum Boden kreisbogenförmig gekrümmt und neigt sich vom Boden schräg nach oben außen [10]; 5.4 ist seitlich mit jeweils einer Abflachung (12, 112, 212) versehen, die parallel zu einer Tangente zum Arbeitskreis des jeweiligen
anliegenden Mischwerkzeugs verläuft und beidseitig von gekrümmten Bereichen der Wandung begrenzt ist [11].
10
4. Einige Merkmale bedürfen näherer Betrachtung.
a) Entscheidende Bedeutung kommt der in Merkmalsgruppe 5 definierten
11
Ausgestaltung der Wandung zu. Diese kann flächig aus Metallblech oder dergleichen gefertigt sein (Abs. 15). Durch eine Krümmung der Wandung in den Zwickelbereichen wird eine Leiteinrichtung gebildet. Dadurch entsteht zugleich eine Vertiefung an der Außenseite. Diese erleichtert es, die Führungen (19a, 19b) für den vor der Austragsöffnung angeordneten Schieber (11) auf beiden Seiten am gleichen geneigten und gekrümmten Wandbereich anzubringen (Abs. 29). Ein Ausführungsbeispiel ist in den Figuren 1 und 2 der Streitpatentschrift
12
dargestellt: Die Figuren zeigen die Variante, in der die Wandung ohne Wandungs13 verlängerung die Leiteinrichtung in Form eines symmetrischen Leitkegels (15, 15a) bildet.
b) Die optional vorgesehene Wandungsverlängerung ist, wie das Patent14 gericht zutreffend angenommen hat, ein zusätzlich eingefügtes Bauteil, das eine ansonsten in der Wandung verbleibende Lücke schließt. Ein Ausführungsbeispiel ist in Figur 5 der Streitpatentschrift dargestellt. Dort ist die Wandung durch ein Bauteil (222) verlängert.
15
c) In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, die Konstruktion des Futtermischwagens beruhe auf dem Prinzip, dass zwei Einzelbehälter imaginär in Richtung der Verbindungslinie der Schneckenachsen soweit ineinander geschoben würden, dass sich die Arbeitskreise in einem der Bereiche mit der größten Neigung der Wandung gerade nicht überlappten und sich die Wandungen in diesem Bereich durchdrängten oder imaginär verschnitten (Abs. 24). Dieses auch in den Figuren 3A und 3B erläuterte Konstruktionsprinzip der Wandung ist als zwingendes Merkmal nur in Patentanspruch 9 der erteilten Fassung (Patentanspruch 8 der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung) vorgesehen. II. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand des Streitpa16 tents in der nach dem Hauptantrag verteidigten Fassung gehe nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinaus und sei auch patentfähig. Der beanspruchte Futtermischwagen sei gegenüber den Entgegenhal17 tungen D2, D5 und D6 (Werkszeichnungen eines Futtermischwagens "12 m³ Duo Kompakt SVR/SHL" der M. Maschinenbau- und Handelsgesellschaft mbH) neu. Die Entgegenhaltungen zeigten konstruktiv übereinstimmend ausgestaltete Futtermischwagen, von denen sich der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach dem Hauptantrag durch die in Merkmalsgruppe 5 zusammengefassten Merkmale unterscheide. Von den in der europäischen Patentanmeldung 743 090 (D1) bzw. in dem Prospekt "Wirtschaftlich Mischen mit der Mischschaufel DFA u. DK" der F. GmbH (D9) offenbarten transportablen Mischbottichen unterscheide sich der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 bereits in der Ausgestaltung als Fahrzeug sowie in der Ausbildung seiner Mischwerkzeuge als das Mischgut nach oben transportierende Vertikalschnecken. Auch neige sich die Wandung der entgegengehaltenen Mischbottiche nach D1 und D9 nicht vom Boden schräg nach oben außen. Zudem sei deren Wandung nicht seitlich mit jeweils einer Abflachung versehen. Der Futtermischwagen nach dem kanadischen Patent 2 182 909 (D7) sei lediglich für ein einzelnes Mischwerkzeug konzipiert; er weise keine Durchtrittsöffnung zwischen zwei Arbeitskreisen von Mischwerkzeugen auf und bedürfe demzufolge auch keiner Leiteinrichtung. Von dem in der deutschen Auslegeschrift 1 198 116 (D3) offenbarten Futtermischer unterscheide sich der Gegenstand des Streitpatents bereits in seiner Ausgestaltung als Futtermischwagen. Der Futtermischer nach D3 weise darüber hinaus keinen Zwickelbereich zwischen zwei Arbeitskreisen mit einer eine Durchtrittsöffnung freilassenden Leiteinrichtung und keine seitlichen Abflachungen an der Behälterwandung im patentgemäßen Sinne auf. Die US-amerikanische Patentschrift 4 707 140 (D4) schließlich offenbare einen Futtermischer mit horizontal angeordneten Mischwerkzeugen , dem ein anderes Mischprinzip als dem Streitpatent zugrunde liege. Die Gestaltung des Futtermischwagens nach dem Streitpatent habe sich
18
für den Fachmann auch nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben. Eine Neigung der Wandung des Behälters selbst vom Boden aus schräg nach oben in alle Bereiche, also auch im Zwickelbereich, werde durch den Futtermischwagen nach D2, D5 oder D6 nicht vermittelt. Der Gegenstand des Streitpatents sei auch durch die Entgegenhaltung D1 nicht nahegelegt. Die Form des dort offenbarten Behälters weiche bereits durch die gerade und zylindrische Ausgestaltung der Teilbehälter von der patentgemäßen Lösung ab und sei für ein anders geartetes Mischprinzip vorgesehen, bei dem es nicht darauf ankomme, ein zuerst nach oben transportiertes Mischgut zum Boden allseitig auf Vertikalschnecken zuzuleiten, von denen es dann wieder nach oben geführt werde. Auch eine Kombination der Lehren aus D2, D5 oder D6 mit denjenigen aus D1 oder D9 könne den Fachmann nicht in naheliegender Weise zu dem Futtermischwagen nach dem Streitpatent führen. Die Mischer arbeiteten nach unterschiedlichen Mischprinzipien und wiesen für ihre Arbeitsweise die notwendigen Mischwerkzeuge und Behälterformen bzw. inneren Behälterstrukturen auf. Insoweit habe bereits jegliche Veranlassung gefehlt, ausgehend von einem Futtermischwagen nach D2, D5 oder D6 Modifikationen an der Behälterausformung vorzunehmen, für die der Stand der Technik etwa nach D1 oder D9 ein Vorbild bieten könnte. Aus den Entgegenhaltungen D1 oder D9 könne der Fachmann zwar die Lehre ableiten, zwei einzelne Teilbehälter miteinander zu einem gleichsam doppelten Gehäuse zu verschneiden. Die das Mischgut leitende Wirkung des Leitkegels nach D2 beruhe jedoch nicht auf einer entsprechenden Ausgestaltung der Wandung selbst, sondern auf einer speziellen Formgebung des Leitkegels als zusätzlich zu diesem Zweck eingesetztem separatem Bauteil. Eine derartige auf das Vertikalschnecken-Mischprinzip ausgerichtete Wirkung wäre auch durch die Hinzunahme der Lehre von D1 oder D9 nicht zu erzielen gewesen, denn dies habe allenfalls zu senkrecht angestellten Wandbereichen im Zwickelbereich zwischen den Mischwerkzeugen führen können. Die übrigen im Verfahren in Betracht gezogenen Druckschriften (D3, D7, D4) lägen weiter ab und stünden deshalb dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach dem Hauptantrag nicht patenthindernd entgegen.
19
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand. 1. Zutreffend und von der Berufung unbeanstandet hat das Patentgericht
20
angenommen, dass der Gegenstand des Streitpatents in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung nicht über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht und gegenüber dem Stand der Technik neu ist. 2. Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass dieser
21
Gegenstand auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
a) Die Entgegenhaltung D2 offenbart einen Futtermischwagen mit Leit22 einrichtungen, die als separate Bauteile eingesetzt sind. Der in D2 offenbarte Futtermischwagen besteht aus einem Trichter mit
23
einer Basis und einer Schale mit im Wesentlichen vertikalen und parallelen Seitenwänden , die mit nach unten konisch zulaufenden halbkegeligen Endwänden verbunden sind. Der Trichter ist auf einem Fahrgestell angebracht und kann auch als Selbstfahrversion gestaltet sein. Der Mischwagen weist zwei oder mehr Schneckenmischmittel (screws) auf, die jeweils einen auf den Boden projizierten Arbeitskreis überstreichen und mit im Wesentlichen parallelen und voneinander beabstandeten Achsen ausgestattet sind. Zwischen den beiden Arbeitskreisen ist eine eine Durchtrittsöffnung für das zu mischende Gut freilassende Leiteinrichtung angeordnet, die am Übergang zum Boden der Krümmung des jeweiligen Arbeitskreises bis in den Zwickelbereich hinein folgt. Als Leiteinrichtung sind zwei kegel- bzw. keilförmige Vorsprünge (wedge-shaped projections 17a, 17b; D2, S. 3, Z. 14, 15; Übers. S. 4 unten, 5 oben) vorhanden, die sich von beiden Seitenwänden erstrecken. Bei dem Mischwagen der D2 liegen die Merkmale der Merkmalsgrup24 pe 5, die die Gestaltung der Wandung betreffen, nicht vor. In D2 ist die Wandung des Behälters geradlinig verlängert und in den Zwickelbereichen nicht nach innen gekrümmt. Dementsprechend weist sie an der Außenseite keine Vertiefung auf und bildet nicht selbst die jeweilige Leiteinrichtung. Diese besteht vielmehr, wie ausgeführt, aus zusätzlichen keilförmigen Vorsprüngen.
25
b) Entsprechendes gilt für die Mischer nach D5 und D6. Bei diesen Vorrichtungen werden Leiteinrichtungen, die zur Vermeidung
26
von Toträumen notwendig sind, durch gesondert hergestellte Bauteile gebildet. Anders als bei der Lösung nach dem Streitpatent hat, wie das Patentgericht zutreffend ausführt, die Behälterwandung selbst keinen Anteil an der Ausbildung des Raums zwischen den Arbeitskreisen der Mischwerkzeuge und der Gestaltung von Leiteinrichtungen.
c) Die transportablen Mischbottiche nach D1 und D9 sind, wie das Pa27 tentgericht zutreffend angenommen hat, nicht als eigenständige Fahrzeuge ausgestaltet und zeigen nicht die in den Merkmalen 5.3 und 5.4 offenbarte Ausgestaltung der Wandung.
d) Der in dem kanadischen Patent D7 offenbarte Mischer weist nur ein
28
einzelnes Mischwerkzeug auf. Aufgrund dieser Gestaltung entstehen in Ermangelung eines weiteren Mischwerkzeugs keine Zwickelbereiche. Deshalb sind Leiteinrichtungen nicht erforderlich, so dass die hierauf gerichteten Merkmale 3.2 [6], 5.1 [7] und 5.2 [8] des Streitpatents nicht verwirklicht sind.
e) Die Vorrichtung nach der Entgegenhaltung D3 ist ein stationärer Fut29 termischer mit zwei nebeneinander angeordneten Mischschnecken. Der Behälter des Mischers besteht im oberen Bereich aus zwei zusam30 mengesetzten zylindrischen Wandteilen und im unteren Bereich aus zwei nebeneinander angeordneten trichterförmigen Wandteilen. Diese führen jeweils zum Boden des Mischers und damit zu dem auf den Boden projizierten Arbeitskreis der Mischwerkzeuge. Einen Zwickelbereich zwischen zwei Arbeitskreisen, die nach dem Streitpatent hiermit in Verbindung stehende Durchtrittsöffnung und die durch die Wandung gebildete Vertiefung weist der Futtermischer nach D3 nicht auf.
f) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergab sich für den Fachmann
31
aus den Entgegenhaltungen D2, D5 und D6 und dem allgemeinen Fachwissen keine Anregung, einen Futtermischwagen nach dem Streitpatent auszugestalten. aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist es eine Frage
32
des Einzelfalls, in welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln. Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente. Dabei sind nicht nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben , und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 - Installiereinrichtung II). Gehört beispielsweise eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs , kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung bereits dann bestehen, wenn sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 Rn. 25, 26 - Farbversorgungssystem ; Beschluss vom 25. Februar 2014 - X ZB 5/13, BGHZ 200, 229 Rn. 38 - Kollagenase I [zu ärztlichen Standardmaßnahmen]). bb) Im Streitfall gehört es zwar, wie die Klägerin bereits in erster Instanz
33
aufgezeigt und im Berufungsverfahren unter Vorlage eines Privatgutachtens von Prof. Dr.-Ing. S. W. vertiefend dargestellt hat, zum allgemeinen Fachwissen, dass eine aus der Blechoberfläche vorspringende dreidimensionale Form auch durch Umformen des Blechs selbst hergestellt werden kann. Hieraus ergab sich für den Fachmann aber keine hinreichende Veranlassung, diese Art der Formgebung für die in D2, D5 und D6 offenbarten Leiteinrichtungen einzusetzen. Entgegen der Auffassung der Klägerin dürfen die einzelnen Merkmale
34
der Merkmalsgruppe 5 nicht isoliert betrachtet werden. Die Funktion der Leiteinrichtungen hängt sowohl beim Streitpatent als auch in D2, D5 und D6 entscheidend davon ab, dass die Leiteinrichtungen sowohl eine Krümmung entlang der Linie des Arbeitskreises (Merkmale 5.1 und 5.3) als auch einen schrägen Verlauf nach oben außen (Merkmal 5.3) aufweisen, während die Wandung im seitlichen Bereich mit einer Abflachung versehen ist (Merkmal 5.4). Für diese komplexe Formgebung waren am Prioritätstag in D2, D5 und D6 ausschließlich Ausführungsformen offenbart, bei denen in einer geschlossenen Wanne mit im Wesentlichen geraden Seitenwänden zusätzliche Bauteile als Leiteinrichtungen vorhanden sind. Dies mag den Fachmann nicht davon abgehalten haben, nach alternativen Konstruktionsmöglichkeiten zu suchen, zumal die Zahl der in Frage kommenden Herstellungsverfahren - der Privatgutachter nennt ergänzend noch die Herstellung durch Gießen - gering ist. Konkrete Vorteile, die dem Fachmann Veranlassung gegeben hätten, eine Konstruktion in Betracht zu ziehen, bei der die Leiteinrichtungen durch umgeformte Teile der Wandung gebildet werden, sind aber nicht ersichtlich. Die Ausgestaltung der Leiteinrichtungen als gesonderte Bauteile mag mit hohem Material- und Herstellungsaufwand verbunden sein. Die Umformung der Wandung ist jedoch ebenfalls mit Aufwand verbunden , zumal je nach Ausgestaltung Verlängerungsstücke eingesetzt werden müssen, was wiederum zu erhöhtem Materialbedarf führt.
g) Der Fachmann hatte auch ausgehend von D1 und D9 keinen Anlass,
35
einen Futtermischwagen entsprechend dem Streitpatent weiterzuentwickeln. Der in diesen Entgegenhaltungen offenbarte Mischerbottich mag als Ver36 schneidung zweier zylindrischer Einzelbehälter angesehen werden können. Aufgrund der zylindrischen Form ist die Wandung aber nicht vom Boden schräg nach oben außen geneigt. Eine solche Gestaltung ist für die in D1 und D9 offenbarten Mischer mit horizontal ausgerichteten Mischwerkzeugen nicht erforderlich. Dem Fachmann mag bewusst gewesen sein, dass ein Mischbehälter mit vertikal ausgerichteten Mischwerkzeugen eine andere Form aufweisen muss. Eine Veranlassung, trotz der abweichenden Formgebung das D1 und D9 zugrunde liegende Konstruktionsprinzip zweier ineinander verschobener Behälter zu wählen, ergab sich aus diesen Entgegenhaltungen jedoch nicht.
h) Auch aus einer Zusammenschau der Entgegenhaltungen D2, D5 oder
37
D6 mit D1 oder D9 ergab sich für den Fachmann keine Veranlassung, einen Futtermischwagen mit der Merkmalsgruppe 5 auszugestalten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Fachmann überhaupt Anlass
38
hatte, eine Kombination dieser beiden unterschiedlichen Ansätze in Erwägung zu ziehen. Selbst wenn der Fachmann diesem Gedanken näher getreten wäre, hätte sich für ihn aus D1 allenfalls die Anregung ergeben, die Wandung des Behälters entlang der Linie des Arbeitskreises zu krümmen. Für eine zusätzliche Umformung dergestalt, dass die Wandung im Zwickelbereich zugleich schräg nach oben außen verläuft und im seitlichen Bereich Abflachungen aufweist , fehlt es hingegen an einer hinreichenden Veranlassung.
i) Durch die Entgegenhaltung D3 erhielt der Fachmann, wie das Patent39 gericht zutreffend dargelegt hat, keine Anregung, einen Futtermischwagen nach den Vorgaben des Streitpatents auszugestalten. Dass bei dem in D3 offenbarten Futtermischer einzelne Merkmale der
40
Merkmalsgruppe 5 offenbart sind, führt entgegen der Auffassung der Klägerin zu keiner abweichenden Beurteilung. Um zu der vom Streitpatent beanspruchten Merkmalskombination zu gelangen, hätte der Fachmann die abstrahierende Betrachtung anstellen müssen, dass die in D2, D5 und D6 offenbarte Formgebung auch mit dem der D3 zugrundeliegenden Konstruktionsprinzip vollständig verwirklicht werden kann. Hierzu ergab sich aus D3 keine hinreichende Anregung.
41
j) Entsprechendes gilt für eine Zusammenschau der Entgegenhaltungen D7 und D1. Der Mischer nach D7 verfügt über nur eine Mischschnecke, die von im
42
Wesentlichen senkrechten Seitenwänden umgeben ist. Selbst wenn der Fachmann , der Toträume noch zuverlässiger vermeiden und das Volumen des gemischten Futters vergrößern wollte, den Gedanken verfolgte, statt eines Mischwerkzeugs zwei Mischwerkzeuge zu verwenden, hätte er aus der Gestaltung der D7 keine Anregung erhalten, die Seitenwände beim Einsatz von zwei Mischwerkzeugen in der Mitte mit einer Krümmung zu versehen (Merkmal 5.3). Einen Hinweis hierauf vermittelte ihm auch nicht die Entgegenhaltung D1. Allein die Überlegung, die Mischwanne aus D7 zu verlängern und darin zwei Misch- schnecken anzuordnen, veranlasste den Fachmann nicht, die Konstruktion nach der D1, wonach zwei gleichgeformte zylindrische Behälter gleichsam ineinander verschoben bzw. verschnitten werden, zu übernehmen. Dies erforderte eine abstrahierende Betrachtung und eine Übertragung des Verschneidungsprinzips auf den um eine weitere Mischschnecke erweiterten Mischer der D7. Dafür findet sich weder in D7 noch in D1 ein Anhaltspunkt. Darüber hinaus spricht gegen ein solches Vorgehen, dass im Stand der Technik bereits eine fertige Lösung mit mehreren Mischwerkzeugen, nämlich die Gestaltung eines Mischwagens nach den Entgegenhaltungen D2, D5 und D6 vorhanden war.
43
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO.
Bacher Grabinski Schuster
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 30.06.2014 - 4 Ni 18/12 (EP) -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - X ZR 66/14

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - X ZR 66/14

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - X ZR 66/14 zitiert 2 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - X ZR 66/14 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 27. Okt. 2016 - X ZR 66/14 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - X ZB 6/10

bei uns veröffentlicht am 20.12.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 6/10 vom 20. Dezember 2011 in der Rechtsbeschwerdesache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Installiereinrichtung II GebrMG § 1 Abs. 1, § 18 Abs. 4; PatG § 100, § 106, § 99 Abs. 1; ZPO § 91a A

Bundesgerichtshof Urteil, 11. März 2014 - X ZR 139/10

bei uns veröffentlicht am 11.03.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X ZR 139/10 Verkündet am: 11. März 2014 Beširović Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein B

Bundesgerichtshof Beschluss, 25. Feb. 2014 - X ZB 5/13

bei uns veröffentlicht am 25.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X Z B 5 / 1 3 vom 25. Februar 2014 in dem Rechtsbeschwerdeverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja Kollagenase I PatG § 3 Abs. 4, § 2a Abs. 1 Nr. 2 a) Ein Patentanspruch, der eine neue Ver

Referenzen

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 6/10
vom
20. Dezember 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Installiereinrichtung II
Abs. 1 Satz 1
In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen
im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter
Weise weiterzuentwickeln ist eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung
eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert.
Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich.
Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets
, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise
bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die
sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands
ergeben und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen.
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning,
Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

beschlossen:
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Antragsgegner war Inhaber des am 15. Februar 2001 angemeldeten deutschen Gebrauchsmusters 201 21 189 (Streitgebrauchsmusters), das eine "Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen" betrifft und 20 Schutzansprüche umfasst; das Streitgebrauchsmuster ist nach Ablauf der höchstmöglichen Schutzdauer mit Ende des Monats Februar 2011 erloschen.
2
Die Gebrauchsmusterabteilung hat das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über die vom Antragsgegner im Löschungsverfahren verteidigte Fassung der Schutzansprüche hinausgeht, und den Löschungsantrag im Übrigen zurückgewiesen.

3
Mit der Beschwerde hat die Antragstellerin ihren Löschungsantrag weiterverfolgt. Der Antragsgegner hat das Streitgebrauchsmuster in der von der Gebrauchsmusterabteilung als schutzfähig angesehenen Fassung und mit mehreren Hilfsanträgen verteidigt.
4
Das Patentgericht hat das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang gelöscht.
5
Hiergegen hat sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gerichtet.
6
Nach Ablauf der Höchstschutzdauer des Streitgebrauchsmusters haben die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
7
II. Infolge der Erledigungserklärungen ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nur noch über die Kosten des Löschungsverfahrens zu entscheiden (§ 18 Abs. 4 Satz 1 GebrMG i. V. m. §§ 106, 109, 99 Abs. 1 PatG, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese sind dem Antragsgegner aufzuerlegen , da die Rechtsbeschwerde voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre.
8
1. Die Rechtsbeschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 18 Abs. 4 Satz 1 GebrMG in Verbindung mit § 100 Abs. 2, 3, §§ 101 bis 109 PatG). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschränkt die Nachprüfung grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage, die das Beschwerdegericht für klärungsbedürftig gehalten hat; eine vom Beschwerdegericht ausgesprochene Beschränkung auf eine solche Frage ist ohne Wirkung. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erlaubt die Überprüfung der Entscheidung nach Art einer Revision (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 29. April 2003 - X ZB 4/01, GRUR 2003, 781 - Basisstation; Beschluss vom 29. Juli 2008 - X ZB 23/07, juris). Die Überprüfung durch den Senat ist danach nicht auf die vom Patentgericht aufgeworfene Frage beschränkt, inwieweit es für den Fachmann Anstöße, Hinweise oder Anregungen im Stand der Technik bedarf, um dort beschriebene Maßnahmen auf das ihm Bekannte anzuwenden.
9
2. Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen für mehrere Arbeitsplätze in einem Raum.
10
Als Aufgabe der Erfindung wird angegeben, eine Einrichtung zu schaffen, die einen flexiblen Aufbau und eine flexible Installation von Versorgungsleitungen ermöglicht, die leicht zu bedienen ist und die zu möglichst geringen Behinderungen (bei der Raumnutzung) führt.
11
Die in dem verteidigten Schutzanspruch 1 angegebene Lösung kann wie folgt gegliedert werden (Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern): 1. Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen für mehrere Arbeitsplätze [a], insbesondere für Computer-Arbeitsplätze oder dergleichen in einem Raum, die miteinander und/oder mit einer zentralen Einrichtung verbunden sind [b].
2. Ein aus vorbereiteten Elementen gerüstartig aufbaubares System ist vorgesehen [c], das enthält
2.1 unterhalb einer Decke (12) des Raums und oberhalb einer normalen Greifhöhe anbringbare Kanäle (18) zur Aufnahme von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen [d] und 2.2 an die Kanäle anschließbare nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen zugeordnete Säulen (21), die mit Versorgungsanschlüssen (23) versehen sind [f].
3. Für die Kanäle (18) sind Hängehalter (19) zum Aufhängen an der Decke (12) des Raums vorgesehen [e].
4. Die Säulen (21) sind um eine im Bereich der Kanäle (18) befindliche horizontale Achse (53) verschwenkbar angeordnet, um die Versorgungsanschlüsse (23) in Greifhöhe zu bringen [g].
12
3. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand der Schutzansprüche beruhe nicht auf einem erfinderischen Schritt im Sinne von § 1 Abs. 1 GebrMG.
13
Die Angabe in den Schutzansprüchen, dass die "Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen" seien, verstehe der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur (FH), der als Konstrukteur und Planer für Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen für verschiedene Anwendungsgebiete mit Versorgungsleitungen aller Art zuständig sei, so, dass die Versorgungsanschlüsse zumindest so weit aus dem Arbeitsbereich zu bringen seien, dass sie nicht mehr störten. Dies bedeute nicht, dass die Versorgungsanschlüsse überhaupt nicht mehr erreicht werden könnten. Denn das Streitgebrauchsmuster sehe als „oberhalb der Greifhöhe einer erwachsenen Person gelegenen Bereich“ lediglich eine Höhe von 190 bis 215 cm vor. Unter nach unten gerichteten Säulen seien nicht notwendig senkrecht ausgerichtete Säulen zu verstehen.
14
Aus der schweizerischen Bauzeitung "Schweizer Ingenieur und Architekt" Nr. 24 vom 11. Juni 1998, S. 1, 10 bis 12 (D5) sei eine Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen für mehrere Arbeitsplätze bekannt, die sich von dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters lediglich dadurch unterscheide, dass bei diesem die Säulen um eine im Bereich der Kanäle befindliche horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Wenn der Fachmann von einer Einrichtung, wie sie in der schweizerischen Bauzeitung beschrieben sei, ausgehe, stehe er vor dem Problem, dass die dort beschriebenen Säulen, wenn sie sich in Unterrichtsräumen befänden, Vandalismus ausgesetzt seien. Zumindest könnten sie durch nicht sachgerechte Manipulation in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Dem Fachmann seien Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen nicht nur für Unterrichtsräume, sondern auch für andere Anwendungsgebiete bekannt, zu denen auch die Medizintechnik gehöre. Aus dem Prospekt der D. M. GmbH (D13) sei eine Einrichtung mit Versorgungsleitungen bekannt, die nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen zugeordnete Säulen, die mit Versorgungsanschlüssen versehen seien, enthalte und bei der die Säulen um eine horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Dieser Umstand gebe dem Fachmann die Anregung, die aus der D5 bekannte und in Unterrichtsräumen eingesetzte Einrichtung durch die aus dem Prospekt der D13 als bekannt nachgewiesene Maßnahme zu ertüchtigen. Bei diesem Vorgehen ergebe sich zwangsläufig, die horizontale Achse dort zu belassen, wo die Säule bei der Einrichtung nach der D5 schon angelenkt sei, nämlich im Be- reich der Kanäle. Damit bedürfe es für den Fachmann keines erfinderischen Schritts, um die Einrichtung nach der D5 derart auszugestalten, dass die Säulen um eine im Bereich der Kanäle befindliche horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgunganschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Auch die Gegenstände nach den Hilfsanträgen beruhten nicht auf einem erfinderischen Schritt.
15
4. Diese Beurteilung hätte der Nachprüfung im Rechtbeschwerdeverfahren voraussichtlich standgehalten.
16
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit um eine Rechtsfrage, die mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände zu beurteilen ist, die unmittelbar oder mittelbar geeignet sind, etwas über die Voraussetzungen für das Auffinden der erfindungsgemäßen Lösung auszusagen (Senatsurteil vom 7. März 2006 - X ZR 213/01, BGHZ 166, 305 - Vorausbezahlte Telefongespräche ). Dies gilt gleichermaßen für die Beurteilung des erfinderischen Schritts im Gebrauchsmusterrecht (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - X ZB 27/05, BGHZ 168, 142 - Demonstrationsschrank). Wie im Patentrecht ist maßgeblich, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Dies allein genügt jedoch nicht, um den Gegenstand der Erfindung als nahegelegt anzusehen. Hinzukommen muss vielmehr zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anre- gungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 - einteilige Öse). Denn nur dann kann die notwendigerweise ex post getroffene richterliche Einschätzung, dass der Fachmann ohne erfinderisches Bemühen zum Gegenstand der Erfindung gelangt wäre, in einer Weise objektiviert werden, die Rechtssicherheit für den Schutzrechtsinhaber wie für seine Wettbewerber gewährleistet.
17
Dabei lässt sich keine allgemeine, vom jeweiligen Streitfall losgelöste Aussage darüber treffen, in welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln. Es handelt sich vielmehr um eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere Ausbildungsgang und Ausbildungsstand der auf diesem Gebiet tätigen Fachleute zum Prioritätszeitpunkt und die auf dem technischen Fachgebiet übliche Vorgehensweise von Fachleuten bei der Entwicklung von Neuerungen ebenso eine Rolle spielen wie technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben, nicht-technische Vorgaben , die geeignet sind, die Überlegungen des Fachmanns in eine bestimmte Richtung zu lenken, und umgekehrt Gesichtspunkte, die dem Fachmann Veranlassung geben könnten, die technische Entwicklung in eine andere, von der Erfindung wegweisende Richtung voranzutreiben.
18
b) Diesen rechtlichen Vorgaben hat das Patentgericht genügt, indem es für die Annahme des Fehlens eines erfinderischen Schritts das Vorliegen einer Anregung aus dem Stand der Technik für erforderlich gehalten hat. Es hat angenommen , die in der D13 vorgestellte Einrichtung ermögliche es, Geräte und deren Versorgungsanschlüsse je nach Bedarf am OP-Tisch zu positionieren oder sie aus dem Arbeitsbereich zu entfernen. Daraus entnehme der Fachmann die Anregung, die aus der D5 bekannte Einrichtung mit der Option der Höhenverstellung zu versehen.
19
c) Die hiergegen gerichteten Rügen der Rechtsbeschwerde zeigen keine Rechtsfehler auf.
20
aa) Die Rechtsbeschwerde rügt die Interpretation des Offenbarungsgehalts der Entgegenhaltung D5, der das Patentgericht zu Unrecht die Merkmale 2.1, 2.2 und 3 entnommen habe. Mit dieser Rüge wäre sie voraussichtlich nicht durchgedrungen. Die D5 spricht auf Seite 12, linke Spalte ausdrücklich davon, dass sämtliche Leitungen und Kanäle frei verlegt und jederzeit zugänglich seien. Dass diese Kanäle Bestandteile eines gerüstartig aufgebauten Systems sind, zieht die Rechtsbeschwerde zu Recht ebenso wenig in Zweifel wie deren Anordnung unterhalb der Raumdecke und oberhalb einer normalen Greifhöhe und ihre Bestimmung zur Aufnahme von Versorgungs- oder Datenleitungen, welche in der D5 gleichfalls ausdrücklich erwähnt werden. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, nicht die Kanäle, sondern das unterhalb der Raumdecke angebrachte (die Kanäle aufnehmende) Deckenraster sei mit Hängehaltern an der Raumdecke befestigt und die Säulen seien ausschließlich an diesem Deckenraster befestigt, ist dies im Ergebnis nicht erfolgversprechend. Denn selbst wenn dies zuträfe, dienten die Hängehalter mittelbar auch der Aufhängung der Kanäle und wären die Säulen an die Kanäle im Sinne des Merkmals 2.2 inso- weit „anschließbar“, als die Versorgungs- oder Datenleitungen aus den Kanälen aus- und in die Säulen eintreten müssen.

21
bb) Auch mit der Rüge, das Patentgericht habe der Entgegenhaltung D13 zu Unrecht eine Anregung dafür entnommen, die Einrichtung nach der D5 durch um eine horizontale Achse verschwenkbar angeordnete Säulen (Merkmal
4) zu ertüchtigen, hätte die Rechtsbeschwerde voraussichtlich nicht durchdringen können.
22
Nach Ansicht des Patentgerichts hatte der Fachmann Anlass, die D13, eine Veröffentlichung im Bereich der Medizintechnik, heranzuziehen. Dieser Annahme stehen Rechtsgründe nicht entgegen. Das Streitgebrauchsmuster betrifft ganz allgemein Einrichtungen zum Installieren von Versorgungsleitungen für mehrere Arbeitsplätze; beispielhaft werden Labors oder dergleichen ge- nannt. Der Prospekt D13 betrifft „Ergonomische Arbeitsplatzsysteme für die Anästhesie und Chirurgie“. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass der An- tragsgegner Tatsachen vorgetragen hat, aus denen das Patentgericht hätte ableiten müssen, dass der maßgebliche Fachmann, ein Maschinenbauingenieur (FH), der als Konstrukteur und Planer für Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen für verschiedene Anwendungsgebiete mit Versorgungsleitungen befasst ist, üblicherweise Anregungen nicht beachtet, die sich aus solchen Einrichtungen im medizintechnischen Bereich ergeben. Dies liegt auch fern, weil, wie die Entgegenhaltung D5 anschaulich belegt, die konkrete Funktion des einzelnen Arbeitsplatzes für die konzeptionelle Ausgestaltung des Gesamtsystems von allenfalls nachrangiger Bedeutung ist. Der weitere Einwand der Rechtsbeschwerde , die D13 betreffe ein Versorgungssystem für nur einen Arbeitsplatz, während das Streitgebrauchsmuster eine Einrichtung für mehrere Arbeitsplätze beanspruche, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Fachmann hat Anlass, die versorgungstechnische Ausgestaltung eines einzelnen Arbeitsplatzes auch dann zu betrachten, wenn er mehrere Arbeitsplätze auszustatten hat, unabhän- gig davon, ob eine Verbindung der Arbeitsplätze gewünscht ist oder nicht. Darüber hinaus betrifft das Merkmal 4 eine Maßnahme, die an jedem Arbeitsplatz gesondert vorzunehmen ist. Auch deswegen hat das Patentgericht es zu Recht als aus fachmännischer Sicht geboten angesehen, die Gestaltung einzelner Arbeitsplätze im Stand der Technik zu betrachten.
23
cc) Auch die weitere Annahme des Patentgerichts, der Entgegenhaltung D13 sei eine Ausgestaltung der dort beschriebenen Deckenversorgungseinheiten nach Merkmal 4 zu entnehmen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
24
In der D13 ist eine Einrichtung mit nach unten gerichteten Säulen gezeigt , die um eine horizontale Achse so verschwenkbar sind, dass sich eine Höhenverstellung um 600 mm ergibt (D13, Abb. auf S. 4 unten). Die Rechtsbeschwerde geht von einer Lehre des Streitgebrauchsmusters aus, wonach die Mediensäulen zwischen einer Gebrauchs- und Nichtgebrauchsstellung im Wege einer Klappbewegung vollständig verschwenkt würden, was in der D13 nicht offenbart sei. Eine Klappbewegung ist indessen nicht Merkmal der nach dem Streitgebrauchsmuster geschützten Einrichtung.
25
Die Rechtsbeschwerde wendet ein, dass sich die Säulen nach dem Streitgebrauchsmuster in der Nichtgebrauchsstellung oberhalb einer normalen Greifhöhe befänden, also ohne den Einsatz von Hilfsmitteln grundsätzlich nicht erreichbar und damit vollständig „aus dem Weg geräumt“ seien. Demgegenüber befinde sich das in der D13 offenbarte Deckenversorgungssystem stets in Greifhöhe; das dort verwendete Höhenverstellungssystem erlaube eine maximale Höhe von 2 Metern. Auch dieses Argument geht fehl, denn das Streitgebrauchsmuster verlangt lediglich oberhalb einer „normalen“ Greifhöhe liegende Kanäle. Im Übrigen handelt es sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage, in welche Höhe die Säulen mit den Versorgungsanschlüssen verschwenkt werden.
26
dd) Hinsichtlich der Auslegung der Schutzansprüche nach den Hilfsanträgen und der entsprechenden Bewertung des Standes der Technik sind keine Rechtsfehler erkennbar; die Rechtsbeschwerde erhebt hierzu auch keine gesonderten Rügen.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.06.2010 - 35 W(pat) 429/09 -
25
In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten , die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nichttechnische Vorgaben eine Rolle spielen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 = BlPMZ 2012, 260 - Installiereinrichtung
38
aa) Wie auch die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, reicht es für die Bejahung der Patentfähigkeit nicht aus, wenn die Anweisung, einen bestimmten Stoff in einer bestimmten Art und Weise zu verabreichen, neu ist, also für diesen Stoff im Stand der Technik nicht eindeutig und unmittelbar offenbart ist. Bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit sind vielmehr auch Handlungsweisen zu berücksichtigen, die dem Fachmann deshalb nahegelegt waren, weil sie am Prioritätstag zum ärztlichen Standard-Repertoire gehörten. Insbesondere bei Maßnahmen, die nicht dazu dienen, eine für den in Rede stehenden Stoff spezifische Wirkung hervorzurufen, sondern dazu, unerwünschte Wirkungen allgemeiner Art zu verhindern oder die von dem Stoff ausgehenden Wirkungen in örtlicher oder zeitlicher Hinsicht einzugrenzen, wird es häufig vom Zufall abhängen , ob die Anwendung dieser Maßnahme auch und gerade für einen bestimmten Stoff schriftlich belegt werden kann. Ein solcher Beleg ist jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn feststeht, dass der Fachmann die in Rede stehende Maßnahme am Prioritätstag als generelles Mittel für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht gezogen hat und dass keine besonderen Umstände vorlagen , die eine Anwendung in der konkret zu beurteilenden Konstellation als nicht möglich oder untunlich erscheinen ließen.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)