Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Dez. 2011 - X ZB 6/10

bei uns veröffentlicht am20.12.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 6/10
vom
20. Dezember 2011
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Installiereinrichtung II
Abs. 1 Satz 1
In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen
im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter
Weise weiterzuentwickeln ist eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung
eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert.
Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich.
Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets
, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten, die übliche Vorgehensweise
bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die
sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands
ergeben und auch nicht-technische Vorgaben eine Rolle spielen.
BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. Dezember 2011
durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning,
Dr. Bacher und Hoffmann sowie die Richterin Schuster

beschlossen:
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 100.000 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Der Antragsgegner war Inhaber des am 15. Februar 2001 angemeldeten deutschen Gebrauchsmusters 201 21 189 (Streitgebrauchsmusters), das eine "Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen" betrifft und 20 Schutzansprüche umfasst; das Streitgebrauchsmuster ist nach Ablauf der höchstmöglichen Schutzdauer mit Ende des Monats Februar 2011 erloschen.
2
Die Gebrauchsmusterabteilung hat das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über die vom Antragsgegner im Löschungsverfahren verteidigte Fassung der Schutzansprüche hinausgeht, und den Löschungsantrag im Übrigen zurückgewiesen.

3
Mit der Beschwerde hat die Antragstellerin ihren Löschungsantrag weiterverfolgt. Der Antragsgegner hat das Streitgebrauchsmuster in der von der Gebrauchsmusterabteilung als schutzfähig angesehenen Fassung und mit mehreren Hilfsanträgen verteidigt.
4
Das Patentgericht hat das Streitgebrauchsmuster in vollem Umfang gelöscht.
5
Hiergegen hat sich die vom Patentgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragsgegners gerichtet.
6
Nach Ablauf der Höchstschutzdauer des Streitgebrauchsmusters haben die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
7
II. Infolge der Erledigungserklärungen ist unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nur noch über die Kosten des Löschungsverfahrens zu entscheiden (§ 18 Abs. 4 Satz 1 GebrMG i. V. m. §§ 106, 109, 99 Abs. 1 PatG, § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Diese sind dem Antragsgegner aufzuerlegen , da die Rechtsbeschwerde voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre.
8
1. Die Rechtsbeschwerde ist infolge ihrer Zulassung statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 18 Abs. 4 Satz 1 GebrMG in Verbindung mit § 100 Abs. 2, 3, §§ 101 bis 109 PatG). Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschränkt die Nachprüfung grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage, die das Beschwerdegericht für klärungsbedürftig gehalten hat; eine vom Beschwerdegericht ausgesprochene Beschränkung auf eine solche Frage ist ohne Wirkung. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erlaubt die Überprüfung der Entscheidung nach Art einer Revision (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 29. April 2003 - X ZB 4/01, GRUR 2003, 781 - Basisstation; Beschluss vom 29. Juli 2008 - X ZB 23/07, juris). Die Überprüfung durch den Senat ist danach nicht auf die vom Patentgericht aufgeworfene Frage beschränkt, inwieweit es für den Fachmann Anstöße, Hinweise oder Anregungen im Stand der Technik bedarf, um dort beschriebene Maßnahmen auf das ihm Bekannte anzuwenden.
9
2. Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen für mehrere Arbeitsplätze in einem Raum.
10
Als Aufgabe der Erfindung wird angegeben, eine Einrichtung zu schaffen, die einen flexiblen Aufbau und eine flexible Installation von Versorgungsleitungen ermöglicht, die leicht zu bedienen ist und die zu möglichst geringen Behinderungen (bei der Raumnutzung) führt.
11
Die in dem verteidigten Schutzanspruch 1 angegebene Lösung kann wie folgt gegliedert werden (Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern): 1. Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen für mehrere Arbeitsplätze [a], insbesondere für Computer-Arbeitsplätze oder dergleichen in einem Raum, die miteinander und/oder mit einer zentralen Einrichtung verbunden sind [b].
2. Ein aus vorbereiteten Elementen gerüstartig aufbaubares System ist vorgesehen [c], das enthält
2.1 unterhalb einer Decke (12) des Raums und oberhalb einer normalen Greifhöhe anbringbare Kanäle (18) zur Aufnahme von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen [d] und 2.2 an die Kanäle anschließbare nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen zugeordnete Säulen (21), die mit Versorgungsanschlüssen (23) versehen sind [f].
3. Für die Kanäle (18) sind Hängehalter (19) zum Aufhängen an der Decke (12) des Raums vorgesehen [e].
4. Die Säulen (21) sind um eine im Bereich der Kanäle (18) befindliche horizontale Achse (53) verschwenkbar angeordnet, um die Versorgungsanschlüsse (23) in Greifhöhe zu bringen [g].
12
3. Das Patentgericht hat angenommen, der Gegenstand der Schutzansprüche beruhe nicht auf einem erfinderischen Schritt im Sinne von § 1 Abs. 1 GebrMG.
13
Die Angabe in den Schutzansprüchen, dass die "Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen" seien, verstehe der Fachmann, ein Maschinenbauingenieur (FH), der als Konstrukteur und Planer für Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen für verschiedene Anwendungsgebiete mit Versorgungsleitungen aller Art zuständig sei, so, dass die Versorgungsanschlüsse zumindest so weit aus dem Arbeitsbereich zu bringen seien, dass sie nicht mehr störten. Dies bedeute nicht, dass die Versorgungsanschlüsse überhaupt nicht mehr erreicht werden könnten. Denn das Streitgebrauchsmuster sehe als „oberhalb der Greifhöhe einer erwachsenen Person gelegenen Bereich“ lediglich eine Höhe von 190 bis 215 cm vor. Unter nach unten gerichteten Säulen seien nicht notwendig senkrecht ausgerichtete Säulen zu verstehen.
14
Aus der schweizerischen Bauzeitung "Schweizer Ingenieur und Architekt" Nr. 24 vom 11. Juni 1998, S. 1, 10 bis 12 (D5) sei eine Einrichtung zum Installieren von Versorgungsleitungen und/oder Datenleitungen für mehrere Arbeitsplätze bekannt, die sich von dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters lediglich dadurch unterscheide, dass bei diesem die Säulen um eine im Bereich der Kanäle befindliche horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Wenn der Fachmann von einer Einrichtung, wie sie in der schweizerischen Bauzeitung beschrieben sei, ausgehe, stehe er vor dem Problem, dass die dort beschriebenen Säulen, wenn sie sich in Unterrichtsräumen befänden, Vandalismus ausgesetzt seien. Zumindest könnten sie durch nicht sachgerechte Manipulation in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Dem Fachmann seien Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen nicht nur für Unterrichtsräume, sondern auch für andere Anwendungsgebiete bekannt, zu denen auch die Medizintechnik gehöre. Aus dem Prospekt der D. M. GmbH (D13) sei eine Einrichtung mit Versorgungsleitungen bekannt, die nach unten gerichtete, Arbeitsplätzen zugeordnete Säulen, die mit Versorgungsanschlüssen versehen seien, enthalte und bei der die Säulen um eine horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgungsanschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Dieser Umstand gebe dem Fachmann die Anregung, die aus der D5 bekannte und in Unterrichtsräumen eingesetzte Einrichtung durch die aus dem Prospekt der D13 als bekannt nachgewiesene Maßnahme zu ertüchtigen. Bei diesem Vorgehen ergebe sich zwangsläufig, die horizontale Achse dort zu belassen, wo die Säule bei der Einrichtung nach der D5 schon angelenkt sei, nämlich im Be- reich der Kanäle. Damit bedürfe es für den Fachmann keines erfinderischen Schritts, um die Einrichtung nach der D5 derart auszugestalten, dass die Säulen um eine im Bereich der Kanäle befindliche horizontale Achse verschwenkbar angeordnet seien, um die Versorgunganschlüsse in Greifhöhe zu bringen. Auch die Gegenstände nach den Hilfsanträgen beruhten nicht auf einem erfinderischen Schritt.
15
4. Diese Beurteilung hätte der Nachprüfung im Rechtbeschwerdeverfahren voraussichtlich standgehalten.
16
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit um eine Rechtsfrage, die mittels wertender Würdigung der tatsächlichen Umstände zu beurteilen ist, die unmittelbar oder mittelbar geeignet sind, etwas über die Voraussetzungen für das Auffinden der erfindungsgemäßen Lösung auszusagen (Senatsurteil vom 7. März 2006 - X ZR 213/01, BGHZ 166, 305 - Vorausbezahlte Telefongespräche ). Dies gilt gleichermaßen für die Beurteilung des erfinderischen Schritts im Gebrauchsmusterrecht (Senatsbeschluss vom 20. Juni 2006 - X ZB 27/05, BGHZ 168, 142 - Demonstrationsschrank). Wie im Patentrecht ist maßgeblich, ob der Stand der Technik am Prioritätstag dem Fachmann den Gegenstand der Erfindung nahegelegt hat. Dies erfordert zum einen, dass der Fachmann mit seinen durch seine Ausbildung und berufliche Erfahrung erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten in der Lage gewesen ist, die erfindungsgemäße Lösung des technischen Problems aus dem Vorhandenen zu entwickeln. Dies allein genügt jedoch nicht, um den Gegenstand der Erfindung als nahegelegt anzusehen. Hinzukommen muss vielmehr zum anderen, dass der Fachmann Grund hatte, den Weg der Erfindung zu beschreiten. Dazu bedarf es in der Regel über die Erkennbarkeit des technischen Problems hinausreichender Anstöße, Anre- gungen, Hinweise oder sonstiger Anlässe (BGH, Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 92/05, BGHZ 182, 1 - Betrieb einer Sicherheitseinrichtung; Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 - einteilige Öse). Denn nur dann kann die notwendigerweise ex post getroffene richterliche Einschätzung, dass der Fachmann ohne erfinderisches Bemühen zum Gegenstand der Erfindung gelangt wäre, in einer Weise objektiviert werden, die Rechtssicherheit für den Schutzrechtsinhaber wie für seine Wettbewerber gewährleistet.
17
Dabei lässt sich keine allgemeine, vom jeweiligen Streitfall losgelöste Aussage darüber treffen, in welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln. Es handelt sich vielmehr um eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere Ausbildungsgang und Ausbildungsstand der auf diesem Gebiet tätigen Fachleute zum Prioritätszeitpunkt und die auf dem technischen Fachgebiet übliche Vorgehensweise von Fachleuten bei der Entwicklung von Neuerungen ebenso eine Rolle spielen wie technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben, nicht-technische Vorgaben , die geeignet sind, die Überlegungen des Fachmanns in eine bestimmte Richtung zu lenken, und umgekehrt Gesichtspunkte, die dem Fachmann Veranlassung geben könnten, die technische Entwicklung in eine andere, von der Erfindung wegweisende Richtung voranzutreiben.
18
b) Diesen rechtlichen Vorgaben hat das Patentgericht genügt, indem es für die Annahme des Fehlens eines erfinderischen Schritts das Vorliegen einer Anregung aus dem Stand der Technik für erforderlich gehalten hat. Es hat angenommen , die in der D13 vorgestellte Einrichtung ermögliche es, Geräte und deren Versorgungsanschlüsse je nach Bedarf am OP-Tisch zu positionieren oder sie aus dem Arbeitsbereich zu entfernen. Daraus entnehme der Fachmann die Anregung, die aus der D5 bekannte Einrichtung mit der Option der Höhenverstellung zu versehen.
19
c) Die hiergegen gerichteten Rügen der Rechtsbeschwerde zeigen keine Rechtsfehler auf.
20
aa) Die Rechtsbeschwerde rügt die Interpretation des Offenbarungsgehalts der Entgegenhaltung D5, der das Patentgericht zu Unrecht die Merkmale 2.1, 2.2 und 3 entnommen habe. Mit dieser Rüge wäre sie voraussichtlich nicht durchgedrungen. Die D5 spricht auf Seite 12, linke Spalte ausdrücklich davon, dass sämtliche Leitungen und Kanäle frei verlegt und jederzeit zugänglich seien. Dass diese Kanäle Bestandteile eines gerüstartig aufgebauten Systems sind, zieht die Rechtsbeschwerde zu Recht ebenso wenig in Zweifel wie deren Anordnung unterhalb der Raumdecke und oberhalb einer normalen Greifhöhe und ihre Bestimmung zur Aufnahme von Versorgungs- oder Datenleitungen, welche in der D5 gleichfalls ausdrücklich erwähnt werden. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, nicht die Kanäle, sondern das unterhalb der Raumdecke angebrachte (die Kanäle aufnehmende) Deckenraster sei mit Hängehaltern an der Raumdecke befestigt und die Säulen seien ausschließlich an diesem Deckenraster befestigt, ist dies im Ergebnis nicht erfolgversprechend. Denn selbst wenn dies zuträfe, dienten die Hängehalter mittelbar auch der Aufhängung der Kanäle und wären die Säulen an die Kanäle im Sinne des Merkmals 2.2 inso- weit „anschließbar“, als die Versorgungs- oder Datenleitungen aus den Kanälen aus- und in die Säulen eintreten müssen.

21
bb) Auch mit der Rüge, das Patentgericht habe der Entgegenhaltung D13 zu Unrecht eine Anregung dafür entnommen, die Einrichtung nach der D5 durch um eine horizontale Achse verschwenkbar angeordnete Säulen (Merkmal
4) zu ertüchtigen, hätte die Rechtsbeschwerde voraussichtlich nicht durchdringen können.
22
Nach Ansicht des Patentgerichts hatte der Fachmann Anlass, die D13, eine Veröffentlichung im Bereich der Medizintechnik, heranzuziehen. Dieser Annahme stehen Rechtsgründe nicht entgegen. Das Streitgebrauchsmuster betrifft ganz allgemein Einrichtungen zum Installieren von Versorgungsleitungen für mehrere Arbeitsplätze; beispielhaft werden Labors oder dergleichen ge- nannt. Der Prospekt D13 betrifft „Ergonomische Arbeitsplatzsysteme für die Anästhesie und Chirurgie“. Die Rechtsbeschwerde zeigt nicht auf, dass der An- tragsgegner Tatsachen vorgetragen hat, aus denen das Patentgericht hätte ableiten müssen, dass der maßgebliche Fachmann, ein Maschinenbauingenieur (FH), der als Konstrukteur und Planer für Einrichtungen zur Versorgung von Arbeitsplätzen für verschiedene Anwendungsgebiete mit Versorgungsleitungen befasst ist, üblicherweise Anregungen nicht beachtet, die sich aus solchen Einrichtungen im medizintechnischen Bereich ergeben. Dies liegt auch fern, weil, wie die Entgegenhaltung D5 anschaulich belegt, die konkrete Funktion des einzelnen Arbeitsplatzes für die konzeptionelle Ausgestaltung des Gesamtsystems von allenfalls nachrangiger Bedeutung ist. Der weitere Einwand der Rechtsbeschwerde , die D13 betreffe ein Versorgungssystem für nur einen Arbeitsplatz, während das Streitgebrauchsmuster eine Einrichtung für mehrere Arbeitsplätze beanspruche, führt ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Fachmann hat Anlass, die versorgungstechnische Ausgestaltung eines einzelnen Arbeitsplatzes auch dann zu betrachten, wenn er mehrere Arbeitsplätze auszustatten hat, unabhän- gig davon, ob eine Verbindung der Arbeitsplätze gewünscht ist oder nicht. Darüber hinaus betrifft das Merkmal 4 eine Maßnahme, die an jedem Arbeitsplatz gesondert vorzunehmen ist. Auch deswegen hat das Patentgericht es zu Recht als aus fachmännischer Sicht geboten angesehen, die Gestaltung einzelner Arbeitsplätze im Stand der Technik zu betrachten.
23
cc) Auch die weitere Annahme des Patentgerichts, der Entgegenhaltung D13 sei eine Ausgestaltung der dort beschriebenen Deckenversorgungseinheiten nach Merkmal 4 zu entnehmen, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
24
In der D13 ist eine Einrichtung mit nach unten gerichteten Säulen gezeigt , die um eine horizontale Achse so verschwenkbar sind, dass sich eine Höhenverstellung um 600 mm ergibt (D13, Abb. auf S. 4 unten). Die Rechtsbeschwerde geht von einer Lehre des Streitgebrauchsmusters aus, wonach die Mediensäulen zwischen einer Gebrauchs- und Nichtgebrauchsstellung im Wege einer Klappbewegung vollständig verschwenkt würden, was in der D13 nicht offenbart sei. Eine Klappbewegung ist indessen nicht Merkmal der nach dem Streitgebrauchsmuster geschützten Einrichtung.
25
Die Rechtsbeschwerde wendet ein, dass sich die Säulen nach dem Streitgebrauchsmuster in der Nichtgebrauchsstellung oberhalb einer normalen Greifhöhe befänden, also ohne den Einsatz von Hilfsmitteln grundsätzlich nicht erreichbar und damit vollständig „aus dem Weg geräumt“ seien. Demgegenüber befinde sich das in der D13 offenbarte Deckenversorgungssystem stets in Greifhöhe; das dort verwendete Höhenverstellungssystem erlaube eine maximale Höhe von 2 Metern. Auch dieses Argument geht fehl, denn das Streitgebrauchsmuster verlangt lediglich oberhalb einer „normalen“ Greifhöhe liegende Kanäle. Im Übrigen handelt es sich um eine reine Zweckmäßigkeitsfrage, in welche Höhe die Säulen mit den Versorgungsanschlüssen verschwenkt werden.
26
dd) Hinsichtlich der Auslegung der Schutzansprüche nach den Hilfsanträgen und der entsprechenden Bewertung des Standes der Technik sind keine Rechtsfehler erkennbar; die Rechtsbeschwerde erhebt hierzu auch keine gesonderten Rügen.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.06.2010 - 35 W(pat) 429/09 -

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 91a Kosten bei Erledigung der Hauptsache


(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksich

Patentgesetz - PatG | § 100


(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesger

Patentgesetz - PatG | § 109


(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilwei

Patentgesetz - PatG | § 99


(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nic

Gebrauchsmustergesetz - GebrMG | § 18


(1) Gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle und der Gebrauchsmusterabteilungen findet die Beschwerde an das Patentgericht statt. (2) Im übrigen sind die Vorschriften des Patentgesetzes über das Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden. Bet

Gebrauchsmustergesetz - GebrMG | § 1


(1) Als Gebrauchsmuster werden Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind. (2) Als Gegenstand eines Gebrauchsmusters im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen: 1.

Patentgesetz - PatG | § 101


(1) Die Rechtsbeschwerde steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten zu. (2) Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung des Rechts beruht. Die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsp

Patentgesetz - PatG | § 106


(1) Im Verfahren über die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen, über Prozeßbevollmächtigte und Beistände, über Zustellungen von Amts wegen, über Ladungen, Termine und Fr

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(1) Als Gebrauchsmuster werden Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind.

(2) Als Gegenstand eines Gebrauchsmusters im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen:

1.
Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden;
2.
ästhetische Formschöpfungen;
3.
Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen;
4.
die Wiedergabe von Informationen;
5.
biotechnologische Erfindungen (§ 1 Abs. 2 des Patentgesetzes).

(3) Absatz 2 steht dem Schutz als Gebrauchsmuster nur insoweit entgegen, als für die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche Schutz begehrt wird.

(1) Gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle und der Gebrauchsmusterabteilungen findet die Beschwerde an das Patentgericht statt.

(2) Im übrigen sind die Vorschriften des Patentgesetzes über das Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden. Betrifft die Beschwerde einen Beschluß, der in einem Löschungsverfahren ergangen ist, so ist für die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens § 84 Abs. 2 des Patentgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Über Beschwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle sowie gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen entscheidet ein Beschwerdesenat des Patentgerichts. Über Beschwerden gegen die Zurückweisung der Anmeldung eines Gebrauchsmusters entscheidet der Senat in der Besetzung mit zwei rechtskundigen Mitgliedern und einem technischen Mitglied, über Beschwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen über Löschungsanträge in der Besetzung mit einem rechtskundigen Mitglied und zwei technischen Mitgliedern. Für Beschwerden gegen Entscheidungen über Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Der Vorsitzende muß ein rechtskundiges Mitglied sein. Auf die Verteilung der Geschäfte innerhalb des Beschwerdesenats ist § 21g Abs. 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes anzuwenden. Für die Verhandlung über Beschwerden gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle gilt § 69 Abs. 1 des Patentgesetzes, für die Verhandlung über Beschwerden gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen § 69 Abs. 2 des Patentgesetzes entsprechend.

(4) Gegen den Beschluß des Beschwerdesenats des Patentgerichts, durch den über eine Beschwerde nach Absatz 1 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat in dem Beschluß die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. § 100 Abs. 2 und 3 sowie die §§ 101 bis 109 des Patentgesetzes sind anzuwenden.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

(1) Im Verfahren über die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen, über Prozeßbevollmächtigte und Beistände, über Zustellungen von Amts wegen, über Ladungen, Termine und Fristen und über Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend. Im Falle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 123 Abs. 5 bis 7 entsprechend.

(2) Für die Öffentlichkeit des Verfahrens gilt § 69 Abs. 1 entsprechend.

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle und der Gebrauchsmusterabteilungen findet die Beschwerde an das Patentgericht statt.

(2) Im übrigen sind die Vorschriften des Patentgesetzes über das Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden. Betrifft die Beschwerde einen Beschluß, der in einem Löschungsverfahren ergangen ist, so ist für die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens § 84 Abs. 2 des Patentgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Über Beschwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle sowie gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen entscheidet ein Beschwerdesenat des Patentgerichts. Über Beschwerden gegen die Zurückweisung der Anmeldung eines Gebrauchsmusters entscheidet der Senat in der Besetzung mit zwei rechtskundigen Mitgliedern und einem technischen Mitglied, über Beschwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen über Löschungsanträge in der Besetzung mit einem rechtskundigen Mitglied und zwei technischen Mitgliedern. Für Beschwerden gegen Entscheidungen über Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Der Vorsitzende muß ein rechtskundiges Mitglied sein. Auf die Verteilung der Geschäfte innerhalb des Beschwerdesenats ist § 21g Abs. 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes anzuwenden. Für die Verhandlung über Beschwerden gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle gilt § 69 Abs. 1 des Patentgesetzes, für die Verhandlung über Beschwerden gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen § 69 Abs. 2 des Patentgesetzes entsprechend.

(4) Gegen den Beschluß des Beschwerdesenats des Patentgerichts, durch den über eine Beschwerde nach Absatz 1 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat in dem Beschluß die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. § 100 Abs. 2 und 3 sowie die §§ 101 bis 109 des Patentgesetzes sind anzuwenden.

(1) Im Verfahren über die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen, über Prozeßbevollmächtigte und Beistände, über Zustellungen von Amts wegen, über Ladungen, Termine und Fristen und über Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entsprechend. Im Falle der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt § 123 Abs. 5 bis 7 entsprechend.

(2) Für die Öffentlichkeit des Verfahrens gilt § 69 Abs. 1 entsprechend.

(1) Sind an dem Verfahren über die Rechtsbeschwerde mehrere Personen beteiligt, so kann der Bundesgerichtshof bestimmen, daß die Kosten, die zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren, von einem Beteiligten ganz oder teilweise zu erstatten sind, wenn dies der Billigkeit entspricht. Wird die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen oder als unzulässig verworfen, so sind die durch die Rechtsbeschwerde veranlaßten Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen. Hat ein Beteiligter durch grobes Verschulden Kosten veranlaßt, so sind ihm diese aufzuerlegen.

(2) Dem Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts können Kosten nur auferlegt werden, wenn er die Rechtsbeschwerde eingelegt oder in dem Verfahren Anträge gestellt hat.

(3) Im übrigen gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen entsprechend.

(1) Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren vor dem Patentgericht enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden, wenn die Besonderheiten des Verfahrens vor dem Patentgericht dies nicht ausschließen.

(2) Eine Anfechtung der Entscheidungen des Patentgerichts findet nur statt, soweit dieses Gesetz sie zuläßt.

(3) Für die Gewährung der Akteneinsicht an dritte Personen ist § 31 entsprechend anzuwenden. Über den Antrag entscheidet das Patentgericht. Die Einsicht in die Akten von Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents wird nicht gewährt, wenn und soweit der Patentinhaber ein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse dartut.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung oder durch Einreichung eines Schriftsatzes oder zu Protokoll der Geschäftsstelle den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss. Dasselbe gilt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen seit der Zustellung des Schriftsatzes widerspricht, wenn der Beklagte zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(2) Gegen die Entscheidung findet die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.

(1) Gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle und der Gebrauchsmusterabteilungen findet die Beschwerde an das Patentgericht statt.

(2) Im übrigen sind die Vorschriften des Patentgesetzes über das Beschwerdeverfahren entsprechend anzuwenden. Betrifft die Beschwerde einen Beschluß, der in einem Löschungsverfahren ergangen ist, so ist für die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens § 84 Abs. 2 des Patentgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Über Beschwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle sowie gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen entscheidet ein Beschwerdesenat des Patentgerichts. Über Beschwerden gegen die Zurückweisung der Anmeldung eines Gebrauchsmusters entscheidet der Senat in der Besetzung mit zwei rechtskundigen Mitgliedern und einem technischen Mitglied, über Beschwerden gegen Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen über Löschungsanträge in der Besetzung mit einem rechtskundigen Mitglied und zwei technischen Mitgliedern. Für Beschwerden gegen Entscheidungen über Anträge auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist Satz 2 entsprechend anzuwenden. Der Vorsitzende muß ein rechtskundiges Mitglied sein. Auf die Verteilung der Geschäfte innerhalb des Beschwerdesenats ist § 21g Abs. 1 und 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes anzuwenden. Für die Verhandlung über Beschwerden gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterstelle gilt § 69 Abs. 1 des Patentgesetzes, für die Verhandlung über Beschwerden gegen die Beschlüsse der Gebrauchsmusterabteilungen § 69 Abs. 2 des Patentgesetzes entsprechend.

(4) Gegen den Beschluß des Beschwerdesenats des Patentgerichts, durch den über eine Beschwerde nach Absatz 1 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat in dem Beschluß die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. § 100 Abs. 2 und 3 sowie die §§ 101 bis 109 des Patentgesetzes sind anzuwenden.

(1) Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts, durch die über eine Beschwerde nach § 73 oder über die Aufrechterhaltung oder den Widerruf eines Patents nach § 61 Abs. 2 entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluß zugelassen hat.

(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn

1.
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert.

(3) Einer Zulassung zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des Patentgerichts bedarf es nicht, wenn einer der folgenden Mängel des Verfahrens vorliegt und gerügt wird:

1.
wenn das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2.
wenn bei dem Beschluß ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3.
wenn einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4.
wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5.
wenn der Beschluß auf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6.
wenn der Beschluß nicht mit Gründen versehen ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 4/01
vom
29. April 2003
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Basisstation

a) Die Teilungserklärung hindert nicht den Fortgang des Beschwerdeverfahrens
und eine abschließende Entscheidung über das Stammpatent.

b) Begehrt der Beschwerdeführer eine Entscheidung über das Stammpatent, so
kommt es auf das Schicksal der Trennanmeldung in der Regel schon deshalb
nicht an, weil durch die Teilung nichts abgetrennt werden muß. Maßgeblich
ist alleine, ob die Rechtsverfolgung des Patentinhabers im Einspruchsverfahren
eine abschließende Entscheidung zuläßt.
BGH, Beschl. v. 1. April 2003 - X ZB 4/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Melullis, die Richter Prof. Dr. Jestaedt, Scharen, die Richterin
Mühlens und den Richter Dr. Meier-Beck
am 29. April 2003

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluß des 20. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 30. November 2000 wird auf Kosten der Patentinhaberin zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 150.000

Gründe:


I. Nach Abtrennung der erteilten Ansprüche 5 bis 18 aufgrund einer Teilungserklärung der Patentinhaberin hat das Deutsche Patent- und Markenamt das deutsche Patent 38 12 611, das eine "Basisstation für ein drahtloses digitales Telefonsystem" betrifft, mit Beschluß vom 10. Mai 1999 wegen unzulässiger Erweiterung widerrufen.
Dagegen hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 29. November 2000 vor dem Bundespatentgericht hat
die Patentinhaberin die Teilung des Patents in der Weise erklärt, daß die Patentansprüche 3 und 4 erteilter Fassung unter Rückbezug auf Anspruch 1 erteilter Fassung abgetrennt werden. Sie hat beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen, hilfsweise, das Restpatent mit dem Anspruch 1 des Hilfsantrages 6 aufrechtzuerhalten.
Dieser hilfsweise verfolgte einzige Patentanspruch lautet unter Einfügung einer Merkmalsnumerierung durch das Bundespatentgericht wie folgt:
1. Vorrichtung zur Kommunikation zwischen Teilnehmerstation (41) und einem externen Netzwerk (25) mit
2. einer Zentralstation (10),
2.1 die mit dem externen Netzwerk (25) in Verbindung steht,
3. einem Prozessor (14) in der Zentralstation (10),
3.1 der mit einer Übertragungsstation (11) zum Steuern von Kommunikation zwischen der Zentralstation (10) und der Übertragungsstation (11) in Verbindung steht,
4. mehreren Kanalmodule(n) (20) in der Übertragungsstation (11),

4.1 die mit mehreren Teilnehmerstationen (41) über Hochfrequenzkanäle mit jeweils mehreren Zeitschlitzen in Verbindung stehen,
4.2 wobei die Zeitschlitze den Teilnehmerstationen nach Bedarf, nach einer vorbestimmten Zuordnungsroutine, zugeordnet werden,
5. mindestens einer Steuereinrichtung (19) in der Übertragungsstation (11) zum Steuern von Kommunikation zwischen den Kanalmodulen (20) und der Zentralstation (10),
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t, daß
6. die Zentralstation (10) und die Übertragungsstation (11) miteinander über von beiden Stationen erzeugte und empfangene Bitströme (28) in Verbindung stehen,
6.1 Bitströme, die von der Zentralstation (10) zur Übertragungsstation (11) übertragen werden von dem externen Netzwerk (25) initiierte Signale erhalten, und
6.2 Bitströme, die von der Übertragungsstation (11) zur Zentralstation (10) übertragen werden von den Teilnehmerstationen (41) initiierte Signale enthalten,
6.3 wobei die Bitströme mehrfach sich sequentiell wiederholende Zeitschlitze enthalten,

7. ein Steuerkanal BBC zwischen der Zentralstation (10) und der Übertragungsstation (11) zur Übertragung von Steuersignalen vorgesehen ist,
7.1 die von beiden Stationen (10, 11) initiiert werden können, und
8. die Steuereinrichtung (19, 44) mit den Kanalmodulen (20) über einen Übertragungsweg (37) mit mehreren Kanälen verbunden ist und
8.1 der zum Steuern von Signalen zwischen Zeitschlitzen in den Hochfrequenzkanälen und Kanälen des Übertragungswegs eine Schnittstelle mit den Kanalmodulen (20) bildet.
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde hinsichtlich des nach der weiteren Teilungserklärung verbliebenen Stammpatents zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde zugelassen (BlPMZ 2001, 108; MDR 2001, 121)
Die Patentinhaberin hat am 23. Februar 2001 die Gebühren für die zweite Trennanmeldung vom 29. November 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingezahlt.
Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Patentinhaberin die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und die Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht. Die Einsprechenden bitten um Zurückweisung des Rechtsmittels.
II. 1. Die Rechtsbeschwerde ist kraft Zulassung statthaft; sie eröffnet die Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nach Art einer Revision. Die vom Beschwerdegericht ausgesprochene Beschränkung der Zulassung auf eine bestimmte Rechtsfrage ist ohne Wirkung (st. Rspr. des Senats, u.a. Beschl. v. 30.10.1990 - X ZB 18/88, GRUR 1991, 307 - Bodenwalze; Beschl. v. 3.12.1996 - X ZR 1/96, GRUR 1997, 360, 361 - Profilkrümmer). Der Sonderfall zulässiger Beschränkung auf einen bestimmten abgrenzbaren Teil des Verfahrensgegenstandes liegt hier nicht vor (BGH, Beschl. v. 28.4.1994 - I ZB 5/92, GRUR 1994, 730 - Value). Die Rechtsbeschwerde ist auch im übrigen zulässig.
2. In der Sache bliebt die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg.

a) Das Bundespatentgericht hat die in der mündlichen Verhandlung abgegebene weitere Teilungserklärung, mit der die Patentinhaberin aus dem noch verbliebenen Patent im Umfang der erteilten Patentansprüche 1 bis 4 nunmehr noch die Patentansprüche 3 und 4 unter Rückbezug auf Anspruch 1 abgetrennt hat, für wirksam gehalten. Es hat sich für befugt gesehen, über das Stammpatent vor Beendigung des "Schwebezustandes" der Teilanmeldung nach § 39 Abs. 3 PatG zu entscheiden. Der abgetrennte Teil gelte nach der Teilung als Anmeldung, für die ein Prüfungsantrag gestellt worden sei und für den die Wirkungen des Patents als von Anfang an nicht eingetreten seien. Hieraus hat das Beschwerdegericht den Schluß gezogen, daß mit dieser Regelung auch ein materiell-rechtlicher Teilungsbegriff vereinbar sei, nach dem erforderlich sei, daß der zu teilende Gegenstand in mindestens zwei Teile aufgespalten werde und ein um den abgespaltenen Teil vermindertes Restpatent entstehe. Da die rechtsgestaltenden Wirkungen jedoch vorerst in der Schwebe blieben und der abgetrennte Teil wegen des materiell-rechtlichen Teilungsbe-
griffs wieder in das Stammpatent zurückfalle, wenn die Anmeldungsunterlagen und Gebühren nicht fristgerecht eingingen, könne danach über das Stammverfahren nicht entschieden werden, solange der Schwebezustand andauere.
Diese Rechtsprechung hält das Bundespatentgericht im Lichte der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. März 2000 (X ZB 36/98, GRUR 2000, 688 - Graustufenbild) indessen für überholt. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach Verkündung eines Beschlusses oder - im schriftlichen Verfahren - nach dessen Übergabe an die Postabfertigungsstelle könne wegen der Bindung des Patentamts und des Patentgerichts an seine Entscheidung bei einer Teilungserklärung während der Rechtsmittelfrist vom Stammpatent nichts (mehr) abgespalten werden, eine Teilung im materiell-rechtlichen Sinne müsse demnach nicht erfolgen. Gleiches müsse auch ohne Bindung an eine Entscheidung gelten. Der Teilungserklärung komme eine materiell-rechtliche Wirkung hinsichtlich der Trennanmeldung ohnehin nicht zu, da mit ihr der gesamte Offenbarungsgehalt der ursprünglichen Anmeldung ausgeschöpft werden könne. Bei der Teilung des Patents im Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren sei daher durchgängig nicht eine Teilung im materiell-rechtlichen Sinne zu fordern. Wenn nichts abgespalten werde, könne auch nichts zurückfallen. Ein "Schwebezustand" für das Stammpatent nach der Erklärung der Teilung entstehe deshalb nicht; im Verfahren zum Stammpatent könne unabhängig vom Schicksal der Teilungserklärung nach § 39 Abs. 3 PatG entschieden werden.

b) Die Rechtsbeschwerde macht hiergegen geltend, das Beschwerdegericht habe über die Beschwerde nicht während des "Schwebezustandes" entscheiden dürfen; da der Gegenstand des Stammpatents noch nicht abschlie-
ßend definiert sei, sei es dem Bundespatentgericht verwehrt, über die Validität des Stammpatents im voraus zu entscheiden.
Diese Rüge hat im Ergebnis keinen Erfolg.
aa) Rechtsfehlerfrei hat das Bundespatentgericht angenommen, daß die Patentinhaberin nach § 60 Abs. 1 PatG ihr Patent bis zur Beendigung des Einspruchsverfahrens teilen konnte und daß sie der in § 39 Abs. 1 Satz 2 PatG geforderten Schriftform genügte, idem sie ihre Teilungserklärung in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben hat, so daß die Teilung wirksam erklärt ist.
bb) Der Senat hat in seiner Rechtsprechung (Sen.Beschl. v. 5.3.1996 - X ZR 13/92, GRUR 1996, 747 - Lichtbogen-Plasma-Beschichtungssystem; Sen.Beschl. v. 22.4.1998 - X ZB 19/97, GRUR 1999, 148, 150 - Informationsträger ; Sen.Beschl. v. 3.12.1998 - X ZB 17/97, GRUR 1999, 485, 486 - Kupplungsvorrichtung; BGHZ 133, 18, 21 - Informationssignal; Sen.Beschl. v. 28.3.2000 - X ZB 36/98, GRUR 2000, 688 - Graustufenbild) im wesentlichen darauf abgestellt, daß eine Teilung schon begrifflich voraussetze, daß der zu teilende Gegenstand in mindestens zwei Teile aufgespalten werde. Durch die Teilung wird das Einspruchsverfahren auf das um den abgetrennten Teil verminderte Restpatent beschränkt. Nur dieses ist noch, soweit das Vorbringen des Einsprechenden hierzu Anlaß gibt, auf das Vorliegen eines gesetzlichen Widerrufsgrundes zu prüfen. Die rechtsgestaltenden Wirkungen treten unmittelbar mit dem Zugang der Teilungserklärung ein; sie bleiben allerdings vorerst in der Schwebe (§§ 60 Abs. 1 Satz 3, 39 Abs. 3 PatG). Im Umfang der Abtrennung ist das Patent wegen der Teilung mit rechtsvernichtender Wirkung zu wi-
derrufen. Ob daran festzuhalten ist, hat der Senat in seinem Beschluß vom 30. September 2002 (X ZB 18/01, GRUR 2003, 47 - Sammelhefter) ausdrücklich offengelassen. Aus dem Erfordernis einer Teilung nicht nur des Verfahrens , sondern des erteilten Patents sei nicht abzuleiten, daß bereits durch die Teilungserklärung ein gegenständlich bestimmter Teil des Patents definiert werden müsse, der von diesem abgetrennt werde. Diese Frage bedarf auch im vorliegenden Streitfall keiner Entscheidung. Um die Anforderungen einer Teilung geht es vorliegend nicht. Im Streit steht insoweit allein die Frage, in welchem Umfang das Verfahren nach einer Teilungserklärung fortgesetzt werden kann.
cc) Die Teilungserklärung hindert den Fortgang des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich des erteilten Patents nicht. Voraussetzung der Fortführung des Beschwerdeverfahrens und einer abschließenden Entscheidung hinsichtlich des Stammpatents nach der Teilungserklärung während des Schwebezustandes nach § 39 Abs. 3 PatG ist die Entscheidungsreife des Verfahrens.
Das Beschwerdeverfahren ist entscheidungsreif, wenn über den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Grund des Rechts- und Sachstandes abschließend entschieden werden kann. Für die Entscheidungsreife ist entscheidend der Antrag des Beschwerdeführers, der durch diesen den Umfang der Nachprüfung im Rechtsmittelverfahren bestimmt. Ist der Beschwerdeführer zugleich Patentinhaber, so hat er es in der Hand, etwa mit einem Hauptantrag seinen Erteilungsantrag umfassend zu verfolgen und mit einem Hilfsantrag nur das, was er im Verfahren über die Stammanmeldung erreichen möchte, oder aber im Verfahren über die Stammanmeldung sogleich einen eingeschränkten Erteilungsantrag zu stellen und das weitere - auch auf das Risiko der Rechts-
folgen des § 39 Abs. 3 PatG - dem Verfahren über die Teilanmeldung zu überlassen. Begehrt der Beschwerdeführer eine Entscheidung, die sich ausschließlich auf den nach der Teilungserklärung verbliebenen Gegenstand des Stammpatents bezieht, so kommt es für die Entscheidung über die Beschwerde auf das Schicksal der Trennanmeldung in aller Regel schon deshalb nicht an, weil - wie das Bundespatentgericht zutreffend ausgeführt hat - durch die Teilung nichts abgetrennt werden muß, was unter den Voraussetzungen des § 39 Abs. 3 PatG in das Stammpatent zurückfallen könnte. Maßgebend ist allein, ob die Rechtsverfolgung des Patentinhabers im Einspruchsverfahren eine abschließende Entscheidung zuläßt.
dd) Nach den Feststellungen des Bundespatentgerichts hat die Patentinhaberin wirksam die Teilung durch Abtrennung der Ansprüche 3 und 4 erklärt. Sie hat Aufrechterhaltung des Stammpatents mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 begehrt. Das Beschwerdeverfahren war insoweit entscheidungsreif, so daß unabhängig vom Schicksal der Trennanmeldung eine Entscheidung über die Beschwerde ergehen konnte.
3. Das Bundespatentgericht hat die Patentfähigkeit der beanspruchten Vorrichtung verneint. Es hat dahinstehen lassen, ob die Vorrichtung nach dem Patentanspruch gegenüber dem Stand der Technik neu ist. Jedenfalls beruhe die Vorrichtung nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Sie habe sich für den Fachmann , einen Entwickler, der eine nachrichtentechnische Hochschulausbildung absolviert habe und über mehrjährige Erfahrung auf dem Gebiet der digitalen Mobilfunksysteme verfüge - in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.

a) Die Rechtsbeschwerde hält diese Bestimmung des Fachmanns für fehlerhaft. Am Prioritätstag der Anmeldung (18. August 1987) habe es nur analoge Mobilfunksysteme gegeben. Mobile digitale Funksysteme seien zu diesem Zeitpunkt erst in der Entwicklung gewesen. Richtigerweise habe das Bundespatentgericht auf einen Elektroingenieur abstellen müssen, der einige Jahre auf dem Gebiet des Funktelefonsystems gearbeitet habe und allenfalls über eine kurze Erfahrung auf dem Gebiet der digitalen Funktechnologie verfügt habe.
Die Rüge greift nicht durch. Die Rechtsbeschwerde hat nicht dargetan, inwieweit die vom Bundespatentgericht tatrichterlich festgestellte Qualifikation des Durchschnittsfachmanns auf einem Rechtsfehler beruht.

b) aa) Das Bundespatentgericht hat ausgeführt, die Merkmale 8 und 8.1 des Anspruchs 1 des Streitpatents seien im Stand der Technik (Eckert/Höfgen, The Fully Digital Cellular Radio Telephone System CD 900, D 2) beschrieben. Die im vorliegenden Anspruchswortlaut erfolgende Überleitung zum Merkmal 8.1 mit den Worten "und der" - diese Überleitung sei auch bereits im erteilten Anspruch 2 enthalten - entspreche nicht den üblichen Sprachregeln. Man könnte zwar vermuten, daß mit "der" der Übertragungsweg gemeint sei; dies passe jedoch technisch nicht zu der dann folgenden Zweckbestimmung "zum Steuern von Signalen". Merkmal 8.1 sei deshalb in der Weise aufzufassen , daß darin das Wort "der" zu streichen sei; die Patentinhaberin habe sich in der Verhandlung dieser Auslegung angeschlossen. Das so gefaßte Merkmal 8.1 sei ebenfalls auf die modifizierte Anordnung von D 2, Figur 8 lesbar.
bb) Die Rechtsbeschwerdeführerin hält dem entgegen, sie habe sich in der mündlichen Verhandlung nicht der Auslegung des Beschwerdegerichts angeschlossen. Der Artikel "der" beziehe sich auf den Übertragungsweg (37) in Merkmal 8. Der Übertragungsweg bilde tatsächlich eine Schnittstelle mit den Kanalmodulen zum Steuern von Signalen zwischen Zeitschlitzen in den Hochfrequenzkanälen und Kanälen des Übertragungsweges. Dieses Merkmal sei auch in dieser Weise in der Patentschrift offenbart. Figur 4 des Streitpatents zeige ein Blockschaltbild einer erfindungsgemäßen Basisstation. Darin sei der Übertragungsweg (37) zwischen MUX (119) und Kanalmodul (120) gezeigt. In Figur 5 sowie in Spalte 10 Zeilen 30 ff. werde dann die MUX-Karte (119) im Detail dargestellt. Hierdurch sei das Merkmal 8.1 für den Fachmann offenbart. Der Übertragungsweg bilde demnach eine Schnittstelle mit den Kanalmodulen, um Signale, die sich in den Zeitschlitzen der Hochfrequenzkanäle (zwischen Basisstation und Teilnehmerstation) befänden, über die Schnittstelle in die Kanäle des Übertragungsweges zu steuern. Das in diesem Sinne technisch korrekt interpretierte Merkmal 8.1 des Patentanspruchs 1 sei weder in der Druckschrift D 2 noch in der Druckschrift D 10 (Langewellpott/D'Avella, On the Spectral Efficiency of CD 900) offenbart. Die getroffenen Feststellungen des Bundespatentgerichts beruhten auf dem Fehlverständnis des Merkmals 8.1.
cc) Auch insoweit hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg. Das Bundespatentgericht hat das Merkmal 8.1 gestützt auf den Sinnzusammenhang ausgelegt und seinen technischen Inhalt ermittelt. Diese tatrichterliche Würdigung ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

c) Das Bundespatentgericht hat weiter angenommen, die in Figur 8 der D 2 näher dargestellte Übertragungsstation (BS) weise eine
MUX/DEMUX-Einheit auf, die als Steuereinrichtung zu betrachten sei. Diese Einheit teile die den über PCM-30-Leistungen von der Zentralstation (MSC) kommenden Datenstrom auf die verschiedenen Sprach- und Organisationskanäle auf.
Die Rechtsbeschwerde hält diese Annahme für sachlich unrichtig; hierfür finde sich in dieser Entgegenhaltung keine Grundlage. Die ersten beiden Sätze auf S. 257 in D 2 bezögen sich auf die Basisstation (bezeichnet als Übertragungsstation = transmission unit) und nicht auf MUX/DEMUX (= transfer unit). Daß MUX/DEMUX eine Steuerfunktion habe, lasse sich der Druckschrift D 2 nicht entnehmen. Der Durchschnittsfachmann vergleiche die "control unit" (die Steuereinheit) der Figur 8 in D 2 mit der Steuereinrichtung (19) des Anspruchs des Streitpatents. Die Steuereinrichtung (19) des Streitpatents sei in Merkmal 8 jedoch in ihrer Funktion und Ausgestaltung anders als die "control unit" der D 2 konzipiert.
Auch damit kann die Rechtsbeschwerde nicht durchdringen. Das Bundespatentgericht hat, sachverständig beraten, seine Feststellungen getroffen. Rechtsfehler hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.
III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis RiBGH Prof. Dr. Jestaedt ist Scharen ortsabwesend und deshalb
verhindert zu unterschreiben. Melullis Mühlens Meier-Beck

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 23/07
vom
29. Juli 2008
in der Rechtsbeschwerdesache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. Juli 2008 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter Scharen, die Richterin Mühlens
und die Richter Asendorf und Gröning

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der am 20. März 2007 verkündete Beschluss des 5. Senats (Gebrauchsmusterbeschwerdesenats ) des Bundespatentgerichts aufgehoben, soweit über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 der Rechtsbeschwerdeführerin entschieden worden ist. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde als unzulässig verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde , an das Bundespatentgericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 75.000,-- € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des Gebrauchsmusters 299 24 199 mit der Bezeichnung "Telekommunikationsanordnung zur Übertragung von Rückkanaldaten einer Verbindung zwischen einem Endgerät und ei- nem Server eines Paketvermittlungsnetzes". Das Gebrauchsmuster, das am 1. August 2002 eingetragen worden ist, umfasst 38 Schutzansprüche. Der eingetragene Schutzanspruch 1 lautet: "1. Telekommunikationsanordnung zur Übertragung von Rückkanal -Daten in einer Verbindung zwischen einem Endgerät und einem Server eines Paketvermittlungsnetzes, zumindest auf einer Teilstrecke des Rückkanals wahlweise schmalbandig über das Paketvermittlungsnetz und/oder POTS/ISDN-Leitungen und/oder breitbandig über einen Breitband-Rückkanal, mit:
a) Mitteln zum Aufbau einer Verbindung zwischen dem Endgerät (1) und dem Server (4) über das Paketvermittlungsnetz (3),
b) Mitteln zum schmalbandigen Übertragen von RückkanalDaten vom Server (4) zum Endgerät (1),
c) Mitteln zum wiederholten Prüfen beim Server (4) und/oder einer Steuereinheit (5, 15), die Teil des Paketvermittlungsnetzes (3) ist oder zu diesem Zugang hat, ob ein durch den Nutzer des Endgerätes (1) oder ein Netzwerkmanagement ausgelöstes Steuersignal zum Übergang auf eine Rückkanal -Datenübertragung via Breitband-Rückkanal oder zum Zuschalten einer Rückkanal-Datenübertragung via Breitband -Rückkanal vorliegt,
d) Mitteln zum Wechseln auf eine Übertragung via BreitbandRückkanal während der bestehenden Verbindung bei Vorliegen eines entsprechenden Steuersignals, oder Mitteln zum Zuschalten eines derartigen Kanals, wobei RückkanalDaten zunächst breitbandig vom Server (4) zu einem Breitband -Zugangsswitch (5) übertragen und dann vom Breitband -Zugangsswitch (5) auf den Breitband-Rückkanal gegeben werden,
e) Mitteln zum Zurückwechseln auf eine schmalbandige Übertragung der Rückkanal-Daten, sofern ein entsprechendes weiteres Steuersignal des Nutzers oder des Netzwerkmanagements vorliegt."
2
Die Schutzansprüche 2 bis 22 betreffen Ausgestaltungen der Telekommunikationsanordnung nach Schutzanspruch 1, einen Switch zur Übertragung von Rückkanaldaten in einer Verbindung zwischen einem Endgerät und einem Server eines Vermittlungsnetzes (Schutzanspruch 23 mit Ausgestaltungen in den Ansprüchen 24 bis 34) sowie eine Steuereinheit zur Verwendung in einer Telekommunikationsanordnung gemäß Anspruch 1 (Schutzanspruch 35 mit Ausgestaltungen in den Ansprüchen 36 bis 38).
3
Auf Antrag der Rechtsbeschwerdegegnerinnen zu 1 und 2 hat das Deutsche Patent- und Markenamt mit Beschluss vom 27. September 2005 die teilweise Löschung des Gebrauchsmusters angeordnet. Hiergegen haben die Rechtsbeschwerdegegnerinnen Beschwerde eingelegt. Das Bundespatentgericht hat durch den angefochtenen Beschluss das Gebrauchsmuster, das die Rechtsbeschwerdeführerin in der Fassung von 4 Hilfsanträgen verteidigt hat, in vollem Umfang gelöscht. Das Bundespatentgericht hat auf Anregung der Rechtsbeschwerdeführerin und der Rechtsbeschwerdegegnerinnen die Rechtsbeschwerde zugelassen. Es hat dazu in den Gründen ausgeführt, dies geschehe im Hinblick auf die Rechtsfrage, ob die im Verfahren geltend gemachten Schutzansprüche gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen zu 1 bis 3 als Verfahrensansprüche oder als Vorrichtungsansprüche einzuordnen seien und somit dem Schutzausschluss des § 2 Nr. 3 GebrMG unterfielen.
4
II. Die Rechtsbeschwerde ist durch diese Entscheidung des Bundespatentgerichts nur zugelassen, soweit über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 entschieden worden ist. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschränkt die Nachprüfung zwar grundsätzlich nicht auf eine bestimmte Rechtsfrage , die das Beschwerdegericht für klärungsbedürftig gehalten hat; eine vom Beschwerdegericht ausgesprochene Beschränkung auf eine solche Frage ist ohne Wirkung (st. Rspr. d. Sen.; zuletzt Beschl. v. 29.04.2003 - X ZB 4/01, GRUR 2003, 781 f. - Basisstation). Zulässig ist jedoch die Beschränkung des Rechtsmittels auf einen bestimmten abgrenzbaren Teil des Verfahrensgegenstandes , die sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (BGH, Beschl. v. 28.04.1994 - I ZB 5/92, GRUR 1994, 730 - Value; Beschl. v. 14.05.2008 - XII ZB 78/07; BGHZ 153, 358, 360 f.; BGH, Urt. v. 17.06.2004 - VII ZR 226/04, NJW 2004, 3264, 3265). Das Bundespatentgericht hat in den Gründen seiner Entscheidung eine solche Beschränkung vorgenommen. Nur für die Entscheidung über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 kam es auf die von ihm für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage an. Die Entscheidung über den Hilfsantrag 4 ist von dieser Rechtsfrage nicht betroffen. Das Bundespatentgericht hat insoweit die Löschung darauf gestützt, dass der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nach Hilfsantrag 4 nicht auf einem erfinderischen Schritt beruhe. Die von ihm vorgenommene Beschränkung der Zulas- sung der Rechtsbeschwerde bezieht sich daher auf einen abtrennbaren Teil, der die Entscheidung ansonsten nicht betrifft.
5
Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde im Übrigen ergibt sich aus § 18 Abs. 4 GebrMG i.V.m. § 108 Abs. 1 PatG.
6
III. Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
7
Das Bundespatentgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 ausgeführt:
8
Der auf eine Telekommunikationsanordnung gerichtete Schutzanspruch 1 habe im Wesentlichen einen prozessualen Ablauf zur Übertragung von Rückkanaldaten in einer Ebene-7-Verbindung gemäß dem OSI-Referenzmodell (L7-Verbindung) zwischen einem Endgerät und einem Server eines Paketvermittlungsnetzes zum Gegenstand und betreffe deshalb ein Arbeitsverfahren, das gemäß § 2 Nr. 3 GebrMG vom Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen sei. Anspruch 1 habe in Bezug auf die wahlweise Übertragung der Rückkanaldaten zumindest auf einer Teilstrecke des Rückkanals schmalbandig über das Paketvermittlungsnetz und POTS/ISDN-Leitungen und/oder breitbandig über einen Breitband-Rückkanal eine zeitliche Abfolge von Schritten zum Gegenstand , nämlich zunächst den Aufbau einer Verbindung zwischen dem Endgerät und dem Server über das Paketvermittlungsnetz, nachfolgend ein schmalbandiges Übertragen von Rückkanaldaten vom Server zum Endgerät, wobei die Daten vom Server zu einem Breitband-Zugangsswitch, vom BreitbandZugangsswitch über das Paketvermittlungsnetz zu einem Einwählknoten und vom Einwählknoten an das Endgerät übertragen würden. Anschließend erfolge ein wiederholtes Prüfen beim Breitband-Zugangsswitch, ob ein durch den Nutzer des Endgeräts oder ein Netzwerkmanagement ausgelöstes Steuersignal zum Übergang auf eine Rückkanal-Datenübertragung via Breitband-Rückkanal oder zum Zuschalten einer Rückkanal-Datenübertragung via BreitbandRückkanal bis zum Endgerät vorliege. Falls der Prüfvorgang ergebe, dass ein entsprechendes Steuersignal vorliege, folge ein Wechseln auf eine Übertragung via Breitband-Rückkanal während der bestehenden Übertragung, oder es werde ein derartiger Kanal zugeschaltet, wobei in der Folge wiederum Rückkanaldaten zunächst breitbandig vom Server zum Breitband-Zugangsswitch und dann vom Breitband-Zugangsswitch auf den Breitband-Rückkanal bis zum Endgerät übertragen würden. Schließlich erfolge ein Zurückwechseln auf eine schmalbandige Übertragung der Rückkanaldaten, sofern beim Prüfen ein entsprechendes weiteres Steuersignal des Nutzers oder des Netzwerkmanagements vorliege. Eine solche zeitliche Abfolge von Arbeitsschritten stelle ein Arbeitsverfahren dar.
9
Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, das Bundespatentgericht habe sich nicht hinreichend am Inhalt der Schutzansprüche orientiert. Schutzanspruch 1 bezeichne eine Vorrichtung mit Mitteln zur Durchführung verschiedener Aufgaben und Befehle im Rahmen der Übertragung von Rückkanaldaten. Allerdings seien die Mittel nicht räumlich körperlich, sondern hinsichtlich ihrer Funktion umschrieben. Im Bereich der Telekommunikation und Datenübertragung würden Funktionen in aller Regel durch eine Kombination von Computer-Hardware und Software bereitgestellt. Die Umschreibung einer Funktion durch Mittel sei eine geeignete Formulierung, da eine weitergehende Beschreibung der gegenständlichen Ausgestaltung in der Regel nicht möglich sei. Die Mittel seien stets ein Mikroprozessor, der Befehle einer bestimmten Software ausführe und dadurch eine Funktion bereitstelle. Anders als bei mechanischen Erfindungen existiere keine äußere Struktur oder gegenständliche Ausgestaltung, die eine Funktion bereitstellen würde. Die einzelnen Funktionen seien einer gegenständlichen Beschreibung nicht zugänglich. Anspruch 1 erhalte seine strukturelle Substanz durch die Angabe eines "Endgeräts", eines "Servers" , eines "Paketvermittlungsnetzes", eines "Rückkanals", eines "Paketvermittlungsnetzes" , eines "Breitband-Rückkanals", eines "Breitband-Zugangsswitches" und eines "Einwählknotens". Wie diese Komponenten funktionell zusammen zu wirken hätten, werde durch die funktionellen Merkmale des Anspruchs angegeben, ohne dass dazu Hinweise auf eine gegenständliche Ausgestaltung notwendig oder sinnvoll seien.
10
IV. Über die Reichweite des Anwendungsbereichs von § 2 Nr. 3 GebrMG hat der Senat bereits entschieden (Beschl. v. 17.02.2004 - X ZB 9/03, GRUR 2004, 495 ff. - Signalfolge; Beschl. v. 05.10.2005 - X ZB 7/03, GRUR 2006, 135 ff. - Arzneimittelgebrauchsmuster). Bei Einführung dieser Regelung durch das Produktpirateriegesetz hat der Gesetzgeber die Absicht verfolgt, auf das bis dahin geltende Raumformerfordernis zu verzichten und erreichen wollen, dass alle technischen Erfindungen, also zum Beispiel auch gestaltlose Stoffe als Gebrauchsmuster geschützt werden können, wobei nur Verfahrenserfindungen ausgeschlossen bleiben sollten, da sie sich mangels konkreter Darstellbarkeit für ein ungeprüftes Schutzrecht nicht eigneten (BT-Drucks. 11/5744, S. 31 ff.; BlPMZ 1990, 195, 199). In der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wird als Grund dafür angeführt, dass bei Verfahrenserfindungen wegen des Fehlens von Zeichnungen oder von Darstellungen chemischer Formeln es an einer Überprüfbarkeit auf Schutzfähigkeit und Schutzumfang mangele (Bericht S. 23; BlPMZ 1990, 195, 197). Die Vorschrift ordnet demgemäß an, dass Verfahren als Gebrauchsmuster nicht geschützt werden, wobei der Verfahrensbeg- riff der herkömmlichen Verfahrensdefinition bei den technischen Schutzrechten des gewerblichen Rechtsschutzes entspricht, und insbesondere Arbeitsverfahren und Herstellungsverfahren einschließt (Sen.Beschl. v. 17.02.2004 aaO S. 497).
11
Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nicht um ein Arbeitsverfahren. Schutzanspruch 1 betrifft eine Anordnung, nämlich eine Telekommunikationsanordnung. Er beschreibt die bei dieser Anordnung zur Anwendung kommenden Arbeitsmittel nach Funktion und Arbeitsweise, die zugleich auch die Vorrichtung kennzeichnen. Ein solcher Vorrichtungsanspruch ist nach herkömmlicher Definition ein Erzeugnisund kein Verfahrensanspruch (Benkard/Mellulis/Bacher Patentgesetz, 10. Aufl. § 1 Rdn. 23). Er unterfällt daher nicht dem Schutzrechtsausschluss des § 2 Nr. 3 GbrMG.
12
Das Bundespatentgericht wird seine Entscheidung über den Hauptantrag und die Hilfsanträge zu 1 bis 3 daher nicht auf § 2 Nr. 3 GebrMG stützen können.
13
Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.
Melullis Scharen Mühlens
Asendorf Gröning
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 20.03.2007 - 5 W(pat) 454/05 -

(1) Als Gebrauchsmuster werden Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind.

(2) Als Gegenstand eines Gebrauchsmusters im Sinne des Absatzes 1 werden insbesondere nicht angesehen:

1.
Entdeckungen sowie wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden;
2.
ästhetische Formschöpfungen;
3.
Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen;
4.
die Wiedergabe von Informationen;
5.
biotechnologische Erfindungen (§ 1 Abs. 2 des Patentgesetzes).

(3) Absatz 2 steht dem Schutz als Gebrauchsmuster nur insoweit entgegen, als für die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten als solche Schutz begehrt wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 213/01 Verkündet am:
7. März 2006
Wermes
Justizhauptsekretär
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Vorausbezahlte Telefongespräche
EPÜ Art. 56; PatG § 4
Ob sich der Gegenstand einer Erfindung für den Fachmann in naheliegender
Weise aus dem Stand der Technik ergibt, ist eine Rechtsfrage, die mittels wertender
Würdigung der tatsächlichen Umstände zu beurteilen ist, die
- unmittelbar oder mittelbar - geeignet sind, etwas über die Voraussetzungen für
das Auffinden der erfindungsgemäßen Lösung auszusagen.
BGH, Urt. v. 7. März 2006 - X ZR 213/01 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. März 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis, den Richter
Keukenschrijver, die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck
und Asendorf

für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 1. August 2001 verkündete Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Der Beklagte ist eingetragener Inhaber des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 572 991 (Streitpatents ). Das Streitpatent wurde am 2. Juni 1993 unter Inanspruchnahme der Priorität einer israelischen Patentanmeldung vom 2. Juni 1992 angemeldet. Es betrifft "a method of processing prepaid telephone calls" und umfasst sechs Patentansprüche. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache Englisch: "A method of processing telephone calls, particularly for use in connection with public telephones, comprising the steps of (a) programming a respective Public Automatic Branch exchange (PABX) to become toll-free accessible for incoming calls through dialling any one out of a series of predetermined numbers stored in a data-bank of the PABX; (b) enabling a calling party to complete a connection with a called party; (c) cutting-off the said connection after a prefixed time/counter pulses interval; (d) erasing from the data-bank any number that had once been dialled; (e) marking the said series of numbers, each on a vendible carrier member in an invisible - however readily exposable - manner; and (f) offering the vendible carrier members for sale to the general public, so that purchasers of the carrier members, after exposing the respective number, are enabled to place a call for the duration of the said interval."
2
Wegen der weiteren Patentansprüche wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
3
Mit ihrer Nichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, die Lehre des Streitpatents sei nicht patentfähig, denn sie betreffe geschäftliche Tätigkeiten, sei nicht neu und beruhe jedenfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
4
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Patentansprüche 1 bis 3, 5 und 6 für nichtig erklärt und die Nichtigkeitsklage im Übrigen abgewiesen.
5
Hiergegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der dieser die vollständige Klageabweisung erreichen will.
6
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
7
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr. Herbert K. schriftliches ein Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


8
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
9
1. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Verarbeiten von im Voraus bezahlten Telefonanrufen (prepaid telephone calls). Die Beschreibung bezeichnet es als neueste Entwicklung, die mit Münzen zu bedienenden öffentlichen Telefonapparate durch Apparate zu ersetzen, bei denen eine Magnetkarte zum Einsatz kommt. Diese Entwicklung habe sich aus der Erkenntnis der Nachteile der Münztelefone ergeben, die darin bestünden, dass der Benutzer im Besitz von passenden Münzen sein müsse sowie dass die Apparate regelmäßig gewartet werden müssten und Vandalismus und Diebstahl ausgesetzt seien.
10
Bei dem Einsatz von bekannten Magnetkarten, speziellen Telefonkarten oder Kreditkarten, sei, so die Beschreibung, zwar das Problem zum Teil, nämlich insofern gelöst, als eine Karte für eine größere Anzahl von Telefonanrufen eingesetzt werden könne. Nachteilig sei aber die beträchtliche Anfangsinvestition in die Ausstattung, Einrichtung und Instandhaltung für die mit Magnetkarten zu betreibenden Telefonapparate.
11
Die Streitpatentschrift beschreibt sodann das Verfahren nach der USPatentschrift 4 706 275 (D 2). Das dort vorgeschlagene Verfahren und System zur Verarbeitung im Voraus bezahlter Telefonanrufe stütze sich auf spezielle, zertifizierbare Codezahlen. Diese würden den Anrufern gegen Erwerb eines Guthabens zugeteilt. Die Guthaben würden im Computer spezieller zentraler Stationen gespeichert, so dass von jedem beliebigen privaten Telefon angerufen werden könne. An diesem Verfahren kritisiert die Streitpatentschrift als Nachteil, dass derjenige, der interessiert sei, dieses Verfahren zu nutzen, eine ganze Reihe vorbereitender Schritte durchlaufen müsse - meistens über Kreditkartenunternehmen -, um eine entsprechende Berechtigung zur Nutzung des Systems zu erhalten.
12
Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Aufgabe der Erfindung, die Nachteile der öffentlichen Münz- und Magnetkartentelefonanschlüsse zu vermeiden und zugleich jede vorherige Verbindung mit Telefonkarten- und/oder Kreditkartenunternehmen überflüssig zu machen.
13
Patentanspruch 1 des Streitpatents schlägt dazu als Lösung ein Verfahren mit folgenden Schritten vor:
a) Programmieren einer öffentlichen automatischen Nebenstellen (oder TK-) Anlage (Public Automatic Branch exchange - PABX) zum gebührenfreien Zugang für eingehende Anrufe durch Wählen einer Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern , die in einer Datenbank des PABX gespeichert sind;
b) Ermöglichen, eine Verbindung mit einem Angerufenen herzustellen ;
c) Abbrechen der Verbindung nach einer festgesetzten Zeit/Zählimpulszeitraum;
d) Löschen jeder Nummer, die einmal gewählt worden ist, aus der Datenbank;
e) Notieren jeder Nummer aus der Serie auf einem verkäuflichen Trägerelement in unsichtbarer, jedoch leicht freilegbarer Weise; und
f) Anbieten der verkäuflichen Trägerelemente zum Verkauf an das Publikum.
14
Schritt a setzt danach eine Stelle ("Public Automatic Branch exchange - PABX") voraus, bei der die Anrufe eingehen. Deren Computersystem wird so programmiert, dass es für die eingehenden Anrufe Daten überprüfen kann. Der Nutzer wählt eine Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in der Datenbank des PABX gespeichert sind. Die Beschreibung (Sp. 2 Z. 43) gibt an, dass es sich um eine geheime Zugangsnummer ("secret code number (SCN)") handelt, die nach dem Zufallsprinzip ausgewählt wird (Sp. 2 Z. 46) und von einem zuverlässigen Druckunternehmen in rechnergesteuerter Weise auf die vom Telefonkunden zu erwerbende Karte aufgedruckt und mit einer undurchsichtigen Schicht überzogen wird, die leicht beseitigt werden kann, z.B. durch Abkratzen mit einer Münze wie bei Lotterielosen (Sp. 2 Z. 52-56). Diese eingegebene Nummer wird in der Datenbank des PABX gesucht, identifiziert und das Gebührenguthaben analysiert. Ist ein solches vorhanden, gibt das PABX für eine dem im Voraus gezahlten Betrag entsprechende begrenzte Zeitdauer oder Anzahl von Zählimpulsen den Weg für das Wählen der Teilnehmernummer frei (Sp. 3 Z. 3-10).
15
Schritt b ermöglicht es sodann dem Anrufer, eine Verbindung mit dem von ihm gewünschten Anschluss herzustellen. Patentanspruch 1 und auch die Beschreibung geben nicht an, wie dies im Einzelnen geschieht. Ist die festgesetzte Zeit oder der Zählimpulszeitraum verstrichen, so wird gemäß Schritt c die Verbindung abgebrochen. Die deutsche Übersetzung des Patentanspruchs spricht von "Unterbrechen", die englische Fassung verwendet jedoch den Begriff "cutting-off" und bringt damit zum Ausdruck, dass die Verbindung abgeschnitten , also beendet wird (Sp. 3 Z. 9, 10).
16
Schritt e gibt an, wie die SCN dem Erwerber der Karte bekannt gegeben wird. Die SCN soll auf dem Trägerelement verdeckt angebracht sein, der Erwerber soll sie jedoch leicht freilegen können. Dies erschwert es, dass die SCN einem anderen als dem Erwerber bekannt wird, falls dieser sie nicht aus der Hand gibt oder verliert. Gemäß Schritt f sollen die Trägerelemente dem Publikum angeboten werden.
17
2. Bei diesem im Patentanspruch 1 beschriebenen Verfahren handelt es sich nicht um ein solches für gedankliche Tätigkeiten, für das gemäß Art. 52 Abs. 2 Buchst. c EPÜ Patentschutz nicht in Betracht kommt. Es enthält nämlich nicht nur den Vorschlag, für die Abwicklung eines Geschäfts einen Computer als Mittel zur Verarbeitung verfahrensrelevanter Daten einzusetzen. Das Streitpatent betrifft vielmehr das technische Problem, im Voraus bezahlte Telefonanrufe zu ermöglichen, ohne dass dazu öffentliche Fernsprechapparate notwendig wären, die mit Kartenlesern ausgestattet sein müssen. Damit enthält das Streitpatent jedenfalls auch Anweisungen, denen ein konkretes technisches Problem zugrunde liegt, das mit technischen Mitteln gelöst werden soll (vgl. Sen. BGHZ 159, 197 - Elektronischer Zahlungsverkehr).
18
3. Der Gegenstand des Streitpatents ist neu; er wird durch die hier allein in Betracht kommende US-Patentschrift 4 706 275 (D 2) nicht vorweggenommen.
19
Diese befasst sich mit Telefonsystemen, bei denen der Telefonkunde eine Vorauszahlung leistet und von einem beliebigen Telefon ein Telefongespräch führen kann, solange er den im Voraus gezahlten Betrag nicht verbraucht hat. Nach Patentanspruch 1 soll die dazu vorgeschlagene Methode folgende Schritte umfassen:
a) Erhalt eines Spezialcodes durch die Hinterlegung einer Vorauszahlungssumme ;
b) Speicherung der Vorauszahlungssumme im Speicher einer speziellen Vermittlung, zur Verwendung bei der Verifizierung der Anrufergespräche;
c) Anwahl der genannten speziellen Vermittlung, wenn eine Telefonverbindung gewünscht ist;
d) Eingabe des Spezialcodes zur Verifizierung;
e) Eingabe der Nummer des Angerufenen;
f) Verifizierung des Spezialcodes und Vergleich der Vorauszahlungssumme abzüglich der Gebühren für vorangegangene Telefonate im Speicher und der Mindestkosten der eingegebenen Anrufe;
g) Verbindung des Angerufenen mit dem Anrufenden als Antwort auf die Verifizierung;
h) Überwachung der Vorauszahlungssumme abzüglich der laufenden Kosten für den Anruf; und
i) Abbruch des Anrufs, wenn die vorausgezahlte Summe verbraucht wurde.
20
Damit umfasst Patentanspruch 1 der US-Patentschrift 4 706 275 in den Schritten b bis f, was Patentanspruch 1 des Streitpatents in Schritt a zusammenfasst. Allerdings gibt Schritt a des Patentanspruchs 1 des Streitpatents an, dass das Wählen einer beliebigen Nummer aus einer Serie von vorbestimmten Nummern, die in der Datenbank des PABX gespeichert sind, erforderlich ist, während in Schritt a des Patentanspruchs 1 der US-Patentschrift 4 706 275 vom Erhalt eines Spezialcodes durch die Hinterlegung einer Vorauszahlungssumme die Rede ist. Wie dieser Spezialcode zustande kommt, lässt die USPatentschrift ebenso offen wie die Frage, wie der Kunde den Spezialcode erhält. Die Beschreibung gibt dazu lediglich an, dass der Kunde nach einer Baroder Kreditkartenzahlung einen speziellen Code erhält. Der gutgeschriebene Betrag wird in einem Speicher zusammen mit dem Spezialcode abgelegt. Damit wird in der US-Patentschrift eine Lösung beschrieben, bei der der Kunde - auf welche Weise auch immer - ein Guthaben erwirbt und ihm dann der spezielle Code, der zusammen mit dem Guthaben in der Datenbank gespeichert wird, zugänglich gemacht wird. Soweit ein Erwerb der Karte an "Verkaufs"punkten erwähnt wird, wird nicht dargelegt, wie der Ablauf sich in diesem Falle gestaltet. Nach dem schriftlichen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen besteht eine Möglichkeit darin, dass die Vertriebsstelle sich per Telefon oder Computer in die Datenbank des Diensteanbieters einwählt und ihr dort eine geheime Codenummer vom Computersystem zugewiesen wird. Nach Eingabe des vom Kunden genannten Betrags für das Gesprächsguthaben und der Ver- triebsstellennummer zahlt der Kunde sodann entweder bar oder per Kreditkarte, und es wird schließlich etwa auf einem nur für den Kunden einsehbarem Drucker ein Beleg mit der geheimen Codenummer ausgedruckt.
21
Schritt b des Patentanspruchs 1 des Streitpatents entspricht Schritt g des Patentanspruchs 1 der US-Patentschrift. Nach Abgleichung des Identifikationscodes bzw. der SCN wird eine Verbindung zu dem angerufenen Anschluss hergestellt.
22
Schritt c in Patentanspruch 1 des Streitpatents und Schritt i in Patentanspruch 1 der US-Patentschrift sind ebenfalls identisch. Ist das Guthaben verbraucht , wird der Anruf abgebrochen.
23
Schritt d in Patentanspruch 1 des Streitpatents geht über den Inhalt des Patentanspruchs 1 der US-Patentschrift hinaus. Dort ist das Löschen der gewählten Nummern nicht vorgesehen.
24
Schritt e in Patentanspruch 1 des Streitpatents ist in der US-Patentschrift nicht enthalten; wie der Kunde den Spezialcode erfährt, wird dort nicht dargestellt.
25
Schritt f in Patentanspruch 1 des Streitpatents schließlich entspricht Schritt a in Patentanspruch 1 der US-Patentschrift insofern, als auch danach der Spezialcode und das Guthaben durch Zahlung des Guthabenbetrags erworben werden können.
26
4. Die Unterschiede zwischen dem Gegenstand des Streitpatents und der US-Patentschrift bestehen demnach darin, dass nach der Lehre der USPatentschrift der Kunde durch Einzahlung eines Geldbetrags ein Guthaben erwirbt , dem Guthaben in der Datenbank des Diensteanbieters der Spezialcode zugeordnet und dem Kunden sodann dieser Codemitgeteilt wird. Das setzt eine Mehrzahl von Schritten im Zusammenhang mit dem Erwerb des im Computer gespeicherten Guthabens und der Ausgabe des Codes voraus, die individuell bei dem Geschäft mit dem Kunden abgewickelt werden. Demgegenüber werden nach der Lehre des Streitpatents vorkonfektionierte Nummern aus einer Serie in der Datenbank des PABX gespeichert. Diese Nummern werden in unsichtbarer , jedoch leicht freilegbarer Weise auf einem Trägerelement dem Kunden angeboten. Erwirbt er ein Trägerelement, so kann der Kunde die Nummer freilegen und das der Nummer zugeordnete Guthaben zum Telefonieren nutzen ; weiterer Schritte bedarf es dazu nicht, insbesondere ist ein weiterer Kontakt der Vertriebsstelle zur Datenbank des Diensteanbieters nicht erforderlich. Es wird mithin dem Kunden durch den Anbieter ein Guthaben vorgegeben und dieses sogleich einer bestimmten Nummer zugeordnet, die der Kunde in verdeckter Form erhält und die es ihm ermöglicht, die gewünschte Telefonverbindung herzustellen.
27
Die Beweisaufnahme hat keine Kenntnisse oder Erfahrungen des Fachmanns ergeben, unter deren Berücksichtigung es für ihn aufgrund des Standes der Technik nahelag, diese Lösung aufzufinden.
28
Ob sich der Gegenstand einer Erfindung für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, ist keine Tat-, sondern eine Rechtsfrage. Der angesprochene Fachmann ist nicht mit einer tatsächlich existierenden Person gleichzusetzen. Eine dem Gebot der Rechtssicherheit genü- gende einheitliche Beurteilung einer Erfindung wäre auf der Grundlage individueller Kenntnisse und Fähigkeiten auch gar nicht möglich. Fachmännisches Denken, Erkennen und Vorstellen wird deshalb bemüht, um mit dem auf dem betreffenden Gebiet der Technik üblichen Fachwissen sowie den durchschnittlichen Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten der dort tätigen Fachleute und dem hierdurch geprägten Verständnis vom Inhalt einer technischen Lehre eine verlässliche Entscheidungsgrundlage zu gewinnen. Die maßgebliche Sicht selbst ist unmittelbarer Feststellung entzogen (BGHZ 160, 204, 213 - Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung). Dies gilt nicht nur für das sinnvolle Verständnis einer Lehre zum technischen Handeln, sondern gleichermaßen für die Beantwortung der Frage, ob der festgestellte Stand der Technik diese technische Lehre nahegelegt hat. Die Beurteilung, ob die erfindungsgemäße Lösung für den Fachmann nach seinem festgestellten Wissen und Können nahegelegen hat, ist demgemäß auch nicht Aufgabe des Sachverständigen, sondern obliegt als Akt wertender Erkenntnis dem Gericht (BGHZ 128, 270, 275 - elektrische Steckverbindung; Sen.Urt. v. 25.11.2003 - X ZR 162/00, GRUR 2004, 411, 413 - Diabehältnis). Das Gericht hat dabei sämtliche tatsächlichen Umstände zu würdigen, die - unmittelbar oder mittelbar - geeignet sind, etwas über die Voraussetzungen für das Auffinden der erfindungsgemäßen Lösung auszusagen.
29
Mit dem gerichtlichen Sachverständigen geht der Senat davon aus, dass Personen, die sich zum Prioritätszeitpunkt mit der Entwicklung von Neuerungen auf dem Gebiet der vorbezahlten Telefonate befassten, ausgebildete Nachrichtentechniker und/oder Informatiker mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet der Telekommunikation waren. Soweit der gerichtliche Sachverständige im Termin ausgeführt hat, es seien im Hinblick auf die wirtschaftliche Form der Vermarktung auch Kenntnisse im kaufmännischen Bereich erforderlich gewe- sen, mögen solche Kenntnisse in die Entwicklung eines Verfahrens, wie es Gegenstand des Streitpatents ist, eingeflossen sein, bei der Lösung des technischen Problems, im Voraus bezahlte Telefonanrufe zu ermöglichen, stand jedoch die Fachkenntnis des Nachrichtentechnikers oder Informatikers im Vordergrund.
30
Der Fachmann, der es sich zur Aufgabe gestellt hatte, eine möglichst einfache und preiswerte Lösung für die Verarbeitung von im Voraus bezahlten Telefonanrufen zu finden, kannte die Möglichkeit, dazu Chip- oder Magnetkarten einzusetzen. Diese werden in der Streitpatentschrift ausdrücklich erwähnt. Sie haben den Nachteil, dass aufwendige Lesegeräte erforderlich sind und dass der Kunde nur ein Telefon benutzen kann, das ein solches Lesegerät aufweist. Die Lösung der US-Patentschrift vermied zwar diese Nachteile, machte aber eine Verbindung zwischen der Verkaufsstelle und der Datenbank des Diensteanbieters und eine individuelle Abwicklung erforderlich; die Möglichkeit einer Vorkonfektionierung eröffnete sie nicht. Im Falle des Erwerbs eines Guthabens durch einen Kunden war es erforderlich, mittels elektrischer oder elektronischer Übermittlung Kontakt zu der Datenbank des Diensteanbieters aufzunehmen , wo das vom Kunden gewünschte Guthaben einem Spezialcode zugeordnet werden musste. Sodann musste diese Identifikationsnummer über die Verbindung mit der Verkaufsstelle dem Kunden zugänglich gemacht werden. Der Fachmann kannte damit zwei Arten der Speicherung der zur Durchführung vorbezahlter Telefonanrufe erforderlichen Daten, nämlich zum einen die Variante , bei der die Daten sämtlich auf einem auf der Karte befindlichen Chip oder Magnetstreifen gespeichert sind, und zum anderen die Variante, dass die Daten in einer Datenbank in der Weise gespeichert sind, dass ein bestimmtes Guthaben einer bestimmten Identifikationsnummer zugeordnet ist. Er kannte außerdem zwei Arten des Vertriebs von vorbezahlten Telefonanrufen, nämlich zum einen den "Verkauf" der Chip- oder Magnetkarte, auf der Guthaben mit standardisierten festen Beträgen gespeichert sind und die deshalb einen Vertrieb an variablen Verkaufsstellen ermöglichen, und zum anderen den Erwerb des Guthabens , die anschließende Zuordnung eines Spezialcodes zu diesem Guthaben und die Übermittlung des Spezialcodes an den Kunden als Legitimation zur Durchführung von vorbezahlten Telefonaten, der durch diesen Aufwand und die damit verbundenen Anforderungen an die Vertriebsstellen dem Vertrieb Grenzen setzte. Der gerichtliche Sachverständige hat es zwar für möglich gehalten, dass der Fachmann, der die verschiedenen Systeme mit ihren spezifischen Nachteilen kennt, in der Lage ist, diese zu kombinieren, er hat dies jedoch für den Zeitpunkt der Priorität des Streitpatents als "unsicher" bezeichnet. Der Senat hat keine Umstände feststellen können, die den Fachmann hierzu veranlassen konnten.
31
Wählte der Fachmann die Möglichkeit, die erforderlichen Daten auf einer zentralen Datenbank zu speichern, so fand er dazu in der US-Patentschrift eine Lösung. Wollte er den Nachteil vermeiden, dass der Vertrieb Datenleitungen von der Vertriebsstelle zur Datenbank erforderlich machte, konnte er hierauf nur verzichten, wenn er dem Kunden die Identifikationsnummer auf andere Weise bekannt gab. Der Senat sieht jedoch keine Anhaltspunkte dafür, dass dies dem Fachmann die insbesondere bei Chipkarten übliche Standardisierung auf bestimmte Beträge nahelegte, die es ihm dann ermöglichte, die Identifikationsnummer schon vor dem Erwerb des Guthabens durch den Kunden diesem Guthaben zuzuordnen. Dieser Schritt brachte nur dann eine Vereinfachung des Vertriebs mit sich, wenn der Fachmann zugleich eine Lösung für das Problem erkannte, wie die Identifikationsnummer dem Kunden bekannt gegeben werden konnte. Hierfür gab es bei der Chipkarte kein Vorbild, weil sich dieses Problem dort nicht stellt. Es genügte also nicht der Übergang von individuell bestimmten Guthaben auf von vornherein standardisierte Guthabenbeträge, vielmehr erforderte dieser Übergang weitere Schritte, nämlich die vorherige Zuordnung von Guthaben und Identifikationsnummer in der Datenbank und die Bekanntgabe dieser Nummer an den Kunden. Aus dem vorgeschilderten Stand der Technik konnte der Fachmann Anregungen für diese Schritte nicht entnehmen. Kann somit nicht festgestellt werden, dass der Gegenstand des Streitpatents sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergab, so liegt der Nichtigkeitsgrund des Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG, Art. 138 Abs. 1 Buchst. a EPÜ nicht vor. Die Nichtigkeitsklage ist daher abzuweisen. Dies gilt auch, soweit die übrigen Patentansprüche von der Nichtigkeitsklage betroffen sind. Diese beschreiben zweckmäßige Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1 und haben mit diesem Bestand.

32
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 91 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens
Meier-Beck Asendorf
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 01.08.2001 - 4 Ni 60/00 (EU) -

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 65/05 Verkündet am:
8. Dezember 2009
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: nein
einteilige Öse
PatG § 4; EPÜ Art. 56
Das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann nicht schon
dann als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden,
wenn lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von im Stand der Technik
Bekanntem zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen, sondern diese Wertung
setzt voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung
gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen.
BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Dezember 2009 durch den Vorsitzenden Richter Scharen und die
Richter Asendorf, Gröning, Dr. Berger und Dr. Grabinski

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 11. Januar 2005 verkündete Urteil des 1. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 12. August 2000 angemeldeten deutschen Patents 100 39 462 (Streitpatents). Die Streitpatentschrift ist nach Durchführung eines Beschränkungsverfahrens geändert worden. Die danach geltende Fassung des Streitpatents umfasst zwölf Ansprüche, deren erster (ohne Bezugszeichen) wie folgt lautet: "1. Öse zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in einer Trägerbahn, mit einem scheibenlosen Ösenteil, der aus einem auf der Schauseite der Trägerbahn aufliegenden Teller, aus einem das Loch durchsetzenden rohrförmigen Hals und aus einem bogenförmigen Übergang zwischen Teller und Hals besteht , wobei das freie Endstück des Halses mit Vorsprüngen versehen ist, und mit einer auf der Rückseite der Trägerbahn sich abstützenden Bördelung des Halses des Ösenteils, d a - d u r c h g e k e n n z e i c h n e t , dass die Halsvorsprünge in axialer und/oder radialer Richtung verlaufen, dass die vollzogene Umbördelung des Halses sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil erstreckt, weil das die Halsvorsprünge aufweisende Endstück spiralartig im Ringprofil-Inneren integriert ist, dass unter Zwischenschaltung des Lochrandbereichs der Trägerbahn die Halsvorsprünge im Spiralinneren des Ringprofils an vom Teller oder vom Übergang gebildete Widerlagerflächen angedrückt sind und flächige Andruckstellen an der erfassten Trägerbahn erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn bei Zugbelastungen stellt, und dass die Trägerbahn sich segmentartig dem Profil anpasst und im RingprofilInneren über die flächigen Andruckstellen hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft."
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Wegen der weiteren Ansprüche wird auf die Streitpatentschrift in der Fassung der C2-Schrift Bezug genommen.
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Mit ihrer Nichtigkeitsklage hat die Klägerin die Ansprüche 1 bis 9 angegriffen und geltend gemacht, der Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatents sei nicht neu, beruhe jedenfalls aber, wie auch die angegriffenen Unteransprüche , nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Klägerin hat sich dafür unter anderem auf die deutsche Gebrauchsmusterschrift 299 03 124 (D 1) und die amerikanischen Patentschriften 2 107 375 (D 2) und 4 479 287 (D 12) sowie auf offenkundige Vorbenutzung berufen. Wegen der weiteren erstinstanzlich in das Verfahren eingeführten Entgegenhaltungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
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Die Klägerin hat beantragt, das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1 bis 9 für nichtig zu erklären; die Beklagte hat es mit der Maßgabe verteidigt, dass im Anspruch 1 die Worte "und/oder radialer" entfallen und die Ansprüche 2 bis 9 sich auf diese geänderte Fassung beziehen, und im Übrigen Klageabweisung beantragt.
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Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit es über die noch verteidigte Fassung hinausgeht, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag in Bezug auf die verteidigte Fassung des Streitpatents weiterverfolgt.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und verteidigt das Streitpatent hilfsweise dahingehend, dass Patentanspruch 1 einleitend lautet (Ergänzung in Fettdruck): "1. Öse zum Verstärken des Randbereichs (21), um ein an sei- nem Umfang ausgeschnittenes oder eingestanztes Loch (22) in einer Trägerbahn …"
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Im Auftrag des Senats hat Prof. Dr.-Ing. P. G. , Institut für Produktionstechnik und Umformmaschinen der Technischen Universität D. , ein schriftliches Gutachten erstellt, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


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Die zulässige Berufung ist in der Sache nicht begründet.
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I. 1. Das Streitpatent betrifft, soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Interesse , eine einteilige Öse zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in einer Trägerbahn. Der Streitpatentschrift zufolge sind im Stand der Technik einund zweiteilige Ösen bekannt. Die in Figur 5 der amerikanischen Patentschrift 2 901 800 (D 5) gezeigte einteilige Öse bestehe aus einem Teller und einem kurzen Hals, an dessen Stirnseite sich in radialem Abstand zueinander sitzende , als Vorsprünge des Halses fungierende Zacken befänden. Bei Vernietung dieses Ösenteils unter Zuhilfenahme eines zusätzlichen hülsenförmigen Nietelements oder in einer Nietpresse würden nur die Zacken und nicht der Hals des Ösenteils gegen den Teller umgebogen, um das zu perforierende Tuchmaterial (Trägerbahn) zu befestigen. Die Festigkeit sei unbefriedigend, weil sie nur durch die vereinzelten Zacken gewährleistet werde, die eine Auszugsbewegung des Blatts am ösenverstärkten Loch nicht verhindern könnten, weil die Zackenspitzen in Richtung einer solchen Auszugsbewegung wiesen. Aus der europäischen Patentanmeldung 673 611 (D 3) sei eine einteilige Öse aus einem Ösenkragen mit Halbkreisprofil und einem Ösenhals mit gleichförmig umlaufendem V-Querschnitt an der Stirn des Ösenhalses bekannt. Beim Bördeln entstehe ein C-Profil, welches nur so weit geschlossen werde, bis die Trägerbahn im verbleibenden Spalt zwischen der Außenkante des Ösenkragens und dem Stirnende des Ösenhalses eingeklemmt sei. Infolge der vorgeschlagenen Geometrie im Inneren des Ösenkragens mit einer zusätzlichen, umlaufenden Ringrippe werde innerhalb des C-Profils nach der Bördelung ein Labyrinth für die Trägerbahn geschaffen. Nach der in der Streitpatentschrift geäußerten Ein- schätzung ist die Ausreißfestigkeit der Trägerbahn bei diesem Vorschlag gleichwohl unzureichend, weil ihre Oberseite lediglich von der Außenkante des Ösenkragens und die Unterseite der Trägerbahn nur vom Stirnende des Ösenhalses berührt würden. Das in der deutschen Gebrauchsmusterschrift 299 03 124 (D 1) gezeigte freie Endstück einer einteiligen Öse werde vom Bördelwerkzeug in einzelne laschenartige Halteelemente zerschnitten und dabei radial nach außen umgelegt. Diese Halteelemente bildeten, nach ihrer Anbringung an der Trägerbahn, im Querschnitt gesehen mit dem Ösenteller ein V-förmiges Faltprodukt, wobei die zwischen den V-Schenkeln eingeklemmte Trägerbahn darin aber nur unzureichend festgehalten werde.
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2. Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, eine preiswerte, schnell ansetzbare Öse zu entwickeln, die sich nach ihrer Anbringung an der Trägerbahn durch eine hohe Reißfestigkeit auszeichnet. Dafür wird mit Patentanspruch 1 in der noch verteidigten Fassung eine zum Verstärken des Randbereichs um ein Loch in einer Trägerbahn geeignete Öse vorgeschlagen, 1. aus einem scheibenlosen Ösenteil, bestehend aus 1.1 einem auf der Schauseite der Trägerbahn aufliegenden Teller, 1.2 einem das Loch durchsetzenden rohrförmigen Hals 1.2.1 dessen freies Endstück mit in axialer Richtung verlaufenden Vorsprüngen versehen ist, 1.3 und einem bogenförmigen Übergang zwischen Teller und Hals, 2. wobei sich der gebördelte Hals des Ösenteils in der Weise auf der Rückseite der Trägerbahn abstützt, dass 2.1 die vollzogene Umbördelung des Halses sich über mehr als ein geschlossenes Ringprofil erstreckt, weil das die Halsvorsprünge aufweisende Endstück spiralartig im RingprofilInneren integriert ist, 2.2 die Halsvorsprünge 2.2.1 unter Zwischenschaltung des Lochrandbereiches der Trägerbahn im Spiralinneren des Ringprofils an vom Teller oder vom Übergang gebildeten Widerlagerflächen angedrückt sind und 2.2.2 flächige Andruckstellen an der erfassten Trägerbahn erzeugen, gegen die sich die Trägerbahn bei Zugbelastung stellt, und 2.3 die Trägerbahn 2.3.1 sich segmentartig dem Profil anpasst und 2.3.2 im Ringprofil-Inneren über die flächigen Andruckstellen hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft.
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Die Figuren 1 bis 3 der Zeichnung des Streitpatents zeigen Ansichten einer Ausführungsform:
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Figur 1 zeigt die Außenseite (Schauseite) einer Trägerbahn mit dem darauf , nach Lochung der Bahn und Einführung eines Ösenteils, aufliegenden Teller (10, 11). Figur 2 zeigt eine Draufsicht auf das gebördelte Ösenteil von der Innenseite der Trägerbahn her. Der rohrförmige Hals erhält durch die Bördelung die Gestalt eines aus dieser Perspektive erkennbaren ringförmigen Rohres (50). Figur 3 stellt einen Schnitt durch die Trägerbahn und die Ösen nach vollzogener Bördelung entlang den Linien III - III in Figur 1 dar.
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3. a) Soweit das freie Endstück des Halses mit "in axialer Richtung" verlaufenden Vorsprüngen versehen ist (Merkmal 1.2.1), meint die Klägerin, dass dieses Merkmal - wie alle Merkmale des Streitpatents - auf die Öse im umgeformten Zustand zu lesen sei. Eine solche Festlegung ist Patentanspruch 1 indes auch unter Berücksichtigung des Umstands nicht zu entnehmen, dass nach seinem Wortlaut vor der beschränkten Verteidigung des Streitpatents im Nichtigkeitsverfahren wahlweise auch ein radialer Verlauf der Halsvorsprünge vorgeschlagen war. Die kumulative Verwendung der Konjunktionen "und" sowie "oder" in dieser Anspruchsfassung i. V. mit den sonstigen Merkmalen in ihrer Gesamtheit gab dem Fachmann vielmehr lediglich zu verstehen, dass die Ausrichtung der Halsvorsprünge für sich selbst genommen so oder so gewählt werden kann und nicht von entscheidender Bedeutung ist, solange nur die zentralen Anweisungen der Lehre beachtet werden und die Bördelung über mehr als ein geschlossenes Ringprofil vollzogen wird (Merkmal 2.1) und die Vorsprünge im Spiralinneren des Ringprofils an vom Teller oder vom Übergang gebildeten Widerlagerflächen angedrückt werden (Merkmal 2.2.1) und flächige Andruckstellen an der erfassten Trägerbahn erzeugen (Merkmal 2.2.2). Um die erstrebte Ausreißfestigkeit zu erreichen, instruiert das Streitpatent den Fachmann des Weiteren, die Trägerbahn so in die Spiralbildung einzubeziehen, dass bei einer Bördelung um mehr als 360 Grad die aus Figur 3 ersichtliche Sandwichstruktur (Hals - Trägerbahn - Hals) entsteht, bei der das Trägerbahnmaterial im Spiralinneren zudem, zur Lochkante hin, über die Spitzen der Vorsprünge ein Stück vorragt, indem die Trägerbahn im Ringprofil-Inneren über die flächigen Andruckstellen hinaus bis zu ihrer Lochkante weiterläuft (Merkmal 2.3.2) und sich dabei ringsegmentartig dem Ringprofil und den miteingerollten Vorsprüngen anpasst (Beschreibung Sp. 2 Ziff. 57 ff.).
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b) Die um mehr als einen Vollkreis und zudem nach Maßgabe von Merkmal 2.2.1 ausgeführte Bördelung bewirkt eine Kompression (Dickenreduktion ) des nachgiebigen, in die Spiralbildung einbezogenen Trägerbahnstoffs im gesamten Bereich der Andruckflächen, nicht nur an den Spitzen der Vorsprünge. Die Ausreißfestigkeit gegen die Zugbelastungen, denen die Trägerbahn im bestimmungsgemäßen Gebrauch typischerweise ausgesetzt ist (Pfeile 52 in Figur 1), wird durch die streitpatentgemäße Bördelung in mehrerlei Hinsicht unterstützt : Die Trägerbahn dehnt sich hinter den Vorsprüngen stufenförmig wieder aus (Figur 3 Bezugszeichen 53). Die gestuften Trägerbahnabschnitte stellen sich bei Zugbelastungen gegen die Andruckstellen (Merkmal 2.2.2), wodurch ein Ausreißen des Stoffes erschwert wird. Die Sperrwirkung dieser Stufenbildung wird durch das wellenförmige Profil, das das obere Ende der Hälse durch die Vorsprungsbildung erhält, im Vergleich zu einer glatt abgeschnittenen Ausbildung gesteigert, weil dadurch die Umfangslänge der Stirnseite und dementsprechend die gesamte Länge der umlaufenden Trägerbahnstufe vergrößert wird. Schließlich erzeugt die Bördelung um mehr als 360 Grad einen besonderen Widerstandseffekt gegen Zugbelastungen. Während sich eine kürzer ausgebildete Spirale unter der üblichen Zugbelastung aufdrehen und sich der Druck auf die eingefasste Trägerbahn infolgedessen verringern würde, bewirkt die streitpatentgemäße Weiterführung der Spirale über einen Vollkreis hinaus, dass diese sich nicht ohne weiteres aufdrehen kann, sondern im Bereich der Vorsprünge gegen die Widerlagerflächen gepresst wird und sich flächige Andruckstellen bilden, die unter der Einwirkung der Zugkräfte umso stärker gegen die Trägerbahn drücken, wodurch sich der dem Ausreißen des Trägerbahnstoffes entgegenwirkende Reibungswiderstand erhöht.
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II. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist, was die Klägerin in der mündlichen Verhandlung auch nicht mehr infrage gestellt hat, neu (§ 3 PatG). Der Erwähnung bedürfen insoweit allenfalls die US-Patentschriften 2 107 375 (D 2) und 4 479 287 (D 12); die übrigen Entgegenhaltungen liegen weiter ab vom Streitpatent. Die erstere Schrift offenbart jedenfalls keinen spiralförmig über mehr als einen Vollkreis gebördelten Ösenhals und der Fachmann liest einen solchen - worauf zurückzukommen sein wird - auch nicht gegebenenfalls bei gedachtem dünneren Material, in das die Öse hineingearbeitet wird, mit. Bei der letzteren Veröffentlichung fehlt es jedenfalls an der Offenbarung der Merkmalsgruppe 2.2. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Neuheit gegenüber dieser Schrift auch deshalb bejaht werden müsste, weil sie zudem kein ausgestanztes bzw. ausgeschnittenes Loch offenbart. Vielmehr wird die Trägerbahn an den Stellen, an denen Ösen platziert werden sollen, geschlitzt, wobei durchschnittlich bis zu zehn Schnitte gesetzt werden sollen (Übers. S. 7 mittlerer Abs.), so dass tortenstückähnliche Zungen entstehen, die mit dem Einführen des Ösenhalses durch die so entstandene Öffnung zum Teller hin umgebogen werden.
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III. Nach dem gesamten Inhalt der Verhandlungen (§ 286 ZPO) vermag der Senat nicht die Wertung zu treffen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann, der über eine abgeschlossene Techniker- oder Fachhochschulausbildung im Maschinenbau und mehrjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet der Herstellung von Ösen und dazu gehörigen Werkzeugen verfügt, durch den Stand der Technik nahegelegt war.
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1. Die US-Patentschrift 2 107 375 (D 2) zeigt zwar eine wellenförmige Struktur des Ösenhalsendes, das eine gewisse äußerliche Ähnlichkeit mit der mit Vorsprüngen versehenen Stirnseite einer streitpatentgemäßen Gestaltung aufweist. Die - auf Schuhleder oder Textilien als Werkstoff (Trägerbahn) bezogene - Schrift lehrt die Festklammerung einer Trägerbahn im Wege des Rollnietens in der Weise, dass sich der gestauchte und genietete Hals mit seinem oberen Rand mehr oder weniger senkrecht in den Werkstoff eingräbt, und zwar mit den Spitzen der Vorsprünge naturgemäß tiefer als mit den "Wellentälern". Die Schrift gibt aus fachmännischer Sicht aber keinen Anlass zur Ausführung einer Bördelung in der vom Streitpatent vorgeschlagenen Weise, bei der sich die Vorsprünge gegen Widerlagerflächen abstützen, um der Gefahr des Ausreißens der Trägerbahn besonders wirkungsvoll zu begegnen (vgl. oben I 3 b). Figur 3 der Zeichnung zeigt eine Öse, die durch Rollnieten um mehr oder weniger 180 Grad umgebogen ist, so dass das Halsende sich annähernd senkrecht in den Werkstoff gräbt. Dies ist das Maß an Umformung, das die Entgegenhaltung als das übliche ansieht (Seite 2 re. Spalte Zeile 32 ff. = Übersetzung Seite 8 untere Hälfte). Zu einer spiralförmigen Ausführung einer Bördelung um mehr als einen Vollkreis in der Weise, dass die Halsvorsprünge an Widerlagerflächen angedrückt werden, gibt die Entgegenhaltung dem Fachmann auch dann keinen Anlass , wenn es darum geht, bei standardisiert vorgegebenen Halslängen mit der Einsetzkraft zur Anbringung von Ösen in dünnere Werkstoffe als den in der Zeichnung gezeigten zu experimentieren. Zwar wird in der Beschreibung angemerkt , dass eine etwas weiter vorangetriebene Bördelung in Richtung auf einen Kreis hin möglich ist (Seite 2 re. Spalte Zeile 46 ff. = Übersetzung Seite 8 untere Hälfte). Wie die Erörterung mit dem Sachverständigen aber zur Überzeugung des Senats ergeben hat, erhält der Fachmann durch diesen Hinweis keinen Anstoß zur Ausführung einer so weitgehenden Bördelung, wie sie nach Merkmalsgruppe 2 des Streitpatents erforderlich ist. Das hängt damit zusammen , dass das wellenförmige Stirnprofil der Halsenden von nach dieser Entgegenhaltung produzierten Ringösen durch Einsatz eines in der Schrift gezeigten (Figuren 5 und 6) und beschriebenen Einkerbwerkzeugs im Wege der Kaltverformung erzeugt wird und die Halsenden dadurch eine spezifische Festigkeit erhalten, die der weiteren Verformung entgegensteht. Eine streitpatentgemäße Spiralbildung würde aber eine radiale Verkleinerung der Halsenden mit sich bringen, der sich das Material, wie der Fachmann aufgrund seiner Materialkundigkeit sofort erkennt, aufgrund der bereits eingetretenen Verfestigung widersetzt. Er wird deshalb bei der in der Entgegenhaltung erörterten zusätzlichen Bördelung allenfalls geringfügig weiter gehen, als in deren Figur 3 illustriert, um nicht die Gefahr der - in der Schrift auch angesprochenen - Materialspaltung heraufzubeschwören. Eine weitere gefahrlose Umformung wäre technisch nur unter Hitzeeinfluss möglich und scheidet aus fachmännischer Sicht wegen des damit verbundenen Kostenaufwands aus. Dementsprechend ist die Einschätzung der Klägerin, die der US-Patentschrift 2 107 375 zu entnehmenden Vorschläge hinderten den Fachmann nicht daran, die streitpatentgemäße Lösung auszuführen, schon vom Offenbarungsgehalt der Schrift her nicht gerechtfertigt. Zudem kann das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln nicht schon dann als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden , wenn lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von im Stand der Technik Bekanntem zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen, sondern diese Wertung setzt voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen.
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2. Eine Anregung für die Auffindung der Lehre von Patentanspruch 1 ist auch der US-Patentschrift 4 479 287 (D 12) nicht zu entnehmen. Sie erstrebt eine höhere Ausreißfestigkeit durch Verstärkung des Randbereichs in der Weise , dass die für die Ösen bestimmten Öffnungen in der Trägerbahn nicht durch Herausstanzen oder -schneiden erzeugt, sondern dass durch Schlitzen des Materials umzuklappende Zungen hergestellt werden, wodurch im Umschlagbereich Wülste bzw. Rollen aus Trägerbahnmaterial entstehen, die für einen erhöhten Widerstand gegen Ausreißen der Bahn sorgen sollen. Die bei Bördelung nach diesem Vorschlag entstehende Spirale des Ösenhalses zeichnet sich, anders als die streitpatentgemäße Lösung, nicht dadurch aus, dass der gebördelte Hals sich gegen Ösenteller oder -hals abstützt und einem Ausreißen der Trägerbahn gerade auch dadurch besonders entgegengewirkt wird, sondern eine in der in dieser Entgegenhaltung gezeigten Weise gebördelte Spirale dreht sich bei entsprechenden Belastungen, wie die Erörterung mit dem Sachverständigen ergeben hat, auf und kann der Ausreißgefahr somit nicht auf die für das Streitpatent typische Weise entgegenwirken. Die Klägerin hat sich in der mündlichen Verhandlung auf diese Entgegenhaltung auch nicht mehr gestützt.
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3. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann auch nicht durch die von der Klägerin vorgetragene offenkundige Vorbenutzung nahegelegt. Nach ihrem Vorbringen soll der als Zeuge benannte Geschäftsführer der H. GmbH & Co. KG, B. im , Jahre 1999 festgestellt haben, dass das italienische Unternehmen L. Containerplanen anbot, bei denen Ösen ohne Kragenscheibe in die Plane eingesetzt worden waren. Dem Zeugen sei seinerzeit aufgefallen, dass das gebördelte Halsende auf der Rückseite der Planen anders ausgesehen habe als bei mit Kragenscheiben versehenen Ösen, wo das Halsende gleichsam auf Stoß an die Kragenscheibe heranreicht (Anl. BK 13 zum Schriftsatz v. 26.10.2009, obere Bil- der). Im Unterschied zu der Bördelung zweiteiliger Ösen sei bei den einteiligen die freie Stirnkante des Halsendes von außen nicht sichtbar, sondern zwischen der Außenseite des gebördelten Ösenhalses und der Trägerbahn ein ansonsten nicht vorhandener Zwickel ausgebildet gewesen.
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Mit diesem Vorbringen ist eine offenkundige, die erfinderische Tätigkeit im Streitfall infrage stellende Vorbenutzung - Neuheitsschädlichkeit kommt schon mangels Behauptung einer dem Merkmal 1.2.1 entsprechenden Ausgestaltung des Halsendes nicht in Betracht - nicht dargetan. In das Wissen des Zeugen ist nicht mehr gestellt, als die Sicht auf eine Trägerbahn mit gebördelter (einteiliger) Öse, bei der nicht ein am Ösenteller anstoßendes Halsende sichtbar ist, sondern ein umlaufender Zwickel. Diesen mag der Fachmann noch mit einer weitergehenden Krümmung des Halses in Zusammenhang bringen. Das ist aber bereits weder für sich allein noch in der Zusammenschau mit der USPatentschrift 2 107 375 geeignet, den Fachmann zu der weitgehenden Bördelung nach Maßgabe der Merkmalsgruppe 2 anzuregen. Die vom Streitpatent vollzogenen Schritte, die Bördelung über mehr als ein geschlossenes Ringprofil spiralförmig so auszuführen, dass der obere Halsbereich an vom Teller oder Übergang gebildeten Widerlagerflächen angedrückt wird und die Halsenden zudem mit Vorsprüngen zu versehen, werden einem durchschnittlichen Fachvertreter auch sonst nicht durch die bloße Sicht auf besagten Zwickel nahegelegt.
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4. Die Unteransprüche 2 bis 8 haben im unmittelbaren oder mittelbaren Rückbezug auf Patentanspruch 1 in der vor dem Patentgericht verteidigten Fassung Bestand.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V. mit § 97 Abs. 1 ZPO.
Scharen Richteram Bundesgerichts- Gröning hof Asendorf ist in Ruhestand getreten und kann deshalb nicht unterschreiben. Scharen
Berger RichteramBundesgerichtshof Dr. Grabinski kann urlaubsbedingt nicht unterschreiben. Scharen
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 11.01.2005 - 1 Ni 6/04 -