Bundesgerichtshof Urteil, 22. Nov. 2018 - X ZR 33/17

bei uns veröffentlicht am22.11.2018
vorgehend
Bundespatentgericht, 7 Ni 18/15, 19.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 33/17 Verkündet am:
22. November 2018
Zöller
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
ECLI:DE:BGH:2018:221118UXZR33.17.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2018 durch die Richter Dr. Bacher, Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß sowie die Richterin Dr. Marx
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das Urteil des 7. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 19. Januar 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 534 898 (Streitpatents), das Erdbaugitter und Verfahren zu deren Herstellung betrifft. Die Anmeldung erfolgte am 27. Juni 2003 unter Inanspruchnahme der Priorität einer britischen Patentanmeldung vom 27. Juni 2002.
2
Die nebengeordneten Ansprüche 1 und 6 lauten in der Verfahrenssprache wie folgt: "1. A mesh structure (7) made by stretching and orienting a plastics starting material (1) which was provided with an array of holes (2), the mesh structure comprising transverse members (6') interconnected by substantially straight oriented strands (6), at least some of the strands extending from one transverse member (6') to the next at a substantial angle to the direction (MD) at right angles to the transverse members (6') and alternate such angled strands (6) across the width of the mesh structure being angled to said direction (MD) by equal and opposite angles, characterised in that the mesh structure is a geogrid (7), in that the geogrid (7) has been uniaxially oriented and the transverse members are bars (6') and in that the orientation of each angled strand (6) extends generally in the direction of stretching (MD) across the respective bar (6') to the respective angled strand (6) on the other side of the bar (6'). 6. A mesh structure (10) made by stretching and biaxially orienting a plastics starting material (1, 21) which was provided with an array of holes (2, 22), the mesh structure (10) comprising a first set of substantially straight oriented strands (6, 26) extending at an acute angle to a first direction (MD), a second set of substantially straight oriented strands (6, 26) extending at an acute angle to the first direction (MD) and, as considered in a second direction (TD) at right angles to the first direction (MD), alternate angled strands (6, 26) of the two sets being angled to the first direction (MD) by substantially equal and opposite angles, further substantially straight oriented strands (9, 30) extending in said second direction (TD), and junctions (11, 31), each interconnecting four of the angled oriented strands (6, 26) and two of the further oriented strands (9, 30), characterised in that the mesh structure is a geogrid (7), and in that at substantially each junction (11, 31) the crotch between each pair of adjacent strands is oriented in the direction running around the crotch, whereby there is con- tinuous orientation from the edge of one strand, around the crotch and to the edge of the adjacent strand." Ansprüche 15 und 17 betreffen Verfahren zur Herstellung solcher Erdbaugit3 ter, Anspruch 40 betrifft ein Verfahren zur Verstärkung eines partikulären Materials und Anspruch 41 eine Erdbau-Konstruktion, bei der ein partikuläres Material durch Einbettung eines Erdbaugitters nach einem der Ansprüche 1 bis 14 oder hergestellt nach einem der Verfahren gemäß Ansprüchen 15 bis 39 verstärkt wird.
4
Die Klägerin hat das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1 bis 26 sowie 40 und 41 wegen fehlender Ausführbarkeit, unzulässiger Erweiterung und mangelnder Patentfähigkeit angegriffen. Die Beklagte hat das Streitpatent wie erteilt, hilfsweise in zwei geänderten Fassungen verteidigt. Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent hilfsweise mit den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen.

Entscheidungsgründe:


5
Die zulässige Berufung bleibt erfolglos.
6
I. 1. Das Streitpatent betrifft Erdbaugitter und Verfahren zu deren Herstellung. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift handelt es sich dabei um Gitter, mit denen der Boden verfestigt oder verstärkt werden kann. Ein solches Gitter hat offene Maschen, in die sich Bodenpartikel einhaken können. Das Gitter weist Stränge auf, die entweder an Stäben, die in Querrichtung (TD = transverse direction) verlaufen, oder an Abzweigstellen miteinander verbunden sind. Ausgangsmaterial für die Herstellung eines solchen Gitters ist eine Kunststofffolie, die mit Löchern versehen ist. Wird das Ausgangsmaterial nur in eine Richtung, die üblicherweise als MD (machine direction) bezeichnet wird, gestreckt, spricht man von einem uniaxialen Gitter. Wird das Ausgangsmaterial anschließend oder gleichzeitig in eine zweite Richtung (TD = transverse direction) gestreckt, die quer zur ersten Richtung verläuft, spricht man von einem biaxialen Gitter. Durch die Streckung werden die Zonen zwischen benachbarten Löchern zu Strängen gestreckt, die Löcher werden zu Maschen des Gitters.
7
Nach der Darstellung in der Streitpatentschrift werden uniaxiale Gitter eingesetzt , wenn die Belastung hauptsächlich in eine Richtung erfolgt, etwa bei der Verstärkung von Dämmen. Biaxiale Gitter würden beispielsweise zur Verstärkung körniger Lagen in Straßen, Parkplätzen und dergleichen verwendet und könnten Belastungen in zwei Richtungen aufnehmen. Es habe sich jedoch herausgestellt, dass solche Gitterstrukturen in diagonaler Richtung keine genügende Stabilität aufweisen.
8
2. Dem Streitpatent liegt vor diesem technischen Hintergrund die Aufgabe zugrunde, Erdbaugitter und Verfahren zu deren Herstellung bereitzustellen, die eine verbesserte Festigkeit auch in Richtungen gewährleisten, die diagonal zu den Richtungen MD und TD verlaufen.
9
3. Diese Aufgabe soll erfindungsgemäß durch Erdbaugitter gelöst werden, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen: Anspruch 1: 1.1 Eine gitterförmige Konstruktion (7) als Erdbaugitter
a) die durch das Strecken und uniaxiale Ausrichten (orienting) eines Ausgangsmaterials (1) hergestellt ist, bei dem es sich um Plastik handelt,
b) wobei das Ausgangsmaterial mit einer Anordnung von Löchern (2) versehen ist. 1.2 Die gitterförmige Konstruktion
a) ist einachsig ausgerichtet, und
b) umfasst querlaufende Teile (6'), die Stäbe (bars) sind.
1.3 Die querlaufenden Teile sind durch im Wesentlichen gerade ausgerichtete Stränge (strands) (6) miteinander verbunden, wobei
a) mindestens einige der Stränge sich unter einem wesentlichen Winkel zu der Streckrichtung (MD), die im rechten Winkel zu den querlaufenden Teilen verläuft, von einem querlaufenden Teil (6') zum nächsten erstrecken,
b) bei derartigen Strängen (6) über die Breite der gitterförmigen Konstruktion gleichlaufende und entgegengesetzte Winkel abwechseln, und
c) wobei die Ausrichtung jedes im Winkel verlaufenden Strangs (6) sich im Allgemeinen in die Streckrichtung MD über den entsprechenden Stab (6') zu dem entsprechend im Winkel verlaufenden Strang (6) auf der anderen Seite des Stabs (6') erstreckt. Anspruch 6: 6.1 Eine gitterförmige Konstruktion (10) als Erdbaugitter,
a) die durch das Strecken und zweiachsige Ausrichten eines Ausgangsmaterials (1, 21) hergestellt ist, bei dem es sich um Plastik handelt,
b) wobei das Ausgangsmaterial mit einer Anordnung von Löchern (2, 22) versehen ist. 6.2 Die gitterförmige Konstruktion umfasst:
a) im Wesentlichen gerade ausgerichtete Stränge (9, 30), die sich in die zweite Richtung (TD) erstrecken; b1) einen ersten Satz von im Wesentlichen gerade ausgerichteten Strängen (6, 26), die sich in einem spitzen Winkel zur ersten Richtung (MD) erstrecken, und
b2) einen zweiten Satz von im Wesentlichen gerade ausgerichteten Strängen (6, 26), die sich in einem spitzen Winkel zur ersten Richtung (MD) erstrecken, b3) wobei, aus einer zweiten, im rechten Winkel zur ersten Richtung (MD) verlaufenden Richtung (TD) betrachtet, die alternierenden Stränge (6, 26) dieser beiden Sätze im Wesentlichen gleiche und gegenläufige Winkel im Verhältnis zur ersten Richtung (MD) aufweisen;
c) Abzweigungen (junctions), die jeweils vier der im Winkel zur ersten Richtung (MD) verlaufenden, ausgerichteten Stränge (6, 26) und zwei der weiteren ausgerichteten Stränge (9, 30) verbinden,
d) wobei im Wesentlichen an jeder Abzweigung die Gabelung (crotch) zwischen zwei benachbarten Strängen in die Richtung ausgerichtet ist, die um die Gabelung herum verläuft, wodurch eine kontinuierliche Ausrichtung von der Kante eines Strangs um die Gabelung herum zur Kante des benachbarten Strangs vorliegt.
10
4. Einige Merkmale bedürfen näherer Erörterung:
11
a) Nach Merkmal 1.1 (und 6.1) handelt es sich um eine gitterförmige Struktur als Erdbaugitter (the mesh structure is a geogrid). Das Gitter muss danach so beschaffen sein, dass es geeignet ist, zur Stabilisierung von Erdreich bei Baumaßnahmen zu dienen, also etwa wasserdurchlässig, mechanisch ausreichend belastbar und verrottungsbeständig sein, sowie, je nach Einsatzzweck, eine Maschenweite aufweisen , die z.B. eine Durchwurzelung oder die Durchdringung mit Partikeln des Erdreichs ermöglicht.
12
b) Anspruch 1 betrifft nach Merkmal 1.2 a eine Konstruktion, die einachsig ausgerichtet ist. Das Ausgangsmaterial wird danach nur in eine Richtung (MD) gestreckt. Dagegen betrifft Anspruch 6 ein Gitter, das in zwei Richtungen (MD und TD, siehe Abs. 26 f.) gestreckt wird, wobei die zweite Richtung im rechten Winkel zur ersten Richtung verläuft (Abs. 18).
13
c) Das Gitter weist nach Merkmal 1.3 im Wesentlichen gerade ausgerichtete Stränge auf. Wird das Ausgangsmaterial, das nach Merkmal 1.1 b mit einer Anordnung von Löchern versehen ist, gestreckt, so werden die Zonen zwischen benachbarten Löchern zu Strängen gezogen. Die Streckung bewirkt, wie etwa die Maßangaben in Figur 3 der Streitpatentschrift zeigen, dass das Material im Bereich der Stränge dünner wird. Sie bewirkt ferner eine Ausrichtung (orientation) des Materials , womit eine molekulare Ausrichtung bzw. Orientierung des Kunststoffmaterials in die Richtung der Streckung gemeint ist (Abs. 16). Diese Ausrichtung hat zur Folge, dass das Material in Richtung der Orientierung stärker belastbar ist. Bei einem im Wesentlichen gerade ausgerichteten Strang handelt es sich danach um einen Bereich des Gitters, der im Wesentlichen gerade verläuft und durch die Streckung eine Ausrichtung erfahren hat.
14
d) Das Gitter umfasst nach Merkmal 1.2 b querlaufende Teile, die Stäbe sind. Die Angabe "quer" bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Stäbe im Wesentlichen senkrecht zur Maschinenrichtung verlaufen. Da das Ausgangsmaterial hier nur in eine Richtung gestreckt wird, findet die Strangbildung unter Ausrichtung des Materials nicht in allen Bereichen statt, sondern ist in den strangbildenden Zonen zwischen benachbarten Löchern besonders ausgeprägt. Andere Bereiche werden dagegen deutlich weniger stark beeinflusst, das Material wird nur in geringerem Umfang dünner und die Orientierung ist weniger ausgeprägt. In den nachstehend abgebildeten Figuren 1 und 2 ist dies durch die im Bereich 4 gezeichneten Referenzlinien (truth lines) verdeutlicht. Dabei zeigt Figur 1 das Ausgangsmaterial vor der Streckung und Figur 2 den Zustand nach Streckung in die Richtung MD.


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e) Entscheidende Bedeutung kommt den Merkmalen 1.3a bis c zu. Danach sind die querlaufenden Stäbe durch im Wesentlichen gerade ausgerichtete Stränge miteinander verbunden, von denen mindestens einige im Winkel zur Streckrichtung MD verlaufen, wobei sichgleichlaufende und entgegengesetzte Winkel abwechseln. Da die Orientierung der Stränge ihre Belastbarkeit in Streckrichtung erhöht, hat die Anordnung der Stränge im Winkel zur Streckrichtung zur Folge, dass das Gitter nicht nur Kräfte aufnehmen kann, die in Richtung MD wirken, sondern auch solche, die schräg dazu wirken. Weiter gefördert wird diese Wirkung nach Merkmal 1.3 c dadurch, dass sich die Ausrichtung eines in einem Winkel zur Richtung MD verlaufenden Strangs über den querlaufenden Stab hinweg in den entsprechend abgewinkelten Strang jenseits des Stabs erstreckt.
16
Die Ausrichtung bedeutet, anders als das Patentgericht meint, auch hier nicht nur eine räumliche Ausrichtung. Merkmal 1.3 c setzt vielmehr darüber hinaus voraus, dass sich auch auf der molekularen Ebene die Ausrichtung eines Strangs jedenfalls in einem gewissen Umfang über den querlaufenden Stab hinweg in den nächsten Strang erstreckt. Für dieses Verständnis spricht zum einen, dass die Streitpatentschrift den Begriff Ausrichtung ausdrücklich dahin definiert, dass damit eine Orientierung auf molekularer Ebene gemeint ist (Abs. 16), zum anderen, dass der Begriff der Ausrichtung in Anspruch 1 sonst in unterschiedlicher Bedeutung verwendet würde. Im Regelfall gilt jedoch, dass gleiche Begriffe im Zusammenhang eines Patentanspruchs auch gleiche Bedeutung haben (BGH, Urteil vom 5. Oktober 2016 - X ZR 21/15, GRUR 2017, 152 - Zungenbett). Bestätigt wird dieses Verständnis durch Absatz 46 der Beschreibung. Dort wird ausgeführt, dass die Streckung des Ausgangsmaterials in die Richtung MD dazu führt, dass die Bereiche 6'' eine leichte Orientierung in Richtung MD aufweisen, so dass sich die Orientierung der Stränge über den querlaufenden Stab hinweg fortsetzt. Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der Ausrichtung hier anders gemeint sein könnte als es der im allgemeinen Teil der Streitpatentschrift enthaltenen Definition (Abs. 16) entspricht, sind nicht ersichtlich.
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f) Entsprechendes gilt für das biaxial ausgerichtete Erdbaugitter nach Anspruch 6. Nach Merkmal 6.2 a umfasst das Gitter im Wesentlichen gerade ausgerichtete Stränge, die sich in die zweite Richtung (TD) erstrecken. Diese Stränge treten an die Stelle der in Anspruch 1 vorgesehenen Stäbe und sind gerade ausgerichtet, weil das biaxiale Gitter auch in Querrichtung gestreckt worden ist. Nach Merkmalsgruppe 6.2 b gibt es ferner zwei Sätze von Strängen, die wechselweise im spitzen Winkel zur ersten Streckrichtung verlaufen. Eine solche Anordnung gewährleistet, dass das Gitter nicht nur Kräfte aufnehmen kann, die in der ersten und der zweiten Richtung auftreten , sondern auch solche, die diagonal hierzu einwirken.
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g) Nach Merkmal 6.2 c umfasst das biaxial ausgerichtete Erdbaugitter Abzweigungen oder Knotenpunkte (junctions), die jeweils vier der im Winkel zur ersten Richtung verlaufenden ausgerichteten Stränge und zwei der weiteren ausgerichteten (in der zweiten Richtung verlaufenden) Stränge verbinden. Die Abzweigungen werden damit von den Strängen unterschieden. Während es sich bei Strängen um Bereiche des Ausgangsmaterials handelt, die durch das Strecken stark gedehnt worden sind, handelt es sich bei den Abzweigungen um die verbleibenden Bereiche, die deutlich weniger stark gedehnt werden und in denen damit auch nur in geringerem Umfang eine Ausrichtung auf molekularer Ebene erfolgt. Unerlässlich ist aber, dass jeweils sechs Stränge an derselben Abzweigung anliegen. Ausgeschlossen sind danach Gestaltungen, bei denen mehrere Abzweigungen, von denen jede einzelne weniger als sechs Stränge verbindet, ihrerseits durch Stränge verbunden sind. Die Form der Abzweigung ist nicht näher festgelegt. Sie kann etwa, wie das Ausführungsbeispiel nach Figuren 11 und 12 und die Erläuterung hierzu in Absatz 66 verdeutlichen, eine angedeutete Hantelform haben.


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h) Nach Merkmal 6.2 d ist die Gabelung zwischen zwei benachbarten Strängen an den Abzweigstellen so ausgerichtet (orientiert), dass die Ausrichtung von der Kante eines mit der Abzweigung verbundenen Strangs um die Gabelung herum zur Kante des benachbarten Strangs verläuft. Beispielhaft ist das ersichtlich aus dem Verlauf der Referenzlinien im Bereich 4'' der Figur 4 der Streitpatentschrift, die ein weiteres Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen biaxialen Erdbaugitters zeigt.
20
Auch insoweit ist eine Ausrichtung der Moleküle erforderlich. Der Streckvorgang muss so durchgeführt werden, dass die Moleküle auch im Bereich der Gabelungen zumindest leicht ausgerichtet werden.
21
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:
22
Der Nichtigkeitsgrund der unzureichenden Offenbarung liege nicht vor. Die Erfindung sei anhand dreier Ausführungsbeispiele, die in den Absätzen 54 bis 67 näher erläutert seien, so deutlich und vollständig offenbart, dass der Fachmann, ein Diplom -Ingenieur der Kunststofftechnik, der über besondere Berufserfahrungen bezüglich der Herstellung von Erdbaugittern verfügt und der - soweit es um die an ein Erdbaugitter zu stellenden praktischen Anforderungen geht - mit einem in der Planung und Ausführung von Erdbaukonstruktionen kundigen Bauingenieur zusammenarbeitet , sie ausführen könne.
23
Das Streitpatent sei auch nicht mangels Patentfähigkeit für nichtig zu erklären.
24
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei weder durch die US-Patentschrift 4 536 429 (NK5) noch durch das europäische Patent 62 462 (NK6) oder die deutsche Offenlegungsschrift 1 454 903 (NK8) vorweggenommen.
25
Bei der in NK5 beschriebenen Gitterkonstruktion seien die den querlaufenden Teilen entsprechenden Stäbe nicht durch im Wesentlichen gerade ausgerichtete Stränge, sondern über ein Netzwerk aus unterschiedlichen, weiter verzweigten Strängen miteinander verbunden.
26
Das Gitter nach NK6 zeige keine Stränge, die querlaufende Stäbe miteinander verbinden.
27
Das in NK8 beschriebene Gitter weise keine Stränge auf, die im Winkel zur Streckrichtung verlaufen. Stränge und Stäbe stießen dort ausschließlich im rechten Winkel aufeinander. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei ein uniaxiales Gitter mit im Winkel zur Streckrichtung verlaufenden Strängen auch nicht durch die Figuren 9 und 10 der NK8 und der zugehörigen Beschreibung offenbart. Zwar könne angenommen werden, dass sich aus dem in Figur 9 gezeigten Ausgangsmaterial bei einer zunächst nur in eine Richtung erfolgende Streckung ein Zwischenprodukt mit Strängen gemäß Merkmalsgruppe 1.3 ergebe. Ein solches Zwischenprodukt werde dem Fachmann jedoch nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
28
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt worden. Zwar sei die NK8 als möglicher Ausgangspunkt für die Bemühungen des Fachmanns anzusehen. Wenn dort angegeben sei, dass das Material nicht nur gleichzeitig in zwei Richtungen gestreckt werden könne, sondern die Streckung auch zunächst in eine erste und sodann in eine zweite Richtung erfolgen könne, habe dies dem Fachmann keine ausreichende Anregung vermittelt, aus einem Material gemäß Figur 9 ein uniaxiales Gitter herzustellen. Die Annahme, die aus Figur 10 ersichtlichen Stränge 53 seien bereits nach dem Strecken in eine Richtung winklig angeordnet, sei rein spekulativ.
29
Das US-Patent 5 787 654 (NK9) betreffe einen gänzlich anderen Sachverhalt und habe daher keinen tauglichen Ausgangspunkt für die Bemühungen des Fachmanns dargestellt.
30
Die britische Patentanmeldung 2 295 353 (NK10) gebe keinen Hinweis auf Stränge, die im Winkel zur Streckrichtung verlaufen.
31
Auch der Gegenstand von Patentanspruch 6 sei durch den Stand der Technik nicht vorweggenommen.
32
NK5 offenbare keine Abzweigungen, die jeweils vier der im Winkel zur ersten Streckrichtung verlaufenden, ausgerichteten Stränge und zwei weitere, sich in die zweite Richtung erstreckende Stränge verbinden. Ohne Erfolg verweise die Klägerin auf Figur 3c der NK5. Verlängere man den dort gezeigten Strang Teilstrang 34 über den horizontal verlaufenden Strang 13, ergebe sich daraus, entgegen der Auffassung der Klägerin, keine Abzweigung im Sinne von Merkmal 6.2 c.
33
Dieses Merkmal sei auch durch NK6 nicht offenbart. Deren Figur 24c zeige vielmehr ein aus Teilsträngen bestehendes Rechteck, das nicht mit einer Abzweigung im Sinne von Merkmal 6.2 c gleichgesetzt werden könne.
34
Die deutsche Offenlegungsschrift 1 479 677 (NK7) sei ebenfalls nicht neuheitsschädlich. Das dort vorgesehene Ausgangsmaterial weise keine Löcher auf, sondern Materialverdickungen. Erst nach dem Strecken bildeten sich in der dort beschriebenen Folie schlitzförmige Öffnungen aus.
35
Schließlich offenbare auch NK8 nicht alle Merkmale von Patentanspruch 6. Nach der dort vorgestellten technischen Lehre sei es entscheidend, dass die Streckung des Ausgangsmaterials und damit die Orientierung auf die dort als"Rippen" bezeichneten Stränge beschränkt würden, dagegen die dazwischenliegenden Bereiche "unausgezogen" blieben. Damit fehle es an der in Merkmal 6.2 d beschriebenen Ausrichtung um die Gabelung herum.
36
Der Gegenstand von Patentanspruch 6 sei dem Fachmann durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt gewesen. Nachdem NK8 betone, dass die gestreckten Rippen mit "unausgezogenen" Bereichen in Verbindung stehen sollen, habe diese Schrift dem Fachmann keine Anregung vermittelt, ein Erdbaugitter mit den in Merkmal 6.2 d beschriebenen Gabelungen zu entwickeln, sondern ihn in eine gänzlich andere Richtung gewiesen. Zu NK9 und NK10 gelte das zu Anspruch 1 Ausgeführte entsprechend.
37
Auch der Gegenstand der nebengeordneten Ansprüche 15, 17, 40 und 41 sei jeweils patentfähig.
38
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug stand.
39
1. Zu Recht hat das Patentgericht den Nichtigkeitsgrund fehlender Ausführbarkeit der Erfindung verneint.
40
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen , dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (BGH, Urteil vom 3. Februar 2015 - X ZR 76/13, GRUR 2015, 472 Rn. 36 - Stabilisierung der Wasserqualität).
41
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Das Patentgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Beschreibung des Streitpatents anhand mehrerer Beispiele im Einzelnen beschreibt, welches Ausgangsmaterial welcher Stärke, mit welcher Größe und Anordnung der Löcher verwendet wird und mit welcher Kraft dieses Ausgangsmaterial nacheinander in zwei Richtungen gestreckt wird. Ferner wird dort beschrieben, wie sich diese Vorgehensweise auf die Stärke des Materials in den verschiedenen Bereichen und auf dessen Orientierung auswirkt.
42
Soweit die Klägerin Zweifel daran äußert, dass sich bei dem in der Beschreibung des Streitpatents erläuterten Vorgehen eine Orientierung nach Merkmal 6.2 d ergebe, füllt dies keinen Nichtigkeitsgrund aus. Die Darlegungs- und Beweislast dafür , dass es dem Fachmann auch nach Kenntnisnahme der Angaben in der Beschreibung und der Zeichnungen nicht möglich ist, die beanspruchte Lehre unter Einsatz seines Fachwissens ohne unzumutbare Schwierigkeiten durchzuführen, trägt die Nichtigkeitsklägerin (BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 - X ZR 51/06, GRUR 2010, 910 Rn. 31 - Polymerisierbare Zementmischung). Es wäre daher ihre Sache darzulegen , dass eine Nacharbeitung der im Streitpatent aufgeführten Beispiele auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens nicht zu Erdbaugittern führt, wie sie das Streitpatent lehrt. Daran fehlt es.
43
Der Hinweis der Klägerin auf NK8 führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Zwar trifft es zu, dass auch dort als Ausgangsmaterial unter anderem eine Kunststofffolie mit hexagonal angeordneten Löchern gezeigt wird, die dann in zwei Richtungen gestreckt wird, die im rechten Winkel zueinander verlaufen. Richtig ist weiter, dass die NK8 in den Ansprüchen und in der Beschreibung vielfach deutlich macht, dass die dort beschriebene Vorgehensweise zwar in bestimmten Bereichen zur Ausbildung von Strängen führen soll, es aber auch Bereiche geben soll, die "unausgezogen" (siehe Anspruch 1 der NK8) bleiben, also nicht einer Streckung und damit einhergehend einer Ausrichtung unterzogen werden. NK8 legt damit zugrunde, dass es möglich ist, bestimmte Bereiche zu - dort als Rippen bezeichneten - Strängen zu dehnen, ohne dabei die Zugkräfte auf die angrenzenden Verbindungsflächen wirken zu lassen (NK8, S. 3, 2. Abs.). Aus dem Umstand, dass eine solche Begrenzung der Zugkräfte möglich ist, folgt jedoch nicht, dass sie notwendig eintritt. Daher ist auch der Schluss nicht begründet, es sei unmöglich, dass die in der Streitpatentschrift beschriebene Vorgehensweise die dort beschriebenen Wirkungen, insbesondere eine Orientierung des Materials auch im Bereich der querlaufenden Stäbe gemäß Merkmal 1.3 c bzw. im Bereich der Abzweigungen gemäß Merkmal 6.2 d hervorrufe. Wird es in NK8 als vorzugswürdig beschrieben, bestimmte Bereiche des Ausgangsmaterials von der Streckung auszunehmen, belegt dies vielmehr eher, dass der Fachmann beide Zustände herbeiführen kann.
44
Zudem ist bereits in der europäischen Patentanmeldung 515 233 (NK4) für Erdbaugitter, bei denen die Stränge parallel zu den beiden Streckrichtungen verlaufen , beschrieben, dass die Orientierung in den Abzweigungen um die Gabelung herum verlaufen (S. 11, Z. 6-8) und sich über Verbindungszonen hinweg erstrecken kann (S. 5, Z. 48-50).
45
2. Zutreffend hat das Patentgericht angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 patentfähig ist.
46
a) Dieser Gegenstand wird durch den Stand der Technik nicht vorweggenommen.
47
aa) NK5 beschreibt eine Gitterkonstruktion, die als Erdbaugitter dienen kann und ein- oder zweiachsig ausgerichtet ist. Figuren 3a und 3b der NK5 zeigen jeweils ein mit unterschiedlichen Lochmustern versehenes Ausgangsmaterial und den Zustand , in dem sich dieses Material nach einachsigem Strecken befindet.


48
Diese Gestaltung nimmt Merkmalsgruppe 1.3 nicht vorweg. Wie sich aus Figur 3b ergibt, sind die querlaufenden Teile dort nicht durch gerade ausgerichtete Stränge miteinander verbunden, die unter einem wesentlichen Winkel zu der Streckrichtung verlaufen. Figur 3b zeigt vielmehr querlaufende Teile, die durch ein Netz von Strängen verbunden sind, die teilweise im Winkel, teilweise jedoch parallel zur Streckrichtung verlaufen. Stränge, die durchgehend von einem querlaufenden Teil zum nächsten in einem Winkel zur Streckrichtung verlaufen, zeigt Figur 3b nicht. Zudem fehlt es daran, dass sich die Ausrichtung der im Winkel zur Streckrichtung verlaufenden Stränge über den querlaufenden Stab zu einem entsprechenden im Winkel verlaufenden Strang auf dessen anderer Seite erstreckt.
49
Für das durch die Figuren 4a und 4b der NK5 erläuterte Ausführungsbeispiel gilt entsprechendes.
50
bb) Auch NK8 nimmt den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vorweg.
51
Es kann dahingestellt bleiben, ob das in NK8 beschriebene Gitter geeignet ist, als Erdbaugitter zu dienen. Zwar weisen die in den Ausführungsbeispielen näher beschriebenen Filme nur eine Stärke von 0,3 mm auf, was einer Verwendung eines daraus gefertigten Gitters für Erdarbeiten entgegenstehen dürfte, auch wird eine solche Einsatzmöglichkeit bei der - nicht abschließenden - Aufzählung möglicher Verwendungen nicht ausdrücklich erwähnt (S. 20, letzter Absatz). Nach der Beschreibung hängt aber die Dicke des Filmmaterials in erster Linie von den Eigenschaften ab, die das fertige Netz haben soll (S. 20, 2. Abs.). In diesem Zusammenhang wird auch die Bearbeitung von Filmen mit einer Dicke von mehr als 3 mm angesprochen und damit in einer Größenordnung, wie sie auch das Streitpatent angibt.
52
Es kann ferner offen bleiben, ob bei einer Vorgehensweise, bei der das Ausgangsmaterial nicht, wie in NK8 als vorzugswürdig bezeichnet (S. 19, 2. Abs.), gleichzeitig, sondern in zwei aufeinander folgenden Schritten gestreckt wird, durch eine Dehnung des in Figur 9 dargestellten Ausgangsmaterials in die Richtung 47 ein Gitter entstünde, dass Ähnlichkeiten mit demjenigen aufweist, das die oben wiedergegebene Figur 2 des Streitpatents zeigt. Denn es fehlt jedenfalls an einer Vorwegnahme von Merkmal 1.3 c. Wie bereits ausgeführt, offenbart NK8 keine Orientierung der im Winkel zur Streckrichtung verlaufenden Stränge über den querlaufenden Stab hinweg zu dem entsprechend im Winkel verlaufenden Strang auf dessen anderer Seite. NK8 betont vielmehr, dass die Zugwirkung auf bestimmte Bereiche beschränkt wird, dazwischen jedoch "unausgezogene" Bereiche verbleiben. Wenn nach NK8 auch nach biaxialem Strecken des Ausgangsmaterials gemäß nachstehend wiedergegebener Figur 9 die in Figur 10 mit dem Bezugszeichen 55 versehenen Bereiche "unausgezogen" sind (NK8, S. 19 oben), gilt dies notwendigerweise auch für die querlaufenden Stäbe, die nach einer Streckung in nur eine Richtung entstehen.


53
Eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung der geschützten Lehre ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass in NK8 die Möglichkeit einer Streckung im Bereich der Verbindungsstellen ausdrücklich erwähnt wird. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine hinreichende Offenbarung schon deshalb zu verneinen ist, weil diese Variante in NK8 als nachteilig dargestellt wird. Der Beschreibung von NK8 lässt sich jedenfalls nicht entnehmen, dass die Verbindungsstellen gerade in der Weise gestreckt werden, dass sich einerseits nur eine verhältnismäßig geringfügige Ausrichtung ergibt, diese sich aber von einem Strang über die Verbindungsstelle hinweg durchgehend bis zum gegenüberliegenden Strang erstreckt.
54
b) Der Gegenstand von Patentspruch 1 wurde dem vom Patentgericht zutreffend bestimmten Fachmann durch den Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt auch nicht nahegelegt.
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aa) Die europäische Patentanmeldung 515 233 (NK4) kommt zwar als Ausgangspunkt der Bemühungen des Fachmanns in Betracht, weil sie ein Erdbaugitter betrifft, die Herstellung eines solchen Gitters durch biaxiales Strecken einer Kunststofffolie behandelt und sich eingehend mit der durch die Streckung bewirkten Orientierung des Kunststoffs und deren Wirkungen befasst. NK4 beschreibt zudem bereits eine Vorgehensweise, nach welcher die Streckung so lange fortgesetzt wird, bis es zu einer Verminderung des Querschnitts auch im Bereich der Stäbe bzw. Abzweigungen kommt, so dass sich die Orientierung über diese hinweg erstreckt (S. 3, Z. 10 ff.). Zwar zeigen die Figuren der NK4 nur Ausgangsmaterial, bei dem die Löcher quadratisch oder in einem Rechteck angeordnet sind, doch wird in der Beschreibung auf die Möglichkeit einer anderen Anordnung hingewiesen (S. 8, Z. 44-46).
56
NK4 kann jedoch bereits nicht entnommen werden, dass eine Orientierung der Stränge eines Erdbaugitters in jedem Fall erstrebenswert ist. Das Dokument erläutert die Vorteile einer solchen Maßnahme nur für Gestaltungen, bei denen die Stränge im rechten Winkel zueinander verlaufen, und auch dies nur für Gitter, bei denen die Stränge in eine - als Hauptrichtung bezeichnete - Richtung eine wesentlich größere Festigkeit aufweisen sollen als in eine im rechten Winkel dazu verlaufende Nebenrichtung. Eine Anregung, ein solches Erdbaugitter dahin abzuwandeln, dass mindestens einige der Stränge unter einem wesentlichen Winkel zur ersten und zur zweiten Streckrichtung verlaufen, ergab sich aus NK4 nicht.
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Entgegen der Auffassung der Klägerin ergab sich für den Fachmann eine solche Anregung auch nicht aus NK8. Wie bereits ausgeführt, soll nach NK8 die Wirkung der Streckung des Materials auf bestimmte Bereiche beschränkt bleiben, während andere Bereiche "unausgezogen" bleiben sollen, so dass sich hieraus keine Anregung zu einem Gitter ergab, bei dem sich die Ausrichtung der im Winkel verlau- fenden Stränge gemäß Merkmal 1.3 c über die querlaufenden Stäbe hinweg erstreckt. NK8 liegt damit ein deutlich anderes Konzept zugrunde als NK4, nach der eine Orientierung des Ausgangsmaterials durch Strecken auch über die Verbindungsbereiche hinweg empfohlen wird. Angesichts dessen gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Fachmann aus der NK8 allein einen bestimmten Aspekt - die Anordnung von Strängen auch im Winkel zur Streckrichtung bzw. das dafür gewählte hexagonale Lochmuster des Ausgangsmaterials - herausgegriffen und diesen mit dem in NK4 vorgestellten Gitter und der Methode zu dessen Herstellung kombiniert hätte.
58
Sofern eine technische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns gehört, kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings bereits dann bestehen, wenn es für ihre Anwendung zwar kein konkretes Vorbild gibt, sich aber die Nutzung ihrer Funktionalität in dem betreffenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände festzustellen sind, die eine Anwendung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 - Farbversorgungssystem; Urteil vom 26. September 2017 - X ZR 109/15, GRUR 2018, 509 Rn. 113 - Spinfrequenz). Es ist jedoch Sache des Nichtigkeitsklägers, konkrete Anhaltspunkte dafür aufzuzeigen, dass ein bestimmtes Mittel in diesem Sinne "im Griffbereich" des Fachmanns liegt.
59
Daran fehlt es im Streitfall. Die Klägerin hat weder aufgezeigt, dass ein aus aneinander angrenzenden Sechsecken bestehendes Lochmuster im Ausgangsmaterial entsprechender Folien, noch dass eine Anordnung von Strängen, die in einem wesentlichen Winkel zur ersten und zur zweiten Streckrichtung verlaufen, wobei sich gleichlaufende und entgegengesetzte Winkel abwechseln, als ein solches generelles Lösungsmittel zum allgemeinen Fachwissen des Fachmanns gehörten.
60
bb) Nichts anderes ergibt sich, wenn man NK8 als Ausgangspunkt der Bemühungen des Fachmanns ansehen wollte.
61
Dabei kann zugrunde gelegt werden, dass dieses Dokument denFachmann darüber informiert, dass das dort in Figur 9 gezeigte Ausgangsmaterial, welches hexagonal angeordnete Löcher aufweist, nicht zwingend zugleich in zwei Richtungen gestreckt werden muss, sondern auch die Möglichkeit besteht, zunächst in die Richtung 47 und sodann in Richtung 45 zu strecken. Zwar wird in NK8 das gleichzeitige Aufbringen biaxialer Reckkräfte als vorteilhaft bezeichnet (S. 19), doch wird auch die Möglichkeit angesprochen, die Streckung erst in die eine Richtung und anschließend in eine quer dazu verlaufende Richtung vorzunehmen. Dabei wird zwar eine erste Streckung in Richtung 45 als nachteilig angesehen. Eine erste Streckung in Richtung 47 - und damit in die Richtung, die auch in den Ausführungsbeispielen der Streitpatentschrift für die erste Streckung gewählt wird - wird dagegen nicht als problematisch angesehen. Weiter kann zugunsten der Klägerin angenommen werden, dass eine solche Streckung der in Figur 9 gezeigten Folie in Richtung 47 zu Strängen führt, die im Winkel zu dieser Richtung verlaufen.
62
Wie bereits ausgeführt, gibt NK8 jedoch vor, dass die Verbindungsbereiche zwischen den Strängen nicht ausgerichtet werden. Es ist daher nicht ersichtlich, was den Fachmann veranlasst haben sollte, nur das in Figur 9 der NK8 gezeigte Lochmuster zu verwenden, die weiteren Vorgaben dieser Entgegenhaltung aber beiseite zu lassen und sich im Übrigen an der in NK4 erläuterten Vorgehensweise zu orientieren.
63
cc) Hinsichtlich der NK9 und NK10 wird auf die zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts Bezug genommen.
64
c) Ist danach der Gegenstand von Patentanspruch 1 patentfähig, erweist sich auch der Gegenstand von Patentanspruch 15, der auf ein Verfahren zur Herstellung eines Erdbaugitters nach Anspruch 1 gerichtet ist, als schutzfähig.

65
3. Zu Recht hat das Patentgericht weiter angenommen, dass der Gegenstand von Patentanspruch 6 patentfähig ist.
66
a) Der Gegenstand von Patentanspruch 6 ist neu
67
aa) Die Auffassung der Klägerin, NK5 zeige Abzweigungen, die jeweils vier der im Winkel zur ersten Richtung verlaufenden, ausgerichteten Stränge und zwei der weiteren ausgerichteten Stränge verbinden, und nehme damit auch Merkmal 6.2 c vorweg, trifft nicht zu.
68
Zur Illustration ihres Vorbringens hat die Klägerin die nachstehend wiedergegebene , aus Figur 3c der NK5 entwickelte Abbildung erstellt und hierzu ausgeführt, der dort mit einem Oval gekennzeichnete und als "junction" bezeichnete Bereich sei als Abzweigung im Sinne von Merkmal 6.2 c anzusehen.
69
Dem kann nicht beigetreten werden. Zwar muss eine Abzweigung im Sinne von Merkmal 6.2 c, wie bereits ausgeführt, nicht zwingend eine Kreisform oder eine dieser angenäherte Form aufweisen. Eine Abzweigung im Sinne von Merkmal 6.2 c unterscheidet sich aber jedenfalls dadurch von einem Strang, dass der entsprechende Bereich deutlich weniger gestreckt wurde. Während ein Strang nach dem Strecken eine deutliche Orientierung aufweist und das Material wesentlich dünner ist als zuvor, kommt es im Bereich der Abzweigungen, an denen die Stränge ansetzen, nur in geringerem Maße zu einer Orientierung auf molekularer Ebene, zudem bleibt das Material in diesem Bereich deutlich dicker (vgl. etwa die Maßangaben in Figur 12). Patentanspruch 6 erfasst demnach nicht Gestaltungen, bei denen mehrere Abzweigungen , von denen jede einzelne weniger als sechs Stränge verbindet, ihrerseits durch Stränge verbunden sind. Danach kann der von der Klägerin in Bezug genommene Bereich, der sich von einer Verbindungsstelle 35 über einen Strang 34, die Verbindungsstelle 40 und einen weiteren Strang 34 zur nächsten Verbindungsstelle erstreckt, nicht als Abzweigung im Sinne von Merkmal 6.2 c angesehen werden. Dieser Bereich besteht vielmehr nach dem Sprachgebrauch des Streitpatents aus zwei Strängen und drei Abzweigungen.
70
bb) Mit zutreffenden Ausführungen, auf die Bezug genommen wird, hat das Patentgericht eine Vorwegnahme der Merkmale 6.2 c und d durch die NK6 verneint.
71
Die hierzu von der Klägerin angeführte Figur 24c dieser Entgegenhaltung, die in NK6 nicht näher erläutert wird (Sp. 13, Z. 61-64), zeigt schon keine Abzweigung, die jeweils insgesamt sechs Stränge miteinander verbinden (Merkmal 6.2 c). Weder dieser Figur noch dem sonstigen Inhalt der NK6 ist zudem zu entnehmen, dass die Gabelungen zwischen zwei benachbarten Strängen an diesen Abzweigungen eine Ausrichtung gemäß Merkmal 6.2 d aufweisen.
72
cc) NK8 nimmt Merkmal 6.2 d nicht vorweg.
73
Wie bereits ausgeführt, lehrt NK8 eine Vorgehensweise, bei der das Ausgangsmaterial mit Löchern versehen und sodann gestreckt wird, wobei die Wirkungen der Streckung, also die Herabsetzung der Materialdicke und die Orientierung, auf bestimmte Bereiche beschränkt sein sollen, um sie zu Strängen (im Sprachgebrauch der NK8: Rippen) auszubilden. Dagegen sollen die Flächen zwischen den Rippen "unausgezogen" bleiben, was dadurch erreicht werden soll, dass die Zugkräfte auf die Rippen begrenzt bleiben (siehe NK8, S. 2, 3, 4, 19, 20). Nach NK8 haben "nicht-ausgezogene" Verbindungsteile den Vorteil, dass die Längs- und Querkräfte auf die entsprechend verlaufenden Rippen beschränkt bleiben und das Netz gegen Zerreißen widerstandsfähiger ist (S. 13 unten).
74
Im Rahmen der Beschreibung des dritten Ausführungsbeispiels enthält NK8 den Hinweis, dass ein gleichzeitiges Strecken eines Ausgangsmaterials nach Figur 9 vorzuziehen sei, dagegen ein gestuftes Strecken, bei dem die Streckung zunächst in die Richtung 45 erfolge, das Risiko begründe, dass die Zugwirkung sich nicht auf die mit dem Bezugszeichen 51 bezeichneten Bereiche des Ausgangsmaterials beschränken lasse, sondern sich auch auf die mit dem Bezugszeichen 57 bezeichneten Bereiche erstrecke, was einen unerwünschten Auszug der Verbindungsbereiche zur Folge habe (S. 19, 2. Abs.). Damit offenbart NK8 nicht die vom Streitpatent gelehrte Ausrichtung der Gabelungen zwischen zwei benachbarten Strängen in die Richtung, die um die Gabelung herum verläuft, so dass eine kontinuierliche Ausrichtung von der Kante eines Strangs um die Gabelung herum zur Kante des benachbarten Strangs vorliegt. Nichts anderes gilt für die im Anschluss beschriebene Vorgehens- weise, bei der die Streckung zunächst in die Richtung der Pfeile 47 erfolgt, denn dazu führt NK8 aus, dass kein Zug auf die Verbindung übertragen werde (S. 19, 3. Abs.), womit eine Streckung und die dadurch bewirkte Orientierung im Bereich der Gabelung unterbleiben.
75
Die in NK8 enthaltenen Hinweise, dass eine Streckung auch im Bereich der Verbindungsstellen erfolgen könne, führen in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Diesen Hinweisen lässt sich nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen, dass die Streckung gerade so erfolgen soll, dass sich nur eine verhältnismäßig geringfügige Ausrichtung ergibt, die aber kontinuierlich um die Gabelung herum verläuft.
76
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 6 war dem Fachmann im Prioritätszeitpunkt auch nicht durch den Stand der Technik nahegelegt.
77
aa) Aus den oben zur Patentfähigkeit von Patentanspruch 1 genannten Gründen ergab sich für den Fachmann aus der NK4 - auch in Verbindung mit NK8 - keine Anregung für ein Gitter, welches Stränge umfasst, die im spitzen Winkel zur ersten Streckrichtung verlaufen.
78
bb) Auch wenn der Fachmann NK8 zum Ausgangspunkt nahm, ergibt sich nichts anderes. Dieses Dokument vermittelte dem Fachmann keine Anregung zu einem Erdbaugitter, bei dem die Abzweigung die in Merkmal 6.2 d gelehrte Ausrichtung aufweist. Denn nach NK8 soll die Wirkung der Streckung des Materials auf bestimmte Bereiche beschränkt bleiben, während die Verbindungsbereiche "unausgezogen" bleiben sollen.
79
c) Ist danach der Gegenstand von Patentanspruch 6 patentfähig, ist auch der Gegenstand von Patentanspruch 17, der auf ein Verfahren zur Herstellung eines Erdbaugitters nach Anspruch 6 gerichtet ist, schutzfähig.
80
4. Erweist sich danach der Gegenstand der Ansprüche 1, 6, 15 und 17 patentfähig , hat das Patentgericht zu Recht auch den Gegenstand der auf diese rückbezogenen Ansprüche 40 und 41 als schutzfähig angesehen.
81
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 97 Abs. 1 ZPO. Bacher Grabinski Hoffmann Deichfuß Marx
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 19.01.2017 - 7 Ni 18/15 (EP)

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 21/15 Verkündet am:
5. Oktober 2016
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zungenbett
EPÜ Art. 69 Abs. 1; PatG § 14
Gleiche Begriffe haben im Zusammenhang eines Patentanspruchs im Zweifel
auch gleiche Bedeutung. Ein unterschiedliches Verständnis eines Begriffs im
Oberbegriff und im Kennzeichen eines Patentanspruchs oder sonst in unterschiedlichen
Zusammenhängen kommt nur dann in Betracht, wenn die Auslegung
des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung der
Beschreibung und der Zeichnungen ein solches Verständnis ergibt.
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2016 - X ZR 21/15 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
ECLI:DE:BGH:2016:051016UXZR21.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher, Hoffmann und Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. Januar 2015 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 4c-Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 30. April 2013 wird zurückgewiesen. Die Kosten der Rechtsmittel trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Klägerin ist Inhaberin des deutschen Patents 101 24 624, das unter
1
Inanspruchnahme der Priorität einer inländischen Erstanmeldung vom 17. März 2001 am 21. Mai 2001 angemeldet wurde (nachfolgend: Klagepatent). Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut: "Zungenvorrichtung für eine Weiche, insbesondere für Straßenbahngleise , aus einem aus einem Vollblock hergestellten, im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett, dadurch gekennzeichnet, dass der obere Teil (1) der Zungenvorrichtung mit dem Zungenbett (4) aus einem Stahl hochfester Güte und der untere Teil (2) der Zungenvorrichtung aus Baustahl besteht, wobei der obere Teil und der untere Teil miteinander verbunden sind." Patentanspruch 2 stellt ein Herzstück für eine Weiche unter Schutz. Die
2
Patentansprüche 3 bis 5 sind unmittelbar oder mittelbar auf die Patentansprüche 1 oder 2 rückbezogen. Eine u.a. von der Beklagten erhobene Klage auf Nichtigerklärung des Klagepatents ist hinsichtlich der Patentansprüche 1 bis 4 in beiden Instanzen erfolglos geblieben (BPatG, Urteil vom 5. Mai 2014 - 7 Ni 4/14, juris; BGH, Urteil vom 24. März 2016 - X ZR 47/14, juris). Die Beklagte stellt her und vertreibt Weichenanlagen, in denen von der
3
Beklagten auch als "Monoblockzungenvorrichtung" bezeichnete Zungenvorrichtungen eingesetzt werden (angegriffene Ausführungsform). Bei einer solchen "Monoblockzungenvorrichtung", die in der nachfolgenden Zeichnung schematisch dargestellt ist, ist der obere Teil aus einem Vollblock aus Stahl hochfester Güte hergestellt, während der untere Teil aus einfachem Baustahl besteht und sich aus drei miteinander verschweißten Einzelteilen zusammensetzt. Der obere und der untere Teil sind ebenfalls durch Schweißen zusammengefügt. Die Klägerin nimmt die Beklagten wegen Verletzung des Klagepatents
4
auf Unterlassung, Rechnungslegung und die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz in Anspruch. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen von der Beklagten eingelegte Berufung hat zur Abweisung der Klage geführt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:


Der Revision der Klägerin hat Erfolg und führt zur Wiederherstellung des
5
erstinstanzlichen Urteils.
6
I. Das Streitpatent betrifft eine Zungenvorrichtung sowie ein Herzstück für eine Weiche, insbesondere für Straßenbahngleise. In der Klagepatentschrift wird ausgeführt, dass Zungenvorrichtungen mit einem Zungenbett, auf dem die Weichenzunge hin und her gleiten könne, vorzugsweise zusammengeschweißt oder, wie in der deutschen Offenlegungsschrift 40 11 523 offenbart, aus einem Vollblock herausgefräst würden (Abs. 2).
7
Bei der Zungenvorrichtung müssten anschließend die Verschleißflächen im Kontaktbereich zwischen Rad und Schiene und der Gleitbereich der Zunge im Zungenbett gehärtet werden. Das Härten sei jedoch sehr aufwändig und kostspielig. Zudem entstünden durch die Wärmebehandlung Spannungen und Verzug. Die Teile der Zungenvorrichtung müssten entsprechend aufwändig manuell gerichtet werden (Abs. 3).
8
Es sei auch bekannt, eine Zungenvorrichtung oder ein Herzstück für eine Weiche aus einem Vollblock aus einem Stahl hochfester Güte herzustellen. Bei diesem Verfahren sei ein nachträgliches Härten nicht erforderlich. Nachteilig sei jedoch, dass der hochfeste Stahl sehr teuer sei. Hinzu komme, dass die Vollblöcke in der benötigten Güte und Stärke auf dem Markt nur mit Mühe beschafft werden könnten (Abs. 4).
9
Nach den Angaben der Klagepatentschrift liegt dem Klagepatent die Aufgabe zugrunde, die Materialkosten für eine Zungenvorrichtung oder ein Herzstück für eine Weiche, hergestellt aus einem Vollblock, zu reduzieren.
10
Das soll nach Patentanspruch 1 durch eine Zungenvorrichtung mit folgenden Merkmalen erreicht werden: 1. a) Zungenvorrichtung für eine Weiche, 1. b) aus einem aus einem Vollblock hergestellten, im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett; 1. c) der obere Teil (1) der Zungenvorrichtung mit dem Zungenbett (4) besteht aus einem Stahl hochfester Güte; 1. d) der untere Teil (2) der Zungenvorrichtung besteht aus Baustahl ; 1. e) der obere Teil und der untere Teil sind miteinander verbunden. Die nachfolgend wiedergegebene Zeichnung (Figur 1) stammt aus der
11
Klagepatentschrift und zeigt beispielhaft ein erfindungsgemäßes Zungenbett:
12
II. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
13
Die angegriffene Ausführungsform verwirkliche die technische Lehre des Klagepatents nicht, weil bei ihr der untere Teil der Zungenvorrichtung nicht - wie patentgemäß gefordert - aus einem Vollblock gewonnen werde, sondern durch Zusammenschweißen einzelner Profilteile hergestellt sei. Der vom Patentgericht im Nichtigkeitsverfahren vertretenen Ansicht, dass sich das Teilmerkmal "aus einem Vollblock hergestellt" allein auf den oberen mit dem Zungenbett ausgestatteten Teil der Zungenvorrichtung, nicht aber auf den unteren Teil aus Baustahl beziehe, sei zu widersprechen. Lasse man die lediglich den Verwendungszweck erläuternden und deshalb für die Schutzbereichsbestimmung unerheblichen Anspruchsteile weg, beanspruche das Klagepatent Schutz für eine "Zungenvorrichtung aus einem im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett". Für den Fachmann sei diese Formulierung trotz ihrer grammatikalischen Unzulänglichkeit nicht unverständlich. Sie sei dahin zu verstehen, dass die patentgemäße Zungenvorrichtung durch das (im Wesentlichen trogförmige) Zungenbett gebildet werde, womit beide Formulierungen des Oberbegriffs - "Zungenvorrichtung" und "Zungenbett" - synonym seien. Dem stehe nicht entgegen, dass das Wort "Zungenbett" im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs 1 abermals erscheine, indem vorgesehen sei, dass "der obere Teil der Zungenvorrichtung mit dem Zungenbett" aus hochfestem Stahl bestehe. Zwar werde das "Zungenbett" dort als bloßer Bestandteil der patentgemäßen Zungenvorrichtung ausgewiesen , während das "Zungenbett" im Rahmen des Oberbegriffs synonym mit der Gesamtvorrichtung sei. Es gebe aber keinen Auslegungsgrundsatz, wonach gleiche Begriffe eines Patentanspruchs stets in demselben Sinne zu interpretieren seien. Daher stehe der Überlegung nichts entgegen, dass der Begriff "Zungenbett" im Rahmen des Oberbegriffs die Gesamtvorrichtung umschreibe und im Kennzeichen - konkreter - die Auflagefläche umschreibe, auf der die Weichenzunge verschoben werde und die Fahrzeugräder abrollten. Mithin müsse die zweiteilige Zungenvorrichtung der Vorgabe genügen, aus einem Vollblock hergestellt zu sein.
14
Dies finde der Fachmann in der Aufgabenformulierung der Klagepatentschrift und in den Vorteilsangaben zur patentgemäßen Lösung bestätigt, wenn darin auf die Kostenreduzierung für eine Zungenvorrichtung abgestellt werde, die aus einem Vollblock hergestellt sei. Mit der Forderung nach einer aus einem Vollblock gewonnenen Zungenvorrichtung grenze sich das Klagepatent von Lösungen ab, bei denen die Backenschiene aus einzelnen Teilen zusammengebaut , vorzugsweise geschweißt worden sei. Das gehe aus dem einleitenden Beschreibungstext hervor, wo darauf hingewiesen werde, dass Zungenvorrichtungen aus einzelnen Teilen zusammengebaut oder aus einem Vollblock herausgefräst würden. Indem sich Patentanspruch 1 auf eine Zungenvorrichtung beziehe, die "aus einem Vollblock hergestellt" sei, werde klargestellt, dass das Klagepatent die andere Lösung nicht in Betracht ziehe. Entsprechend werde in der Beschreibung von dem aus der deutschen Patentschrift 40 11 523 bekannten Lösungskonzept einer Monoblock-Weise und nicht von dem Ansatz eines aus verschiedenen Komponenten zusammengebauten Profilkörpers ausgegangen. III. Diese Auslegung hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht
15
stand. 1. Das Berufungsgericht hat bei der Auslegung des Patentanspruchs 1
16
zunächst nur die Merkmale des Oberbegriffs in den Blick genommen und ist aufgrund einer vor allem an sprachlichen Kriterien - wie dem herkömmlichen Verständnis des Begriffs eines "Trogs" - ausgerichteten Analyse zu dem "Zwischenergebnis" gekommen, dass die Formulierungen "Zungenvorrichtung" und "Zungenbett" nach dem Verständnis des Klagepatents synonym seien. Zwar ist das Berufungsgericht danach auch auf den kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs eingegangen, wonach das Zungenbett als bloßer Bestandteil des oberen Teils der Zungenvorrichtung ausgewiesen wird. Es hat sich insoweit aber mit der Feststellung begnügt, dass gleiche Begriffe eines Patentanspruchs nicht stets in demselben Sinne zu interpretieren seien und deshalb der Überlegung nichts entgegenstehe, den Begriff des Zungenbetts im Rahmen des Oberbegriffs, der die Gesamtvorrichtung beschreibe, anders auszulegen als im Kennzeichen, das die Auflagefläche umschreibe. Dies ist nicht frei von Rechtsfehlern. Zwar ist es nicht ausgeschlossen,
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dass gleichen Begriffen im Rahmen der Auslegung eines Patentanspruchs in unterschiedlichen Zusammenhängen unterschiedliche Bedeutungen zukommen können. Das ist aber nur dann anzunehmen, wenn die Auslegung des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit unter Berücksichtigung auch der Beschreibung und der Kennzeichnungen ein solches Verständnis ergibt. Dabei ist es für die Auslegung ohne Bedeutung, ob die gleichen Begriffe im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil des Patentanspruchs verwendet werden, da der äußere Aufbau des Patentanspruchs als solcher für die Ermittlung des Gegenstands des Patents außer Betracht zu bleiben hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1994 - X ZR 102/91, 1994, GRUR 1994, 357, 358 - Muffelofen; Benkard/ Scharen, PatG, 11. Aufl. (2015), § 14 PatG Rn. 13). Entscheidend sind vielmehr der Sinngehalt des Patentanspruchs in seiner Gesamtheit und der Beitrag, den die einzelnen Merkmale zum Leistungsergebnis der Erfindung liefern (BGH, Urteil vom 17. Juli 2012 - X ZR 117/11, BGHZ 194, 107 Rn. 27 - Polymerschaum ), wobei im Zweifel gleichen Begriffen im Rahmen eines Patentanspruchs auch die gleiche Bedeutung zuzumessen ist. 2. Im vorliegenden Fall sieht Patentanspruch 1 vor, dass sich die Zun18 genvorrichtung aus einem oberen und einem unteren Teil zusammensetzt, wobei der obere Teil das Zungenbett aufweist und aus einem Stahl hochfester Güte besteht, während der untere Teil aus Baustahl besteht, und die Teile miteinander verbunden sind. Aus der weiteren Angabe, dass die Zungenvorrichtung "aus" einem aus einem Vollblock hergestellten, im Wesentlichen trogförmigen Zungenbett bestehen soll, ergibt sich zwar für den oberen, das Zungenbett aufweisenden und aus einem Stahl hochwertiger Güte bestehenden Teil der Zungenvorrichtung die Notwendigkeit, aus einem Vollblock gebildet zu sein, nicht aber für dessen unteren Teil, der aus Baustahl bestehen soll, aber offensichtlich kein Zungenbett umfasst. Demnach kommt, wie bereits das Patentgericht in seinem Urteil im Nichtigkeitsverfahren (aaO, juris Rn. 63 ff.) zutreffend angenommen hat, dem sowohl in Merkmal 1b als auch in Merkmal 1c verwendeten erfindungsgemäßen Begriff der Zungenvorrichtung dieselbe technische Bedeutung zu. Dem steht auch nicht entgegen, dass, nimmt man den Patentanspruch
19
beim Wort, die Zungenvorrichtung nach Merkmal 1b "aus" einem - aus einem Vollblock hergestellten - Zungenbett (bestehen oder hergestellt) sein soll, was bei rein philologischer Betrachtung eher auf eine aus einem Vollblock geschaffene Gesamtvorrichtung hindeuten könnte. Die Formulierung, die auch das Berufungsgericht als "grammatikalisch unzulänglich" bezeichnet hat, ist erkennbar missglückt. Zum einen ist die Zungenvorrichtung nach den Merkmalen 1c und 1d zweiteilig und weist - naturgemäß - nur der obere Teil ein Zungenbett auf. Zum anderen ist auch der obere Teil nicht "aus" einem Zungenbett gearbeitet, sondern vielmehr das Zungenbett "aus" dem oberen Teil. Schließlich ergibt sich aus der Zweiteiligkeit, dass nicht die gesamte Zungenvorrichtung aus einem Vollblock herausgearbeitet sein kann, sondern allenfalls ihr oberer und ihr unterer Teil jeweils aus einem Vollblock bestehen können. Hiernach bietet die Formulierung des Patentanspruchs in Merkmal 1b - deren sprachliche Unzulänglichkeit sich zwanglos beseitigen lässt, indem die Präposition "aus" bei ihrem ersten Auftreten als "mit" gelesen wird - keine zureichende Grundlage für die sachlich ohnehin fernliegende Annahme des Berufungsgerichts, im Oberbegriff werde die Zungenvorrichtung mit dem Zungenbett gleichgesetzt. Entscheidend ist vielmehr der technische Sinngehalt des Patentanspruchs, zu dessen Verständnis insbesondere auch die Beschreibung mit heranzuziehen ist. Danach ist es das Ziel der Erfindung, die Materialkosten für eine Zun20 genvorrichtung, hergestellt aus einem Vollblock, zu reduzieren (Abs. 5). Diese Zielsetzung beruht auf der Erkenntnis, dass aus einem Monoblock hochwertigen Stahls hergestellte Zungenvorrichtungen gegenüber Zungenvorrichtungen, die aus einzelnen Teilen zusammengebaut werden, neben qualitativen Vorzügen (Vermeidung von Spannungen und Verzug beim Härten) den Zeit- und Kostenvorteil haben, dass das Zungenbett nicht mehr aufwändig gehärtet werden muss (Abs. 3 f.). Unter Beibehaltung dieser Vorteile werden die Kosten weiter gesenkt, wenn - wie in Patentanspruch 1 vorgesehen - nicht mehr die gesamte Zungenvorrichtung aus einem Vollblock hochwertigen Stahls gebildet wird, sondern sich die Zungenvorrichtung stattdessen aus einem oberen und einem unteren Teil zusammensetzt, wobei nur noch der obere Teil mit dem Zungenbett aus einem Vollblock aus hochwertigem Stahl besteht (Merkmal 1b und 1c), während der untere Teil aus Baustahl bestehen kann (Merkmal 1d) und beide Teile miteinander verbunden sind (Merkmal 1e). Hinsichtlich des unteren Teils ist es insoweit unerheblich, ob dieser gleichfalls aus einem Vollblock aus Baustahl gebildet wird oder sich aus einzelnen Teilen dieses Materials zusammensetzt. In der Beschreibung wird die Vorteilhaftigkeit einer aus einem Vollblock bestehenden gegenüber einer aus einzelnen Teilen gebildeten Zungenvorrichtung ausschließlich in Zusammenhang mit der Herstellung des im Gebrauch besonders belasteten Zungenbetts erörtert, das, wenn der Vollblock aus hochwertigem Stahl besteht, nicht mehr gehärtet werden muss, sondern aus diesem passgenau herausgefräst werden kann (Abs. 2 ff.; vgl. auch die als Stand der Technik in der Beschreibung des Klagepatents in Bezug genommene vorveröffentlichte deutsche Offenlegungsschrift 40 11 523 [K3]). Hingegen findet sich in der Beschreibung kein Anhalt dafür, dass auch mit der Bildung des unteren Teils der Zungenvorrichtung aus einem Vollblock aus Baustahl ein Kostenvorteil oder sonstiger erfindungsgemäß angestrebter Vorteil gegenüber einem sich aus mehreren einzelnen Teilen zusammensetzenden unteren Teil der Zungenvorrichtung erreicht werden soll. Das stützt die Annahme, dass sich Merkmal 1b allein auf den oberen Teil der Zungenvorrichtung nach Merkmal 1c mit dem Zungenbett bezieht. Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass bei dem in den Figuren 1
21
und 2 gezeigten erfindungsgemäßen Ausführungsbeispiel der untere Teil der Zungenvorrichtung aus einem Vollblock aus Baustahl gebildet ist, da ein Ausführungsbeispiel regelmäßig keine einschränkende Auslegung des die Erfindung allgemein kennzeichnenden Patentanspruchs erlaubt (BGH, Urteil vom 7. September 2004 - X ZR 255/01, BGHZ 160, 204, 210 - Bodenseitige Vereinzelungsvorrichtung

).


Gleiches gilt im Hinblick auf Patentanspruch 2, der ein Herzstück unter
22
Schutz stellt und ausdrücklich für den Gesamtgegenstand vorsieht, dass dieser aus einem Vollblock hergestellt sein soll, während sich Patentanspruch 1 insoweit lediglich auf das den oberen Teil der Zungenvorrichtung bildende Zungenbett bezieht. Insofern mag es auch sein, dass, wie die Beklagte in der Verhandlung vorgetragen hat, sich der Anmelder des Klagepatents keine Rechenschaft darüber abgelegt hat, welche Schlussfolgerungen sich aus der erfindungsgemäßen Lehre für die Ausgestaltung des - aus einem anderen Material als der obere Teil herzustellenden - unteren Teils der Zungenvorrichtung ergeben, und insofern subjektiv der - auch aus dem Ausführungsbeispiel ersichtlichen - Vorstellung von einem (zweiten) Vollblock verhaftet gewesen sein mag, wie auch die Anforderung, aus einem Vollblock hergestellt zu sein, in Patentanspruch 2 das Herzstück und damit die Gesamtvorrichtung betrifft. Auch die Formulierung der Aufgabe mag hierfür sprechen. Für die Auslegung eines Patents entscheidend ist jedoch nicht die subjektive Vorstellung des Anmelders, sondern die objektivierte Sicht des Fachmanns zum Prioritätszeitpunkt, die nach den obigen Ausführungen zu dem genannten Ergebnis führt (ständige Rechtsprechung, etwa: BGH, Urteil vom 13. Februar 2007 - X ZR 74/05, BGHZ 184, 49 Rn. 18 - Kettenradanordnung II). IV. Das Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand ha23 ben und ist aufzuheben. Der Senat kann die Sache selbst entscheiden, weil zusätzliche Feststellungen weder erforderlich noch zu erwarten sind und die Sache daher entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). 1. Nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsge24 richts und des Landgerichts setzt sich die als patentverletzend angegriffene Zungenvorrichtung für eine Weiche aus einem oberen Teil und einem unteren Teil zusammen. Der obere Teil ist aus einem Vollblock eines Stahls hochfester Güte hergestellt, während der untere Teil aus Baustahl besteht. Dass dieser sich aus drei miteinander verschweißten Einzelteilen zusammensetzt und damit nicht aus einem Vollblock besteht, steht nach der obigen Auslegung des Patentanspruchs 1 einer Verwirklichung des Merkmals 1b nicht entgegen. Schließlich sind auch der obere und der untere Teil der Zungenvorrichtung durch Schweißen zusammengefügt. Die als patentverletzend beanstandete Zungenvorrichtung der Beklagten verwirklicht damit die Lehre aus Patentanspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß. 2. Aus den weiteren rechtsfehlerfreien Ausführungen des Landgerichts
25
ergibt sich zudem die Begründetheit der Klageansprüche im erstinstanzlich zuerkannten Umfang, so dass auf die Revision das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen ist. V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.
26
Meier-Beck Grabinski Bacher Hoffmann Deichfuß
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.04.2013 - 4c O 6/13 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 29.01.2015 - I-2 U 28/13 -
36
(3) Das Berufungsgericht beachtet auch nicht, dass die Ausführbarkeit der in einem Patentanspruch umschriebenen technischen Lehre nicht mit der Erreichung derjenigen Vorteile gleichgesetzt werden darf, die dieser Lehre in der Beschreibung zugeschrieben werden. Kann ein solcher Vorteil - grundsätzlich oder unter den in der Praxis zu erwartenden Bedingungen - nicht erreicht werden, bedeutet dies jedenfalls nicht notwendigerweise, dass die technische Lehre der Erfindung nicht ausführbar offenbart ist. Dies ist sie vielmehr grundsätzlich bereits dann, wenn der Fachmann mit Hilfe seines Fachwissens in der Lage ist, den in den Sachansprüchen beschriebenen Gegenstand herzustellen und diejenigen Verfahrensschritte auszuführen, die in den Verfahrensansprüchen bezeichnet sind (BGH, Beschluss vom 28. April 1999 - X ZB 12/98, GRUR 1999, 920, 922 - Flächenschleifmaschine). Ergibt die Auslegung des Patentanspruchs , dass eine bestimmte Wirkung nicht nur ein Vorteil ist, der der Befolgung der technischen Lehre der Erfindung zugeschrieben wird, sondern notwendiger Bestandteil dieser Lehre ist und deshalb erzielt werden muss, soll die Erfindung als ausgeführt gelten, kann es gleichwohl genügen, wenn die Wirkung nur in geringem Maße oder nur unter bestimmten Bedingungen eintritt, sofern der erzielbare Erfolg noch praktisch erheblich ist. Nur wenn sich aus der Auslegung des Patentanspruchs auch ein oberhalb dieser Untergrenze praktischer Relevanz angesiedeltes qualitatives oder quantitatives Minimum ergibt, kann dieses den Maßstab für die Prüfung auf Ausführbarkeit bilden.
31
Der Argumentation der Klägerin kann nicht beigetreten werden. Eine für die Ausführbarkeit hinreichende Offenbarung ist gegeben, wenn der Fachmann ohne erfinderisches Zutun und ohne unzumutbare Schwierigkeiten in der Lage ist, die Lehre des Patentanspruchs aufgrund der Gesamtoffenbarung der Patentschrift in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen am Anmelde- oder Prioritätstag praktisch so zu verwirklichen, dass der angestrebte Erfolg erreicht wird (Sen.Urt. v. 14.10.1979 - X ZR 3/76, GRUR 1980, 166, 168 - Doppelachsaggregat ). Es ist also nicht erforderlich, dass bereits der Patentanspruch alle zur Ausführung der Erfindung erforderlichen Angaben enthält. Vielmehr genügt es, wenn der Fachmann die insoweit notwendigen Einzelangaben der allgemeinen Beschreibung oder den Ausführungsbeispielen entnehmen kann (Sen.Beschl. v. 16.6.1998 - X ZB 3/92, GRUR 1998, 899, 900 - Alpinski; Urt. v. 1.10.2002 - X ZR 112/99, GRUR 2003, 223, 225 - Kupplungsvorrichtung II). Nach mittels Einspruchs nicht mehr anfechtbarer Erteilung des Patents ist von einer in diesem Sinne ausreichenden Offenbarung so lange auszugehen, bis das Gegenteil nachgewiesen ist. Im Nichtigkeitsprozess führt das zur Beweislast des Klägers dafür, dass es dem Fachmann auch nach Kenntnisnahme der Angaben in der Beschreibung und der Zeichnungen der Patentschrift nicht möglich ist, die beanspruchte Lehre unter Einsatz seines Fachwissens und ohne unzumutbare Schwierigkeiten auszuführen (Busse/Keukenschrijver, aaO, § 83 PatG Rdn. 32, § 34 PatG Rdn. 301; Schulte/Moufang, PatG, 8. Aufl., 2008, § 34 PatG Rdn. 374).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 139/10 Verkündet am:
11. März 2014
Beširović
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Farbversorgungssystem
EPÜ Art. 56
Gehört eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine
Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art
nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs, kann
Veranlassung zu ihrer Heranziehung bereits dann bestehen, wenn sich die
Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als
objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar
sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit
Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen.
BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10 - Bundespatentgericht
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche
Verhandlung vom 11. März 2014 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Hoffmann, die Richterin Schuster, den
Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 8. November 2010 an Verkündungs statt zugestellte Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 796 665 (Streitpatents), das am 18. März 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 18. März 1996 angemeldet wurde. Patentanspruch 1, dem die Patentansprüche 2 bis 10 nachgeordnet sind, lautet: "Verfahren zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung von Werkstücken, insbesondere Fahrzeugkarossen, wobei auswechselbar an einer Sprühvorrichtung montierbare oder mit ihr verbindbare Behälter (2, 42) mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe an einer Befüllstelle (4) bereitgestellt oder gefüllt werden, während sie von der Sprühvorrichtung abgekoppelt und getrennt sind, wobei die Behälter von der Befüllstelle zu einer davon entfernten Übergabestelle (10) transportiert werden, von wo sie anschließend der Sprühvorrichtung zugeführt werden, und wobei die Behälter nach Gebrauch zu der Übergabestelle zurückgebracht und von dort zu der Befüllstelle zurücktransportiert werden."
2
Patentanspruch 11, dem Patentansprüche 12 bis 41 nachgeordnet sind, betrifft eine Vorrichtung (ein System) zur Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1.
3
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel einer Klageabweisung weiter, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit ihrem ersten Hilfsantrag durch Streichung der Wörter "bereitgestellt oder" in den Patentansprüchen 1 und 11 sowie mit ihrem zweiten Hilfsantrag durch die Hinzufügung von Merkmalen aus den Patentansprüchen 15 und 27 in den Patentansprüchen 1 und 11.
4
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. Dr.-Ing. J. D. , Hochschule E. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.

Entscheidungsgründe:


5
I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und ein System von Einrichtungen zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage für die Serienbeschichtung von Werkstücken.
6
1. Sprühvorrichtungen zum Beschichten von Werkstücken, insbesondere von Fahrzeugkarossen, werden entweder direkt aus Leitungen oder aus einem in der Nähe der Sprühvorrichtung angeordneten Behälter mit Farbe versorgt. Für das Beschichten kommen insbesondere auch elektrostatische Auftragssysteme in Betracht, wobei jedoch elektrisch leitende Beschichtungsmaterialien Probleme bereiten können, wenn das Material direkt über Schläuche mit der Sprühvorrichtung verbunden ist. Das im Streitpatent unter Bezugnahme auf die europäische Patentschrift 274 322 (Anl. K2) als Stand der Technik beschriebene System vermeidet solche Probleme, indem die Sprühvorrichtung mit auswechselbaren Farbbehältern in einer Sprühkabine von einem Lackierroboter getragen ist und sich Zapfstellen in der Sprühkabine befinden, von denen der Lackierroboter die mit Farbe befüllten Farbbehälter nach Bedarf abholt. Dafür hat der Roboter, so bemängelt die Streitpatentschrift, zum Ankoppeln der Behälter an den Zapfstellen aufwendig gesteuerte Bewegungen durchzuführen (Abs. 2).
7
Nach dem Streitpatent war es im Stand der Technik ebenfalls bekannt , einen Lackierroboter mit auswechselbar am Roboterarm montierbaren Behältern dadurch mit der für eine Karosse benötigten Farbmenge zu versorgen, dass befüllte Behälter nacheinander auf einem Förderband zu einer Übergabestelle transportiert werden, wo sie von einem Hilfsroboter entnommen und dem Lackierroboter übergeben werden (Abs. 3).
8
2. Vor diesem Hintergrund liegt dem Gegenstand des Streitpatents das Problem zugrunde, beim Befüllen der Farbbehälter die Verluste möglichst gering zu halten, den Beschichtungsvorgang insgesamt möglichst verzögerungsfrei zu gestalten und dabei vorzugsweise mit einem möglichst geringen Steuerungsaufwand auszukommen.
9
Zur Lösung schlägt Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung sowie gemäß den beiden Hilfsanträgen ein Verfahren vor, dessen Merkmale sich - im Wesentlichen mit dem Patentgericht - wie folgt gliedern lassen (durchgestrichene Wörter befinden sich nur in der erteilten Fassung, kursiv gesetzte Merkmale befinden sich allein in der Fassung gemäß Hilfsantrag II): 1 Das Verfahren dient der Farbversorgung einer Anlage zur Serienbeschichtung von Werkstücken. 2 Es sind auswechselbar an einer Sprühvorrichtung montierbare oder mit ihr verbindbare Behälter (2, 42) vorgesehen , die 2.1 - von der Sprühvorrichtung abgekoppelt und getrennt - an einer Befüllstelle (4) mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe bereitgestellt oder gefüllt werden, 2.2 von der Befüllstelle zu einer davon entfernten Übergabestelle (10) transportiert werden, 2.3 anschließend von der Übergabestelle (10) der Sprühvorrichtung zugeführt werden, 2.4 nach Gebrauch zu der Übergabestelle zurückgebracht werden und 2.5 von der Übergabestelle zu der Befüllstelle zurücktransportiert werden. 3 Eine Vorrichtung führt die Behälter an der Befüllstelle einer von mindestens einer Versorgungsleitung gespeisten Einrichtung zu und ist dabei in der Lage, gleichzeitig mindestens zwei Behälter zu halten. 4 Eine Linearbewegungsvorrichtung kuppelt den Behälter an der Befüllstelle längs einer geradlinigen Bahn mit der von mindestens einer Versorgungseinrichtung gespeisten Einrichtung.
10
Patentanspruch 11 ist auf ein Farbversorgungssystem gerichtet, dessen Merkmale in der Sache im Wesentlichen mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 übereinstimmen; zur Erfüllung der Transportfunktion dient eine Transportvorrichtung, mit der die Behälter von einer Befüllstelle (4) zu einer von der Befüllstelle entfernten Übergabestelle transportierbar sind (vgl. Merkmal 2.2), von wo der jeweils ausgewählte Behälter der Sprühvorrichtung zugeführt (vgl. Merkmal 2.3) und nach Gebrauch zu der Befüllstelle zurücktransportiert wird (vgl. Merkmal 2.5), wobei die Behälter während der Materialentnahme bei der Beschichtung von den Versorgungseinrichtungen getrennt sind und beim Befüllen von der Sprühvorrichtung abgekoppelt und entfernt sind (vgl. Merkmal 2.1).
11
Ein Ausführungsbeispiel des patentgemäßen Gegenstands zeigt die nachfolgende Figur 1 des Streitpatents:
12
3. Zwei Merkmale bedürfen einer kurzen Erläuterung:
13
a) Die Befüllstelle (Merkmale 2.1, 2.2 und 2.5) bezeichnet in den Patentansprüchen 1 und 11 in der Fassung des erteilten Patents nicht zwingend die Stelle, an der die Behälter mit Farbe befüllt werden. Gemeint ist damit vielmehr die Stelle, ab der die Transportvorrichtung einen (wieder -)befüllten Behälter transportiert, sei es, dass der Behälter an dieser Stelle mit Farbe befüllt wird oder sei es, dass der Behälter dort nur von der Transportvorrichtung aufgenommen wurde, nachdem er an einer anderen Stelle befüllt und auf andere Weise zu dieser Befüllstelle verbracht wurde. Das in Anspruch 1 beschriebene Verfahren bringt eine solche Bestückung mit bereits befüllten Behältern (Abs. 11 aE und Figur 1) in Merkmal 1.2 mit der Alternative eines (bloßen) Bereitstellens der Behälter zum Ausdruck. Wie die eigentliche Befüllung der Lackbehälter erfolgt, lassen die Patentansprüche 1 und 11 offen; sie kann auch manuell erfolgen (Abs. 41).
14
b) Offen lässt das Streitpatent auch die Ausgestaltung der Transportvorrichtung , die für den Transport der Behälter von der Befüllstelle zur Übergabestelle und zurück sorgt (Merkmale 2.2 und 2.5). Beschrieben und in Figur 1 gezeigt wird etwa ein drehbares Magazin; Figur 4 zeigt einen Band- oder Kettenförderer (Abs. 32). Die Beschreibung erläutert, dass der Transport "in Sonderfällen auch manuell, gegebenenfalls auf dem (in Figur 5) dargestellten Wagen" erfolgen könne (Abs. 37 aE), der wiederum auch manuell beladen werden kann (Abs. 41).
15
II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents für nicht patentfähig erachtet, weil er nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, und dies wie folgt begründet:
16
Aus der japanischen Offenlegungsschrift Sho 60-1220773 (Anl. K3 - vorgelegt in deutscher Übersetzung) sei ein Verfahren zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage bekannt gewesen, das für die Serienbeschichtung vorgesehen sei (Merkmal 1). Die K3 ziele ähnlich wie das Streitpatent auf die Schaffung eines Farbversorgungssystems ab, das einen sparsamen Umgang sowohl mit Lack als auch mit Verdünner und eine Verkürzung der Farbwechselzeit ermögliche. Hierfür verwende die K3 anstelle langer Schläuche einen Lackmaterialbehälter, der sich am Arm des Lackierroboters hinter der Spritzpistole abnehmbar anordnen lasse (Merkmal 2).
17
Zur Vermeidung langer Zuführschläuche schlage die K3 vor, außerhalb des Lackierbereichs eine Vorrichtung zur Zuführung von Lackmaterialbehältern anzuordnen, die sich gemäß dem gezeigten Ausführungsbeispiel aus einem Fördersystem für mehrere Behälter, nämlich einem Band- oder Kettenförderer (Merkmal 2.2) und einem Roboter zum Behälterwechsel , zusammensetze. Der Roboter sei dazu bestimmt, den Behälter zu greifen, der mit dem vorher festgelegten Lackmaterial gefüllt sei, und an den Arm des Lackierroboters zu stecken (Merkmal 2.3); entspre- chend Merkmal 2.1 seien die Behälter beim Befüllen mit wählbarer Farbe von der Sprühvorrichtung getrennt.
18
Gemäß den weiteren Ausführungen der K3 solle der Behälterwechselroboter den Behälter wieder vom Roboterarm entfernen und auf den Förderer zurückbringen. Folglich würden die Behälter nach Gebrauch entsprechend den Merkmalen 2.4 und 2.5 zur Übergabestelle zurückgebracht und von dort zurücktransportiert.
19
Eine Befüllstelle zur Befüllung oder Bereitstellung der Behälter mit Beschichtungsmaterial und die in Patentanspruch 11 erwähnten Versorgungseinrichtungen für Beschichtungsmaterial unterschiedlicher Farbe seien in dem Ausführungsbeispiel der K3 nicht ausdrücklich beschrieben. Eine entsprechende Ausgestaltung habe für den Fachmann, einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau mit besonderen Kenntnissen und Erfahrung auf dem Gebiet der Materialbeschichtung insbesondere mittels Sprühvorrichtungen und elektrostatischen Aufbringungsverfahren , jedoch nahegelegen. Die K3 erwähne zum Hintergrund der dort beschriebenen Erfindung Farbwechselventile, die es ermöglichen, mehrere Lackmaterialien von unterschiedlicher Farbe selektiv der Spritzpistole zuzuführen. Ohne eine Versorgungseinrichtung könne kein Farbmaterial zu solchen Ventilen gelangen. Dies spreche dafür, dass auch eine Befüllstelle für die Behälter vorhanden sei, um diese mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe befüllen zu können. Weiterhin werde eine solche Befüllstelle durch die Angabe in der Beschreibung der K3 nahegelegt , dass der Behälter nur mit der für eine Karosserie erforderlichen Lackmenge befüllt werden müsse, wenn Beschichtungsobjekte gleicher Form wie zum Beispiel Fahrzeugkarosserien nacheinander unter entsprechendem Wechsel mit unterschiedlichen Lackschichten beschichtet werden sollen.
20
Auch die Ausgestaltung nach den weiteren Merkmalen der Unteransprüche habe für den Fachmann nahegelegen.
21
III. Dies hält der Nachprüfung im Berufungsverfahren stand. Der Gegenstand des Streitpatents ist weder in der erteilten Fassung des Streitpatents noch in der Fassung eines der beiden Hilfsanträge patentfähig.
22
1. Die technische Lehre der Patentansprüche 1 und 11 beruht sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag I nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Zur Begründung kann insoweit auf die zutreffende und eingehende Begründung des angegriffenen Urteils und die Ausführungen im schriftlichen Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen verwiesen werden; auch die Beklagte hat am Schluss der mündlichen Verhandlung nicht mehr in Zweifel gezogen, dass der Fachmann bei einem Verfahren zur Farbversorgung einer Beschichtungsanlage , wie es in der vom Patentgericht herangezogenen Entgegenhaltung K3 offenbart wird, naheliegenderweise eine Befüllstelle vorgesehen hätte, an der die Behälter mit Beschichtungsmaterial wählbarer Farbe befüllt und von dort mittels einer Transportvorrichtung zu den Lackiereinrichtungen transportiert werden.
23
2. Die Patentansprüche 1 und 11 erweisen sich auch in ihrer Fassung gemäß Hilfsantrag II, mit dem in zulässiger Weise beschränkende Merkmale aus den Unteransprüchen 15 und 27 in die beiden Hauptansprüche einbezogen werden, nicht als rechtsbeständig.
24
a) Mit Merkmal 3 werden das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und eine Vorrichtung gemäß Patentanspruch 11 dahin konkretisiert, dass die beim Zuführen der Behälter an oder von der Befüllstelle zu einer von mindestens einer Versorgungsleitung gespeisten Einrichtung (Farbversorgungseinrichtung ) eingesetzte Vorrichtung gleichzeitig zwei Behälter hal- ten kann. Eine solche Handlungsweise war dem vom Patentgericht zutreffend definierten Fachmann gleichfalls nahegelegt.
25
In welchem Umfang und mit welcher Konkretisierung der Fachmann Anregungen im Stand der Technik benötigt, um eine bekannte Lösung in bestimmter Weise weiterzuentwickeln, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Frage des Einzelfalls, deren Beantwortung eine Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Sachverhaltselemente erfordert. Dabei sind nicht etwa nur ausdrückliche Hinweise an den Fachmann beachtlich. Vielmehr können auch Eigenarten des in Rede stehenden technischen Fachgebiets, insbesondere betreffend die Ausbildung von Fachleuten , die übliche Vorgehensweise bei der Entwicklung von Neuerungen, technische Bedürfnisse, die sich aus der Konstruktion oder der Anwendung des in Rede stehenden Gegenstands ergeben und auch nichttechnische Vorgaben eine Rolle spielen (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - X ZB 6/10, GRUR 2012, 378 = BlPMZ 2012, 260 - Installiereinrichtung

II).

26
Es steht daher der Annahme, der Fachmann habe Anlass gehabt, bei der Ausgestaltung einer Anlage zur Serienbeschichtung von Werkstücken in Übereinstimmung mit Merkmal 3 verfahren, nicht notwendigerweise entgegen, dass die Klägerin ein Vorbild hierfür auf dem Gebiet der Beschichtungsanlagen nicht hat aufzeigen können. Gehört eine maschinenbautechnische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Ingenieurs, kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung vielmehr bereits dann bestehen, wenn sich die Nutzung ihrer Funktionalität in dem zu beurteilenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände feststellbar sind, die eine Anwendung aus fachlicher Sicht als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (vgl.
zu ärztlichen Standardmaßnahmen BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - X ZB 5/13, juris Rn. 38 - Kollagenase I).
27
So verhält es sich hier. Nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten (Seite 28) und in seiner Anhörung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass das parallele Zuführen von zwei Behältern zur Farbversorgungseinrichtung ebenso wie das Zuführen eines befüllten Behälters zur Transporteinrichtung in einem Vorgang zusammen mit dem Zuführen eines leeren Behälters zur Farbversorgungseinrichtung eine Verfahrensweise betrifft, die der Grundidee nach dem Fachmann als Mittel bekannt war, um ein Handhabungsverfahren oder -system effizienter und damit objektiv zweckmäßiger zu gestalten und auf diese Weise zu optimieren. Das parallele Handhaben von zwei Objekten statt einem zählt damit zum allgemeinen Fachwissen des hier berufenen Ingenieurs im Sinne eines "Standardrepertoires", auf das er regelmäßig bei der Weiterentwicklung vorhandener Anlagen insbesondere dann zurückgreifen kann und zurückzugreifen Anlass hat, wenn es ihm um möglichst effektive, effiziente und zeitsparende Abläufe zu tun sein muss.
28
Diese Feststellung wird von den Entgegenhaltungen der Klägerin gestützt, die insbesondere in der US-amerikanischen Patentschrift 3 242 568 (Anl. E6) - dort vor allem in den Figuren 7 bis 21 -, aber auch in der deutschen Offenlegungsschrift 1 652 699 (Anl. E5) - dort Figuren 12 bis 12F - und der internationalen Patentanmeldung 91/18135 (Anl. E4) - dort Figuren 6 und 14 - eine parallele Handhabung der gleichzeitigen Entnahme und Zuführung von Objekten belegen. Sie zeigen damit zugleich , dass eine solche Ausgestaltung eines automatisierten Vorgangs dem Fachmann als eine objektiv zweckmäßige Zeitoptimierung von Handhabungsvorgängen im Maschinenbau allgemein bekannt war, ohne dass es darauf ankäme, ob der Fachmann die betreffenden, außerhalb des technischen Gebiets des Streitpatents liegenden Entgegenhaltungen für konkrete Überlegungen zu einer Weiterentwicklung einer Farbbeschichtungsanlage insbesondere für Fahrzeugkarosserien heranziehen würde.
29
Da Umstände, die das parallele Halten von zwei Behältern bei deren Zuführung zur Farbversorgungseinrichtung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen ließen, weder ersichtlich noch von der Beklagten vorgetragen wurden und das Streitpatent im Übrigen auch keine Hinweise zur Überwindung derartiger Probleme enthält, ist es nicht zu beanstanden, dass das Patentgericht einen Anlass für den Fachmann bejaht hat, das im Übrigen nahegelegte Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und das System nach Patentanspruch 11 entsprechend Merkmal 3 auszugestalten. Damit konnte der Fachmann insbesondere , wie in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien und dem gerichtlichen Sachverständigen erörtert, den Zeittakt für den Transport und die Befüllung der Behälter so optimieren, dass zwei Lackierroboter von derselben Transportvorrichtung mit befüllten Behältern versorgt werden können.
30
b) Ebenso lag es nahe, entsprechend Merkmal 4 die Behälter an der Befüllstelle mittels einer Linearbewegungsvorrichtung längs einer geradlinigen Bahn mit einer Farbversorgungseinrichtung zu kuppeln.
31
Entsprechend den zutreffenden Ausführungen des Patentgerichts waren Linearbewegungsvorrichtungen dem Fachmann insbesondere durch sein Studium und aus der Fachliteratur allgemein als Standardwerkzeuge bekannt, um definierte lineare Bewegungen durchzuführen. Um Handlungsbewegungen möglichst auf ein Minimum zu reduzieren und damit Zeit zu sparen, war es objektiv zweckmäßig, eine geradlinige Bahn vorzusehen und hierfür Linearbewegungsvorrichtungen einzusetzen. Da hierfür keine Schwierigkeiten oder Hindernisse bei der Anwendung an einer Transportvorrichtung nebst Behältern und Farbversorgungseinrichtungen entsprechend dem Gegenstand des Streitpatents ersichtlich waren, bot es sich dem Fachmann deshalb an, diesen Gegenstand entsprechend dem Merkmal 4 zu gestalten.
32
c) Da beide Merkmale 3 und 4 jeweils für sich genommen objektiv zweckmäßig mit Standardmitteln den Gegenstand des Streitpatents ergänzen und sich auch aus ihrer Kombination keine Hinderungsgründe ergeben , lag ein entsprechendes Vorgehen auch in der Kombination beider Merkmale für den Fachmann nahe.
33
d) Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 und die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 11 beruhen folglich auch in der Fassung des Hilfsantrags II nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
34
3. Schließlich sind auch die Gegenstände der Unteransprüche 2 bis 10 und 12 bis 41 sowohl in der erteilten Fassung als auch in der Fassung der beiden Hilfsanträge nicht patentfähig.
35
Zur Begründung kann insoweit zunächst auf die zutreffende und sorgfältige Begründung des angegriffenen Urteils sowie hinsichtlich der Patentansprüche 15 und 27 ergänzend auf die vorstehenden Ausführungen zu den Merkmalen 3 und 4 verwiesen werden.
36
Zu Unteranspruch 25, dem gemäß bei einer Beschichtungsanlage entsprechend den vorangehenden Ansprüchen die Behälter an der Übergabestelle wahlweise mindestens zwei von einander getrennten Sprühvorrichtungen , mithin Lackierrobotern, zugeführt werden können, ist im Hinblick auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung zu ergänzen, dass ein solches paralleles Vorgehen dem allgemeinen verfahrens- und systemtechnischen Optimierungsbestreben des Fachmanns entsprach. Es gehörte zu seinem allgemeinen Fachwissen und -können, Verfahrensschritte und -komponenten nach Möglichkeit in einer Weise und in einer Anzahl miteinander zu verknüpfen, dass keine Komponente unnötige Still- standszeiten aufweist. Wenn eine Komponente bei den von ihr zu vollziehenden Verfahrensschritten aufgrund der für sie maßgeblichen Leistungskapazität mit mehr als einer anderen Komponente in Interaktion treten kann, hat der Fachmann - jedenfalls bei einem zeitkritischen Verfahren wie dem Lackieren von Fahrzeugkarossen - grundsätzlich Anlass, ein solches paralleles Interagieren zur Erhöhung der Effizienz des Systems auch vorzusehen (vgl. Sachverständigengutachten Seite 28 unten). Die Anhörung des Sachverständigen hat hierzu bestätigt, dass die Transportvorrichtung und die Befüllung der Behälter bei einer Bestückungsanlage entsprechend dem Gegenstand des Streitpatents es gestatten, jedenfalls zwei Lackierroboter an nur einer Übergabestelle der Transportvorrichtung mit befüllten Behältern zu versorgen. Die Beschreibung des Streitpatents und der Vortrag der Beklagten lassen auch keine Schwierigkeiten erkennen , die hierfür zu überwinden gewesen wären. Für den Fachmann lag ein solches paralleles Interagieren an der Übergabestelle der Transportvorrichtung daher nahe und erforderte keine erfinderische Tätigkeit.
37
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Hoffmann Schuster Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.11.2010 - 4 Ni 101/08 (EU) -
113
Sofern eine technische Lösung als ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehendes Mittel ihrer Art nach zum allgemeinen Fachwissen des angesprochenen Fachmanns gehört, kann Veranlassung zu ihrer Heranziehung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings bereits dann bestehen, wenn es für ihre Anwendung zwar kein konkretes Vorbild gibt, sich aber die Nutzung ihrer Funktionalität in dem betreffenden Zusammenhang als objektiv zweckmäßig darstellt und keine besonderen Umstände festzustellen sind, die eine Anwendung als nicht möglich, mit Schwierigkeiten verbunden oder sonst untunlich erscheinen lassen (BGH, Urteil vom 11. März 2014 - X ZR 139/10, GRUR 2014, 647 - Farbversorgungssystem).

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)