Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2015 - X ZR 19/13

bei uns veröffentlicht am21.04.2015
vorgehend
Bundespatentgericht, 2 Ni 46/11, 27.09.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 1 9 / 1 3 Verkündet am:
21. April 2015
Hartmann
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck und die
Richter Gröning, Dr. Bacher, Hoffmann und Dr. Deichfuß

für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats ) des Bundespatentgerichts vom 27. September 2012 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


1
Die Beklagte ist Inhaberin des am 6. April 2001 angemeldeten und mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 193 511 (Streitpatents). Das Streitpatent, das die Priorität einer japanischen Anmeldung vom 10. April 2000 in Anspruch nimmt, umfasst fünf Patentansprüche. Patentanspruch 1, auf den die weiteren Ansprüche unmittelbar oder mittelbar rückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache: "Retroreflective sheeting having a printed layer (2), the sheeting comprising at least a reflective element layer (5) made up of a large number of reflective elements (4) and a holding body layer (3) and a surface protective layer (1) provided on said reflective element layer (5), said printed layer (2) is provided on the lateral faces of said reflective elements (4) or between said holding body layer (3) and said surface protective layer (1) or on said surface protective layer (1), which is characterized in that said printed layer (2) is formed of a discrete repetitive pattern of unit patterns, and said unit patterns each have an area of 0.15 mm² to 30 mm²."
2
Die Klägerin hat das Streitpatent in vollem Umfang angegriffen und geltend gemacht, sein Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat das Streitpatent hilfsweise in zehn beschränkten Fassungen verteidigt.
3
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:


4
Die zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg und führt zur Abweisung der Klage.
5
I. Das Streitpatent betrifft eine rückstrahlende Folie, die eine gedruckte Schicht aufweist.
6
1. Nach der Patentbeschreibung sind retroreflektierende Folien bekannt und werden in weitem Umfang eingesetzt, etwa bei Verkehrsschildern, Baustellenschildern , Nummernschildern, Sicherheitswesten oder für Sensoren. Zum Teil würden dabei Folien mit Mikroglasperlen verwendet. Ein sehr viel besseres Rückstrahlverhalten wiesen Folien auf, die den Effekt rückstrahlender Würfeleckenelemente nutzten und deren Einsatz wegen ihrer hervorragenden Rückstrahleigenschaften von Jahr zu Jahr zugenommen habe. Als bekannt schildert die Beschreibung auch Folien mit dreieckigen Würfelecken, bei denen die seitlichen Oberflächen ihrer dreieckigen reflektierenden Elemente mit Metall bedampft sind. Eine solche durch Dampfablagerung hergestellte Folie weise den Nachteil auf, dass ihr Erscheinungsbild durch den Einfluss der Metallfarbe verdunkelt werde. Zur Verbesserung des Farbtons bei rückstrahlender Folie mit dreieckigen Würfelecken und bei durch Dampfablagerung hergestellter rückstrahlender Folie mit dreieckigen Würfelecken habe man eine durchgehende gedruckte Schicht (continuous printed layer) in einem Teil der Folie vorgesehen. Jedoch hafte eine solche gedruckte Schicht schlecht an der Schicht aus reflektierenden Elementen und an der Oberflächenschutzschicht. Zudem biete sie eine schlechte Witterungsbeständigkeit und nehme leicht Wasser auf (Abs. 7). Werde eine solche gedruckte Schicht bei einer rückstrahlenden Folie mit Mikroglasperlen als reflektierenden Elementen eingesetzt, zeige diese keine befriedigenden Rückstrahleigenschaften (Abs. 11).
7
Die Übersetzung des Begriffs "printed layer" als gedruckte - nicht: bedruckte - Schicht soll verdeutlichen, dass die Druckfarbe nicht notwendig auf eine eigene Trägerschicht aufgetragen wird, sondern unmittelbar auf einen anderen Bestandteil des Schichtaufbaus, etwa die seitliche Oberfläche der reflektierenden Elemente, aufgetragen werden kann.
8
2. Vor diesem Hintergrund besteht das technische Problem darin, eine rückstrahlende Folie mit einer gedruckten Schicht zur Einstellung des Farbtons bereitzustellen , die eine verbesserte Witterungsbeständigkeit aufweist und einfach und kostengünstig herzustellen ist.
9
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Folie mit folgenden Merkmalen vor (Gliederung des Patentgerichts in eckigen Klammern): Rückstrahlende Folie [1], umfassend 1. zumindest eine Schicht (5) aus reflektierenden Elementen, bestehend aus a. einer großen Anzahl von reflektierenden Elementen (4) und b. einer Haltekörperschicht (3); [1.2 teilweise] 2. eine Oberflächenschutzschicht (1), die auf der Schicht (5) aus reflektierenden Elementen vorgesehen ist; [1.2 Rest] 3. eine gedruckte Schicht (2), [1.1] a. die vorgesehen ist entweder (1) auf den seitlichen Oberflächen der reflektierenden Elemente [1.3.1], oder (2) zwischen der Haltekörperschicht (3) und der Oberflächenschutzschicht (1), [1.3.2] oder (3) auf der Oberflächenschutzschicht (1), [1.3.3] b. die ein diskretes, sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern aufweist, [1.4] c. wobei die Einheitsmuster jeweils eine Fläche von 0,15 mm² bis 30 mm² haben. [1.5]
10
4. Einige Merkmale bedürfen der näheren Erläuterung.
11

a) Patentanspruch 1 spricht allgemein von rückstrahlenden Folien, die zumindest eine Schicht mit einer großen Anzahl von reflektierenden Elementen aufweisen. Darunter fallen nicht nur Folien mit dreieckigen Würfelecken, sondern auch Folien , bei denen als reflektierende Elemente etwa eine Vielzahl von Mikroglasperlen Verwendung finden. Erst Patentanspruch 2 ist auf rückstrahlende Folien mit dreieckigen Würfeleckenelementen als reflektierenden Elementen beschränkt, während Patentanspruch 3 eine weitere Einschränkung auf Folien mit dreieckigen Würfelelementen aufweist, bei denen die seitliche Oberfläche eine mittels Dampf abgelagerte Schicht aufweist.
12
b) Die Übersetzung von Patentanspruch 1 in der Fassung der DE 601 25 484 ist, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, hinsichtlich des Schichtaufbaus der Folie nicht gelungen. Sie vermittelt den Eindruck, es gebe eine Schicht (5) mit einer großen Anzahl reflektierender Elemente (4), außerdem eine Haltekörperschicht (3) sowie eine Oberflächenschutzschicht (1). Wie die Absätze 18 und 20 der Beschreibung sowie die Figuren 1 bis 3 des Streitpatents zeigen, umfasst die Folie demgegenüber eine Schicht (5) aus reflektierenden Elementen, die ihrerseits aus einer großen Anzahl von reflektierenden Elementen (4) und aus einer Haltekörperschicht (3) besteht. Außerdem gibt es eine Oberflächenschutzschicht (1) sowie eine gedruckte Schicht (2). Die vorstehende Merkmalsgliederung gibt diesen Schichtaufbau wieder.
13
c) Nach der Fassung von Patentanspruch 1 ist nicht ausgeschlossen, dass die Folie weitere Schichten umfasst. Die Ausführungsbeispiele zeigen etwa eine Bindemittelschicht , eine Klebeschicht und eine ablösbare Folienbahn (siehe Abs. 20, Figuren 1 bis 3). Das Patentgericht hat auch zu Recht angenommen, dass Merkmal 3 a (2) keine Beschränkung dahin enthält, dass die gedruckte Schicht unmittelbar zwischen der Haltekörperschicht und der Oberflächenschutzschicht angeordnet sein muss. Patentanspruch 1 schließt nicht aus, dass zwischen diesen Schichten weitere Schichten angeordnet sind.
14

d) Merkmal 1 kann nicht entnommen werden, dass die Schicht (5) ausschließlich aus den reflektierenden Elementen (4) und einer Haltekörperschicht (3) besteht. In diese Richtung weist allerdings zunächst, dass Patentanspruch 1 an dieser Stelle nicht davon spricht, dass die Schicht (5) reflektierende Elemente und eine Haltekörperschicht umfasst, sondern dass sie aus ihnen besteht (made up of). Andererseits kann nach Merkmal 3 a (1) die gedruckte Schicht auf den seitlichen Oberflächen der reflektierenden Elemente aufgebracht sein und sich damit jedenfalls dann im Bereich der Schicht (5) aus reflektierenden Elementen befinden, wenn die Haltekörperschicht aus der Richtung des Lichteinfalls vor den reflektierenden Elementen liegt. Ein entsprechendes Ausführungsbeispiel zeigt die Figur 3 der Streitpatentschrift.
15
e) Merkmal 2 ist nicht dahin zu verstehen, dass die Oberflächenschutzschicht unmittelbar auf der Schicht aus reflektierenden Elementen aufgebracht sein muss. Dies ergibt sich, anders als die Beklagte meint, auch nicht daraus, dass die Oberflächenschutzschicht nach Merkmal 2 "auf" der Schicht aus reflektierenden Elementen vorgesehen ist ("... provided on said reflective element layer …"). Die Fi- guren 1 und 2 zeigen Ausführungsbeispiele, bei denen zwischen den genannten Schichten eine gedruckte Schicht angeordnet ist. Etwas anderes kann auch nicht daraus abgeleitet werden, dass die gedruckte Schicht diskrete Elemente aufweist, denn dies bedeutet nicht notwendig, dass die umgebenden Schichten in den unbedruckten Bereichen in unmittelbarem Kontakt miteinander stehen. Die Beschreibung sieht vielmehr auch die Möglichkeit vor, dass die Druckfarbe auf einen Acrylfilm aufgetragen wird (Abs. 85 f.), der dann - beispielsweise - zwischen der Haltekörperschicht und der Oberflächenschutzschicht angeordnet wird, so dass diese nicht in unmittelbarem Kontakt stehen.
16
f) Eine eindeutige Aussage darüber, ob die Haltekörperschicht als die Schicht, die die reflektierenden Elemente hält, aus der Richtung des Lichteinfalls gesehen vor oder hinter den reflektierenden Elementen liegt, ist Patentanspruch 1 nicht zu entnehmen. Da die gedruckte Schicht, wie sich aus dem Zusammenhang der Pa- tentschrift ergibt, die optische Wahrnehmung des reflektierten Lichts beeinflussen soll, muss die Haltekörperschicht allerdings jedenfalls dann vor den reflektierenden Elementen liegen, wenn die gedruckte Schicht gemäß Merkmal 3 a (2) zwischen der Haltekörperschicht und der Oberflächenschutzschicht vorgesehen ist. Ist die gedruckte Schicht dagegen entsprechend den Varianten 3 a (1) oder (3) auf den seitlichen Oberflächen der reflektierenden Elemente oder auf der Oberflächenschutzschicht vorgesehen, ist auch ein Aufbau möglich, bei dem die reflektierenden Elemente auf der Haltekörperschicht angeordnet sind, diese also aus der Sicht des Lichteinfalls hinter jenen liegt.
17
g) Nach Merkmal 3 b weist die gedruckte Schicht ein diskretes, sich wiederholendes Muster (discrete repetitive pattern) aus Einheitsmustern auf. Dies bringt zum Ausdruck, dass eine Schicht gemeint ist, die bedruckte Bereiche aufweist, die voneinander beabstandet (diskret) sind, so dass zwischen ihnen unbedruckte Bereiche liegen. Das Streitpatent grenzt sich damit von dem eingangs beschriebenen Stand der Technik ab, nach welchem eine durchgehend gedruckte Schicht (conti- nuous printed layer) vorgesehen war (Abs. 6). In der Beschreibung wird hierzu ausgeführt , das Maß des Abstands zwischen den einzelnen Einheitsmustern sei beliebig , solange sichergestellt sei, dass jedes Einheitsmuster einen unabhängigen Bereich bilde und zwischen den Einheitsmustern ein nicht bedruckter Bereich liege (Abs. 29). Der Abstand zwischen den einzelnen bedruckten Bereichen soll gewährleisten , dass Feuchtigkeit, die am seitlichen Rand der Folie auftritt und von der Druckfarbe absorbiert wird, nicht weiter in die Folie eindringt. Beispiele für ein patentgemäßes Muster zeigen Figuren 4 und 5, dagegen bietet Figur 6 ein Beispiel für eine - nicht patentgemäße - durchgehend gedruckte Schicht.
18
Ein sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern (unit patterns) meint dabei , dass die bedruckten Bereiche eine bestimmte, einheitliche Form aufweisen, die immer wiederkehrt. Als Beispiele für solche Einheitsmuster werden in der Streitpatentschrift Ellipsen, Quadrate, Rechtecke, aber auch Buchstaben und Symbole genannt (Abs. 26). Figuren 4 und 5 zeigen beispielhaft Muster aus Kreisflächen und Kreuzen als Einheitsmustern. Dass es sich um ein sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern handeln muss, schließt dabei nach der Beschreibung (Abs. 26) nicht aus, dass verschiedene solcher in Betracht kommenden Muster in der Weise miteinander kombiniert werden, dass sie sich regelmäßig wiederholen. Unter den Anspruch fiele etwa auch ein Muster, bei dem sich Kreisflächen und Kreuze regelmäßig abwechseln. Welche Farbe für den Druck verwendet wird, überlässt das Patent dem Fachmann.
19
h) Die in Merkmal 3 c genannte Fläche ist auf den jeweils einzelnen bedruckten Bereich bezogen. Wie sich aus Absatz 28 der Beschreibung ergibt, soll eine Mindestgröße der Einheitsmuster erforderlich sein, um eine Kontrolle des Farbtons zu ermöglichen, während die vorgesehene Obergrenze sicherstellen soll, dass die Klebekraft nicht zu sehr verringert wird. Angaben zum Maß der Abstände, die zwischen den Einheitsmustern liegen, enthält Patentanspruch 1 nicht.
20
II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet :
21
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann, einem Physiker oder Ingenieur mit Fachhochschul- oder Hochschulabschluss im Bereich Materialwissenschaften /Werkstofftechnik, der Erfahrung in der Entwicklung von bedruckten Folien, insbesondere mit retroreflektierenden Eigenschaften habe, dem die optische Wirkung solcher Folien bekannt sei und der im Hinblick auf Druckverfahren entweder selbst über gute Kenntnisse verfüge oder hierzu einen Druckingenieur zu Rate ziehe, sowohl nach der erteilten als auch nach den beschränkten Fassungen der Hilfsanträge durch den Stand der Technik nahegelegt.
22
Die internationale Anmeldung WO 98/47129 (K4) zeige retroreflektierende Elemente, die z.B. in Werbeschildern einsetzbar seien, und beschreibe einen Aufbau mit einer retroreflektierenden Folie und einer von dieser lösbaren bildtragenden Folie. Diese könne mittels eines transparenten Klebers oder rein adhäsiv auf der retroreflektierenden Folie angebracht werden. Neben einem Bildmotiv sei dort zur Aufhel- lung eine sehr helle weiße Schicht mit einer Bedeckung von 1 bis 10% vorgesehen. Das Bildmotiv werde nach K4 vorzugsweise im Vierfarbdruck mit einer gröberen Punktstruktur als üblich, z.B. einem 30er oder 45er Raster, aufgebracht. Für den Fachmann habe es sich angeboten, die zusätzliche helle weiße Schicht ebenso wie das Vierfarb-Rasterdruckmotiv aus rasterartig angeordneten, gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilten Farbpunkten zu drucken. Auch wenn dies in K4 nicht ausdrücklich angegeben sei, dränge es sich für den Fachmann bereits aus Gründen der Einfachheit geradezu auf, die fünfte helle Schicht in einem ebenso großen Raster zu drucken wie für den Vierfarb-Rasterdruck verwendet. Damit ergäben sich Flächen von maximal 0,072 mm².
23
In der internationalen Anmeldung WO 99/37470 (K6) sei die Herstellung einer retroreflektierenden Folie beschrieben, wobei auf einen transparenten Film Druckmuster aufgebracht werden, auf die eine Schicht aus teilweise verfestigten Prismen folge, die retroreflektierend ausgebildet sein könnten. Das Druckmuster könne nach K6 auch dazu dienen, die Weiße des Produkts zu verbessern. Als mögliches Muster seien u.a. Punkte in einer wiederholten Anordnung genannt. Figur 9 zeige eine retroreflektierende Folie mit einem Substrat, mit Kleber festgelegten Mikroprismen mit einer reflektierenden Metallschicht sowie einer transparenten Schutzschicht. Zwischen Mikroprismen und Schutzschicht sei eine gedruckte Schicht vorgesehen. Angaben zu den Abmessungen der Druckmuster enthalte K6 nicht.
24
Die europäische Patentanmeldung K7 sei als Übersetzung der vorveröffentlichten internationalen Anmeldung in japanischer Sprache WO 99/54740 (K7') anzusehen. Deren Figur 13 zeige eine rückstrahlende Folie mit einer Schicht aus reflektierenden Elementen und einer Haltekörperschicht sowie einer Oberflächenschutzschicht. Zu erkennen sei auch eine gedruckte Schicht, die nach der zugehörigen Beschreibung entweder zwischen der Oberflächenschutzschicht und der Haltekörperschicht oder auf der Oberflächenschutzschicht oder auf der reflektierenden Oberfläche der reflektierenden Elemente angebracht sein könne.
25
Die Auszüge aus den Fachbüchern "Allgemeine Fachkunde der Drucktechnik" von Armin Leutert (K44) und "Real World Scanning and Halftones" von David Blatner und Steve Roth (K45) zeigten, welches Fachwissen dem Fachmann zuzurechnen sei.
26
Es könne offen bleiben, ob mit einer Folie gemäß dem Gegenstand von Patentanspruch 1 eine Verbesserung der Witterungsbeständigkeit erreicht werde. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei dem Fachmann jedenfalls aufgrund anderer Überlegungen nahelegt. Der Fachmann, der von K6 ausgehe, ziehe die K4 heran. Diese wiederum lege ihm die Anordnung der weißen Punkte in einem regelmäßigen Raster mit grober Rasterung nahe. Da der Fachmann eine einheitliche Aufhellung und eine einfache Herstellung anstrebe, dränge es sich ihm geradezu auf, die Rasterpunkte einheitlich groß zu wählen. Während die in K4 vorgesehene Bedeckung mit Weiß von 5% für den dort verfolgten Zweck angemessen erscheine, weil die Retroreflektivität bereits durch die vier Farbschichten des Bildmotivs beeinträchtigt werde , könne der Fachmann, der die K6 zum Ausgangspunkt nehme, die nur eine einzige Druckschicht zur Aufhellung vorsehe, eine höhere Bedeckung in Betracht ziehen, um eine stärkere Aufhellung zu erreichen. Wäge der Fachmann zwischen Verbesserung der Weiße und Erhaltung der Retroreflektivität ab und stelle er hierbei die Verbesserung der Weiße in den Vordergrund, führe ihn dies ohne weiteres in den auch im Streitpatent als vorteilhaft bezeichneten Bereich einer Bedeckung von bis zu 40%. Lege man das in K4 genannte gröbste Raster (30 Punkte pro Zoll) zugrunde, gelange man zu Rasterpunkten von bis zu 0,36 mm² und damit zu einem Wert, der innerhalb der in Patentanspruch 1 genannten Spannbreite liege.
27
Auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 nach den Hilfsanträgen beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
28
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsrechtszug nicht stand.
29
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist durch den Stand der Technik nicht vorweggenommen.
30
a) Die internationale Anmeldung WO 98/47129 (K4) befasst sich mit Schildern , insbesondere Werbeschildern oder Verkehrszeichen, die bei Tag und bei Nacht gleichermaßen gut erkennbar sein sollen. Eine solche Vorrichtung umfasst eine reflektierende Folie mit prismatischen Linsen und eine Bildträgerfolie, die vor der reflektierenden Folie angeordnet ist und dann unmittelbar an ihr anliegt. Die Bildträgerfolie kann von der reflektierenden Folie getrennt werden, etwa um einen Austausch des Bildes zu ermöglichen. Das Bild wird vorzugsweise im Vierfarbdruck aufgebracht. Dabei wird der Bildeffekt durch eine Auswahl einzelner Punkte erzielt, die entweder einzeln oder in teilweiser oder vollständiger Überlappung auf der Oberfläche angeordnet werden (S. 3, Z. 9 bis 12, S. 5, Z. 11 bis 14). K4 sieht vor, dass durch die Wahl einer gröberen Punktstruktur als herkömmlich, etwa eines Rasters von 30 bis 45 screens (= Rasterlinien oder Rasterpunkte pro Zoll), eine verbesserte Wirkung und ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen dem Einsatz bei Tag und bei Nacht erreicht wird (S. 4, Z. 3 bis 6). Der Druck des Bildes wird vorzugsweise auf der Rückseite eines transparenten Materials angebracht, damit die Punktstruktur so nahe wie möglich an der reflektierenden Folie ist (S. 4, Z. 13 bis 16).
31
Der erstrebte Ausgleich zwischen der Sichtbarkeit bei Tag und bei Nacht wird nach K4 befördert, wenn über das Bild noch ein weißer Schleier ("a very light screen of white") gedruckt wird. Dies bewirke eine deutliche Aufhellung des Bildes bei Tag, ohne die Retroreflektion bei Nacht nennenswert zu beeinträchtigen (S. 3, Z. 25 bis 30). Dieser weiße Schleier soll vorzugsweise einen Bedeckungsgrad von 1 bis 10% aufweisen, wobei 5% als besonders vorteilhaft beschrieben wird (S. 4, Z. 1 bis 2). Zu dieser weißen Schicht ist in K4 weiter ausgeführt, dass sie vorzugsweise auf der Rückseite des Bildträgers nach dem Vierfarbdruck des Bildes als fünfte Schicht mit einem Bedeckungsgrad von 5% aufgetragen wird (S. 4, Z. 17 bis 18, S. 5, Z. 15 bis 20, S. 7, Z. 33 bis 37). Erwähnt wird auch eine Ausführungsform, bei der nur die Be- reiche, die nicht oder nur ganz leicht mit Farbe bedruckt sind, einen Bedeckungsgrad mit Weiß von 5% aufweisen (S. 8, Z. 1 bis 3).
32
Die nachstehende Figur 1 der K4 zeigt ein Ausführungsbeispiel.


33
Bezugszeichen 8 bezeichnet die reflektierende Schicht aus prismatischen Linsen (prismatic lens reflective sheeting), 7 die bildtragende Schicht (image carrying sheet), 6 die vordere Deckschicht (front cover sheet) und 2 die Stützschicht (backing sheet).
34
K4 offenbart damit eine rückstrahlende Folie mit einer Schicht aus reflektierenden Elementen, die eine große Anzahl von reflektierenden Elementen aufweist. Der Aufbau umfasst ferner eine gedruckte Schicht und eine Oberflächenschutzschicht. Unerheblich ist, dass diese nicht unmittelbar auf der Schicht aus reflektierenden Elementen vorgesehen ist, sondern sich vor der Bildträgerfolie befindet, denn Merkmal 2 kann, wie oben ausgeführt, nicht entnommen werden, dass die Oberflächen- schutzschicht unmittelbar auf der Schicht aus reflektierenden Elementen angeordnet ist.
35
Ob der Fachmann die Stützschicht als Halteschicht ansieht, kann offenbleiben , weil K4 jedenfalls die Merkmale 3 b und 3 c nicht offenbart. Zwar sind in K4 getrennte Punkte erwähnt, die einzeln auf der Oberfläche der bildtragenden Folie angeordnet werden können. Damit ist jedoch kein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern offenbart. K4 beschreibt an den entsprechenden Stellen lediglich die Vorgehensweise beim Vierfarbdruck, bei dem, je nach der gewünschten Farbe und Intensität, einzelne Punkte der vier Farben getrennt oder einander überlappend angeordnet werden. Merkmal 3 b stellt jedoch nicht auf den Druckvorgang, sondern auf dessen Ergebnis ab. Ob am Ende, nach dem Aufbringen der vier Farben , noch einzelne, voneinander getrennte und damit diskrete Punkte vorliegen und ob diese in einem sich wiederholenden Muster vorliegen, ist K4 nicht zu entnehmen. Zudem enthält K4 keine Angaben zu den Größen der bedruckten Bereiche, die sich am Ende - nach dem Auftrag von vier oder fünf Farben (einschließlich Weiß) - ergeben. Soweit dort die Verwendung eines gröberen Rasters als üblich als vorzugswürdig bezeichnet wird, bezieht sich das auf den Vierfarbdruck. Der Fachmann kann hieraus lediglich ableiten, welche Größe die Punkte der einzelnen Farben aufweisen, nicht jedoch, welche Fläche die bedruckten Bereiche nach der Beendigung des Drucks aufweisen. Allein auf deren Größe - nicht auf die Größe der Punkte, mit denen die einzelnen Farben aufgetragen werden - kommt es jedoch für die Offenbarung von Merkmal 3 c an.
36
Zum Auftrag der fünften, weißen Farbschicht, die K4 als vorzugswürdig bezeichnet , enthält das Dokument keinen eindeutigen Hinweis darauf, dass auch diese in Punktform aufgetragen wird. K4 gibt nur für den Deckungsgrad einen Bereich von 1 bis 10% als vorzugswürdig an. Zur Erläuterung eines Beispiels wird bemerkt, dass die Punkte 5% der bedeckten Fläche abdecken ("… the dots cover 5% of the covered area …"). Der Auffassung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts , K4 offenbare implizit auch ein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern (BB2 S. 13 = Übersetzung S. 16 unten), kann nicht gefolgt werden, da die weiße Farbe auch anders, etwa in der Form von Linien aufgebracht werden kann, um einen solchen Bedeckungsgrad zu erreichen. Selbst wenn dies aber angenommen würde, sind damit Merkmale 3 b und 3 c nicht vorweggenommen, da K4 den Auftrag der weißen Farbe nur als fünfte Schicht über dem Vierfarbdruck anspricht. Maßgeblich ist jedoch nicht, ob weiße Punkte in einem diskreten, sich wiederholenden Muster vorhanden sind, sondern ob die bedruckten Bereiche ein solches Muster bilden. Ein Eindringen von Wasser vom Rand der Folie soll nach der Lehre des Streitpatents dadurch vermieden werden, dass es zwischen den bedruckten Bereichen, die ein sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern bilden, nicht bedruckte Bereiche gibt. Nur dann liegt ein diskretes Muster vor.
37
b) Gegenstand der internationalen Anmeldung WO 99/37470 (K6) ist ein retroreflektierendes Material mit aufgedrucktem Muster. K6 schildert, dass dafür kubisch -eckige Reflektoren - wie dreieckige Würfelecken - verwendet werden. Auf einen transparenten Film wird ein Muster gedruckt, das auf der Prismenstruktur angebracht und durch eine Folie bedeckt wird (S. 3, Z. 2 bis 11). Das Muster kann auch zur Verbesserung der Weiße verwendet werden (S. 3, Z. 14 bis 16). Dazu können Linien oder Punkte, die ein Muster - wiederholend oder zufällig - bilden, aufgedruckt werden (S. 3, Z. 35 bis S. 4 Z. 2). Die nachstehend wiedergegebene Figur 9 der K6 zeigt ein Beispiel für den Aufbau eines solchen Materials, wobei das Licht von unten einfällt.
38
Dabei bezeichnet Bezugszeichen 96 ein Substrat, 97 eine Klebstoffschicht, 64 und 64A retroreflektierende Prismen, 20 einen bedruckten Bereich und 95 eine Schutzschicht.
39
Eine Folie mit diesem Aufbau entspricht Merkmal 1. Sie umfasst eine Schicht, die aus einer großen Anzahl reflektierender Elemente und einer Haltekörperschicht besteht. Als Haltekörperschicht ist die Klebestoffschicht 97 anzusehen. Dem steht, anders als die Beklagte meint, nicht entgegen, dass diese Schicht aus der Richtung des Lichteinfalls hinter den reflektierenden Elementen liegt, da Patentanspruch 1, wie ausgeführt, keine Beschränkung dahin enthält, dass sich die Haltekörperschicht vor den reflektierenden Elementen befindet. Die Schutzschicht 95 ist im Sinne von Merkmal 2 als Oberflächenschutzschicht anzusehen und auf der Schicht aus reflektierenden Elementen angeordnet. Offenbart ist auch Merkmal 3 a (2), da die gedruckte Schicht 20 zwischen der Klebstoffschicht 97 und der Schutzschicht 95 angeordnet ist. Merkmal 3 a (2) ist, wie ausgeführt, nicht zu entnehmen, dass zwischen den genannten Schichten keine weiteren Schichten angeordnet sein dürfen.
40
Nicht vollständig offenbart ist Merkmal 3 b. K6 spricht zwar von Punkten, die in einem sich wiederholenden Muster aufgedruckt sein können. Dass diese Punkte diskret angeordnet sind, sich also zwischen ihnen jeweils Bereiche befinden, die nicht bedruckt sind, lässt sich K6 jedoch nicht entnehmen. Die Offenbarung diskreter Elemente kann auch nicht darin gesehen werden, dass in Figur 9 rechts und links des bedruckten Bereichs 20 ein nicht bedruckter Bereich liegt.
41
K6 enthält ferner keine Angaben zu den Flächen der dort erwähnten Punkte, vielmehr wird dort gesagt, das Muster könne jede Form oder Größe haben (S. 10, Z. 4). Damit fehlt es an einer Vorwegnahme von Merkmal 3 c.
42
c) Die von der Klägerin vorgelegten, nach ihrem Vortrag offenkundig vorbenutzten Kfz-Kennzeichen und Kennzeichen-Aufkleber aus Deutschland, den USA und Kanada nehmen den Gegenstand von Patentanspruch 1 ebenfalls nicht vorweg. Diese Gegenstände zeigen jeweils eine Farbschicht, auf der mit anderer Farbe ein Muster aufgedruckt ist. Damit ist schon nicht dargetan, dass es sich um ein diskretes Muster handelt, dass sich also zwischen den mit Farbe bedeckten Bereichen der bedruckten Schicht jeweils unbedruckte Bereiche befinden. Für die Bestimmung der Fläche nach Merkmal 3 c kommt es zudem nicht darauf an, welche Fläche das Muster aufweist, das auf einer Farbschicht aufgedruckt ist, sondern auf die Größe der einzelnen Punkte, die diese Farbschichten bilden.
43
d) Die 3M-Folie Nr. 3821 stellt die Neuheit des Gegenstands von Patentanspruch 1 gleichfalls nicht in Frage. Merkmale 3 b und 3 c sind nicht offenbart. Die aus K21 ersichtlichen gelben Punkte bilden kein sich wiederholendes Muster, sondern sind unregelmäßig angeordnet. Dem Vorbringen der Klägerin lässt sich zudem nicht entnehmen, dass diese Punkte ihrer Größe nach in dem in Merkmal 3 c bestimmten Bereich liegen.
44
e) Die Reflexite-Folie weist, wie aus K26 ersichtlich, kein Muster aus diskreten Elementen, sondern durchgehende Linien auf.
45
2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist durch den Stand der Technik auch nicht nahegelegt.
46
Dabei kommt der zwischen den Parteien umstrittenen Frage, welches technische Problem dem Streitpatent zugrunde liegt, keine maßgebliche Bedeutung zu.
47
Das Patentgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend zugrunde gelegt, dass eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen kann. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist nach der Rechtsprechung des Senats gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 - X ZR 41/13, GRUR 2015, 352 Rn. 13 - Quetiapin).
48
Entgegen der Auffassung der Beklagten betrifft das Streitpatent nicht nur die Verbesserung der Witterungsbeständigkeit, sondern auch die Sicherstellung einer ausreichenden Weiße bei Gewährleistung guter Retroreflektivität. In den Absätzen 12 und 13 der Beschreibung, auf die die Klägerin insoweit Bezug nimmt, wird das Ziel der Erfindung unter Hinweis auf die Nachteile des Standes der Technik beschrieben. Dies verweist einerseits auf Absatz 7, in dem beklagt wird, dass die gedruckte Schicht bislang eine mäßige Adhäsion und Witterungsbeständigkeit aufweise , andererseits aber auch auf Absatz 11, in dem beanstandet wird, dass bei retroreflektiven Folien mit Mikroglasperlen keine zufriedenstellende Retroreflektion erreicht wird, wenn eine gedruckte Schicht vorgesehen ist. Dementsprechend wird in Absatz 13 ausgeführt, die vom Streitpatent vorgeschlagene Gestaltung der gedruckten Schicht verbinde gute Witterungsbeständigkeit mit einem verbesserten Farbton. Eine rückstrahlende Folie nach den Merkmalen von Patentanspruch 1 führt zwar nicht notwendig zu einer Verbesserung des Farbtons, insbesondere einer besseren Weiße, weil der Patentanspruch weder die Farbe des Musters aus Einheitsmustern festlegt noch Angaben zu den Abständen macht, die zwischen den einzelnen Einheitsmustern liegen. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass das technische Problem, dessen Lösung mit dem Streitpatent verfolgt wird, allein in der Verbesserung der Witterungsbeständigkeit zu sehen ist.
49
Letztlich kommt es darauf jedoch nicht an, weil der Stand der Technik auch dem Fachmann, der, ausgehend von K7' oder K6, nach einer Verbesserung des Farbtons, insbesondere der Weiße der retroreflektierenden Folie strebt, keine Anregung zu einer Weiterentwicklung gibt, wie sie in den Merkmalen 3 b und 3 c beschrieben ist.
50
a) Als Ausgangspunkt für den Fachmann kommt insbesondere die internationale Anmeldung WO 99/54760 (K7') in Betracht, deren Figur 13 nachstehend wiedergegeben ist.


51
Diese Figur, bei der das Licht wiederum von unten einfällt, zeigt eine Schicht aus reflektierenden Elementen (Bezugszeichen 1), die aus einer Vielzahl reflektierender Elemente und einer Haltekörperschicht (2) besteht. Sie weist eine Oberflächenschutzschicht (4) auf, die auf der Haltekörperschicht und damit auf einem Bestandteil der Schicht aus reflektierenden Elementen vorgesehen ist. Figur 13 zeigt ferner eine gedruckte Schicht (5), die zwischen der Haltekörperschicht und der Oberflächenschutzschicht angeordnet ist.
52
K7' offenbart jedoch nicht, dass die gedruckte Schicht ein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern aufweist (Merkmal 3 b). Solches lässt sich auch Figur 13 nicht entnehmen. Dort sind zwar fünf schwarze Striche (Bezugszeichen
5) zu sehen, die in regelmäßigem Abstand voneinander angeordnet sind. Dies dient indes nur der schematischen Darstellung, dass sich auf der Schicht bedruckte Bereiche befinden. Da auch die Beschreibung keine näheren Angaben hierzu enthält , lässt diese Darstellung auch die Möglichkeit offen, dass die Farbe in Linien aufgetragen ist. K7' enthält - folgerichtig - auch keine Angaben zur Fläche von Einheitsmustern (Merkmal 3 c).
53
Der Stand der Technik gibt dem Fachmann, der von der K7' ausgeht, keine Anregung, die bedruckte Schicht so weiter zu entwickeln, wie es in Merkmalen 3 b und 3 c von Patentanspruch 1 beschrieben ist.
54
aa) Eine solche Anregung wird er K6 nicht entnehmen. Dort ist zwar unter anderem beschrieben, dass ein Muster aus sich wiederholenden Punkten aufgedruckt werden könne, doch enthält K6 keinen Hinweis darauf, dass die Punkte diskret angeordnet sind, zwischen ihnen also jeweils ein nicht bedruckter Bereich liegen muss. Zudem entnimmt der Fachmann K6 keinerlei Hinweis dazu, welche Größe die Punkte aufweisen sollen.
55
bb) An dieser Beurteilung ändert sich nichts, wenn der Fachmann zusätzlich K4 in den Blick nimmt. Diese Schrift zeigt, wie ausgeführt, kein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern. In K4 wird zwar darauf hingewiesen, dass es vorteilhaft sein könne, für den Druck ein gröberes Raster zu wählen, als sonst üblich, etwa ein Raster von 30 bis 45 lpi. Dies bezieht sich jedoch nur auf den dort angesprochenen Vierfarbdruck, bei dem mehrere Farbschichten übereinander gelegt werden, nicht auf die als fünfte Schicht aufgebrachte weiße Farbschicht. Da der Druck in mehreren - vier oder fünf - Schichten vorgesehen ist, entnimmt der Fachmann diesem Vorschlag zur Verwendung eines gröberen Rasters auch nicht, dass es zu einem sich wiederholenden Muster von voneinander beabstandeten Einheitsmustern einer bestimmten Größe führt.
56
cc) Die vom Patentgericht eingeführten Auszüge aus Fachbüchern zur Drucktechnik (K44, K45) befassen sich allgemein mit der Frage, welche Rasterung beim Druck verwendet werden kann und welche optischen Effekte damit einhergehen. Es ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb der Fachmann aus ihnen die Anregung erhalten sollte, bei der Herstellung einer gedruckten Schicht für eine retroreflektierende Folie ein besonders grobes Raster zu wählen und damit zu einer Anordnung von Punkten, Quadraten oder dergleichen zu gelangen, deren Fläche in dem durch Merkmal 3 c bestimmten Bereich liegt. Zudem ist nicht zu erkennen, inwiefern sich aus K44 und K45 eine Anregung ergeben soll, zu einem sich wiederholenden Muster diskreter Elemente zu gelangen. Diesen Dokumenten lässt sich damit lediglich entnehmen, dass der Fachmann bestimmte Auswahlentscheidungen, insbesondere hinsichtlich Rastergröße und Bedeckungsgrad, zu treffen hat. Aus ihnen ergibt sich jedoch keine konkrete Anregung dahin, diese Parameter gerade so zu wählen, dass sie zu einem Muster gemäß Merkmalen 3 b und 3 c führen.
57
dd) Auch durch die internationale Anmeldung WO 97/15453 (K46) wird die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 nicht in Frage gestellt.
58
(1) Das auf diese Entgegenhaltung gestützte Vorbringen der Klägerin ist allerdings zuzulassen. Nachdem das Patentgericht in seinem Hinweis nach § 83 PatG zu der vorläufigen Einschätzung gekommen war, der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei durch den von der Klägerin vorgelegten Stand der Technik nahegelegt, war die Klägerin nicht gehalten, weiteres Material vorzulegen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2014 - X ZR 151/12, GRUR 2015, 365 Rn. 47 - Zwangsmischer).
59
(2) Aus K46 ergeben sich jedoch keine Anregungen für eine Folie mit den Merkmalen des Streitpatents.
60
Die Schrift befasst sich mit dem Druck unter Verwendung mehrerer Farbschichten. Es geht darum, wie unerwünschte optische Eindrücke, die durch Ungenauigkeiten der Lage der verschiedenen Schichten zueinander entstehen können, vermieden werden. Figur 1 zeigt, wozu solche Ungenauigkeiten führen. Um dies zu vermeiden schlägt K46 vor, die Schichten so anzuordnen, dass entweder der Bereich der unteren Schicht von der oberen Schicht komplett überdeckt wird (Figur 2) oder aber die obere Schicht kleiner gewählt wird als die untere Schicht und komplett innerhalb deren Rändern angeordnet ist (Figur 3). Beides führt dazu, dass kleinere Lageungenauigkeiten sich nicht bemerkbar machen. Erwähnt wird ein Druckmuster, das aus einem Muster aus Punkten oder einer anderen Vielzahl von diskreten Elementen und/oder einem Gittermuster bestehen kann, das eine Vielzahl von unbedruckten Flächen umgibt (S. 9). Ferner ist von Punkten mit 1 mm Kantenlänge die Rede (S. 4 unten). K46 befasst sich danach mit einer Aufgabenstellung, die sich nur bei einem Druckverfahren ergibt, bei welchem mehrere Farbschichten übereinander gedruckt werden. In K6 und K7' geht es demgegenüber um eine retroreflektive Folie, bei der die gedruckte Schicht nur mit einer Farbe hergestellt wird. Der Fachmann, der von diesen Druckschriften ausgeht, wird daher nicht ohne weiteres die K46 heranziehen.
61
In K46 wird allerdings erläutert (S. 38 bis 40), dass die Erfindung auch bei der Herstellung retroreflektierender Platten Verwendung finden könne. Hierzu wird zunächst geschildert, in welchen Bereichen solche Vorrichtungen zum Einsatz kommen , auch wird erwähnt, dass das retroreflektierende Material z.T. mit opaken, transparenten oder transluzenten Farben bedruckt wird. Eine Anwendung der vorgeschlagenen Druckmethode wird dann jedoch nur für den Fall geschildert, dass eine retroreflektierende Druckfarbe, d.h. eine Farbe die retroreflektierende Mikrokugeln enthält, verwendet wird. Dazu führt K46 aus, eine solche Farbe könne als Hintergrundschicht oder als Musterdruckfarbe Verwendung finden. Danach befasst sich K46 nicht mit einer retroreflektierenden Folie, bei der es einerseits eine Schicht aus retroreflektierenden Elementen und anderseits eine bedruckte Schicht gibt. K46 enthält zudem keinen Hinweis darauf, die Farbpunkte so aufzubringen, dass sich ein sich wiederholendes Muster aus Einheitsmustern ergibt.
62
Für den Fachmann, der als Ausgangspunkt K7' zugrunde legt, ergibt sich danach aus K46 keine Anregung, zu einer Folie zu gelangen, die eine gedruckte Schicht nach den Merkmalen 3 b und 3 c aufweist.
63
b) Zu einer anderen Beurteilung führt es auch nicht, wenn als Ausgangspunkt K6 zugrunde gelegt wird. Für den Fachmann ergibt sich aus dem Stand der Technik keine Anregung, das in K6 vorgeschlagene Muster dahin weiter zu entwickeln , dass sich ein Muster aus diskreten Einheitsmustern der in Merkmal 3 c bezeichneten Größe ergibt.
64
aa) Das Patentgericht hat angenommen, aus K4 ergebe sich eine Anregung zu einer Ausgestaltung der gedruckten Schicht gemäß Merkmalen 3 b und 3 c, und zur Begründung ausgeführt, es habe sich für den Fachmann angeboten, auch die weiße Schicht aus rasterartig angeordneten, gleichmäßig über die gesamte Fläche verteilten Farbpunkte zu drucken. Ferner habe es sich ihm schon aus Gründen der Einfachheit aufgedrängt, die fünfte Schicht mit dem gleichen - groben - Raster zu drucken wie die anderen Farbschichten und die Rasterpunkte einheitlich groß zu wählen. Entscheide er sich für die größte in K4 vorgeschlagene Bedeckung von 10% und das gröbste dort genannte Raster von 30 lpi, führe dies zu Punkten mit einer Fläche von maximal 0,072 mm². Entscheide er sich dafür, bei einer Folie, wie sie ihm aus K6 bekannt sei, nur eine Farbschicht zur Aufhellung vorzusehen, liege es im Bereich üblichen fachmännischen Handelns, eine höhere Bedeckung in Betracht zu ziehen. Das Streben nach einer Verbesserung der Weiße führe ihn ohne weiteres zu einem Bedeckungsgrad von 40%, was bei einem Raster von 30 lpi Punkte mit einer Fläche von bis zu 0,36 mm² ergebe. Die Beachtung dieser Vorgaben führe, wie K45 belege, zu diskret angeordneten Rasterpunkten.
65
bb) Die hiergegen von der Berufung erhobenen Einwendungen sind begründet. Der Fachmann, der von der K6 ausgeht und die K4 sowie die K7' heranzieht, muss mehrere Überlegungen anstellen und miteinander kombinieren, um zum Gegenstand von Patentanspruch 1 zu kommen. Eine Anregung hierzu durch den Stand der Technik ist nicht hinreichend dargetan.
66
(1) Es fehlt bereits an einer Anregung, ein Raster von 20 lpi zu wählen. Üblich sind beim Rasterdruck, wie das Patentgericht festgestellt hat, Raster von 60 lpi und mehr. Aus K4 ergab sich schon nicht ohne Weiteres eine Anregung, statt eines solchen Rasters ein gröberes Raster von 30 bis 45 lpi anzuwenden, denn dieses ist in K4 nur für den Vierfarbdruck vorgesehen. Angaben zur Rastergröße für die fünfte - weiße - Farbschicht enthält K4 nicht.
67
(2) Das Patentgericht hat auch nicht hinreichend begründet, wodurch der Fachmann veranlasst sein sollte, die weiße Farbe mit einem Bedeckungsgrad von 40% aufzutragen, der den in K4 vorgeschlagenen maximalen Bedeckungsgrad von 10% um das Vierfache übersteigt. Eine Anregung hierzu ergibt sich aus K4 nicht, vielmehr wird dort auch für Bereiche, die nicht oder nur geringfügig mit anderen Farben bedruckt sind, ein Bedeckungsgrad mit Weiß von 5% genannt (S. 8, Z. 1 bis 3). Die Annahme, dass der Fachmann einen derart hohen Bedeckungsgrad wählt, bedürfte - worauf die Berufung zutreffend hinweist - bereits deshalb einer näheren Begründung , weil ein höherer Bedeckungsgrad die Retroreflexivität beeinträchtigt.
68
(3) Das Patentgericht hat weiter keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass der Fachmann, der von K6 ausging, im Prioritätszeitpunkt bei Heranziehung der K4 und der K7' ohne erfinderisches Bemühen nicht nur zur Wahl eines solchen Rasters, zur Wahl eines solchen Bedeckungsgrads und zu der Entscheidung für ein sich wiederholendes Muster aus diskreten Einheitsmustern gelangte , sondern sich gerade auch dafür entschied, sie miteinander zu kombinieren.
69
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG und § 91 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Gröning Bacher
Hoffmann Deichfuß
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 27.09.2012 - 2 Ni 46/11 (EP) -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2015 - X ZR 19/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2015 - X ZR 19/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2015 - X ZR 19/13 zitiert 3 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Patentgesetz - PatG | § 121


(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend. (2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über d

Patentgesetz - PatG | § 83


(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2015 - X ZR 19/13 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 21. Apr. 2015 - X ZR 19/13 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Jan. 2015 - X ZR 41/13

bei uns veröffentlicht am 13.01.2015

Tenor Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Bundesgerichtshof Urteil, 02. Dez. 2014 - X ZR 151/12

bei uns veröffentlicht am 02.12.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL X Z R 1 5 1 / 1 2 Verkündet am: 2. Dezember 2014 Wermes Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in der Patentnichtigkeitssache Nachschlagewerk:

Referenzen

Tenor

Die Berufung gegen das am 13. November 2012 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 907 364 (Streitpatents), das am 27. Mai 1997 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 31. Mai 1996 angemeldet wurde und ein Arzneimittel aus einem Dibenzothiazepinderivat mit verzögerter Freisetzung betrifft. Patentanspruch 1, auf den neunzehn weitere Patentansprüche zurückbezogen sind, lautet in der Verfahrenssprache:

"A sustained release formulation comprising a gelling agent and 11-[4-[2-(2-hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepine or a pharmaceutically acceptable salt thereof, together with one or more pharmaceutically acceptable excipients."

2

Die Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig. Die Klägerin zu 1 hat ferner geltend gemacht, die Erfindung sei im Streitpatent nicht so offenbart, dass der Fachmann sie ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in vier geänderten Fassungen verteidigt.

3

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

4

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

5

I. Das Streitpatent betrifft eine Retard-Formulierung mit dem Wirkstoff Quetiapin.

6

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift war im Stand der Technik bekannt, dass der Wirkstoff 11-[4-[2-(2-Hydroxyethoxy)ethyl]-1-piperazinyl]dibenzo-[b,f][1,4]thiazepin (Freiname: Quetiapin) antidopaminerge Wirkung hat und zum Beispiel als Antipsychotikum oder zur Behandlung von Hyperaktivität eingesetzt werden kann.

7

In der Streitpatentschrift wird weiter ausgeführt, bei der Behandlung einer Reihe von Krankheiten sei es wünschenswert, die pharmazeutischen Wirkstoffe in Retard-Form bereitzustellen, um eine einheitliche und konstante Freisetzungsrate über einen längeren Zeitraum ohne häufige Verabreichung sicherzustellen. Im Stand der Technik seien zahlreiche Retard-Formulierungen mit Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen bekannt. Die Herstellung solcher Formulierungen von löslichen Medikamenten habe sich aber als schwierig dargestellt. Wasserlösliche Wirkstoffe neigten zu dem als dose dumping bekannten Phänomen, dass die Freisetzung zunächst verzögert werde, dann aber mit hoher Rate einsetze. Ferner bestehe die Tendenz zu Fluktuationen und Tagesschwankungen bei der Plasmakonzentration. Schließlich sei es schwierig, die Freisetzungsrate zu steuern. Deshalb bestehe ein Bedarf an Retard-Formulierungen von löslichen Medikamenten wie Quetiapin, mit denen diese Schwierigkeiten überwunden oder vermindert werden könnten.

8

2. Das Patentgericht hat hieraus abgeleitet, das Streitpatent betreffe das technische Problem, eine Formulierung des Wirkstoffs Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

9

3. Diese Definition ist zu eng. Das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem besteht vielmehr darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt.

10

a) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition bietet sich zwar durch den Wortlaut der Beschreibung an. Diesem kommt aber, wie das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat und wovon auch die Parteien im Ansatz übereinstimmend ausgehen, nicht notwendigerweise ausschlaggebende Bedeutung zu.

11

Nach der Rechtsprechung des Senats ist als Ausgangspunkt für die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit nicht zwingend auf die der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmende "Aufgabe" abzustellen (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III). Maßgeblich ist vielmehr, was die Erfindung gegenüber dem Stand der Technik im Ergebnis tatsächlich leistet (vgl. nur BGH, Urteil vom 12. Februar 2003 - X ZR 200/99, GRUR 2003, 693, 695 - Hochdruckreiniger).

12

b) Hieraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Berufung allerdings nicht, dass bei der Definition des technischen Problems kumulativ alle Vorteile zu berücksichtigen sind, die die Erfindung objektiv mit sich bringt.

13

Nach der Rechtsprechung des Senats kann eine Erfindung mehrere unterschiedliche technische Probleme betreffen. In solchen Konstellationen sind die einzelnen Problemstellungen bei der Prüfung der Patentfähigkeit gesondert zu betrachten. Die Patentfähigkeit ist gegebenenfalls schon dann zu verneinen, wenn die Bewältigung eines dieser Probleme zum Aufgabenkreis des Fachmanns gehört hat und die beanspruchte Erfindung von diesem Ausgangspunkt aus durch den Stand der Technik nahegelegt war (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - X ZR 72/08, GRUR 2011, 607 Rn. 19 - Kosmetisches Sonnenschutzmittel III).

14

Vor diesem Hintergrund ist die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob die vom Streitpatent beanspruchte Formulierung nicht nur eine konstante Freisetzungsrate über einen langen Zeitraum hinweg ermöglicht, sondern auch zusätzliche Anwendungsfelder und Indikationen für Quetiapin eröffnet, für die Entscheidung des Streitfalls nicht von Bedeutung. Sofern der Fachmann Anlass hatte, nach einer Formulierung mit konstanter Freisetzungsrate zu suchen und der Gegenstand des Streitpatents ausgehend von dieser Problemstellung durch den Stand der Technik nahegelegt war, ist die Patentfähigkeit auch dann zu verneinen, wenn die Erfindung daneben zur Lösung weiterer Probleme geeignet ist.

15

c) Die vom Patentgericht zugrunde gelegte Definition des technischen Problems ist aber deshalb zu eng, weil der Streitfall unter anderem die Frage aufwirft, ob der Fachmann Anlass hatte, für Quetiapin eine Formulierung in Betracht zu ziehen, die eine möglichst konstante Freisetzungsrate über einen möglichst langen Zeitraum hinweg ermöglicht.

16

Die Definition des technischen Problems, das einer Erfindung zugrunde liegt, dient nicht dazu, eine Vorentscheidung über die Frage der Patentfähigkeit zu treffen. Deshalb dürfen Elemente, die zur patentgemäßen Lösung gehören, nicht berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 - X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 - Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 - Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 - Dreinahtschlauchfolienbeutel).

17

Aus demselben Grund ist es nicht zulässig, ohne weiteres zu unterstellen, dass dem Fachmann die Befassung mit einer bestimmten Aufgabenstellung nahegelegt war. In vielen Fällen mag sich zwar aus der Beschreibung des Patents oder aus sonstigen Umständen klar ergeben, welchen Problemen sich der Fachmann ausgehend vom Stand der Technik zugewendet hätte. Sofern sich dies nicht zweifelsfrei beurteilen lässt, wäre es jedoch verfehlt, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit.

18

d) Im Streitfall besteht das technische Problem deshalb darin, eine Darreichungsform von Quetiapin zur Verfügung zu stellen, die zu einer verbesserten Wirkung führt. Die Frage, welche Maßnahmen dem Fachmann zur Erreichung dieses Ziels nahegelegt waren, ist demgegenüber ausschließlich für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Bedeutung.

19

Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent eine Retard-Formulierung vor, die ein Geliermittel, Quetiapin oder ein pharmazeutisch unbedenkliches Salz davon und einen oder mehrere pharmazeutisch unbedenkliche Hilfsstoffe enthält.

20

II. Das Patentgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, der Gegenstand des Streitpatents beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit, und hat dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

21

Aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (Time course for dopamine and serotonin receptor occupancy in the brain of schizophrenic patients following dosing with 150 mg Seroquel TM tld, European Neuropsychopharmacology, 1995, S. 347, P-4-65, NiK9 = TM8) habe der Fachmann, ein Team aus einem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie promovierten Pharmazeuten und einem Mediziner, entnehmen können, dass nach Verabreichung des Quetiapin sofort freisetzenden Arzneimittels Seroquel zwei von drei für die Wirksamkeit wichtige Werte innerhalb von 26 Stunden erheblich absanken. Hieraus habe sich ergeben, dass dieses Medikament mehr als einmal pro Tag verabreicht werden müsse, damit die angestrebte Wirkung erzielt werden könne. In NiK9 werde zwar eine Verabreichungshäufigkeit von ein- oder zweimal pro Tag als erstrebenswert bezeichnet. Das weitere Vorgehen der Autoren zeige aber, dass sie die bekannte, Quetiapin sofort freisetzende orale Darreichungsform für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag nicht in Betracht gezogen hätten. Eine Anregung, zur Verwirklichung dieses Ziels eine Formulierung mit anderem Freisetzungsprofil in Betracht zu ziehen, habe sich aus der als TM17 vorgelegten Pressemitteilung ergeben, in der berichtet werde, dass die Beklagte die Entwicklung einer Formulierung in Auftrag gegeben habe, mit der Seroquel nur einmal pro Tag verabreicht werden müsse.

22

Für den Fachmann habe auch der Einsatz eines Geliermittels nahegelegen. Aus der US-Patentschrift 4 389 393 (NiK12) sei bekannt gewesen, dass sich Matrixsysteme auf der Grundlage von Geliermitteln wie Hydroxypropylmethylcellulosen für die Formulierung einer Vielzahl von Wirkstoffen eigneten.

23

Aus der europäischen Patentanmeldung 240 228 (NiK3) ergebe sich keine abweichende Beurteilung. Diese enthalte nur allgemeine Dosierungsangaben. Darüber hinausgehende Hinweise ergäben sich erst aus NiK9, die den Fachmann lehre, eine den Wirkstoff sofort freisetzende Darreichungsform mindestens zweimal täglich zu verabreichen. Die in NiK9 als vorteilhaft dargestellte Wirkstoffmenge sei nicht so groß, dass sie den Fachmann davon abgehalten habe, Retard-Formulierungen ins Auge zu fassen. Aus den Veröffentlichungen von Farde et. al (Positron emission tomographic analysis of central D1 and D2 dopamine receptor occupancy in patients treated with classical neuroleptics and clozapine, Arch. Gen Psychiatry 49 (1992), 538, NiK29), Wetzel et al. (Seroquel (ICl 204 636), a putative "atypical" antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231, NiK30) und Gelder et al. (Oxford Textbook of Psychiatry, Third Edition, 1996, Kap. 9 S. 246 ff. und Kap. 17, S. 532 ff., NiK32) ergebe sich keine abweichende Beurteilung.

24

Die mit den Hilfsanträgen verteidigten Fassungen des Streitpatents unterschieden sich von der erteilten Fassung lediglich durch zusätzliche Angaben zur Verabreichungsart (Tablettenform), zum Anteil des Geliermittels (5 bis 50 Gewichtsprozent) und zur Auswahl des Geliermittels. Alle diese Maßnahmen hielten sich im Rahmen des aus fachlicher Sicht Üblichen.

25

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

26

1. Die Berufung rügt, das Patentgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, der zu dem als Fachmann anzusehenden Team gehörende pharmazeutische Technologe verfüge über mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von Formulierungen mit kontrollierter Wirkstofffreisetzung. Sie macht geltend, innerhalb des Teams sei der Mediziner die treibende Kraft, die die zu überwindenden Probleme vorgebe.

27

Diese Rüge vermag das angefochtene Urteil nicht in Frage zu stellen.

28

Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, dass innerhalb des aus einem Mediziner und einem Pharmazeuten bestehenden Teams der erstere die Federführung hat und dass der Pharmazeut nicht zwingend auf Retard-Formulierungen spezialisiert ist. Auch ein solches Team ist indes in der Lage, auf besonderes Fachwissen hinsichtlich solcher Formulierungen zuzugreifen, sofern es erkennt, dass eine kontrollierte Freisetzung des Wirkstoffs als Lösungsmittel in Betracht kommt.

29

2. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.

30

a) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann Anlass hatte, nach Verabreichungsformen zu suchen, mit denen Quetiapin nur einmal pro Tag verabreicht wird.

31

aa) Eine hinreichende Anregung dafür ergab sich, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, aus der Veröffentlichung von Gefvert et al. (NiK9).

32

In der Einleitung von NiK9 wird ausgeführt, das Quetiapin enthaltende Medikament Seroquel sei in Tests der Phasen II und III drei- oder viermal täglich verabreicht worden. Im Hinblick auf die große Bedeutung, die einer verlässlichen Einnahme bei Schizophrenie-Patienten zukomme, sei ein bequemeres (more convenient) Verabreichungsschema hilfreich. In den abschließenden Bemerkungen wird die Hoffnung geäußert, eine ein- bis zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein.

33

Daraus ergab sich nicht nur die Anregung, die Zahl der täglichen Verabreichungen auf zwei zu verringern, sondern jedenfalls auch die Anregung, eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag anzustreben.

34

bb) Die von der Beklagten unter Bezugnahme auf die Ausführungen ihres Privatgutachters Prof. Dr. M.   geäußerte Einschätzung, eine Verabreichung einmal pro Tag habe keine nennenswerten Vorteile gegenüber einer Verabreichung zweimal pro Tag (HE12 S. 8), führt insoweit nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

35

Die genannte Einschätzung stellt nicht in Frage, dass sowohl für den Patienten als auch für eine gegebenenfalls mit der Betreuung oder Überwachung betraute Person ein geringerer Aufwand entsteht, wenn das Medikament nur einmal pro Tag eingenommen werden muss. Schon dies gab Anlass, eine solche Verabreichungsform auch dann als Alternative ins Auge zu fassen, wenn die damit verbundenen Vorteile von einem Teil der Fachwelt als eher geringfügig angesehen wurden.

36

Dass eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit von zweimal auf einmal pro Tag auch in Zusammenhang mit Quetiapin nicht generell als nutzlos angesehen wurde, ergibt sich schon aus dem Umstand, dass in NiK9 die Hoffnung geäußert wurde, eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag könnte ausreichend sein. Eine zusätzliche Bestätigung dafür bildet die in TM17 wiedergegebene Pressemitteilung, wonach die Unternehmensgruppe der Beklagten schon vor dem Prioritätstag einem anderen Unternehmen den Auftrag erteilt hat, eine Verabreichungsform von Seroquel zu entwickeln, die eine Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag ermöglicht.

37

b) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Fachmann aufgrund der in NiK9 wiedergegebenen Daten davon ausgehen musste, dass die Belegung der D2-Rezeptoren vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme gegen null tendiert.

38

Zwar enthält NiK9 keine ausdrücklichen Angaben zur Rezeptorbelegung zu dem genannten Zeitpunkt. Aus den dort wiedergegebenen Werten ergibt sich aber, dass der Prozentsatz der belegten D2-Rezeptoren zwei Stunden nach der letzten Einnahme bei 44 % und sechsundzwanzig Stunden nach diesem Zeitpunkt bei null liegt. Die hieraus abgeleitete Schlussfolgerung des Patentgerichts, dass der Wert schon vierundzwanzig Stunden nach der letzten Einnahme nicht in einem signifikanten Bereich lag, ist rechtlich nicht zu beanstanden und wird durch die Einwände der Berufung nicht in Frage gestellt.

39

Zwar ist nicht auszuschließen, dass die Werte nicht linear absinken, zumal in NiK9 für das sechsstündige Intervall zwischen der ersten und der zweiten Messung ein Rückgang um vierzehn Prozentpunkte ausgewiesen ist, für den nachfolgenden Zeitraum von vier Stunden dagegen nur noch ein Rückgang um drei Prozentpunkte. Auch die Beklagte zieht aber nicht in Zweifel, dass der weitere Rückgang im Wesentlichen gleichmäßig erfolgt. Ihre auf der Prämisse eines linearen Rückgangs gezogene Schlussfolgerung, vierundzwanzig Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme seien noch 4 % der D2-Rezeptoren belegt, steht zu der Annahme des Patentgerichts, die Belegung tendiere zu diesem Zeitpunkt gegen null, nicht in Widerspruch. Zwar wird in NiK9 nicht dargelegt, welcher Prozentsatz an D2-Rezeptoren mindestens belegt sein muss, damit Quetiapin die angestrebte Wirkung entfalten kann. Angesichts des Umstandes, dass der Anteil der belegten Rezeptoren acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme - also innerhalb eines Zeitraums, in dem bei dreimaliger Verabreichung pro Tag eine erneute Einnahme zu erwarten ist - noch 30 % beträgt, gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass ein Wert von 4 % aus fachlicher Sicht ebenfalls noch ausreichend erschien, zumal NiK9 für den Prozentsatz der belegten 5HT2-Rezeptoren einen deutlich anderen Verlauf wiedergibt, der erst acht Stunden nach dem Zeitpunkt der letzten Einnahme den gemessenen Höchststand von 85 % und sechsundzwanzig Stunden nach dem genannten Zeitpunkt noch einen Restbestand von 50 % aufweist.

40

c) Zu Recht hat das Patentgericht hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass sich aus NiK9 keine erfolgversprechenden Hinweise darauf ergaben, dass die dort angegebene Wirkstoffmenge von 450 mg für eine nur einmalige Verabreichung pro Tag mit sofortiger Freisetzung geeignet sein würde.

41

aa) Der von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. M.   aufgezeigte Umstand, dass die relativ schwache Bindung an den D2-Rezeptor und das relativ starke Abdriften von diesem nach dem Prioritätstag als mögliche Ursachen für die Wirkung von Quetiapin angesehen wurden (HE12 S. 11), führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Daraus ergibt sich insbesondere nicht, dass dem Fachmann diese Überlegungen schon am Prioritätstag bekannt waren.

42

Die von der Beklagten und ihrem Privatgutachter Prof. Dr. K.   angeführte Veröffentlichung aus dem Jahr 1996 (Kasper et al., D2-Receptor Imaging (SPEC) as a Tool for Measuring the Efficacy and Side-Effect Profile of Treatment With Neuroleptics, Biol Psychiatry 39 (1996), 564, Anlage 3 zu HE8) gab hierüber noch keinen Aufschluss. Dort wird zwar berichtet, es habe kein signifikanter Zusammenhang zwischen der Belegung der D2-Rezeptoren und der Wirksamkeit festgestellt werden können und eine Belegung dieser Rezeptoren sei mit Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System (EPMS) verbunden. Für Seroquel wird aber berichtet, die zur Verfügung stehenden vorläufigen Daten deuteten auf einen vergleichbaren Belegungsgrad wie bei dem verwandten Wirkstoff Clozapin hin. Daraus ergibt sich nicht, dass auch extrem geringe Prozentsätze oder eine nur kurzzeitige Belegung ausreichen könnten. In der Veröffentlichung selbst wurde vielmehr die Vermutung geäußert, die beobachteten Zusammenhänge könnten auf der Wirkung auf die 5HT2-Rezeptoren beruhen, weil Risperidon und Olanzapin zu einer relativ hohen Belegung der D2-Rezeptoren führten, aber dennoch eher geringe Nebenwirkungen zeigten.

43

In der Veröffentlichung von Wetzel et al. (Seroquel (ICI 204 636), a putative “atypical” antipsychotic, in schizophrenia with positive symptomatology: results of an open clinical trial and changes of neuroendocrinological and EEG parameters, Psychopharmacology 119 (1995), 231-238, NiK30) wird ebenfalls die kombinierte und ausgeglichene Blockade der D2- und 5HT2-Rezeptoren als wahrscheinliche Ursache der beobachteten Wirkungen von Seroquel und Clozapin angeführt und der Antagonismus zu D2-Rezeptoren bei Seroquel als eher schwach eingeschätzt (NiK30 S. 232 links oben). Auch daraus ergeben sich keine Hinweise darauf, dass eine anteilsmäßig geringe oder nur kurzfristig wirkende Belegung dieser Rezeptoren ausreichen könnte.

44

Aus den Veröffentlichungen von Casey ('Seroquel' (Quetiapine): preclinical and clinical findings of a new atypical antipsychotic, Exp. Opin. Ivest. Drugs 1996, 939-957, NiK31), Hirsch et al. (ICI 204 636: A New Atypical Antipsychotic Drug, British Journal of Psychiatry 168 (1996), 45-56, NiK37) sowie Fleischhacker et al. (A Multicentre, Double-Blind, Randomised Comparison of Dose and Dose Regimen of 'Seroquel' in the Treatment of Patients with Schizophrenia, American College of Neuropsychopharmacology, 34th Annual Meeting (1995), 275, NiK45) ergeben sich insoweit keine weitergehenden Erkenntnisse.

45

bb) Die in NiK9 geäußerte Hoffnung, Seroquel könnte dennoch für eine ein- oder zweimalige Verabreichung pro Tag geeignet sein, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

46

Diese Äußerung lässt schon für sich gesehen gewisse Zweifel daran erkennen, ob sich am Ende nicht doch eine Verabreichungshäufigkeit von mindestens zweimal pro Tag als erforderlich erweisen werde. In NiK9 werden zudem keine Hinweise darauf gegeben, auf welche konkreten Ergebnisse der angestellten Untersuchung die Hoffnung bezüglich einer nur einmaligen Verabreichung pro Tag gestützt wird und ob sie sich auf die im Rahmen der Untersuchung verabreichte Dosis von 450 mg pro Tag oder auf eine höhere Dosis bezieht.

47

Das vom Privatgutachter Prof. Dr. M.   in diesem Zusammenhang angeführte Konzept von "drug holidays" (HE12 S. 13) findet in NiK9 keine Erwähnung und steht überdies in Widerspruch zu der dort einleitend wiedergegebenen Einschätzung, wonach zum damaligen Zeitpunkt eine Verabreichung von drei- oder viermal pro Tag als erforderlich angesehen wurde.

48

cc) Zu Recht hat das Patentgericht in diesem Zusammenhang ergänzend die Ergebnisse der in NiK9 erwähnten SAFARI-Studie herangezogen, über die in NiK45 und in einer Pressemeldung aus der Unternehmensgruppe der Beklagten vom 2. Oktober 1995 (World opinion leaders on psychiatric disease are updated on benefits of Zeneca's 'Seroquel' in treating schizophrenia, TM16) berichtet wird.

49

In NiK45 wird zwar, wie die Berufung zutreffend anführt, unter Bezugnahme auf NiK9 die dort geäußerte Hoffnung wiedergegeben, Seroquel könnte aktiv sein, wenn es ein- oder zweimal täglich verabreicht werde. Die SAFARI-Studie betraf ausweislich beider Veröffentlichungen aber allein die Frage, ob die Verabreichung von 450 mg Seroquel bei einer Aufteilung auf zwei Verabreichungen pro Tag die gleichen Wirkungen zeigt wie bei einer Aufteilung auf drei Verabreichungen pro Tag. Die aus der Studie abgeleitete positive Antwort bezieht sich mithin lediglich auf die Verabreichung von zweimal 225 mg pro Tag. Daraus hat das Patentgericht zutreffend abgeleitet, dass sich aus der Studie keine Hinweise auf die Möglichkeit ergeben, die genannte Dosis mit sofortiger Freisetzung in einer einzigen täglichen Verabreichung anzuwenden, und dass die Autoren der Studie die in NiK9 diesbezüglich geäußerten Hoffnungen nicht zum Anlass genommen haben, ihre Untersuchungen auf diese Art der Verabreichung zu erstrecken.

50

Ob für die Konzeption der Studie, wie die Berufung geltend macht, auch ethische Gesichtspunkte eine Rolle gespielt haben, ist für die rechtliche Beurteilung unerheblich. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ergäbe sich auch daraus, dass eine Verabreichungshäufigkeit von nur einmal pro Tag aus Sicht des Fachmanns auf praktische Schwierigkeiten stieß und im Ergebnis keine allzu große Erfolgsaussicht bot.

51

d) Im Ergebnis zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass eine Erhöhung der Dosis aus Sicht des Fachmanns jedenfalls nicht als einziges erfolgversprechendes Mittel in Betracht kam, um die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag absenken zu können.

52

aa) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich allerdings aus der in TM17 wiedergegebenen Pressemitteilung allein für den Fachmann nicht hinreichend deutlich, dass sich der von Seiten der Beklagten erteilte Auftrag zur Entwicklung einer neuen Darreichungsform auf eine Retard-Formulierung bezog. Der Umstand, dass das beauftragte Unternehmen besondere Kompetenz bei der Entwicklung solcher Formulierungen hatte, mag einen gewissen Hinweis in diese Richtung geben. Der Mitteilung lässt sich bei isolierter Betrachtung aber nicht hinreichend sicher entnehmen, dass diese Kompetenz bei dem erteilten Auftrag zum Einsatz kommen sollte oder zumindest für die Auswahl des Auftragnehmers relevant war. Zu Schlussfolgerungen in diese Richtung bestand nur dann Anlass, wenn es auch aus fachlicher Sicht Gründe gab, eine Retard-Formulierung für Quetiapin in Betracht zu ziehen.

53

bb) Solche Gründe ergeben sich indes aus den im Prioritätszeitpunkt zugänglichen Kenntnissen über die Bedeutung der Rezeptorbelegung und des Plasmaspiegels.

54

Wie bereits oben dargelegt wurde, gab es im Prioritätszeitpunkt zwar Hinweise darauf, dass ein relativ geringer Prozentsatz für die Belegung der D2-Rezeptoren ausreichend und sogar eher vorteilhaft ist. Es gab aber keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Erwartung, dass eine kurzfristige Belegung dieser Rezeptoren ausreicht, um die angestrebten Wirkungen zu erzielen. Vor diesem Hintergrund mag sich als eine erfolgversprechende Möglichkeit zur Überwindung der aus NiK9 ersichtlichen Schwierigkeiten angeboten haben, die verabreichte Dosis zu erhöhen. Die vom Patentgericht erwähnte Gefahr, dass es dabei zu toxischen Plasmawirkstoffspitzen kommen könnte, schloss dies nicht ohne weiteres aus, zumal der in NiK9 dokumentierte Belegungsgrad der D2-Rezeptoren von Anfang an nicht allzu hoch war und es aus Anlage 3 zu HE8 Hinweise darauf gab, dass ein höherer Belegungsgrad nicht zwangsläufig zu schädlichen Wirkungen führen muss, wenn eine gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren gewährleistet bleibt.

55

Der Fachmann hatte im Prioritätszeitpunkt dennoch Anlass, eine Dosiserhöhung nicht als einzige Alternative in Betracht zu ziehen, weil die einmalige Verabreichung einer hohen Dosis zu erheblichen Schwankungen des Plasmaspiegels führt und dies jedenfalls aus damaliger Sicht nicht wünschenswert war.

56

(1) Nach den Feststellungen des Patentgerichts ist ein möglichst gleichmäßiger Plasmaspiegel aus Sicht des Fachmanns grundsätzlich als erstrebenswert anzusehen.

57

Dies deckt sich mit den Ausführungen in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 2) und wird auch von der Berufung nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen. Ihr Einwand, kurze Halbwertszeiten, wie sie für Quetiapin unter anderem aus NiK9 dokumentiert sind, und die damit verbundene schnelle Abnahme der Plasmakonzentration stünden einer Verabreichungshäufigkeit von einmal pro Tag nicht zwingend im Wege, bestätigt vielmehr, dass starke Schwankungen des Plasmaspiegels zumindest ein potentielles Problem darstellen.

58

(2) Exemplarisch wurde diese Einschätzung für Neuroleptika, die die D2-Rezeptoren belegen, auch in der Veröffentlichung von Tench et al. (Steady-state pharmacokinetics of controlled release and immediate release formulations of remoxipride in patients with chronic schizophrenia, Psychopharmacology 101 (1990), 132-136, TM23) zum Ausdruck gebracht.

59

In TM23 wird über Versuche mit einer Retard-Formulierung des Wirkstoffs Remoxiprid berichtet. In der Einleitung wird ausgeführt, extrapyramidale Symptome zeigten einen hohen Korrelationsgrad mit neuroleptischer Dosis und Plasmaspiegeln. Remoxiprid habe eine Halbwertszeit von vier bis sieben Stunden und müsse deshalb zwei- bis dreimal täglich verabreicht werden. Für eine einmalige Verabreichung pro Tag sei eine Formulierung mit kontrollierter Abgabe entwickelt worden, um mögliche Nebenwirkungen, die mit hohen Plasma-Spitzenkonzentrationen verbunden sein könnten, zu vermeiden (TM 23 S. 132 rSp).

60

Daraus ergibt sich, dass eine Retard-Formulierung schon dann in Betracht gezogen wurde, wenn bei einer Höherdosierung zwar nicht zwingend mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen war, zumindest aber eine gewisse Gefahr bestand.

61

Eine vergleichbare Ausgangssituation bestand am Prioritätstag auch in Bezug auf Quetiapin. Zwar deuteten die bereits oben behandelten Veröffentlichungen darauf hin, dass der Grad der Belegung der D2-Rezeptoren bei Quetiapin grundsätzlich eher niedrig ist und dass die gleichzeitige Belegung der 5HT2-Rezeptoren einen zusätzlichen Schutz gegen Nebenwirkungen im extrapyramidalmotorischen System gewährleistet. Dies bot aber keine hinreichende Gewissheit dafür, dass solche Nebenwirkungen auch dann ausbleiben, wenn die Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag gesenkt und hierzu die Tagesdosis signifikant erhöht wird.

62

(3) Aus dem Umstand, dass sich die allgemein bestehenden Vorbehalte gegenüber stark schwankenden Plasmaspiegeln bei einzelnen Wirkstoffen als unbegründet erwiesen haben, ließ sich im Prioritätszeitpunkt mangels einschlägiger Erkenntnisse nicht ableiten, dass dies auch bei Quetiapin der Fall sein werde. Aus der von der Berufung herangezogenen Passage aus dem Lehrbuch von Remington (The Science and Practice of Pharmacy, 19. Auflage 1995, S. 893, HE13), laut der Omeprazol trotz geringer Halbwertszeit einen therapeutischen Effekt hervorruft, der zweiundsiebzig Stunden anhält, ergaben sich deshalb keine gesicherten Erkenntnisse darüber, ob ein ähnlicher Effekt auch bei Quetiapin eintreten könnte, zumal die lange Wirkungsdauer von Omeprazol in HE13 für einen Wirkstoff mit geringer Halbwertszeit als unerwartet bezeichnet wird.

63

cc) Angesichts all dessen lagen im Prioritätszeitpunkt gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass eine Erhöhung der Dosis nicht ausreichen würde, um eine Verringerung der Verabreichungshäufigkeit auf einmal pro Tag zu ermöglichen. Dies gab dem Fachmann Anlass, gängige Alternativen in den Blick zu nehmen. Dazu gehörte eine Retard-Formulierung, die zu einer verzögerten Freisetzung und damit zu geringeren Schwankungen des Plasmaspiegels führt.

64

dd) Die von der Berufung geltend gemachten Bedenken, dass die erforderliche Dosis bei Quetiapin zu hoch sein könnte, um eine solche Formulierung herstellen zu können, wiegen im Hinblick auf die in NiK9 und NiK45 als ausreichend bezeichnete Dosierung von 450 mg pro Tag jedenfalls nicht hinreichend schwer, um von einem Beschreiten des nahegelegten Wegs abzusehen.

65

e) Aus den von der Berufung angeführten Dosierungsangaben in der Patentanmeldung für Quetiapin (EP 0 240 228 A1, NiK3, S. 4 Z. 42-43) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese Angaben (1,0 mg bis 40 mg pro Tag und Kilogramm Körpergewicht) hinsichtlich der Obergrenze einen Druckfehler enthalten, weil die ebenfalls angegebenen Beispielswerte für ein Körpergewicht von 50 kg (50 mg bis 200 mg) pro Tag auf eine Obergrenze von 4,0 mg hindeuten. Jedenfalls ergab sich für den Fachmann aus nachfolgenden Veröffentlichungen wie NiK9 und NiK45 die begründete Erwartung, dass eine derart hohe Dosierung nicht erforderlich ist.

66

e) Die Ausführungen des Patentgerichts, dass der Einsatz eines Geliermittels sowie die nach den Hilfsanträgen zusätzlich vorgesehenen Maßnahmen durch den Stand der Technik nahegelegt waren, greift die Berufung nicht an. Rechtsfehler oder konkrete Umstände, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Patentgericht getroffenen Feststellungen begründen könnten, sind insoweit nicht ersichtlich.

67

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 ZPO.

Meier-Beck                       Gröning                              Bacher

                    Deichfuß                       Kober-Dehm

(1) In dem Verfahren wegen Erklärung der Nichtigkeit des Patents oder des ergänzenden Schutzzertifikats weist das Patentgericht die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Dieser Hinweis soll innerhalb von sechs Monaten nach Zustellung der Klage erfolgen. Ist eine Patentstreitsache anhängig, soll der Hinweis auch dem anderen Gericht von Amts wegen übermittelt werden. Das Patentgericht kann den Parteien zur Vorbereitung des Hinweises nach Satz 1 eine Frist für eine abschließende schriftliche Stellungnahme setzen. Setzt das Patentgericht keine Frist, darf der Hinweis nicht vor Ablauf der Frist nach § 82 Absatz 3 Satz 2 und 3 erfolgen. Stellungnahmen der Parteien, die nach Fristablauf eingehen, muss das Patentgericht für den Hinweis nicht berücksichtigen. Eines Hinweises nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte nach dem Vorbringen der Parteien offensichtlich erscheinen. § 139 der Zivilprozessordnung ist ergänzend anzuwenden.

(2) Das Patentgericht kann den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem Hinweis nach Absatz 1 durch sachdienliche Anträge oder Ergänzungen ihres Vorbringens und auch im Übrigen abschließend Stellung nehmen können. Die Frist kann verlängert werden, wenn die betroffene Partei hierfür erhebliche Gründe darlegt. Diese sind glaubhaft zu machen.

(3) Die Befugnisse nach den Absätzen 1 und 2 können auch von dem Vorsitzenden oder einem von ihm zu bestimmenden Mitglied des Senats wahrgenommen werden.

(4) Das Patentgericht kann Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents, die erst nach Ablauf einer hierfür nach Absatz 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
die Berücksichtigung des neuen Vortrags eine Vertagung des bereits anberaumten Termins zur mündlichen Verhandlung erforderlich machen würde und
2.
die betroffene Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
die betroffene Partei über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist glaubhaft zu machen.

47
Zwar waren die mit Hilfsantrag VI verteidigten Patentansprüche 1 und 3 als Nebenansprüche 2 und 5 in der von den Beklagten bereits in der ersten Instanz als Reaktion auf den gerichtlichen Hinweis nach § 83 Abs. 1 PatG mit Schriftsatz vom 20. April 2012 als Hilfsantrag IV verteidigten Fassung des Streitpatents enthalten. Zu diesem Hilfsantrag und dabei insbesondere auch zu den zusätzlichen Merkmalen, dass die Schnecke konisch geformt ist und an der Schnecke bzw. an den übereinander angeordneten Flügel Schneidelemente angeordnet sind, hat die Klägerin schon mit Schriftsatz vom 24. Mai 2012 - im Wesentlichen unter Bezugnahme auf ihre Klageschrift vom 10. Februar 2011 - Stellung genommen, ohne die nunmehr im Berufungsrechtszug vorgelegten Entgegenhaltungen zu nennen. Allerdings lässt sich auf der Grundlage des Protokolls über die mündliche Verhandlung nicht feststellen, inwieweit das Patentgericht mit seinem Hinweis zu der mit Hilfsantrag IV verteidigten Fassung auch zu erkennen gegeben hat, dass es die darin enthaltenen - und im Anschluss an den Hinweis mit Hilfsantrag VI als Patentansprüche 1 und 3 verteidigten - selbständigen Patentansprüche für jedenfalls möglicherweise rechtsbeständig erachtete ; der Inhalt des Hinweises wird weder in der Sitzungsniederschrift noch im Urteil mitgeteilt. Schließlich lässt auch der Hinweis des Patentgerichts nach § 83 Abs. 1 PatG keine Rückschlüsse auf die Einschätzung des Patentgerichts zu, da dort lediglich Ausführungen zu Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung , nicht jedoch zu den - in die mit Hilfsantrag VI verteidigte Fassung aufgenommenen - Merkmalen der einzelnen Unteransprüche enthalten sind. Vor diesem Hintergrund beruht es jedenfalls nicht auf Nachlässigkeit, dass die Klägerin sich nicht bereits im ersten Rechtszug auf die Entgegenhaltungen BB1 bis BB9 berufen oder angesichts der durch Hilfsantrag VI veränderten Sachlage zumindest eine Vertagung beantragt hat, um weitere, auf die nunmehr verteidigte Fassung des Streitpatents ausgerichtete Recherchen vornehmen zu können.

(1) In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof gelten die Bestimmungen des § 144 über die Streitwertfestsetzung entsprechend.

(2) In dem Urteil ist auch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkosten (§§ 91 bis 101) sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht die Billigkeit eine andere Entscheidung erfordert; die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Kostenfestsetzungsverfahren (§§ 103 bis 107) und die Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen (§§ 724 bis 802) sind entsprechend anzuwenden.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.