Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2008 - VI ZR 221/07

bei uns veröffentlicht am08.07.2008
vorgehend
Amtsgericht Siegburg, 109 C 510/06, 09.03.2007
Landgericht Bonn, 8 S 73/07, 02.08.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 221/07 Verkündet am:
8. Juli 2008
Holmes,
Justizangestelle
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGZPO § 15 a; NRWGüSchlG § 10
Das Gütestellen- und Schlichtungsgesetz NRW beschränkt die örtliche Zuständigkeit
der anerkannten "weiteren Gütestellen" nicht auf den Landgerichtsbezirk
, in dem die Parteien wohnen.
BGH, Urteil vom 8. Juli 2008 - VI ZR 221/07 - LG Bonn
AG Siegburg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Juli 2008 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller und die Richter
Dr. Greiner, Wellner, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 2. August 2007 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Über das im Landgerichtsbezirk Bonn liegende Grundstück der Kläger verläuft die Zufahrt zum Haus der Beklagten, zu deren Gunsten eine Baulast im Baulastenverzeichnis eingetragen ist, die sie zur Nutzung der Zuwegung berechtigt.
2
Nachdem die Kläger ihr Grundstück eingezäunt und mit einem verschließbaren Tor versehen hatten, kam es zwischen den Parteien zum Streit. Deswegen baten die Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 den als Güte- stelle nach dem Gütestellen- und Schlichtungsgesetz NRW anerkannten Rechtsanwalt T. in Hamm um Durchführung des Schlichtungsverfahrens und die Erstellung einer Erfolglosigkeitsbescheinigung. Aus ihrer Sicht könne ein Schlichtungsverfahren zu keiner Erledigung der Angelegenheit führen, nur hilfsweise stellten sie den Antrag auf außergerichtliche Streitschlichtung. Die Beklagte erwiderte, sie halte die Durchführung eines mündlichen Schlichtungstermins "für ideal", wolle aber deshalb nicht ins über 130 km entfernte Hamm reisen. Zuständig seien Gütestellen im Landgerichtsbezirk Bonn, an die das Verfahren abgegeben werden solle. T. verwies darauf, dass seine örtliche Zuständigkeit als Gütestelle weder vom Gesetz noch von seiner Schlichtungsordnung beschränkt werde, und übersandte den Parteien am 31. Oktober 2006 einen schriftlichen Schlichtungsvorschlag. Da die Beklagte mitteilte, sie sehe den Schlichtungsvorschlag wegen der fehlenden Zuständigkeit als gegenstandslos an, stellte T. am 3. November 2006 eine Erfolglosigkeitsbescheinigung aus.
3
Die Kläger verlangen, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, die Kläger als "Asoziale" oder in ähnlicher Weise zu betiteln oder zu beleidigen, die Kläger oder deren Kinder gegen deren Willen zu fotografieren sowie die Kläger damit zu bedrohen, das an deren Grundstück gelegene Grundstückseinfahrtstor gewaltsam zu öffnen oder zu beschädigen, und die Kläger von der Kostennote ihrer Rechtsanwälte freizustellen.
4
Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Berufung der Kläger blieb ohne Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen diese ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

5
Das Berufungsgericht, dessen Urteil vom 2. August 2007 - 8 S 73/07 - in juris veröffentlicht ist, meint, die erhobene Unterlassungsklage sei unzulässig, weil das gemäß § 15 a EGZPO in Verbindung mit § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Anerkennung von Gütestellen im Sinne des § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung und die obligatorische Streitschlichtung in NordrheinWestfalen (GüSchlG NRW, vgl. GV NRW 2000 S. 476, zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. November 2007, GV NRW S. 583) erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt worden sei.
6
Der Rechtsstreit habe seine Ursache in den nachbarschaftlichen Beziehungen der Parteien (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 e GüSchlG NRW) und die Kläger machten Ansprüche wegen Verletzungen der persönlichen Ehre geltend (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 GüSchlG NRW a.F.; jetzt: § 10 Abs. 1 Nr. 2 GüSchlG NRW). Sie hätten deshalb gemäß § 15 a EGZPO vor der Klageerhebung ein Schlichtungsverfahren durchführen müssen. Daran fehle es, weil eine Gütestelle in Hamm örtlich unzuständig sei, wenn beide Parteien im Landgerichtsbezirk Bonn wohnten. Das Gütestellen- und Schlichtungsgesetz NRW enthalte zwar keine ausdrückliche Regelung über die örtliche Zuständigkeit. Eine teleologische Auslegung des Gesetzes, insbesondere des § 11, ergebe aber, dass die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Landgerichte entsprechend anzuwenden seien.
7
Zudem sei das Handeln der Kläger rechtsmissbräuchlich. Sie hätten das Schlichtungsverfahren so betrieben, dass es zur Herbeiführung einer Schlichtung von vornherein ungeeignet gewesen sei. Das zeige die Wahl einer 133,95 km vom Wohnort der Parteien entfernten Gütestelle, die Betonung der Aussichtslosigkeit des Schlichtungsverfahrens bereits im Schreiben vom 11. Oktober 2006 und die Wahl von Rechtsanwalt T., der von der Kanzlei des damaligen Klägervertreters häufig und regelmäßig beauftragt werde und dessen Schlichtungsvorschlag einseitig im Sinne der Kläger gewesen sei.

II.

8
Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand, weil der erforderliche Schlichtungsversuch stattgefunden hat.
9
1. Es begegnet bereits Bedenken, ob das Berufungsgericht die Klage als insgesamt unzulässig ansehen durfte, weil die Kläger mehrere Ansprüche geltend machen (§ 260 ZPO), von denen nur einer gemäß § 10 Abs. 1 GüSchlG NRW die Durchführung eines Einigungsversuchs vor einer Gütestelle erforderte.
10
a) Nach dieser Vorschrift, die auf der Öffnungsklausel des § 15 a EGZPO beruht, ist die Durchführung eines Einigungsversuchs u.a. erforderlich in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz für NordrheinWestfalen geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 e), und in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzungen der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 GüSchlG NRW, § 10 Abs. 1 Nr. 3 GüSchlG NRW a.F.). Wird der Einigungsversuch nicht vor der Klageerhebung durchgeführt, ist die Klage unzulässig (Senat, BGHZ 161, 145, 147 ff.). Es handelt sich dabei um eine von Amts wegen zu prüfende, besondere Prozessvoraussetzung (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., vor § 253 Rn. 33). Ob § 10 GüSchlG NRW in den Vorinstanzen richtig angewendet wor- den ist, kann der Senat überprüfen, da sich der räumliche Geltungsbereich der Vorschrift über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt (§ 545 Abs. 1 ZPO).
11
b) Keiner der Ansprüche betrifft eine der in § 10 Abs. 1 Nr. 1 a - e GüSchlG NRW aufgezählten nachbarrechtlichen Streitigkeiten. Zwar meint das Berufungsgericht, der Rechtsstreit habe seine Ursachen in den nachbarrechtlichen Streitigkeiten der Parteien und sei deswegen einer obligatorischen Streitschlichtung nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 e GüSchlG NRW unterworfen, weil er eng mit den nachbarschaftlichen Vorschriften verbunden sei. Indes betraf die vom Berufungsgericht herangezogene Entscheidung des OLG Köln (OLGR Köln 2006, 406) einen anderen Sachverhalt, da es beim Streit um ein Lichtrecht an dem in der Grenzwand vorhandenen Fenster tatsächlich um im NachbG NRW geregelte Ansprüche ging. Ob bereits ein enger Zusammenhang zu nachbarrechtlichen Vorschriften für die Notwendigkeit der Durchführung eines außergerichtlichen Streitschlichtungsversuchs nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 e GüSchlG NRW ausreichen würde, kann dahinstehen, weil ein solcher nicht besteht. Der Streit der Parteien hat seine Ursache zwar auch in der angeblichen Verletzung der zugunsten der Beklagten im Baulastenverzeichnis eingetragenen Baulast. Dabei handelt es sich aber nicht um ein im Nachbarrechtsgesetz für NRW geregeltes Nachbarrecht, sondern um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung nach der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (vgl. § 83 BauO NRW). Alleine der Umstand, dass es sich um eine Streitigkeit zwischen Nachbarn handelt, reicht für die Notwendigkeit der Durchführung eines außergerichtlichen Streitschlichtungsversuchs nicht aus.
12
c) In den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 2 GüSchlG NRW fällt nur der erste der geltend gemachten Unterlassungsansprüche. Die in dieser Vorschrift, die § 15 a Abs. 1 Nr. 3 EGZPO entspricht, geregelten Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre betreffen insbesondere Unterlassungsansprüche bei Beleidigungen und unwahren Tatsachenbehauptungen, Widerrufsansprüche bei unwahren Tatsachenbehauptungen und Ansprüche auf Schadensersatz in Geld (vgl. Prütting/Schmidt, Außergerichtliche Streitschlichtung , Rn. 135; MünchKommZPO/Gruber, 5. Aufl., § 15 a EGZPO, Rn. 24; Serwe , Gütestellen- und Schlichtungsgesetz NRW, Rn. 198 ff.; Schwarzmann /Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, Art. 1 Ziff. 10 a). Dazu zählt im Streitfall der Anspruch auf Unterlassung, "die Kläger als Asoziale oder in ähnlicher Weise zu betiteln oder zu beleidigen". Mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht mehr vereinbar ist die Auffassung, es seien alle Ansprüche erfasst, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewähre (so Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 15 a EGZPO Rn. 8). Denn dieses schützt umfassend das Recht des Einzelnen auf Achtung seiner individuellen Persönlichkeit. Der bei der obligatorischen Streitschlichtung angesprochene zivilrechtliche Ehrenschutz bezieht sich hingegen vor allem auf den Schutz der Persönlichkeit vor herabsetzenden Werturteilen und vor unwahren Tatsachenbehauptungen und betrifft somit nur einen Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (vgl. MünchKomm ZPO/Gruber, aaO; Schwarzmann/Walz, aaO).
13
d) Auch hinsichtlich des Zahlungsantrages war kein Einigungsversuch erforderlich , weil das Land Nordrhein-Westfalen von der Möglichkeit, nach § 15 a Abs. 1 Nr. 1 EGZPO ein Schlichtungsverfahren für vermögensrechtliche Ansprüche bis 750 € vorzusehen, zwar zunächst einschränkend Gebrauch gemacht hat, die entsprechende Regelung aber durch das Ausführungsgesetz zu § 15 a EGZPO vom 20. November 2007 mit Wirkung vom 1. Januar 2008 wieder gestrichen hat und diese Rechtslage im Streitfall maßgeblich ist (vgl. GV NRW 2007, 583).
14
e) Die Kläger machen mithin sowohl einen schlichtungsbedürftigen als auch mehrere nicht schlichtungsbedürftige Ansprüche geltend. Bei gemeinsamer Geltendmachung von schlichtungsbedürftigen und nicht schlichtungsbedürftigen Anträgen ist streitig, ob für erstere ein Einigungsversuch durchzuführen ist (vgl. verneinend: LG Aachen, NJW-RR 2002, 1439; Baumbach /Lauterbach/Albers/Hartmann, 66. Aufl., § 15 a EGZPO Rn. 18; Beunings, AnwBl 2004, 82, 85; Bitter, NJW 2005, 1235, 1237 f.; Deckenbrock/Jordans, JA 2004, 913, 915; Friedrich, NJW 2002, 3223, 3224; Hk-ZPO/Saenger, 2. Aufl., § 15 a EGZPO Rn. 2; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 15 a EGZPO Rn. 3; bejahend: Baldringer, VuR 2005, 285, 288; Becker/Nicht, ZZP 120, 159, 190; Jordans, MDR 2005, 286, 287; MünchKommZPO/Gruber, aaO, § 15 a EGZPO Rn. 11; Prütting/Schmidt, aaO, Rn. 119; Röhl/Weiß, Die obligatorische Streitschlichtung in der Praxis, 2005, S. 155 f.).
15
Es spricht viel für die letztgenannte Auffassung, weil bei einer Anspruchshäufung (§ 260 ZPO) der Grundsatz gilt, dass die Prozessvoraussetzungen für jeden einzelnen Antrag gesondert zu prüfen sind. Die Gegenauffassung eröffnete eine Möglichkeit zur einfachen Umgehung des Einigungsversuchs , die der Zielsetzung des Gesetzgebers widerspräche, durch die Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen die Gerichte zu entlasten und Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen (vgl. Senat, BGHZ 161, 145, 148 ff.). Deshalb hätte es für den Gesetzgeber nahe gelegen, wie bei den §§ 5, 25 ZPO eine Abweichung vom oben genannten Grundsatz zu regeln, wenn er eine solche auch für die hier maßgeblichen Fälle des § 15 a Abs. 1 Nr. 2 und 3 EGZPO gewollt hätte. Das ist nicht geschehen (vgl. Becker/Nicht, aaO, S. 191; MünchKommZPO/Gruber, aaO; Prütting/Schmidt, aaO; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 260 Rn. 29; Thomas/Putzo/Reichold, aaO, § 260 Rn. 11). Soweit der Bundesgerichtshof in Fällen des § 264 Nr. 2 ZPO die Durchführung eines weiteren Einigungsversuchs für den nachträglich erweiterten oder beschränkten Anspruch als grundsätzlich entbehrlich angesehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 22. Oktober 2004 - V ZR 47/04 - NJW-RR 2005, 501, 503), ist eine mit der anfänglichen , objektiven Klagehäufung nicht vergleichbare Situation gegeben.
16
2. Dies muss aber nicht abschließend entschieden werden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erfüllt nämlich die Inanspruchnahme einer in Hamm ansässigen Gütestelle im Rahmen eines Streites von zwei im Landgerichtsbezirk Bonn wohnhaften Parteien die Voraussetzungen eines Schlichtungsverfahrens nach §§ 10 ff. GüSchlG NRW.
17
a) Eine ausdrückliche Beschränkung der örtlichen Zuständigkeit von Gütestellen ist weder in § 15 a EGZPO noch im Gütestellen- und Schlichtungsgesetz NRW enthalten. Zwar sah die zunächst vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung des § 15 a Abs. 3 EGZPO vor, dass für die örtliche Zuständigkeit der Gütestellen die Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit der Gerichte entsprechend gelten (BT-Drs. 13/6398, S. 8). Diesen Vorschlag hat der Rechtsausschuss aber nicht aufgegriffen und die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit den Ländern vorbehalten (BT-Drs. 13/11042, S. 34). In Nordrhein-Westfalen ist eine solche Bestimmung im Gegensatz zu anderen Bundesländern - wie etwa § 2 SchlG BW, Art. 6 BaySchlG, § 4 HessSchlichtG, § 15 SchStG LSA - nicht erfolgt. Zwar gilt, soweit das Schlichtungsverfahren vor einem Schiedsamt durchgeführt wird, gemäß § 1 Abs. 2 GüSchlG NRW das Gesetz über das Schiedsamt in den Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen (künftig: SchAG NRW) entsprechend, so dass grundsätzlich die Schiedsperson örtlich zuständig ist, in deren Bezirk die Gegenpartei wohnt, wobei Schiedsamtsbezirk die Gemeinde ist (§§ 14, 1 Abs. 2 SchAG NRW). Wenn jedoch das Schlichtungsverfahren - wie hier - vor einer so genannten weiteren anerkannten Gütestelle (§ 2 GüSchlG NRW) durchgeführt wird, fehlt eine ausdrückliche Regelung der örtlichen Zuständigkeit. Durch die §§ 12 Abs. 1 Satz 1, 8 GüSchlG NRW, wonach nur eine von der Landesjustizverwaltung anerkannte Gütestelle sachlich zuständig ist, wird lediglich ausgeschlossen, dass der Antragsteller eine solche außerhalb von NRW wählen kann. Zudem ist in § 11 GüSchlG NRW bestimmt , dass ein Schlichtungsversuch nur erforderlich ist, wenn beide Parteien im selben Landgerichtsbezirk wohnen oder ihren Sitz oder eine Niederlassung haben.
18
b) Vor diesem Hintergrund hat das Berufungsgericht im Wege der teleologischen Auslegung angenommen, dass nur Gütestellen in dem Landgerichtsbezirk örtlich zuständig sind, in dem die Parteien wohnen (vgl. auch Jenkel, Die Streitschlichtung als Zulässigkeitsvoraussetzung in Zivilsachen, 2002, S. 186). Dies lässt sich indes den gesetzlichen Bestimmungen und den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.
19
aa) Soweit das Berufungsgericht auf § 11 GüSchlG NRW verweist, wonach der "räumliche Anwendungsbereich" des Gesetzes nur gegeben ist, wenn beide Parteien im selben Landgerichtsbezirk wohnen, besagt dies nichts über die örtliche Zuständigkeit der Gütestelle. Ein Gleichlauf zwischen räumlicher Anwendbarkeit und örtlicher Zuständigkeit ist nicht notwendig. Das zeigen die für die Schiedsämter getroffene Regelung, die grundsätzlich auf den Bereich einer Gemeinde abstellt (vgl. § 1 Abs. 1 GüSchlG NRW, §§ 1 Abs. 2, 14 SchAG NRW) und auch die Regelungen in anderen Bundesländern, die bei vergleichbarem oder weiter reichendem sachlichen Anwendungsbereich bei der örtlichen Zuständigkeit häufig auf den Amtsgerichtsbezirk abstellen, und zwar teils auf den des Antragsgegners (z.B. Art. 6 BaySchlG) und teils auf den des Antragstellers (z.B. § 2 SchlG BW, § 4 HessSchlG). Auch das Bundesverfassungsgericht hat § 11 GüSchlG nicht als Regelung der örtlichen Zuständigkeit interpretiert, sondern nur festgestellt, dass dadurch dem Interesse des Geschädigten , das Verfahren nach Möglichkeit in der Nähe seines Wohnorts betreiben zu können, ausreichend Rechnung getragen werde (BVerfG, NJW-RR 2007, 1073, 1075). Dafür ist aber die Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit der "weiteren Gütestellen" an den Landgerichtsbezirk nicht zwingend. Eine größere Entfernung der Gütestelle zum Wohnort der Parteien kann nämlich auch vorliegen, wenn der Antragsteller eine Gütestelle innerhalb des Landgerichtsbezirks wählt, während in anderen Fällen eine Gütestelle in einem anderen Landgerichtsbezirk näher am Wohnsitz der Parteien liegen kann (vgl. Thewes, aaO, S. 150, Fn. 562).
20
bb) Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass eine unbewusste Regelungslücke vorliegt, die von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung zu schließen wäre. Dafür spricht zwar, dass es grundsätzlich Ziel des Landes- und Bundesgesetzgebers war, die Parteien vor unverhältnismäßig hohen Reisekosten und unverhältnismäßig hohem Zeitaufwand zu bewahren (vgl. LT-Drs. 12/4614, S. 35; BT-Drs. 13/11042 S. 34 und 14/980, S. 7). Dagegen spricht jedoch, dass der Bundesgesetzgeber entgegen dem ursprünglichen Gesetzentwurf des Bundesrates (vgl. BT-Drs. 13/6398, S. 8) aufgrund der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses in § 15 a Abs. 2 Satz 2 EGZPO mit der Anknüpfung der obligatorischen Streitschlichtung an den Wohnsitz in dem selben Land nur einen äußersten Rahmen vorgegeben hat; die Beschränkung auf kleinere räumliche Bereiche, wie den Regierungs-, den Landgerichts- oder den Gemeindebezirken sowie die Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit hat er indes nach § 15 a Abs. 5 EGZPO den Ländern vorbehalten (vgl. BT-Drs. 13/11042, S. 34 und BT-Drs. 14/980, S. 7). Der Landesgesetzgeber hat in Nordrhein-Westfalen für die neben den in erster Linie als Schlichtungsstellen in Betracht kommenden Schiedsämtern anerkannten "weiteren Gütestellen" anders als bei den Schiedsämtern keine Regelung über die örtliche Zuständigkeit getroffen und die Regelung des Verfahrens bewusst den Gütestellen überlassen.
21
Nach § 12 Abs. 1 Satz 2 GüSchlG NRW hat der Antragsteller unter mehreren anerkannten Gütestellen die Auswahl. Dies soll die Auswahlmöglichkeiten der Bürger erhöhen und den Versuchscharakter der obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung widerspiegeln. Der Verzicht auf gesetzliche Regelungen des Verfahrens und der Kosten wurde im Gesetzgebungsverfahren als rechtsstaatlich unbedenklich angesehen, weil den Parteien mit den Schiedsämtern eine Streitschlichtungseinrichtung zur Verfügung stehe, für die es ein gesetzlich geregeltes Verfahren mit gesetzlich festgelegten Kosten gebe. Keine Partei sei gezwungen, sich dem Verfahren vor einer anderen anerkannten Gütestelle zu unterziehen. Die antragstellende Partei könne die Gütestelle auswählen ; die antragsgegnerische Partei könne dem Verfahren fernbleiben, ohne prozessuale oder sonstige Sanktionen fürchten zu müssen. Eine mögliche Kostenbelastung der antragsgegnerischen Partei hänge gemäß § 15 a Abs. 4 EGZPO, § 91 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 91 Abs. 1 und 2 ZPO allein von der materiell-rechtlichen Begründetheit des Anspruchs ab (vgl. LT-Drs. 12/4614, S. 28 f., 35 f.).
22
Aufgrund der vorstehend dargelegten Erwägungen kann nicht im Wege einer teleologischen Auslegung eine Beschränkung der örtlichen Zuständigkeit der nach § 2 GüSchlG NRW anerkannten Gütestellen erfolgen. Es ist durchaus möglich, dass der Landesgesetzgeber angesichts der gewünschten Vielfalt der anerkannten Gütestellen bewusst von einer Beschränkung der örtlichen Zuständigkeit abgesehen hat (vgl. Serwe, aaO, Rn. 143), zumal er trotz der ausdrücklichen Regelungen in anderen Bundesländern auch im Änderungsgesetz vom 20. November 2007 (GV NRW 2007, 583) die örtliche Zuständigkeit der "weiteren Gütestellen" nicht geregelt hat.
23
c) Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen ist die Durchführung des Einigungsverfahrens vor der Gütestelle in Hamm auch nicht rechtsmissbräuchlich.
24
Im Streitfall geht das Berufungsgericht davon aus, die Kläger hätten eine vom Gesetzgeber nicht gewollte Lücke im Güte- und Schlichtungsgesetz NRW missbräuchlich ausgenutzt. Ist jedoch nicht vom Vorliegen einer solchen Lücke auszugehen, so durften die Kläger auch eine Gütestelle außerhalb des Landgerichtsbezirks auswählen.
25
Soweit das Berufungsgericht meint, die Kläger hätten die Wahl der Gütestelle "nicht ansatzweise begründet", verkennt es, dass eine solche Begründung nicht erforderlich war, weil der Antragsteller nach § 12 Abs. 1 Satz 2 GüSchlG NRW unter mehreren anerkannten Gütestellen auswählen kann. Soweit es darauf abstellt, der Vorschlag des Schlichters sei einseitig gewesen, handelt es sich nicht um ein einen Rechtsmissbrauch der Kläger begründendes Verhalten. Ob die Kläger den Einigungsversuch ernsthaft betrieben haben, ist für das nachfolgende Klageverfahren unerheblich, weil es regelmäßig nicht darauf ankommt, woran die Durchführung des Einigungsverfahrens gescheitert ist (vgl. § 15 a Abs. 1 Satz 3 EGZPO und dazu BT-Drs. 14/980, S. 7).
26
3. Das angefochtene Urteil ist nach allem aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Müller Greiner Wellner Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
AG Siegburg, Entscheidung vom 09.03.2007 - 109 C 510/06 -
LG Bonn, Entscheidung vom 02.08.2007 - 8 S 73/07 -

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Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein Urteil, 19. Juli 2017 - 2h C 117/17

bei uns veröffentlicht am 19.07.2017

Tenor 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.154,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 404,60 € seit 3.02.2017 und aus weiteren 750 € seit 4.05.2017 sowie Kosten in Höhe von 201,71 € zu zahlen. 2.

Referenzen

(1) Die Zwangsvollstreckung findet ferner statt:

1.
aus Vergleichen, die zwischen den Parteien oder zwischen einer Partei und einem Dritten zur Beilegung des Rechtsstreits seinem ganzen Umfang nach oder in Betreff eines Teiles des Streitgegenstandes vor einem deutschen Gericht oder vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen sind, sowie aus Vergleichen, die gemäß § 118 Abs. 1 Satz 3 oder § 492 Abs. 3 zu richterlichem Protokoll genommen sind;
2.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen;
2a.
(weggefallen)
2b.
(weggefallen)
3.
aus Entscheidungen, gegen die das Rechtsmittel der Beschwerde stattfindet;
3a.
(weggefallen)
4.
aus Vollstreckungsbescheiden;
4a.
aus Entscheidungen, die Schiedssprüche für vollstreckbar erklären, sofern die Entscheidungen rechtskräftig oder für vorläufig vollstreckbar erklärt sind;
4b.
aus Beschlüssen nach § 796b oder § 796c;
5.
aus Urkunden, die von einem deutschen Gericht oder von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommen sind, sofern die Urkunde über einen Anspruch errichtet ist, der einer vergleichsweisen Regelung zugänglich, nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet ist und nicht den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betrifft, und der Schuldner sich in der Urkunde wegen des zu bezeichnenden Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat;
6.
aus für vollstreckbar erklärten Europäischen Zahlungsbefehlen nach der Verordnung (EG) Nr. 1896/2006;
7.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind;
8.
aus Titeln, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Verfahren nach der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 1; L 141 vom 5.6.2015, S. 118), die zuletzt durch die Verordnung (EU) 2015/2421 (ABl. L 341 vom 24.12.2015, S. 1) geändert worden ist, ergangen sind;
9.
aus Titeln eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, die nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen zu vollstrecken sind.

(2) Soweit nach den Vorschriften der §§ 737, 743, des § 745 Abs. 2 und des § 748 Abs. 2 die Verurteilung eines Beteiligten zur Duldung der Zwangsvollstreckung erforderlich ist, wird sie dadurch ersetzt, dass der Beteiligte in einer nach Absatz 1 Nr. 5 aufgenommenen Urkunde die sofortige Zwangsvollstreckung in die seinem Recht unterworfenen Gegenstände bewilligt.

Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

(1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht.

(2) Die Revision kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.

Mehrere Ansprüche des Klägers gegen denselben Beklagten können, auch wenn sie auf verschiedenen Gründen beruhen, in einer Klage verbunden werden, wenn für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig und dieselbe Prozessart zulässig ist.

Mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche werden zusammengerechnet; dies gilt nicht für den Gegenstand der Klage und der Widerklage.

In dem dinglichen Gerichtsstand kann mit der Klage aus einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld die Schuldklage, mit der Klage auf Umschreibung oder Löschung einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld die Klage auf Befreiung von der persönlichen Verbindlichkeit, mit der Klage auf Anerkennung einer Reallast die Klage auf rückständige Leistungen erhoben werden, wenn die verbundenen Klagen gegen denselben Beklagten gerichtet sind.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 47/04 Verkündet am:
22. Oktober 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO (2002) §§ 513, 281
§ 513 Abs. 2 ZPO hindert das Berufungsgericht, den Rechtsstreit unter Aufhebung des
angefochtenen Urteils gemäß § 281 ZPO an ein anderes erstinstanzliches Gericht zu verweisen.
ZPO (2002) § 513; EGZPO § 15a; BadWürttSchlG § 1 Abs. 1 Satz 1
§ 513 Abs. 2 ZPO schränkt nicht die Nachprüfung der Anwendung von Normen ein, die
anderen Zwecken als der Festlegung des zuständigen Gerichts dienen und dabei an die
Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts lediglich anknüpfen.
ZPO §§ 263, 264; EGZPO § 15a; BadWürttSchlG § 1 Abs. 1 Satz 1
Ist ein nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BadWürttSchlG vorgeschriebenes Schlichtungsverfahren
vor Klageerhebung durchgeführt worden, macht eine im Verlauf des Rechtsstreits erfolgte
zulässige Klageerweiterung oder –änderung einen neuen außergerichtlichen Schlichtungsversuch
nicht erforderlich.
EGZPO § 15a; BadWürttSchlG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2e
Eine Rechtsstreitigkeit über Ansprüche wegen im Nachbarrechtsgesetz geregelter Rechte
im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2e BadWürttSchlG ist gegeben, wenn das Nachbarrechtsgesetz
Regelungen enthält, die für den Interessenkonflikt der Nachbarn von Bedeutung
sind.
BGH, Urt. v. 22. Oktober 2004 - V ZR 47/04 - LG Karlsruhe
AG Bruchsal
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. Oktober 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und die Richterin
Dr. Stresemann

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Karlsruhe vom 13. Februar 2004 wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß für die neue Verhandlung und Entscheidung das Amtsgericht Bruchsal zuständig ist.
Von Rechts wegen

Tatbestand:


Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Im Bereich ihrer gemeinsamen Grundstücksgrenze trennen eine von der Beklagten im Jahr 2001 erneuerte höhere Mauer, eine niedrige Mauer mit darauf befindlichem Zaun sowie ein Drahtzaun die Grundstücke voneinander.
Mit der Behauptung, Mauern und Zaun stünden fast vollständig auf ihrem Grundstück, verlangen die Kläger deren Beseitigung. Ferner machen sie 313,30 € für Vermessungskosten geltend. Ein von den Klägern vor Klageerhe-
bung eingeleitetes außergerichtliches Schlichtungsverfahren ist infolge Nichterscheinens der Beklagten erfolglos geblieben.
In der ersten Instanz haben die Kläger ihre Anträge neu gefaßt und die Klage erweitert. Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die geänderte Klage eine erneute Streitschlichtung gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2e des baden-württembergischen Gesetzes zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung (BadWürttSchlG) erfordere. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht die Entscheidung des Amtsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht (erstinstanzliche Zivilkammer) zurückverwiesen.
Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Kläger beantragen die Verwerfung, hilfsweise die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe:


I.


Das Berufungsgericht meint, eine weitere außergerichtliche Streitschlichtung sei schon deshalb entbehrlich, weil das Landesschlichtungsgesetz nur auf vor dem Amtsgericht zu erhebende Klagen Anwendung finde, vorliegend jedoch das Landgericht erstinstanzlich zuständig sei. Das Amtsgericht habe den – auf 2.500 € festgesetzten - Wert des Streitgegenstands zwar in Übereinstimmung mit der herrschenden Auffassung in Rechtsprechung und
Literatur nach dem klägerischen Interesse an der Rechtsverfolgung bestimmt. Diese Auffassung überzeuge jedoch nicht. Bei unterschiedlich hohem Streitinteresse der Parteien sei das jeweils höhere maßgeblich, hier also das mit 12.000 € zu bewertende Interesse der Beklagten, die Mauer- und Zaunanlage nicht beseitigen zu müssen. Im Berufungsurteil sei daher sogleich die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht (Zivilkammer erster Instanz) auszusprechen gewesen.

II.


1. Die hiergegen erhobene Revision ist zulässig.

a) Die Beklagte ist durch die zurückverweisende Entscheidung des Berufungsgerichts beschwert, da ihrem Antrag auf sachliche Entscheidung nicht entsprochen worden ist (vgl. BGHZ 31, 358, 361; 59, 82, 83; BGH, Urt. v. 19. Oktober 1989, I ZR 22/88, NJW-RR 1990, 480, 481).

b) Die Revisionsbegründung entspricht den Anforderungen des § 551 Abs. 3 ZPO. Gegen eine kassatorische Entscheidung kann mit der Revision nur geltend gemacht werden, daß die ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung gegen das Gesetz verstößt (BGH, Urt. v. 24. Februar 1983, IX ZR 35/82, NJW 1984, 495; Urt. v. 18. Februar 1997, XI ZR 317/95, NJW 1997, 1710). Dabei kann die Rüge zulässigerweise dahin gehen, daß die Aufhebung und Zurückverweisung fehlerhaft ist, weil das Berufungsgericht bei korrekter Rechtsanwendung selbst in der Sache hätte entscheiden müssen (BGH, Urt. v. 18. Februar 1997, XI ZR 317/95, aaO; Urt. v. 22. Mai 2001, VI ZR 74/00, NJW
2001, 2550). Dem genügt die auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils gerichtete Revision, indem sie geltend macht, bei richtiger Rechtsanwendung hätte das Berufungsgericht die Berufung der Kläger zurückweisen müssen , da das Amtsgericht die Klage wegen Nichtdurchführung des außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens zu Recht als unzulässig abgewiesen habe.

c) Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revisionsbeklagten, die Revision sei gemäß § 545 Abs. 2 ZPO unzulässig. Da die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt, dieses also verteidigt, wird die Revision nicht darauf gestützt, daß das Gericht des ersten Rechtszuges – nur auf dieses stellt § 545 Abs. 2 ZPO ab (vgl. MünchKommZPO /Wenzel, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 545 Rdn. 15; Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 545 Rdn. 12) - seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen oder verneint hat.
2. Die Revision ist jedoch unbegründet, denn die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und die Zurückverweisung des Rechtsstreits in die erste Instanz sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.

a) Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht insoweit den Regelungsgehalt des § 513 Abs. 2 ZPO nicht verkannt. Zwar hindert die Vorschrift, nach der die Berufung nicht darauf gestützt werden kann, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, das Berufungsgericht, die Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts zu prüfen (vgl. MünchKomm-ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband , § 513 Rdn. 19). Der Umstand, daß § 1 Abs. 1 BadWürttSchlG eine vor dem Amtsgericht zu erhebende Klage voraussetzt und deshalb von dem
Amtsgericht nur angewendet werden konnte, wenn es seine Zuständigkeit bejahte , entzieht die Entscheidung - auch hinsichtlich der Frage der Zuständigkeit – jedoch nicht der Nachprüfung durch das Berufungsgericht. Nach seinem Zweck, Rechtsmittelstreitigkeiten auszuschließen, die allein die Frage der Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts zum Gegenstand haben (vgl. RegE BT-Drucks. 14/4722, S. 94), schränkt § 513 Abs. 2 ZPO die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung nämlich nur ein, soweit allein der Festlegung des zuständigen Gerichts dienende Vorschriften in Rede stehen (vgl. MünchKommZPO /Rimmelspacher, aaO, § 513 Rdn. 22). Die Anwendung sonstiger Normen, die – wie § 1 Abs. 1 Satz 1 BadWürttSchlG – einen anderen Zweck verfolgen und dabei an die Zuständigkeit eines bestimmten Gerichts lediglich anknüpfen, ist dagegen nach allgemeinen Grundsätzen zu überprüfen.

b) Die Auffassung des Berufungsgerichts, das baden-württembergische Schlichtungsgesetz sei vorliegend nicht anwendbar, weil der Wert des Streitgegenstandes 12.000 € übersteige und der Rechtsstreit damit in die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts falle (§ 71 Abs. 1 iVm § 23 Nr. 1 GVG), ist rechtsfehlerhaft.
Die für die Anwendung des Landesschlichtungsgesetzes erforderliche Feststellung, ob eine Klage vor dem Amts- oder vor dem Landgericht zu erheben ist, richtet sich nach den für die Festsetzung des Zuständigkeitsstreitwerts maßgeblichen Grundsätzen. Ist die Feststellung – wie hier – auf der Grundlage von § 3 ZPO, also nach freiem Ermessen, getroffen worden, so kann sie von dem Revisionsgericht zwar nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder das Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat (vgl. BGH, Urt. v. 20. September 1983, VI ZR
111/82, VersR 1983, 1160, 1161; Beschl. v. 10. Juli 1996, XII ZB 15/96, FamRZ 1996, 1543 f.; Beschl. v. 27. Juni 2001, IV ZB 3/01, NJW-RR 2001, 1571 für die Bewertung des Rechtsmittelinteresses). Einer solchen Prüfung hält die angefochtene Entscheidung jedoch nicht stand. Die Bewertung des Zuständigkeitsstreitwerts mit über 12.000 € überschreitet die durch § 3 ZPO vorgegebenen Grenzen des Ermessens.
Die Auffassung des Berufungsgerichts, daß sich der Streitwert bei unterschiedlich zu bewertenden Interessen der klagenden und der beklagten Partei nach dem höheren Interesse richte, steht mit den für die Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts maßgeblichen, an dem Wert des Streitgegenstands ausgerichteten §§ 2 und 3 ZPO nicht in Einklang. Unzutreffend ist bereits der gedankliche Ausgangspunkt, das Gesetz knüpfe über den Begriff des Streitgegenstands an die sich „im Streit“ befindlichen Interessen beider Parteien an. Was Streitgegenstand ist, wird durch den Antrag des Klägers bestimmt (GrSZ, BGHZ 59, 17, 18; BGHZ 117, 1, 5; Senat, BGHZ 124, 313, 317). Sein Rechtsschutzbegehren , konkretisiert durch den Klageantrag und den ihm zugrunde liegenden Lebenssachverhalt, bildet den Gegenstand des Rechtsstreits (BGHZ 117, 1, 5). Einwendungen des Beklagten sind für den Streitgegenstand grundsätzlich ohne Bedeutung (GrSZ, aaO). Auch das Gebot der prozessualen Waffengleichheit , auf das sich das Berufungsgericht maßgeblich stützt, steht einer Bewertung des Zuständigkeitsstreitswerts nach dem Interesse des Klägers nicht entgegen (vgl. Senat, BGHZ 124, 313, 319).
Der Zuständigkeitsstreitswert ist deshalb nach dem - von de m Amtsgericht mit 2.500 € bewerteten - klägerischen Interesse an einem Erfolg der Klage zu bestimmen. Daß die Kläger - wie die Revisionserwiderung meint - ihr Inter-
esse ebenfalls mit 12.000 € beziffert hätten, trifft nicht zu. Insbesondere folgt dies nicht aus ihrem nur hilfsweise gestellten Antrag, den Rechtsstreit nach einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils an das Landgericht zurückzuverweisen.

c) Die Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Rechtsstreits gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO).
Die Klage durfte von dem Amtsgericht nicht als unzulässig abgewiesen werden, denn die Änderung der Klageanträge während des erstinstanzlichen Verfahrens machte keinen erneuten Schlichtungsversuch gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BadWürttSchlG erforderlich. Der Senat kann die Anwendung dieser Vorschrift durch die Vorinstanzen überprüfen, da ihr räumlicher Geltungsbereich ganz Baden-Württemberg erfaßt und sich damit über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt (§ 545 Abs. 1 ZPO).
aa) Zutreffend ist das Amtsgericht allerdings davon ausgegangen, daß das Verfahren in den Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2e BadWürttSchlG fällt. Nach dieser – auf der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO beruhenden - Vorschrift ist die Klageerhebung vor den Amtsgerichten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz (BadWürttNRG) geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen eines gewerblichen Betriebs handelt, erst nach einem außergerichtlichen Schlichtungsversuch zulässig.
Eine Rechtsstreitigkeit über Ansprüche wegen im Nachbarrechtsgesetz geregelter Rechte ist gegeben, wenn dieses Gesetz Regelungen enthält, die für den Interessenkonflikt der Nachbarn im konkreten Fall von Bedeutung sind. Erst durch die Zusammenschau aller gesetzlichen Regelungen des Nachbarrechts , das sich als Bundesrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch findet (§§ 906 ff. BGB) und in den Rechtsvorschriften der landesrechtlichen Nachbargesetze enthalten ist, werden nämlich Inhalt und Schranken der Eigentümerstellung bestimmt. Nur in dem hiernach gegebenen Rahmen kann ein Eigentümer sich gegen eine von dem Nachbargrundstück ausgehende Beeinträchtigung zur Wehr setzen oder verpflichtet sein, diese zu dulden (vgl. Senat, Urt. v. 12. November 1999, V ZR 229/98, NJW-RR 2000, 537 f.; vgl. auch Schmidt, DAR 2001, 481, 482).
Die Rechtssache der Parteien betrifft hiernach Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz geregelten Nachbarrechte im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2e BadWürttSchlG. Die Parteien streiten in erster Linie, ob die vorhandene, ihre Grundstücke trennende Mauer- und Zaunanlage an der jetzigen Stelle verbleiben kann. Da sich § 11 BadWürttNRG mit dem zulässigen Standort für Einfriedungen befaßt, sind dessen Regelungen zur Bestimmung von Inhalt und Umfang eines Beseitigungsanspruchs der Kläger heranzuziehen. Ob daneben mit den für Grenzanlagen geltenden §§ 921, 922 BGB, die allerdings nur die Benutzung und Unterhaltung solcher Anlagen regeln, nicht dagegen eine Duldungspflicht des Nachbarn begründen (Senat, BGHZ 91, 282, 286; Senat, Urt. v. 11. Oktober 1996, V ZR 3/96, NJW-RR 1997, 16), auch bundesrechtliche Vorschriften von Bedeutung sein können, ist für die Anwendung von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2e BadWürttSchlG ohne Belang.
bb) Die Kläger haben den Versuch unternommen, die Streitigkeit mittels eines Schlichtungsverfahrens einvernehmlich beizulegen und mit der Klage die gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BadWürttSchlG erforderliche Bescheinigung hierüber vorgelegt. Ihre somit zulässige Klage ist durch die im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgte Umstellung der Klageanträge nicht unzulässig geworden.
Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Kläger den im Schlichtungsverfahren zugrunde gelegten, in erster Linie auf die Entfernung und Zurücksetzung einer ca. 45 m langen Mauer/Zaunanlage gerichteten Antrag durch den erstinstanzlich zuletzt gestellten Antrag, welcher zwischen dem im Vorderbereich der Grundstücke befindlichen Drahtzaun, der auf einer Länge von 32,3 m im Gartenbereich stehenden niedrigen Mauer mit Drahtzaun und der höheren Mauer unterscheidet und mit dem nun auch die Reduzierung der höheren Mauer auf 1,5 m verlangt wird, geändert, erweitert oder bloß präzisiert haben. In keinem Fall erforderte die Veränderung der Anträge ein erneutes außergerichtliches Schlichtungsverfahren.
Ziel des dem Landesschlichtungsgesetz zugrunde liegenden Gesetzes zur Förderung der außergerichtlichen Streitschlichtung vom 15. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2400) ist die Entlastung der Zivilgerichte (BT-Drucks. 14/980 S. 5). Zu diesem Zweck wurde es den Ländern durch die Öffnungsklausel des § 15a EGZPO ermöglicht, die Zulässigkeit einer zivilrechtlichen Klage in bestimmten Fällen von der vorherigen Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsversuchs abhängig zu machen. Hierdurch sollen geeignete Streitigkeiten ohne Einschaltung der Gerichte beigelegt werden. Dieses Ziel läßt sich indessen nicht mehr erreichen, wenn die Schlichtung erfolglos geblieben
und die Streitigkeit bei Gericht anhängig geworden ist. Das Gerichtsverfahren ist deshalb wie jedes andere Verfahren nach den allgemeinen Vorschriften durchzuführen. Insbesondere kann die klagende Partei die Klage erweitern (§ 264 Nr. 2 ZPO) oder nach Maßgabe von § 263 ZPO ändern, ohne daß hierdurch die Zulässigkeit der Klage nachträglich entfiele. Dies folgt im übrigen auch daraus, daß § 15a EGZPO die Länder in den in Abs. 1 Nr. 1 bis 3 genannten Fällen nur ermächtigt, die Klageerhebung, nicht aber auch eine Klageerweiterung oder -änderung von der vorherigen Durchführung eines Schlichtungsverfahrens abhängig zu machen.
Eine andere Auslegung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 BadWürttSchlG führte zudem zu unnötigem Zeitverzug und Kosten in Form eines weiteren Schlichtungsversuchs. Dieser Aufwand ließe sich entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch dann nicht rechtfertigen, wenn die veränderte Fassung der Anträge die Einigungsbereitschaft der Parteien und damit die Chance einer nicht streitigen Erledigung der Sache erhöht hat. In einem solchen Fall hat das Gericht, das in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits bedacht sein soll (§ 278 Abs. 1 ZPO), die Einigungschance selbst zu ergreifen und auf eine vergleichsweise Regelung hinzuwirken.
Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn sich eine Klageänderung als rechtsmißbräuchlich darstellt (vgl. LG Kassel, NJW 2002, 2256; LG München I, MDR 2003, 1313 für den Fall, daß der Klageerhebung kein Schlichtungsverfahren vorausging), bedarf keiner Entscheidung, weil eine solche Annahme hier fern liegt. Im übrigen dürfte der klagenden Partei, die ein Schlichtungsverfahren durchgeführt hat, kaum jemals vorzuwerfen sein, daß sie eine
Klageänderung nur vornimmt, um das Erfordernis einer obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung zu umgehen.

d) Das amtsgerichtliche Urteil konnte daher keinen Bestand haben. Die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ist allerdings insoweit verfahrensfehlerhaft, als das Berufungsgericht die Möglichkeit einer eigenen Sachentscheidung nicht erwogen, also von dem ihm durch § 538 ZPO eingeräumten Ermessen keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Urt. v. 30. März 2001, V ZR 461/99, NJW 2001, 2551 m.w.N.). Mangels einer entsprechenden Verfahrensrüge ist der Senat jedoch an die Entscheidung des Berufungsgerichts, die Sache in die erste Instanz zurückzuverweisen , gebunden (§ 557 Abs. 3 Satz 2 ZPO).
3. Zu Recht rügt die Revision aber, daß die mit der Zurückverweisung in die erste Instanz verbundene Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht (erstinstanzliche Zivilkammer) gegen § 513 Abs. 2 ZPO verstößt.

a) Im Rechtsmittelverfahren ist eine – die gleichzeitige Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils erfordernde (vgl. BGHZ 10, 155, 163, BGH, Beschl. v. 15. Juni 1988, I ARZ 331/88, NJW-RR 1988, 1405) – Verweisung des Rechtsstreits an das örtlich oder sachlich zuständige Gericht erster Instanz nur möglich, sofern die Unzuständigkeit des Erstgerichts noch geltend gemacht werden kann (BGHZ 16, 339, 345). Das war hier nicht der Fall. Nach § 513 Abs. 2 ZPO in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) kann die Berufung nicht darauf gestützt werden, daß das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Die Vorschrift entzieht dem Berufungsgericht die Nachprüfung
des angefochtenen Urteils insoweit, als das Erstgericht seine Zuständigkeit - wie hier - bejaht hat. Der umfassende, der Verfahrensbeschleunigung und Entlastung der Berufungsgerichte dienende Prüfungsausschluß (vgl. MünchKomm -ZPO/Rimmelspacher, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 513 Rdn. 3; Musielak /Ball, ZPO, 4. Aufl., § 513 Rdn. 6 f.) hindert das Berufungsgericht auch, die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Erstgerichts mit Blick auf § 281 ZPO zu prüfen. Ihm fehlt damit die Kompetenz, den Rechtsstreit an ein anderes erstinstanzliches Gericht zu verweisen. Eine im Berufungsurteil dennoch ausgesprochene Verweisung unterliegt - sofern gegen das Urteil in zulässiger Weise Revision eingelegt worden ist – der Aufhebung durch das Revisionsgericht.

b) Da das Amtsgericht schon aus diesem Grund für die neue Verhandlung und Entscheidung der Sache zuständig geblieben ist, kommt es nicht darauf an, daß das Verfahren des Berufungsgerichts auch deshalb fehlerhaft war, weil eine Berufungskammer des Landgerichts den Rechtsstreit nicht an eine erstinstanzliche Kammer desselben Gerichts verweisen kann (RGZ 119, 379, 384; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 281 Rdn. 9).
4. In der Sache bleibt die Revision allerdings ohne Erfolg und ist daher mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Wenzel Krüger Klein RiBGH Dr. Gaier ist mit seiner Ernennung zum RiBVerfG ausgeschieden und an der Unterschrift gehindert. Karlsruhe, den 2.11.2004 Wenzel Stresemann

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.