Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2013 - VI ZR 151/12

bei uns veröffentlicht am30.04.2013
vorgehend
Amtsgericht Böblingen, 3 C 1763/11, 27.10.2011
Landgericht Stuttgart, 3 S 91/11, 07.03.2012

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 151/12 Verkündet am:
30. April 2013
Holmes
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EGZPO § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; SchlG BW § 1 Abs. 1 Satz 1
Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchlG BW kann nicht erweiternd dahingehend
ausgelegt werden, dass sie generell auch die Fälle erfasst, in denen die
Klage aufgrund einer unzutreffenden Ermittlung des Streitwerts zunächst vor
dem Landgericht erhoben wird und dieses den Rechtsstreit wegen fehlender
sachlicher Zuständigkeit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das Amtsgericht verweist.
BGH, Urteil vom 30. April 2013 - VI ZR 151/12 - LG Stuttgart
AG Böblingen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 30. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Galke, die Richter Wellner,
Pauge und Stöhr sowie die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 7. März 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Mit der beim Landgericht erhobenen Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Unterlassung der Behauptung in Anspruch, sie habe ihm 40.000 € gestohlen oder unterschlagen. Den Streitwert hat sie in der Klage mit 10.000 € angegeben. Das Landgericht hat den Streitwert auf 2.000 € festgesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Klägerin hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen. Auf den Verweisungsantrag der Klägerin hat das Landgericht den Rechtsstreit an das Amtsge- richt verwiesen. Das Amtsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil die Klägerin das gemäß § 15a EGZPO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SchlG BW erforderliche Schlichtungsverfahren vor der Klageerhebung nicht durchgeführt habe. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klagantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

2
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Klage unzulässig, weil entgegen § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SchlG BW vor der Klageerhebung kein Schlichtungsverfahren stattgefunden habe. Von § 1 SchlG BW würden Klagen erfasst, die vor dem Amtsgericht erhoben würden. Der Anwendungsbereich der Bestimmung erstrecke sich aber auch auf solche Klagen, die richtigerweise vor dem Amtsgericht hätten erhoben werden müssen und nur aufgrund einer Höherbewertung des Streitwerts durch den Kläger vor dem Landgericht erhoben worden seien. Das mit § 15a EGZPO verfolgte Ziel werde nur erreicht, wenn die Bestimmung konsequent derart ausgelegt werde, dass die Rechtsuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zur Schlichtungsstelle beschreiten müssten. Die vorliegende Sachverhaltskonstellation entspreche den Fällen einer subjektiven bzw. objektiven Klagehäufung, in denen der Bundesgerichtshof die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens für erforderlich gehalten habe. In jedem Einzelfall zu prüfen, ob missbräuchlich ein zu hoher Streitwert angenommen worden sei, um die Klage vor dem Landgericht erheben zu können, entspreche nicht dem Wortlaut und der Zielrichtung der gesetzlichen Regelung und würde zu einer nicht wünschenswerten prozessualen Rechtsunklarheit führen.

II.

3
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts fällt das vorliegende Verfahren nicht in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SchlG BW.
4
1. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SchlG BW ist die Erhebung der Klage vor den Amtsgerichten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzungen der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind, erst zulässig, nachdem versucht worden ist, die Streitigkeit in einem Schlichtungsverfahren einvernehmlich beizulegen. Die Bestimmung enthält eine von Amts wegen zu prüfende, besondere Prozessvoraussetzung , die bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen muss (vgl. Senatsurteile vom 23. November 2004 - VI ZR 336/03, BGHZ 161, 145, 147 ff.; vom 8. Juli 2008 - VI ZR 221/07, VersR 2009, 1288 Rn. 10; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 111/09, VersR 2010, 1444 Rn. 9, 11, jeweils mwN).
5
2. Wie das Landgericht zutreffend gesehen hat, sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchlG BW an sich nicht erfüllt. Denn die Klägerin hat die Klage nicht vor dem Amtsgericht, sondern - unter Zugrundelegung eines Streitwerts von 10.000 € - vor dem Landgericht erhoben. Dort hat sie ihre Klageschrift eingereicht; von dort ist die Klage dem Beklagten zugestellt worden (vgl. § 253 Abs. 1, § 271 Abs. 1 ZPO).
6
3. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchlG BW nicht erweiternd dahingehend ausgelegt werden, dass sie generell auch die Fälle erfasst, in denen die Klage aufgrund einer unzutreffenden Ermittlung des Streitwerts zunächst vor dem Landgericht erhoben wird und dieses den Rechtsstreit wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das Amtsgericht verweist. Ein derartiges Verständnis der Norm ist mit ihrem Wortlaut nicht vereinbar, berücksichtigt den Sinn und Zweck des § 281 ZPO nicht hinreichend und führt zu unerwünschten prozessualen Unklarheiten.
7
a) Durch die Schaffung des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchlG BW hat der Landesgesetzgeber von der ihm in § 15a EGZPO eingeräumten Kompetenz Gebrauch gemacht, die Zulässigkeit der Klageerhebung in bestimmten bürgerlichrechtlichen Streitigkeiten von der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens abhängig zu machen. Ausweislich des klaren Wortlauts des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchlG BW und der Gesetzesbegründung hat er hierbei die Ermächtigung nicht voll ausgeschöpft, sondern sich ausdrücklich darauf beschränkt, eine - den allgemeinen Justizgewährungsanspruch der Rechtsuchenden einschränkende - zusätzliche Sachurteilsvoraussetzung in Form der obligatorischen Schlichtung nur für die Klagen anzuordnen, die vor den Amtsgerichten erhoben werden (vgl. LT-Drucks. 12/5033 S. 1, 17 f.; zur Beeinträchtigung des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs durch Regelungen über die obligatorische Schlichtung: BVerfGK 10, 275). Die Möglichkeit, ein obligatorisches Schlichtungsverfahren auch für landgerichtliche Verfahren vorzusehen, hat der Landesgesetzgeber bewusst nicht wahrgenommen (LT-Drucks. 12/5033 S. 18).
8
b) Eine danach beim Landgericht ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zulässig erhobene Klage wird nicht nachträglich dadurch unzulässig, dass der Rechtsstreit vom Landgericht wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das Amtsgericht verwiesen wird (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 281 Rn. 15a; Zöller/Heßler, aaO, § 15a EGZPO Rn. 18; Prütting/Taxis, Außergerichtliche Streitschlichtung, 2003, Rn. 179; Stickelbrock, JZ 2002, 633, 636 f.; Bitter, NJW 2005, 1235, 1239; Schilken, FS Ishikawa, 2001, S. 471, 473 in Fn. 15 zur Verweisung durch ein Gericht in einem Land ohne obligatorisches Schlichtungsverfahren in ein Land mit obligatorischem Schlichtungsverfahren; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 2; Kothe/Anger, SchlG BW, 2001, § 1 Rn. 5; a.A. MünchKommZPO /Gruber, 3. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 5; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 12; Unberath, JR 2001, 355, 357). Denn die Verweisung gemäß § 281 ZPO erhält die Rechtshängigkeit des Rechtsstreits; frühere Prozesshandlungen wirken wegen des Grundsatzes der Einheit des Verfahrens fort (vgl. Zöller/Heßler, aaO § 15a EGZPO Rn. 18; Stickelbrock, JZ 2002, 633, 636; Kothe/Anger, aaO). Eine andere Beurteilung führte dazu, dass die Bestimmung des § 281 ZPO in diesen Fällen ihres Sinns beraubt würde. Zweck dieser Regelung ist es, im Interesse der Prozessökonomie einer Verzögerung und Verteuerung der Verfahren durch Zuständigkeitsstreitigkeiten vorzubeugen und die Vorteile der Rechtshängigkeit zu sichern (vgl. BGH, Beschluss vom 23. März 1988 - IVb ARZ 8/88, FamRZ 1988, 943; MünchKommZPO /Prütting, 4. Aufl., § 281 Rn. 1; Bacher in BeckOK ZPO, § 281 Rn. 1, Stand: 15. Januar 2013; Saenger/Saenger, aaO, § 281 Rn. 1). Dieser Zweck würde verfehlt, wenn sich der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 SchlG BW auf die Fälle erstreckte, in denen der Rechtsstreit vom Landgericht gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das Amtsgericht verwiesen wird. Denn da das Schlichtungsverfahren der Klageerhebung vorausgehen muss und nicht nachgeholt werden kann (Senatsurteile vom 23. November 2004 - VI ZR 336/03, aaO; vom 13. Juli 2010 - VI ZR 111/09, aaO, Rn. 9, jeweils mwN), müsste die Klage in diesen Fällen ausnahmslos als unzulässig abgewiesen werden.
9
c) Hinzu kommt, dass der Rechtsuchende gerade in den in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 SchlG BW geregelten Streitigkeiten im Vorfeld nicht immer klar erkennen kann, ob die Klage "richtigerweise beim Amtsgericht erhoben werden" muss. Denn in diesen Streitigkeiten ist das Klagebegehren häufig nicht auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme, sondern auf Duldung, Unterlassung oder Beseitigung gerichtet, so dass die Bewertung des für den Zuständigkeitsstreitwert gemäß § 3 ZPO maßgeblichen Interesses des Klägers (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2012 - V ZB 247/11, Grundeigentum 2012, 683; vom 6. Dezember 2012 - V ZR 44/12, Grundeigentum 2013, 347) durch die Partei bzw. ihren Anwalt einerseits und das Gericht andererseits unterschiedlich ausfallen kann. Erfasste § 1 Abs. 1 Satz 1 SchlG BW auch vom Landgericht gemäß § 281 Abs. 1 ZPO an das Amtsgericht verwiesene Verfahren, so müsste der Rechtsuchende, um eine Abweisung seiner Klage als unzulässig sicher zu vermeiden , in allen Streitigkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 SchlG BW vor der Klageerhebung einen Einigungsversuch unternehmen, auch wenn aus seiner Sicht die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gegeben ist. Eine derart umfassende Schlichtungspflicht war mit der Einführung des § 1 SchlG BW aber gerade nicht beabsichtigt (vgl. LT-Drucks. 12/5033 S. 1, 17 f.).
10
4. Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn die Klage rechtsmissbräuchlich vor einem sachlich unzuständigen Gericht erhoben wurde (vgl. Bitter, NJW 2005, 1235, 1239), bedarf keiner Entscheidung. Für eine solche Annahme sind Anhaltspunkte weder ersichtlich noch dargetan. Galke Richter am Bundesgerichtshof Pauge Wellner ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben Galke Stöhr von Pentz
Vorinstanzen:
AG Böblingen, Entscheidung vom 27.10.2011 - 3 C 1763/11 -
LG Stuttgart, Entscheidung vom 07.03.2012 - 3 S 91/11 -

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2013 - VI ZR 151/12

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2013 - VI ZR 151/12

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2013 - VI ZR 151/12 zitiert 6 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen


Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 253 Klageschrift


(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift). (2) Die Klageschrift muss enthalten:1.die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;2.die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Ansp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 281 Verweisung bei Unzuständigkeit


(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers

Zivilprozessordnung - ZPO | § 271 Zustellung der Klageschrift


(1) Die Klageschrift ist unverzüglich zuzustellen. (2) Mit der Zustellung ist der Beklagte aufzufordern, einen Rechtsanwalt zu bestellen, wenn er eine Verteidigung gegen die Klage beabsichtigt.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2013 - VI ZR 151/12 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2013 - VI ZR 151/12 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Urteil, 23. Nov. 2004 - VI ZR 336/03

bei uns veröffentlicht am 23.11.2004

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 336/03 Verkündet am: 23. November 2004 Böhringer-Mangold, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ:

Bundesgerichtshof Urteil, 08. Juli 2008 - VI ZR 221/07

bei uns veröffentlicht am 08.07.2008

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 221/07 Verkündet am: 8. Juli 2008 Holmes, Justizangestelle als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Urteil, 13. Juli 2010 - VI ZR 111/09

bei uns veröffentlicht am 13.07.2010

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL VI ZR 111/09 Verkündet am: 13. Juli 2010 Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR:

Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2012 - V ZR 44/12

bei uns veröffentlicht am 06.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS V ZR 44/12 vom 6. Dezember 2012 in dem Rechtsstreit Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2012 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke, Prof. Dr. Schmidt-Ränt
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Urteil, 30. Apr. 2013 - VI ZR 151/12.

Bundesgerichtshof Urteil, 18. Juli 2014 - V ZR 287/13

bei uns veröffentlicht am 18.07.2014

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL V ZR 287/13 Verkündet am: 18. Juli 2014 Weschenfelder Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja ZPO § 307;

Referenzen

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 336/03 Verkündet am:
23. November 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGZPO § 15a
Ist durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben, so muß der
Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen. Er kann nicht nach der Klageerhebung
nachgeholt werden. Eine ohne den Einigungsversuch erhobene Klage ist als
unzulässig abzuweisen.
BGH, Urteil vom 23. November 2004 - VI ZR 336/03 - LG Saarbrücken
AG St. Wendel
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Oktober 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte war 1999 Mieterin in einem Wohnhaus des Klägers. Dieser nimmt sie mit der Behauptung, sie habe ihn bei einem körperlichen Angriff im September 1999 verletzt, auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz materiellen Schadens in Anspruch. Er hat deshalb im September 2002 Klage beim Amtsgericht St. Wendel (Saarland) eingereicht. Das Amtsgericht hat den Streitwert der Klage - von den Parteien unbeanstandet - auf 545,36 € festgesetzt. Ein Schlichtungsverfahren nach §§ 37a ff. des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes vom 21. Februar 2001 (Amtsblatt 532) ist vor Klageerhebung nicht durchgeführt worden. Ein Antrag des Klägers, gemäß § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens zwecks Nachholung des Schlichtungsverfahrens anzuordnen, blieb ohne Erfolg. Der Kläger ließ ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen sich ergehen. Mit der Einspruchsschrift legte er die Bescheinigung einer anerkannten Schiedsperson über die Erfolglosigkeit eines Sühneversuchs vor.
Das Amtsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten, weil die Klage mangels eines der Klageerhebung vorangegangenen Schlichtungsverfahrens unzulässig sei. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil die vom Amtsgericht zugelassene Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das nach dem Landesschlichtungsgesetz obligatorische Schlichtungsverfahren könne nicht nach Klageerhebung nachgeholt werden. Der allgemeine Grundsatz, daß die Prozeßvoraussetzungen bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nachholbar seien, gelte insoweit nicht. Nach Sinn und Zweck des Verfahrens und der Gesetzesbegründung zu § 15a EGZPO müsse der Einigungsversuch der Klageerhebung zwingend vorausgehen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Eine Klage, deren Zulässigkeit nach § 15a EGZPO und dem dazu bestehenden Landesrecht die Durchführung eines Güteversuchs vor einer Schlichtungsstelle voraussetzt , ist nur dann zulässig, wenn das Schlichtungsverfahren der Klageerhebung vorausgegangen ist. Seine Nachholung bis zum letzten Termin zur mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz führt nicht zur Zulässigkeit der Klage.
1. Der Bundesgerichtshof darf über diese Frage entscheiden. Die Voraussetzungen des § 545 Abs. 1 ZPO liegen vor. Nach § 15a EGZPO kann durch Landesgesetz bestimmt werden, daß in bestimmten Fällen die Erhebung der Klage erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Die vorliegend zu klärende Streitfrage betrifft die Auslegung dieser Norm, also von Bundesrecht. Daß sich der Geltungsbereich des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes nicht über einen Oberlandesgerichtsbezirk hinaus erstreckt, ist schon deshalb ohne Bedeutung. Im übrigen beruhen die Vorschriften der von einzelnen Bundesländern erlassenen Landesschlichtungsgesetze (vgl. den Abdruck bei Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, S. 251 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anhänge zu § 15a EGZPO), soweit es um die Zulässigkeitssperre geht, einheitlich auf der Vorgabe des § 15a EGZPO und stimmen insoweit überein. Auch danach sind die Voraussetzungen des § 545 Abs. 1 ZPO zu bejahen (vgl. BGHZ 34, 375, 377 f.; BGH, Urteile vom 28. Januar 1988 - IX ZR 75/87 - NJWRR 1988, 1021; vom 14. Juli 1997 - II ZR 168/96 - VersR 1997, 1540). 2. Nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes ist, wenn die Parteien im Saarland wohnen, in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 600 € nicht übersteigt, eine Klage erst zulässig , nachdem von einer in § 37b genannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen (Schlichtungsverfahren). Die Annahme der Vorinstanzen, daß danach im vorliegenden Fall ein Schlichtungsverfahren zwingend durchzuführen war, stellt die Revision nicht in Frage. Für eine Unrichtigkeit dieser Annahme ist auch nichts ersichtlich.
3. Die Frage, ob das obligatorische Streitschlichtungsverfahren der Klageerhebung zwingend vorausgehen muß, wird unterschiedlich beantwortet. Sie wird teilweise bejaht (LG Ellwangen, NJW-RR 2002, 936; LG Karlsruhe , Justiz 2003, 265; AG München, NJW-RR 2003, 515; AG Nürnberg, NJW 2001, 3489; NJW-RR 2002, 430; MDR 2002, 1189; AG Rosenheim, NJW 2001, 2030; AG Wuppertal, ZInsO 2002, 91 f.; Jenkel, Der Streitschlichtungsversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung in Zivilsachen, S. 252 f.; Beunings, AnwBl. 2004, 82, 84; Fricke, VersR 2000, 1194, 1195; Kothe/Anger, Schlichtungsgesetz Baden-Württemberg, § 1 Rn. 40; Schläger, ZMR 2000, 504, 506; Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, Art. 1 Anm. 4; Stickelbrock, JZ 2002, 633, 636 f.; Wesche, MDR 2003, 1029, 1032 Fn. 36; Wetekamp, NZM 2001, 614, 616). Abweichend davon wird die Ansicht vertreten, eine Nachholung des Schlichtungsverfahrens während des Rechtsstreits führe zur Zulässigkeit der Klage (OLG Hamm, MDR 2003, 387; AG Königstein, NJW 2003, 1954, 1955; MünchKomm-ZPO/Wolf, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 4; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 25; Prütting/Krafka, aaO, Rn. 223; Prütting/Schmidt, aaO, Rn. 105 ff.; Reiß, Obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung, Diss. 2003, S. 24 f.; Friedrich, NJW 2002, 798, 799; 2003, 3534; Heßler, MittBayNot 2000, Sonderheft zu Ausgabe 4, S. 7; Mankowski, EWiR 2002, 347, 348; Schmidt, DAR 2001, 481, 486; Unberath, JR 2001, 355, 356 f.). Vereinzelt wird sogar vertreten, auf die Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens könne vollends verzichtet werden, wenn eine Streitschlichtung offenkundig ergebnislos wäre (LG München II, NJW-RR 2003, 355 f.).
4. Der erkennende Senat folgt der erstgenannten Auffassung.
a) Dafür spricht der Wortlaut des § 15a EGZPO. Danach kann durch Landesgesetz bestimmt werden, daß die Erhebung der Klage erst zulässig ist, nachdem die Streitschlichtung versucht worden ist. Diesen Wortlaut haben die Landesschlichtungsgesetze übernommen, so auch der hier einschlägige § 37a des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes. Durch den Wortlaut wird zum Ausdruck gebracht, daß die Durchführung des Schlichtungsverfahrens nicht nur besondere Prozessvoraussetzung sein soll, die (erst) zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muß, sondern daß schon die Erhebung der Klage nur dann zulässig ist, wenn das Schlichtungsverfahren bereits durchgeführt wurde. Die Erhebung der Klage erfolgt nach § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift. Das Schlichtungsverfahren muß also vor diesem Zeitpunkt bereits stattgefunden haben.
b) Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. In dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung vom 4. Mai 1999 heißt es zu § 15a EGZPO (BT-Drs. 14/980, S. 6): "Ist durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben , so muß der Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen. Eine ohne diesen Versuch erhobene Klage ist unzulässig. Nach Absatz 1 Satz 2 muß der Kläger die von einer Gütestelle ausgestellte Bescheinigung über den erfolglosen Einigungsversuch mit der Klage einreichen. Hat dieser Versuch vor Einreichung der Klage stattgefunden, so kann die Bescheinigung bis zur Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der Klage nachgereicht werden. Dagegen kann - wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig ergibt - der Einigungsversuch selbst nicht nachgeholt werden."

c) Auch Sinn und Zweck des obligatorischen Schlichtungsverfahrens sprechen für diese Auslegung. In der Gesetzesbegründung zu § 15a EGZPO (BT-Drs. 14/980, S. 5) ist dazu ausgeführt, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten sei es notwendig, Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen. Neben einer Entlastung der Justiz werde durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen erreicht, daß Konflikte rascher und kostengünstiger bereinigt werden könnten. Durch die Öffnungsklausel werde den Ländern, in denen ein hinreichendes Netz von Gütestellen bestehe oder in kurzer Zeit geschaffen werden könne, ermöglicht, ohne Mitwirken des Bundes zu versuchen, den Arbeitsanfall bei ihren Gerichten zu vermindern. Diese Zielsetzung kann nur erreicht werden, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, daß die Rechtssuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen. Könnte ein Schlichtungsversuch noch nach Klageerhebung problemlos nachgeholt werden, ohne daß Rechtsnachteile befürchtet werden müßten, so wären die vom Gesetzgeber angestrebten Zwecke kaum zu verwirklichen. Das Vorgehen der Rechtssuchenden wäre dann vielfach schon von vornherein auf ein paralleles Vorgehen abgestellt mit dem festen Willen, eine Schlichtung scheitern zu lassen. Das obligatorische Schlichtungsverfahren könnte sich auf diesem Hintergrund im Bewußtsein der Rechtssuchenden und der Anwaltschaft kaum als dem gerichtlichen Verfahren zwingend vorgeschaltete Institution etablieren. Die Frage, ob der jeweilige Streitfall zu den Fällen gehört , bei denen zwingend zunächst die Schlichtung versucht werden muß, würde vielfach nur nachlässig geprüft, weil ohnehin nichts passieren könnte. Wäre aber erst einmal Klage erhoben, so könnte kaum erwartet werden, daß ein ausschließlich zum Zwecke der Herbeiführung der Zulässigkeit eingeleitetes
Schlichtungsverfahren von dem ernsthaften Willen der Beteiligten getragen wäre , das bereits kostenträchtig eingeleitete Klageverfahren nicht fortzusetzen.
d) Aus diesen Gründen überzeugt der Hinweis der Gegenmeinung auf den Gesichtspunkt der Prozeßökonomie nicht. Prozeßökonomische Überlegungen dürfen sich angesichts der aufgezeigten Problemlage nicht nur auf den gerichtlichen Prozeß beziehen. Sicher erscheint es auf den ersten Blick wenig sinnvoll, eine Klage abzuweisen, wenn diese nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens sogleich wieder erhoben werden kann. Prozeßökonomische Überlegungen müssen im vorliegenden Zusammenhang aber die vom Gesetzgeber angestrebte Neuregelung des Verfahrensganges unter Einschluß des zwingend vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens in den Blick nehmen. Bei dieser Sichtweise erweist sich die Zulassung einer Nachholung des Verfahrens als nachgerade kontraproduktiv und damit ersichtlich nicht prozeßökonomisch. Daß es, insbesondere in einer Übergangszeit, vermehrt zu Klageabweisungen kommen kann, weil das Bewußtsein von der Notwendigkeit eines vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens noch nicht ausreichend verbreitet ist, muß hingenommen werden. Dem können die Gerichte im übrigen vorbeugen, indem sie in den einschlägigen Verfahrensarten eingereichte Klagen nicht ohne Prüfung der Zulässigkeit zustellen, sondern den Kläger auf die Unzulässigkeit der Klage bereits nach deren Eingang hinweisen und eine Klagerücknahme, die auch schon vor Klagezustellung erklärt werden kann (Zöller/Greger, aaO, § 269 Rn. 8a ff.; vgl. auch BGH, Beschluß vom 18. November 2003 - VIII ZB 72/03 - NJW 2004, 1530 f.), anregen. Damit lassen sich die Kosten denkbar gering halten. Der teilweise von der Gegenmeinung erhobene Einwand, es sei nicht einzusehen, warum die in § 15a EGZPO geregelte Prozeßvoraussetzung als
nicht nachholbar und damit anders behandelt werden sollte als andere Prozeßvoraussetzungen , überzeugt ebenfalls nicht. Aus dem allgemeinen Zivilprozeßrecht läßt sich kein Grundsatz herleiten, der den Gesetzgeber hindern könnte, aus wohlerwogenen Gründen bereits die Zulässigkeit der Klageerhebung von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. 5. Im vorliegenden Fall erweisen sich die Aufrechterhaltung des klageabweisenden Versäumnisurteils und die Zurückweisung der dagegen eingelegten Berufung demnach als richtig. Der Kläger kann sein Klagebegehren, nachdem das Schiedsverfahren nunmehr durchgeführt ist, nur mit einer neuen Klage verfolgen (vgl. dazu Jenkel, aaO, S. 253 ff.). Ob - wozu in den Instanzen vorgetragen worden ist - der Anspruch inzwischen verjährt ist, ist hier nicht zu prüfen. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte nicht abweichend entschieden werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
10
a) Nach dieser Vorschrift, die auf der Öffnungsklausel des § 15 a EGZPO beruht, ist die Durchführung eines Einigungsversuchs u.a. erforderlich in Streitigkeiten über Ansprüche wegen der im Nachbarrechtsgesetz für NordrheinWestfalen geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 e), und in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzungen der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 GüSchlG NRW, § 10 Abs. 1 Nr. 3 GüSchlG NRW a.F.). Wird der Einigungsversuch nicht vor der Klageerhebung durchgeführt, ist die Klage unzulässig (Senat, BGHZ 161, 145, 147 ff.). Es handelt sich dabei um eine von Amts wegen zu prüfende, besondere Prozessvoraussetzung (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 27. Aufl., vor § 253 Rn. 33). Ob § 10 GüSchlG NRW in den Vorinstanzen richtig angewendet wor- den ist, kann der Senat überprüfen, da sich der räumliche Geltungsbereich der Vorschrift über den Bezirk eines Oberlandesgerichts hinaus erstreckt (§ 545 Abs. 1 ZPO).
9
2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats muss, wenn durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben ist, der Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen, so dass eine ohne den Einigungsversuch erhobene Klage als unzulässig abzuweisen ist (Senatsurteile BGHZ 161, 145, 148 f.; vom 7. Juli 2009 - VI ZR 278/08 - VersR 2009, 1383 Rn. 7). Die Zielsetzung der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen, und neben der Entlastung der Justiz durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen, kann nur erreicht werden, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die Rechtsuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen (Senatsurteile BGHZ 161, 145, 149 f.; vom 7. Juli 2009 - VI ZR 278/08 - aaO). Im Hinblick darauf hat der Senat entschieden , dass die Schlichtungsbedürftigkeit eines Klageantrags nicht deshalb entfällt , weil er im Wege der objektiven Klagehäufung mit einem nicht schlichtungsbedürftigen Antrag verbunden wird. Ansonsten bestünde eine Möglichkeit zur einfachen Umgehung des Einigungsversuchs, die der Zielsetzung des Gesetzgebers widerspräche, durch die Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen die Gerichte zu entlasten und Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 2009 - VI ZR 278/08 - aaO, Rn. 10 ff.).

(1) Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes (Klageschrift).

(2) Die Klageschrift muss enthalten:

1.
die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts;
2.
die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag.

(3) Die Klageschrift soll ferner enthalten:

1.
die Angabe, ob der Klageerhebung der Versuch einer Mediation oder eines anderen Verfahrens der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorausgegangen ist, sowie eine Äußerung dazu, ob einem solchen Verfahren Gründe entgegenstehen;
2.
die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht;
3.
eine Äußerung dazu, ob einer Entscheidung der Sache durch den Einzelrichter Gründe entgegenstehen.

(4) Außerdem sind die allgemeinen Vorschriften über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift anzuwenden.

(5) Die Klageschrift sowie sonstige Anträge und Erklärungen einer Partei, die zugestellt werden sollen, sind bei dem Gericht schriftlich unter Beifügung der für ihre Zustellung oder Mitteilung erforderlichen Zahl von Abschriften einzureichen. Einer Beifügung von Abschriften bedarf es nicht, soweit die Klageschrift elektronisch eingereicht wird.

(1) Die Klageschrift ist unverzüglich zuzustellen.

(2) Mit der Zustellung ist der Beklagte aufzufordern, einen Rechtsanwalt zu bestellen, wenn er eine Verteidigung gegen die Klage beabsichtigt.

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 336/03 Verkündet am:
23. November 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
EGZPO § 15a
Ist durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben, so muß der
Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen. Er kann nicht nach der Klageerhebung
nachgeholt werden. Eine ohne den Einigungsversuch erhobene Klage ist als
unzulässig abzuweisen.
BGH, Urteil vom 23. November 2004 - VI ZR 336/03 - LG Saarbrücken
AG St. Wendel
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. November 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 23. Oktober 2003 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte war 1999 Mieterin in einem Wohnhaus des Klägers. Dieser nimmt sie mit der Behauptung, sie habe ihn bei einem körperlichen Angriff im September 1999 verletzt, auf Zahlung von Schmerzensgeld und Ersatz materiellen Schadens in Anspruch. Er hat deshalb im September 2002 Klage beim Amtsgericht St. Wendel (Saarland) eingereicht. Das Amtsgericht hat den Streitwert der Klage - von den Parteien unbeanstandet - auf 545,36 € festgesetzt. Ein Schlichtungsverfahren nach §§ 37a ff. des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes vom 21. Februar 2001 (Amtsblatt 532) ist vor Klageerhebung nicht durchgeführt worden. Ein Antrag des Klägers, gemäß § 251 ZPO das Ruhen des Verfahrens zwecks Nachholung des Schlichtungsverfahrens anzuordnen, blieb ohne Erfolg. Der Kläger ließ ein klageabweisendes Versäumnisurteil gegen sich ergehen. Mit der Einspruchsschrift legte er die Bescheinigung einer anerkannten Schiedsperson über die Erfolglosigkeit eines Sühneversuchs vor.
Das Amtsgericht hat das Versäumnisurteil aufrechterhalten, weil die Klage mangels eines der Klageerhebung vorangegangenen Schlichtungsverfahrens unzulässig sei. Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil die vom Amtsgericht zugelassene Berufung zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, das nach dem Landesschlichtungsgesetz obligatorische Schlichtungsverfahren könne nicht nach Klageerhebung nachgeholt werden. Der allgemeine Grundsatz, daß die Prozeßvoraussetzungen bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung nachholbar seien, gelte insoweit nicht. Nach Sinn und Zweck des Verfahrens und der Gesetzesbegründung zu § 15a EGZPO müsse der Einigungsversuch der Klageerhebung zwingend vorausgehen.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Eine Klage, deren Zulässigkeit nach § 15a EGZPO und dem dazu bestehenden Landesrecht die Durchführung eines Güteversuchs vor einer Schlichtungsstelle voraussetzt , ist nur dann zulässig, wenn das Schlichtungsverfahren der Klageerhebung vorausgegangen ist. Seine Nachholung bis zum letzten Termin zur mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz führt nicht zur Zulässigkeit der Klage.
1. Der Bundesgerichtshof darf über diese Frage entscheiden. Die Voraussetzungen des § 545 Abs. 1 ZPO liegen vor. Nach § 15a EGZPO kann durch Landesgesetz bestimmt werden, daß in bestimmten Fällen die Erhebung der Klage erst zulässig ist, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Die vorliegend zu klärende Streitfrage betrifft die Auslegung dieser Norm, also von Bundesrecht. Daß sich der Geltungsbereich des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes nicht über einen Oberlandesgerichtsbezirk hinaus erstreckt, ist schon deshalb ohne Bedeutung. Im übrigen beruhen die Vorschriften der von einzelnen Bundesländern erlassenen Landesschlichtungsgesetze (vgl. den Abdruck bei Prütting, Außergerichtliche Streitschlichtung, S. 251 ff.; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl., Anhänge zu § 15a EGZPO), soweit es um die Zulässigkeitssperre geht, einheitlich auf der Vorgabe des § 15a EGZPO und stimmen insoweit überein. Auch danach sind die Voraussetzungen des § 545 Abs. 1 ZPO zu bejahen (vgl. BGHZ 34, 375, 377 f.; BGH, Urteile vom 28. Januar 1988 - IX ZR 75/87 - NJWRR 1988, 1021; vom 14. Juli 1997 - II ZR 168/96 - VersR 1997, 1540). 2. Nach § 37a Abs. 1 Nr. 1 des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes ist, wenn die Parteien im Saarland wohnen, in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand an Geld oder Geldeswert die Summe von 600 € nicht übersteigt, eine Klage erst zulässig , nachdem von einer in § 37b genannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen (Schlichtungsverfahren). Die Annahme der Vorinstanzen, daß danach im vorliegenden Fall ein Schlichtungsverfahren zwingend durchzuführen war, stellt die Revision nicht in Frage. Für eine Unrichtigkeit dieser Annahme ist auch nichts ersichtlich.
3. Die Frage, ob das obligatorische Streitschlichtungsverfahren der Klageerhebung zwingend vorausgehen muß, wird unterschiedlich beantwortet. Sie wird teilweise bejaht (LG Ellwangen, NJW-RR 2002, 936; LG Karlsruhe , Justiz 2003, 265; AG München, NJW-RR 2003, 515; AG Nürnberg, NJW 2001, 3489; NJW-RR 2002, 430; MDR 2002, 1189; AG Rosenheim, NJW 2001, 2030; AG Wuppertal, ZInsO 2002, 91 f.; Jenkel, Der Streitschlichtungsversuch als Zulässigkeitsvoraussetzung in Zivilsachen, S. 252 f.; Beunings, AnwBl. 2004, 82, 84; Fricke, VersR 2000, 1194, 1195; Kothe/Anger, Schlichtungsgesetz Baden-Württemberg, § 1 Rn. 40; Schläger, ZMR 2000, 504, 506; Schwarzmann/Walz, Das Bayerische Schlichtungsgesetz, Art. 1 Anm. 4; Stickelbrock, JZ 2002, 633, 636 f.; Wesche, MDR 2003, 1029, 1032 Fn. 36; Wetekamp, NZM 2001, 614, 616). Abweichend davon wird die Ansicht vertreten, eine Nachholung des Schlichtungsverfahrens während des Rechtsstreits führe zur Zulässigkeit der Klage (OLG Hamm, MDR 2003, 387; AG Königstein, NJW 2003, 1954, 1955; MünchKomm-ZPO/Wolf, Aktualisierungsband, 2. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 4; Zöller/Gummer, ZPO, 24. Aufl., § 15a EGZPO Rn. 25; Prütting/Krafka, aaO, Rn. 223; Prütting/Schmidt, aaO, Rn. 105 ff.; Reiß, Obligatorische außergerichtliche Streitschlichtung, Diss. 2003, S. 24 f.; Friedrich, NJW 2002, 798, 799; 2003, 3534; Heßler, MittBayNot 2000, Sonderheft zu Ausgabe 4, S. 7; Mankowski, EWiR 2002, 347, 348; Schmidt, DAR 2001, 481, 486; Unberath, JR 2001, 355, 356 f.). Vereinzelt wird sogar vertreten, auf die Durchführung des obligatorischen Schlichtungsverfahrens könne vollends verzichtet werden, wenn eine Streitschlichtung offenkundig ergebnislos wäre (LG München II, NJW-RR 2003, 355 f.).
4. Der erkennende Senat folgt der erstgenannten Auffassung.
a) Dafür spricht der Wortlaut des § 15a EGZPO. Danach kann durch Landesgesetz bestimmt werden, daß die Erhebung der Klage erst zulässig ist, nachdem die Streitschlichtung versucht worden ist. Diesen Wortlaut haben die Landesschlichtungsgesetze übernommen, so auch der hier einschlägige § 37a des saarländischen Landesschlichtungsgesetzes. Durch den Wortlaut wird zum Ausdruck gebracht, daß die Durchführung des Schlichtungsverfahrens nicht nur besondere Prozessvoraussetzung sein soll, die (erst) zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muß, sondern daß schon die Erhebung der Klage nur dann zulässig ist, wenn das Schlichtungsverfahren bereits durchgeführt wurde. Die Erhebung der Klage erfolgt nach § 253 Abs. 1 ZPO durch Zustellung der Klageschrift. Das Schlichtungsverfahren muß also vor diesem Zeitpunkt bereits stattgefunden haben.
b) Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers. In dem Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung vom 4. Mai 1999 heißt es zu § 15a EGZPO (BT-Drs. 14/980, S. 6): "Ist durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben , so muß der Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen. Eine ohne diesen Versuch erhobene Klage ist unzulässig. Nach Absatz 1 Satz 2 muß der Kläger die von einer Gütestelle ausgestellte Bescheinigung über den erfolglosen Einigungsversuch mit der Klage einreichen. Hat dieser Versuch vor Einreichung der Klage stattgefunden, so kann die Bescheinigung bis zur Entscheidung des Gerichts über die Zulässigkeit der Klage nachgereicht werden. Dagegen kann - wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift eindeutig ergibt - der Einigungsversuch selbst nicht nachgeholt werden."

c) Auch Sinn und Zweck des obligatorischen Schlichtungsverfahrens sprechen für diese Auslegung. In der Gesetzesbegründung zu § 15a EGZPO (BT-Drs. 14/980, S. 5) ist dazu ausgeführt, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten sei es notwendig, Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen. Neben einer Entlastung der Justiz werde durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen erreicht, daß Konflikte rascher und kostengünstiger bereinigt werden könnten. Durch die Öffnungsklausel werde den Ländern, in denen ein hinreichendes Netz von Gütestellen bestehe oder in kurzer Zeit geschaffen werden könne, ermöglicht, ohne Mitwirken des Bundes zu versuchen, den Arbeitsanfall bei ihren Gerichten zu vermindern. Diese Zielsetzung kann nur erreicht werden, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, daß die Rechtssuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen. Könnte ein Schlichtungsversuch noch nach Klageerhebung problemlos nachgeholt werden, ohne daß Rechtsnachteile befürchtet werden müßten, so wären die vom Gesetzgeber angestrebten Zwecke kaum zu verwirklichen. Das Vorgehen der Rechtssuchenden wäre dann vielfach schon von vornherein auf ein paralleles Vorgehen abgestellt mit dem festen Willen, eine Schlichtung scheitern zu lassen. Das obligatorische Schlichtungsverfahren könnte sich auf diesem Hintergrund im Bewußtsein der Rechtssuchenden und der Anwaltschaft kaum als dem gerichtlichen Verfahren zwingend vorgeschaltete Institution etablieren. Die Frage, ob der jeweilige Streitfall zu den Fällen gehört , bei denen zwingend zunächst die Schlichtung versucht werden muß, würde vielfach nur nachlässig geprüft, weil ohnehin nichts passieren könnte. Wäre aber erst einmal Klage erhoben, so könnte kaum erwartet werden, daß ein ausschließlich zum Zwecke der Herbeiführung der Zulässigkeit eingeleitetes
Schlichtungsverfahren von dem ernsthaften Willen der Beteiligten getragen wäre , das bereits kostenträchtig eingeleitete Klageverfahren nicht fortzusetzen.
d) Aus diesen Gründen überzeugt der Hinweis der Gegenmeinung auf den Gesichtspunkt der Prozeßökonomie nicht. Prozeßökonomische Überlegungen dürfen sich angesichts der aufgezeigten Problemlage nicht nur auf den gerichtlichen Prozeß beziehen. Sicher erscheint es auf den ersten Blick wenig sinnvoll, eine Klage abzuweisen, wenn diese nach Durchführung des Schlichtungsverfahrens sogleich wieder erhoben werden kann. Prozeßökonomische Überlegungen müssen im vorliegenden Zusammenhang aber die vom Gesetzgeber angestrebte Neuregelung des Verfahrensganges unter Einschluß des zwingend vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens in den Blick nehmen. Bei dieser Sichtweise erweist sich die Zulassung einer Nachholung des Verfahrens als nachgerade kontraproduktiv und damit ersichtlich nicht prozeßökonomisch. Daß es, insbesondere in einer Übergangszeit, vermehrt zu Klageabweisungen kommen kann, weil das Bewußtsein von der Notwendigkeit eines vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens noch nicht ausreichend verbreitet ist, muß hingenommen werden. Dem können die Gerichte im übrigen vorbeugen, indem sie in den einschlägigen Verfahrensarten eingereichte Klagen nicht ohne Prüfung der Zulässigkeit zustellen, sondern den Kläger auf die Unzulässigkeit der Klage bereits nach deren Eingang hinweisen und eine Klagerücknahme, die auch schon vor Klagezustellung erklärt werden kann (Zöller/Greger, aaO, § 269 Rn. 8a ff.; vgl. auch BGH, Beschluß vom 18. November 2003 - VIII ZB 72/03 - NJW 2004, 1530 f.), anregen. Damit lassen sich die Kosten denkbar gering halten. Der teilweise von der Gegenmeinung erhobene Einwand, es sei nicht einzusehen, warum die in § 15a EGZPO geregelte Prozeßvoraussetzung als
nicht nachholbar und damit anders behandelt werden sollte als andere Prozeßvoraussetzungen , überzeugt ebenfalls nicht. Aus dem allgemeinen Zivilprozeßrecht läßt sich kein Grundsatz herleiten, der den Gesetzgeber hindern könnte, aus wohlerwogenen Gründen bereits die Zulässigkeit der Klageerhebung von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. 5. Im vorliegenden Fall erweisen sich die Aufrechterhaltung des klageabweisenden Versäumnisurteils und die Zurückweisung der dagegen eingelegten Berufung demnach als richtig. Der Kläger kann sein Klagebegehren, nachdem das Schiedsverfahren nunmehr durchgeführt ist, nur mit einer neuen Klage verfolgen (vgl. dazu Jenkel, aaO, S. 253 ff.). Ob - wozu in den Instanzen vorgetragen worden ist - der Anspruch inzwischen verjährt ist, ist hier nicht zu prüfen. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnte nicht abweichend entschieden werden.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
9
2. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats muss, wenn durch Landesrecht ein obligatorisches Güteverfahren vorgeschrieben ist, der Einigungsversuch der Klageerhebung vorausgehen, so dass eine ohne den Einigungsversuch erhobene Klage als unzulässig abzuweisen ist (Senatsurteile BGHZ 161, 145, 148 f.; vom 7. Juli 2009 - VI ZR 278/08 - VersR 2009, 1383 Rn. 7). Die Zielsetzung der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO, angesichts des ständig steigenden Geschäftsanfalls bei den Gerichten Institutionen zu fördern, die im Vorfeld der Gerichte Konflikte beilegen, und neben der Entlastung der Justiz durch eine Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen, kann nur erreicht werden, wenn die Verfahrensvorschrift des § 15a EGZPO konsequent derart ausgelegt wird, dass die Rechtsuchenden und die Anwaltschaft in den durch Landesgesetz vorgegebenen Fällen vor Anrufung der Gerichte auch tatsächlich den Weg zu den Schlichtungsstellen beschreiten müssen (Senatsurteile BGHZ 161, 145, 149 f.; vom 7. Juli 2009 - VI ZR 278/08 - aaO). Im Hinblick darauf hat der Senat entschieden , dass die Schlichtungsbedürftigkeit eines Klageantrags nicht deshalb entfällt , weil er im Wege der objektiven Klagehäufung mit einem nicht schlichtungsbedürftigen Antrag verbunden wird. Ansonsten bestünde eine Möglichkeit zur einfachen Umgehung des Einigungsversuchs, die der Zielsetzung des Gesetzgebers widerspräche, durch die Inanspruchnahme von Schlichtungsstellen die Gerichte zu entlasten und Konflikte rascher und kostengünstiger zu bereinigen (vgl. Senatsurteil vom 7. Juli 2009 - VI ZR 278/08 - aaO, Rn. 10 ff.).

Der Wert wird von dem Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt; es kann eine beantragte Beweisaufnahme sowie von Amts wegen die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anordnen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V ZR 44/12
vom
6. Dezember 2012
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2012 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke,
Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, Dr. Czub und Dr. Kazele

beschlossen:
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 1. Februar 2012 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Gründe:


I.

1
Die in einem Pflegeheim lebende, unter Betreuung stehende Klägerin verlangt von dem Beklagten, ihrem Sohn, die Räumung und Herausgabe von seit 30 Jahren unentgeltlich überlassenen privat und gewerblich genutzten Räumlichkeiten in ihrem Haus sowie die Entfernung einer Containeranlage im Garten. Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage wegen wirksamer Kündigung einer Leihe stattgegeben. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil richtet sich die Beschwerde; der Beklagte will in dem angestrebten Revisionsverfahren die Abweisung der Klage erreichen.

II.

2
Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 26 Nr. 8 EGZPO).
3
1. Bei einer Klage auf Räumung und Herausgabe von Räumlichkeiten nach der Kündigung einer Leihe bestimmt sich der Wert gemäß § 6 Satz 1 Alt. 1 ZPO; maßgeblich ist der nach § 3 ZPO zu schätzende Verkehrswert der Räume. Für den Wert einer Beseitigungsklage ist das Interesse des Klägers an der Beseitigung des beanstandeten Zustands maßgeblich; es ist ebenfalls nach § 3 ZPO zu schätzen. Beide Werte sind zusammenzurechnen. Für den Wert der Beschwer im Rechtsmittelverfahren ist das Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung maßgebend (Senat, Beschluss vom 29. Januar 2009 - V ZR 152/08, Grundeigentum 2009, 514, 515).
4
2. Nach diesen Grundsätzen bemisst sich die Beschwer des Beklagten, welche er mit der Revision geltend machen kann, nach dem Verkehrswert der Räumlichkeiten, zu deren Herausgabe er verurteilt worden ist. Hinzuzurechnen ist der Wert seines Interesses, sich gegen die Kosten einer Ersatzvornahme für die Beseitigung der Containeranlage zu wehren (vgl. Senat, Urteil vom 10. Dezember 1993 - V ZR 168/92, BGHZ 124, 313, 315 ff.).
5
3. Dass diese Werte zusammen 20.000 € übersteigen, hat der Beklagte nicht - wie geboten (siehe nur Senat, Beschluss vom 25. Juli 2002 - V ZR 118/02, NJW 2002, 3180) - glaubhaft gemacht.
6
a) Sein Hinweis auf die Grundstücksgröße von 2.008 qm und auf einen - nicht glaubhaft gemachten - Verkehrswert von "sicher über 20 €" pro Quadratmeter ist unerheblich, weil er nicht zur Räumung und Herausgabe des Grundstücks verurteilt worden ist.
7
b) Ebenfalls unerheblich ist der Hinweis auf den Vortrag in den Tatsacheninstanzen , der Beklagte habe "im Laufe der Jahre" zur Instandhaltung und Verbesserung des Gebäudes ca. 300.000 € aufgewendet. Denn es ist nicht erkennbar , zu welchem heutigen Verkehrswert die behaupteten Investitionen - sie sollen zum größten Teil Anfang der 1980er Jahre erbracht worden sein - geführt haben. Insbesondere angesichts des von dem Beklagten hervorgehobenen Vorbringens der Betreuerin der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, das Gebäude sei nichts wert, hätte der Beklagte den Verkehrswert der herauszugebenden Räumlichkeiten nennen und glaubhaft machen müssen.
8
c) Sein Hinweis auf den Vortrag, der Verkauf des Grundstücks unter Aufrechterhaltung der bestehenden Verhältnisse werde einen Erlös von über 150.000 € erbringen, ist wiederum unerheblich. Der Vortrag besagt nichts zu dem Verkehrswert der herauszugebenden Räumlichkeiten, der sich auch nicht aus dem Verkehrswert des Grundstücks ableiten lässt; auch fehlt es an der Glaubhaftmachung.
9
d) Schließlich fehlen Darlegungen zu dem Wert des Interesses des Beklagten an der Abwehr der Kosten einer Ersatzvornahme für die Beseitigung der Containeranlage.

III.

10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Den Gegenstandswert setzt der Senat - mangels anderer Anhaltspunkte - in derselben Höhe wie das Berufungsgericht fest.
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch Czub Kazele

Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 01.08.2011 - 6 O 171/11 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 01.02.2012 - 3 U 162/11 -

(1) Ist auf Grund der Vorschriften über die örtliche oder sachliche Zuständigkeit der Gerichte die Unzuständigkeit des Gerichts auszusprechen, so hat das angegangene Gericht, sofern das zuständige Gericht bestimmt werden kann, auf Antrag des Klägers durch Beschluss sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das zuständige Gericht zu verweisen. Sind mehrere Gerichte zuständig, so erfolgt die Verweisung an das vom Kläger gewählte Gericht.

(2) Anträge und Erklärungen zur Zuständigkeit des Gerichts können vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegeben werden. Der Beschluss ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit wird bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht mit Eingang der Akten anhängig. Der Beschluss ist für dieses Gericht bindend.

(3) Die im Verfahren vor dem angegangenen Gericht erwachsenen Kosten werden als Teil der Kosten behandelt, die bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht erwachsen. Dem Kläger sind die entstandenen Mehrkosten auch dann aufzuerlegen, wenn er in der Hauptsache obsiegt.