Bundesgerichtshof Urteil, 15. Feb. 2011 - VI ZR 176/10

bei uns veröffentlicht am15.02.2011
vorgehend
Amtsgericht Arnsberg, 12 C 499/09, 06.02.2010
Landgericht Arnsberg, 3 S 22/10, 26.05.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 176/10 Verkündet am:
15. Februar 2011
Böhringer-Mangold
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 823 Abs. 1 (Dc); UVV Jagd
Im Allgemeinen begründen Schussgeräusche einer Jagd für sich noch keine potentielle
Gefahr für Rechtsgüter Dritter.
BGH, Urteil vom 15. Februar 2011 - VI ZR 176/10 - LG Arnsberg
AG Arnsberg
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Februar 2011 durch den Vorsitzenden Richter Galke, den Richter Zoll,
die Richterin Diederichsen, den Richter Pauge und die Richterin von Pentz

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 26. Mai 2010 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt den Beklagten wegen eines Reitunfalls auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch.
2
Am 15. November 2008 führte der Beklagte als Jagdleiter eine Treibjagd durch. Die Klägerin und ihre Freundin ritten auf einem Waldweg in der Nähe des Jagdgebietes. Nachdem sie etwa die Hälfte der geplanten Reitroute zurückgelegt hatten, hörten sie einen Schuss. Sie entschlossen sich, den Ausritt fortzusetzen. Kurze Zeit später scheute das Pferd, wodurch die Klägerin stürzte und sich dabei verletzte. Sie nimmt den Beklagten wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht in Anspruch und behauptet, Hinweis- oder Warnschilder an den Wegen zum Jagdgebiet hätten gefehlt. Ihr Pferd habe aufgrund eines weiteren Schusses gescheut, der von einem Teilnehmer der Treibjagd des Beklagten abgegeben worden sei.
3
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen zur Klärung der Frage des Umfangs der Verkehrssicherungspflicht eines Verantwortlichen einer Treibjagd im Zusammenhang mit Schussgeräuschen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten verneint. Eine Verkehrssicherungspflicht, die dem Zweck diene, andere vor den von Schussgeräuschen bei einer Treibjagd ausgehenden Gefahren zu schützen , bestehe nicht. Zwar treffe den Veranstalter einer Treibjagd die Pflicht, Verkehrsunfälle durch fliehendes Wild beim Überqueren von Straßen zu vermeiden. Auch müsse der grundsätzlichen Gefahr von Schussverletzungen dadurch begegnet werden, dass Standort bzw. Laufrichtung der Schützen und Treiber genau bestimmt und den Jagdteilnehmern die Standorte ihrer Nachbarn mitgeteilt würden. Hingegen müsse sich ein Geländereiter im Wald selbst darauf einstellen , dass dort Schussgeräusche möglich und deutlich hörbar seien und ein Pferd darauf schreckhaft und unberechenbar reagiere. Es liege in der Sphäre und im Risikobereich des Reiters, ein Pferd, das nicht an solche waldtypischen Geräusche gewohnt sei, im Gelände zu bewegen. Der Jagdleiter sei nicht verpflichtet , solche - mittelbaren - Gefahren auszuschließen.

II.

5
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
6
1. Erfolglos rügt die Revision, das Berufungsgericht habe überraschend ohne Beweisaufnahme die Berufung zurückgewiesen, obwohl es Zeugen geladen und das persönliche Erscheinen der Parteien mit Verfügung vom 17. März 2010 angeordnet habe. Es habe dadurch das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt. Nach der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, auf die die Klägerin im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage hingewiesen worden ist, war die Aussage der Zeugen für die Entscheidung nicht erheblich und mithin eine Beweisaufnahme nicht erforderlich. Mit Recht weist die Revisionserwiderung darauf hin, dass ein Überraschungsurteil des Berufungsgerichts schon deshalb nicht gegeben sei, weil bereits das Amtsgericht eine Verkehrssicherungspflicht des Beklagten verneint hatte.
7
2. Das Berufungsgericht hat im Streitfall eine Verkehrssicherungspflicht als Grundlage der Haftung des Beklagten mit Recht verneint.
8
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00, VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02, VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03, VersR 2005, 279, 280; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, VersR 2006, 233, 234; vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, VersR 2007, 659 Rn. 14 und vom 2. März 2010 - VI ZR 223/09, VersR 2010, 544 Rn. 5 ff.; vgl. auch BGH, Urteil vom 25. Februar 1993 - III ZR 9/92, BGHZ 121, 367, 375 und Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95, VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
9
Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden , wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt , ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, aaO Rn. 15 mwN). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 und - VI ZR 99/77, VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02, aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senat, Urteile vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02, aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04, aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier: der Jagdveranstalter und -leiter - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier: Jagdbeteiligte, Reiter, Spaziergänger und Teilnehmer am allgemeinen Straßenverkehr - vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, aaO, Rn. 15 mwN).
10
Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen , aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senat, Urteil vom 6. Februar 2007 - VI ZR 274/05, aaO, Rn. 16). So liegt der Fall hier.
11
b) Der Beklagte war nicht verpflichtet, die Klägerin vor den unkontrollierbaren Reaktionen des Pferdes auf ein Schussgeräusch zu schützen.
12
aa) Dass der Beklagte berechtigt war, die Treibjagd zu veranstalten, wird auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Die bei der Treibjagd zu beachtenden Sorgfaltspflichten konkretisieren u.a. die Unfallverhütungsvorschriften Jagd (UVV Jagd). Zutreffend sieht das Berufungsgericht den Regelungsgehalt der UVV Jagd darin, dass der Veranstalter einer Treibjagd zu vermeiden hat, dass es zu Verkehrsunfällen durch fliehendes Wild beim Überqueren von Straßen kommt sowie dass Jagdteilnehmer und dritte Personen durch Schüsse verletzt werden. Insoweit präzisieren die Unfallverhütungsvorschriften das jagdgerechte Verhalten (vgl. MünchKomm/Wagner, BGB, 5. Aufl., § 823 Rn. 557, 558; Staudinger/J. Hager (2009), BGB, § 823 Rn. E 367, 368 und E 372). Sie regeln dazu jagdliche Verhaltenspflichten, die dem Schutz von Leben und Gesundheit dienen und sind auch außerhalb ihres unmittelbaren Geltungsbereiches Maßstab für verkehrsgerechtes Verhalten.
13
bb) Eine allgemeine Verkehrssicherungspflicht des Beklagten, sich in der Nähe des Jagdgebiets aufhaltende Reiter vor Schussgeräuschen, auf die deren Pferde schreckhaft reagieren, zu schützen, ergibt sich daraus nicht. Zwar darf nach der Regelung in § 3 Abs. 4 UVV Jagd ein Schuss erst abgegeben werden, wenn sich der Schütze vergewissert hat, dass niemand gefährdet wird. Die Durchführungsanweisung zu dieser Regelung konkretisiert aber den Begriff der Gefährdung dahingehend, dass eine solche z.B. dann gegeben ist, "wenn Personen durch Geschosse oder Geschossteile verletzt werden können, die an Steinen, gefrorenem Boden, Ästen, Wasserflächen oder am Wildkörper abprallen oder beim Durchschlagen des Wildkörpers abgelenkt werden oder beim Schießen mit Einzelgeschossen kein ausreichender Kugelfang vorhanden ist". Die Vorschrift will mithin erkennbaren Risiken für Rechtsgüter Dritter durch die direkte Schusseinwirkung vorbeugen. Ihr Zweck ist nicht, Dritte schon vor dem Geräusch eines Schusses zu schützen.
14
cc) Allerdings enthalten Unfallverhütungsvorschriften ebenso wie DINNormen im Allgemeinen keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02, aaO, 1319 f., mwN). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die Gegenstand der Unfallverhütungsvorschrift sind, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, dass er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83, VersR 1985, 781 und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95, VersR 1997, 249, 250 jeweils mwN).
15
Besondere Maßnahmen zur Warnung vor Schussgeräuschen mussten danach vom Beklagten nicht getroffen werden. Im Allgemeinen begründen Schussgeräusche für sich keine potentielle Gefahr für Rechtsgüter Dritter. Es handelt sich um Lärmbeeinträchtigungen, mit denen allgemein in Waldgebieten gerechnet wird und die hinzunehmen sind. Die Warnpflicht vor solchen Geräuschen , die individuell sehr unterschiedlich aufgenommen werden, wäre mit ei- nem vernünftigen praktischen Aufwand auch nicht erfüllbar. Die Wirkung von Schussgeräuschen auf Menschen und Tiere ist von vornherein kaum abschätzbar. Sie ist jedenfalls nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen schadensträchtig, so wenn etwa der Schuss in unmittelbarer Nähe des Reiters abgegeben wird. Ein solcher Fall liegt dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil des Oberlandesgerichts Saarbrücken vom 30. März 1990 (4 U 63/89) zugrunde.
16
Hingegen ist im Streitfall nicht festgestellt, dass der Schuss in unmittelbarer Nähe der Klägerin abgegeben worden sei. Dies wird von der Klägerin auch nicht behauptet. Nach ihrem eigenen Vortrag stürzte sie, nachdem sie nach dem ersten Schuss weiter geritten war und ihr Pferd aufgrund des zweiten Schussgeräusches scheute. Zum Unfall kam es, weil die Klägerin das Pferd nicht beherrschte. Galke Zoll Diederichsen Pauge von Pentz
Vorinstanzen:
AG Arnsberg, Entscheidung vom 06.02.2010 - 12 C 499/09 -
LG Arnsberg, Entscheidung vom 26.05.2010 - I-3 S 22/10 -

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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

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(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 294/03 Verkündet am:
5. Oktober 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht bei einer Wasserrutsche (Röhrenrutsche)
in einem Schwimmbad (Fortsetzung der Rechtsprechung in dem Senatsurteil vom
3. Februar 2004 - VI ZR 95/03 = VersR 2004, 657 = NJW 2004, 1449).
BGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - OLG Celle
LG Stade
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 5. Oktober 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 24. September 2003 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die damals acht Jahre alte Klägerin benutzte im August 2001 in dem von der beklagten Gemeinde betriebenen Freibad die etwa 90 Meter lange kurvenreiche Großrutsche. Nach ihrem Vortrag erlitt sie Zahnschäden, als sie einem anderen noch in der Rutsche befindlichen Mädchen ausweichen wollte und dabei gegen die Wand der Rutsche geriet. Sie begehrt deshalb von der Beklagten Ersatz ihres materiellen und immateriellen Schadens. Auf Schildern und Piktogrammen am Eingang der Rutsche und im Rutschbereich befinden sich Benutzungs- und Warnhinweise. Danach dürfen Kinder unter sieben Jahren die Rutsche nicht benutzen. Zugelassen ist die
Rutschposition "Rückenlage, Blick nach vorn". Eingehalten werden soll eine Wartezeit von mindestens 30 Sekunden. Die Klägerin hat geltend gemacht, vor dem Rutschen einige Zeit gewartet zu haben, die sie für 30 Sekunden gehalten habe. Nach der dritten Kurve habe sie ein dickeres Mädchen gesehen, das in der Rutsche festgehangen habe. Bei einem Ausweichversuch sei sie mit ihrem Gesicht gegen die Rutschenwand und das Mädchen gestoßen. Das Landgericht hat eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagte verneint und deshalb die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hat mit dem Landgericht die Verletzung einer vertraglichen oder deliktischen Verkehrssicherungspflicht der Beklagten verneint und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Die Gefahr von Unfällen in größeren Schwimmbadrutschen sei ernst zu nehmen und von den Schwimmbadbetreibern durch geeignete Maßnahmen auf ein angesichts der drohenden Gesundheitsbeeinträchtigungen vertretbares Maß zu reduzieren. Auf dieser Erkenntnis und Einschätzung der Sachlage beruhten denn auch die gefahrsteuernden Hinweise der Beklagten. Eine völlige Vermeidung der für den Benutzer kalkulierbaren Gefahren sei nicht geboten, da derartige Vergnügungseinrichtungen sozial akzeptiert und zur Steigerung der Schwimmbadattraktivität gewünscht würden. Der Betreiber müsse bei seinen
Gefahrsteuerungsmaßnahmen allerdings auch einen vorhersehbaren Missbrauch berücksichtigen. Eine Reservierung der Rutschenbenutzung für einzelne Personen, durch die allein Unfälle der behaupteten Art völlig vermieden werden könnten, sei bei Abwägung der Kosten- und Benutzungsnachteile gegen den mit Alternativmaßnahmen erreichbaren Rechtsgüterschutz nicht geboten. Die ständige Aufsicht eines - im Zweifel zusätzlichen - Bademeisters am Einstieg zur Rutsche könne schon aus Kostengründen nicht verlangt werden. Zeitweilige Benutzungssperren seien auch deshalb nicht geboten, weil die Benutzungsfrequenz unnötig stark reduziert wäre, wenn jeweils das Verlassen der Rutsche durch den Vorbenutzer abgewartet werden müsste; durch lange Wartezeiten wäre die Attraktivität der Rutsche erheblich eingeschränkt. Für die Behauptung der Klägerin, weitergehende Sicherungsmaßnahmen entsprächen inzwischen dem Stand der Technik, sei nichts ersichtlich; in einer DIN-Norm oder Euro-Norm - die für den Rutschenbetrieb einschlägige EN 1069 sei erst 1996 neu gefaßt worden - schlage sich dies nicht nieder. Es sei ausreichend, für einen zeitlichen Abstand zwischen den einzelnen Benutzern zu sorgen, wie es die Beklagte im Grundsatz richtig getan habe. Er schließe die Gefahr eines Zusammenstoßes regelmäßig aus, die insbesondere nach dem Verlassen der Rutsche im Wasserbecken bestehe. Der von der Beklagten festgelegte Abstand von 30 Sekunden sei angemessen, sollte aber tunlichst nicht unterschritten werden. Ein Aufrutschen sei zwar nicht auszuschließen , werde dann aber auf seltene Fälle beschränkt bleiben. Verletzungen durch den Aufprall nachfolgender Rutschenbenutzer seien nach vorausschauender Erwartung gering, wenn der nachfolgende Benutzer entsprechend den von der Beklagten aufgestellten Benutzungsvorgaben in Rückenlage mit den Füßen
voran rutsche. Dazu trage auch das insgesamt mäßige und im zweiten Teil der Rutsche, in dem sich der Unfall ereignet haben solle, geringe Röhrengefälle bei. Die Klägerin trage zweitinstanzlich selbst vor, daß ein früherer Unfall, der sich im Jahre 2000 zwischen zwei Kindern ereignet haben solle, nur zu leichten Verletzungen geführt habe. Der Sachverhalt in dem Fall OLG Köln VersR 2002, 859, der einen Unfall aus dem Jahre 1996 mit Querschnittslähmung des Vorausrutschenden betraf, weise Besonderheiten auf, die erheblich von den Gegebenheiten des vorliegenden Falles abwichen; dort sei ein Aufrutschen aufgrund der Umstände „nahezu an der Tagesordnung" gewesen. Der Ablauf der Wartezeit von 30 Sekunden sei zwar insbesondere für jüngere Kinder ohne vom Schwimmbadbetreiber gestellte technische Hilfsmittel schwer feststellbar, so daß diese Gefahrsteuerungsmaßnahme leer laufe, wenn die vorgeschriebene Wartezeit trotz Gutwilligkeit infolge fehlerhafter Zeitschätzung als verstrichen angesehen werde. Ob das Aufstellen einer Uhr zu verlangen sei, könne aber dahingestellt bleiben. Selbst wenn dies zur Einhaltung der objektiven Verkehrssicherungspflicht erforderlich wäre, ließe sich daraus keine Haftung der Beklagten für die Unfallfolgen im Streitfall ableiten. Nach dem eigenen Vortrag der Klägerin habe sich das vorausrutschende Mädchen "verkeilt", was schon für sich genommen auf eine Zeitverzögerung ihres Rutschvorgangs hindeute, die auch bei korrekter Einhaltung der Wartezeit von 30 Sekunden einen Zusammenstoß unvermeidbar gemacht habe. Daß es sich so verhalten habe, entspreche der eigenen Einschätzung der Klägerin, nach deren Vortrag die unter diesen Umständen nahe liegende Gefahr eines Aufpralls sich trotz Einhaltung der Wartezeit im vorliegenden Fall sogar verwirklicht habe. Das Fehlen einer Zeitanzeige sei also für den Unfall der Klägerin selbst dann nicht kausal geworden, wenn die Klägerin aus diesem Grund zu früh mit dem Rutschen begonnen haben sollte.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung stand. 1. Der erkennende Senat, hat die Voraussetzungen, die unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht an den Betrieb von Wasserrutschen zu stellen sind, bereits in dem Urteil vom 3. Februar 2004 (VI ZR 95/03 - VersR 2004, 657 ff.) im einzelnen dargelegt. Danach ist der Betreiber eines Schwimmbades verpflichtet, die Badegäste vor Gefahren zu schützen, denen diese beim Besuch des Hallenbades und bei der Benutzung der Einrichtungen des Bades ausgesetzt sein können. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht für Schwimmbäder müssen die Badegäste vor den Gefahren geschützt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, von ihnen nicht vorhersehbar und nicht ohne weiteres erkennbar sind, wobei, wenn das Schwimmbad nicht nur von Erwachsenen besucht wird, für den Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen auch in Betracht zu ziehen ist, daß insbesondere Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten. Auf die vielfältigen Gefahren, die sich aus dem Betrieb einer Wasserrutsche ergeben können und denen der Sicherungspflichtige nach Möglichkeit entgegenwirken muß, hat der erkennende Senat in dem Urteil vom 3. Februar 2004 hingewiesen. Dort ist auch bereits ausgeführt, daß es keinen Bedenken begegnet, wenn der Tatrichter zur Feststellung von Inhalt und Umfang der den Schwimmbadbetreiber bezüglich einer Wasserrutsche treffenden Verkehrssicherungspflichten die DIN EN 1069 mit heranzieht, wie es das Berufungsgericht hier getan hat. 2. Danach gilt unter den im vorliegenden Einzelfall festgestellten Umständen Folgendes:

a) Das Berufungsgericht stellt fest, es sei nichts dafür ersichtlich, daß hier nach der DIN EN 1069 zusätzliche Sicherungsmaßnahmen erforderlich gewesen seien. Dies wird von der Revision nicht beanstandet. Diese macht auch nicht geltend, es beruhe auf einem Fehler der Rutsche, daß sich das andere Mädchen darin "verkeilt" hatte.
b) Das Berufungsgericht geht weiter davon aus, daß der Unfall nach aller Wahrscheinlichkeit trotz Einhaltung der von der Beklagten vorgegebenen Wartezeit von 30 Sekunden geschehen ist, daß also das Fehlen möglicherweise erforderlicher Benutzerhilfen zur Zeitfeststellung nicht unfallursächlich geworden ist. Auch dem tritt die Revision nicht entgegen. Sie verweist vielmehr ausdrücklich auf den Vortrag der Klägerin, die vorgeschriebene Wartezeit eingehalten und die Rutsche ordnungsgemäß benutzt zu haben. Sie führt weiter aus, daß nach den Umständen nicht festgestellt werden kann, daß sich das andere Kind bei der Benutzung der Rutsche nicht ordnungsgemäß verhalten hat und deshalb hängen geblieben ist. Unter diesen Umständen kann die Revision mit ihren Ausführungen dazu, die Beklagte habe (weitere) Sicherungsmaßnahmen zur Verhinderung eines Fehlgebrauchs der Rutsche treffen müssen, schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sich ein solch mögliches Versäumnis im Streitfall nicht ausgewirkt hat.
c) Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, daß es unter den hier gegebenen Umständen in der Rutsche zu einem Zusammenstoß hintereinander rutschender Benutzer kommen kann. Es meint jedoch, daß die Sicherungsvorgaben der Beklagten gleichwohl ausreichen. Dabei stellt es auf Überlegungen der Finanzierbarkeit und der Benutzerfreundlichkeit, aber auch darauf ab, daß es bei Einhaltung der Regeln in Anbetracht des mäßigen bis geringen Röhrengefälles nach vorausschauender Erwartung allenfalls zu geringen Verletzungen kommen kann.
Jedenfalls im Hinblick auf den zuletzt genannten Gesichtspunkt sind die Ausführungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Aufwand, den der Verkehrssicherungspflichtige zu treiben hat, richtet sich auch nach den möglichen Verletzungsfolgen, die den Benutzern einer Sportoder Freizeitanlage drohen. Daß es bei sportlichen Betätigungen oder sportähnlicher Freizeitbetätigung aus Unachtsamkeit, aufgrund der Verkettung unglücklicher Umstände oder auch wegen der solchen Aktivitäten häufig anhaftenden Gefahren zu Verletzungen kommen kann, ist allgemein bekannt und wird vom Großteil der Bevölkerung akzeptiert, der sich dadurch nicht von derartigen Betätigungen abbringen lässt. Die Auffassung des Berufungsgerichts, eine Sportoder Freizeitanlage, bei deren regelgerechter Benutzung lediglich kleinere Verletzungen drohen, müsse nicht durch kostenträchtige Maßnahmen weiter gesichert werden, begegnet - jedenfalls bei der gegebenen Sachlage - keinen durchgreifenden Bedenken. Daß die lückenlose Überwachung sämtlicher Rutschvorgänge durch Personal oder Einbau und Betrieb technischer Anlagen einen nicht unerheblichen Kostenaufwand erfordert, kann nicht zweifelhaft sein. Drohen von einer Anlage nur seltene und relativ geringe Gefahren, kann das Kostenargument auch bei der gebotenen Berücksichtigung der möglicherweise gefährdeten Rechtsgüter der Benutzer durchaus an Bedeutung gewinnen. Entsprechendes gilt für die Überlegung, den durch die Anlage vermittelten Freizeitspaß nicht durch Überregulierung allzu weit einzuschränken.
d) Die Auffassung der Revision, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei bei der hier in Frage stehenden Rutsche mit schweren Verletzungen zu rechnen, kann sich nicht auf im konkreten Fall festgestellte oder fehlerhaft nicht festgestellte Umstände stützen. Der Hinweis darauf, daß es in anderen - veröffentlichten Urteilen zugrundeliegenden - Fällen der Benutzung von Was-
serrutschen zu erheblichen Verletzungen gekommen ist, reicht nicht aus. Das Berufungsgericht geht ohne revisionsrechtlich beachtlichen Fehler davon aus, daß es auf der Rutsche der Beklagten bisher zu erheblichen Verletzungen nicht gekommen sei und wegen des geringen Gefälles voraussichtlich auch nicht kommen werde. Nicht zu beanstanden ist dabei der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts , daß eine Zahnverletzung, wie sie hier vorgekommen ist und wie sie jederzeit, etwa beim Zusammenprall spielender Kinder, beim Hinfallen oder einem unglücklichen Sprung ins Schwimmbecken vorkommen kann, nicht zu den schweren Verletzungen gehört, denen mit allen Mitteln und ohne Berücksichtigung des finanziellen Aufwandes begegnet werden muß.
e) Aus diesem Grund kann der Revision auch nicht dahin gefolgt werden, die Rutsche habe durch eine Videoanlage oder einen dauernd anwesenden Bademeister ständig überwacht werden müssen. Der erkennende Senat hat auch in dem Urteil vom 3. Februar 2004 (aaO) bereits darauf hingewiesen, daß eine lückenlose Aufsicht in Schwimmbädern nicht üblich und nach ständiger Rechtsprechung auch nicht erforderlich ist. Daran ist festzuhalten.
f) Die Revision macht geltend, der Fall zeige, daß eine Wartezeit von 30 Sekunden nicht ausreiche, wenn der Vorausrutschende in der Bahn steckenbleibt. Sie meint deshalb, ungeachtet aller anderen Überlegungen habe die Wasserrutsche jedenfalls mit einer Ampelanlage ausgestattet werden müssen, die die Rutschbahn erst freigibt, wenn der Vorausrutschende den Gefahrenbereich verlassen hat. Ob eine Wasserrutsche mit einer die Rutschvorgänge steuernden Ampelanlage - wie sie in dem dem Senatsurteil vom 3. Februar 2004 zugrundeliegenden Fall vorhanden war - auszustatten ist, hängt von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der konstruktiven Gestaltung der
Rutsche und den den Benutzern drohenden Gefahren. Eine Ampelanlage oder eine vergleichbare technische Einrichtung für sämtliche Wasserrutschen zu fordern , ginge zu weit. Dabei ist nicht primär auf Kostengesichtspunkte und die Benutzerfreundlichkeit abzustellen. Besteht bei der „normalen“ Benutzung einer Rutsche, etwa wegen des steilen Gefälles oder wegen ihrer sonstigen konstruktiven Gestaltung, die ernsthafte Gefahr erheblicher Verletzungen der Benutzer durch Aufrutschen, so wird eine Regelung des Benutzerverhaltens durch eine technische Einrichtung (oder gleichwertige Überwachungsmaßnahmen ausreichenden Personals) auch beim Anfall erheblicher Kosten unerläßlich sein. Eine ernsthafte Gefahr droht, wenn mit Unfällen im regelmäßigen Betrieb auch außerhalb des Bereichs der schicksalhaften Verkettung unglücklicher Umstände gerechnet werden muß. Davon kann nach den im Streitfall getroffenen Feststellungen nicht ausgegangen werden. Die Rutsche der Beklagten weist danach ein mäßiges und im unteren Bereich, in dem der Unfall geschehen sein soll, ein geringes Gefälle auf, so daß eine regelmäßige ernsthafte Gefahr erheblicher Verletzungen nicht besteht. Zu solchen ist es in der Vergangenheit auch nicht gekommen; nach dem Vortrag der Klägerin kam es lediglich im Jahr 2000 zu einem Unfall zwischen zwei Kindern, der zu leichteren Verletzungen geführt hat. Unter den hier vorliegenden Umständen genügt der Betreiber eines Schwimmbades seiner Pflicht, besondere Sicherungsvorkehrungen gegen die Gefahr des Aufrutschens zu treffen, wenn er - wie hier die Beklagte - den Rutschenden die Rutschhaltung und den zeitlichen Abstand - sowie die Verpflichtung zur sofortigen Räumung des Auslaufbereichs im Becken - mit ausreichender Deutlichkeit vorgibt. Daß im Streitfall die Hinweistafeln - auch im Hinblick auf die Freigabe der Rutsche für Kinder ab sieben Jahren - nicht ausreichend deutlich und verständlich gewesen sein könnten, legt die Revision nicht ausrei-
chend dar und ist auch nicht ersichtlich. Darauf käme es auch nicht an, weil die Klägerin selbst vorgetragen hat, sich den Hinweisen entsprechend verhalten zu haben.

III.

Die Revision ist danach mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, - jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (vgl. Senat, Urteile vom 16. September 1975 - VI ZR 156/74 - VersR 1976, 149, 150; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - aaO).
5
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234 und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, 1083, 1084, jeweils m.w.N.; vgl. auch BGHZ 121, 367, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, - jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (vgl. Senat, Urteile vom 16. September 1975 - VI ZR 156/74 - VersR 1976, 149, 150; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - aaO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll
14
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, - jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (vgl. Senat, Urteile vom 16. September 1975 - VI ZR 156/74 - VersR 1976, 149, 150; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - aaO).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 155/02 Verkündet am:
15. Juli 2003
Holmes,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht des Betreibers eines Sägewerks.
BGH, Urteil vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - OLG Frankfurt/Main
LG Fulda
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller und die Richter
Wellner, Pauge, Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main in Kassel vom 26. März 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Beklagte ist Inhaber eines Sägewerkes und holzverarbeitenden Betriebes. Der Kläger, ein selbständiger Fliesenlegermeister, brachte im Januar 1998 Baumstämme in den Betrieb des Beklagten, um daraus Schalbretter und Kanthölzer herstellen zu lassen. Am 26. Januar 1998 wollte der Kläger das geschnittene Holz abholen. Dazu begab er sich auf das nicht eingezäunte Betriebsgelände des Beklagten und betrat dort einen nach zwei Seiten offenen, frei zugänglichen Schuppen, in dem ein Sägegatter (Vertikalgatter) in Betrieb war. Als der Kläger den Schneidearbeiten zusah, wurde er von einem aus dem Sägegatter herausgeschleuderten Kantholz am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Kläger begehrt Schadensersatz, Zahlung eines Schmerzensgeldes sowie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für alle materiellen und immateriellen Zukunftsschäden. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Zahlungsansprüche dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben; wegen des Betragsverfahrens hat es den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht hält für nicht bewiesen, daß der Beklagte das Vertikalgatter in mangelhaftem Zustand betrieben habe und läßt offen, ob die Säge fehlerhaft bedient worden sei. Es meint, der Beklagte habe seine Verkehrssicherungspflicht verletzt und dadurch die Schädigung des Klägers herbeigeführt. Allerdings handele es sich beim Sägen an einem Vertikalgatter nach Angaben des Sachverständigen nicht um einen besonders gefährlichen Vorgang. Holz reagiere aber bei der Bearbeitung unterschiedlich. Aufgrund von Verwachsungen und sonstigen Besonderheiten im Innern des Stammes könne es beim Sägen reißen oder absplittern. Es sei auch nicht ausgeschlossen, daß sich durch die senkrechte Bewegung des Sägeblattes vor allem kurze Kanthölzer verkeilten und dadurch aus der Maschine herausgeschleudert würden. Dies sei für den Gatterführer auch bei aufmerksamer Beobachtung des Schneidevorgangs nicht vorhersehbar. Wegen dieser Gefahren hätte der Beklagte nach Auffassung des Berufungsgerichts betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Schuppen durch Anbringung von Warn- und Verbotsschildern verbieten müssen. Dafür, daß der Kläger ein entsprechendes Verbot beachtet hätte, spreche eine tatsächliche Vermutung. Ein Mitverschulden treffe ihn nicht. Als Betriebsfremder habe er nicht mit abfliegenden Spänen oder weggeschleuderten Kanthölzern rechnen müssen.

II.

Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht überspannt die dem Beklagten als Betreiber der Säge obliegenden Verkehrssicherungspflichten. 1. Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß derjenige , der eine Gefahrenlage schafft, grundsätzlich verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499 und vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. Dezember 1992 - III ZR 99/90 - VersR 1993, 586, 587 m.w.N.; BGHZ 121, 368, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 - III ZR 40/95 - VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfaßt danach diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Voraussetzung ist daher, daß sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteil vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO m.w.N.). 2. Das Berufungsgericht hält eine solche Gefahr hier deswegen für gegeben , weil nach Angaben des Sachverständigen bei dem Betrieb der Säge die Möglichkeit besteht, daß Teile des zu verarbeitenden Holzes absplittern oder Kanthölzer sich verkeilen und aus dem Gatter herausgeschleudert werden. Dieser vom Sachverständigen als möglich angesehene Geschehensablauf mag eine Erklärung für den Hergang des Unfalls vom 26. Januar 1998 sein. Eine solche nachträgliche Betrachtungsweise eines nach Kenntnis des Sachverstän-
digen bislang einmaligen Vorgangs erlaubt für sich allein jedoch nicht die Schlußfolgerung, daß der Beklagte betriebsfremden Personen den Zutritt zu der Anlage hätte verbieten müssen. Das Berufungsgericht verkennt, daß nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre unrealistisch (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812). So ist eine Verkehrssicherung , die jeden Unfall ausschließt, nicht erreichbar (Senatsurteil vom 21. April 1964 - VI ZR 39/63 - VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, daß Rechtsgüter anderer verletzt werden können (Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165 und vom 5. Mai 1987 - VI ZR 181/86 - VersR 1987, 1014, 1015). Deshalb muß nicht für alle nur denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen geboten, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO; BGHZ 14, 83, 85; BGH, Urteil vom 13. November 1970 - 1 StR 412/70 - NJW 1971, 1093, 1094 m.w.N.). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB), deren Verletzung zur deliktischen Haftung führt (§ 823 Abs. 1 BGB), ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachtet (Senatsurteil vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560 m.w.N.). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, dann, wenn die Gefahren bei der Ausübung eines Berufes oder eines Gewerbes auftreten, diejenigen Sicherungsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren, und die diesem den Umständen
nach zuzumuten sind (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532 und vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801, jeweils m.w.N.). Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mußten und eine Gefährdung von anderen – wenn auch nicht völlig ausgeschlossen – nur unter besonders eigenartigen und entfernt liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muß der Geschädigte den Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart sein mag. Er hat ein "Unglück" erlitten und kann dem Schädiger kein "Unrecht" vorhalten (Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO). 3. Nach diesen Grundsätzen vermögen die bisher getroffenen Feststellungen eine Haftung des Beklagten gem. § 823 BGB nicht zu begründen.
a) Das Berufungsgericht stellt - sachverständig beraten - fest, daß die Anbringung eines Zutrittsverbotsschildes nach den maßgeblichen Unfallverhütungsvorschriften (UVV) für Maschinen und Anlagen zur Be- und Verarbeitung von Holz und ähnlichen Stoffen nicht erforderlich war. Damit ist allerdings die Frage noch nicht geklärt, ob der Beklagte dennoch gehalten gewesen wäre, insbesondere betriebsfremden Personen den Zutritt zu dem Maschinenraum zu verwehren. Insoweit geht das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend davon aus, daß an die Sorgfaltspflicht des Unternehmers zum Schutz betriebsfremder Personen im Einzelfall durchaus höhere Anforderungen zu stellen sein können als gegenüber seinen Betriebsangehörigen, zu deren Schutz die UVV in erster Linie bestimmt sind (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 – aaO S. 812 f. m.w.N.). Gesetzliche oder andere Anordnungen, einschlägige Unfallverhütungsvorschriften und DIN-Normen enthalten im allgemeinen nämlich keine abschließenden Verhaltensanforderungen (vgl. Senatsurteile vom 30. April
1985 - VI ZR 162/83 - VersR 1985, 781; vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - VersR 1997, 249, 250; vom 26. Mai 1998 - VI ZR 183/97 - VersR 1998, 1029, 1030; vom 4. Mai 1999 - VI ZR 379/98 - VersR 1999, 1033, 1034 und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 – VersR 2001, 1040 jeweils m.w.N.). Solche Bestimmungen können jedoch regelmäßig zur Feststellung von Inhalt und Umfang bestehender Verkehrssicherungspflichten herangezogen werden (Senatsurteile vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f. und vom 13. März 2001 - VI ZR 142/00 - aaO, jeweils m.w.N.). Namentlich die Unfallverhütungsvorschriften der Berufsgenossenschaft stellen den von der zuständigen Stelle kraft öffentlicher Gewalt festgelegten Niederschlag der in einem Gewerbe gemachten Berufserfahrungen dar und sind von dem Unternehmer zu beachten (vgl. Senatsurteile vom 11. Februar 1953 - VI ZR 58/52 - VersR 1953, 196 und vom 9. Juli 1985 - VI ZR 118/84 - VersR 1985, 1147 f., jeweils m.w.N.). Gebietet die Verkehrssicherungspflicht den Schutz vor anderen Gefahren als denen, die zu verhüten die Unfallverhütungsvorschrift dient, so kann sich der Verkehrssicherungspflichtige nicht darauf berufen, in Ansehung dieser Gefahren seiner Verkehrssicherungspflicht dadurch genügt zu haben, daß er die Unfallverhütungsvorschrift eingehalten hat. Vielmehr hat er die insoweit zur Schadensabwehr erforderlichen Maßnahmen eigenverantwortlich zu treffen. Dient hingegen die Unfallverhütungsvorschrift gerade der Vermeidung der Gefahren, die sich später in einem Unfall verwirklicht haben, so kann dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er keine weitergehenden Schutzmaßnahmen ergriffen hat, als in der einschlägigen Unfallverhütungsvorschrift gefordert (vgl. Senatsurteile vom 30. April 1985 - VI ZR 162/83 - aaO und vom 12. November 1996 - VI ZR 270/95 - aaO, jeweils m.w.N.).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts sahen die seinerzeit maßgebenden UVV keine spezifischen Schutzmaßnahmen gegen ein Herausschleudern von Kanthölzern vor, sondern verlangten nur, beim Sägen von kur-
zen Stämmen an einem Vertikalgatter solche Vorrichtungen bereitzuhalten und zu benutzen, die das Hochschlagen der Stämme verhindern. Daß der Beklagte am Unfalltag gegen diese Vorschrift verstoßen hätte, ist nicht festgestellt. Deshalb ist im Revisionsrechtszug zu seinen Gunsten zu unterstellen, daß die Säge vorschriftsmäßig und fehlerfrei bedient wurde. Weitergehende Sicherungsvorkehrungen waren nach den UVV nicht zu treffen. Hat der Beklagte aber die Vorschriften beachtet, welche der Abwendung der (bekannten) Gefahr des Hochschlagens der Stämme dienten, hat er denjenigen Sicherheitsgrad geschaffen , den ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betreffenden Berufsgruppe für ausreichend halten durfte, um andere Personen vor Schaden zu schützen. Da die von dem Hochschlagen der Stämme ausgehende Gefährdung für alle sich in der Nähe der Säge aufhaltenden Personen und damit für Betriebsangehörige wie für Betriebsfremde in gleichem Maße galt, bestanden gegenüber letzteren auch keine zusätzlichen Sorgfaltspflichten. Für ein Zutrittsverbot gegenüber betriebsfremden Personen wegen der Möglichkeit des Herausschleuderns von Kanthölzern hätte nur dann Veranlassung bestanden, wenn es sich dabei um eine nach sachverständigem Urteil naheliegende Gefahr gehandelt hätte. Das ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht der Fall. Hat sich der Unfall vorliegend trotz Einhaltung der aus damaliger Sicht gebotenen Sicherheitsvorkehrungen ereignet, hat er die Erkenntnis gebracht, daß diese Maßnahmen nicht ausreichend waren. In diesem Fall mag sich eine bis dahin zwar denkbare, aber für das sachverständige Urteil seinerzeit allenfalls als bloß theoretisch anzusehende Möglichkeit des Herausschleuderns von Holzteilen in der Praxis realisiert haben. Das reicht jedoch zur Begründung einer Haftung aus einem solchen Unfall nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht aus (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - aaO m.w.N.; vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98 u. 99/77 - aaO und vom 5. Mai 1987 - VI ZR
181/86 - aaO). Nach alledem mußte der Beklagte den Zutritt zu der Anlage jedenfalls seinen Kunden nicht verwehren. Eine andere Frage mag es sein, ob er den Sägeschuppen allen Außenstehenden und somit z.B. auch Kindern zugänglich machen durfte. Einer Vertiefung dieser Frage bedarf es hier aber deshalb nicht, weil es sich insoweit um ein besonderes Risiko handeln würde, das sich im Streitfall nicht verwirklicht hat und das deshalb hier außer Betracht bleiben kann (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1978 - VI ZR 194/76 - VersR 1978, 739, 740; Lepa, Der Schaden im Haftpflichtprozeß, 1992, S. 17).

III.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um zu klären, ob die Schädigung des Klägers durch eine fehlerhafte Bedienung des Vertikalgatters verursacht worden ist.
Müller Wellner Pauge Stöhr Zoll