Bundesgerichtshof Urteil, 25. Apr. 2006 - VI ZR 114/05

bei uns veröffentlicht am25.04.2006
vorgehend
Landgericht Landshut, 73 O 871/02, 21.10.2004
Oberlandesgericht München, 20 U 5275/04, 11.05.2005

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 114/05 Verkündet am:
25. April 2006
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein gesetzlich geschuldeter Unterhalt im Sinne des § 844 Abs. 2 BGB kann auch bei
Gewährung des Unterhalts als Naturalunterhalt nach § 1612 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2
BGB vorliegen.
BGH, Urteil vom 25. April 2006 - VI ZR 114/05 - OLG München
LG Landshut
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. April 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Müller, den Richter Wellner,
die Richterin Diederichsen und die Richter Stöhr und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 11. Mai 2005 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

1
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung rückständigen Unterhalts und einer Geldrente in Anspruch. Ihre Mutter wurde am 3. März 1999 bei einem Verkehrsunfall mit dem vom Beklagten zu 1) gesteuerten Fahrzeug getötet, dessen Halterin die Beklagte zu 2) und deren Haftpflichtversicherer die Beklagte zu 3) ist. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit.
2
Die am 18. September 1979 geborene Klägerin leidet u.a. an einer fortschreitenden Friedreich´schen Ataxie und ist in steigendem Umfang pflegebedürftig. Ihre am 21. August 1947 geborene Mutter pflegte sie bis zu ihrem Unfalltod persönlich. Am 18. September 2000 heiratete die Klägerin. Ihr Ehemann gab mit der Heirat seinen Beruf auf; er übernahm ihre Pflege und nach der am 17. April 2001 erfolgten Geburt des gemeinsamen Kindes auch dessen Versorgung. Der Vater der Klägerin hat ihr eine behindertengerecht ausgebaute Wohnung mit einem Mietwert von 1.500 DM zur Verfügung gestellt und hilft bei der täglichen Versorgung der Klägerin und des Kindes aus. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin und zwei gemeinsamen Kindern, die in den Jahren 2000 und 2001 geboren wurden, zusammen. Die Klägerin erhält Pflegegeld und eine Halbwaisenrente. Sie begehrt die Kosten für die Pflege, die ihre Mutter geleistet hätte.
3
Das Landgericht hat der Klage weitgehend stattgegeben. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten der Klage in weit geringerem Umfang stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe:

I.

4
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Klägerin stehe ein Schadensersatzanspruch aus § 844 Abs. 2 BGB in dem Umfang zu, in dem sie nach §§ 1601, 1602 Abs. 1, 1603 Abs. 1, 1610, 1612 BGB von ihrer Mutter Barunterhalt hätte verlangen können. Dieser sei anhand der von der Mutter der Klä- gerin zu erzielenden fiktiven monatlichen Einkünfte als Pflegehelferin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 36 Stunden unter Berücksichtigung einer Aufwandspauschale und des Selbstbehalts zu ermitteln. Auf dieser Grundlage stehe der Klägerin für den Zeitraum vom 3. März 1999 bis 31. Dezember 2001 kein weiterer Schadensersatz zu, weil der für diesen Zeitraum für den Unterhalt der Klägerin noch verfügbare Differenzbetrag von 460,16 € durch die von den Beklagten gezahlten und anerkannten monatlichen Beträge überschritten worden sei. Für den nachfolgenden Zeitraum ergebe sich ein monatlicher Unterhaltsanspruch von 413 €. Davon ausgehend sei hinsichtlich des Unterhaltsrückstands Schadensersatz zu leisten und für die Zukunft eine monatliche Rente zu zahlen, jedoch nur bis zum Erreichen des 65. Lebensjahres der Mutter im August 2012. Dann hätte diese in Rente gehen müssen, so dass bei verminderten Einkünften kein verfügbarer Differenzbetrag mehr zur Verfügung gestanden hätte.
5
Ihren monatlichen Bedarf von 1.191,35 € (ab dem 1. Mai 2004 1.661 €) müsse die Klägerin in Höhe von 664,68 € aus dem erhaltenen Pflegegeld Stufe III abdecken. Vorrangige Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehemann aus § 1608 BGB über dessen Beitrag zur Haushaltsführung und Versorgung des gemeinsamen Kindes hinaus bestünden nicht. Der weitere Bedarf könne auch nicht gegenüber dem Vater der Klägerin erfolgreich geltend gemacht werden, weil von diesem angesichts seiner Einkommensverhältnisse und anderweitigen Unterhaltsverpflichtungen kein Barunterhalt verlangt werden könne und bereits die Überlassung der Wohnung eine überobligationsmäßige Leistung darstelle.
6
Entgegen der Ansicht der Klägerin sei nicht auf die tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistung ihrer Mutter abzustellen, denn für die Höhe des Schadensersatzanspruchs aus § 844 Abs. 2 BGB komme es allein auf den gesetzlich geschuldeten und nicht auf einen tatsächlich gewährten Unterhalt an. Selbst wenn die Klägerin und ihre Eltern eine lebenslange Pflege und Versorgung der Kläge- rin im Wege des Naturalunterhalts vereinbart hätten, fehle es an einer entsprechenden gesetzlich geschuldeten Unterhaltsverpflichtung der Mutter als Grundlage für einen Anspruch nach § 844 Abs. 2 BGB. Es handele sich dann nämlich um eine erhebliche Erweiterung der gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung, nach der beim volljährigen Kind regelmäßig der Barunterhalt geschuldet sei.

II.

7
Das angefochtene Urteil hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
8
1. Das Berufungsgericht stellt zutreffend darauf ab, dass nach § 844 Abs. 2 BGB bei der Tötung eines gesetzlich zum Unterhalt Verpflichteten die unterhaltsberechtigte Person Anspruch auf Ersatz des Schadens hat, der ihr durch Entzug des Unterhaltsrechts entsteht (vgl. Küppersbusch, Ersatzansprüche bei Personenschaden, 8. Aufl., Rn. 319). Der Ersatz ist grundsätzlich durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten. Dabei hat nach §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 2 BGB der Schädiger dem Geschädigten bei Vorliegen der vom Berufungsgericht festgestellten weiteren Voraussetzungen insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts nach dem Gesetz verpflichtet gewesen wäre. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt hätten. Er muss daher gemäß § 287 ZPO eine vorausschauende Betrachtung vornehmen, in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Dabei hat der Tatrichter bei der Festset- zung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bezugszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 24. April 1990 - VI ZR 183/89 - VersR 1990, 907; vom 4. November 2003 - VI ZR 346/02 - VersR 2004, 75, 77 m.w.N.; vom 27. Januar 2004 - VI ZR 342/02 - VersR 2004, 653).
9
2. Der Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflicht bestimmt sich nicht nach § 844 Abs. 2 BGB, sondern nach den unterhaltsrechtlichen Vorschriften. Den nach diesen Normen geschuldeten Unterhalt setzt § 844 Abs. 2 BGB voraus (vgl. Senatsurteil vom 4. November 2003 - VI ZR 346/02 - aaO, 76). Deshalb richtet sich hier im Verhältnis zwischen der zum Unfallzeitpunkt bereits volljährigen Tochter und ihrer getöteten Mutter der Umfang des fiktiven gesetzlichen Unterhalts nach dem Bedarf der Klägerin und nach der persönlichen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Getöteten, wobei der Unterhalt grundsätzlich durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren ist (vgl. §§ 1601, 1602, 1603, 1610, 1612 BGB).
10
3. Unterhaltsbedürftig ist die Klägerin nur, soweit sie außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Soweit ihre eigenen Einkünfte ausreichen, um den Bedarf zu decken, besteht ein Unterhaltsbedarf nicht.
11
Zwar ist die Klägerin aufgrund ihrer Erkrankung unstreitig nicht in der Lage , am Erwerbsleben teilzunehmen und sich durch Arbeitseinkommen selbst zu unterhalten. Jedoch hat sie eigene Einkünfte durch das ihr gezahlte Pflegegeld. Entgegen der Ansicht der Revision begegnet die vom Berufungsgericht vorgenommene Anrechnung dieser Einkünfte auf den Bedarf der Klägerin keinen rechtlichen Bedenken.
12
Das nach § 37 SGB XI geleistete Pflegegeld kommt der Klägerin unfallunabhängig wegen ihrer bereits vorher bestehenden schweren Erkrankung zu- gute. Es dient zum Ausgleich ihrer behinderungsbedingten Mehraufwendungen und vermindert demzufolge ihren nach § 1602 BGB zu bestimmenden Unterhaltsbedarf (vgl. BGH Urteile vom 7. Juli 2004 - XII ZR 272/02 - NJW-RR 2004, 1300, 1301; vom 23. Juli 2003 - XII ZR 339/00 - NJW-RR 2003, 1441, 1442 sowie vom 25. November 1992 - XII ZR 164/91 - NJW-RR 1993, 322 zur bedarfsdeckenden Anrechnung von Landespflegegeldern; Soergel-Beater, Kommentar zum BGB, Stand 2005, § 844 Rn. 39). Ob es - wie die Revision meint - Bedenken begegnet, den Bedarf eines erwachsenen behinderten Kindes nach Tabellen und Leitlinien zu bestimmen, die von ihrer Zielsetzung her auf Minderjährige und noch in der Ausbildung befindliche junge Erwachsene zugeschnitten sind (vgl. Senatsurteile vom 22. Januar 1985 - VI ZR 71/83 - VersR 1985, 365, 367; vom 1. Oktober 1985 - VI ZR 36/84 - VersR 1986, 39, 40; vom 31. Mai 1988 - VI ZR 116/87 - NJW 1988, 2365, 2366; OLG Hamm FamRZ 2004, 1061, 1062), ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Auf den konkret zu bestimmenden (Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5.A., § 2 Rn. 44; Staudinger-Röthel, BGB-Kommentar, § 844 Rn. 167) Bedarf der Klägerin ist jedenfalls das Pflegegeld als Einkommen in Anrechnung zu bringen, was zu einer Bedarfsdeckung in Höhe des Pflegegeldes und damit einem Erlöschen des Unterhaltsanspruchs insoweit führt.
13
4. Als unzutreffend erweist sich jedoch unter den besonderen Umständen des Streitfalls die Auffassung des Berufungsgerichts, dass die Klägerin als volljähriges Kind lediglich Anspruch auf Barunterhalt als gesetzlichen Unterhalt hat.
14
a) Soweit das Berufungsgericht erwägt, die von ihm unterstellte Vereinbarung der Eltern der Klägerin zur Gewährung von Naturalunterhalt durch die Mutter im Wege der aufopfernden Pflege stelle keine gesetzliche Konkretisierung des Unterhalts auf Naturalleistungen dar, sondern überlagere nur eine ge- setzlich geschuldete Barunterhaltsverpflichtung, verkennt es die Bedeutung der Formulierung "kraft Gesetzes unterhaltspflichtig" im Sinne des § 844 Abs. 2 BGB. "Gesetzlicher Unterhalt" im Sinne dieser Vorschrift ist, was im konkreten Fall das Ergebnis eines Unterhaltsprozesses der Klägerin gegen ihre Mutter wäre (Staudinger-Röthel, BGB, Bearbeitung 2002, § 844 Rn. 104, 167; SoergelBeater , BGB, 13. Aufl., § 844 Rn. 23).
15
Für die Höhe eines Anspruchs aus § 844 Abs. 2 BGB kommt es allein auf den gesetzlich geschuldeten und nicht auf den Unterhalt an, den die Getötete möglicherweise tatsächlich gewährt hätte (vgl. Senatsurteile vom 5. Juli 1988 - VI ZR 299/87 - VersR 1988, 1166, 1168 und vom 6. Oktober 1992 - VI ZR 305/91 - VersR 1993, 56, 57, jeweils m.w.N.). Eine über die gesetzlich geschuldete Unterhaltspflicht hinausgehende ("überobligationsmäßig") tatsächlich erbrachte Unterhaltsleistung ist im Rahmen des § 844 Abs. 2 BGB nicht zu ersetzen (vgl. Senatsurteil vom 6. Oktober 1992 - VI ZR 305/91 - aaO). Demgemäß genügt eine nur auf Vertrag beruhende Unterhaltspflicht nicht den Anforderungen , die § 844 Abs. 2 BGB an die Schadensersatzpflicht des Schädigers gegenüber mittelbar Geschädigten stellt (vgl. Senatsurteile vom 24. Juni 1969 - VI ZR 66/67 - VersR 1969, 998, 999; vom 6. Dezember 1983 - VI ZR 2/82 - VersR 1984, 189, 190; OLG München VersR 1979, 1066 mit Nichtannahmebeschluss des BGH vom 10. Juli 1979 - VI ZR 228/78 -; Küppersbusch, aaO, Rn. 323; Soergel-Beater, aaO, § 844 Rn. 15). Eine solche Fallgestaltung liegt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts indes hier nicht vor. Insoweit gilt Folgendes:
16
b) Für den Zeitraum bis zur Heirat der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass Eltern, die einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren haben, nach § 1612 Abs. 2 Satz 1 BGB bestimmen können, in welcher Art der Unterhalt gewährt werden soll. Dies gilt auch für Unterhaltspflichten gegenüber voll- jährigen Kindern (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1980 - IV b ZR 537/80 - NJW 1981, 574, 575; vgl. BayObLG, FamRZ 1977, 263, 264; OLG Bremen, FamRZ 1976, 642, 643; Gernhuber/Coester-Waltjen, Lehrb. d. FamR, 4. Aufl., § 46 III 2). Das Gesetz schränkt das elterliche Bestimmungsrecht nur dadurch ein, dass das Familiengericht aus besonderen Gründen auf Antrag des Kindes die Bestimmung der Eltern ändern kann (§ 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB). Eine Bestimmung , die von einem hierzu Berechtigten vorbehaltlos getroffen wird, inhaltlich bestimmt ist und den ganzen Lebensbedarf des Kindes umfasst, ist daher grundsätzlich verbindlich, solange sie nicht auf Antrag des Kindes durch das Familiengericht geändert wird (vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, aaO; Göppinger /Wax-Kodal, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rn. 168).
17
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, sie habe mit ihren Eltern vereinbart, diese würden sie bis an ihr Lebensende pflegen, macht sie geltend, der Unterhalt habe seitens der Mutter entsprechend der bis zum Unfalltod praktizierten Handhabung als Naturalunterhalt geleistet werden sollen. Insoweit ist von einer entsprechenden Bestimmung der Eltern nach § 1612 Abs. 2 BGB auszugehen, die ihre Grundlage in der Krankheit der Klägerin einerseits und der tatsächlichen Möglichkeit zur Pflege durch die nicht erwerbstätige Mutter andererseits hatte. Bei dieser Sachlage hätte die zum Unfallzeitpunkt volljährige unverheiratete Klägerin demnach im Rahmen eines Unterhaltsprozesses von ihrer Mutter keinen Barunterhalt, sondern deren Pflegeleistungen als gesetzlich geschuldeten Naturalunterhalt verlangen können (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 1988, 204, 205; OLG Hamm, NJW-RR 1987, 539, 540; Göppinger/Wax-Kodal, aaO, Rn. 181; Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 2 Rn. 35). Unter diesen Umständen sind die von der Mutter erbrachten Dienstleistungen bei der Klägerin als einem volljährigen, unverheirateten Kind konkret zu bewerten (vgl. MünchKommBGB/Köhler, 3. Aufl., § 1606 Rn. 7; Staudinger/Engler, BGB, Bearbeitung 2000, § 1606 Rn. 25; Staudinger/Röthel, BGB, Bearbeitung 2002, § 844 Rn. 167). Insoweit besteht nämlich wegen der Konkretisierung des Unterhaltsanspruchs durch die Bestimmung der Eltern ein gesetzlicher Anspruch auf Naturalunterhalt, solange die getroffene Bestimmung gilt. Demgemäß wäre auch die Klägerin als unverheiratete, volljährige mittelbar Geschädigte nach § 844 Abs. 2 BGB schadensrechtlich so zu stellen, wie sie bei Weitergewährung des Naturalunterhalts gestanden hätte.
18
d) Der Anspruch auf Gewährung von Naturalunterhalt durch die Mutter wäre unter den besonderen Umständen des Streitfalls auch nicht durch die Heirat der Klägerin erloschen. Zwar geht der Anspruch gegen den Ehegatten auf Unterhalt dem Elternunterhalt vor, § 1608 BGB, und spricht § 1612 Abs. 2 BGB nur von einem Bestimmungsrecht gegenüber volljährigen unverheirateten Kindern. Dem liegt zugrunde, dass der mit der Ehe des Kindes gebildete neue Lebenskreis Vorrang vor dem alten, dem Bestimmungsrecht der Eltern unterliegenden , haben muss (Gernhuber/Coester-Waltjen, aaO, § 46 III 1). Daher besteht ein Bestimmungsrecht der Eltern nach § 1612 Abs. 2 BGB gegenüber dem verheirateten Kind nach allgemeiner Meinung nicht (Göppinger/WaxKodal , aaO, Rn. 141; Köhler/Luthin, Handbuch des Unterhaltsrechts, 9. Aufl., Rn. 3091; MünchKommBGB/Born, 4. Aufl., § 1612 Rn. 8; OLG Köln, FamRZ 1983, 643 m.w.N.).
19
Jedoch ist der Ehegatte der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts über die von ihm geleistete Hausarbeit und Versorgung des gemeinsamen Kindes hinaus nicht leistungsfähig, so dass ein Unterhaltsanspruch der verheirateten Klägerin gegen ihre Eltern weiter besteht. Auf diesen Unterhaltsanspruch ist § 1612 Abs. 1 BGB anzuwenden (MünchKommBGB/Born, aaO, Rn. 8, 11). Nach dieser Vorschrift bedarf ein Übergang zum Naturalunterhalt als anstelle von Barunterhalt gesetzlich geschuldetem Unterhalt (MünchKommBGB /Born, aaO, § 1612 Rn. 2) besonderer Gründe zu seiner Rechtferti- gung und einer grundsätzlich dem Tatrichter überlassenen Abwägung der Interessen des Unterhaltspflichtigen gegenüber denen des Unterhaltsberechtigten. Diese Voraussetzungen liegen bei revisionsrechtlicher Betrachtungsweise vor.
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Nach dem vom Berufungsgericht als richtig unterstellten Klägervortrag wäre hier von einem Ausnahmefall nach § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB auszugehen. Nach der Rechtsprechung wird eine Unterhaltsbestimmung nach § 1612 Abs. 2 BGB durch den Eintritt der Volljährigkeit des Kindes nicht wirkungslos, wenn und soweit die tatsächlichen Lebensverhältnisse der Beteiligten davon unberührt bleiben (BGH, Urteil vom 1. Juni 1983 - IV b ZR 365/81 - NJW 1983, 2200, 2202). Das muss entsprechend für den vorliegenden Fall gelten, in dem der Unterhaltsanspruch der Klägerin gegen ihre Eltern trotz der Heirat nicht weggefallen ist und die Mutter angesichts der besonderen Lebensumstände den Unterhaltsanspruch weiterhin durch Naturalleistungen hätte erfüllen dürfen.
21
e) Damit hat die Klägerin nach § 844 Abs. 2 BGB - unter Anrechnung der Pflegegelder - Anspruch auf Geldersatz für die von ihrer Mutter konkret erbrachten Dienst-/Pflegeleistungen, soweit diese den tatsächlichen Bedarf der Klägerin abdecken und die Mutter leistungsfähig gewesen wäre. Anders als bei einer Schadensersatzrente auf der Grundlage des zuletzt erzielten Nettoeinkommens des Getöteten, bei der zu berücksichtigen ist, dass sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs mit dem voraussichtlichen Ausscheiden des Getöteten aus dem Erwerbsleben verändert und der Schadensersatzrente ab diesem Zeitpunkt nicht mehr das zuletzt erzielte Nettoeinkommen des Getöteten zugrunde gelegt werden kann (Senatsurteil vom 27. Januar 2004 - VI ZR 342/02 - VersR 2004, 653 m.w.N.), ist bei Ersatz für Naturalleistungen die Geldrente auf die Zeit zu begrenzen, in der der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens leistungsfähig gewesen wäre. Das ist gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu schätzen, wobei insbesondere die allgemeine Lebenserwartung der durch das Lebensalter gekennzeichneten Personengruppe , der der Betroffene angehört, und dessen besondere Lebens- und Gesundheitsverhältnisse zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 27. Januar 2004 - VI ZR 342/02 - aaO und vom 25. April 1972 - VI ZR 134/71 - VersR 1972, 834 f.).

III.

22
Da das Berufungsgericht die von der Klägerin vorgetragene Vereinbarung mit ihren Eltern nur unterstellt hat und bei ihrem Vorliegen die Höhe des Schadensersatzes neu festzusetzen ist, war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung zurückzuverweisen, §§ 562 Abs. 1, 563 Abs. 1 ZPO. Müller Wellner Diederichsen Stöhr Zoll
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 21.10.2004 - 73 O 871/02 -
OLG München, Entscheidung vom 11.05.2005 - 20 U 5275/04 -

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(1) Im Falle der Tötung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

(2) Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

(2) Ein minderjähriges Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.

(1) Der Ehegatte des Bedürftigen haftet vor dessen Verwandten. Soweit jedoch der Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, haften die Verwandten vor dem Ehegatten. § 1607 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend. Der Lebenspartner des Bedürftigen haftet in gleicher Weise wie ein Ehegatte.

(2) (weggefallen)

(1) Im Falle der Tötung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

(2) Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 346/02 Verkündet am:
4. November 2003
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Bemessung des Unterhaltsschadens sind dem fiktiven Nettoeinkommen
des Getöteten Eigenheimzulagen und Kinderzulagen zurechenbar.
BGH, Urteil vom 4. November 2003 - VI ZR 346/02 - OLG Schleswig
LG Kiel
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 29. August 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 und 3 wurde am 18. Oktober 1993 bei einem von dem Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall tödlich verletzt. Die volle Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten allein über den Ersatz entgangener Bauförderung. Im Jahre 1988 hatten die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann eine Eigentumswohnung gekauft und dafür je zur Hälfte die Steuerabschreibung nach
§ 10 e EStG in Anspruch genommen. Sie wollten diese Wohnung später gewinnbringend veräußern und mit dem Erlös unter gemeinsamer Inanspruchnahme der weiteren Abschreibungsmöglichkeit nach § 10 e EStG den Erwerb eines Hausgrundstücks für sich und die Kinder finanzieren. Mit Vertrag vom 14. Oktober 1993 kauften die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück für 460.000 DM. Da die Kläger nach dem Tod des Verunglückten die finanziellen Belastungen aus dem Kauf des Hausgrundstücks nicht tragen konnten, wurde der Kaufvertrag am 22. Oktober 1993 aufgehoben. Im Jahr 1997 erwarben die Kläger als Miteigentümer eine Doppelhaushälfte , die sie seit August 1997 bewohnen. Die Kläger haben in erster Instanz die Zahlung entgangener Eigenheimund Kinderzulage sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftig entgehender weiterer Bauförderung verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug haben die Kläger auf Hinweis des Gerichts ihre Klage umgestellt und zuletzt Zahlung erhöhter Unterhaltsrenten für die Zeit von Januar 1997 bis August 2001 sowie die Feststellung einer diesbezüglichen Zahlungspflicht der Beklagten für die Zeit bis Ende 2004 begehrt. Sie sind der Auffassung, die Eigenheimzulage und die Kinderzulage von insgesamt 8.000 DM jährlich seien Beträge, die dem fiktiven Nettoeinkommen des Verstorbenen unterhaltserhöhend zuzurechnen seien. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer zugelassenen Revision begehren die Beklagten Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt aus, Ausgangspunkt der Berechnung der Unterhaltsrenten sei der nach familienrechtlichen Vorschriften geschuldete Unterhalt. Eigenheimzulage und Kinderzulage seien Bestandteile des maßgeblichen unterhaltsrechtlich verfügbaren Einkommens. Bei diesen Leistungen handele es sich nicht etwa um Steuervergünstigungen, sondern um Zuschüsse, die der Finanzierung des Wohnbedarfs dienten, für den der Verstorbene zu sorgen gehabt habe. Der Klägerin zu 1 stehe infolge des Todes ihres Ehemannes ein Anspruch auf diese Zulagen nicht mehr zu. Wegen Objektverbrauchs sei eine zweite Förderung für sie nunmehr ausgeschlossen. Dadurch sei allen drei Klägern ein Schaden entstanden. Soweit die Kläger zu 2 und 3 aufgrund ihrer Miteigentumsanteile einen eigenen Anspruch auf Zulagen haben könnten, müßten sie diesen nicht zur Schadensminderung einsetzen. In dem zwischen den Parteien im Jahre 1999 geschlossenen Vergleich sei ein Schaden aus dem Verlust der Zulagen bewußt ausgeklammert worden. Den Klägern hätten zur Befriedigung ihres Wohnbedarfs ab 1997 acht Jahre lang jährlich 8.000 DM zur Verfügung gestanden. Um diesen Betrag erhöhe sich das für die Berechnung der Unterhaltsrenten maßgebende fiktive Nettoeinkommen des Verstorbenen.

II.

Das angegriffene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der gesamte Streitgegen- stand. Sollte das Berufungsgericht beabsichtigt haben, die Zulässigkeit der Revision auf eine Rechtsfrage zu beschränken, so wäre diese Beschränkung unbeachtlich ; die Zulassung erstreckt sich in einem solchen Fall auf den gesamten prozessualen Anspruch (Streitgegenstand), soweit er von dieser Rechtsfrage berührt wird (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 – VI ZR 131/02 – NJW 2003, 2012 und BGHZ 101, 276, 278, jeweils m.w.N.). 2. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, daß für die Höhe des geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von Unterhaltsrenten gem. § 844 Abs. 2 BGB der fiktive gesetzlich geschuldete Unterhalt maßgebend ist (vgl. Senatsurteile vom 23. September 1986 - VI ZR 46/85 - VersR 1987, 156, 157; vom 5. Juli 1988 - VI ZR 299/87 - VersR 1988, 1166, 1168 und vom 5. Dezember 1989 - VI ZR 276/88 - VersR 1990, 317 f., jeweils m.w.N.; BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 - III ZR 50/78 - VersR 1979, 1029). 3. Entgegen der Ansicht der Revision ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß zu dem unterhaltsrechtlich erheblichen (fiktiven) Einkommen auch die Eigenheim- und Kinderzulagen zählen, die dem Unterhaltspflichtigen im Erlebensfall nach § 9 Abs. 2 und Abs. 5 EigZulG gewährt worden wären.
a) Die Frage, ob Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz Einfluß auf die Höhe von Unterhaltsansprüchen haben können, ist in Rechtsprechung und Literatur bisher erst vereinzelt erörtert worden. So hat das Oberlandesgericht München entschieden, daß die Eigenheimzulage die auf der Wohnung liegenden , vom Mietwert unterhaltsrechtlich abzuziehenden Belastungen mindere, denn die Fördermittel seien gemäß ihrem Zweck schuldmindernd anzusetzen (OLG München, FamRZ 1999, 251, 252 m.w.N.). In dieselbe Richtung weisen
die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland (Stichwort: Unterhaltsrechtliches Einkommen, Ziff. 5, in: FamRZ 2003, 910). In der Literatur wird die Eigenheimzulage unterhaltsrechtlich als Einkommen angesehen (s. Wendl/Staudigl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1, Rdn. 233).
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Bemessung der Höhe von Unterhaltsansprüchen grundsätzlich alle Einkünfte heranzuziehen, die dem Unterhaltsschuldner zufließen, gleich welcher Art diese Einkünfte sind und aus welchem Anlaß sie im einzelnen erzielt werden (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 647/80 - FamRZ 1982, 252, 253; vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 351/81 - FamRZ 1983, 352, 353; vom 7. Mai 1986 - IVb ZR 55/85 - FamRZ 1986, 780, 781; vom 6. Oktober 1993 - XII ZR 112/92 - FamRZ 1994, 21, 22 und vom 22. Februar 1995 - XII ZR 80/94 - FamRZ 1995, 537, 538, jeweils m.w.N.). Bei öffentlichrechtlichen Leistungen ist deren sozialpolitische Zweckbestimmung für die unterhaltsrechtliche Beurteilung nicht ohne weiteres maßgebend. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Einkünfte tatsächlich zur (teilweisen) Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehen (vgl. BGH, Urteile vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 351/81 - aaO; vom 7. Mai 1986 - IVb ZR 55/85 – aaO und vom 6. Oktober 1993 - XII ZR 112/92 – aaO, jeweils m.w.N.).
c) Nach diesen Grundsätzen sind an den Unterhaltspflichtigen ausgezahlte Eigenheim- und Kinderzulagen nach § 9 Abs. 2 und Abs. 5 EigZulG unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. Dafür spricht schon, daß diese Leistungen keine einmaligen Zahlungen darstellen, sondern regelmäßig über einen längeren Zeitraum erfolgen. Nach § 3 EigZulG können Eigenheim- und Kinderzulagen bis zu acht Jahre in Anspruch genommen werden. Durchgreifende
Gründe, sie unterhaltsrechtlich unberücksichtigt zu lassen, obwohl sie die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen tatsächlich erhöhen, sind nicht ersichtlich. aa) Dem von der Revision hervorgehobenen Ausnahmecharakter des § 844 Abs. 2 BGB (vgl. BGHZ 18, 286, 289) kommt hierbei keine Bedeutung zu. Der Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflicht bestimmt sich nicht nach § 844 Abs. 2 BGB, sondern nach den unterhaltsrechtlichen Vorschriften. Den nach diesen Normen geschuldeten Unterhalt setzt § 844 Abs. 2 BGB voraus. bb) Die Revision kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, steuerrechtliche Fragen seien für die Bemessung der Unterhaltsrente nach § 844 Abs. 2 BGB schlechthin unerheblich. Zwar hat der erkennende Senat entschieden , daß der Verlust des Splitting-Tarifs (Halbierung des Gesamteinkommens der Eheleute und Verdoppelung des danach ermittelten Steuerbetrages) und der für Eheleute günstigeren Pauschal- und Höchstbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben bei Ersatzansprüchen aus § 844 Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt werden könne, weil es sich dabei um einen allgemeinen Vermögensschaden des überlebenden Ehegatten handele (Senatsurteil vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 - VersR 1979, 670, 672). Demgegenüber können steuerrechtlich relevante Tatsachen für den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB aber dann von Bedeutung sein, wenn sie das unterhaltsrechtlich relevante (fiktive) Einkommen des Getöteten beeinflussen (vgl. Senatsurteile BGHZ 137, 237, 243 ff. m.w.N. und vom 20. März 1990 - VI ZR 129/89 - VersR 1990, 748, 749). Dies ist bei Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz der Fall, unbeschadet der hier nicht zu entscheidenden Frage, ob diese Leistungen überhaupt dem Steuerrecht zuzurechnen sind (vgl. Wacker, EigZulG, 3. Aufl., Einleitung Rdn. 70 ff.).
Der Anrechnung der Zulagen steht nicht entgegen, daß bei der Ermittlung des verteilungsfähigen Einkommens des Unterhaltspflichtigen zur Bemessung des Unterhaltsschadens die Aufwendungen zur Tilgung der für ein Eigenheim aufgenommenen Schulden außer Betracht zu bleiben haben. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil Tilgungsleistungen der Vermögensbildung dienen. Sie erhöhen nicht die zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehenden Einkünfte des Unterhaltspflichtigen. Dagegen sind Zinsbelastungen, die wirtschaftlich - jedenfalls auch - der Finanzierung des Wohnbedarfs dienen, insofern der Miete vergleichbar und deshalb in Höhe des Mietzinses für eine angemessene Mietwohnung als fixe Kosten zu behandeln und unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 5. Dezember 1989 - VI ZR 276/88 – aaO, S. 318). cc) Der aus der Entstehungsgeschichte ersichtliche Gesetzeszweck spricht ebenfalls nicht dagegen, diese Zulagen unterhaltserhöhend zu berücksichtigen. Zwar ist der Revision zuzugeben, daß der Gesetzgeber mit dem Eigenheimzulagengesetz gerade Familien mit kleinem oder mittlerem Einkommen den Erwerb von selbst zu nutzendem Wohneigentum und damit eine auch der Altersvorsorge dienende Art der Vermögensbildung durch einen progressionsunabhängigen Zuschuß erleichtern wollte (vgl. schon zu § 10 e EStG a.F. BTDrs. 10/3363, S. 10; zum Eigenheimzulagengesetz BT-Drucks. 13/2235, S. 14; BR-Drucks. 498/95, S. 3, 7 ff. und 13; Wacker, aaO, Einleitung Rdn. 45 ff.). Die Zulagen dienen jedoch schon deshalb nicht allein der Vermögensbildung, weil ihr Empfänger über sie frei verfügen kann und hinsichtlich ihrer Verwendung keinerlei Bindung unterliegt. dd) Anhaltspunkte dafür, daß Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz nach dem Willen des Gesetzgebers unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen wären, finden sich auch nicht in anderen gesetzlichen Regelungen.
So läßt der Umstand, daß der Gesetzgeber die Eigenheimzulage nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen hat, deren unterhaltsrechtliche Einordnung als Einkommen unberührt. Steuerrechtliches und unterhaltsrechtliches Einkommen müssen sich nicht decken (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1986 - IVb ZR 79/85 - FamRZ 1987, 46, 48 m.w.N.). Unerheblich ist auch, daß die Eigenheimzulage im Anwendungsbereich des § 194 Abs. 3 Nr. 4 SGB III nicht als Einkommen gilt, soweit sie nachweislich dem Förderzweck entsprechend verwendet wird. Damit hat der Gesetzgeber die Eigenheimzulage nicht schlechthin, sondern nur sozialrechtlich unter einer bestimmten Voraussetzung der Einstufung als Einkommen entzogen. Der sozialrechtliche und der unterhaltsrechtliche Einkommensbegriff sind aber nicht deckungsgleich (vgl. im Hinblick auf § 194 Abs. 3 Nr. 1 SGB III: BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 - XII ZR 80/94 – aaO). Demgegenüber spricht für eine unterhaltsrechtliche Berücksichtigung der Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz, daß nach § 9 BErzGG durch die Zahlung von Erziehungsgeld und anderen vergleichbaren Leistungen Unterhaltsverpflichtungen grundsätzlich – von dort genannten Ausnahmen abgesehen – nicht berührt werden. Das Eigenheimzulagengesetz enthält keine dementsprechende Bestimmung. Da die Regelung im Bundeserziehungsgeldgesetz älter ist, hätte eine der darin getroffenen Bestimmung entsprechende Regelung im Eigenheimzulagengesetz nahegelegen, wenn der Gesetzgeber einen unterhaltsrechtlichen Gleichlauf beider Leistungen gewollt hätte. ee) Einer unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von Eigenheim- und Kinderzulage steht auch nicht entgegen, daß sozialstaatliche Leistungen nach der Rechtsprechung unterhaltsrechtlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. So rechtfertigt sich eine im Vergleich zum Kindergeld unterschiedliche Behandlung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 - III ZR 50/78 - aaO und nunmehr § 1612 b BGB) daraus, daß laufende finanzielle Belastungen nicht Vorausset-
zung für den Anspruch auf Eigenheim- und Kinderzulage sind, sie vielmehr ohne Rücksicht darauf gewährt werden, ob im Einzelfall tatsächlich eine Zinsund Tilgungslast besteht. Die Arbeitnehmersparzulage hat der Bundesgerichtshof unterhaltsrechtlich mit Rücksicht darauf nicht als Einkommen berücksichtigt, daß schon die vermögenswirksamen Leistungen, von deren Erhalt und Höhe die Sparzulage abhängt, als Teil des Lohnes oder Gehaltes des Arbeitnehmers unterhaltserhöhend wirken, ungeachtet der Tatsache, daß der Arbeitnehmer über sie nicht verfügen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1980 – IVb ZR 530/80 – FamRZ 1980, 984 f. m.w.N.). ff) Die unterhaltsrechtliche Anrechnung der Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz belastet den Unterhaltspflichtigen auch nicht unangemessen. So findet, wenn er für das selbst genutzte Wohneigentum, in Ansehung dessen die Zulage gewährt wird, Schuldzinsen zu zahlen hat, ein Ausgleich dadurch statt, daß er diese unterhaltsrechtlich bis zur Höhe der Miete für einen angemessenen Wohnraum geltend machen kann (vgl. Senatsurteile vom 3. Juli 1984 - VI ZR 42/83 - VersR 1984, 961, 962; vom 5. Dezember 1989 - VI ZR 276/88 - aaO und BGHZ 137, 237, 240, jeweils m.w.N.). 4. Zu Recht wendet sich die Revision indes gegen die Schadensschätzung des Berufungsgerichts.
a) Der Tod des Unterhaltspflichtigen macht es erforderlich, dessen (fiktive ) künftige Unterhaltspflichten in Geld zu bewerten. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt haben würden. Er muß eine vorausschauende Betrachtung vornehmen, in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit
des Unterhaltspflichtigen, wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Für diese Prognose gilt der Maßstab des § 287 ZPO. Das bedeutet, daß die Einschätzung des Richters nicht "in der Luft schweben" darf, vielmehr benötigt er für die Beurteilung der zukünftigen Entwicklung greifbare Tatsachen als Ausgangspunkt. Andererseits muß sich der Richter bewußt sein, daß ihm § 287 ZPO eine besonders freie Stellung einräumt, die Schätzungen im Sinne eines Wahrscheinlichkeitsurteils erlaubt und nach Lage des Falles sogar gebieten kann, weil die Vorschrift dem Geschädigten zu einem gerechten Ausgleich verhelfen soll. Dabei hat der Tatrichter unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, die ihm § 287 ZPO bietet, bei der Festsetzung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bemessungszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu berücksichtigen. Unsicherheiten über die Bemessungsfaktoren sind im Rahmen des nach § 287 ZPO Zulässigen im Schätzergebnis zu verarbeiten (vgl. Senatsurteile vom 24. April 1990 - VI ZR 183/89 - VersR 1990, 907; vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89 - VersR 1991, 437, 438 und BGH, Urteil vom 3. Dezember 1999 - IX ZR 332/98 - VersR 2001, 246, jeweils m.w.N.). Einer Überprüfung dieser Schätzung durch das Revisionsgericht sind enge Grenzen gezogen; es hat nur zu prüfen, ob die Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen worden sind (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 - VersR 1979, 670, 671 f., BGHZ 102, 322, 330 und vom 2. Dezember 1997 - VI ZR 142/96 - VersR 1998, 333, 335 m.w.N. – in BGHZ 137, 237 insoweit nicht abgedruckt).
b) Im Streitfall beruht die Schadensschätzung auf falschen rechtlichen Erwägungen. Die getroffenen Feststellungen vermögen die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu tragen.
aa) Ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet legt das Be- rufungsgericht der Berechnung der den Klägern zustehenden Unterhaltsrenten allerdings die Beträge zugrunde, auf die sich Parteien in dem im Jahre 1999 geschlossenen Teilvergleich geeinigt haben. bb) Hingegen rechtfertigen es die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, die Eigenheim- und Kinderzulage dem für die Jahre 1997 bis 2004 anzunehmenden fiktiven Einkommen des Verunglückten hinzuzurechnen. (1) Darauf, ob die Klägerin zu 1 selbst die Möglichkeit verloren hat, für ein zweites Objekt Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz in Anspruch zu nehmen, kommt es für die Berechnung der Unterhaltsrenten nicht an. Ein solcher Rechtsverlust wäre ein nach Lage der Dinge nicht ersatzfähiger reiner Vermögensschaden der Klägerin zu 1, der darüber hinaus nur bei ihr eingetreten wäre, nicht aber bei den Klägern zu 2 und 3. (2) Eine Erhöhung der Unterhaltsansprüche der Kläger käme vielmehr nur dann in Betracht, wenn dem Unterhaltsverpflichteten, also dem Ehemann der Klägerin zu 1, im Falle seines Fortlebens in dem bezeichneten Zeitraum Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz zugeflossen wären. Das wäre nur dann möglich gewesen, wenn zu dieser Zeit noch kein Objektverbrauch im Sinne von § 6 Abs. 3 EigZulG vorgelegen hätte. Ein solcher wäre aber eingetreten , wenn die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann ohne dessen tödlichen Unfall bereits aus Anlaß des im Oktober 1993 erfolgten Immobilienerwerbs zum zweiten Mal von der Möglichkeit der staatlichen Förderung gem. § 10 e EStG a.F. Gebrauch gemacht hätten. Dafür könnte sprechen, daß die Eheleute nach den im Berufungsurteil in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts geplant hatten, die von ihnen seinerzeit bewohnte Eigentumswohnung gewinn-
bringend zu veräußern, um mit dem erzielten Betrag ein Hausgrundstück zu erwerben und unter Inanspruchnahme der zweiten Abschreibungsmöglichkeit gem. § 10 e EStG a.F. zu finanzieren. Bei einer solchen Fallgestaltung wäre den Klägern ein Unterhaltsschaden aber nicht aus Anlaß des späteren, im Jahre 1997 getätigten Grundstückserwerbs entstanden. Mit dieser aufgrund des unstreitigen Parteivortrags durchaus naheliegenden Möglichkeit hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht befaßt. Von seinem Ansatz aus folgerichtig hat es auch nicht erwogen, ob und inwieweit den Klägern für den von ihnen angeführten Zeitraum Ansprüche auf erhöhte Unterhaltsrenten unter dem Gesichtspunkt zustehen könnten, daß der Verunglückte im Falle seines Fortlebens möglicherweise den im Jahre 1993 getätigten Immobilienerwerb dazu genutzt hätte, die zweite Abschreibungsmöglichkeit gem. § 10 e EStG a.F. in Anspruch zu nehmen. Das Berufungsgericht hat bei der Berechnung der Höhe der Unterhaltsansprüche gemäß § 844 Abs. 2 BGB auch nicht bedacht, daß der Ehemann die volle Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz für ein weiteres Objekt nur dann in Anspruch hätte nehmen können, wenn er dieses zu Alleineigentum erworben hätte. Hätten die Eheleute im Falle des Fortlebens des Verunglückten das im Jahre 1997 gekaufte Haus nämlich als Miteigentümer erworben, wären die Leistungen nach § 9 EigZulG einem jeden von ihnen (nur) gemäß seinem jeweiligen Miteigentumsanteil zugeflossen (BFHE 191, 377, 378 ff.; 192, 415, 416 und 202, 327). Insoweit wäre deshalb gegebenenfalls zu bedenken, daß die Eheleute sowohl die Eigentumswohnung im Jahre 1988 als auch das Hausgrundstück im Jahr 1993 jeweils gemeinsam gekauft haben.

III.

Da somit eine weitere Sachaufklärung geboten ist, sieht sich der Senat gehindert, nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst in der Sache zu entscheiden. Die Sache war daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 342/02 Verkündet am:
27. Januar 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Für die Höhe der Geldrente aus § 844 Abs. 2 BGB ist das fiktive Nettoeinkommen
des Getöteten nur bis zu seinem voraussichtlichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
maßgeblich; derzeit ist dies bei einem nicht selbständig Tätigen
grundsätzlich die Vollendung des 65. Lebensjahres.

b) Die für die zeitliche Begrenzung der Geldrente maßgebliche mutmaßliche Lebensdauer
des Getöteten ist im Urteil kalendermäßig anzugeben.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2004 - VI ZR 342/02 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. August 2002 im Umfang der Zulassung und im Kostenpunkt aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Beklagten tragen die Gerichtskosten ihrer Nichtzulassungsbeschwerde aus einem Wert von 27.115, 66 Kostenentscheidung dem Berufungsgericht vorbehalten.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Ehemann der Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall getötet, für den die Beklagten voll haften. Die Beklagte zu 2 zahlt der Klägerin zusätzlich zu deren Witwenrente einen monatlichen Schadensersatzbetrag von 853,58 DM.
Mit der Klage macht die Klägerin die Zahlung eines weiteren monatlichen Betrages von 2.354,70 DM bzw. die bei Ansatz dieses Betrages sich für die Vergangenheit ergebenden Rückstände geltend. Das Berufungsgericht hat die weiter geltend gemachten Ansprüche zum Teil zugesprochen und die Beklagten u.a. als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin über den bereits anerkannten Betrag von 853, 60 DM hinaus beginnend ab dem 1. September 2001 monatlich weitere 407, 95 übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Klägerin hat ihre Nichtzulassungsbeschwerde vor Einreichung einer Begründung zurückgenommen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat die Revision insoweit zugelassen, als die Beklagten verurteilt worden sind, über den 8. Dezember # %$ 2008 hinaus an die Klägerin monatlich weitere 407, 95 ! " evision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag im Umfang der Zulassung weiter.

Entscheidungsgründe


Soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung einer weiteren monatlichen Rente über den Zeitpunkt hinaus wendet, zu welchem der Getötete das 65. Lebensjahr vollendet hätte, ist ihre Revision begründet. 1. Nach §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 2 BGB hat der Schädiger dem Geschädigten bei Vorliegen der vom Berufungsgericht festgestellten weiteren Voraussetzungen insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet
gewesen wäre. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt hätten. Er muß daher gemäß § 287 ZPO eine vorausschauende Betrachtung vornehmen , in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen , wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Dabei hat der Tatrichter bei der Festsetzung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bezugszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 24. April 1990 - VI ZR 183/89 - VersR 1990, 907 und vom 4. November 2003 – VI ZR 346/02 – VersR 2004, 75, 77 m.w.N.). Im Hinblick darauf beanstandet die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht die Schadensersatzrente ohne zeitliche Befristung auf der Grundlage des zuletzt erzielten Nettoeinkommens des Getöteten zugesprochen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist in Anwendung der oben genannten Grundsätze eine Verdienstausfallrente auf die voraussichtliche Dauer der Erwerbstätigkeit des Verletzten, wie sie sich ohne den Unfall gestaltet hätte, zu begrenzen. Dabei ist derzeit grundsätzlich bei einem nicht selbständig Tätigen auf den gesetzlich mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand abzustellen (vgl. Senatsurteile vom 27. Juni 1995 - VI ZR 165/94 - VersR 1995, 1321; vom 26. September 1995 - VI ZR 245/94 - VersR 1995, 1447, 1448; vom 28. November 2000 - VI ZR 386/99 - VersR 2001, 730, 731 und vom 5. November 2002 - VI ZR 256/01 - GesR 2003, 84 f.). In gleicher Weise ist bei dem Anspruch auf Entrichtung einer Geldrente wegen der Tötung eines Dritten zu berücksichtigen, daß sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs mit dem voraussichtlichen Ausscheiden des Getöteten aus dem Erwerbsleben verändert und der Schadensersatzrente ab diesem Zeitpunkt nicht
mehr das zuletzt erzielte Nettoeinkommen des Getöteten zugrundegelegt werden kann. Da der getötete Ehemann der Klägerin am 8. Dezember 1943 geboren ist, hätte das Berufungsgericht demnach mit Ablauf des Monats Dezember 2008 für die Höhe der Geldrente nicht mehr auf dessen fiktives Nettoeinkommen abstellen dürfen. 2. Die Revision macht überdies mit Erfolg geltend, daß das Berufungsgericht die Geldrente nicht auf die Zeit begrenzt hat, in der der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens unterhaltspflichtig gewesen wäre. Diese mutmaßliche Lebenserwartung ist gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu schätzen, wobei insbesondere die allgemeine Lebenserwartung der durch das Lebensalter gekennzeichneten Personengruppe, der der Betroffene angehört, und dessen besondere Lebens- und Gesundheitsverhältnisse zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1972 - VI ZR 134/71 - NJW 1972, 1515, 1516 f.). Beim Fehlen individueller Anhaltspunkte kann auf die vom statistischen Bundesamt herausgegebene zeitnächste "Sterbetafel" oder anderes möglichst zeitnah zum Todeszeitpunkt erhobenes statistisches Material abgestellt werden (vgl. OLG Hamm MDR 1998, 1414 f.). Der geschätzte Zeitpunkt der mutmaßlichen Lebenserwartung und die dementsprechende zeitliche Begrenzung der Leistungsverpflichtung der Beklagten ist im Urteil kalendermäßig anzugeben (vgl. RGZ 128, 218; Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR 155/84 - VersR 1986, 463, 465).
3. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen zur Veränderung der Unterhaltspflicht beim voraussichtlichen Ausscheiden des Getöteten aus dem Erwerbsleben und zu dessen mutmaßlicher Lebenserwartung zu treffen.
Müller Wellner Diederichsen Pauge Stöhr

(1) Im Falle der Tötung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

(2) Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 346/02 Verkündet am:
4. November 2003
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Bei der Bemessung des Unterhaltsschadens sind dem fiktiven Nettoeinkommen
des Getöteten Eigenheimzulagen und Kinderzulagen zurechenbar.
BGH, Urteil vom 4. November 2003 - VI ZR 346/02 - OLG Schleswig
LG Kiel
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. November 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Dr. Greiner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Zoll

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 29. August 2002 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 2 und 3 wurde am 18. Oktober 1993 bei einem von dem Erstbeklagten verschuldeten Verkehrsunfall tödlich verletzt. Die volle Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach unstreitig. Die Parteien streiten allein über den Ersatz entgangener Bauförderung. Im Jahre 1988 hatten die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann eine Eigentumswohnung gekauft und dafür je zur Hälfte die Steuerabschreibung nach
§ 10 e EStG in Anspruch genommen. Sie wollten diese Wohnung später gewinnbringend veräußern und mit dem Erlös unter gemeinsamer Inanspruchnahme der weiteren Abschreibungsmöglichkeit nach § 10 e EStG den Erwerb eines Hausgrundstücks für sich und die Kinder finanzieren. Mit Vertrag vom 14. Oktober 1993 kauften die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück für 460.000 DM. Da die Kläger nach dem Tod des Verunglückten die finanziellen Belastungen aus dem Kauf des Hausgrundstücks nicht tragen konnten, wurde der Kaufvertrag am 22. Oktober 1993 aufgehoben. Im Jahr 1997 erwarben die Kläger als Miteigentümer eine Doppelhaushälfte , die sie seit August 1997 bewohnen. Die Kläger haben in erster Instanz die Zahlung entgangener Eigenheimund Kinderzulage sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz künftig entgehender weiterer Bauförderung verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsrechtszug haben die Kläger auf Hinweis des Gerichts ihre Klage umgestellt und zuletzt Zahlung erhöhter Unterhaltsrenten für die Zeit von Januar 1997 bis August 2001 sowie die Feststellung einer diesbezüglichen Zahlungspflicht der Beklagten für die Zeit bis Ende 2004 begehrt. Sie sind der Auffassung, die Eigenheimzulage und die Kinderzulage von insgesamt 8.000 DM jährlich seien Beträge, die dem fiktiven Nettoeinkommen des Verstorbenen unterhaltserhöhend zuzurechnen seien. Das Oberlandesgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer zugelassenen Revision begehren die Beklagten Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

I.

Das Berufungsgericht führt aus, Ausgangspunkt der Berechnung der Unterhaltsrenten sei der nach familienrechtlichen Vorschriften geschuldete Unterhalt. Eigenheimzulage und Kinderzulage seien Bestandteile des maßgeblichen unterhaltsrechtlich verfügbaren Einkommens. Bei diesen Leistungen handele es sich nicht etwa um Steuervergünstigungen, sondern um Zuschüsse, die der Finanzierung des Wohnbedarfs dienten, für den der Verstorbene zu sorgen gehabt habe. Der Klägerin zu 1 stehe infolge des Todes ihres Ehemannes ein Anspruch auf diese Zulagen nicht mehr zu. Wegen Objektverbrauchs sei eine zweite Förderung für sie nunmehr ausgeschlossen. Dadurch sei allen drei Klägern ein Schaden entstanden. Soweit die Kläger zu 2 und 3 aufgrund ihrer Miteigentumsanteile einen eigenen Anspruch auf Zulagen haben könnten, müßten sie diesen nicht zur Schadensminderung einsetzen. In dem zwischen den Parteien im Jahre 1999 geschlossenen Vergleich sei ein Schaden aus dem Verlust der Zulagen bewußt ausgeklammert worden. Den Klägern hätten zur Befriedigung ihres Wohnbedarfs ab 1997 acht Jahre lang jährlich 8.000 DM zur Verfügung gestanden. Um diesen Betrag erhöhe sich das für die Berechnung der Unterhaltsrenten maßgebende fiktive Nettoeinkommen des Verstorbenen.

II.

Das angegriffene Urteil hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der gesamte Streitgegen- stand. Sollte das Berufungsgericht beabsichtigt haben, die Zulässigkeit der Revision auf eine Rechtsfrage zu beschränken, so wäre diese Beschränkung unbeachtlich ; die Zulassung erstreckt sich in einem solchen Fall auf den gesamten prozessualen Anspruch (Streitgegenstand), soweit er von dieser Rechtsfrage berührt wird (vgl. Senatsurteil vom 25. März 2003 – VI ZR 131/02 – NJW 2003, 2012 und BGHZ 101, 276, 278, jeweils m.w.N.). 2. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht davon aus, daß für die Höhe des geltend gemachten Anspruchs auf Zahlung von Unterhaltsrenten gem. § 844 Abs. 2 BGB der fiktive gesetzlich geschuldete Unterhalt maßgebend ist (vgl. Senatsurteile vom 23. September 1986 - VI ZR 46/85 - VersR 1987, 156, 157; vom 5. Juli 1988 - VI ZR 299/87 - VersR 1988, 1166, 1168 und vom 5. Dezember 1989 - VI ZR 276/88 - VersR 1990, 317 f., jeweils m.w.N.; BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 - III ZR 50/78 - VersR 1979, 1029). 3. Entgegen der Ansicht der Revision ist dem Berufungsgericht auch darin zu folgen, daß zu dem unterhaltsrechtlich erheblichen (fiktiven) Einkommen auch die Eigenheim- und Kinderzulagen zählen, die dem Unterhaltspflichtigen im Erlebensfall nach § 9 Abs. 2 und Abs. 5 EigZulG gewährt worden wären.
a) Die Frage, ob Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz Einfluß auf die Höhe von Unterhaltsansprüchen haben können, ist in Rechtsprechung und Literatur bisher erst vereinzelt erörtert worden. So hat das Oberlandesgericht München entschieden, daß die Eigenheimzulage die auf der Wohnung liegenden , vom Mietwert unterhaltsrechtlich abzuziehenden Belastungen mindere, denn die Fördermittel seien gemäß ihrem Zweck schuldmindernd anzusetzen (OLG München, FamRZ 1999, 251, 252 m.w.N.). In dieselbe Richtung weisen
die Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland (Stichwort: Unterhaltsrechtliches Einkommen, Ziff. 5, in: FamRZ 2003, 910). In der Literatur wird die Eigenheimzulage unterhaltsrechtlich als Einkommen angesehen (s. Wendl/Staudigl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 5. Aufl., § 1, Rdn. 233).
b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind für die Bemessung der Höhe von Unterhaltsansprüchen grundsätzlich alle Einkünfte heranzuziehen, die dem Unterhaltsschuldner zufließen, gleich welcher Art diese Einkünfte sind und aus welchem Anlaß sie im einzelnen erzielt werden (vgl. BGH, Urteile vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 647/80 - FamRZ 1982, 252, 253; vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 351/81 - FamRZ 1983, 352, 353; vom 7. Mai 1986 - IVb ZR 55/85 - FamRZ 1986, 780, 781; vom 6. Oktober 1993 - XII ZR 112/92 - FamRZ 1994, 21, 22 und vom 22. Februar 1995 - XII ZR 80/94 - FamRZ 1995, 537, 538, jeweils m.w.N.). Bei öffentlichrechtlichen Leistungen ist deren sozialpolitische Zweckbestimmung für die unterhaltsrechtliche Beurteilung nicht ohne weiteres maßgebend. Ausschlaggebend ist vielmehr, ob die Einkünfte tatsächlich zur (teilweisen) Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehen (vgl. BGH, Urteile vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 351/81 - aaO; vom 7. Mai 1986 - IVb ZR 55/85 – aaO und vom 6. Oktober 1993 - XII ZR 112/92 – aaO, jeweils m.w.N.).
c) Nach diesen Grundsätzen sind an den Unterhaltspflichtigen ausgezahlte Eigenheim- und Kinderzulagen nach § 9 Abs. 2 und Abs. 5 EigZulG unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen. Dafür spricht schon, daß diese Leistungen keine einmaligen Zahlungen darstellen, sondern regelmäßig über einen längeren Zeitraum erfolgen. Nach § 3 EigZulG können Eigenheim- und Kinderzulagen bis zu acht Jahre in Anspruch genommen werden. Durchgreifende
Gründe, sie unterhaltsrechtlich unberücksichtigt zu lassen, obwohl sie die Einkünfte des Unterhaltspflichtigen tatsächlich erhöhen, sind nicht ersichtlich. aa) Dem von der Revision hervorgehobenen Ausnahmecharakter des § 844 Abs. 2 BGB (vgl. BGHZ 18, 286, 289) kommt hierbei keine Bedeutung zu. Der Umfang der gesetzlichen Unterhaltspflicht bestimmt sich nicht nach § 844 Abs. 2 BGB, sondern nach den unterhaltsrechtlichen Vorschriften. Den nach diesen Normen geschuldeten Unterhalt setzt § 844 Abs. 2 BGB voraus. bb) Die Revision kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, steuerrechtliche Fragen seien für die Bemessung der Unterhaltsrente nach § 844 Abs. 2 BGB schlechthin unerheblich. Zwar hat der erkennende Senat entschieden , daß der Verlust des Splitting-Tarifs (Halbierung des Gesamteinkommens der Eheleute und Verdoppelung des danach ermittelten Steuerbetrages) und der für Eheleute günstigeren Pauschal- und Höchstbeträge für Werbungskosten und Sonderausgaben bei Ersatzansprüchen aus § 844 Abs. 2 BGB nicht berücksichtigt werden könne, weil es sich dabei um einen allgemeinen Vermögensschaden des überlebenden Ehegatten handele (Senatsurteil vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 - VersR 1979, 670, 672). Demgegenüber können steuerrechtlich relevante Tatsachen für den Anspruch aus § 844 Abs. 2 BGB aber dann von Bedeutung sein, wenn sie das unterhaltsrechtlich relevante (fiktive) Einkommen des Getöteten beeinflussen (vgl. Senatsurteile BGHZ 137, 237, 243 ff. m.w.N. und vom 20. März 1990 - VI ZR 129/89 - VersR 1990, 748, 749). Dies ist bei Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz der Fall, unbeschadet der hier nicht zu entscheidenden Frage, ob diese Leistungen überhaupt dem Steuerrecht zuzurechnen sind (vgl. Wacker, EigZulG, 3. Aufl., Einleitung Rdn. 70 ff.).
Der Anrechnung der Zulagen steht nicht entgegen, daß bei der Ermittlung des verteilungsfähigen Einkommens des Unterhaltspflichtigen zur Bemessung des Unterhaltsschadens die Aufwendungen zur Tilgung der für ein Eigenheim aufgenommenen Schulden außer Betracht zu bleiben haben. Dies ist deshalb gerechtfertigt, weil Tilgungsleistungen der Vermögensbildung dienen. Sie erhöhen nicht die zur Deckung des Lebensbedarfs zur Verfügung stehenden Einkünfte des Unterhaltspflichtigen. Dagegen sind Zinsbelastungen, die wirtschaftlich - jedenfalls auch - der Finanzierung des Wohnbedarfs dienen, insofern der Miete vergleichbar und deshalb in Höhe des Mietzinses für eine angemessene Mietwohnung als fixe Kosten zu behandeln und unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 5. Dezember 1989 - VI ZR 276/88 – aaO, S. 318). cc) Der aus der Entstehungsgeschichte ersichtliche Gesetzeszweck spricht ebenfalls nicht dagegen, diese Zulagen unterhaltserhöhend zu berücksichtigen. Zwar ist der Revision zuzugeben, daß der Gesetzgeber mit dem Eigenheimzulagengesetz gerade Familien mit kleinem oder mittlerem Einkommen den Erwerb von selbst zu nutzendem Wohneigentum und damit eine auch der Altersvorsorge dienende Art der Vermögensbildung durch einen progressionsunabhängigen Zuschuß erleichtern wollte (vgl. schon zu § 10 e EStG a.F. BTDrs. 10/3363, S. 10; zum Eigenheimzulagengesetz BT-Drucks. 13/2235, S. 14; BR-Drucks. 498/95, S. 3, 7 ff. und 13; Wacker, aaO, Einleitung Rdn. 45 ff.). Die Zulagen dienen jedoch schon deshalb nicht allein der Vermögensbildung, weil ihr Empfänger über sie frei verfügen kann und hinsichtlich ihrer Verwendung keinerlei Bindung unterliegt. dd) Anhaltspunkte dafür, daß Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz nach dem Willen des Gesetzgebers unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen wären, finden sich auch nicht in anderen gesetzlichen Regelungen.
So läßt der Umstand, daß der Gesetzgeber die Eigenheimzulage nicht der Einkommensbesteuerung unterworfen hat, deren unterhaltsrechtliche Einordnung als Einkommen unberührt. Steuerrechtliches und unterhaltsrechtliches Einkommen müssen sich nicht decken (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1986 - IVb ZR 79/85 - FamRZ 1987, 46, 48 m.w.N.). Unerheblich ist auch, daß die Eigenheimzulage im Anwendungsbereich des § 194 Abs. 3 Nr. 4 SGB III nicht als Einkommen gilt, soweit sie nachweislich dem Förderzweck entsprechend verwendet wird. Damit hat der Gesetzgeber die Eigenheimzulage nicht schlechthin, sondern nur sozialrechtlich unter einer bestimmten Voraussetzung der Einstufung als Einkommen entzogen. Der sozialrechtliche und der unterhaltsrechtliche Einkommensbegriff sind aber nicht deckungsgleich (vgl. im Hinblick auf § 194 Abs. 3 Nr. 1 SGB III: BGH, Urteil vom 22. Februar 1995 - XII ZR 80/94 – aaO). Demgegenüber spricht für eine unterhaltsrechtliche Berücksichtigung der Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz, daß nach § 9 BErzGG durch die Zahlung von Erziehungsgeld und anderen vergleichbaren Leistungen Unterhaltsverpflichtungen grundsätzlich – von dort genannten Ausnahmen abgesehen – nicht berührt werden. Das Eigenheimzulagengesetz enthält keine dementsprechende Bestimmung. Da die Regelung im Bundeserziehungsgeldgesetz älter ist, hätte eine der darin getroffenen Bestimmung entsprechende Regelung im Eigenheimzulagengesetz nahegelegen, wenn der Gesetzgeber einen unterhaltsrechtlichen Gleichlauf beider Leistungen gewollt hätte. ee) Einer unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von Eigenheim- und Kinderzulage steht auch nicht entgegen, daß sozialstaatliche Leistungen nach der Rechtsprechung unterhaltsrechtlich grundsätzlich nicht zu berücksichtigen sind. So rechtfertigt sich eine im Vergleich zum Kindergeld unterschiedliche Behandlung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1979 - III ZR 50/78 - aaO und nunmehr § 1612 b BGB) daraus, daß laufende finanzielle Belastungen nicht Vorausset-
zung für den Anspruch auf Eigenheim- und Kinderzulage sind, sie vielmehr ohne Rücksicht darauf gewährt werden, ob im Einzelfall tatsächlich eine Zinsund Tilgungslast besteht. Die Arbeitnehmersparzulage hat der Bundesgerichtshof unterhaltsrechtlich mit Rücksicht darauf nicht als Einkommen berücksichtigt, daß schon die vermögenswirksamen Leistungen, von deren Erhalt und Höhe die Sparzulage abhängt, als Teil des Lohnes oder Gehaltes des Arbeitnehmers unterhaltserhöhend wirken, ungeachtet der Tatsache, daß der Arbeitnehmer über sie nicht verfügen kann (vgl. BGH, Urteil vom 25. Juni 1980 – IVb ZR 530/80 – FamRZ 1980, 984 f. m.w.N.). ff) Die unterhaltsrechtliche Anrechnung der Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz belastet den Unterhaltspflichtigen auch nicht unangemessen. So findet, wenn er für das selbst genutzte Wohneigentum, in Ansehung dessen die Zulage gewährt wird, Schuldzinsen zu zahlen hat, ein Ausgleich dadurch statt, daß er diese unterhaltsrechtlich bis zur Höhe der Miete für einen angemessenen Wohnraum geltend machen kann (vgl. Senatsurteile vom 3. Juli 1984 - VI ZR 42/83 - VersR 1984, 961, 962; vom 5. Dezember 1989 - VI ZR 276/88 - aaO und BGHZ 137, 237, 240, jeweils m.w.N.). 4. Zu Recht wendet sich die Revision indes gegen die Schadensschätzung des Berufungsgerichts.
a) Der Tod des Unterhaltspflichtigen macht es erforderlich, dessen (fiktive ) künftige Unterhaltspflichten in Geld zu bewerten. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt haben würden. Er muß eine vorausschauende Betrachtung vornehmen, in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit
des Unterhaltspflichtigen, wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Für diese Prognose gilt der Maßstab des § 287 ZPO. Das bedeutet, daß die Einschätzung des Richters nicht "in der Luft schweben" darf, vielmehr benötigt er für die Beurteilung der zukünftigen Entwicklung greifbare Tatsachen als Ausgangspunkt. Andererseits muß sich der Richter bewußt sein, daß ihm § 287 ZPO eine besonders freie Stellung einräumt, die Schätzungen im Sinne eines Wahrscheinlichkeitsurteils erlaubt und nach Lage des Falles sogar gebieten kann, weil die Vorschrift dem Geschädigten zu einem gerechten Ausgleich verhelfen soll. Dabei hat der Tatrichter unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten, die ihm § 287 ZPO bietet, bei der Festsetzung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bemessungszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu berücksichtigen. Unsicherheiten über die Bemessungsfaktoren sind im Rahmen des nach § 287 ZPO Zulässigen im Schätzergebnis zu verarbeiten (vgl. Senatsurteile vom 24. April 1990 - VI ZR 183/89 - VersR 1990, 907; vom 9. Oktober 1990 - VI ZR 291/89 - VersR 1991, 437, 438 und BGH, Urteil vom 3. Dezember 1999 - IX ZR 332/98 - VersR 2001, 246, jeweils m.w.N.). Einer Überprüfung dieser Schätzung durch das Revisionsgericht sind enge Grenzen gezogen; es hat nur zu prüfen, ob die Schadensermittlung auf grundsätzlich falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht und ob wesentliche, die Entscheidung bedingende Tatsachen außer Acht gelassen worden sind (st. Rspr.; vgl. Senatsurteile vom 10. April 1979 - VI ZR 151/75 - VersR 1979, 670, 671 f., BGHZ 102, 322, 330 und vom 2. Dezember 1997 - VI ZR 142/96 - VersR 1998, 333, 335 m.w.N. – in BGHZ 137, 237 insoweit nicht abgedruckt).
b) Im Streitfall beruht die Schadensschätzung auf falschen rechtlichen Erwägungen. Die getroffenen Feststellungen vermögen die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht zu tragen.
aa) Ohne Rechtsfehler und von der Revision unbeanstandet legt das Be- rufungsgericht der Berechnung der den Klägern zustehenden Unterhaltsrenten allerdings die Beträge zugrunde, auf die sich Parteien in dem im Jahre 1999 geschlossenen Teilvergleich geeinigt haben. bb) Hingegen rechtfertigen es die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht, die Eigenheim- und Kinderzulage dem für die Jahre 1997 bis 2004 anzunehmenden fiktiven Einkommen des Verunglückten hinzuzurechnen. (1) Darauf, ob die Klägerin zu 1 selbst die Möglichkeit verloren hat, für ein zweites Objekt Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz in Anspruch zu nehmen, kommt es für die Berechnung der Unterhaltsrenten nicht an. Ein solcher Rechtsverlust wäre ein nach Lage der Dinge nicht ersatzfähiger reiner Vermögensschaden der Klägerin zu 1, der darüber hinaus nur bei ihr eingetreten wäre, nicht aber bei den Klägern zu 2 und 3. (2) Eine Erhöhung der Unterhaltsansprüche der Kläger käme vielmehr nur dann in Betracht, wenn dem Unterhaltsverpflichteten, also dem Ehemann der Klägerin zu 1, im Falle seines Fortlebens in dem bezeichneten Zeitraum Leistungen nach dem Eigenheimzulagengesetz zugeflossen wären. Das wäre nur dann möglich gewesen, wenn zu dieser Zeit noch kein Objektverbrauch im Sinne von § 6 Abs. 3 EigZulG vorgelegen hätte. Ein solcher wäre aber eingetreten , wenn die Klägerin zu 1 und ihr Ehemann ohne dessen tödlichen Unfall bereits aus Anlaß des im Oktober 1993 erfolgten Immobilienerwerbs zum zweiten Mal von der Möglichkeit der staatlichen Förderung gem. § 10 e EStG a.F. Gebrauch gemacht hätten. Dafür könnte sprechen, daß die Eheleute nach den im Berufungsurteil in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts geplant hatten, die von ihnen seinerzeit bewohnte Eigentumswohnung gewinn-
bringend zu veräußern, um mit dem erzielten Betrag ein Hausgrundstück zu erwerben und unter Inanspruchnahme der zweiten Abschreibungsmöglichkeit gem. § 10 e EStG a.F. zu finanzieren. Bei einer solchen Fallgestaltung wäre den Klägern ein Unterhaltsschaden aber nicht aus Anlaß des späteren, im Jahre 1997 getätigten Grundstückserwerbs entstanden. Mit dieser aufgrund des unstreitigen Parteivortrags durchaus naheliegenden Möglichkeit hat sich das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht befaßt. Von seinem Ansatz aus folgerichtig hat es auch nicht erwogen, ob und inwieweit den Klägern für den von ihnen angeführten Zeitraum Ansprüche auf erhöhte Unterhaltsrenten unter dem Gesichtspunkt zustehen könnten, daß der Verunglückte im Falle seines Fortlebens möglicherweise den im Jahre 1993 getätigten Immobilienerwerb dazu genutzt hätte, die zweite Abschreibungsmöglichkeit gem. § 10 e EStG a.F. in Anspruch zu nehmen. Das Berufungsgericht hat bei der Berechnung der Höhe der Unterhaltsansprüche gemäß § 844 Abs. 2 BGB auch nicht bedacht, daß der Ehemann die volle Förderung nach dem Eigenheimzulagengesetz für ein weiteres Objekt nur dann in Anspruch hätte nehmen können, wenn er dieses zu Alleineigentum erworben hätte. Hätten die Eheleute im Falle des Fortlebens des Verunglückten das im Jahre 1997 gekaufte Haus nämlich als Miteigentümer erworben, wären die Leistungen nach § 9 EigZulG einem jeden von ihnen (nur) gemäß seinem jeweiligen Miteigentumsanteil zugeflossen (BFHE 191, 377, 378 ff.; 192, 415, 416 und 202, 327). Insoweit wäre deshalb gegebenenfalls zu bedenken, daß die Eheleute sowohl die Eigentumswohnung im Jahre 1988 als auch das Hausgrundstück im Jahr 1993 jeweils gemeinsam gekauft haben.

III.

Da somit eine weitere Sachaufklärung geboten ist, sieht sich der Senat gehindert, nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst in der Sache zu entscheiden. Die Sache war daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Müller Greiner Diederichsen Pauge Zoll

Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.

(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

(2) Ein minderjähriges Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.

(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.

(1) Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen (angemessener Unterhalt).

(2) Der Unterhalt umfasst den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf, bei einer der Erziehung bedürftigen Person auch die Kosten der Erziehung.

(1) Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Der Verpflichtete kann verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen.

(2) Haben Eltern einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren, können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus der Unterhalt gewährt werden soll, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird. Ist das Kind minderjährig, kann ein Elternteil, dem die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, eine Bestimmung nur für die Zeit treffen, in der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen ist.

(3) Eine Geldrente ist monatlich im Voraus zu zahlen. Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Berechtigte im Laufe des Monats stirbt.

(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

(2) Ein minderjähriges Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.

(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 können anstelle der häuslichen Pflegehilfe ein Pflegegeld beantragen. Der Anspruch setzt voraus, dass der Pflegebedürftige mit dem Pflegegeld dessen Umfang entsprechend die erforderlichen körperbezogenen Pflegemaßnahmen und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigneter Weise selbst sicherstellt. Das Pflegegeld beträgt je Kalendermonat

1.
316 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2,
2.
545 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3,
3.
728 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4,
4.
901 Euro für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5.

(2) Besteht der Anspruch nach Absatz 1 nicht für den vollen Kalendermonat, ist der Geldbetrag entsprechend zu kürzen; dabei ist der Kalendermonat mit 30 Tagen anzusetzen. Die Hälfte des bisher bezogenen Pflegegeldes wird während einer Kurzzeitpflege nach § 42 für bis zu acht Wochen und während einer Verhinderungspflege nach § 39 für bis zu sechs Wochen je Kalenderjahr fortgewährt. Das Pflegegeld wird bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem der Pflegebedürftige gestorben ist. § 118 Abs. 3 und 4 des Sechsten Buches gilt entsprechend, wenn für die Zeit nach dem Monat, in dem der Pflegebedürftige verstorben ist, Pflegegeld überwiesen wurde.

(3) Pflegebedürftige, die Pflegegeld nach Absatz 1 beziehen, haben in folgenden Intervallen eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen:

1.
bei den Pflegegraden 2 und 3 halbjährlich einmal,
2.
bei den Pflegegraden 4 und 5 vierteljährlich einmal.
Pflegebedürftige des Pflegegrades 1 haben Anspruch, halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit abzurufen. Beziehen Pflegebedürftige von einem ambulanten Pflegedienst Pflegesachleistungen, können sie ebenfalls halbjährlich einmal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit in Anspruch nehmen. Auf Wunsch der pflegebedürftigen Person erfolgt im Zeitraum vom 1. Juli 2022 bis einschließlich 30. Juni 2024 jede zweite Beratung abweichend von den Sätzen 1 bis 3 per Videokonferenz. Bei der Durchführung der Videokonferenz sind die nach § 365 Absatz 1 Satz 1 des Fünften Buches vereinbarten Anforderungen an die technischen Verfahren zu Videosprechstunden einzuhalten. Die erstmalige Beratung nach den Sätzen 1 bis 3 hat in der eigenen Häuslichkeit zu erfolgen.

(3a) Die Beratung nach Absatz 3 dient der Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege und der regelmäßigen Hilfestellung und praktischen pflegefachlichen Unterstützung der häuslich Pflegenden. Die Pflegebedürftigen und die häuslich Pflegenden sind bei der Beratung auch auf die Auskunfts-, Beratungs- und Unterstützungsangebote des für sie zuständigen Pflegestützpunktes sowie auf die Pflegeberatung nach § 7a hinzuweisen.

(3b) Die Beratung nach Absatz 3 kann durchgeführt werden durch

1.
einen zugelassenen Pflegedienst,
2.
eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz oder
3.
eine von der Pflegekasse beauftragte, jedoch von ihr nicht beschäftigte Pflegefachkraft, sofern die Durchführung der Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst vor Ort oder eine von den Landesverbänden der Pflegekassen nach Absatz 7 anerkannte Beratungsstelle mit nachgewiesener pflegefachlicher Kompetenz nicht gewährleistet werden kann.

(3c) Die Vergütung für die Beratung nach Absatz 3 ist von der zuständigen Pflegekasse, bei privat Pflegeversicherten von dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen zu tragen, im Fall der Beihilfeberechtigung anteilig von dem zuständigen Beihilfeträger. Die Höhe der Vergütung für die Beratung durch einen zugelassenen Pflegedienst oder durch eine von der Pflegekasse beauftragte Pflegefachkraft vereinbaren die Pflegekassen oder deren Arbeitsgemeinschaften in entsprechender Anwendung des § 89 Absatz 1 und 3 mit dem Träger des zugelassenen Pflegedienstes oder mit der von der Pflegekasse beauftragten Pflegefachkraft unter Berücksichtigung der Empfehlungen nach Absatz 5. Die Vergütung kann nach Pflegegraden gestaffelt werden. Über die Höhe der Vergütung anerkannter Beratungsstellen und von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften entscheiden die Landesverbände der Pflegekassen unter Zugrundelegung der im jeweiligen Land nach den Sätzen 2 und 4 vereinbarten Vergütungssätze jeweils für die Dauer eines Jahres. Die Landesverbände haben die jeweilige Festlegung der Vergütungshöhe in geeigneter Weise zu veröffentlichen.

(4) Die Pflegedienste und die anerkannten Beratungsstellen sowie die beauftragten Pflegefachkräfte haben die Durchführung der Beratungseinsätze gegenüber der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen zu bestätigen sowie die bei dem Beratungsbesuch gewonnenen Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Verbesserung der häuslichen Pflegesituation dem Pflegebedürftigen und mit dessen Einwilligung der Pflegekasse oder dem privaten Versicherungsunternehmen mitzuteilen, im Fall der Beihilfeberechtigung auch der zuständigen Beihilfefestsetzungsstelle. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und die privaten Versicherungsunternehmen stellen ihnen für diese Mitteilung ein einheitliches Formular zur Verfügung. Erteilt die pflegebedürftige Person die Einwilligung nicht, ist jedoch nach Überzeugung der Beratungsperson eine weitergehende Beratung angezeigt, übermittelt die jeweilige Beratungsstelle diese Einschätzung über die Erforderlichkeit einer weitergehenden Beratung der zuständigen Pflegekasse oder dem zuständigen privaten Versicherungsunternehmen. Diese haben eine weitergehende Beratung nach § 7a anzubieten. Der beauftragte Pflegedienst und die anerkannte Beratungsstelle haben dafür Sorge zu tragen, dass für einen Beratungsbesuch im häuslichen Bereich Pflegekräfte eingesetzt werden, die spezifisches Wissen zu dem Krankheits- und Behinderungsbild sowie des sich daraus ergebenden Hilfebedarfs des Pflegebedürftigen mitbringen und über besondere Beratungskompetenz verfügen. Zudem soll bei der Planung für die Beratungsbesuche weitestgehend sichergestellt werden, dass der Beratungsbesuch bei einem Pflegebedürftigen möglichst auf Dauer von derselben Pflegekraft durchgeführt wird.

(5) Die Vertragsparteien nach § 113 beschließen gemäß § 113b bis zum 1. Januar 2018 unter Beachtung der in Absatz 4 festgelegten Anforderungen Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 3. Die Empfehlungen enthalten Ausführungen wenigstens

1.
zu Beratungsstandards,
2.
zur erforderlichen Qualifikation der Beratungspersonen sowie
3.
zu erforderlichenfalls einzuleitenden Maßnahmen im Einzelfall.
Fordert das Bundesministerium für Gesundheit oder eine Vertragspartei nach § 113 im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit die Vertragsparteien schriftlich zum Beschluss neuer Empfehlungen nach Satz 1 auf, sind diese innerhalb von sechs Monaten nach Eingang der Aufforderung neu zu beschließen. Die Empfehlungen gelten für die anerkannten Beratungsstellen entsprechend.

(5a) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen beschließt mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V. bis zum 1. Januar 2020 Richtlinien zur Aufbereitung, Bewertung und standardisierten Dokumentation der Erkenntnisse aus dem jeweiligen Beratungsbesuch durch die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie genehmigt. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben.

(6) Rufen Pflegebedürftige die Beratung nach Absatz 3 Satz 1 nicht ab, hat die Pflegekasse oder das private Versicherungsunternehmen das Pflegegeld angemessen zu kürzen und im Wiederholungsfall zu entziehen.

(7) Die Landesverbände der Pflegekassen haben neutrale und unabhängige Beratungsstellen zur Durchführung der Beratung nach den Absätzen 3 bis 4 anzuerkennen. Dem Antrag auf Anerkennung ist ein Nachweis über die erforderliche pflegefachliche Kompetenz der Beratungsstelle und ein Konzept zur Qualitätssicherung des Beratungsangebotes beizufügen. Die Landesverbände der Pflegekassen regeln das Nähere zur Anerkennung der Beratungsstellen.

(8) Die Beratungsbesuche nach Absatz 3 können auch von Pflegeberaterinnen und Pflegeberatern im Sinne des § 7a oder von Beratungspersonen der kommunalen Gebietskörperschaften, die die erforderliche pflegefachliche Kompetenz aufweisen, durchgeführt werden. Absatz 4 findet entsprechende Anwendung. Die Inhalte der Empfehlungen zur Qualitätssicherung der Beratungsbesuche nach Absatz 5 sind zu beachten.

(9) Beratungsbesuche nach Absatz 3 dürfen von Betreuungsdiensten im Sinne des § 71 Absatz 1a nicht durchgeführt werden.

(1) Unterhaltsberechtigt ist nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten.

(2) Ein minderjähriges Kind kann von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung des Unterhalts insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 272/02 Verkündet am:
7. Juli 2004
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Ein Elternteil, dem Hilfe zur Pflege gewährt wird, weil sein Einkommen mit Rücksicht
auf die mit seinem Ehegatten bestehende Bedarfsgemeinschaft seitens des Sozialhilfeträgers
nur teilweise angerechnet wird, ist im Verhältnis zu einem Abkömmling
nicht unterhaltsbedürftig, wenn sein Einkommen ausreicht, den eigenen Bedarf zu
decken.
BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 - XII ZR 272/02 - OLG Hamm
AG Essen-Steele
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren, in
dem bis zum 2. Juni 2004 Schriftsätze eingereicht werden konnten, durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose

für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 12. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Oktober 2002 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt den Beklagten aus übergegangenem Recht auf Zahlung von Elternunterhalt in Anspruch. Der am 25. September 1924 geborene Vater des Beklagten, der nach einem Schlaganfall pflegebedürftig ist, lebt seit dem 23. November 1999 in einem Seniorenzentrum. Er bezieht eine Altersrente von monatlich ca. 2.350 DM bzw. ab Januar 2002 von monatlich ca. 1.230 € und ab Juli 2002 von monatlich ca. 1.260 €. Daneben wird für ihn Pflegegeld in Höhe von monatlich 2.500 DM sowie Pflegewohngeld gemäß § 14 LandespflegegeldG NW gezahlt, wobei letzteres mit den Investitionskosten des Heims verrechnet wird. Die Kosten der Heimunterbringung werden teilweise von der Klägerin getragen, die dem Vater Hilfe zur Pflege gewährt.
Die 1930 geborene Mutter des Beklagten bewohnt weiterhin die frühere Ehewohnung; sie verfügt über eigene Renteneinkünfte, die sich ab Januar 2002 auf monatlich ca. 586 € beliefen. Der Beklagte ist verheiratet. Er geht - ebenso wie seine Ehefrau - einer Erwerbstätigkeit nach. Für seine Kinder aus erster Ehe hat er monatlichen Unterhalt in Höhe von 960 DM zu zahlen. Die verheiratete Schwester des Beklagten erzielt ebenfalls Erwerbseinkommen. Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Erstattung eines Teils der von ihr für den Vater gewährten Sozialhilfeleistungen. Sie hat die Zahlung rückständigen Unterhalts für die Zeit von Januar bis einschließlich November (nicht: Oktober ) 2001 in Höhe von 3.362 DM (1.720 €) sowie laufenden Unterhalt - ebenfalls - ab November 2001 in Höhe von monatlich 403,74 DM (206 €) verlangt. Dabei ist sie davon ausgegangen, daß der Vater wegen der bestehenden Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter einen Betrag von (nur) 851 DM monatlich von seiner Rente für die Heimkosten von monatlich rund 4.300 DM einzusetzen habe , so daß unter Berücksichtigung des zusätzlich gewährten Barbetrages und nach Abzug des Pflegegeldes Sozialhilfeaufwendungen von monatlich 1.300 DM erforderlich gewesen seien. Die Schwester des Beklagten könne erst ab 2002 zu Unterhaltsleistungen für den Vater herangezogen werden, und zwar lediglich in Höhe von monatlich 99 €, weshalb die Unterhaltsleistungen insgesamt hinter der gewährten Sozialhilfe zurückblieben. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat die Unterhaltsbedürftigkeit des Vaters bestritten und die Auffassung vertreten, dieser müsse zunächst sein eigenes Einkommen zur Bestreitung der Heimkosten einsetzen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel ist nicht begründet. 1. Das Berufungsgericht hat angenommen, daß ein Unterhaltsanspruch des Vaters gegen den Beklagten, der auf die Klägerin hätte übergehen können, nicht bestehe. Dazu hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Vater sei nicht unterhaltsbedürftig , da er nicht außerstande sei, sich aus seinen Einkünften selbst zu unterhalten. Der Unterhaltsbedarf des Vaters richte sich nach den für seine Unterbringung in dem Pflegeheim anfallenden Kosten und betrage nach den Berechnungen der Klägerin monatlich rund 4.300 DM bzw. ab Januar 2002 täglich 75,82 €, monatlich also etwa 2.300 €. Dieser Bedarf sei durch das Renteneinkommen und das gezahlte Pflegegeld gedeckt, so daß es auf das nach § 14 LandespflegegeldG NW gewährte Pflegewohngeld nicht mehr ankomme. Ein ungedeckter Bedarf des Vaters liege nicht deshalb vor, weil seine Rente nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes nicht in voller Höhe auf die Pflegekosten anzurechnen sei. Der Klägerin könne nicht in der Auffassung gefolgt werden, daß die Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber seiner Ehefrau, der Mutter des Beklagten, zu berücksichtigen sei. Die sozialhilferechtlichen Bestimmungen , nach denen die Klägerin wegen der zwischen den Eltern des Beklagten bestehenden Bedarfsgemeinschaft nur einen Teilbetrag der Rente des Vaters auf die für ihn angefallenen Pflegekosten angerechnet habe, seien un-
terhaltsrechtlich unbeachtlich. Für einen Unterhaltsanspruch gegen einen Verwandten sei nur der eigene Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten maßgebend. Dieser Bedarf werde nicht dadurch erhöht, daß der Unterhaltsberechtigte seinerseits Unterhaltspflichten zu erfüllen habe. Eine Bedarfserhöhung trete vorliegend auch nicht deshalb ein, weil der Vater den für die früher gemeinsam mit der Mutter bewohnte Wohnung abgeschlossenen Mietvertrag und die Energieversorgungsverträge weiterhin erfüllen müsse. Entsprechende Leistungen dienten nicht seinem eigenen Wohnbedarf, sondern demjenigen der Mutter. Der Vater lebe seit dem im Jahre 1999 erlittenen Schlaganfall schwerstpflegebedürftig im Heim. Mit Rücksicht darauf sei eine Rückkehr in die Wohnung nicht zu erwarten. 2. Demgegenüber macht die Revision geltend, die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung habe zur Folge, daß die Klägerin weder für den Vater noch für die Mutter aus übergegangenem Recht Unterhalt verlangen könne, die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes und des Bürgerlichen Gesetzbuchs mithin unkoordiniert nebeneinander stünden. Da die Eltern des Beklagten nach der zu den §§ 28, 29 BSHG bestehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne der genannten Bestimmungen nicht voneinander getrennt lebten, habe der Träger der Sozialhilfe keine andere Möglichkeit, als von einer Bedarfsgemeinschaft auszugehen. Das Bundessozialhilfegesetz berücksichtige bei der Hilfe zum Lebensunterhalt Unterhaltspflichten zwischen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bereits bei der Feststellung des einzusetzenden Einkommens oder Vermögens. Das führe im vorliegenden Fall dazu, daß die Mutter keine Sozialhilfe erlangen könne, weil sie ihren Bedarf im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft mit dem Vater decken könne. Der Vater erhalte zwar Sozialhilfe , habe aber mangels Unterhaltsbedürftigkeit keinen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten. Bei einer solchen Fallgestaltung müsse berücksichtigt werden, daß der Beklagte seinem Vater wie seiner Mutter gemäß § 1601 BGB
in gleichem Maße unterhaltspflichtig sei. Wenn dagegen die Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 28 BSHG mit einem nicht Unterhaltsberechtigten bestehe , könne der in Anspruch genommene Unterhaltspflichtige dies einwenden. Durchzuführen sei mithin eine Kontrollberechnung, welche Unterhaltspflicht sich bei Anwendung des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergeben würde. 3. Damit vermag die Revision nicht durchzudringen. Das Berufungsgericht hat einen Unterhaltsanspruch des Vaters gegen den Beklagten, der gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 BSHG auf die Klägerin hätte übergehen können bzw. hinsichtlich des geltend gemachten laufenden Unterhalts übergehen würde, im Ergebnis zu Recht verneint.
a) In Höhe von 403,74 DM unterliegt die Klage allerdings schon deshalb der Abweisung, weil die Klägerin den bei Klageeinreichung am 17. November 2001 bereits fälligen und in Höhe von 403,74 DM begehrten Unterhalt für November 2001 doppelt verlangt hat, nämlich sowohl im Rahmen des Rückstandes von abgerundet 3.362 DM, der ausweislich der Zusammenstellung in der Klageschrift den Zeitraum von Januar bis November 2001 betrifft, und als laufenden Unterhalt, der ab November 2001 beansprucht wird.
b) Aber auch im übrigen steht der Klägerin ein Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten nicht zu. Dabei ist dessen Unterhaltspflicht gegenüber seinem Vater dem Grunde nach zwischen den Parteien nicht im Streit. Sie ergibt sich aus § 1601 BGB. Der Bedarf des Vaters wird durch seine Unterbringung in einem Heim bestimmt und entspricht den dort anfallenden Kosten, die das Berufungsgericht entsprechend den von der Klägerin eingereichten Aufstellungen zugrunde gelegt hat. Daß Kosten in der dort genannten Höhe angefallen sind, was der Beklagte bestritten hat, kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Neben den Heimkosten umfaßt die in Form der Hilfe zur Pflege gewährte
Hilfe in besonderen Lebenslagen (§ 27 Abs. 1 BSHG) einen angemessenen Barbetrag zur persönlichen Verfügung (§§ 21 Abs. 3, 27 Abs. 3 BSHG), der dem Vater ausweislich der von der Klägerin vorgelegten und vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Zusammenstellungen ebenfalls gewährt worden ist. Daß insofern grundsätzlich ebenfalls ein Bedarf anzuerkennen ist, kann keinem Zweifel unterliegen. Denn die in einem Heim lebenden Hilfeempfänger sind darauf angewiesen, zusätzlich zu den entstehenden Heimkosten Aufwendungen für Zeitschriften, Schreibmaterial, Körper- und Kleiderpflege bestreiten und sonstige Kleinigkeiten des täglichen Lebens finanzieren zu können (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 2003 - XII ZR 122/00 - FamRZ 2004, 366, 369 m.w.N.).
c) Unterhaltsbedürftig ist der Vater des Beklagten indessen nur, soweit er außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 1602 Abs. 1 BGB). Soweit seine eigenen Einkünfte dagegen ausreichen, um den Bedarf zu decken, besteht ein Unterhaltsbedarf nicht. Das aus Altersrente und Pflegegeld bestehende monatliche Einkommen des Vaters belief sich bis zum 30. Juni 2001 auf 4.858,57 DM, vom 1. Juli bis 31. Dezember 2001 auf 4.908,92 DM, vom 1. Januar bis 30. Juni 2002 auf 2.509,89 € und ab 1. Juli 2002 auf 2.537,82 €. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für Heimkosten und - den vom Berufungsgericht nicht berücksichtigen - Barbetrag lagen demgegenüber im Jahr 2001 zwischen monatlich 4.200,82 DM und 4.849,44 DM und von Januar bis Juli 2002 zwischen monatlich 2.252,03 € und 2.482,27 €. Damit bleiben sie jeweils hinter den Einkünften zurück, so daß ein offener Bedarf jedenfalls nicht besteht.
d) Die Klägerin ist gleichwohl von einem teilweise ungedeckten Bedarf des Vaters ausgegangen, weil sie dessen Rente nicht in vollem Umfang be-
darfsmindernd angerechnet hat, sondern nur in Höhe von monatlich 851 DM bis 30. Juni 2001, von monatlich 890 DM ab 1. Juli 2001 und von monatlich 471 € ab 1. Juli 2002. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, daß der von der Mutter nicht getrennt lebende Vater mit dieser eine Bedarfsgemeinschaft bilde, weshalb es im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung gemäß § 28 Abs. 1 BSHG auf das nach den §§ 76 ff. BSHG anzurechnende Gesamteinkommen der Ehegatten ankomme. Diese Berechnung führt dazu, daß eine Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber der Mutter bereits bei der Feststellung des einzusetzenden Einkommens berücksichtigt wird (vgl. auch Wendl/Scholz Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 6. Aufl. § 6 Rdn. 517 f.). Der Mutter, die nur über eigene Renteneinkünfte von zunächst monatlich 1.122,27 DM und schließlich (ab 1. Juli 2002) von monatlich 599,35 € verfügte, standen dadurch Gesamteinkünfte von monatlich 2.629,84 DM bzw. zuletzt von 1.387,94 € zur Verfügung.
e) Diese sozialhilferechtliche Berechnungsweise ist indessen, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, unterhaltsrechtlich nicht maßgebend. Dabei kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Vater verpflichtet ist, der Mutter gemäß §§ 1360, 1360 a BGB Familienunterhalt zu leisten, obwohl sein Einkommen seinen eigenen Unterhaltsbedarf nur geringfügig übersteigt (vgl. hierzu BVerfG FamRZ 1984, 346, 350; Staudinger/ Hübner/Voppel BGB <1999> § 1360 Rdn. 15 f.; Soergel/Lange BGB 12. Aufl. § 1360 Rdn. 11; MünchKomm/Wacke 4. Aufl. § 1360 Rdn. 5). Denn durch eine eventuelle eigene Unterhaltsverpflichtung wird der Unterhaltsbedarf des Berechtigten nicht erhöht. Der Unterhaltsanspruch dient allein der Behebung des eigenen Unterhaltsbedarfs. Sein Zweck geht deshalb nicht dahin, dem Empfänger die Möglichkeit zu bieten, seinerseits aus der Unterhaltsleistung Verbindlichkeiten zu erfüllen. Andernfalls würde man zu einer mittelbaren Unterhaltsgewährung nicht - oder noch nicht - Unterhaltspflichtiger gelangen, die es nach dem Gesetz nicht gibt (Senatsurteil vom 6. Dezember 1984 - IVb ZR 53/83 -
FamRZ 1985, 273, 275; Staudinger/Engler BGB <2000> § 1602 Rdn. 140; Göppinger/Strohal Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 352; Kalthoener/Büttner/Niepmann Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts 8. Aufl. Rdn. 383; Palandt /Diederichsen BGB 63. Aufl. § 1610 Rdn. 9). Dem kann entgegen der Auffassung der Revision nicht dadurch begegnet werden, daß die Berücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen des Berechtigten gegenüber einem Dritten davon abhängig gemacht wird, ob der auf Elternunterhalt in Anspruch genommene Unterhaltspflichtige auch seinerseits dem Dritten gegenüber unterhaltspflichtig ist. Denn auch dies würde auf die Anerkennung einer dem Gesetz fremden mittelbaren Unterhaltspflicht hinauslaufen. Dabei bliebe zudem außer Betracht, daß das Maß der in Rede stehenden Unterhaltspflichten sich nicht entsprechen muß. Während nämlich nicht voneinander getrennt lebende Ehegatten gemäß § 1360 BGB wechselseitig verpflichtet sind, einander durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen den ehelichen Lebensverhältnissen entsprechend angemessen zu unterhalten, bestimmt sich der einem Elternteil geschuldete Unterhalt nach anderen Kriterien. Bei bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen, wie sie hier mit Rücksicht auf die niedrige Rente der Mutter vorliegen, dürften als angemessener Unterhalt für diese nur diejenigen Mittel anzusetzen sein, durch die das Existenzminimum sichergestellt werden kann. Hierauf wären die Rente und gegebenenfalls zu gewährendes Wohngeld, soweit dieses nicht dem Ausgleich eines erhöhten Wohnkostenbedarfs dient, anzurechnen (vgl. Senatsurteil vom 19. Februar 2003 - XII ZR 67/00 - NJW 2003, 1660, 1661). Den Unterhaltsbedarf des Vaters um den Betrag zu erhöhen, den der Beklagte der Mutter eventuell an Unterhalt schulden würde, wäre mit den §§ 1601, 1602, 1610 BGB indessen nicht in Einklang zu bringen.

f) Eine andere Betrachtungsweise ist auch nicht mit der Begründung zu rechtfertigen, der Vater sei verpflichtet, den Mietvertrag und die Energieversorgungsverträge bezüglich der mit der Mutter früher gemeinsam bewohnten Wohnung zu erfüllen. Auch wenn der Vater ebenfalls Vertragspartner der betreffenden Verträge ist, darf nicht verkannt werden, daß die Leistungen hieraus vom Beginn seines Heimaufenthalts an allein der Mutter zugute kommen. Denn der Wohnbedarf des Vaters wird im Heim gedeckt; nach den tatrichterlichen, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts wird er auch nicht in die Wohnung zurückkehren können. Mietzahlungen und Begleichung von Energierechnungen stellen sich deshalb als Leistung von Familienunterhalt zugunsten der Mutter dar, der seinem Umfang nach gemäß § 1360 a BGB alles umfaßt, was für die Haushaltsführung und die Deckung der persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten erforderlich ist. Unterhaltsverpflichtungen haben aber bei der Bemessung des Bedarfs, wie bereits ausgeführt, außer Betracht zu bleiben.
g) Da ein Unterhaltsanspruch des Vaters somit schon an dessen fehlender Unterhaltsbedürftigkeit scheitert, kommt es weder auf die Leistungsfähigkeit des Beklagten noch darauf an, ob dessen Schwester in zutreffender Höhe zu Unterhaltsleistungen herangezogen worden ist, was der Beklagte bestritten hat. 4. Das von der Revision beanstandete Ergebnis ist darauf zurückzuführen , daß zwischen dem privaten Unterhaltsrecht und dem Sozialhilferecht kein völliger Gleichklang besteht. Dies hat seine Ursache darin, daß die Gewährung von Sozialhilfe anderen Kriterien folgt als die Beurteilung unterhaltsrechtlicher Zahlungsverpflichtungen (vgl. etwa Senatsurteile vom 17. März 1999 - XII ZR 139/97 - FamRZ 1999, 843, 844; vom 27. September 2000 - XII ZR 174/98 -
FamRZ 619, 620 und vom 22. Februar 1995 - XII ZR 80/94 - FamRZ 1995, 537, 538). Dem kann mit Mitteln des Unterhaltsrechts nicht begegnet werden.
Hahne Sprick Weber-Monecke Wagenitz Dose

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XII ZR 339/00 Verkündet am:
23. Juli 2003
Küpferle,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB § 1601 ff.; BSHG § 91 Abs. 2 Satz 2 i.d.F. des FKPG vom 23. Juni 1993

a) Der Übergang des Unterhaltsanspruchs eines behinderten Kindes auf den Träger
der Sozialhilfe kann nicht nur nach der konkretisierten Härteregelung des § 91
Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BSHG, sondern auch nach der allgemeinen Härteregelung
des § 91 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BSHG ausgeschlossen sein.

b) Zum Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne des § 91 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs.
BSHG, wenn ein behindertes Kind, für das Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt
worden ist, von einem Elternteil in dessen Haushalt gepflegt wird.
BGH, Urteil vom 23. Juli 2003 - XII ZR 339/00 - OLG Koblenz
AG Koblenz
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 23. Juli 2003 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter
Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dr. Ahlt

für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 13. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz vom 27. November 2000 wird zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten zurückgewiesen worden ist. Insoweit wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die klagende Stadt macht als Trägerin der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche des am 12. Juni 1955 geborenen schwerbehinderten Jürgen D. gegen die Beklagte geltend. Jürgen D. ist der Sohn der Beklagten aus deren geschiedener Ehe; der Vater ist verstorben. Bis Anfang März 2000 lebte der Sohn im Haushalt seiner
Mutter und wurde von ihr versorgt und gepflegt. Er leidet seit seiner Geburt an einer Hirnschädigung, die zu einer ausgeprägten körperlichen Behinderung und psychischen Beeinträchtigung, u.a. einem Schwachsinn mittleren Grades mit gravierender Sprachbehinderung, geführt hat. Er kann allenfalls einige Schritte alleine gehen und benötigt deshalb einen Rollstuhl. Außerdem bedarf er der physischen Versorgung sowie der Betreuung und Beaufsichtigung und ist auch sonst in allen Lebensbereichen auf die Hilfe anderer angewiesen. Die 1931 geborene Beklagte war bis zum 30. April 1994 erwerbstätig. Seit dem 1. Mai 1995 befindet sie sich im Ruhestand und verfügt über Renteneinkünfte von monatlich rund 2.700 DM. Die Klägerin gewährte Jürgen D. seit dem 1. Januar 1983 - neben Hilfe zur Pflege und Krankenhilfe - Hilfe in besonderen Lebenslagen in unterschiedlicher Höhe. Sie hat die Beklagte bereits in der Vergangenheit aus übergeleitetem bzw. übergegangenem Recht auf Unterhaltszahlungen für ihren Sohn in Anspruch genommen. In den hierüber geführten Rechtsstreiten ist die Beklagte verurteilt worden, für die Zeit vom 1. Januar 1983 bis 31. Dezember 1985 7.775,03 DM, für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis 28. Juli 1989 8.499,55 DM, für die Zeit vom 2. Dezember 1989 bis 31. Dezember 1990 4.589,54 DM und für die Zeit vom 1. Januar 1991 bis 31. Dezember 1993 11.020 DM an die Klägerin zu zahlen. Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin aus übergegangenem Recht Unterhaltsansprüche für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis zum 30. November 1999 in Höhe von insgesamt 50.021,55 DM zuzüglich Zinsen geltend. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihre Inanspruchnahme sei wegen Vorliegens einer unbilligen Härte ausgeschlossen.
Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das angefochtene Urteil teilweise abgeändert und die Verurteilung der Beklagten nur in Höhe von 38.299,20 DM zuzüglich Zinsen aufrecht erhalten. Dagegen richten sich die - zugelassenen - Revisionen beider Parteien. Die Klägerin erstrebt die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils; die Beklagte begehrt weiterhin Klageabweisung.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Revision der Beklagten führt dagegen in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. 1. Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2001, 1237 veröffentlicht ist, hat angenommen, daß der Unterhaltsanspruch des Jürgen D. gegen seine Mutter weder dem Grunde noch der Höhe nach im Streit sei. Er belaufe sich unter Berücksichtigung der von dem Einkommen der Beklagten vorzunehmenden Abzüge und des ihr zu belassenden Selbstbehalts auf die von der Klägerin errechneten Beträge von monatlich 961,32 DM für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 30. April 1995, auf monatlich 810,31 DM für die Zeit vom 1. Mai 1995 bis 31. Dezember 1995 und auf monatlich 610,31 DM für die Zeit vom 1. Januar 1996 bis 30. November 1999. Ein Forderungsübergang auf die Klägerin, die in der betreffenden Zeit laufend Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt habe, und zwar bis zum 30. November 1994 in geringerer und seit dem
1. Dezember 1994 in einer den Unterhaltsanspruch jeweils übersteigenden Hö- he, sei jedoch vom Beginn des Ruhestandes der Beklagten am 1. Mai 1995 an nur noch teilweise erfolgt. Nach § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG in der seit dem 27. Juni 1993 geltenden Fassung sei der gesetzliche Forderungsübergang ausgeschlossen , wenn dies eine unbillige Härte bedeuten würde. Das sei ab 1. Mai 1995 zum Teil der Fall. Das bereinigte Einkommen der Beklagten belaufe sich nach Abzug der von der Klägerin anerkannten Belastungen auf monatlich 2.410,31 DM; über Vermögen verfüge sie nicht. Deshalb lägen - wie auch schon während der Zeit der Erwerbstätigkeit der Beklagten - keine außergewöhnlich guten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse vor. Die Beklagte habe ihren Sohn von seiner Geburt an gepflegt und versorgt, wobei sie teilweise die Mithilfe von Familienangehörigen bzw. ihr nahestehenden Personen (zunächst ihrer Mutter, später ihres Lebensgefährten) in Anspruch genommen habe , weil sie selbst - nachdem ihre Ehe schon bald nach der Geburt des Kindes geschieden worden sei - eine Erwerbstätigkeit aufgenommen habe, um den Lebensunterhalt für sich und den Sohn sicherzustellen. Dadurch habe sie über lange Jahre eine erhebliche Doppelbelastung auf sich genommen, indem sie neben ihrer Arbeitstätigkeit jede freie Minute dem behinderten Kind gewidmet und ihr ganzes Leben auf dieses abgestellt habe. Zugleich habe sie der Allgemeinheit Sozialhilfeleistungen erspart, die andernfalls für sie und den Sohn zur Deckung des Lebensbedarfs hätten aufgebracht werden müssen. Im Hinblick auf die erhebliche Betreuungsbedürftigkeit des Sohnes, der in allen Lebensbereichen (z.B. Anziehen, Waschen, Essen, Toilettenbesuche) auf fremde Hilfe angewiesen sei und sich infolge der geistigen Behinderung auch nicht alleine beschäftigen könne, sondern der Überwachung und Beaufsichtigung bedürfe, habe die Beklagte viele Jahre überobligationsmäßig gearbeitet und sich weit über das Maß ihrer Unterhaltspflicht hinaus um den behinderten Sohn gekümmert. Im Verhältnis zu Eltern eines gesunden Kindes habe sie damit vor ihrer
Verrentung deutlich mehr als zehn Jahre länger Barunterhalt (wenn davon ausgegangen werde, daß ein Studium mit 27 Jahren abgeschlossen sei) und mehr als 20 Jahre länger Betreuungs- und vor allem umfangreiche Pflegeleistungen erbracht. Nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben habe sie die Pflege und Betreuung des Sohnes in dem hier maßgeblichen Zeitraum fortgesetzt und nicht ihren Ruhestand genossen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, daß allgemein die Spannkraft und Belastbarkeit eines Menschen mit zunehmendem Alter nachlasse und die Beklagte aufgrund der besonderen psychischen und physischen Belastungen gesundheitlich angeschlagen gewesen sei. Wenn sie gleichwohl die aufopferungsvolle Pflege fortgesetzt habe und zusätzlich den vollen Unterhaltsanspruch erfüllen müsse, werde sie in einem so weit über das übliche Maß hinausgehenden Umfang belastet, daß dies eine unbillige Härte bedeute. Diese Beurteilung führe zwar nicht dazu, daß für die Zeit ab 1. Mai 1995 ein Forderungsübergang überhaupt nicht stattfinde, die Beurteilung sei aber bei der Quote zu berücksichtigen, zu der der Beklagten ein Einsatz ihres Einkommens zuzumuten sei. Unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte sei es angemessen, ihr ein Drittel ihres über den angemessenen Eigenbedarf hinausgehenden für den Unterhalt des Sohnes einsetzbaren Einkommens zu belassen, so daß ihr eine Entlastung im Ruhestand zuteil werde. Die Beklagte habe deshalb einen Betrag von insgesamt 38.299,20 DM aufzubringen, nämlich entsprechend der nicht bestrittenen Auflistung und Berechnung der Klägerin 18.854,50 DM für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 30. April 1995 und 23.444,70 DM (35.167,05 DM : 3 x 2) für die Zeit vom 1. Mai 1995 bis 30. November 1999. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
2. a) Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, daß die Beklagte ihrem Sohn gegenüber nach den §§ 1601 ff. BGB dem Grunde nach unterhaltspflichtig ist, da er aufgrund seiner schweren Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bestimmt sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen; der Unterhalt umfaßt den gesamten Lebensbedarf (§ 1610 BGB).
b) Was die Höhe des Unterhaltsanspruchs anbelangt, ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, zwischen den Parteien sei nicht umstritten, daß diese mit den von der Klägerin angesetzten Beträgen zugrunde zu legen sei. Das begegnet rechtlichen Bedenken. Die Höhe des Unterhaltsanspruchs und damit dessen konkretes Bestehen stellt keine Tatsache dar, die die Parteien im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO unstreitig stellen könnten. Vielmehr handelt es sich um das Ergebnis einer dem Gericht obliegenden rechtlichen Prüfung, für die es maßgeblich auf den Bedarf des Unterhaltsberechtigten einerseits und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten andererseits ankommt. Im Hinblick darauf waren entsprechende Feststellungen des Berufungsgerichts nicht deshalb entbehrlich, weil die Beklagte dem Vorbringen der Klägerin zu der behaupteten Höhe des Unterhaltsanspruchs nicht entgegengetreten war. Zu der Leistungsfähigkeit der Beklagten hat die Klägerin vorgetragen, deren um die anzuerkennenden Abzüge bereinigtes Einkommen belaufe sich, etwa für die Zeit vom 1. Januar 1994 bis 30. April 1995, auf 2.561,32 DM. Der angemessene Eigenbedarf der Beklagten sei in dem betreffenden Zeitraum nach der herangezogenen Düsseldorfer Tabelle mit 1.600 DM anzusetzen, so daß sie monatliche Unterhaltszahlungen von 961,32 DM, nach der durchge-
führten sozialhilferechtlichen Vergleichsberechnung sogar in höherem Umfang, erbringen könne. Zum Unterhaltsbedarf des Jürgen D. hat die Klägerin indessen keine Angaben gemacht. Sie ist vielmehr davon ausgegangen, der Unterhaltsanspruch bestehe ohne weiteres in Höhe der Leistungsfähigkeit der Beklagten bzw. der zeitweise in etwas geringerem Umfang geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt. Beides ist indessen nicht zwingend der Fall: Die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen kann höher sein als der Unterhaltsbedarf des Berechtigten. Auch der nach sozialhilferechtlichen Grundsätzen errechnete Bedarf, der für die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt maßgebend ist, deckt sich nicht zwangsläufig mit dem nach unterhaltsrechtlichen Gesichtspunkten ermittelten Bedarf. Das wird im vorliegenden Fall auch aus der Entscheidung des Senats vom 25. November 1992 (- XII ZR 164/91 - FamRZ 1993, 417 ff.) deutlich, die das Unterhaltsbegehren der Klägerin gegen die Beklagte für die Zeit vom 1. Januar 1986 bis 28. Juli 1989 betrifft. Seinerzeit hatte das Oberlandesgericht im Anschluß an den Vortrag der Klägerin den monatlichen Gesamtbedarf des Jürgen D. in Höhe von 1.910 DM festgestellt. Er setzte sich aus dem Normalbedarf eines volljährigen Kindes von (damals) 750 DM monatlich, einem Pflegebedarf von 960 DM monatlich und einem behinderungsbedingten Mehrbedarf von 200 DM monatlich zusammen. Für den Zeitraum vom 1. September 1987 bis 30. Juni 1989 verblieb hiervon nach Abzug des bedarfsdeckend anzurechenden Pflegegeldes nach dem Landespflegegeldgesetz von 750 DM monatlich und des Wertes der von der Beklagten persönlich unter Mithilfe ihres Lebenspartners erbrachten Pflegeleistungen von monatlich 835 DM ein offener Bedarf von 325 DM, während die geleistete Hilfe zum Lebensunterhalt - für die Zeit von September 1988 bis Juni 1989 - monatlich 656,81 DM betrug. Ausgehend von dieser Entscheidung hat die Klägerin für die Folgezeit jeweils Unterhaltsansprüche in Höhe des ungedeckten Bedarfs des Jürgen D. geltend gemacht, zuletzt
für Dezember 1993 - wie auch schon zuvor - in Höhe von monatlich 325 DM. Aus welchen Gründen sich der Unterhaltsanspruch für den darauffolgenden Monat Januar 1994 auf den Betrag der geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt von 912,90 DM belaufen soll, ist dem Vorbringen der insofern darlegungspflichtigen Klägerin nicht zu entnehmen. Feststellungen zu dem Unterhaltsbedarf des Jürgen D. in der hier maßgeblichen Zeit hat das Oberlandesgericht demzufolge nicht getroffen. Deshalb sind die Unterhaltsansprüche nicht rechtsfehlerfrei ermittelt worden. Aus diesem Grund kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben, soweit die Verurteilung der Beklagten aufrechterhalten worden ist. In welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch des Jürgen D. gegen die Beklagte besteht, wird sich erst beurteilen lassen, nachdem das Berufungsgericht - nach Ergänzung des Sachvortrags - die erforderlichen Feststellungen nachgeholt hat. 3. Soweit das Berufungsgericht auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen hat, hält die Entscheidung indessen der rechtlichen Nachprüfung stand. Die Revision der Klägerin erweist sich deshalb als unbegründet.
a) Zutreffend und von der Revision der Beklagten nicht angegriffen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß der Übergang des Unterhaltsanspruchs nicht bereits nach § 91 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BSHG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms vom 23. Juni 1993 (FKPG, BGBl. I S. 944) ausgeschlossen ist. Nach dieser Bestimmung liegt eine den Anspruchsübergang ausschließende unbillige Härte in der Regel bei unterhaltspflichtigen Eltern vor, soweit einem Behinderten, einem von einer Behinderung Bedrohten oder einem Pflegebedürftigen nach Vollendung des 21. Lebensjahres Eingliederungshilfe für Behinderte oder Hilfe zur Pflege gewährt wird. Voraussetzung für die Anwendung dieser im Gesetz konkreti-
sierten Härteregelung ist mithin u.a., daß dem behinderten Kind Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen oder Hilfe zur Pflege gewährt wurden. Ist dies - wie hier bezüglich der von Jürgen D. bezogenen Hilfe zur Pflege - der Fall, erfolgt die Freistellung indessen nur wegen dieser Hilfe. Die Härteregelung gilt dagegen nicht für die - hier allein in Rede stehende - Hilfe zum Lebensunterhalt , wie sich aus der Formulierung "... soweit Hilfe zur Pflege gewährt wird" ergibt. Deshalb läßt die Bestimmung von ihrem Wortlaut her ein Absehen von der Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen nicht schlechthin wegen jeder Art von Sozialhilfeleistungen zu, die einem Pflegebedürftigen gewährt werden. Da die Freistellung von der Heranziehung Unterhaltspflichtiger von dem generellen Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG) Ausnahmecharakter hat, ist es auch nicht zulässig, den Tatbestand des § 91 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BSHG umfassend auf Fälle der Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt auszudehnen; das ist vielmehr Sache des Gesetzgebers (BVerwG FEVS Bd. 42, 309, 310 = NJW 1993, 150, 151; FEVS Bd. 49, 529, 531 f.; Schellhorn BSHG 16. Aufl. § 91 Rdn. 93; Oesterreicher/Schelter/Kunz BSHG § 91 Rdn. 139; Schaefer in Fichtner BSHG § 91 Rdn. 44; Mergler/Zink BSHG 4. Aufl. § 91 Rdn. 84; vgl. auch Münder in LPK-BSHG 6. Aufl. § 91 Rdn. 44).
b) Das Berufungsgericht hat allerdings angenommen, für die Zeit seit dem Eintritt der Beklagten in den Ruhestand führe die allgemeine Härteregelung des § 91 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BSHG nur zu einem teilweisen Anspruchsübergang auf die Klägerin. Diese Auffassung begegnet aus Rechtsgründen keinen Bedenken zum Nachteil der Klägerin. aa) Entgegen der Ansicht der Revision der Klägerin kann für Eltern behinderter Kinder nicht nur eine der allgemeinen Härteregelung vorgehende besondere Härte i.S. des § 91 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BSHG vorliegen. Vielmehr kann auch im Rahmen der Inanspruchnahme von Eltern behinderter Kinder im
Einzelfall der Übergang des Unterhaltsanspruchs wegen der allgemeinen Härteregelung ausgeschlossen sein (BVerwG FEVS Bd. 42, 309, 310 f.; Bd. 49 aaO 531 f.; Schellhorn aaO § 91 Rdn. 93; Oesterreicher/Schelter/Kunz aaO § 91 Rdn. 139; Günther Münchner Anwaltshandbuch § 13 Rdn. 57; Hänlein Die Heranziehung Unterhaltspflichtiger bei langjähriger pflegebedürftiger Volljähriger S. 88; Müller Der Rückgriff gegen Angehörige von Sozialhilfeempfängern S. 110 f.; Göppinger/van Els Unterhaltsrecht 8. Aufl. Rdn. 1757; OLG Köln FamRZ 1997, 53; vgl. auch Mergler/Zink aaO § 91 Rdn. 84; Münder aaO § 91 Rdn. 41; a.A. Schaefer aaO § 91 Rdn. 44). Das kommt auch in der zum 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Neufassung des § 91 Abs. 2 BSHG durch das SGB IX vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1046) zum Ausdruck, ohne daß insofern eine inhaltliche Änderung erfolgt ist. Seitdem findet sich die allgemeine Härteregelung in Abs. 2 Satz 2, während die konkretisierte Härteregelung in Abs. 2 Satz 5 angesiedelt ist. bb) Nach § 91 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BSHG in der Fassung des FKPG bzw. nach § 91 Abs. 2 Satz 2 BSHG in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung ist der Übergang des Unterhaltsanspruchs gegen einen nach bürgerlichem Recht Unterhaltspflichtigen ausgeschlossen, wenn dies eine unbillige Härte bedeuten würde. Das genannte Beurteilungskriterium stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, dessen Anwendung der vollen Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt (BVerwGE 41, 26, 30 für den Begriff der besonderen Härte; Schellhorn aaO § 91 Rdn. 89; Oesterreicher/Schelter/Kunz aaO § 91 Rdn. 130). Was unter dem Begriff der unbilligen Härte zu verstehen ist, unterliegt den sich wandelnden Anschauungen in der Gesellschaft. Was in früheren Zeiten im Rahmen des Familienverbandes als selbstverständlicher Einsatz der Mitglieder der Familie ohne weiteres verlangt wurde, wird heute vielfach als
Härte empfunden. Dabei kann diese Härte in materieller oder immaterieller Hinsicht bestehen und entweder in der Person des Unterhaltspflichtigen oder in derjenigen des Hilfeempfängers vorliegen. Bei der Auslegung der Härteklausel ist in erster Linie die Zielsetzung der Hilfe zu berücksichtigen, daneben auch die allgemeinen Grundsätze der Sozialhilfe, insbesondere der Grundsatz der familiengerechten Hilfe (§ 7 BSHG). Darüber hinaus ist auf die Belange und die Beziehungen in der Familie Rücksicht zu nehmen. Neben den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen der Beteiligten zueinander kommt es auf die soziale Lage an. Eine Härte liegt deshalb vor, wenn mit dem Anspruchsübergang soziale Belange vernachlässigt würden. Nach der in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassung kann eine Härte insbesondere dann angenommen werden, wenn der Grundsatz der familiengerechten Hilfe ein Absehen von der Heranziehung geboten erscheinen läßt, z.B. weil hierdurch das weitere Verbleiben des Hilfeempfängers im Familienverband gefährdet erscheint, wenn die Heranziehung in Anbetracht der sozialen und wirtschaftlichen Lage des Unterhaltspflichtigen zu einer unbilligen Härte führen würde, vor allem mit Rücksicht auf Schwere und Dauer des Bedarfs, oder wenn der Unterhaltspflichtige vor Eintreten der Sozialhilfe den Hilfeempfänger über das Maß seiner Unterhaltsverpflichtung hinaus betreut und gepflegt hat (BVerwGE 41 aaO 28; 58 aaO 209, 211 ff.; Schellhorn aaO § 91 Rdn. 86 ff.; Oesterreicher/Schelter/Kunz aaO § 91 Rdn. 131 f.; Schaefer aaO § 91 Rdn. 41 f.; Münder aaO § 91 Rdn. 41 f.; Schellhorn FuR 1993, 261, 266 f.). cc) Ausgehend von diesen Grundsätzen begegnet die Beurteilung des Berufungsgerichts aus den hierzu im einzelnen angeführten Erwägungen keinen rechtlichen Bedenken zum Nachteil der Klägerin. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, daß die Beklagte ihren Sohn vor dem Eintritt der Sozialhilfe Anfang 1983 über das Maß ihrer - durch ihre eingeschränkte Leistungsfähigkeit begrenzten - Unterhaltspflicht hinaus bereits viele Jahre betreut und gepflegt
hat, ihren physisch anstrengenden und psychisch belastenden Einsatz zugunsten des Sohnes in der Folgezeit fortgesetzt und diesem damit die vertrauten Lebensverhältnisse erhalten hat. Gleichzeitig ist sie einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgegangen und mußte aus ihren Einkünften in der Vergangenheit bereits Sozialhilfeleistungen in Höhe von knapp 32.000 DM erstatten, so daß sie angesichts ihrer allenfalls durchschnittlichen Einkommensverhältnisse keine Rücklagen für ihr Alter bilden konnte. Deshalb würde auch nach Auffassung des Senats eine unbillige Härte vorliegen, wenn die Beklagte sogar für die Zeit nach dem Eintritt in den Ruhestand von der Klägerin noch in voller Höhe der Unterhaltsansprüche zur Zahlung herangezogen werden könnte. Insofern stellt der Eintritt in den Ruhestand, wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, einen Umstand dar, der bei Berücksichtigung der gesamten Lebensumstände - nicht nur in seiner Auswirkung auf die wirtschaftlichen Verhältnisse - Bedeutung verdient (vgl. BVerwGE 56, 220, 227). Auch die Höhe, in der ein Anspruchsübergang verneint worden ist, erscheint , soweit sie sich zulasten der Klägerin auswirkt, rechtsbedenkenfrei. Unter Berücksichtigung aller den vorliegenden Fall kennzeichnenden Umstände wäre es vielmehr unbillig, wenn die Beklagte für die Zeit ab 1. Mai 1995 von den angeblichen Unterhaltsansprüchen von insgesamt 35.167,05 DM mehr als allenfalls 23.444,70 DM aufzubringen hätte. Dies würde - die Berechtigung der geltend gemachten Unterhaltsansprüche unterstellt - ohnehin nur dazu führen, daß ihr für die Zeit von Mai bis Dezember 1995 ein monatliches Einkommen von rund 1.870 DM und danach von 2.000 DM monatlich verbliebe. Die Revision der Klägerin ist deshalb unbegründet, ohne daß es darauf ankommt, ob die Unterhaltsansprüche in der behaupteten oder - was daneben allein in Betracht kommt - in geringerer Höhe bestehen.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
a) Wie die Revision der Beklagten zu Recht ausgeführt hat, brauchten Eltern, die ihr über 21 Jahre altes behindertes Kind in ein Heim gegeben haben, nach der bis zum 31. Dezember 2001 bestehenden Rechtslage gemäß § 91 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BSHG grundsätzlich (etwas anderes kann bei guten oder sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern gelten, vgl. BVerwGE 56 aaO 223 f.) nicht mit einer finanziellen Inanspruchnahme - auch nicht wegen der geleisteten Hilfe zum Lebensunterhalt - zu rechnen, weil die in einem Heim gewährte Hilfe in besonderen Lebenslagen (in Form der Hilfe zur Pflege) auch den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt einschließlich der einmaligen Leistungen umfaßt (§ 27 Abs. 3 BSHG). Das Berufungsgericht, das diesen Gesichtspunkt ebenfalls gesehen hat, ist der Auffassung, der Umstand, daß Eltern bei einer Heimunterbringung ihres Kindes gegenüber Eltern, die ihr Kind zu Hause pflegen, kostenmäßig privilegiert würden, rechtfertige es nicht, die Regelung des § 91 Abs. 2 Satz 2 2. Halbs. BSHG auf die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt zu erstrecken; dies sei Aufgabe des Gesetzgebers. Es ist indessen fraglich, ob die unterschiedliche Behandlung der Pflege im Heim und derjenigen zu Hause einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhält. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies bejaht und ausgeführt, ein Verstoß gegen die Menschenwürde, den allgemeinen Gleichheitssatz oder das Sozialstaatsprinzip könne in der gesetzlichen Regelung nicht gesehen werden; die je nach Hausoder Heimpflege unterschiedlichen Ergebnisse beruhten auf der Entscheidung des Gesetzgebers in § 27 Abs. 3 BSHG, den in der Einrichtung gewährten Lebensunterhalt der Hilfe in besonderen Lebenslagen zuzuordnen (BVerwG FEVS Bd. 49 aaO S. 532). Im Schrifttum ist diese Regelung, die auch dem Grundsatz des Vorrangs der offenen Hilfe (§ 3 a BSHG) widerspricht, teilweise als unbefriedigend empfunden, teilweise als ohne durch sachliche Differenzierungskriterien gerechtfertigte unterschiedliche Behandlung beurteilt worden (vgl. Merg-
ler/Zink aaO § 91 Rdn. 79; Müller aaO S. 110; Zeitler NDV 2001, 318, 319; Münder aaO § 91 Rdn. 43; vgl. auch Hänlein aaO S. 88 f.). Die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung kann allerdings im vorliegenden Fall offen bleiben, weil nicht festgestellt worden ist, ob Jürgen D. Hilfegewährung in einer der in § 27 Abs. 3 BSHG genannten Einrichtungen hätte beanspruchen können und im übrigen offen ist, in welcher Höhe Unterhaltsansprüche bestehen und inwieweit die Beklagte unter Berücksichtigung der folgenden Ausführungen überhaupt noch in Anspruch genommen werden kann.
b) Soweit bei häuslicher Pflege die konkretisierte Härteregelung nicht eingreift, kann im Einzelfall der Übergang des Unterhaltsanspruchs wegen der allgemeinen Härteregelung des § 91 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BSHG ausgeschlossen sein (BVerwG FEVS Bd. 49 aaO S. 531). Wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, unterliegt es den sich wandelnden Anschauungen in der Gesellschaft , was unter dem Begriff der unbilligen Härte zu verstehen ist. Insofern könnte dem Gesichtspunkt Bedeutung zukommen, daß Jürgen D. nach dem am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (BGBl. I 2001, 1335) Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung haben dürfte, ohne daß Unterhaltsansprüche gegen die Beklagte zu berücksichtigen wären (§§ 1 Nr. 2, 2 Abs. 1, 3 GSiG). Diesem Umstand könnte eventuell ein sich schon länger abzeichnender Wandel der gesellschaftlichen Anschauung zugrunde liegen. Darüber hinaus wird zu erwägen sein, ob dem Grundsatz der familiengerechten Hilfe (§ 7 BSHG) und dem Vorrang der offenen Hilfe (§ 3 a BSHG) im Rahmen des § 91 Abs. 2 Satz 2 1. Halbs. BSHG nicht weitergehende Bedeutung beizumessen ist, weil auf eine solche Weise vermieden werden kann, daß der Hilfeempfänger seine vertraute Umgebung verläßt und sich - falls möglich - für eine Heimpflege entscheidet. Letztlich erscheint es auch zweifelhaft, ob die
in der langjährigen aufwendigen und kräftezehrenden Pflege des Jürgen D. liegenden Leistungen der Beklagten in ausreichendem Umfang berücksichtigt worden sind. Insoweit wird erneut zu prüfen sein, ob nicht zum einen schon für die Zeit vor der Verrentung und zum anderen in weiterem Umfang von einer unbilligen Härte des Anspruchsübergangs auszugehen ist.
Hahne Sprick Weber-Monecke
Wagenitz Ahlt

(1) Im Falle der Tötung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

(2) Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

(1) Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Der Verpflichtete kann verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen.

(2) Haben Eltern einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren, können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus der Unterhalt gewährt werden soll, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird. Ist das Kind minderjährig, kann ein Elternteil, dem die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, eine Bestimmung nur für die Zeit treffen, in der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen ist.

(3) Eine Geldrente ist monatlich im Voraus zu zahlen. Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Berechtigte im Laufe des Monats stirbt.

(1) Im Falle der Tötung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

(2) Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

(1) Der Ehegatte des Bedürftigen haftet vor dessen Verwandten. Soweit jedoch der Ehegatte bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren, haften die Verwandten vor dem Ehegatten. § 1607 Abs. 2 und 4 gilt entsprechend. Der Lebenspartner des Bedürftigen haftet in gleicher Weise wie ein Ehegatte.

(2) (weggefallen)

(1) Der Unterhalt ist durch Entrichtung einer Geldrente zu gewähren. Der Verpflichtete kann verlangen, dass ihm die Gewährung des Unterhalts in anderer Art gestattet wird, wenn besondere Gründe es rechtfertigen.

(2) Haben Eltern einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren, können sie bestimmen, in welcher Art und für welche Zeit im Voraus der Unterhalt gewährt werden soll, sofern auf die Belange des Kindes die gebotene Rücksicht genommen wird. Ist das Kind minderjährig, kann ein Elternteil, dem die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, eine Bestimmung nur für die Zeit treffen, in der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen ist.

(3) Eine Geldrente ist monatlich im Voraus zu zahlen. Der Verpflichtete schuldet den vollen Monatsbetrag auch dann, wenn der Berechtigte im Laufe des Monats stirbt.

(1) Im Falle der Tötung hat der Ersatzpflichtige die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen.

(2) Stand der Getötete zur Zeit der Verletzung zu einem Dritten in einem Verhältnis, vermöge dessen er diesem gegenüber kraft Gesetzes unterhaltspflichtig war oder unterhaltspflichtig werden konnte, und ist dem Dritten infolge der Tötung das Recht auf den Unterhalt entzogen, so hat der Ersatzpflichtige dem Dritten durch Entrichtung einer Geldrente insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet gewesen sein würde; die Vorschriften des § 843 Abs. 2 bis 4 finden entsprechende Anwendung. Die Ersatzpflicht tritt auch dann ein, wenn der Dritte zur Zeit der Verletzung gezeugt, aber noch nicht geboren war.

(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 342/02 Verkündet am:
27. Januar 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Für die Höhe der Geldrente aus § 844 Abs. 2 BGB ist das fiktive Nettoeinkommen
des Getöteten nur bis zu seinem voraussichtlichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
maßgeblich; derzeit ist dies bei einem nicht selbständig Tätigen
grundsätzlich die Vollendung des 65. Lebensjahres.

b) Die für die zeitliche Begrenzung der Geldrente maßgebliche mutmaßliche Lebensdauer
des Getöteten ist im Urteil kalendermäßig anzugeben.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2004 - VI ZR 342/02 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. August 2002 im Umfang der Zulassung und im Kostenpunkt aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Beklagten tragen die Gerichtskosten ihrer Nichtzulassungsbeschwerde aus einem Wert von 27.115, 66 Kostenentscheidung dem Berufungsgericht vorbehalten.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Ehemann der Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall getötet, für den die Beklagten voll haften. Die Beklagte zu 2 zahlt der Klägerin zusätzlich zu deren Witwenrente einen monatlichen Schadensersatzbetrag von 853,58 DM.
Mit der Klage macht die Klägerin die Zahlung eines weiteren monatlichen Betrages von 2.354,70 DM bzw. die bei Ansatz dieses Betrages sich für die Vergangenheit ergebenden Rückstände geltend. Das Berufungsgericht hat die weiter geltend gemachten Ansprüche zum Teil zugesprochen und die Beklagten u.a. als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin über den bereits anerkannten Betrag von 853, 60 DM hinaus beginnend ab dem 1. September 2001 monatlich weitere 407, 95 übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Klägerin hat ihre Nichtzulassungsbeschwerde vor Einreichung einer Begründung zurückgenommen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat die Revision insoweit zugelassen, als die Beklagten verurteilt worden sind, über den 8. Dezember # %$ 2008 hinaus an die Klägerin monatlich weitere 407, 95 ! " evision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag im Umfang der Zulassung weiter.

Entscheidungsgründe


Soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung einer weiteren monatlichen Rente über den Zeitpunkt hinaus wendet, zu welchem der Getötete das 65. Lebensjahr vollendet hätte, ist ihre Revision begründet. 1. Nach §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 2 BGB hat der Schädiger dem Geschädigten bei Vorliegen der vom Berufungsgericht festgestellten weiteren Voraussetzungen insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet
gewesen wäre. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt hätten. Er muß daher gemäß § 287 ZPO eine vorausschauende Betrachtung vornehmen , in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen , wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Dabei hat der Tatrichter bei der Festsetzung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bezugszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 24. April 1990 - VI ZR 183/89 - VersR 1990, 907 und vom 4. November 2003 – VI ZR 346/02 – VersR 2004, 75, 77 m.w.N.). Im Hinblick darauf beanstandet die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht die Schadensersatzrente ohne zeitliche Befristung auf der Grundlage des zuletzt erzielten Nettoeinkommens des Getöteten zugesprochen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist in Anwendung der oben genannten Grundsätze eine Verdienstausfallrente auf die voraussichtliche Dauer der Erwerbstätigkeit des Verletzten, wie sie sich ohne den Unfall gestaltet hätte, zu begrenzen. Dabei ist derzeit grundsätzlich bei einem nicht selbständig Tätigen auf den gesetzlich mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand abzustellen (vgl. Senatsurteile vom 27. Juni 1995 - VI ZR 165/94 - VersR 1995, 1321; vom 26. September 1995 - VI ZR 245/94 - VersR 1995, 1447, 1448; vom 28. November 2000 - VI ZR 386/99 - VersR 2001, 730, 731 und vom 5. November 2002 - VI ZR 256/01 - GesR 2003, 84 f.). In gleicher Weise ist bei dem Anspruch auf Entrichtung einer Geldrente wegen der Tötung eines Dritten zu berücksichtigen, daß sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs mit dem voraussichtlichen Ausscheiden des Getöteten aus dem Erwerbsleben verändert und der Schadensersatzrente ab diesem Zeitpunkt nicht
mehr das zuletzt erzielte Nettoeinkommen des Getöteten zugrundegelegt werden kann. Da der getötete Ehemann der Klägerin am 8. Dezember 1943 geboren ist, hätte das Berufungsgericht demnach mit Ablauf des Monats Dezember 2008 für die Höhe der Geldrente nicht mehr auf dessen fiktives Nettoeinkommen abstellen dürfen. 2. Die Revision macht überdies mit Erfolg geltend, daß das Berufungsgericht die Geldrente nicht auf die Zeit begrenzt hat, in der der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens unterhaltspflichtig gewesen wäre. Diese mutmaßliche Lebenserwartung ist gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu schätzen, wobei insbesondere die allgemeine Lebenserwartung der durch das Lebensalter gekennzeichneten Personengruppe, der der Betroffene angehört, und dessen besondere Lebens- und Gesundheitsverhältnisse zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1972 - VI ZR 134/71 - NJW 1972, 1515, 1516 f.). Beim Fehlen individueller Anhaltspunkte kann auf die vom statistischen Bundesamt herausgegebene zeitnächste "Sterbetafel" oder anderes möglichst zeitnah zum Todeszeitpunkt erhobenes statistisches Material abgestellt werden (vgl. OLG Hamm MDR 1998, 1414 f.). Der geschätzte Zeitpunkt der mutmaßlichen Lebenserwartung und die dementsprechende zeitliche Begrenzung der Leistungsverpflichtung der Beklagten ist im Urteil kalendermäßig anzugeben (vgl. RGZ 128, 218; Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR 155/84 - VersR 1986, 463, 465).
3. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen zur Veränderung der Unterhaltspflicht beim voraussichtlichen Ausscheiden des Getöteten aus dem Erwerbsleben und zu dessen mutmaßlicher Lebenserwartung zu treffen.
Müller Wellner Diederichsen Pauge Stöhr

(1) Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden sei und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung. Ob und inwieweit eine beantragte Beweisaufnahme oder von Amts wegen die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen sei, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Das Gericht kann den Beweisführer über den Schaden oder das Interesse vernehmen; die Vorschriften des § 452 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 bis 4 gelten entsprechend.

(2) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1, 2 sind bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten auch in anderen Fällen entsprechend anzuwenden, soweit unter den Parteien die Höhe einer Forderung streitig ist und die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VI ZR 342/02 Verkündet am:
27. Januar 2004
Böhringer-Mangold,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein

a) Für die Höhe der Geldrente aus § 844 Abs. 2 BGB ist das fiktive Nettoeinkommen
des Getöteten nur bis zu seinem voraussichtlichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben
maßgeblich; derzeit ist dies bei einem nicht selbständig Tätigen
grundsätzlich die Vollendung des 65. Lebensjahres.

b) Die für die zeitliche Begrenzung der Geldrente maßgebliche mutmaßliche Lebensdauer
des Getöteten ist im Urteil kalendermäßig anzugeben.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2004 - VI ZR 342/02 - OLG Köln
LG Aachen
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2004 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Müller, den Richter
Wellner, die Richterin Diederichsen und die Richter Pauge und Stöhr

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. August 2002 im Umfang der Zulassung und im Kostenpunkt aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Beklagten tragen die Gerichtskosten ihrer Nichtzulassungsbeschwerde aus einem Wert von 27.115, 66 Kostenentscheidung dem Berufungsgericht vorbehalten.
Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Ehemann der Klägerin wurde bei einem Verkehrsunfall getötet, für den die Beklagten voll haften. Die Beklagte zu 2 zahlt der Klägerin zusätzlich zu deren Witwenrente einen monatlichen Schadensersatzbetrag von 853,58 DM.
Mit der Klage macht die Klägerin die Zahlung eines weiteren monatlichen Betrages von 2.354,70 DM bzw. die bei Ansatz dieses Betrages sich für die Vergangenheit ergebenden Rückstände geltend. Das Berufungsgericht hat die weiter geltend gemachten Ansprüche zum Teil zugesprochen und die Beklagten u.a. als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin über den bereits anerkannten Betrag von 853, 60 DM hinaus beginnend ab dem 1. September 2001 monatlich weitere 407, 95 übrigen hat es die Klage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Klägerin hat ihre Nichtzulassungsbeschwerde vor Einreichung einer Begründung zurückgenommen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hat der Senat die Revision insoweit zugelassen, als die Beklagten verurteilt worden sind, über den 8. Dezember # %$ 2008 hinaus an die Klägerin monatlich weitere 407, 95 ! " evision verfolgen die Beklagten ihren Klageabweisungsantrag im Umfang der Zulassung weiter.

Entscheidungsgründe


Soweit sich die Beklagte gegen die Verurteilung zur Zahlung einer weiteren monatlichen Rente über den Zeitpunkt hinaus wendet, zu welchem der Getötete das 65. Lebensjahr vollendet hätte, ist ihre Revision begründet. 1. Nach §§ 823 Abs. 1, 844 Abs. 2 BGB hat der Schädiger dem Geschädigten bei Vorliegen der vom Berufungsgericht festgestellten weiteren Voraussetzungen insoweit Schadensersatz zu leisten, als der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet
gewesen wäre. Dies zwingt den Richter zu einer Prognose, wie sich die Unterhaltsbeziehungen zwischen dem Unterhaltsberechtigten und dem Unterhaltspflichtigen bei Unterstellung seines Fortlebens nach dem Unfall entwickelt hätten. Er muß daher gemäß § 287 ZPO eine vorausschauende Betrachtung vornehmen , in die er alle voraussehbaren Veränderungen der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten und der (hypothetischen) Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen , wäre er noch am Leben, einzubeziehen hat. Dabei hat der Tatrichter bei der Festsetzung der Unterhaltsrente für die Zukunft sämtliche für die Bemessung dieser Rente im Bezugszeitraum zukünftig maßgebend werdenden Faktoren zu berücksichtigen (vgl. Senatsurteile vom 24. April 1990 - VI ZR 183/89 - VersR 1990, 907 und vom 4. November 2003 – VI ZR 346/02 – VersR 2004, 75, 77 m.w.N.). Im Hinblick darauf beanstandet die Revision zu Recht, daß das Berufungsgericht die Schadensersatzrente ohne zeitliche Befristung auf der Grundlage des zuletzt erzielten Nettoeinkommens des Getöteten zugesprochen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist in Anwendung der oben genannten Grundsätze eine Verdienstausfallrente auf die voraussichtliche Dauer der Erwerbstätigkeit des Verletzten, wie sie sich ohne den Unfall gestaltet hätte, zu begrenzen. Dabei ist derzeit grundsätzlich bei einem nicht selbständig Tätigen auf den gesetzlich mit Vollendung des 65. Lebensjahres vorgesehenen Eintritt in den Ruhestand abzustellen (vgl. Senatsurteile vom 27. Juni 1995 - VI ZR 165/94 - VersR 1995, 1321; vom 26. September 1995 - VI ZR 245/94 - VersR 1995, 1447, 1448; vom 28. November 2000 - VI ZR 386/99 - VersR 2001, 730, 731 und vom 5. November 2002 - VI ZR 256/01 - GesR 2003, 84 f.). In gleicher Weise ist bei dem Anspruch auf Entrichtung einer Geldrente wegen der Tötung eines Dritten zu berücksichtigen, daß sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs mit dem voraussichtlichen Ausscheiden des Getöteten aus dem Erwerbsleben verändert und der Schadensersatzrente ab diesem Zeitpunkt nicht
mehr das zuletzt erzielte Nettoeinkommen des Getöteten zugrundegelegt werden kann. Da der getötete Ehemann der Klägerin am 8. Dezember 1943 geboren ist, hätte das Berufungsgericht demnach mit Ablauf des Monats Dezember 2008 für die Höhe der Geldrente nicht mehr auf dessen fiktives Nettoeinkommen abstellen dürfen. 2. Die Revision macht überdies mit Erfolg geltend, daß das Berufungsgericht die Geldrente nicht auf die Zeit begrenzt hat, in der der Getötete während der mutmaßlichen Dauer seines Lebens unterhaltspflichtig gewesen wäre. Diese mutmaßliche Lebenserwartung ist gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu schätzen, wobei insbesondere die allgemeine Lebenserwartung der durch das Lebensalter gekennzeichneten Personengruppe, der der Betroffene angehört, und dessen besondere Lebens- und Gesundheitsverhältnisse zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteil vom 25. April 1972 - VI ZR 134/71 - NJW 1972, 1515, 1516 f.). Beim Fehlen individueller Anhaltspunkte kann auf die vom statistischen Bundesamt herausgegebene zeitnächste "Sterbetafel" oder anderes möglichst zeitnah zum Todeszeitpunkt erhobenes statistisches Material abgestellt werden (vgl. OLG Hamm MDR 1998, 1414 f.). Der geschätzte Zeitpunkt der mutmaßlichen Lebenserwartung und die dementsprechende zeitliche Begrenzung der Leistungsverpflichtung der Beklagten ist im Urteil kalendermäßig anzugeben (vgl. RGZ 128, 218; Senatsurteil vom 17. Dezember 1985 - VI ZR 155/84 - VersR 1986, 463, 465).
3. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen war die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um ihm Gelegenheit zu geben, die erforderlichen Feststellungen zur Veränderung der Unterhaltspflicht beim voraussichtlichen Ausscheiden des Getöteten aus dem Erwerbsleben und zu dessen mutmaßlicher Lebenserwartung zu treffen.
Müller Wellner Diederichsen Pauge Stöhr

(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.